Joeys steiniger Weg! von Onlyknow3 (Geschunden, Verloren und Aufgefangen) ================================================================================ Kapitel 1: Geschunden und Verloren ---------------------------------- Ein neuer Anfang Es war Ende März und die Nächte waren noch mehr als kühl, so dass man sich nicht ohne Jacke draußen aufhalten sollte. Und doch lag in einer windgeschützten Ecke des kleinen Parks ein junger Mann, leicht zitternd und zusammen gerollt. Wer er war konnte keiner erkennen, dazu war es noch zu dunkel, auch wenn es bereits dämmerte. Die Ecke, in der er gelegen hatte, war von einer niedrigen Mauer umgeben und mit einigen Sammelcontainer für den Müll bestückt. In einer der Mülltonnen hatten mehrere Zeitungen gelegen und von einer nahen Tanne war der Boden mit Nadeln bedeckt. Auf diese hatte der Heranwachsende einige der Zeitungen gelegt, während er sich mit den restlichen notdürftig zugedeckt hatte. Von weitem hörte man eine Kirchturmuhr schlagen und nur langsam regte sich der Junge. Langsam öffnete er seine Augen, löste die Arme aus ihrer Umklammerung, begann den Kopf zudrehen und der Nacken zu strecken. Als ein Schmerz sich durch seinen Körper zog entwich ihm ein Zischen durch die klappernden Zähne. Bestürzt stellte er fest, dass immer noch Blut an seinem Arm herunter lief, als er sich in eine aufrecht sitzende Position stemmte. Ein leichter Rotschimmer zog sich über den dämmrigen Himmel, als er sich langsam umblickte und eine Bank fand, die von den ersten Strahlen der Sonne beschienen wurde. Vorsichtig fuhr sich der Junge durch sein blondes, mit Blut verklebtes Haar, bevor er sich auf seine Knie schob. Die Zeitungen, die ihm als Decke gedient hatten, rutschten von ihm und fielen raschelnd zu Boden. Langsam stand er auf und humpelte auf die einladende Bank zu. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten ihn langsam auf und er genoss das Gefühl. Die Wärme tat ihm und seinem Körper mehr als gut. Die dünne Hose hing labbrig an ihm herunter und war an einigen Stellen mit Blutflecken bedeckt. Gedankenlos zog er seinen verletzten Arm über den weichen Hosenstoff, in der stummen Hoffnung das Rinnsal zu stoppen. Die braunen Augen des Jungen spiegelten den Schmerz des Jungens wieder. Ihm tat alles weh. Der Schmerz kam nicht nur durch die in der Kälte verbrachten Nacht, sondern vor allem von der erneuten Prügel seines Vaters. Der Blonde ließ seinen Blick über den Park wandern. Er war oft hier. Zu oft. Doch in letzter Zeit hielt er es zuhause kaum noch aus. Sein stets betrunkener Vater. Die Prügel. All die Demütigungen. Er spürte, wie Gedanken in ihm aufstiegen, von denen er wusste, dass sie zu nichts führen würden.  Wie sehr er seinen Vater doch hasste und sich nichts sehnlichster wünschte als ihn verlassen zu können. Große Erwartungen hatte er nie an seinen Vater gehabt. Vieles hatte er hingenommen und ertragen. Die Prügel. Die Beschimpfungen. Aber nun erwartete sein Vater von ihm, dass er seinen eigenen Körper verkaufte. Anschaffen ging. Wie hatte sein Vater nur so tief sinken können? Immer wieder kam er mit fremden Männer nach Hause, die der Blonde bedienen sollte. Doch nicht mit ihm! Er hatte sich nach Kräften gewehrt. So hatte er sich in der vergangenen Nacht den Schnitt am Arm eingehandelt, als sein Vater ihn mit einer zerbrochenen Bierflasche bändigen und gefügig machen wollte. Zu gerne hätte der Junge einen seiner Freunde um Hilfe gebeten. Aber zuzugeben, was bei ihm zu Hause so lief, dazu fehlte ihm der Mut. Es war schon so absurd, dass ihm das auch niemand glauben würde. Davon war der Halbwüchsige überzeugt. Er spürte die Verzweiflung in sich aufkommen. Doch diese konnte er sich im Augenblick nicht leisten, also versuchte er sich auf andere Gedanken zu bringen. Der Park an sich war nicht sehr groß. Trotzdem konnte man auch hier Stellen finden, an denen man seine Ruhe haben konnte. Man musste sich hier nur ein wenig auskennen. Er war gerne hier! Nicht weit von da, wo er jetzt saß, gab es einen kleinen See. Im