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Too Strong To Die

Levi x Sakura | Kakashi x Mikasa
von

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change is in the air.

„Das ist so aufregend!“ Hanji tänzelte um den Tisch herum, auf dem die Utensilien ihrer Forschung ruhten. „Findest du nicht, Sakura? Hm? Das könnte die Entdeckung des Jahrzehnts sein. Des Jahrtausends!“

Sakura lächelte zustimmend, während ihr Blick über die Mikroskope und die gesammelten Unterlagen wanderte, die in Heftern auf dem Tisch verstreut lagen. Die Behälter, welche die Wasserproben enthielten, befanden sich daneben, ebenso wie die eingetüteten Knochen, die sie in dem Höhlenkomplex gefunden hatten.

Das letzte Tageslicht fiel durch die dreckige Scheibe des einzigen Fensters, während Hanji sicherheitshalber bereits eine Laterne entzündete. Die flackernden Schatten, die sich in den Ecken des Zimmers sammelten, ließen das kleine Labor beinahe gruselig aussehen. Es half nicht, dass es sich im hintersten Winkel des ersten Stockwerks befand, abgeschottet und weit weg von der ganzen Aktivität, die im Schloss für gewöhnlich herrschte.

Allerdings konnte Sakura nicht leugnen, dass sie interessiert an ihren Funden war. Nein, sie hatte zum ersten Mal das Gefühl ein Teil von einer wirklich großen Entdeckung zu sein. Obwohl sie keine hohen Erwartungen haben wollte, verweilte der Wunsch etwas zu finden. Unkontaminiertes Wasser würde ein Anfang sein. Oder dass sie Knochen ihnen irgendetwas über den Zustand der Menschen erzählen würden, damit sie ihre eigene Vergangenheit besser verstanden. Dabei war sich Sakura durchaus bewusst, dass die Regierung es nicht gutheißen würde, was sie hier taten, würden sie davon erfahren. Kein Wunder, dass Erwin beschlossen hatte, ihre Funde versteckt zu halten und nur dem nötigen Personal davon zu erzählen. Nur Levis Squad und die hochrangigen Offiziere, die ihre Loyalität über Jahre hinweg bewiesen hatten, waren zu ihrer Besprechung eingeladen worden. Niemand sonst wusste etwas über ihre potenziellen Erfolge, um die Sicherheit ihrer Forschung nicht zu gefährden. Doch hatten sie tatsächlich Spione unter sich? Es war nicht unvorstellbar, dass ein paar Soldaten auf dem Befehl der Regierung den Aufklärungstrupp unterwandert hatten.

Ein Beben ging bei diesem Gedanken durch Sakuras Körper. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, als sie dem Trupp ihrerseits beigetreten war. Aber sicherlich nicht, dass sie Proben in einem versteckten Labor untersuchen würde oder sich um Spionen Gedanken machen musste. Oder dass sie ihren ungehobelten Vorgesetzten auf ihrer ersten Mission hinter die Mauern küssen würde. Dass sie Gefühle für ihn entwickeln würde.

Sakura entwich ein lautloses Seufzen, bevor sie nach den Latexhandschuhen griff, die Hanji ihr entgegen hielt. Sie riefen Erinnerungen hervor, die furchtbar alt schienen, obwohl sie nur ein paar Monate her waren und aus ihrer Zeit in Trost stammten. Die Hektik der Stadt vermisste sie nicht, genauso wenig wie die dreckigen Straßen und die explodierenden Kanonen hoch oben auf der Mauer, die sie ständig aus dem Schlaf gerissen hatten.

„Dann wollen wir mal“, verkündete Hanji. „Sakura, du nimmst dir die Knochen vor, während ich mir die Wasserproben anschaue.“

„In Ordnung“, meinte Sakura und band sich eine Atemmaske um. Als Ärztin machte es Sinn, dass sie die Knochen untersuchte. Immerhin kannte sie sich bestens mit der menschlichen Anatomie aus und hatte auch einige Zeit in der Forschung verbracht.

Sakura öffnete die Tüte, um die Knochen auszupacken. Sie wählte den Unterarmknochen aus, den Ossa antebrachii. Zunächst untersuchte sie den Knochen und analysierte die äußeren Merkmale, die aus gelegentlichen Abschürfungen und feinen Risse bestanden. Beinahe so, als sei der Arm an einigen Stellen bereits gebrochen worden, aber jedes Mal fast gänzlich zusammengewachsen, so dass fast jegliche Spuren des Bruchs verschwunden waren. Dabei war das unmöglich. War etwas anderes die Ursache dieser Verletzungen? Und wie war es möglich, dass die Knochen noch so gut erhalten waren, obwohl die Luftfeuchtigkeit in der Höhle so hoch gewesen war? Zudem war es leicht vorstellbar, dass der Wasserspiegel innerhalb des Höhlensystems zwischenzeitlich höher gewesen war.

Sakura schielte zu Hanji hinüber, die ein Tropfen Wasser auf die Glasplatte tröpfeln ließ, bevor sie das Deckglas darüber legte. Die Glasplatte schob sie mit geschickten Fingern auf den Objektträger ihres Mikroskops, bevor sie durch das Okular schaute.

Vielleicht machte sie sich zu viele Gedanken. Immerhin war sie keine Archäologin, sondern eine Ärztin. Was wusste Sakura schon über das Leben, was die Menschen früher draußen geführt hatten? Soweit sie wusste, gab es allgemein keine Informationen darüber. Alle Geschichtsbücher fingen erst mit der Plage der Titanen und dem Leben hinter den Mauern an. Fast so, als hätte es davor nichts gegeben. Doch die Knochen bestätigten, dass das eine Lüge war. Niemand in ihrer Gruppe der Mitwisser redete darüber, aber Sakura verstand auch so, was das bedeutete. Dass man dieses Wissen den Leuten absichtlich vorenthielt. Aber wieso würde man das tun?

Sakura nahm ein Messer zur Hand und begann ein bisschen vom Knochenmaterial abzuschaben. Da der Knochen so gut enthalten war, war es gut möglich, dass viel vom Erbmaterial ebenfalls noch vorhanden war, was ihnen mehr Aufschluss über den gesundheitlichen Zustand der Person geben konnte.
 


 


 

Das letzte Equipment wurde weggeräumt. Levi beobachtete die Rekruten dabei, wie sie die Ausrüstungen einsammelten und fortschafften. Es war zu dunkel, als dass sich weiteres Training lohnen würde. Aber wenn es nach Levi gegangen wäre, würden sie die gesamte Nacht hier draußen auf dem Platz verbringen, bis auch der Letzte von ihnen anständig mit der 3DM-Gear umgehen konnte. Sie waren nicht neu genug, als dass sie eine Entschuldigung für ihre Unfähigkeit hatten. Die einzige Ausnahme bildete Mikasa Ackerman, was Levi nicht überraschte. Ansonsten wäre sie wohl kaum der einzige Neuling gewesen, der einem der Teams für ihre letzte Expedition zugeteilt worden war. Die Gerüchte, die sich um die junge Frau rankten, waren nicht aus der Luft gegriffen. Sie war ein Naturtalent mit der Ausrüstung, auch wenn Levi nur ungern diesen Begriff in den Mund nahm. Trotzdem stimmte irgendwas mit ihr nicht, dies sagte ihm seine Intuition. Sie war zu emotionslos, zu unbeeindruckt, vor allem aber zu ruhig. Ackerman sprach nur, wenn man sie dazu aufforderte. Manchmal nicht einmal dann, wenn sie nichts zu sagen hatte. Auch mit ihren Kameraden wechselte sie kein Wort, sondern hielt sich stets abseits und zupfte höchstens an dem roten Schal, den sie scheinbar nie ablegte. Hoffentlich wusch sie ihn wenigstens gelegentlich...

Ein Blick ruhte in seinem Nacken. Das Gefühl sagte Levi, dass er nicht mehr der alleinige Beobachter war, sondern beobachtet wurde. Aus den Augenwinkeln sah er über seine Schulter hinweg und machte die Gestalt von Erwin in der Dunkelheit aus. Er kam über den sandigen Platz auf ihn zuspaziert. Die Rekruten salutierten hastig und einem fiel glatt die Ausrüstung aus der Hand, bevor er sie rasch aufsammelte und davon hastete.

Levi verdrehte die Augen. „Du machst die Rekruten unruhig.“

„Und ich dachte immer, dass das deine Aufgabe wäre, Levi.“ Erwin kam neben ihm zum Stehen und richtete den Blick zum Firmament hinauf. Wolken bewegten sich unter dem beständigen Wind, welcher der Jahrezeit angemessen kühlere Abende und fast kalte Nächte bescherte.

„Gibt es irgendwas Wichtiges?“, fragte Levi.

Erwin ließ sich Zeit mit dem Antworten. Das war nichts Neues mehr. Meistens tat er das nur, wenn es um etwas ging, was Levi nicht zusagte.

„Spuck es schon aus, Erwin. Bevor wir uns hier die Beine in den Bauch stehen“, forderte Levi, da er keine Lust hatte seine Zeit zu verschwenden.

Aus den Augenwinkeln sah er, dass Erwins Mundwinkel sich ein Stückchen hoben. „In ungefähr zwei Wochen gibt es eine Veranstaltung in der Hauptstadt. Eine Art Ball für die Einflussreichen und die Schönen. Vor allem jedoch für die Gutbetuchten“, erklärte Erwin, während in Levis Kopf bereits die Alarmglocken klingelten. Er wusste, worauf das hinauslaufen würde. „Ein Bekannter hat uns auf die Gästeliste gesetzt, aber wir können schlecht ohne Begleitung erscheinen.“

Levi rümpfte die Nase. „Ich verstehe, warum du auf der Gästeliste bist. Aber warum ausgerechnet ich?“ Immerhin wussten sie beide, dass Levi seinen Mund selten hielt und nicht gerade diplomatisch war.

„Weil du mein bestes Aushängeschild bist. Wenn wir uns finanzielle Unterstützung sichern wollen, ist es vom Vorteil, wenn mein bester Soldat sich ebenfalls dort sehen lässt“, sagte Erwin.

„Du weißt, ich hab mit Politik und diesem ganzen Scheiß nichts am Hut.“ Doch da fiel Levi etwas anderes ein. „Und was heißt hier Begleitung? Wen bringst du mit, huh?“

„Ich habe bereits Kurenais Zusage, dass sie mich begleiten wird.“ Die Gelassenheit in Erwins Stimme ließ Levi blinzeln. Kurenai Yuuhi?

„Asumas Witwe?“, sprach Levi seinen Gedanken aus. „Hat sie nicht erst vor kurzem ihr Baby zur Welt gebracht?“ Levi wusste nicht einmal, wo Kurenai nun lebte oder wie sie ihr Dasein finanzierte. Obwohl... „Du schickst ihr regelmäßig Geld, nicht wahr?“, erkundigte er sich und Erwin wich ertappt seinem Blick aus.

„Es ist nicht, was du denkst“, sagte er. „Ich habe mit Kurenai und Asuma die Akademie besucht. Durch meine Karriere sind mir nicht viele Freunde geblieben. Kurenai ist eine der Letzten. Sie hat das Wohl des Aufklärungstrupp stets im Sinn. Allein schon, um Asumas Willen.“

„Das bedeutet, dass ich auch jemanden mitbringen muss?“, erkundigte sich Levi, da er zu Asuma nicht viel sagen konnte. Er war vor ungefähr einem halben Jahr bei einer Expedition ums Leben gekommen, ein weiterer Soldat, der den Titanen zum Fraß gefallen war. Zu dem Zeitpunkt hatte Kurenai bereits von der Schwangerschaft gewusst, was der einzige Grund gewesen war, weshalb sie nicht ebenfalls mit ihnen aufgebrochen war. Sie hatte ihrer Einheit nach Asumas Tod den Rücken gekehrt, um ihr Kind großzuziehen. Nicht viele Soldaten hielten an ihrem Traum einer Familie fest, noch wenigen gelang es diesen zu verwirklichen.

„Ich würde es bevorzugen, ja“, erwiderte Erwin. „Oder willst du der Einzige dort sein, der allein auftaucht?“ Doch Erwin gab ihm keine Zeit zu antworten, da er sich stattdessen auf den Rückweg zum Schloss machte.

„Ist mir egal“, rief er seinem Kommandanten genervt hinterher.
 


 


 


 

„Eren...!“ Der Ausruf war heiser. Sie erkannte ihre eigene Stimme kaum wieder. Ihre Beine verhedderten sich in dem schweren Stoff ihres Kleids und ein Stein lag ihr im Weg. Sie stolperte, strauchelte, bevor sie sich die Knie auf dem Boden blutig schlug. Ein Ziehen ging durch ihren Körper, doch sie bemerkte es kaum. Ihre aufgerissenen Augen klebten an Eren, der wild um sich schlug. Nur die Hand, die ihn umklammerte, war zu stark.

„Du Scheißding! Lass mich los! Ich sagte, du sollst mich loslassen!“, tobte Eren, während Mikasa sich unter tränenverschmierter Sicht auf die Beine kämpfte, um... um...

Ihr Blick wanderte über die verschwommene Umgebung, über Schutt und Asche, wo vor einigen Stunden noch Häuser gestanden und Leute gewohnt hatten. Was war passiert? Wie? Und wieso war sie so schwach? Hatte Eren ihr nicht beigebracht, dass man bis zum bitteren Ende kämpfte? Dass das der einzige Weg war, wie man überlebte?

Mikasas Hand wanderte über den Boden und bekam einen Felsbrocken zu fassen, der einst die Fassade eines der Häuser gebildet hatte. Sie packte ihn fest, bis ihre Knöchel genauso sehr schmerzten wie ihre Knie. Abermals kämpfte sie sich in eine aufrechte Position, setzte einen Fuß vor den anderen, bis sie joggte und rannte – und sich Arme um sie schlossen.

Eisern wie Ketten legten sie sich um ihre Schultern und eine Stimme dicht an ihrem Ohr redete auf sie ein. „Du kannst ihm nicht mehr helfen. Wir müssen wir weg. Wir werden dich in Sicherheit bringen, Mädchen!“

Der Soldat zog sie fort, weg von dem Titan, weg von Eren. Aber sie hatte doch einen Stein in der Hand! Sie hatte doch...

„Eren! Eren! Eren!“ Ihre Stimme war heiser und hell, Mikasa erkannte sie selbst nicht mehr, als Eren im Mund des Titanen verschwand und der Stein aus ihren plötzlich zittrigen Fingern fiel.

Mikasa schreckte aus ihrem Traum auf. Aus ihrer Erinnerung. Der Raum lag in absoluter Dunkelheit und sie blinzelte verloren hinauf zu dem Platz, an dem sich die Zimmerdecke befinden musste. Ihr Atem röchelte und das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihre Finger waren um ihre Bettdecke verkrampft, die als Anker in der Schwärze fungierte.

„Wieder ein Alptraum?“, fragte Temari, die irgendwo auf der anderen Seite des Raums in ihrem Bett liegen musste. Ausnahmsweise vernahm Mikasa nicht den gewohnten Spott in ihrer Stimme, aber trotzdem konnte sie sich nicht zu einer Antwort hinreißen lassen. Stattdessen löste sie eine Hand von der Bettdecke und tastete blind nach dem Schal, der neben ihrem Kopfkissen lag. Sie zog ihn heran, drehte sich auf die Seite und vergrub das Gesicht in dem Stoff, der rau und furchtbar vertraut war. Sie presste die brennenden Augenlider dagegen, bis die Panik von ihr abfiel und nur eine Leere in ihr hinterließ.

„Hast du dir schon mal darüber Gedanken gemacht, dass du vielleicht bei den Scouts falsch bist?“, erklang Temaris Stimme erneut. „Ich meine nur. Ich hab mir schon mit vielen ein Zimmer geteilt, aber ich hab noch keinen anderen Soldaten von so vielen Alpträumen aufschrecken hören.“ Ein Schweigen folgte, in dem Mikasa hoffte, dass Temari es bei diesen Worten belassen würde. „Du hast Glück, dass Sasha wie ein Stein schläft. TenTen ist wahrscheinlich nur zu nett, um etwas zu sagen. Stimmt’s oder hab ich recht, TenTen?“

„Können wir einfach versuchen zu schlafen?“, fragte diese. „Das Training morgen beginnt früh genug.“

„Ich würde ja schlafen, wenn Mikasa mich nicht immer wecken würde“, antwortete Temari und das Quietschen des Bettes folgte.

