Nemos Vermächtnis von MarySueLosthername (Eine "Operation Nautilus" FanFiction) ================================================================================ Kapitel 19: Teil 18 ------------------- Schon zum vierten Mal in der vergangen halben Stunde legte sich die Stirn des Arztes, an Bord der Keya, in Falten. Wie jedes Mitglied seiner Crew, kannte Nemo auch den Arzt sehr gut und wusste einzuschätzen, welche Reaktion eher etwas Gutes versprach oder eher das Gegenteil. Was er jetzt sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Zunächst hatten sie Mike in einer waghalsigen Aktion aus der hundert Jahre alten Schlafkammer in eine der modernen Untersuchungseinheiten umgelagert, durch die es ihnen besser möglich war seine Körperfunktionen unter Kontrolle zu halten und eine angemessene Behandlung durchzuführen. Anhand von Trautmans Reaktion konnte er nachfühlen, dass dieses Bild für den Kapitän der Nautilus noch befremdlicher war, als die Schlafkammer, in der Mike sich zuvor befand. Doch gegen Nemos Rat bestand Trautman darauf, während Mikes Untersuchung auf der Krankenstation zu sein und so versuchte er ihm den Schrecken zu nehmen, indem er ihm erklärte was vor sich ging. Wie auch die Kammer zuvor, war auch diese komplett geschlossen, nur das bei dieser eine Manschette um Mikes Handgelenk geschlossen war, die stetig Informationen über seinen Zustand lieferte. Sowie eine Platte mit blinkenden Lichtern über Mikes Stirn – für genaue Gehirnfunktionen – und an seinem Oberarm, um Medikamente zu verabreichen. Für Nemo war der Anblick nur hart, weil es seinen Sohn betraf, sonst hatte diese Apparatur nichts Erschreckendes für ihn. Jedoch für Trautman war es beängstigend, weil er etwas Derartiges nie gesehen hatte. Mit angespanntem Ausdruck führte der Arzt nun zum wiederholten Male die gleichen Untersuchungen durch, seufzte schließlich und winkte Nemo zu sich heran. Angespannt folgte Trautman ihm. „Es sieht gar nicht gut aus.“, berichtete der Arzt. „Ich wünschte ich könnte etwas anderes sagen, aber die Krankheit ist sehr weit fortgeschritten.“ „Soll das heißen, Sie können nichts für ihn tun?“, fragte Trautman stockend, während Nemo neben ihm stand und sich schweigend die Bilder des Gehirnscans ansah. Es war nur seiner jahrelangen Erfahrung als Kapitän zu verdanken, dass er ruhig blieb, denn so viele Alarmmeldungen auf einem Scan hatte er noch nie gesehen. „Zurzeit ist es mir nur möglich ihn stabil zu halten, mehr kann ich mit den Mitteln, die uns hier zur Verfügung stehen nicht machen.“ Trautman öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er konnte es nicht über sich bringen es auszusprechen, dass Mike wohl für immer so bleiben sollte und drehte sich schnell um, als die Gefühle ihn übermannten. „Er ist zu weit weg, oder?“, fragte Nemo seinen Arzt bitter. „Derzeit, ja.“, da sein Kapitän bereits das Problem begriffen hatte, wandte sich der Arzt an Trautman, um es ihm so verständlich wie möglich zu machen. „Es ist so, dass bei der Behandlung des Verglühens immer zwei Komponenten beachtet werden müssen – der Körper und die Seele, die genauso real und greifbar für uns ist. Ab einer bestimmten Ausprägung der Krankheit, kann der Körper zwar geheilt werden, aber die Seele ist zu weit weg dafür.“ „Soll das heißen, Sie könnten ihn jetzt heilen?“, fuhr Trautman dazwischen, der das ganze nicht so richtig nachvollziehen konnte. „Wenn er ihn jetzt heilt, dann nur seinen Körper.“, klärte Nemo ihn auf. „Das würde dann bedeuten, dass Mike nur noch eine leere Hülle wäre und dieser Zustand ist dann unumkehrbar.“ Der Arzt nickte. „Beide Komponenten – Seele und Körper – müssen gleichzeitig geheilt werden, das erreicht man durch eine geistige Vereinigung während der medikamentösen Therapie.“ „Können Sie das nicht tun, Nemo?“, fragte Trautman, der das Ausmaß der Situation noch nicht vollkommen erkennen konnte. Der angesprochene schüttelte gequält den Kopf. „Nein – das heißt nicht mehr.