Nemos Vermächtnis von MarySueLosthername (Eine "Operation Nautilus" FanFiction) ================================================================================ Kapitel 20: Teil 19 ------------------- Als er aufwachte, fühlte er sich so ausgeruht wie lange nicht mehr und noch etwas anderes war in ihm, neue Hoffnung. Der Weg zu Mike erfüllte ihn mit Sorge, aber nicht mehr mit diesem abgrundtiefen Schrecken, den er zuvor gefühlt hatte. Mike lag beinahe genauso da, wie am Tag zuvor und er wirkte beinahe friedlich, nichts deutet darauf hin, dass er Schmerzen litt. Dah´kar wusste nicht wie lange er da stand und auf ihn hinabstarrte, dann fiel ihm etwas ein. Verzeih mir, dass ich nicht mehr für dich tun kann, dachte er. Aber es gibt etwas, dass ich tun kann und ich denke, es ist in deinem Interesse. Er wusste nicht, ob Mike ihn hören konnte, aber er hoffte das Mike merkte, dass er ihn nicht aufgab. Gib du bitte auch nicht auf. Damit drehte er sich um und lief zu den Gästequartieren. Bevor er den Türsummer betätigte, atmete er tief durch und es dauerte einen kurzen Moment, bis sich die Tür öffnete. Ghunda Singh stand vor ihm und Dah´kar konnte sich anhand von ihm ungefähr ausmalen, welchen Anblick er letzte Nacht geboten haben musste. Es vergingen einige Sekunden, in denen keiner etwas sagte und sie sich nur ansahen. „Darf ich reinkommen?“, fragte Dah´kar schließlich, Singh trat wortlos beiseite und er schritt an ihm vorbei, ohne dabei den jungen Mann aus den Augen zu lassen. „Was kann ich für euch tun, Nemo?“ „Dah´kar.“ Singh sah ihn verwirrt an. „Dah´kar, das ist mein Name.“, klärte er ihn auf. „Du kannst mich so nennen, wenn du willst. Das überlasse ich ganz dir.“ Er wartete keine Antwort ab, lief zu dem kleinen Sofa unter dem Fenster und setzte sich. Als Singh keine Anstalten machte sich zu bewegen, klopfte Dah´kar auffordernd auf den Platz neben sich. „Setz dich.“, befahl er etwas strenger, als er es beabsichtigt hatte und schließlich ließ sich der junge Leibwächter seines Sohnes widerwillig neben ihm nieder. „Hast du überhaupt geschlafen?“ Singh schüttelte den Kopf. Er hatte es wirklich versucht, aber immer, wenn er die Augen schloss, sah er Mike in der Kammer und schreckte auf. „Ja, mir fiel es auch schwer, aber es ist wichtig, nur musste mir das auch erst jemand sagen.“ Misstrauisch musterte Singh den Mann – von dem er noch vor wenigen Stunden dacht, er sei tot, und dann feststellen musste, dass er absolut nichts über ihn wusste. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er nur hier war um sich zu erkundigen, ob er genug Schlaf bekam. War er hier, um ihn wegen seiner Beziehung zu Mike zur Rede zu stellen? Oder hatte Er ihn geschickt? Das erste machte ihn nur nervös, das andere erfüllte ihn jedoch mit Zorn. „Schickt er dich jetzt vor, weil er sich persönlich nicht mehr zu mir traut?“, fragte Singh so zornig, dass er sogar den Respekt vergaß, den er eigentlich vor Mikes Vater hatte. Doch Dah´kar schien es ihm nicht übel zu nehmen und sah ihn beinahe mit einem väterlichen Blick an. „Ich verstehe deine Gefühle, aber er hat deinen Groll nicht verdient.“ Singh wollte auffahren, doch Dah´kar brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Wenn du unbedingt jemanden hassen willst, dann mich, aber dein Vater hat eine Chance verdient. Zumindest, dass du ihm zuhörst.“ Er sah es hinter der Stirn des jungen Mannes regelrecht arbeiten und er konnte seinen Schmerz fühlen, ohne dass es die Anwendung seiner Fähigkeiten bedurft hätte. Ein Blick in die Augen des Inders genügte, und umso mehr überraschte ihn die offenen Worte des Mannes. „Ich hätte in den vergangen neunzehn Jahren immer wieder gebraucht, dass er mir zuhört, ich dachte er sei tot, habe getrauert. Und wo war er all die Zeit, in der ich ihn brauchte?“ Singh war aufgesprungen und lief unruhig im Raum auf und ab. Nemo ließ ihn gewähren, denn er wusste, dass es Singh half mit den tiefen Wunden in sich umzugehen. „Du ähnelst deinem Vater sehr.