„Sie kann nichts für ihre Träume. Also lass es nicht an ihr aus“, beschwerte sich TenTen. „Und lass es bloß nicht an mir aus. Wenn du noch einmal gegen meine Matratze trittst, dann—“

„Dann wirst du was tun?“, fragte Temari. „Das Messer unter deinem Kopfkissen nehmen und mich damit bedrohen, weil du denkst, dass ich mir dann in die Hosen mache? Oder denkst du etwa, ich weiß nicht, dass du ständig damit schläfst, als ob du denkst, dass sich ein Titan mitten in der Nacht in deinem Bett finden wird?“

Doch TenTen schwieg und die drückende Stille sagte Mikasa, dass es ihr unangenehm war.

Eigentlich hatte Mikasa dem Gespräch der zwei Frauen nicht zuhören wollen, doch es hatte sie von ihren eigenen Gedanken abgelenkt. Wahrscheinlich sollte sie Mitgefühl mit ihnen haben, da die Raumverteilung nicht gut für sie ausgefallen war. Aber nachdem so viele Soldaten bei der letzten Expedition umgekommen waren, wurden die verbleibenden Soldaten in gemeinsame Räume aufgeteilt, ganz egal, wie lange sie schon bei dem Trupp waren. Die nun freien Zimmer würden den Neulingen zugeteilt werden, von denen man sich erhoffte, sie rekrutieren zu können.

Manchmal fragte sich Mikasa ebenfalls, ob es eine gute Entscheidung gewesen war, dem Aufklärungstrupp beizutreten. Aber es war das einzige, was ihrem Leben ohne Eren einen Sinn gab. Immerhin war es sein Wunsch gewesen.

Sie konnte sich noch an ihre Kindheit erinnern, in der sie stets den Aufbruch und der Rückkehr der Scouts beigewohnt hatten. Gemeinsam hatten sie sich an die anderen Menschen vorbeigekämpft, um etwas sehen zu können, doch Mikasa hatte nur Augen für Eren gehabt. Er hatte so stolz und entschlossen ausgesehen. Er hatte die Zukunft in diesen Momenten gesehen.

Mikasa kuschelte sich enger an den Schal, bevor sie die Augen schloss, um mit dem Bild von Eren vor sich wieder einzuschlafen.

on the outside.

Hanji klopfte nicht an. Ein mulmiges Gefühl kroch in Sakura hinauf, denn sie glaubte daran, dass Höflichkeit eine Tugend war, gerade wenn man es mit einem ranghöheren Offizier zu tun hatte. Dennoch klebte Sakura Hanji auf den Fersen, als diese in das Büro von Erwin Smith stürmte.

Ihr Kommandant sah von den Akten und Büchern auf, über denen er brütete. „Hanji. Kann ich dir behilflich sein?“

„Nein, aber ich kann dir behilflich sein“, verkündete Hanji, sobald sie seinen Schreibtisch erreicht hatte. Sie knallte die Hände auf den Tisch und lehnte sich verschwörerisch vor. „Oder besser gesagt, Erwin, können Sakura und ich dir ein paar Antworten unsere Schätze betreffend geben!“

Sakura presste ihren Bericht, über den sie die gesamte Nacht gebrütet hatte, um nichts außer Acht zu lassen, dicht an ihre Brust. Hanjis aufgeregter Stimme nach zu urteilen, hätte man fast davon ausgehen können, dass sie mit guten Nachrichten kamen. Nur Erwins ernste Züge bestätigten, dass er nichts erwartete und sogleich vom Schlimmsten ausging. Womöglich kannte er Hanji auch einfach zu gut.

„Ich höre“, sagte er und sein Blick wechselte zwischen Hanji und Sakura hin und her. Doch wie erwartet, bekam Sakura nicht die Gelegenheit das Wort zu ergreifen und war ausnahmsweise froh darüber. Sie wollte nur ungern die Überbringerin dieser Nachrichten sein, besonders, da sie es selbst noch nicht richtig fassen konnte. Aber Hanji kannte keinerlei Zurückhaltung. Erwins Aufforderung brach den Damm und die Worte rauschten aus ihrem Mund.

„Was willst du zuerst hören? Die gute Nachricht? Das Wasser ist definitiv kontaminiert. Allerdings können wir nicht sagen mit was. Diese Viren sind uns völlig unbekannt, was eigentlich auch kein Wunder ist. Immerhin bewahren die Mauern uns vor den meisten Krankheitserregern. Außer denen natürlich, die bereits hier drin sind.“ Ein theatralisches Zittern erschütterte Hanjis Körper. „Darüber, was in Städten wie Trost sein Unwesen treibt, kann Sakura sicher ein Liedchen singen.“

„Hanji…“, mahnte Erwin und schloss die Augen kurzzeitig. „Die gute Nachricht zuerst.“

„Sakura?“, gab Hanji weiter und die Angesprochene zuckte zusammen.

„Das Aufkochen des Wassers sollte die Viren töten und es trinkbar machen“, erklärte sie, doch Erwin hob eine buschige Augenbraue.

„Sollte?“, fragte Erwin.

„Wird“, versicherte Sakura, die selbst die Experimente mit Hanji zusammen durchgeführt hatte, nach dem diese ihren Fund mit ihr geteilt hatte.

„Und die schlechte Nachricht?“, fragte Erwin ohne mit der Wimper zu zucken.

„Die Knochen, die wir gefunden haben…“, begann Sakura. „Sie weisen eine Erkrankung auf.“

„Von dem kontaminierten Wasser?“, fragte Erwin, doch Hanji zuckte nonchalant mit den Schultern.

„Ohne eingehendere Untersuchen können wir das nicht sagen. Im Moment wissen wir nur, dass die Viren verschiedene Formen besitzen. Die Spuren des Virus, den wir in den Knochen gefunden haben, tarnen sich als Chromosome und greifen direkt die DNA an, die sie zu zerstören scheinen.“ Hanji machte eine dramatische Pause, aber das schiefe Grinsen verließ ihre Lippen nicht. „Übrigens stammen die Knochen alle von derselben Person. Einem Mann. Wir haben ihn Harry genannt.“

Sakura lächelte verlegen bei Hanjis Abschweifungen.

„Mehr habt ihr nicht herausgefunden?“, erkundigte sich Erwin aber doch nur.

Hanji richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. „Geduld, Erwin. Schon allein, dass wir dort draußen etwas zum Untersuchen gefunden haben, ist ein Durchbruch. Wir brauchen mehr. Viel mehr!“

Sakura nickte instinktiv, denn im Moment konnten sie sich keinen Überblick über die Umstände machen, welche die Menschen dort draußen ausgesetzt waren. Vorausgesetzt, dass noch welche am Leben waren, auch wenn sich Sakura beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie das möglich sein sollte. Wie konnten sie den Titanen überleben? Und warum war die Menschheit aufgesplittert? War der Platz hinter den Mauern zu klein? Oder gab es dort draußen noch andere Zivilisationen wie ihre? Die Resultate warfen nur noch mehr Fragen auf, anstatt ihnen tatsächlich Antworten zu geben. Doch Hanji hatte Recht. Sie brauchten mehr Funde, die sie untersuchen konnten, und ausführlichere Forschungen.

Sakura trat vor, um ihren Bericht auf Erwins Schreibtisch abzulegen.

Dieser nahm ihn entgegen, blätterte ihn einmal durch, bevor er ihn schloss. „In Ordnung. Ich möchte über jede kleine Entdeckung informiert werden. Im Moment sehe ich aber keinen Grund, um den Zeitplan der nächsten Expedition zu verschieben. Ganz im Gegenteil, es erscheint mir wichtiger als jemals zuvor, dass wir unseren Plan in die Tat umsetzen.“

„Ich stimme dir da voll und ganz zu, Erwin“, erwiderte Hanji und sie nickte so heftig, dass ihr die Brille fast vom Kopf rutschte.
 


 


 


 

Sein Finger fuhr über den Tisch. Skeptisch beäugte Levi die Staubschicht, die nun seine Fingerkuppe bedeckte und deren Existenz ihn anekelte. Wenn es etwas gab, was er nicht in seiner Nähe wissen wollte, dann waren es nicht Titanen, sondern Schmutz. Er hatte einen sechsten Sinn für diese Dinge, was ihm bestätigte, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

„Was machen wir hier?“, fragte Oluo, als er die Leseräume betrat, die zur schlosseigenen Bibliothek führten. Er trug seine Ausrüstung an der Hüfte, tätschelte diese nun aber verwirrt. „Hast du uns nicht wegen einer Trainingsstunde einberufen?“

„Sieht das etwa so aus?“, blaffte Levi, der sich ein Tuch um den Mund band, um den Staub nicht einzuatmen. „Schnapp dir einen Staubwedel und fang an zu putzen. Wir werden in den nächsten Wochen eine Menge Zeit in diesen Räumen verbringen und das werden wir bestimmt nicht mit dem ganzen beschissenen Staub hier drinnen tun.“ Immerhin war Elds Idee, in den Büchern zu recherchieren, nicht dumm. Das Training mit dem 3DM-Gear war wichtig, aber sie alle waren inzwischen Experten darin. Über die Welt hinter den Mauern wussten sie jedoch vergleichsweise wenig – und wenn sie dort draußen Erwins Plan von einer Basis umsetzen sollten, dann wollte er wenigstens sichergehen, dass sie auf alles vorbereitet waren.

Oluo gab es Stöhnen von sich, während er seine Ausrüstung löste und diese dumpf auf dem Boden landete. Scharfe Worte lagen Levi auf der Zunge, doch bevor er den Umgang mit der Ausrüstung kommentieren konnte, kam bereits das restliche Team hineingeschlendert. Selbst Sakura hatte es zeitlich geschafft, obwohl sie seit gestern früh nicht mehr gesehen worden war, weil Vierauge sie mit ihren Forschungen in Beschlag nahm.

„Wir putzen“, fasste Levi zusammen und nickte zu den Reinigungsmitteln hinüber, die er mitgebracht hatte. Anschließend nahm er einen Besen zur Hand und begann den Steinboden zu fegen und die Spinnenweben in den Ecken zu entfernen.

„Es ist schon ziemlich lange her, dass jemand die Leseräume und die Bibliothek aktiv genutzt hat“, sagte Petra lächelnd und nahm einen der Staubwedel zur Hand. „Du warst der Erste, Eld.“

„Ich weiß“, sagte dieser, als auch er sich an die Arbeit machte. „Weißt du, wie oft ich niesen musste, als ich nach den Büchern gesucht habe?“

„Aber haben wir dafür nicht Personal?“, brummte Oluo. Nur unfreiwillig nahm er den zweiten Staubwedel zur Hand und spazierte hinter Petra zu einigen Regalen hinüber. „Die neuen Rekruten, zum Beispiel?“

Sakura lächelte, als sie ein Tuch und den Wassereimer zur Hand nahm, um sich an das Putzen der verdreckten Fensterscheiben zu machen. „Ich glaube nicht, dass die neuen Rekruten schon mal einen Fuß in den Westflügel gesetzt haben. Er ist doch recht abgeschottet.“

Sie öffnete die Fenster, um den frischen Herbstwind hineinzulassen. Die Temperaturen sackten immer mehr in die Tiefe und schon bald würde der erste Schnee fallen, dessen war sich Levi sicher. Der Winter würde die Vorbereitungsphase für diese waghalsige Mission einläuten, von der Levi noch immer nicht gänzlich überzeugt war.

Allerdings war die Expedition nicht seine Entscheidung, auch wenn Erwins Motivation ihm schleierhaft war. Andererseits war Erwin ohnehin ein Buch mit sieben Siegeln, da machte sich Levi nichts vor. Bisher hatte es ihm nichts ausgemacht, aber… ein Funke Zweifel befand sich in seiner Brust. Vielleicht stammte dieser jedoch auch von den Neuigkeiten, die ihm Erwin vor ein paar Stunden mitgeteilt hatte. Wenn dort draußen unbekannte Vieren und Krankheiten grassierten, hatten sie mehr als einen Feind... Plötzlich gab es mehr zu beachten, anstatt nur die Titanen. Wollte Levi wissen, was sich dort draußen noch alles befand? Das war eine Frage, auf die er spontan keine Antwort wusste. Keine einfache Antwort jedenfalls.

Während sie die Leseräume mit ihren Tischen, Regalen und verschlissenen Sesseln und Stühlen von Staub befreiten, fegte Levi den Dreck auf einen kleinen Haufen zusammen. Etwas blitzte in seinen Augenwinkeln und sein Blick richtete sich auf Sakura. Das Licht der niedrig hängenden Sonne schien direkt durch die frischgeputzte Fensterscheibe und blendete ihn, bis er einen Schritt zur Seite machte. Aus dem einen Schritt wurde ein zweiter und ein dritter, bis er hinter Sakura stand, welche die Fensterbretter putzte.

Er zog das Tuch von seinem Mund und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Unterhaltung, nur die reine Logik und dieses erdrückende Gefühl in seiner Brust hielt ihn an Ort und Stelle.

Levi schielte über seine Schulter, doch die anderen waren in der Zwischenzeit weiter in die Bibliothek gewandert, um diese ebenfalls zu entstauben. Eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf ahnte, dass Petra damit etwas zu tun haben könnte. Sie war die aufmerksamste Person, die er kannte. Jemand, der sich in andere hineinversetzen konnte und dessen Gefühle verstand, bevor die Person es selbst tat. Dabei dachte Levi natürlich an die anderen Soldaten, nicht an sich selbst – und Sakura hatte ihm gegenüber ohnehin klargemacht, was sie von ihm erwartete: den ersten Schritt.

Doch wollte er diesen tatsächlich tun? Er mochte keine Umständlichkeit, sondern klare Richtlinien und Ziele. Sein Leben drehte sich um das Töten von Titanen, darin war er gut und nichts anderes war wichtig.

Bevor er seinen Gedanken zu Ende führen und eine endgültige Entscheidung treffen konnte, hielt Sakura beim Putzen inne und wandte sich zu ihm um. Verwunderung huschte über ihr Gesicht. Vielleicht mischte sich auch ein Funke Hoffnung in ihre Augen, wobei sich Levi das auch gut einbilden konnte. Für gewöhnlich konnte er andere Menschen recht gut einschätzen, doch… Sakura hatte ihn schon sehr früh den Wind aus den Segeln genommen.

„Captain Levi?“, fragte sie, als er nicht das Wort ergriff.

„Hab ich dir nicht gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst?“, blaffte er.

Ihre Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. Fast so, als müsste sie sich auf die Zunge beißen, um nicht auf seine Provokation einzugehen. Das sah ihr ähnlich.

Levi starrte sie weiterhin an, während sich ein lautloses Seufzen über seine Lippen bahnte. „Erwin zwingt mich eine seiner politischen Veranstaltungen in der Hauptstadt zu besuchen. Sie findet in zwei Wochen statt. Du wirst mich begleiten. Ich werde dir noch das Datum mitteilen, wenn ich etwas Genaueres weiß.“

Er konnte förmlich sehen, wie Sakura ihren Gesichtsausdruck schulte und sich Härte in ihre Züge schlich. „Ist das ein Befehl oder eine Einladung, Captain?“

Wenn es etwas gab, was Levi mit Sicherheit wusste, dann dass sie sich gar nicht so unähnlich waren. Keiner von ihnen beiden gab klein bei – und es imponierte ihm. „Ein bisschen von beidem, Soldat.“
 


 


 


 

Die Müdigkeit ließ sich nicht abschütteln. Sie war seit einer Ewigkeit ihr einziger konstanter Begleiter und Mikasa war sich nicht sicher, ob sie physischer oder seelischer Natur war. Die Nächte für sie waren lang und mit zu vielen Erinnerungen gefüllt, während sie die Tage auf dem Trainingsplatz verbrachte. Dort konnte sie den Gedanken an Eren abschütteln, denn dort hatte sie etwas zu tun.