“, er deutete auf den Monitor des Scanners. „Die Schädigung ist zu groß, er ist daher schwer zu erreichen und meine Fähigkeiten würden nicht ausreichen. Wahrscheinlicher ist, dass das Verglühen auf mich überspringen würde und wir alle sterben.“ Das Schweigen legte sich über den Raum, wie eine bleischwere Decke. Sollte es das jetzt gewesen sein? „Aber eine Möglichkeit gibt es noch.“, brach Nemo schließlich die Stille. „Es gibt nur einen der genug Macht hat, um ihn zurück zu holen. Ich kläre alles, bis dahin sollten Sie sich ausruhen, Trautman.“ Damit verließ er hastig die Krankenstation. Frustriert ließ er sich in seinen Sessel fallen, legte die Füße hoch und starrte in die goldene Flüssigkeit in seinem Glas. Normalerweise trank er selten, doch dies war eine der Gelegenheiten, in der er das dumpfe Gefühl, das der Alkohol in ihm auslöste mit willkommenen Armen begrüßte. Dieser Tag war ganz und gar nicht so ausgegangen, wie er es wollte und die Flut der Gefühle, die nun, da die Nacht sich über den Tag senkte, begann ihn zu überrollen, war mehr als er ertragen konnte. Wenn Mike nun starb, war das seine Schuld und es existierte keine Entschuldigung, mit der er sich da rausreden konnte. Nichts, das sein Gewissen zum Schweigen brachte. Er hatte seinen eigenen Sohn im Stich gelassen und womöglich damit sein Todesurteil unterschrieben. Als er das heiße Brennen in seinen Augen spürte, vergrub er das Gesicht in seinen Händen. Wie gerne hätte er nun einfach nichts mehr gefühlt, aber diesen Luxus verdiente er nicht. Ein Summen von seiner Tür riss ihn aus seinen Gedanken, doch er beschloss es zu ignorieren. Auf Besuch hatte er nun wirklich keine Lust. Jedoch blieb sein potenzieller Gast hartnäckig und nach dem vierten Klingeln, war ihm klar, dass nur einer so ausdauernd war. Also bat er ihn herein. Amrit Singh betrat den dunklen Raum und ließ sich wortlos in den Sitz neben Nemo sinken. „Ich habe gehört was passiert ist.“, sagte er leise und griff schweigend nach dem Glas, das sein Freund ihm reichte. „Für dich ist es auch nicht so gelaufen, wie du gedacht hattest. Konntest du noch einmal mit ihm sprechen?“ Amrit hob das Glas, nahm einen großen Schluck der brennenden Flüssigkeit und verzog unfreiwillig die Lippen. „Er redet nicht mit mir, aber das ist zurzeit das geringere Problem, Dah´kar“ Nemo, oder Dah´kar – wie sein wirklicher Name war – nickte mechanisch und nahm einen weiteren großen Schluck. „Wir sind beide nicht die Besten, was diese Vaterrolle angeht, aber deine Chancen es wieder gut zu machen stehen besser. Mein Sohn ist mehr tot als lebendig.“ Dah´kar spürte den durchdringenden Blick seines Freundes auf sich und hob das Glas erneut, doch zu seiner Enttäuschung war es leer. Ohne hinzusehen griff er nach der Flasche neben sich, doch seine Hand ging ins Leere. Verwundert drehte er den Kopf und sah direkt in Amrits Gesicht. „Meinst du, dich zu betrinken ist eine Lösung? Du hast es in der Macht ihm zu helfen, aber nicht, wenn du dich hier gehen lässt.“ „Ich habe es in der Macht?“, stieß Dah´kar aus. „Nein, ich bin zu schwach! Ich schaffe es nicht meinen eigenen Sohn zu retten und hätte ich von Anfang an die richtigen Entscheidungen getroffen, würde er da jetzt nicht liegen!“ Er war aufgesprungen und sah in die endlose Weite des Alls, dabei umklammerte er sich, weil er plötzlich spürte, wie unbedeutend er im Vergleich zu dem war. „Es ist meine Schuld.“, sprach er aus, was schon lange in ihm brannte. „Ich hätte ihn nie zurücklassen dürfen. Wie konnte ich nur glauben, dass seine menschliche Seite überwiegen und er nie in diese Situation geraten würde?“ Amrit war ebenfalls aufgestanden und trat hinter ihn, er hatte lange gewusst, dass dieser Tag kommen würde. „Du weißt, dass es durchaus möglich war. Du konntest nicht wissen, wie er sich entwickeln würde und du hattest gute Gründe ihn hier zu lassen, damit er ein normales Leben führen konnte. War es denn nicht schon schwer genug für dich, als du zurückgekehrt bist, obwohl du in deiner Welt aufgewachsen bist?