“, sagte er leise und Singh blieb überrascht stehen. „Lass mich dir eine Frage stellen: Wenn du dich entscheiden musst, ob du Mike in eine dir fremde Welt begleitest, oder ihn alleine gehen lässt, wohl wissend, dass du ihn nie wiedersiehst. Was würdest du tun?“ Schwer atmend stand Singh da und starrte auf den Boden. Er wusste die Antwort auf diese Frage, doch etwas in ihm zögerte Dah´kar zu sagen, wie diese aussah. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Als er den Kopf wandte, sah er in dessen belustigt glänzende Augen. „Dein Zögern ist unangebracht. Ich weiß es doch bereits und es ist okay, ohne die Gefühle, die du für ihn hegst, wäre er schon längst tot.“ Dah´kar zeigte ein weiteres Mal auf den Platz neben sich und sah sein Gegenüber mit hochgezogenen Augenbrauen an, wenn er ehrlich war, genoss er es, Singh etwas zappeln zu lassen. „Also, deine Antwort. Würdest du, den Mann den du liebst, hinter dir lassen?“ Singh saß auf der Kante des Sofas, seine Finger krallten sich in den Stoff und er wagte es nicht aufzusehen. „Nein.“, murmelte er. „Ich könnte es nicht.“ Er spürte Dah´kars Blick auf sich und obwohl er es nicht sah, wusste er, dass er lächelte. „Es war die Entscheidung, vor der dein Vater stand. Kannst du ihn dafür verurteilen?“ Dah´kar seufzte, stand auf und streckte die schmerzenden Muskeln. „Denk darüber nach.“, meinte er und lief zur Tür. „Warte!“, hielt Singh ihn auf. „Soll das heißen, dass er ging, weil er dich liebt?“ Die Vorstellung, dass sein Vater und er das gleiche füreinander fühlten, wie Mike und er, war dann doch viel zu bizarr für ihn. Erst glaubte Singh, dass Dah´kar seine Frage ignorierte und einfach gehen würde, doch dann drehte er sich vor der Tür doch noch einmal zu ihm um. In seinem Gesicht erschien ein versonnener Ausdruck. „Nicht so, wie du denkst. Es gibt verschiedene Arten von Liebe.“ Singh nickte verstehend, wenn er seinen Groll beiseiteschob, dann ergab das alles Sinn. Sein Vater war immer ein loyaler und stolzer Mann gewesen, der demjenigen, dem er seine Treue schwor bis auf das äußerste Beiseite stehen würde, auch wenn das den Tod bedeutete oder in diesem Fall, die bekannte Welt zu verlassen.  „Und was wird jetzt aus Mike?“, fragte Singh schließlich. Ein Schatten huschte über Dah´kars Gesicht, doch er fand schnell wieder zu seiner Selbstsicherheit zurück. „Ich gebe nicht auf. Es gibt jemanden auf meiner Heimatwelt, der in der Lage ist ihn zurückzuholen. Die Vorbereitungen für unseren Aufbruch werden in zwei Stunden abgeschlossen sein, bis dahin haben du und deine Freunde Zeit sich zu entscheiden, ob ihr mitkommt oder auf der Erde bleibt.“     Zwei Wochen waren vergangen und er konnte nicht sagen, ob ihm das zu langsam ging, oder eben viel zu schnell. Beinahe schämte er sich für diesen Gedanken, denn seit sie zur Erde aufgebrochen waren, war ihm nichts wichtiger, als seinen Sohn zu retten. Heute war der Tag, an dem sie ihn aufwecken würden, er hatte keinen Zweifel das es gelingen würde. Vor wenigen Stunden hatten sie Kri´tika erreicht und schwebten in ihrer Umlaufbahn. Bis auf Winterfeld, hatte die gesamte Crew der Nautilus sie begleitet, was Dah´kar nicht weiter überrascht hatte. Die letzten Tage waren für sie immer wieder ein Auf und Ab der Gefühle gewesen, das konnte Dah´kar deutlich spüren. Die anfängliche Anspannung und Sorge um Mike, wich bald einem überwältigenden Staunen, das mit der Reise durch das All einherging, doch wie oft sich auch Ausgelassenheit unter ihnen ausbreitete, schlich sich immer wieder ein Gefühl der Schuld ein. Dabei versuchte Dah´kar ihnen so oft wie möglich dieses Unbeschwerte zu ermöglichen, denn es nutze Mike nichts, wenn seine Freunde in Verzweiflung versanken. Besonders erfreute ihn, dass sein bester Freund Amrit wieder mehr Zugang zu seinem Sohn gefunden hatte, er hatte sie sogar immer öfter zusammen trainieren gesehen. Es war beeindruckend die beiden zu sehen und Ghunda stand seinem Vater, was seine Kampfkunst anging, in nichts nach. Anscheinend hatte er doch etwas bewirken können. Immerhin etwas, dachte er. Es war gut so, so war für die Sicherheit seines Sohnes gesorgt. Kritisch sah Dah´kar in den Spiegel, was er da