„Mikasa“, sagte eine raue Stimme neben ihr. „Hey, Mikasa. Willst du aus den Schuhen kippen? Du musst wenigstens irgendetwas essen.“ Besorgnis schwamm in den Worten mit, die Mikasa bitter aufstieß.

Gegen ihren Willen spannten sich ihre Muskeln an, machte sie sich kampfbereit, obwohl keine Gefahr bestand. Mikasa blinzelte und begegnete den dunklen Augen, die sie immer verfolgten und nach etwas zu suchen schienen.

Jean verstand einfach keine Ablehnung oder es war ihm egal, denn immerhin machte sie kein Geheimnis aus ihrem Desinteresse. Die anderen Rekruten, die sie noch von der Akademie kannten, hatten sich schon längst von ihr abgewandt. Sie schätzten ihre Fähigkeiten auf einer Mission, aber versuchten keine Unterhaltung mit ihr anzufangen und… sorgten sich auch nicht um sie.

Der Gedanke war von einer frischen Welle an Schmerz gefolgt. Erens Eltern hatten sich um sie gesorgt, bevor sie gestorben sind. Eren hatte es getan, doch auch ihn hatte sie verloren. Nun hatte sie keinen mehr von ihnen. Nur Armin, aber...

Sie griff nach dem Brot auf ihrem Teller und biss ab, bevor sie langsam darauf kaute. Das Brot schmeckte trocken und geschmacklos. Mikasa spülte es mit Wasser herunter, bevor sie sich erhob und den Speisesaal verließ.

„Mikasa…“ Jeans Ausruf folgte ihr, doch sie ging weiter. Ihr Weg führte sie in den Fitnessraum des Schlosses, in dem allerlei Sportgeräte aufgebaut worden waren. Einige Rekruten trainierten bereits und warfen ihr Blicke zu, als sie sich zu ihnen gesellte.

Mikasa streifte sie sich nonchalant die Jacke und das weiß Hemd ihrer Uniform ab, bevor sie ein paar kleine Hanteln zur Hand nahm. Sie musste ständig in Bewegung bleiben, denn dann konnten sie die Erinnerungen und die Leere nicht einholen. Das Loch in ihrer Brust war zu groß und würde sich nicht schließen, bevor auch der letzte Titan durch ihre Klinge eliminiert worden war. Der Hass brodelte wie ein Vulkan in ihr und wartete nur darauf, dass er explodieren konnte, um den ganzen Rauch und die Lava loszuwerden, die sie zu ersticken drohten.

celebration.

Es kam Levi wie ein Déjà-vu vor, denn er konnte sich noch sehr genau an eine ähnliche Unterhaltung erinnern, die er mit Ackerman geführt hatte. Es war viel eher ein Monolog gewesen, denn die junge Soldatin antwortete nicht.

Levis Blick bohrte sich in Mikasa Ackerman hinein, die ihn ausdruckslos erwiderte und doch durch ihn hindurch zu sehen schien.

„Ich weiß immer noch nicht, wieso Hanji ausgerechnet dich als Begleitschutz vorgeschlagen hat und es interessiert mich eigentlich auch nicht“, raunte Levi. „Pass einfach auf, dass nichts passiert. Alles, was du verbockst, muss Vierauge im Nachhinein ausbaden.“

An dem Kragen seiner feinen Winterjacke zupfend wandte er sich der Kutsche zu, die auf dem Hof vorgefahren kam. Die Pferde schnauften und ihr Atem stieg in weißen Wölkchen auf. Innerhalb der letzten zwei Wochen waren die Temperaturen stetig gesunken und der Herbst hatte sich schnell in einen kalten Winter verwandelt.

Gestern waren die ersten Schneeflocken gefallen und auch jetzt hatten sich Wolken am Himmel gesammelt, die noch mehr versprachen. Aber das letzte Tageslicht schwand und die Dunkelheit brach bereits über das Gelände hinein.

„Gehen wir davon aus, dass etwas schief gehen wird?“, erkundigte sich Mikasa, die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt.

Levi sah über seine Schulter zu ihr zurück. Sie trug eine feine Uniform, die prunkvoller als die gewöhnliche aussah und auch ihre Stiefel waren frisch geputzt. Obwohl ihre professionelle Art ihm imponieren sollte, traute er ihr kein Stück über den Weg. Sie war eine gute Soldatin, aber sie kam ihm wie eine leblose Puppe vor. „Wir gehören zum Aufklärungstrupp. Wir gehen immer davon aus, dass etwas schief geht.“

„Ah, wie ich sehe, bist du schon bereit zur Abfahrt“, erklang Erwins Stimme hinter Mikasa, die rein aus Prinzip heraus salutierte. Wie erwartet hatte auch Erwin sich herausgeputzt. Er trug einen feinen, dunkelbraunen Anzug, hatte jedoch auf die Fliege verzichtet. Stattdessen war der oberste Knopf offen und er trug einen langen, gefütterten Wintermantel.

Levi schenkte ihm einen unbeeindruckten Blick, bevor er sich abwandte und die Kutsche ansteuerte. Erwin sah ihm nach, das konnte er deutlich spüren, aber gab sich mit seinem eisigen Schweigen zufrieden, da er sich ebenfalls in Bewegung setzte, während Mikasa das Schlusslicht bildete.

Der Fahrer neigte den Hut vor ihnen, doch Levi ignorierte ihn, als er stattdessen die Tür der Kutsche aufriss und in sie hineinkletterte, um der abendlichen Kälte zu entkommen. Es würde ein kalter Winter werden, das stand fest.

Der Innenraum der kleinen Kutsche bestand aus zwei ungemütlichen Holzbänken links und rechts, von der eine besetzt war.

„Captain“, begrüßte ihn Kurenai Yuuhi. Die ältere Frau trug ein weinrotes Gewand mit einem schwarzen Mantel darüber, der Erwins ähnelte, als hätte sie sich mit diesem abgesprochen. Sakura trug dagegen ein weiß-rotes Schnürkleid unter ihrem Mantel und ausnahmsweise waren ihre Haare nicht zu einem Zopf gebunden. Ungehindert fielen ihr die kurzen Haarsträhnen ins Gesicht, als sie seinen Blick auffing.

Levi nickte beiden Frauen zu, bevor er sich auf die andere Bank setzte. Erwin nahm die Begrüßung der Damen an sich, als er hinter ihm in die Kutsche stieg und neben Levi Platz nahm, während Kurenai und Sakura ein Stück zur Seite rückten, um Mikasa bei sich sitzen zu lassen.

Er hatte sich den Ball schon lästig vorgestellt, aber er hatte nicht darüber nachgedacht, dass sie alle dort gemeinsam hinfahren mussten...

„Ich bin froh, dass ihr mich alle begleitet. Ich bin sicher, dass es nur halb so schlimm wird“, verkündete Erwin und rieb sich die Finger, als die Kutsche sich in Bewegung setzte.

Levi sah aus dem Fenster und beobachtete wie das Schloss sich entfernte und sie die Straße hinunterholperten. Bis zur Hauptstadt würde es etwas dauern, besonders an der Grenze, um hinter Wall Sina zu gelangen.

„Und ich bin sicher, dass wir alle hier schon weitaus Schlimmeres im Leben erlebt haben, als einen Abend mit Politiker und Mitglieder der Regierung“, fügte Kurenai mit sanfter Stimme hinzu, bevor sie einen Blick aus stechend roten Augen mit Erwin austauschte, der zustimmend nickte.

Sakura erlaubte sich ein Lächeln, doch selbst aus den Augenwinkeln bemerkte Levi, wie zittrig es war. Kein Wunder, denn für sie musste es einer Rückkehr nach Hause gleichkommen. Jedenfalls war dies – soweit er wusste - das erste Mal, dass sie nach Sina zurückkehrte, seit sie sich dem Militärdienst verschrieben hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Harunos begegnen würden, war niedrig, da diese den meisten Veranstaltungen nicht beiwohnten, aber... das konnte man von dem Uchiha-Klan nicht behaupten.

Sie würden schon allein aus dem Grund auf dem Ball sein, um sich um die Sicherheitsvorkehrungen zu kümmern. Zumindest hatte Erwin gestern erst angedeutet, dass es so aussah, als würde selbst die Königin höchstpersönlich anwesend sein. Das Gerücht war herumgegangen und ein Vögelchen in der Hauptstadt hatte dies zu Erwin durchsickern lassen. Levi wusste aber nicht, wie viel an diesem Gemunkel dran war oder ob es einen Unterschied für sie darstellen würde.

Viel wusste Levi nicht über das kleine Mädchen, das vor gut einem Jahr auf der Bildfläche erschienen war und nach dem Tod von König Fritz als seine unerwartete Nachfolgerin gekrönt worden war. Bis zu dem Zeitpunkt hatte man nicht einmal um das Geheimnis der Reiss-Familie gewusst, denn das einzig überlebende Mitglied hatte scheinbar scheinheilig die Militärakademie unterwandert und war sogar unter den zehn besten Kandidaten ihrer Klasse gelandet. Das konnte Levi sich jedoch nur schwer vorstellen, denn dafür sah sie zu schüchtern und zerbrechlich aus.

Soweit Levi das aus der Ferne und anhand der Geschichten beurteilen konnte, war sie nur eine Marionette des königlichen Rats, der im Hintergrund die Fäden zog.

„Du siehst aus, als ob du jeden Moment aus den Schuhen kippst“, beschwerte sich Levi nach einer Weile, in der Sakura noch einen Deut bleicher geworden und ihre behandschuhten Finger sich ineinander verkrampft hatten.

Sakura, die sich plötzlich mit der Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden konfrontiert sah, hob hastig den Blick. „Was?“ Sie wedelte mit den Händen. „Oh... nein, mir geht es gut. Es ist nichts.“

Aber Levi kaufte es ihr nicht ab, hielt sich jedoch zurück. Stattdessen beobachtete er schweigend, wie Sakura sich ein Lächeln aufzwang und die Schultern straffte. Ihre Finger entkrampften sich und sie bettete die Hände behutsam in ihrem Schoß.

Erwin kehrte derweil zu ihrer vorigen Unterhaltung zurück. „Obwohl wir viele Gegensprecher in der Regierung haben, sind uns doch ein paar Freunde geblieben, da bin ich mir sicher“, erklärte er und Kurenai nickte. „Natürlich gibt es auch einige, die noch immer unentschlossen sind, ob die Expeditionen hinter die Mauern ihre Unterstützung wert sind. Das hier ist unsere Möglichkeit sie davon zu überzeugen und ich denke, wir haben gute Chancen genau dies heute Abend zu tun.“

Wie immer bewies Erwin den ultimativen Optimismus, den Levi nicht teilen konnte. Andererseits war es nicht auszuschließend, dass ihr Kommandant mehr als sie wusste und bereits einige Ideen hatte, wie er die gut betuchte Oberschicht für sich gewinnen konnte. Je länger Levi darüber nachdachte, umso sicher war er sich dessen, denn Erwin war stets allen zehn Schritte voraus und in seinen Augen waren sie alle nur Figuren auf einem Schachbrett.
 


 


 


 

Verglichen mit der königlichen Festung war der Stützpunkt des Aufklärungstrupps klein. Sakura hatte nie einen Fuß hinein gesetzt, doch das graue Gestein, aus dem über das Schicksal der restlichen Menschheit entschieden wurde, war nicht der Grund für das Zittern in ihrem Körper.

Seit zwei Wochen drehten sich ihre Gedanken nur um einen Menschen und das Herzflattern, das sie nachts vom Schlafen abhielt, war nicht angenehm.

War das der Grund für Levis unfreundliche Einladung gewesen? Hatte er geahnt, wie viel es ihr abverlangte an diesen Ort zurückzukehren? Ein Teil von ihr hatte angenommen, dass sie nie mehr einen Fuß hinter Wall Sina setzen würde. Dass sie erst in Trost und später irgendwo dort draußen in den Fängen eines Titanen sterben würde, ohne Sasuke Uchiha ein letztes Mal in die Augen sehen zu müssen. Wie dumm von ihr...

Vereinzelte Schneeflocken segelten vom nachtschwarzen Himmel, als die Kutsche hielt und man ihre Tür öffnete. Nacheinander stiegen sie aus, wobei Levi sich vor ihr in Bewegung setzte. Sakura blinzelte überrascht, als er ihr die Hand hinhielt, um ihr die beiden Stufen hinunter zu helfen.

Hatte er kalte Hände? Oder waren sie warm? Die dünnen Handschuhe, die sie trug, erlaubten ihr nicht es herauszufinden, als sie an Levis Hand wie an einen Anker festhielt.

Ob er die Frustration in ihrem Griff spürte, konnte Sakura nichts sagen, da Levi sich in Schweigen hüllte. Peinlich berührt ließ sie von ihm ab, bevor er Erwins Geste mimte und ihr den Arm zum Einhaken entgegenstreckte.

Zu fünft mischten sie sich unter die anderen Gäste und gemeinsam betraten sie die Eingangshalle, in der man ihnen die Mäntel und Jacken abnahm. Die Kälte wurde von entzündeten Kaminen und Lampen ausgesperrt, bis der Innenraum und der angrenzende Saal fast schon überflüssig warm waren.

„Ich schlage vor, dass wir uns aufteilen und uns unter die Menschen mischen“, sagte Erwin, ehe er mit Kurenai an seinem Arm in den Saal mit seinem Buffet eintauchte. Fein gerahmte Gemälde schmückten die Wände, während der Boden aus poliertem Holz bestand.

Der Tumult erinnerte Sakura an ihre Zeit in Trost, auch wenn die Bewohner dort hungrig und schlechter gekleidet gewesen waren. Sie waren ihr lieber gewesen.

„Ackerman, behalt Erwin im Auge“, mahnte Levi und riss Sakura aus ihren Erinnerungen. Anschließend betraten sie ebenfalls den prunkvollen Saal, aber Sakura entzog ihm den Arm, als sie die Mitglieder der Militärpolizei entdeckte. Sie standen verteilt an den Wänden und in den Ecken, um ein wachsames Auge auf die Geschehnisse zu haben.

„Ich... Ich werde uns Champagner holen“, sagte sie und ignorierte den skeptischen Blick, der ihr folgte, als sie Levi den Rücken kehrte.

Sie sah Erwin und Kurenai, die mit einigen hochrangigen Militäroffizieren anderer Einheiten sprachen, darunter auch dem berühmten Oberbefehlshaber Darius Zackly. Einen der Kellner ansteuernd wanderte ihr Blick über die Mitglieder der Militärpolizei. Hier und da entdeckte sie einen schwarzen Haarschopf unter ihnen, ebenso wie die blassen, harten Züge, die auf Uchiha-Blut hindeuteten. Sasuke war nicht unter ihnen.

Ein Läuten ertönte und ließ Sakura auf halbem Weg zu dem Kellner mit dem Tablett und den Champagnergläsern innehalten. Eine Stimme verlangte nach Ruhe und Aufmerksamkeit.

Am hinteren Ende des Saals, hinter den aufgebauten Tischen, an denen unzählige Gäste bereits Platz genommen hatten, befand sich ein Podest mit vierzierten Säulen. Der Thron stand in seiner Mitte und Historia Reiss nahm auf ihm Platz, umgegeben von Beratern und weiteren Soldaten der Militärpolizei. Unter ihnen erkannte Sakura auch Itachi Uchiha, Sasukes älteren Bruder, der nichts von der Arroganz seines jüngeren Bruders in sich trug. Er war immer gut zu Sakura gewesen, aber erst spät hatte sie seine mitfühlenden Blicke entschlüsseln können. Dass er Sasuke abgöttisch liebte war offensichtlich, aber er hatte ihn auch von Anfang an durchschaut und gewusst, dass er keine Gefühle für Sakura in sich trug. Sie war furchtbar naiv gewesen, aber das war nichts, was sie nicht schon gewusst hatte.