“ Mit Widerwillen erinnerte sich Dah´kar an diesen Tag, den Amrit da ansprach. Er war für ihn wie das Ende, dessen was er zum ersten Mal als Leben empfunden hatte. Seit er denken konnte, war er stets unruhig und rastlos gewesen in seinem bisherigen Dasein und er spürte stets die Enttäuschung, die sein Vater für ihn empfand. Er rebellierte, wo er nur konnte und verletzte mit Absicht die Gefühle von jedem, der ihm zu nahekam und es kam der Punkt, an dem es seinem Vater reichte. Es sollte der Beginn seiner Laufbahn in der Flotte des Kri´tika-Reiches sein und er machte sich gut – stieg steil auf, wie sonst niemand zuvor – bis er die Erde sah. Wie viele andere Planeten galt sie als eine Welt, die es aus dem Verborgenen zu überwachen und zu beschützen galt, jedoch war eine direkte Einmischung streng verboten. Aber selten in seinem Leben, hatte ihn etwas derart fasziniert und so ergriff er die Möglichkeit, als sie sich ihm bot, und verschwand unter den Menschen. Doch es dauerte nicht lange und man suchte nach ihm, also musste er ein zweites Mal verschwinden. Dabei halfen ihm die Überlieferungen über das alte Volk und zusammen mit wenigen treuen Gefährten – darunter Amrit Singh, Trautman und Mikes Mutter – die nicht wussten, wer er wirklich war, fanden sie die Nautilus. Die Legende von Kapitän Nemo war geboren. Er verbrachte die beste Zeit seines Lebens unter seinen wahren Freunden und der Frau, die er mehr als alles auf der Welt liebte und er hätte nicht glücklicher sein können, als ihm sein Sohn geboren wurde. Aber ein Schatten legte sich über ihn, denn er wusste, dass er das Leben wie er es jetzt führte, seinem Sohn nicht zumuten konnte. Langezeit verdrängte er diesen Gedanken und alles lief seine normalen Bahnen, bis Mikes Mutter starb. Mike war erst wenige Monate alt und immer, wenn Nemo in dessen unschuldiges Gesicht sah, wusste er, dass sein Sohn das Schicksal seiner Mutter teilen würde, wenn er nicht tat was richtig war. Und so bereitete er alles vor, damit Mike ein normales Leben unter den Menschen führen konnte. Als alles vorbereitet war, tat er den schwersten Schritt. Er ließ alles hinter sich und sorgte dafür, dass sie ihn fanden. Für seine Freunde sollte es so aussehen, als sei er gestorben und Mike wäre in Sicherheit. Doch er hatte nicht mit Amrits Hartnäckigkeit gerechnet. Der Inder hatte es sich zur Aufgabe gemacht, stets über ihn zu wachen und so ließ er ihn auch an diesem Tag nicht aus den Augen. Was zur Folge hatte, das er herausfand was Nemo wirklich war und auch wenn es ihn im ersten Moment schockte, so tat es seiner Treue keinen Abbruch. Amrit bestand darauf ihn zu begleiten, auch wenn Nemo nicht wusste welche Strafe ihn auf seiner Heimatwelt erwarten würde. Welche Strafe es auch sein würde, er würde sie ertragen, nur durfte niemand von Mikes Existenz wissen. Er vergrub dieses Wissen tief in ihren beiden Köpfen, sodass kein Gedankenleser je von ihm erführe. „Also.“, riss Amrit ihn aus seinen Gedanken. „Welche Möglichkeiten haben wir?“ Der Kapitän der Keya drehte sich zu seinem treuen Freund – und obersten Offizier – um und spürte Dankbarkeit dafür, das er immer da war, wenn er jemanden brauchte, der ihm den Kopf wieder geraderückte. „Es gibt nur einen, der genug Macht hat ihn zurückzuholen.“ Dah´kar seufzte. „Unser König“ Wissend nickte Amrit. „Und zu dem hast du bekanntlich nicht das beste Verhältnis.“ Nun war es an Dah´kar zu nicken. „Wirst du ihn um Hilfe bitten?“, fragte Amrit. „Ja, ich werde alles tun, was nötig ist.“ Forschend blickte der Inder ihn an und ein Ausdruck von Sorge erschien auf seinem Gesicht. „Dann solltest du jetzt schlafen gehen. Du siehst wirklich furchtbar aus und es könnte nicht schaden sich zu rasieren.“ Schief grinste er Amrit an. Der Inder war der Einzige, der sich erlaubte so mit ihm zu sprechen und er fand es stets erfrischend. Es war eine Art Spiel zwischen ihnen, das er liebte. „Findest du?“, fragte er und strich sich über die kratzige Wange. „Ja, sieht furchtbar aus.“, meinte sein treuer Freund und ließ ihn allein. Amrit hatte Recht. Die letzten Stunden hatten alles von ihm abverlangt und er brauchte dringend Ruhe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)