Sommer war er hier gern schwimmen gewesen. Daneben befand sich einen Spielplatz, der aber nur selten von Kindern benutzt wurde. Warum wusste er nicht. Rings um den Park mit seiner niedrigen Mauer gab es die verschiedensten Bäume: Eichen, Pappeln, Ahorn, dicht beieinander stehende Kiefern und in dieser Ecke des Parks einige Tannen. Nach Nächten, wie die letzte, kam es nicht selten vor, dass er auf dieser Bank saß. Klar, er hätte zu einem seiner Freunde gehen können. Die hätten ihn sicherlich übernachten lassen. Aber dazu hätte er sich unangenehmen Fragen stellen müssen, die er nicht beantworten wollte. Oder nach einigen Wiederholungen hätten sie sich selbst zusammen gereimt, was bei ihm Zuhause los war. Das war das letzte, was er gewollt hätte. Sie sollten nicht sehen, wie sein Leben in Wirklichkeit war. Er spielte ihnen den stets gutgelaunten, sorgenfreien Chaot vor. Den Klassenclown. Und wenn er seinem Vater wieder einmal blaue Flecken zu verdanken hatte, dann tischte er ihnen eine Geschichte von einer Schlägerei auf. So war es das Beste. Davon war der Blonde überzeugt. Denn würden seine Freunde davon wissen, würden sie auch darüber reden. Dann würden auch andere davon Wind bekommen, in welchen Verhältnissen er lebte. Das war auch etwas, was er nicht wollte. Das bestimmte Personen etwas davon erfuhren. Personen, die schon jetzt auf ihn herab blickten und ihn mit Bezeichnungen wie Köter versahen. Was für Wörter würden sie erst benutzen, wenn sie Einzelheiten aus seinem Leben kannten? Das wollte er nicht heraus finden. Er atmete tief ein und bereute es zugleich, als ein stechender Schmerz ihn durchzog und ihm die Luft wieder aus den Lungen presste. Auch das ist ihm nicht fremd. Aber die Heftigkeit an diesem Morgen ist überraschend. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er Prügel von seinem Vater bezogen hatte. Mit dem Gedanken an seinen Vater konnte er nicht vermeiden, dass Erinnerungen an die letzte Nacht hochkamen. Wie sein verhasste Vater in sein Zimmer kam, begleitet von zwei fremden Männern. Ihn aufforderte sich auszuziehen und die Beine breit zu machen. Der Blonde schüttelte den Kopf und fragte sich zum x-ten Mal, was er machen sollte. Nach Hause konnte er im Moment nicht. Dort würde ihn nur sein Vater erwarten und ihm weitere Prügel, Hass, Verrat und Vergewaltigungen angedeihen lassen. Die Schule fiel auch aus. Nicht das er Bock auf die Lehrer und den Unterricht gehabt hätte. Aber besser als nach Hause zu gehen, wäre es allemal gewesen. Doch dafür hätte er erst nach Hause gehen und seine Schuluniform holen müssen. Das Zähneklappern ließ nach. Die Sonne war höher gestiegen und wärmte jetzt mehr. Doch mit der Wärme kam auch sein Körpergefühl zurück und damit weitere Schmerzen. Wieder blieb sein Blick an der Schnittwunde am Arm hängen. Der Schnitt blutete immer noch. Sein Vater hatte tatsächlich eine Bierflasche zerbrochen, um ihn damit gefügiger zu machen und davon abzuhalten, wegzulaufen. Mit wenig Erfolg! Aber er hatte ihn dennoch mit der scharfen Kante erwischt gehabt. Der Blonde wusste, dass er irgendwann wieder nach Hause musste. Spätestens wenn er von einem Ordnungshüter aufgegriffen wurde und seine Minderjährigkeit festgestellt wurde, würden sie ihn nach Hause bringen. Zurück in diese Hölle. Aber was sollte er machen? Er hatte keine andere Wahl als es hinzunehmen und sein Vater - mit all seiner Widerwärtigkeit - zu ertragen bis er nächstes Jahr 18 werden würde. Oder sein Vater ihn umbrachte. Je nachdem, was früher eintrat. Zu der flachen Atmung kam der Schwindel. Wahrscheinlich kam er durch den Blutverlust und der Tatsache, dass er Freitag das letzte Mal was gegessen hatte. Er hatte sich ein paar Pommes von Tristan's Teller in der Mensa gemopst. Wahrscheinlich würde sein Kreislauf gleich kippen. Doch ein Zusammenbruch war etwas, was er sich auch nicht leisten konnte. Würde jemand ihn finden, würde er ins Krankenhaus kommen. Auch dort warteten unangenehme Fragen. Ganz zu schweigen davon, dass man seinen Vater verständigen würde, der dann wusste, wo er war. Der ihn dann mit nach Hause nehmen würde... in seine ganz private Hölle aus Prügel, Demütigungen und fremde Männer, die seinem Vater den Alkohol bezahlen würden, wenn sie ein wenig Zeit mit dem Blonden verbringen durften. Und in seinem jetzigen Zustand würde er sich nicht wehren können. Wäre hilflos allem ausgeliefert.   