„Willkommen“, erklang Historia Reiss' Stimme, die samtig aber laut genug war, um auch die Leute in der hintersten Ecke zu erreichen. Unsicherheit flackerte über ihr Gesicht, aber sie konnte auch nicht älter als Mikasa sein. Sie war auch erst seit ein paar Monaten Königin, eine Verantwortung, um die Sakura sie nicht beneidete. „Esst und trink an diesem weiteren Gründungstag der Militäreinheiten“, verkündete sie mit einem perfekten Lächeln, von dem Sakura nicht überzeugt war. Vielleicht war es aber auch diese Veranstaltung, von der Erwin sich so viel erhoffte und von der Sakura wusste, dass alle nur hier waren, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.

„Hallo, Sakura“, erklang eine Stimme neben ihr.

Sakuras Kopf ruckte bei der Vertrautheit herum. Dunkle Augen bohrten sich in ihre hinein - und Sakura kam sich in der Zeit zurückversetzt vor, da es sich anfühlte, als hätte sie erst gestern diesen eisigen Blick auf ihrer Haut gespürt.

„Sasuke...“ Es war nur ein Flüstern, denn mehr brachte sie nicht über die Lippen. Ihre Wangen fühlten sich unter seinem Blick hitzig an. Sie hatte nicht mit einer Begegnung dieser Art gerechnet und war nicht vorbereitet gewesen.

„Wie lange ist es her?“, erkundigte er sich mit unbewegter Miene.

Sakura schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. „Fünf Jahre.“

Er deutete ein Nicken an. „Du hast dich nicht verändert.“

War das eine Beleidigung? Es klang wie eine, gleichzeitig bewiesen seine Worte jedoch nur, wie wenig er über sie wusste und wie blind er trotz seiner ausgeprägten Beobachtungsgabe doch war. Es reichte, dass sie wusste, dass sie nicht mehr dieselbe war. Daran hielt sie fest und schluckte die leisen Zweifel, die seine Gesellschaft hervorrief, hinunter.

„Du dich auch nicht, Sasuke“, antwortete sie schließlich und ihr Blick wanderte von den Haaren, die noch immer dieselbe Länge besaßen, zu seiner Uniform hinunter, die das Abzeichen der Militärpolizei und das Symbol der Uchihas aufgestickt hatte.

„Als ich gehört habe, dass du dem Aufklärungstrupp beigetreten bist, war ich überrascht“, gestand er und Sakuras Augen weiteten sich. „Ich hätte es dir nicht zugetraut. Aber ich hätte dir auch nicht zugetraut, dass du noch einmal nach Wall Sina zurückkehrst.“ Sein Blick wanderte durch den Saal. „Deine Eltern sind nicht hier.“

„Das habe ich auch nicht erwartet“, sagte Sakura und sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, worauf sie antwortete. Darauf, dass Sasuke ihr kein Rückgrat zugetraut hätte oder darauf, dass ihre Eltern die Feierlichkeiten nicht besuchten. Sie waren private Leute, die sich im Hintergrund bewegten, aber selbst kaum ins Rampenlicht traten.

„Ich nehme an, dass es ihnen gut geht“, fügte Sakura hinzu und Sasukes Blick kehrte zu ihr zurück.

Sein Mundwinkel hob sich ein Stückchen und seine Schultern zuckten in abfälliger Manier. „Unsere Familien haben nicht viel Kontakt, seit du verschwunden bist. Aber ich habe gehört, dass sie dich enterbt haben. Stimmt das?“

Das Brennen in ihren Augenwinkeln ignorierend nickte Sakura. Es spielte keine Rolle, tat es seit Jahren nicht mehr. An materieller Liebe war sie nicht interessiert und etwas anderes hatte sie von ihnen nie erhalten, weshalb Sasukes Familie ihr zeitweilig wichtiger als ihre eigene gewesen war. Doch all das war bevor sie die Augen geöffnet und verstanden hatte. Eingesehen hatte, dass die Uchihas ihre eigenen Ziele verfolgten und die Bewohner mehr ausbeuteten anstatt sie wirklich zu beschützen.

„Meine Mutter spricht noch manchmal von dir“, redete Sasuke weiter, sein Ton genauso emotionslos. Wie hatte sie jemals aus seiner Stimme Liebe herausgehört?

„Grüß sie von mir“, sagte Sakura. „Sie war immer gut zu mir.“ Itachi und Mikoto Uchiha hatten sie damals in ihrem Haus empfangen, als sei sie eine verlorene Schwester und Tochter gewesen, die endlich nach Hause zurückgekehrt war.

Sasuke schnaubte. „Ich werde ihr nicht erzählen, dass ich dich gesehen habe. Umso weniger sie über dich nachdenkt, umso weniger wird es ihr wehtun, wenn du bei einer dieser unsinnigen Expeditionen ums Leben kommst.“

Seine Worte waren ein Faustschlag, der Sakura den Atem aus der Lunge presste. Es sollte sie nicht wundern, denn immerhin kannte sie die Meinungen, die man über den Aufklärungstrupp hatte, doch Sasukes Ehrlichkeit übertraf sämtliche Erinnerungen, die sie an ihn hatte, sowie alle Vorstellungen ein mögliches Wiedersehen betreffend. Er war oft kalt und unfreundlich gewesen, doch selten dermaßen verletzend. Oder hatte sie es nur nie bemerkt? War er nachtragend, dass sie aufgehört hatte ihm hinterher zu rennen? War es—

„Das verstehst du unter Champagner holen, Haruno?“, blaffte Levi hinter ihr und Sasukes Blick ging an ihrem Kopf vorbei.

Sakura wandte sich um. „Es tut mir leid, Captain. Ich werde es gleich nachholen.“

Levi reichte Sasuke bis knapp über die Schultern hinaus und während Sasuke kerzengerade stand, war Levis Haltung gelassen, beinahe gelangweilt. „Der berühmte Sasuke Uchiha...“, entrann es Levi.

„Levi Ackerman“, erwiderte Sasuke und Sakuras Hoffnung, dass sie einander nicht erkennen würden, schwand. „Den stärksten Soldaten der Scouts habe ich mir irgendwie größer vorgestellt.“

Sakuras Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen, aber Levi antwortete zunächst mit einem Schnauben. „Größe ist nicht alles. Gehirn ist ebenfalls wichtig, aber davon verstehen die meisten nichts.“

„Ich glaube, wir sollten nach Kommandant Erwin suchen“, lenkte Sakura ein und hakte sich erneut bei Levi ein, um ihn von Sasuke wegzuziehen. Obwohl er für seine grobe Art bekannt war und sich auch bei Frauen nicht zurückhielt, ließ er sich von ihr wortlos davon bugsieren.

Nur flüchtig fing Sakura den Blick von Sasuke auf, der wissend und amüsiert wirkte.

Sakura stellten sich die Nackenhaare auf. Was sollte ihr dieser Blick sagen? Wichtiger war jedoch die Erkenntnis, die sie aus dieser Unterhaltung und Sasukes Verhalten gewonnen hatte: Sasuke musste ihr damaliges Verschwinden als Verrat gesehen haben, den er ihr nie verziehen hatte, ganz gleich, dass er ihre Gefühle nie erwidert hatte.

„Arrogantes Arschloch“, brummte Levi neben ihr und die umstehenden Gäste warfen ihnen Blicke zu, aber Sakura schmunzelte nur.
 


 


 


 

Mikasa hatte schon eine Menge über Mitras gehört, aber hatte nie einen Fuß in die Hauptstadt gesetzt, die sich hinter der innersten Mauer befand. Allerdings konnte sie auch nicht behaupten, dass sie überaus überrascht über das war, was sie hier zu sehen bekam.

Während die Menschen in den äußersten Distrikten stets mit einem offenen Auge schliefen, da die Titanen sich nur einer Mauer getrennt von ihnen befanden, war die Atmosphäre hier eine unbefangenere. Hier gab es weniger Angst und auch keinen Hunger, denn dies bewiesen die unzähligen Tische, die sich unter dem köstlichen Essen und den seidigen Tischdecken durchbogen.

Königliche Wachen, die sich aus Mitgliedern der Militärpolizei zusammensetzten, reihten die Wände und das Podest, auf dem die kindliche Königin saß und das Spektakel aus reinem Pflichtbewusstsein heraus beobachtete. Mikasa besaß keine guten Menschenkenntnisse, doch sie meinte Historia Reiss denselben Unmut vom geschulten Gesicht abzulesen, den auch sie fühlte. Das hier war ein Maskenball, denn keiner war ehrlich und jeder verfolgte seine eigenen Pläne.

Die Hände hinter dem Rücken verschränkt wanderte ihr Blick über die Gäste in ihren feinen Kleidern, die sie in einer Notsituation nur behindern würden. Dort draußen hinter den Mauern würden sie keine Stunde überleben.

Unter den Anwesenden befanden sich Regierungsmitglieder, Offiziere und das Adel, aber sie entdeckte auch einige Männer von der Kirche, die sich unter den Gästen bewegten.

Ihr Blick kehrte zu Erwin Smith und Kurenai Yuuhi zurück, welche die Unterhaltung mit dem Obergeneral beendeten und weiter schlenderten. Erwin bewegte sich mit einer Gelassenheit, die über seinen analytischen Verstand hinwegtäuschen wollte, aber Mikasa war sich sicher, dass alle, die schon einmal mit ihm zu tun gehabt hatten, wussten, dass mehr hinter seiner Stirn vorging als er zugeben wollte.

„Ich weiß ganz genau, warum du hier bist, Erwin“, sagte ein Mann mit grauen Haaren und der in einem feinen, dunklen Anzug gekleidet war, die Fliege kerzengerade sitzend. Er reichte Erwin freundschaftlich die Hand und küsste Kurenais Handrücken, doch die Belustigung war aber auch weiterhin von seinem Gesicht ablesbar. „Aber wenigstens deine Begleitung ist überraschend“, fügte er hinzu. „Kurenai Yuuhi. Ich habe Sie ewig nicht mehr gesehen.“

Um wen es sich bei dem Mann handelte, wusste Mikasa nicht, aber all die Unterhaltungen, die Erwin auf diesem Fest führte, ähnelten sich ohnehin.

„Das Gleiche kann ich von Ihnen behaupten, Alraz“, sagte Kurenai und ihre geschminkten Lippen nahmen die Form eines Lächelns an. Es war nicht dasselbe, welches sie Erwin oder irgendjemand anderen in der Kutsche geschenkt hatte, sondern weiblich und charmant.

„Es trifft sich gut, dass du den Grund für unser Auftauchen bereits kennst“, erwiderte Erwin. „Dann brauche ich keine Einleitung, sondern kann gleich auf den Punkt kommen.“

Doch sein Gegenüber schüttelte sachte den Kopf. „Du weißt genauso gut wie ich, dass du bei mir an der falschen Adresse bist. Ich bin nur ein unwichtiges Mitglied des Rats, dessen Meinung wenig wert ist.“

„Ich weiß, wie viel deine Meinung wert ist“, korrigierte Erwin, während Kurenai an ihrem Champagnerglas nippte und ihn musterte.

Der Mann verzog das Gesicht, errötete jedoch unter Kurenais Blick. „Die Zeiten haben sich geändert, genauso wie die Regierung.“ Sein Blick glitt zu ihrer Hoheit hinüber und seine Stimme senkte sich, als er fortfuhr. „Historia Reiss mag eine ehrliche Haut sein, aber Erfahrung hat sie keine. Jedenfalls nicht im politischen Sinne. Die Mitglieder des Rats fällen die meisten Entscheidungen und sie stecken mit der Militärpolizei unter einer Decke. Und du weißt selbst, wie wenig sie vom Aufklärungstrupp halten. Hier in Mitras erwartet man keine Fortschritte von euch, sondern sie drehen euch viel eher klamm und heimlich einen Strick, um Kontrolle über deine Einheit zu erlangen, ehe sie die komplett lahmlegen.“

„Ich habe noch ein paar Befürworter hier", sagte Erwin, doch Härte erhielt Einzug in sein Gesicht.

„Und wer wird uns dann vor den Titanen schützen, wenn es die Scouts nicht mehr gibt?“, fragte Kurenai an Alraz gewandt, wartete jedoch auf keine Antwort. „Die Soldaten des Aufklärungstrupps sind einzigen, die zwischen uns und den Titanen stehen, sollten diese jemals durch die Mauern brechen.“

Alraz’ Wangen gewannen abermals an Farbe, als er hilflos mit den Schultern zuckte. „Darüber macht man sich in Mitras keine Sorgen.“

„Machen Sie sich darüber auch keine Sorgen, Alraz?“, erkundigte sich Kurenai und Mikasa begann zu verstehen, weshalb Erwin Kurenai gebeten hatte, mit ihm diese Veranstaltung zu besuchen.

„Ich... Natürlich!“, zischte er und sah sich um, als erwartete er, dass man sie beobachtete. Mikasas Blick wanderte ebenfalls über die Festlichkeiten und zu den Mitgliedern der Militärpolizei hinüber, von denen einige in ihre Richtung schauten.

„Hör zu, Erwin“, murmelte Alraz so leise, dass Mikasa es mit dem Abstand kaum entschlüsseln konnte. „Ich werde ein gutes Wort für die Scouts einlegen, aber viel bringen wird es nicht. Wenn du dir Hilfe verschaffen willst, dann solltest du dich an die höchste Autorität wenden und dich nicht mit kleinen Fischen wie mich aufhalten.“

Erwins Kopf drehte sich in die Richtung des Podests, hinüber zu der Königin, die beinahe verloren auf dem riesigen Thron aussah.

„Siehst du den Mann an ihrer Seite?“, fragte Alraz ohne Erwins Blick zu folgen und sich umzudrehen. „Das ist Shikamaru Nara, ihr persönlicher Berater. Die Männer seiner Familie stehen schon seit Generationen im königlichen Dienst. Sein Vater hat den Posten an seinen Sohn abgegeben, als Historia Reiss an die Macht gekommen ist. Allerdings weiß niemand, was für Ziele er verfolgt.“

Erwins Stirn kräuselte sich und Alraz berührte ihn am Arm, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „Mehr kann ich nicht für dich tun, aber versprich dir nicht zu viel davon.“

„Ich verspreche mir eine Menge hiervon“, antwortete Erwin und Alraz deutete ein bemitleidendes Lächeln an, ehe er sich mit einem weiteren Kuss auf Kurenais Handrücken unter die anderen Gäste mischte.

Mikasas Augen blieben an Shikamaru Nara hängen. Er war älter als Historia Reiss, aber verglichen zu den meisten Männern und Frauen hier jung. Seine Haare waren zu einem Zopf gebunden und seine schlaksige Haltung machte deutlich, dass er sich etwas Besseres vorstellen konnte, als dort herumzustehen.

Sie waren in eine Welt voller Intrigen eingetaucht, wurde Mikasa abermals bewusst. Ob Eren enttäuscht wäre, wenn er hier gewesen wäre und es miterlebt hätte? In seinem Kopf hatten nur Heldentaten existiert. Mut und Ehrlichkeit waren ihm wichtig gewesen, aber davon war hier weit und breit nichts zu sehen.

Mikasa löste den Griff ihrer Hände, um stattdessen die Fingerspitzen hinauf zu dem roten Schal zu heben, den sie sich umgebunden hatte, obwohl er alt und verschlissen war und hier fehl am Platz wirkte. Trotzdem fühlte sich der Stoff weich und vertraut an - und stellte das letzte Gefühl dar, bevor ein ohrenbetäubendes Knallen ertönte und sie zu Boden geschleudert wurde.

Schmerz explodierte in ihrem Körper, während Schreie in der Luft lagen. Ihre Ohren klingelten, während eine zweite, wenn auch kleinere, Explosion den Boden wackeln ließ.

to escape.

Orientierungslosigkeit erfasste Mikasa. Ihre Augen waren weit aufgerissen, doch nahmen nur die winzigsten Details wahr, anstatt das Gesehene zu dem zusammenzusetzen, was sich eigentlich um sie herum abspielte. Rauch befand überall um sie herum in der Luft. Er stach in ihren Lungen und in ihren Augen. Irgendwo brannte es.

Vor ihr lag ein umgestoßener Tisch, was unmöglich war. Hatte sie dem Büffet nicht den Rücken gekehrt? Und wo war die Tischdecke?