sah war ungewohnt für ihn. In den letzten Jahren war er es gewohnt gewesen die blaue Uniform der Flotte zu tragen, ein Anblick der ihm eine Form von Stabilität und Sicherheit gegeben hatte. Jetzt ohne sie zu sein, ließ Emotionen in ihm aufsteigen, die er lieber verbannt sah. Er rückte sich den schwarzen Kragen seiner Jacke zurecht, betrachtete seine überwiegend schwarze Kleidung und strich sich die Falten glatt. Der Stoff unter seinen Fingern war weich, das edelste vom edelsten. Nicht, dass es ihm etwas bedeutet hätte, dachte er abfällig, aber es war das, was er erwartete. Über seinen Schultern verliefen lederne Schulterpolster, von seiner rechten Schulter verlief ein sanft fallender Umhang, der seinen halben Oberkörper und Rücken umspielte. Auf der linken Brust, direkt über seinem Herzen, prangte das goldene Wappen seines Königs. Wer ihn da im Spiegel anblickte, war nicht er. Nicht der, der er sein wollte. Sein Blick fiel auf eine kleine Schatulle vor ihm, bedächtig öffnete er sie und betrachtete den nicht ganz handlangen Dolch darin. Vorsichtig strich er darüber und steckte ihn schließlich in den fast kniehohen Stiefel, sodass nur er wusste, dass er da war. Er hatte nicht vor etwas damit zu machen, aber er vermittelte ihm Sicherheit gegen ihn. Seine Tür meldete sich und ohne zu zögern bat er seinen Gast herein. Amrit trat still ein, auch er gab einen ungewohnten Anblick ab, wenn auch er sich in seiner Paradeuniform wesentlich wohler fühlen musste. „Es ist bald soweit.“, sagte er. „Ich weiß.“ Dah´kar nickte wissend, seine Muskeln verkrampften sich und seine Augen starrten auf die zweite Schatulle vor ihm. Er wollte sie öffnen, doch etwas sträubte sich mit aller Macht dagegen. Sie zu öffnen würde bedeuten, allem in die Augen sehen zu müssen, vor dem er weglief und das er vergessen wollte. Und das zu sehen, was vor ihm lag, auch wenn kein Weg daran vorbeiführte. „Versprich mir etwas.“, sagte er zu seinem Freund, dieser sah ihm fest entgegen. „Versprich mir, dass du auf meinen Sohn aufpassen wirst.“ Ein Ausdruck von Schwermut tragt in Amrits Gesicht, doch er nickte zögerlich. „Meinst du, dass es so schwer kommen wird?“, fragte er und bekam ein zynisches Lachen von Dah´kar. „Wir beide wissen, dass es nicht anders kommen kann, ich habe den Bogen einfach zu oft überspannt. Aber euch wird nichts geschehen, das verspreche ich.“ Er öffnete die Box, ein schweres Seufzen entrang sich seiner Brust und er wunderte sich wie so ein kleines Stück Edelmetall so eine Last sein konnte. Als er weiterhin zögerte den schmalen filigranen Ring aus der Schatulle zu holen, trat Amrit neben ihn und legte ihm mitfühlenden die Hand auf den Arm. „Darf ich?“ Eine Bitte, die ihm so viel Gewicht von der Brust nahm. Beinahe mit Ehrfurcht nahm Amrit den Reif, während Dah´kar sein Haupt leicht vorbeugte, seine Augen geschlossen und seinem Schicksal ergeben. Er spürte wie der Ring auf seinen Kopf gesetzt wurde und fühlte das kühle Metall an seiner Stirn. Als er sich wieder erhob hatte sich etwas verändert, hatte den wahren Dah´kar beiseitegeschoben und eine Maske aufgesetzt. Er straffte die Schultern, sein Gesicht zeigte nicht die geringste Gefühlsregung und in seine Augen war eine Schärfe getreten, die er in dieser Form lange nicht mehr gesehen hatte. „Lass uns gehen.“, sagte er befehlend zu seinem Offizier. Zielstrebig verließen sie sein Quartier und liefen zu einer der Andockluken, wo sie in wenigen Minuten den mächtigsten Mann, diesseits der Galaxie empfangen würden. Seine obersten Offiziere und die kleine Crew der Nautilus hatten sich wie besprochen schon dort versammelt, er und Amrit trafen als letzte ein. Sofort stellten sich seine Offiziere links und rechts des Ganges zu einer Reihe auf und verharrten in Habachtstellung, von der sonst eher freundschaftlichen Atmosphäre an Bord des Schiffes war nichts mehr zu spüren. Dah´kar fühlte die fragenden Blicke von Trautman, Singh und den anderen auf sich, aber er ignorierte sie, er fungierte nun nicht mehr als Kapitän oder gar Freund. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)