Der Blonde blickte auf seine Armbanduhr. Kurz nach sieben an einem Montagmorgen. Er würde sich jetzt normalerweise auf den Weg in die Schule machen, genau wie andere, die an dem Park vorbei kamen. Irgendwie beneidete er die, von deren Leben er auch kaum was wusste, sich aber sicher war, dass es weniger katastrophal verlief als sein eigenes. Von seiner Bank aus, hatte er einen guten Blick auf drei der vier Parkeingänge. Vor ihm in einiger Entfernung der große Haupteingang, an dem Schüler und einige Angestellte vorbei kamen. Der rechte Eingang grenzte schon fast an das Schulgelände der Domino Oberschule, in der sich jetzt nach und nach seine Freunde einfanden. Links der Zugang führte in das Viertel für die Bessergestellten. So, wie es Kaiba war, der dort sein Anwesen hatte und zu dem dieser Park eine praktische Abkürzung war. Woher er das wusste? Mokuba hatte ihn einige Male mit nach Hause genommen, wenn Kaiba mal wieder ins Büro musste und keine Zeit hatte, sich um seinen Bruder zu kümmern. So in Gedanken versunken bemerkte der Halbwüchsige nicht, dass sich jemand ihm genähert hatte. Sicherlich nur jemand, der seinen Arbeitsweg durch den Park abkürzte, kurz seine Nase über den Anblick, den der Blonde bot, rümpfte und dann weitergehen würde. Doch zu seiner Überraschung blieb jemand vor ihm stehen. Teure Buisness-Schuhe war das erste, was dem jungen Mann auffiel, bevor er seinen Blick hob. Anzug, dreiteilig. Teurer Wollmantel und seriöser Wollschal gegen die Frische. Glattrasiertes Gesicht. Blonde Haare sauber nach hinten gekämmt. Irgendwie kam ihm das Gesicht bekannt vor. Aber er konnte es nicht zuordnen. Die wachen, freundlichen Augen musterten ihn ausgiebig. Irgendwie war das dem Blonden nicht geheuer und unangenehm. „Ist was? Habe ich was im Gesicht? Oder wollen sie gleich 'n Passbild von mir?" keifte der Blonde den Fremden an. Doch dieser schmunzelte nur sanftmütig. Was ging denn bei dem jetzt ab? „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte der Halbwüchsige mit einer gewissen Unsicherheit in der Stimme. „Du könntest mir sagen, wo ich Joey Wheeler finden kann!“ kam es von seinem Gegenüber zurück. „Warum sollte ich? Bisher hat sich noch nie jemand für ihn interessiert. Außerdem kenne ich Sie nicht und verrate keine Freunde!" konterte Joey, dem das Interesse seines Gegenübers unheimlich war. "Soll ich ihm was ausrichten!? Dann sagen Sie mir zuerst mal, wer Sie sind und was Sie von ihm wollen?" legte er schnell nach und war aufgestanden. Einerseits um etwas Abstand zwischen sich und dem Typen zu bringen. Anderseits um sich einem möglichen Zugriff schneller entziehen zu können, wenn es hart auf hart kam. „Du hast recht, ich sollte mich erst einmal vorstellen.“ kam es höflich von dem Fremden, der aber auch nicht weiter kam, da Joey aus einer anderen Richtung von der Seite angesprochen wurde. "Na Wheeler, den Park mit der Schule verwechselt?" kam es spöttisch von Kaiba, der sich ganz offensichtlich heute Morgen dazu entschieden hatte zu Fuß zur Schule zu gehen. Joey kam es so vor, als hätte das Universum sich gegen ihn verschworen oder wie kam es, dass er gegen aller Wahrscheinlichkeiten hier heute in seinem Zustand auf die Person traf, die er am wenigsten sehen wollte? "Kaiba!" kam es abweisend von Joey, der sich seinem Rivalen zuwandte. Dieser - von Joey Anblick offensichtlich geschockt - blieb wie angewurzelt stehen und musterte ihn. Auf eine Auseinandersetzung, jetzt, hier, in seinem Zustand, hatte Joey keinen Bock. Also ließ er Kaiba mit dem Fremden zusammen stehen und verschwand hinter einigen Bäumen, Richtung See und Spielplatz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)