Mikasa stützte die Hände auf dem Boden ab, um sich aufzustemmen. Die Umgebung wankte, vielleicht war sie es aber auch. Sie musste sich den Kopf angeschlagen haben. Eine Hand hob sich, um ihrer Schläfe entlang zu tasten. Als sie diese wieder sinken ließ, waren ihre Fingerspitzen blutig.

Diese Tatsache rang ihr kein Gefühl ab, da stattdessen in ihrem Inneren eine taube Leere herrschte. Sie war Mikasa nicht unbekannt, auch wenn es nicht dieselbe war, die sie tagtäglich mit sich herumschleppte. Trotzdem war sie ihr vertraut – und Mikasa blickte automatisch zu dem roten Schal hinunter, der unordentlich um ihren Hals gewickelt war.

„Eren...“ Ihre Stimme klang krächzend, als hätte sie schon stundenlang nichts mehr getrunken. Ihr Mund fühlte sich auch genauso staubig an. Benommen kämpfte sie sich auf die Beine und ihre Augen wanderten über die Verwüstung, die um sie herum herrschte. Der Rauch war zu dicht, um weit zu sehen. Putz fiel von der Decke. Irgendwo weinte jemand, den Mikasa nicht entdecken konnte. Doch es waren die durcheinandergeworfenen Schreie, die eine Kakophonie bildeten, die Erinnerungen weckte.

„Eren... Eren, wo bist du?“, kam es ihr über die Lippen. Ihr gehetzter Blick suchte instinktiv nach ihm, landete stattdessen jedoch auf einen Mann, der nicht unweit von ihr bewusstlos auf dem Boden lag. War er tot? Wo war Eren? Sie mussten hier weg! Die Titanen würden jeden—

Doch da blieben ihre Augen an der Uniform des Mannes hängen, welche das Zeichen der Militärpolizei aufgestickt hatte.

Sie befanden sich hinter Wall Sina, wurde ihr klar. An dem Tag, an dem die Titanen durch die Mauern gebrochen waren und ihren Distrikt überrannt hatten, war keine Spur von der Militärpolizei gewesen. Nur ein paar Mitglieder der Garrison hatten versucht einzuschreiten, waren jedoch in ihrem Fall viel zu spät erschienen. Doch das war Vergangenheit. Eren war tot. Diese Tatsache sorgte für einen Stich in Mikasas Herzen, klärte gleichzeitig aber auch ihre Gedanken.

Es hatte einen Angriff auf die Festivitäten gegeben. Mit Adleraugen schaute sich Mikasa ein weiteres Mal um, diesmal jedoch nach bekannten Gesichtern Ausschau haltend.

Sie entdeckte den sonst so ordentlich gekämmten Haarschopf ihres Vorgesetzten. Einige Gäste auf die Beine helfend schob Erwin sich an ihnen vorbei und strauchelte weiter zu Kurenai hinüber, die neben einer der Steinsäulen hockte und sich den Arm hielt.

Mikasa setzte sich augenblicklich in Bewegung. „Wir müssen hier raus, Sir!“, entwich es ihr, als sie Erwin und Kurenai erreichte.

Erwin warf ihr einen flüchtigen Blick zu, während er sein Jackett abstreifte und es Kurenai um den blutenden Arm wickelte. „Noch nicht“, verkündete er und die Autorität in seinem Ton ließ Mikasa zurückschrecken.

Er drehte sich zu ihr um und packte sie an den Schultern. Blaue Augen bohrten sich in ihre hinein. „Was wichtig ist, ist unsere Königin“, zischte er ihr entgegen.

Wie auf ein stummes Kommando hin, wurden die Türen eingetreten und Männer mit Schwertern und Pistolen marschierten in den Saal, mitten durch das ausgebrochene Feuer, den Rauch und die Zerstörung. Sie trugen dunkle Kleidung und Tücher und Masken, damit sie unerkannt blieben.

Mikasas Augen weiteten sich, doch Erwins Hand berührte ihre Wange, um ihren Blick wieder auf sich zu lenken. Kein Muskel zuckte in dem Gesicht vor ihr, es war hart wie Stahl. „Egal, was passiert“, presste er hervor. „Historia Reiss’ Sicherheit ist am Wichtigsten.“

Ein spitzer Schrei übertönte sämtliche anderen, endete jedoch in einem atemlosen Ächzen. Die Schwertklinge eines Angreifers wurde aus dem Körper der Frau vor ihm gezogen und sie sackte in sich zusammen.

Der Rauch ließ Mikasas Augen tränen, während Erwins Worte ihr durch den Kopf hallten. Hinter wem waren sie her? Historia Reiß? Der Gedanke lag nah, doch die Konsequenzen waren zu groß und zu ausschlaggebend, um sie auch nur zu erahnen. Erwin hatte recht.

Mikasa salutierte hastig, den Tumult und die panischen Rufe der Überlebenden ausblendend. Ihre Füße setzten sich von allein in Bewegung, wie es so oft der Fall war, wenn ihr Instinkt die Kontrolle an sich riss. Man musste kämpfen, um zu überleben. Das hatte Eren ihr beigebracht und er lebte in ihr weiter. Was hätte sie für ihre Schwerter gegeben...!

Der Rauch schränkte ihre Sicht ein, weshalb sich Mikasa auf ihr Gedächtnis verließ. Sie strauchelte über Schutt und Asche hinweg, an Leuten und Leichen vorbei, als sie sich den Weg zum Podest bahnte. Bereits auf halbem Weg dorthin sah sie, dass es eingestürzt war.

Shikamaru Nara stand inmitten des Schutthaufens und räumte die Trümmer beiseite. Sein Haarband hatte sich gelöst und die dunklen Strähnen klebten an seinen schweißnassen Schläfen.

„Wo ist die Königin?“, blaffte Mikasa ihn an, das Husten, das in ihrer Kehle steckte, unterdrückend.

Der königliche Berater hob den Blick und trotz der Umstände stand ihm die Genervtheit ins Gesicht geschrieben. „Wo soll sie sein? Hilf mir lieber!“ Er deutete hinter den breiten Holzbalken, der vor ihm lag und Mikasa erhaschte einen Blick auf einen blonden Haarschopf.

Sogleich packte Mikasa den Holzbalken, um ihn zusammen mit Shikamaru ein Stück anzuheben. „Ich hab ihn“, presste Mikasa hervor. Das Holz biss in ihre Handflächen und ihre Knie schmerzten unter dem Gewicht. „Zieh sie raus. Beil dich.“

Shikamaru sackte auf die Knie und zog die kleine Königin unter dem Schutt hervor. „Ich hab sie. Du kannst den Balkon runterlassen.“

Viel länger hätte ihn Mikasa ohnehin nicht halten sollen. Er fiel zu Boden, doch das Krachen ging in den restlichen Tumult unter. „Irgendjemand ist in den Saal eingedrungen“, informiert Mikasa den jungen Mann, der nicht sehr viel älter als sie sein konnte. „Sie metzeln alle ab, die ihnen in den Weg kommen.“

Kratzer zogen sich an den Wangen und den Armen von Historia Reiss entlang und auch von der Krone war nichts zu entdecken. Shikamaru hievte die bewusstlose Frau über seine Schulter, obwohl sein Gesicht kein Geheimnis daraus machte, wie sehr ihm diese Situation missfiel. „Ich glaube nicht, dass sie sich besser als ich in diesem Schloss auskennen“, entrann es ihm aber doch nur. „Ich wusste ja, dass so was irgendwann mal passieren wird.“ Er kämpfte sich auf die Beine und stolperte los.

Mikasa war ihm dicht auf den Fersen, ergriff jedoch einen eckigen, schweren Stein, der von der Decke gefallen sein musste. An dem Tag, an dem Eren gestorben war, hatte sie auch einen solchen Stein in der Hand gehabt. Bilder zuckten vor ihren Augen vorbei, doch Mikasa schüttelte den Kopf. Dafür war keine Zeit.

Sie holte mit Shikamaru auf, der die hintere Wand ansteuerte, die halb in sich eingefallen war. Nur die zwei Säulen hatten sie einigermaßen aufrecht erhalten. Doch erst als sie eine von ihnen umrundet hatten, gaben sie eine schmale Passage frei, die hinaus aus dem Thronsaal und tiefer ins Schloss führte. Der Gang war dunkel und das Gestein schien den Lärm, der im Saal herrschte, zu verschlucken.

Ein letzter Blick ging über ihre Schulter zurück, bevor Mikasa Shikamaru folgte.
 


 


 

Einen Moment lang war Levi dabei nach einem der Champagnergläser zu greifen, die Sakura dem Kellner abgeluchst hatte. Im nächsten wurde er von einer Druckwelle zu Boden geschleudert, während eine Explosion seine Trommelfälle zu zerreißen drohte. Der Sturz presste Levi die Luft aus den Lungen und irgendetwas knallte ihm gegen den Hinterkopf.

Ein Fluchen lag auf seinen Lippen, als er sich mit den Händen auf dem Boden abstemmte. „Was zum Teufel…?“ Seine Stimme drang leise und verzerrt an seine Ohren, in denen es noch immer klingelte. Er fasste sich an die Stirn, bis der kurze Schwindel sich legte.

Eine Hand packte seinen Arm und zerrte an seinem Ärmel. Levi blickte zur Seite, genau in grüne, weit aufgerissene Augen. Schock war aus ihnen herauszulesen. Sein Blick huschte über Sakuras dreckiges Gesicht, die verwuselten Haare, über ihren Körper, bis sie an dem Riss in ihrem Kleid hängen blieben. Ein Stück Glas steckte in dem bleichen Fleisch ihres Oberschenkels, während Blut um die Wunde hervorquoll und in den Stoff sickerte.

Die Schreie verstummten kurzzeitig in Levis Kopf. Er befreite seinen Arm aus ihrem Griff und ein Wimmern drang aus Sakuras Kehle. Sich gänzlich in ihre Richtung drehend wandte er sich dem Glasstück zu.

„Nicht“, presste Sakura mit zittriger Stimme hervor, bevor er entschieden hatte, aus welchem Winkel er das Stück am besten herausziehen sollte. „Wenn du es herausziehst, blutet es mehr“, erklärte sie und stolperte über ihre Worte. Sie schloss die Augen, um tief einzuatmen und ihre Nerven zu stählern.

„So kannst du nicht laufen“, sprach Levi das Offensichtliche aus, während seine Augen durch den zerstörten Innenraum wanderten. Vermummte Fremde hatten den Raum gestürmt und Levi dankte dem umgefallenen Tisch, der ihnen wenigstens ein bisschen Schutz bot. Hinter wem waren sie her? Wahrscheinlich der Königin. Kümmerte es sie? Warum sollte es? Immerhin war sie nichts weiter als eine Marionette in den Händen der Militärpolizei.

„Ich kann so oder so nicht auftreten“, flüsterte Sakura. „Der Glassplitter hat die Muskeln und wahrscheinlich auch den Knochen erwischt. Jedenfalls nach dem Schmerz zu urteilen.“

Levi besah sich die Verletzung. Das Glasstück schien nicht nur groß, sondern auch lang zu sein. Dies entnahm er zumindest Sakuras Erklärung.

Ein Schuss zerriss die Luft. Sie zuckten zusammen und Levi packte Sakura an der Schulter, um sie tiefer zu drücken. Er schielte über den Tisch hinweg. Nicht nur, dass diese Leute Schwerter mitgebracht hatten, aber scheinbar trugen einige wenige sogar Schusswaffen mit sich. Sie waren vorbereitet, das stand fest.

„Wir können nicht hier sitzen bleiben, so viel ist klar“, entrann es Levi, während er umherspähte. Es gab nur eine Tür im Saal, durch welche diese Kerle gekommen waren und durch die sie verschwinden konnten.

„Ich weiß“, murmelte Sakura.

Hätte Levi sie nicht bereits in Aktion hinter den Mauern erlebt, hätte er vielleicht an ihr gezweifelt, doch sie hatte bereits bewiesen, dass sie niemand war, der einfach tatenlos an der Seitenlinie stand und aufgab. Daher packte er ihren Arm, legte ihn sich um die Schultern und hievte sie auf die Beine.

Sakura biss die Zähne zusammen und presste die Lippen aufeinander, um kein Geräusch von sich zu geben. Ob dieses in dieser Konfusion überhaupt hörbar gewesen wäre, war ungewiss. Leute schrieen und rannten durcheinander, stürzten über Trümmer oder taumelten durch den vom Feuer erzeugten Rauch. Auch Levi brannte er in den Augen.

„Die Säulen bieten einiges an Deckung“, raunte er und stützte Sakura von ihrer Deckung hinter dem umgefallenen Tisch hinüber zu der ersten Säule, welche die Decke an den Stellen aufrecht hielt, an denen sie noch nicht eingestürzt war.

Blut rann Sakuras Bein hinunter und tränkte mehr von dem rotweißen Stoff ihres Kleides, als die Bewegung mehr von der Flüssigkeit aus der Wunde presste. Levi konnte nur annehmen, wie schmerzhaft es sein musste, das Glasstück beim Gehen noch im Bein stecken zu haben.

Sie suchten sich den Weg von einer Säule zur nächsten, bis sie sich der breiten Doppeltür annährten. Eine Frau lag ihnen mit weit ausgerissenen Augen zu Füßen, doch ihrem bewegungslosen Gesicht nach zu urteilen war sie längst tot, während Blut eine Lache um sie herum bildete, als es aus dem Schwertschnitt in ihrem Magen sickerte.

Ihr Mörder stand nicht unweit von der Säule entfernt, das blutige Schwert hocherhoben und nur nach Überlebenden Ausschau haltend. Ein weiterer Mann mit einer Stoffmaske auf dem Gesicht stand einige Meter neben ihm, eine Schrottflinte im Anschlag haltend.

Wahrscheinlich bewachten sie die Tür, damit niemand floh, während ihre Kameraden sämtliche anderen ermordeten, nahm Levi an. Ungünstig war nur, dass der Kerl mit der Waffe zu weit wegstand, um ihn einfach zu überwältigen. Zunächst müsste sich Levi um den Mann mit dem Schwert kümmern, obwohl dies unmöglich war, ohne seinen Kameraden über seine Aufmerksamkeit zu informieren.

Sakura lehnte sich neben ihm gegen das Gestein der Säule, das Gesicht bleich und schweißgebadet. „Ich kann sie ablenken“, schlug sie kurzatmig und heiser vor, auch wenn sie auf Levi wirkte, als könnte sie keinen einzigen Schritt mehr tun.

Levi schenkte ihr einen unbeeindruckten Blick. „Bleib hier“, brummte er. Auf ihre Proteste wartete er nicht, sondern schlüpfte aus seinem Jackett heraus und schlich auf lautlosen Sohlen um die Säule herum, bis er schräg hinter dem Mann mit dem Schwert stand.

Blitzartig stürzte Levi auf ihn zu, stülpte ihm das Jackett über den Kopf und packte ihn im Schwitzkasten. Das Schwert fiel seinem Gegner aus den Händen, als er diese hob, um zu aus Levis Griff zu befreien. Ein Röcheln drang aus seiner Kehle und sie beide kämpften um die Oberhand.

Aus den Augenwinkeln sah Levi, dass der Kerl mit dem Schrottflinte auf sie aufmerksam wurde. Verwirrung zeigte sich in den Augen, die als einzigstes zu sehen waren. Er schwenkte den Lauf der Waffe herum und ein Schuss klingelte in Levis überstrapazierte Ohren, als er in dem Körper vor ihm eindrang und ihn zurückstolpern ließ.

Dass Levi keinen Schmerz in seiner eigenen Brust verspürte, sagte ihm, dass er richtig erahnt hatte und sie alle eine Art Schutzweste trugen. Er schubste den Halbtoten nach vorn, bis dieser zu Boden fiel, sprang über ihn hinüber und warf sich gegen den zweiten Angreifer. Sie rangelten um die Schrottflinte, ehe sich ein weiterer Schuss löste. Levi trat dem Mann zwischen die Beine, der krümmend in sich zusammensackte, bevor Levi ihn mit dem Griff der Waffe einen über den Schädel zog.

„Ist das nicht der berühmte Levi Ackerman?“, zischte vor ihm eine weitere Person, die ähnlich schwarze Kleidung trug und ein Tuch um die untere Gesichtshälfte gebunden hatte. Die Pistole in seiner Hand deutete auf Levis Stirn, während eine Gehässigkeit in den dunklen Augen geschrieben stand. „Ich hab irgendwie gedacht, dass du größer bist.“

Levi unterdrückte ein Augenrollen. Diesen Spruch hatte er schon so oft gehört, dass er langweilig war. Das war auch nicht das, was er als letztes im Leben hören wollte... Die ergatterte Schrottflinte blieb gesenkt, denn bevor er sie heben könnte, hätte er längst eine Kugel im Kopf.

Erst bei diesem Gedanken erhaschte er einen Blick auf rosafarbigen Haare.

Sie konnte aber auch nie auf ihn hören, wie es den Anschein hatte...

„Irgendwelche letzten Worte, Ackerman?“, fragte sein Gegenüber, während Sakura von der anderen Seite hinter der Säule hervorgekrochen kam. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt und sie schliff ihr verletzten Bein viel eher, als dass sie tatsächlich auftrat.

„Das sollte ich viel eher dich fragen“, erwiderte Levi tonlos und fühlte glatt einen Hauch Belustigung bei der Verwirrung, die sich in den Augen des anderen widerspiegelte.

Als dieser begriff was geschah und herumwirbelte, hatte Sakura ihn bereits erreicht. Ihr Fausthieb traf ihn direkt auf die Nase und ließ ihn zurückstolpern. Levi nutzte den Moment, um ihm eine Ladung Blei in den Magen zu verpassen, während Sakura schwer atmend zu Boden sank.

Ein Blick durch die Halle verriet, dass das Feuer sich ausgebreitet hatte, denn inzwischen war der gesamte Raum voller Rauch und Levi konnte nicht mehr als gelegentlich Schemen ausmachen. Er machte einen Schritt in Sakuras Richtung, aber bevor er sie erreichte, tauchte bereits eine andere Person auf und reichte ihr die Hand.

„Nicht schlecht“, erklang die kühle Stimme von Sasuke Uchiha. Der Uchiha-Sprössling trug ein Schwert in der Hand, welches er nun wegsteckte, während Blutflecke seine Uniform beschmutzt hatten. Trotzdem war ein Stolz in sein markantes Gesicht gemeißelt, das schon fast an Arroganz grenzte.

Levi behielt die Schrottflinte im Anschlag, den Finger am Abzug, während Sakura zu ihm hinaufblinzelte.

„Sasuke...“, murmelte sie.

„Nun mach schon“, forderte dieser und Sakura ergriff seine Hand, um sich beim Aufstehen helfen zu lassen. Für einen Moment schien der Schmerz glatt vergessen zu sein, bemerkte Levi.

„Für euer Turteln haben wir keine Zeit“, mahnte er und packte Sakuras Arm, um ihn sich erneut um die Schultern zu legen. Vielleicht hatte Sakura es vergessen, aber sie mussten hier weg. Und solange sie nicht wussten, wer hinter dem Angriff stammte und was das Motiv war, traute Levi niemanden über den Weg. Nicht einmal einem überheblichen Mitglied der Militärpolizei.

Sakura schnappte nach Luft, protestierte jedoch nicht. Stattdessen ließ sie sich Richtung Ausgang stützen, obwohl Levi sich sicher war, dass ein Blick über ihre Schulter zurück zu Sasuke ging, der mit seinem Schwert an seiner Hüfte im Rauch verschwand, um nach seiner Königin zu suchen.
 


 


 

Die Umgebung wankte. Auch Sakuras Zeitgefühl spielte verrückt, aber sie nahm an, dass dies alles mit dem Schmerz in ihrem Bein zusammenhing. Bruchstückhaft erinnerte sie sich, wie sie gemeinsam mit Levi den Ausgang aus der Feste gesucht hatte.

Den Trümmern nach zu urteilen hatte es auch in anderen Teilen des Schlosses Explosionen gegeben. Niedergemetzelte Diener und anderes Personal kreuzten ihren Weg, bis sie schlussendlich in die Nacht hinausstolperten. Dort herrschte ebenfalls Aufruhe. Soldaten und Menschen hatten sich auf dem Schlosshof gesammelt, während Flammen an einigen Stellen den Steinmauern entlang leckten und die Dunkelheit erhellten.

Levis Körper, der dicht an ihren gepresst war, war ihr Anker, ebenso wie seine Wärme die herbstliche Frische ein wenig verscheuchte. Eine Gänsehaut breitete sich auf Sakuras Haut aus, doch es war das stechende Ziehen in ihrem Oberschenkel, welches sich bei jedem Schritt bemerkbar machte und ihre Wahrnehmung fast vollständig einnahm. Die geprellten Rippen während der Exkursion waren nichts im Vergleich zu dieser Verletzung, obwohl diese ihr ebenfalls einige schlaflose Nächte bereitet hatten.

Kurz standen sie im Freien, bevor jemand Levis Namen rief. Ein Moment der Schwärze folgte, ehe Levi sich mit ihr durch eine schmale Tür zwängte und Sakura sich sitzend auf einer Holzbank wiederfand. Ein Wiehern drang an ihre Ohren, bevor alles von einem kleinen Erdbeben erschüttert wurde. Eine Schmerzwelle brach über Sakura hinein, bevor ihr Kopf zur Seite rollte und die Schwärze sie vollständig umhüllte.

Das nächste Mal, dass Sakura die Augen aufschlug, sah sie sich mit einer trostlosen Steindecke konfrontiert. Müde blinzelte sie, bevor sie den Kopf vom Kissen hob und sich umsah. Der Raum beinhaltete einige Betten und weiße Vorhänge, die diese voneinander abschirmten, ebenso wie Schränkchen mit allerlei Instrumenten auf ihnen. Sakura befand sich in der Krankenstation im Stützpunkt des Aufklärungstrupps.

„Sakura, wie fühlst du dich?”, fragte eine helle Stimme und Sakuras Blick huschte zu der Person, die neben ihrem Bett auf dem Stuhl saß.

„Petra…“, entwich es Sakura und ihre Stimme klang furchtbar rau. Sie räusperte sich. „Wo… wo ist Levi?“ Das sollte nicht ihre erste Frage sein, aber sie schlüpfte ihr ungefragt über die Lippen. Im selben Augenblick bereute sie dies sogleich wieder, als das besorgte Lächeln auf Petras Gesicht etwas an Traurigkeit gewann.

„Ich glaube, er ist draußen”, sagte Petra und nickte zum Fenster hinüber. „Es ist Erwin. Er ist noch nicht zurückgekehrt. Von Mikasa und Kurenai fehlt ebenfalls noch jede Spur.” Sie bettete die Hände in ihrem Schoß und ihre Finger waren so verkrampft, dass ihre Knöchel scharf hervorstanden.

Ein Pochen ging durch Sakuras Bein und erinnerte sie an die Geschehnisse. Sie schlug die Bettdecke beiseite, um es sich ansehen zu können, doch die blutige Wunde mit dem Glasstück in ihrem Fleisch war durch einen dicken weißen Verband ersetzt worden. Anstatt sie in ihrer Bewusstlosigkeit umzuziehen, hatte man den unteren und blutigen Rand ihres Kleids abgeschnitten.

Sakura wandte sich wieder an Petra. „Wie sind wir hierher gekommen?“

„Ein paar von unseren Leuten standen bereit, nur für den Notfall. Sie haben euch gefunden und sogleich hierher transportiert“, erklärte Petra im ruhigen Ton. „Was genau passiert ist, weiß ich ebenfalls nicht. Scheinbar war keiner in Erwins ganzen Plan eingeweiht. Nicht einmal Captain Levi.”

Diese Erklärung verwirrte Sakura viel eher, als dass sie ihre Fragen beantwortete. Nicht einmal Levi war in Erwins Plan eingeweiht worden? Es passte zu dem Ruf, den Erwin Smith hatte. Angeblich stimmte es, dass er allen immer mindestens einen Schritt voraus war. Sie alle waren nur Figuren in diesem Schachspiel, auch wenn Sakura ihre eigene Rolle nicht verstand. Was bedeutete es, dass Erwin Soldaten für den Notfall in der Nähe gehabt hatte? Hatte er einen Angriff auf die Festivitäten erwartet? Galt der Angriff ihm oder dem Aufklärungstrupp, anstelle der Königin? Gingen Levi ähnliche Fragen durch den Kopf?

Sakura sackte nach hinten und bettete den Kopf wieder auf dem Kissen, während ihr Blick wieder an die Decke ging.

„Jedenfalls bin ich froh, dass es dir—“

Doch weiter kam Petra nicht, da die Tür zur Krankenstation aufgestoßen wurde. Hektische Schritte und aufgeregte Stimmen zerschnitten die Ruhe, während eine Handvoll Soldaten Erwin hineintrugen und auf eine der Liegen ablegten. Levi, Hanji und die Ärzte gingen hinter ihnen, gefolgt von Kurenai, deren Gesicht voller Ruß war, während auch ihr dunkelrotes Gewand an einigen Stellen angesengt wirkte. Sie hielt ihren Arm, der rot und angeschwollen war, auch wenn ihr Gesicht ruhig und wachsam blieb.

„Was ist passiert?“, fragte Shizune, mit der Sakura schon ein- oder zweimal zusammengearbeitet hatte und die Hauptärztin der Scouts war.

„Die Säule ist eingestürzt”, erklärte Kurenai und Hanji griff nach ihren Schultern, um sie zu einem Stuhl hinüber zu bugsieren. „Er hat mich aus dem Weg gestoßen“, fügte sie kopfschüttelnd hinzu, während Levi ihr ein Glas Wasser eingoss und ihr reichte. Fast ein wenig so, wie er das bei ihr an dem Tag ihrer ersten Begegnung getan hatte.

Die unangebrachte Erinnerung tauchte ohne ihren Willen in Sakuras Kopf auf und ihre Hände verkrampften sich in der dünnen Bettdecke, als sie tatsächlich einen Hauch an Eifersucht spürte.

Shizune und Marian kümmerten sich um Erwin, zogen jedoch den weißen Vorhang zu, der Sakura die Sicht verwehrte, während sie Erwin untersuchten.

Wie konnte dieser Abend nur solch eine Wendung nehmen? Sie hatte gedacht, dass ein Wiedersehen mit Sasuke das Schlimmste war, was ihr bevorstand, aber sie hatte sich offenbar getäuscht. Schlimmer war jedoch die Tatsache, dass hinter den Mauern Titanen herumliefen, die sie ausrotten wollten, aber Menschen sich noch immer einander bekriegten.

Sakuras Augenwinkel brannten und ihre Sicht verschwamm, während sie auch weiterhin den weißen Vorhang anstarrte, als könnte sie durch ihn hindurch sehen, wenn sie sich bloß mehr Mühe geben würde. Lächerlich.

„Was machst du für ein Gesicht?”, blaffte Levi und riss sie aus ihren nutzlosen Gedanken.

Sakura blinzelte und wischte sich im selben Atemzug die Feuchtigkeit vom Gesicht, die ihren Augen entkam. Er stand nicht unweit vom Bett entfernt, die Arme vor dem Brustkorb verschränkt, während Petra ihm ein Lächeln schenkte, das Sakura nicht deuten konnte.

„Du hast mein Leben gerettet“, sagte sie stumpf, da ein Teil von ihr nicht zugeben wollte, dass sie es ohne seine Hilfe nicht aus dem Schloss geschafft hätte. Nicht, wenn er noch immer so überheblich mit ihr sprach und sie so ausdruckslos ansehen konnte.

Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, wie es auch nicht anders zu erwarten gewesen war. „Du meinst, nachdem du mein Leben gerettet hast?“, fragte er.

„Ich kann es nicht fassen!“, rief Hanji aus, die den Vorhang beiseite fegte und mit langen, raschen Schritten auf sie zukam. „Ich kann es nicht fassen“, wiederholte sie und etwas Fiebriges lag in ihrem Blick, das nichts mit der Aufregung einer neuen Entdeckung zu tun hatte. „Sie haben Erwin außer Gefecht gesetzt. Erwin Smith. Ausgerechnet das Oberhaupt des Aufklärungstrupps. Das werden sie doch ausnutzen, um uns endlich zu stürzen. Sie werden—“

„Jetzt mach mal halblang, Vierauge“, brummte Levi und Hanji atmete tief ein und aus. „Noch ist Erwin nicht tot.“

„Shizune vermutet, dass es innere Blutungen sind“, erklärte Hanji und richtete ihre Brille. „Scheinbar sind einige Tests nötig und Operationen, aber er weiß, ob er die übersteht.“

„Solange hast du das Kommando, Brillenschlange“, machte Levi sie darauf aufmerksam, gab jedoch äußerlich keinen Hinweis darauf, ob ihm missfiel oder nicht.

Auch Sakura wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Natürlich war es klar, dass jeder von ihnen bei jeder Exkursion hinter die Mauern umkommen konnte, aber... es war so furchtbar schnell gegangen. Sakura verstand noch immer nicht, was eigentlich geschehen war und was der Grund für den Angriff darstellte.

„Erwin hat mir etwas gesagt. Es ist schon eine Weile her“, entrann es Hanji und eine Denkfalte grub sich in ihre Stirn. „Er hat gesagt, dass er einen Brief in der Schublade seines Büros hat. Und dass ich ihn lesen sollte, wenn ihm jemals etwas zustoßen sollte. Aber ich habe es mit einem Lachen abgetan und nie ernst genommen…“

Levi hob eine Augenbraue.

„Ist das der richtige Zeitpunkt?“, erkundigte sich Petra zögerlich. „Ich meine, wie Captain Levi bereits sagt, Erwin ist nicht tot.”

„Aber Erwin hätte es nicht gesagt, wenn er nicht mindestens etwas geahnt hätte”, entwich es Levi und eine Härte schlich sich in seine Stimme. „Auch die Soldaten, die heimlich das Schloss im Visier gehabt haben. Da steckt mehr dahinter. Und ich habe keine Lust auf Erwins Erwachen zu warten, wenn es eine mögliche Erklärung gibt.” Er drehte sich um und marschierte aus der Krankenstation.

Hanji schloss sich ihm an, während Petra und Sakura einen Blick miteinander austauschten. Alles schrie in Sakura aus dem Bett zu klettern, um ihnen zu folgen und herauszufinden, ob sie etwas Nützliches fanden, doch sie bezweifelte, dass es ihrem Oberschenkel gut tun würde. Außerdem war sie nur eine Ärztin und damit wahrscheinlich nicht einmal qualifiziert genug, um diesen von Erwin hinterlassenden Brief zu lesen.

„Ich bin sicher, dass sie es mit uns teilen, wenn sie etwas Wichtiges finden“, sagte Petra und Sakura schenkte ihr ein halbherziges Lächeln.

betting man.

„Was ist das hier für ein Ort?“, fragte Mikasa und ihre Stimme echote von den nackten Steinwänden. Der Tunnel, in dem sie sich bewegten, war eng und hätte in vollkommener Dunkelheit gelegen, wäre es nicht um die Fackel gewesen, die der königliche Berater trug.

„Dieser Tunnel führt unter dem Schloss entlang und direkt in den Untergrund“, erklärte Shikamaru ohne stehen zu bleiben oder sich zu Mikasa umzudrehen. „Der Untergrund mag nicht allzu sicher sein, aber im Moment ist es dort wahrscheinlich sicherer als im Schloss. Ausserdem weiß niemand von dem geheimen Safehouse dort.“ Er erläuterte nicht weiter, weshalb Mikasa die Stirn kräuselte.

Historia Reiss, die zwischen ihnen ging, da die enge Passage nichts anderes erlaubte, stütze sich mit einer Hand am kühlen Gestein ab. Sie hatte einen Schuh verloren und streifte sich den anderen unzeremoniell vom Fuß. Ihr Gesicht war ausdruckslos, als sie einen Blick über ihre Schulter warf.

„Die Naras stehen schon seit Generationen im Dienst der Königsfamilie“, sagte sie und ihre helle Stimme trug eine Müdigkeit in sich, die Mikasa nachvollziehen konnte. Die kindliche Königin wirkte auf einmal gar nicht mehr so kindlich, sondern seltsam erwachsen und als wäre sie Krisensituationen wie diese gewöhnt. Diese Tatsache irritierte Mikasa ein wenig, denn immerhin war das Leben hinter Wall Sina so viel geschützter und friedlicher. Hier herrschten andere Regeln, besonders für Mitglieder des Adels und ganz besonders für Angehörige der Königsfamilie. Hungernot und Kämpfe konnte sie nicht kennen.

Das Oberhaupt hob die Mundwinkel zu einem freudlosen Lächeln. „Ich weiß, was du denkst“, erhob sie abermals das Wort. „Du fragst dich, warum ein wohlbehütetes Mädchen so ruhig unter solchen Umständen ist, obwohl sie dort drin fast ihr Leben gelassen hätte.“

Nun schielte auch Shikamaru über seine Schulter zu ihnen zurück, die Augenbrauen zusammengezogen, während die Flammen der Fackel tanzende Schatten auf die Mauern und auf ihre Gesichter warfen.

Mikasa öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder wortlos. Stattdessen schielte sie auf den Stein hinunter, den sie noch immer fest umklammert hielt. Ihr Gesicht musste ihre Gedanken widergespiegelt haben, obwohl sie angenommen hatte, dass sie lediglich die Ausdruckslosigkeit mit Ausdruckslosigkeit beantwortete.

„Ich nehme es dir nicht übel. Schließlich kennen wir uns nicht“, sprach Historia weiter. „Ich bin nicht hinter Wall Sina und im Schloss aufgewachsen. Ich bin nur das uneheliche Kind meines Vaters, das herangeschafft wurde, als man König Fritz hat stürzen wollen.“

Bei ihrer Rede, die nicht mehr als einige Stunden her sein konnte, hatte sie freundlich und unbeholfen und wie eine Marionette gewirkt, doch von derselben Person war nun nichts mehr zu entdecken. Sie sprach mit einer Unnahbarkeit, als hätten all diese Ereignisse nichts mit ihr zu tun.

„Warum erzählen Sie mir das, Eure Majestät?“, fragte Mikasa.

Die schmalen Schultern vor ihr zuckten sachte, als Historia sich abwandte. „Vielleicht aus Dankbarkeit. Du hast mein Leben gerettet. Shikamaru und du.“

Ihr Berater schwieg, doch die Sanftheit mit der Historia seinen Namen aussprach verriet, dass sie mehr als eine professionelle Beziehung verband.

„Erwin Smith hat mich geschickt“, entrann es ihr tonlos. Sie ahnte zwar, dass Erwin irgendetwas mit der Rettungsaktion hatte erreichen wollen, aber Mikasa war keine Politikerin oder Diplomatin. Hatte er gewollt, dass sie Historia dies wissen ließ? Nun, das spielte jetzt wahrscheinlich keine Rolle mehr.

„Erwin Smith ist der Kommandant des Aufklärungstrupps, nicht wahr?“, erkundigte sich Historia.

„Ja“, bestätigte Shikamaru.

„Natürlich würde der Kommandant zu den Festlichkeiten zum Gründungstag der Militäreinheiten kommen“, redete Historia weiter und gab den Eindruck, mit sich selbst zu sprechen.

Der Gang nahm eine enge Kurve, bevor einige Steintreppen hinauf zu einer höheren Ebene führten. Nacheinander stiegen sie diese Stufen hinauf, bevor der Tunnel geradeaus weiterführte und in der Ferne abermals von Finsternis verschluckt wurde.

„Ich bin sicher, dass das nicht sein einzigstes Motiv gewesen ist...“, erklärte Shikamaru, wobei sein desinteressierter Ton nicht über seinen haarscharfen Verstand hinwegtäuschen konnte.

„Wahrscheinlich nicht“, bestätigte Historia. „Immerhin nutzt jeder diese Festigkeiten aus, um dem näher zu kommen, was er haben möchte.“

Unrecht hatte sie nicht, aber Mikasa verspürte trotzdem ein unerwartetes Brodeln in ihrem Bauch. „Wir sind wegen finanzieller Unterstützung gekommen, aber das nur für unsere nächste Expedition“, platzte es aus ihr heraus, obwohl dieses Verhalten viel eher zu Eren gepasst hätte. Er war der Aufbrausende von ihnen beiden gewesen. Auch den Scouts beizutreten war sein Wunsch gewesen, nicht ihrer. Niemals ihrer.

Sowohl Shikamaru als auch die junge Königin schauten zu ihr zurück, doch es war Historias Blick, der hinunter zu Mikasas geballten Fäusten wanderte. Ein schmales Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Viele glauben nicht an die Mission des Aufklärungstrupps. Die allgemeine Meinung des Volks deutet sogar darauf hin, dass ihr daran Schuld seid, dass sich so viele Titanen um die Mauern sammeln. Dass ihr sie mit euren Expeditionen anlockt, während ihr Menschenleben wegwerft.“

Mikasa biss sich auf die Unterlippe. Natürlich kannte sie diese Meinungen, die über die Scouts grassierten. Während ihrer Kindheit hatte sie viele dieser Dinge aufgeschnappt, als Eren und sie gemeinsam mit Armin durch die Straßen ihres Distrikts geschlichen waren, um den Aufklärungstrupp durch die Stadt marschieren zu sehen.

„Aber so denke ich nicht“, fügte Historia derweil hinzu.

Mikasa blinzelte.

„Ich habe auch die Akademie besucht“, fuhr ihre Königin fort. „Damals, als ich noch Krista Lenz gewesen bin. Ich hatte ebenfalls vor dem Aufklärungsdienst beizutreten, aber dann hat man mich gefunden. Mein Geheimnis kam heraus. Krista gibt es jetzt nicht mehr, aber das bedeutet nicht, dass sich meine Sicht dem Aufklärungstrupps gegenüber geändert hat.“

„Eure Hoheit...“, begann Shikamaru, der zum Stillstand kam und sich zu ihnen umdrehte, das Gesicht schattenbesetzt und ernst.

Doch Historia hob die Hand, als auch sie und Mikasa stehen blieben. „Es ist schon gut, Shikamaru.“ Sie lächelte ihren Berater an, bevor sie sich an Mikasa wandte und zum ersten Mal waren ihre Gesichtszüge nicht ausdruckslos, sondern sanft. „Ich weiß, was man über mich sagt. Genauso wie der Aufklärungstrupp ist mir mein Ruf voraus, doch eine einfache Puppe bin ich nicht.“

„Das... das habe ich auch nie angenommen“, stammelte Mikasa.

Shikamaru seufzte. „Historia Reiss agiert aus den Schatten heraus. Unsere Feinde sind zu viele und überall. Selbst eine Königin, die eigentlich die mächtigste Person ist, sind oftmals die Hände gebunden, weil zu viele Menschen Einfluss haben. Politik ist nichts weiter als ein riesiges und nichtendendes Schachspiel.“

„Aber ich werde dafür sorgen, dass der Aufklärungstrupp sein Geld für die Expedition bekommt“, sagte Historia lächelnd. „Sobald wir diese Situation im Griff haben, wird Shikamaru mit Erwin Smith Kontakt aufnehmen und wir setzen uns mit der Summe auseinander.“

Mikasas Augen weiteten sich, doch da streckte die Königin, die plötzlich eher einer Soldatin gleichkam, die Hand nach ihr aus und tätschelte ihren Arm.

„Der Feind meines Feindes ist mein Freund“, sagte sie. „Eine Allianz zwischen dem königlichen Haus und dem Aufklärungstrupp kann beiden Seiten nur behilflich sein. Denkst du nicht auch so, Shikamaru?“

„Solange wir es nicht an die große Glocke hängen“, brummte dieser.

Gemeinsam setzten sie den Weg durch den dunklen Tunnel fort, bis sie eine Tür erreichten, die in das Gestein gesetzt worden war. Shikamaru klopfte im rhythmischen Takt gegen das Holz.

„Danke, Eure Hoheit“, murmelte Mikasa verspätet und salutierte vor der kleinen Frau mit ihrem verschlissenen Seidenkleid und ihren nackten Füßen.

Bevor Historia antwortete, ertönten Geräusche auf der anderen Seite der Tür und sie wurde so weit aufgerissen, bis die rundliche Statur eines Mannes erkennbar wurde. Seine Augen weiteten sich. „Shikamaru... und Eure Majestät!“, platzte es aus ihm heraus, als er sie mit einer ausgebreiteten Geste seines Arms hineinbat. „Also sind die Gerüchte wahr und es gab wirklich einen Angriff auf das Schloss?“

„Ja, es war ziemlich knapp, Chouji“, entrann es Shikamaru, als er die Tür hinter ihnen zuschob und sie mit ihren einzelnen Schlössern erneut verriegelte.

Der Innenraum war offensichtlich nur ein Teil einer größeren Behausung, obwohl Mikasa sich nicht vorstellen konnte, dass diese besonders weit reichend sein konnte. Zwar hatte sie nie Fuß in den Untergrund gesetzt, der direkt unter Mitras erbaut worden war, aber sie hatte schon einiges über diesen Ort gehört.

Besonders innerhalb der Ränge des Aufklärungstrupps ging das Gerücht herum, dass Levi Ackermann ursprünglich von hier stammte. Ebenso wurde gesagt, dass es sogar viele Menschen gab, die noch nie einen Blick hoch in den Himmel hatten werfen können, weil die Armut sie hier unten gefangen hielt.

Mikasa hatte Glück gehabt, da Erens Eltern sie adoptiert hatten und sie unter dem blauen Himmel aufgewachsen war. Ihre Kindheit war gut gewesen, aber wer wusste schon, was aus ihr geworden wäre, wenn sie Eren und seine Eltern nicht getroffen hätte...

Der Mann, der auf den Namen Chouji hörte, bugsierte sie in den Nebenraum, der sowohl als Gemeinschaftsraum als auch als Küche diente. Einige Tische waren aufgestellt, an dem ein paar Soldaten saßen, die das Abzeichen der Militärpolizei trugen, aber zusätzlich zu dem grünen Einhorn noch eine kleine goldene Krone in der linken Ecke aufgestickt hatten.

„Das ist königliche Militärpolizei“, erklärte Historia ihr, als Chouji ihr einen Stuhl anbot und sie sich setzte. Eine weibliche Soldatin brachte ihnen eine Karaffe mit Wasser und ein paar Becher, die sie füllte.

„Vielen Dank“, entrann es Historia und sie nippte an ihrem Glas.

„Natürlich, Eure Hoheit“, erwiderte die Frau mit dem langen, blonden Pferdeschwanz, bevor sie beiseite trat und Shikamaru am Arm mit sich zog. Chouji trottete hinter ihnen her. Alle drei waren vertraut miteinander und erinnerten Mikasa unwillkürlich an das Bund, welches sie mit Eren einst geteilt hatte. Eigentlich erinnerte sie alles und jeder an Eren, denn ihr Kopf und ihr Herz waren trotz dieser langen Monate gefüllt von ihm und Mikasa wunderte sich, ob das jemals enden würde. Ob sie jemals wollen würde, dass sich das änderte.

„Ich nehme an, dass die königliche Militärpolizei nichts mit der normalen Militärpolizei zu tun hat?“, erkundigte sie sich, um den Gedanken zu vertreiben. Mikasas Blick wanderte durch den Raum, in dem es seit ihrer Ankunft still geworden war.

Einige Soldaten schielten interessiert in ihre Richtung, während andere aßen und tranken oder sich leise miteinander unterhielten.

„Nein“, bestätigte Historia schließlich. „Die Naras und die Uchihas haben sich nie über den Weg getraut, weshalb die Nara eine eigene Einheit an Soldaten zusammengesucht haben. Eine, die nur mir gegenüber loyal ist. Aber natürlich können wir von der Anzahl nicht mithalten und sind gezwungen aus den Schatten zu agieren.“

Shikamaru kehrte zurück und deutete eine knappe Verbeugung an. „Entschuldigt die Unterbrechung“, begann er, richtete sich dann aber an Mikasa. „Chouji und Ino haben sich bereit erklärt dich wieder an die Oberfläche zu bringen und dich aus Mitras herauszuschmuggeln. Es wird dir auch ein Pferd zur Verfügung gestellt, damit du es zurück zum Aufklärungstrupp schaffst.“

„Ein Zeichen unserer Dankbarkeit“, bestätigte Historia lächelnd. „Aber ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal sein wird, dass wir uns begegnet sind.“

„Komm“, wies Shikamaru sie an. „Wir sollten keine Zeit verlieren.“

Mikasa erhob sich und folgte ihm, einen letzten Blick in die Richtung der Königin werfend, die so gar nicht dem entsprach, was Mikasa erwartet hatte.
 


 


 


 

Erwin konnte ihn nicht mehr überraschen. Immerhin hatte Levi über die Jahre hinweg gelernt, dass Erwin ein verflixt schlauer Stratege war, für den sie alle entbehrlich waren, um den Aufklärungstrupp voranzubringen. Das hatte Erwin sich zur Lebensaufgabe gemacht und dafür hatte er alles geopfert, selbst die Frau, in die er einst geliebt hatte.

Doch wie weit würde Erwin tatsächlich gehen? Diese Frage hatte Levi nie beantworten können, stets in den Hintergrund geschoben, um nicht darüber nachzudenken. Anstatt sich damit auseinander zu setzen, hatte er sich Erwin verschrieben und zur Seite gesehen, wenn er diese fraghaften Entscheidungen getroffen hatte. Er war ihm immer blind gefolgt und hatte sich höchstens stumm gewundert.

Zudem bezweifelte Levi, dass dieser Brief, von dem Hanji sprach, daran an dieser Einstellung ändern könnte. Sie steckten schon viel zu tief in diesem Schlamassel drin, um jetzt einen Rückzieher zu machen. Die halbe Bevölkerung war gegen sie und wenn sie keine Verbündete innerhalb der Mauern hatten, mussten sie aus ihnen ausbrechen.

Die Scharniere quietschten langgezogen, als Levi die Tür zu Erwins Büro öffnete und eintrat. Anfängliche Dunkelheit lauerte in den Ecken des Zimmers, da sich der Tag dem Ende zuneigte. Doch Levi hatte kein Interesse an einem Blick aus dem Fenster, sondern visierte stattdessen Erwins massiven und allerlei Zeug beladenen Schreibtisch an.

„Unterste Schublade, sagtest du?“, erkundigte er sich, als er darauf zuging.

Hanji war ihm dicht auf den Fersen, so dass sie praktisch an ihm klebte und aufgeregt über seine Schulter schaute. Wahrscheinlich witterte sie wieder irgendein Geheimnis, das sie lüften konnten. „Ja, ganz hinten und unter den Unterlagen.“

Levi ging in die Hocke, bevor er die Schublade aufzog und darin herumkramte. Die Papiere hob er heraus und legte sie ordentlich gestapelt auf der Ecke des Schreibtischs ab, bis er einige geschlossene Briefe fand, die mit einem Band lose zusammengebunden waren. „Ich dachte, du sagtest Brief und nicht Briefe...“

„Merkwürdig“, murmelte Hanji. „Er hat tatsächlich nur einen in unserem Gespräch erwähnt.“ Im selben Moment entzog sie Levi die Briefe und löste das Bändchen, um sie durchgehen zu können. „Aha! Der hier ist an uns beide, schau“, rief sie aus und hielt ihm den Brief entgegen, der sowohl Hanjis als auch Levis Namen auf sich trug. Wahrscheinlich nahm er an, dass es hätte sein können, dass einer von ihnen zusammen mit Erwin umkam und er wollte sichergehen, dass jemand übrig war, der den Brief lesen konnte.

Levi rollte mit den Augen, als er Brief nonchalant öffnete.

„Schau, hier ist auch einer an Kurenai und einer für Kakashi Hatake, wer auch immer das ist“, plapperte Hanji neben ihm weiter, ließ Levi jedoch innehalten.

Kakashi Hatake.

Wieder dieser Name, der langlebiger unter den Scouts war, als der Mann im Aufklärungstrupp gedient hatte. Erst hatte er eine Verbindung zu Sakura und nun hatte Erwin auch noch einen Brief an ihn verfasst?

„Öffne ihn, Vierauge“, brummte Levi, als er Erwins Brief an sie beide entfaltete.

„Wie bitte?“, entfuhr es Hanji entrüstet. „Ich kann doch keine fremden Briefe öffnen. Ganz besonders, wenn Erwin noch am Leben ist!“

Doch Levi hörte nur noch mit halbem Ohr zu, als er die geschriebenen Zeilen überflog, die an Hanji und ihn gerichtet waren.

Hanji drängelte sich gegen ihn, um mitlesen zu können.
 

Hanji, Levi,

Solltet ihr das hier lesen, bin ich höchstwahrscheinlich tot und meine Quellen, dass es einen Anschlag auf die Festigkeiten des Gründungstags geben wird, haben sich als wahr herausgestellt. Sollte es dazugekommen sein, werde ich Mikasa sicherlich mit dem Schutz von Historia Reiss beauftragt haben und hoffe, dass sie erfolgreich damit ist.

Obwohl ich mir andere Hilfsmittel erhoffe, so wird die meiste Finanzierung der bevorstehenden Mission aus dem Königshaus stammen. Der Aufklärungstrupp hat sich zu viele Feinde gemacht, woran ich persönlich nicht unschuldig bin.

Im Falle meines Ablebens ist meine Wahl für meinen Ersatz als Kommandant des Aufklärungstrupps Hanji Zoe. Im Falle meines und ihres Ablebens wird Levi Ackermann in meine Fußstapfen treten. Beides soll jedoch nur temporär sein, da ich einen anderen Kandidaten im Kopf habe, der die Erfahrungen und das Wissen hat, um diese Expedition und das Ziel des Aufklärungstrupps durchzusetzen: Kakashi Hatake.

Als ich Sakura Haruno in Trost rekrutiert habe, habe ich meinem alten Kameraden einen zusätzlichen Besuch abgestattet. Die Adresse findet ihr weiter unten.

Ihr wart mir gute Kameraden.

Erwin
 

Levis Blick blieb an dem letzten Satz hängen, bevor er die Augen verdrehte. „Er wusste, dass es einen Anschlag geben wird und hat nichts gesagt.“

„Ich... ich habe die Verantwortung?“, stammelte Hanji im Flüsterton und entfernte sich einige Schritte, als bräuchte sie mehr Platz zum Atmen.

„Vorrübergehend.“ Levi faltete den Brief wieder zusammen. „Außer wir vergessen den Part, in dem wir Kakashi Hatake suchen und herbringen sollen.“

„Was m—“

Ein harsches Klopfen unterbrach Hanji, bevor Jean sich in das Zimmer schob. Sein Gesicht war blass, aber ein vages Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab.

„Es ist Mikasa!“, rief er und salutierte verspätet. „Sie ist gerade zurückgekehrt.“

Levi hob die Brauen. „Wo ist sie?“

„Im Stall, aber auf dem Weg hierher“, sagte er, bevor er verschwand.

Sich auf die Ecke des Schreibtischs hievend nahm Levi dort Platz und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.

„Du weißt, dass wir das nicht tun können“, sagte Hanji derweil und wedelte mit dem Brief, der an Kakashi adressiert war. „Hier sind sicher Anweisungen drin, die Erwin ihm hinterlassen hat.“

„Wie du selbst gesagt hast, Erwin ist nicht tot.“

„Aber er liegt im Koma. Niemand weiß, ob und wann er aufwachen wird“, konterte Hanji und schob ihre Brille die Stirn hinauf. „Wenn du nicht auch so denken würdest, wärst du nicht mitgekommen, um den Brief zu lesen.“

Daraufhin hüllte sich Levi in Schweigen, was Hanji aber nicht vom Weiterreden abhielt.

„Offensichtlich wusste Erwin mal wieder mehr. Wenn er sagt, dass Kakashi der beste Mann für den Posten ist, dann glaube ich ihm das.“

„Meine Frage ist, warum hat er den Angriff nicht verhindert, wenn er wusste, dass er stattfinden wird“, entrann es Levi, anstatt auf ihre Worte einzugehen.

Er würde sie nicht aufhalten, wenn sie jemanden nach Trost schicken würde, das wusste er. Wie ihm schon klar gewesen war, steckten sie alle gemeinsam in dieser Sache – und er wusste über sich selbst, dass er niemals Kommandant des Trupps werden wollte. Ein Anführer war er einfach nicht, niemals der Mann an der Spitze.

„Wer war die Zielperson? Erwin? Oder diese Historia Reiss? Jemand ganz anderes?“, fuhr er fort. Zu viele Fragen waren offen, doch Levi wusste, dass er so schnell keine Antworten auf sie erhalten würde. Vielleicht stand etwas Nützliches in Kakashis Brief, doch diesen würde Hanji nicht mehr herausrücken.

Abermals ertönte ein Klopfen an der Tür. Als sie sich diesmal öffnete, trat Mikasa ein, ging auf sie zu und salutierte vor ihnen.

„Wo hast du gesteckt?“, blaffte Levi.

„Wir dachten, dass du vielleicht bei dem Anschlag ums Leben gekommen bist, Mikasa“, erklärte Hanji sachlicher.

Mikasa deutete ein Kopfschütteln an. „Ich bin zusammen mit der Königin und ihrem Berater aus dem Schloss geflohen.“

„Und hast Erwin zum Sterben zurückgelassen“, fügte Levi hinzu.

Blässe erhielt Einzug in das sonst so ausdruckslose Gesicht, während ihre Augen sich weiteten.

„Erwin ist nicht tot“, verbesserte Hanji. „Er ist im Koma.“

„Er... hat es mir befohlen“, erklärte Mikasa. „Er sagt gesagt, dass ich Historia Reiss beschützen soll.“

Hanji warf ihm einen vielsagenden Blick zu, woraufhin Levi den Impuls unterdrückte, erneut mit den Augen zu rollen.

„Du solltest dich erst einmal umziehen und etwas essen“, wandte sie sich wieder an ihren Schützling. „Alles andere besprechen wir später in Ruhe.“

Abermals salutierte Mikasa, würdigte Levi jedoch keines Blickes mehr, ehe sie sich zum Gehen wendete. „Bevor ich es vergesse“, sagte sie, als sie noch ein weiteres Mal innehielt. „Historia Reiss hat dem Aufklärungstrupp finanzielle Unterstützung versprochen.“

Hanji stieß einen hellen Laut aus, der einem Quieken gleichkam, während sie Erwins Brief an sich riss und ihn an ihre Brust drückte.

Inzwischen hing Levis Blick noch immer an der Stelle, an der Mikasa gerade noch gestanden hatte.

Dieser elende Bastard hatte das alles tatsächlich geplant.
 


 


 


 

Obwohl Sakura schon viel Zeit in Krankenhauseinrichtungen verbracht hatte, empfand sie diese als Patientin furchtbar eintönig. Das konnte aber auch genauso gut daran liegen, dass die letzten Wochen und Monate vergleichsweise ereignisreich gewesen waren. Zuerst war es die wilde Natur gewesen, die sich hinter den Mauern befand, danach die Eifrigkeit hier im Hauptlager des Aufklärungstrupps, die nur durch den Anschlag auf die Festigkeiten und Erwins Koma unterbrochen worden waren.

Sakura hatte es bisher selbst nicht mitangesehen, aber Petras Erzählungen ließen darauf hindeuten, dass es einem Ameisenhügel gleichkam, in dem eine unbekannte Komponente eingedrungen war und Unruhe geschaffen hatte. Sakura war noch nicht lange ein Mitglied der Scouts, doch sie wusste, dass Erwin die Person gewesen war, welche den Trupp zusammengehalten hatte. Nun mussten sie sehen, wie es weitergehen würde. Ganz besonders, wenn Erwin nicht aufwachen würde. In Shizunes Händen war er am besten aufgehoben, doch auch sie war keine Wunderheilerin.

„Wann meist du, wirst du wieder auf den Beinen sein, Sakura?“, fragte Eld, der nahe des Fensters stand.

„Nicht so laut“, erinnerte Petra und deutete auf die zugezogenen Vorhänge, die Erwin in seinem Bett verbargen.

„Shizune hat gesagt, dass sie ihn bald in seinem Zimmer unterbringen werden“, erklärte Oluo und eine unerwartet tiefe Falte grub sich in seine Stirn. „Damit er all die Ruhe und Privatsphäre hat, die er braucht.“

Ein Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

„Hoffentlich wacht er bald auf“, murmelte Petra, die auf dem Stuhl neben Sakuras Bett platzgenommen hatte, einen Ort, den sie im Moment häufiger einnahm.

Sakuras senkte den Blick auf ihre Hände hinab, welche in das dünne Material der Decke gekrallt waren. Wie sehr sie sich wünschte, dass sie dieses Bett verlassen könnte, um... Doch Sakura wusste nicht, was sie dann tun konnte. Ihr waren die Hände gebunden, genauso wie ihnen allen. Sie konnten die Situation nicht verbessern.

Ein Gefühl der Hilflosigkeit kroch in Sakura hinauf. Hatte sie sich nicht dem Aufklärungstrupp angeschlossen, um zu helfen? Warum hatte Erwin sie aufgesucht, wenn ihre Anwesenheit hier doch keinen Unterschied machte?

Die Tür zum Krankensaal öffnete sich.

„Captain...“, entwich es Eld, bevor Sakura Zeit hatte, um den Blick zu heben. Aber eigentlich brauchte sie nicht aufsehen, um Levis Präsenz wahrzunehmen. Seine Blicke lösten ein konstantes Prickeln auf ihrer Haut aus.

„Solltet ihr nicht in der Bibliothek sein?“, erkundigte sich Levi tonlos und verweilte in der Nähe der Tür. Fast so, als fühlte er sich ertappt. War er vielleicht gekommen, um sie zu besuchen? Oder war er doch nur wegen Erwin hier? Seine Motive waren ihr nach wie vor schleierhaft.

„Wir haben nur eine Pause eingelegt, Captain“, erzählte Petra und Oluo nickte gewissenhaft.

„Wir waren gerade auf dem Weg zurück“, fügte Eld hastig hinzu, bevor er mit Petra und Oluo im Schlepptau den Krankensaal verließ. Nur ein letztes Winken ging in Sakuras Richtung, ehe die Tür hinter ihnen zufiel.

Stille blieb zurück, während Sakura die geschlossene Tür einen Moment länger anstarrte. Erst danach wanderten ihre Augen zu Levi hinüber und auf einmal fühlte sie sich schrecklich erschöpft.

So viele Dinge waren geschehen und wer wusste schon, was als nächstes passieren würde. Und dann war da Levi Ackerman, der Mann, der sich nicht änderte, der immer stur und emotionslos war, der sich nicht anpasste, sondern von anderen erwartete, dass sie sich nach ihm richteten. Gefühle für einen solchen Menschen zu haben war schwierig und anstrengend - und manchmal fragte sich Sakura, ob sie nicht auch sinnlos waren.

Sein Blick ruhte auf den weißen Vorhängen, die selbst im direkten Sonnenlicht nur eine vage Silhouette von Erwins Bett preisgaben. Anstatt es jedoch anzusteuern, entfernte sich Levi von ihm und kam zu ihr hinüber geschlendert.

Sakuras Augen weiteten sich, als er den Stuhl, auf dem Petra eben noch gesessen hatte, an der Lehne packte. Ihn herumdrehend setzte sich Levi rückwärts auf ihn und bettete die Arme auf eben jener Lehne. Über sie hinweg schaute er Sakura an.

„Was macht dein Bein?"

„Es... Es schmerzt noch. Nur nicht, wenn ich es ruhig halte", gestand sie, da es keinen Sinn machte einen Vorgesetzten anzulügen, besonders nicht, wenn es um die physische Verfassung ging.

„Es war also die richtige Entscheidung, Mikasa loszuschicken“, murmelte Levi und machte den Eindruck, mehr mit sich selbst anstatt mit ihr zu sprechen. Unter anderen Umständen hätte sie es wütend gemacht, dass er einfach Worte in den Raum warf, die sie nichts angingen, sie aber hören konnte.

„Es geht Mikasa gut?“, erkundigte sie sich aber doch nur mit leiser Stimme. Eine Debatte wollte sie mit Levi nun ganz sicher nicht führen.

„Sie ist unbeschadet zurückgekehrt“, erklärte Levi und sein Blick wandte sich dem Fenster zu, als wollte er diesem Zimmer - und wahrscheinlich auch ihrer Anwesenheit - entkommen. „Morgen früh wird sie sich auf den Weg nach Trost machen.“

„Trost?“

„Um Kakashi Hatake zu holen.“

Levis Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Wie ein Blitzschlag, den sie von ihrem Scheitel bis hinunter in die Zehenspitzen fühlen konnte und sie für einen Moment paralysierte.

Von einer Sekunde auf die andere war Sakura hellwach und das Blut rauschte in ihren Ohren. Adrenalin pumpte durch ihre Arterien, als sei sie wieder hinter den Mauern und stand einem Titan Aug in Aug.

Levis Blick hatte sich auf sie gerichtet, durchleuchtend und ihre Reaktionen aufsaugend.

Der Kloß in ihrem Hals ließ ihre Stimme rau klingen. „Warum Kakashi?“

„Weil unser guter Erwin hier scheinbar beschlossen hat, dass er sein Nachfolger werden soll“, antwortete Levi und er wedelte mit dem Brief, den er in der Hand trug. Sakura hatte ihn überhaupt nicht bemerkt.

„Darf ich?“, fragte sie und streckte die Hand nach ihm aus.

Levi übergab ihr den Brief ohne Protest, beobachtete sie aber auch weiterhin. Ein Zittern unterlag ihren Fingern, als sie den Brief sorgfältig aus seinem Umschlag nahm, auseinander faltete und ihn mit aufeinandergepressten Lippen las.

Die schriftlichen Gedanken von Erwin Smith so schamlos zu lesen kam Sakura falsch vor. Zu intim. Allein der Umschlag verriet, dass er nur an Levi und Hanji gedacht war, nicht an sie. Nicht an eine kleine Rekrutin, die bettlägerig herumlag und nutzlos war. Aber Levi hielt sie nicht auf und Sakura wusste, dass er dies tun würde, wenn er es für richtig hielt. Er hatte den Brief mitgebracht, damit Sakura ihn lesen konnte.

Ausgerechnet Kakashi sollte Erwin ersetzen? Sie kannten sich also tatsächlich... Warum hatte Kakashi ihn nie erwähnt? Wieder einmal wurde Sakura bewusst, wie wenig sie eigentlich über ihren ehemaligen Lehrer und Liebhaber wusste. Wie wenig er mit ihr geteilt hatte. Etwas zog sich bei dieser Erkenntnis in ihrer Brust zusammen und sie verzog instinktiv das Gesicht, schulte ihre Miene aber sogleich wieder.

Sakura ließ den Brief in ihren Schoß sinken und suchte Levis Blick, der ebenfalls irgendwie erschöpft wirkte. „Er wird nicht hierher zurückkommen.“

„Warum bist du dir da so sicher?“, fragte Levi.

„Ich weiß es einfach. Ich kenne Kakashi.“

Levi schnaufte verächtlich. „Du wusstest nicht einmal, warum er dem Aufklärungstrupp verlassen hat. Was kannst du also schon über den Mann wissen?“

Seine Dreistigkeit trieb Sakura die Hitze ins Gesicht und der Brief raschelte, als ihre Finger sich fester um das Papier schlossen. Sakura schlug die Augen zu, um sich zu sammeln.

„Nur weil man nicht jedes Detail im Leben eines anderen kennt, bedeutet das nicht, dass man eine Person nicht kennen kann. Ich bin sicher, dass selbst dem großen Levi Ackerman dieses Konzept bekannt ist.“

Noch während sie sprach, verstand Sakura, dass es der Wahrheit entsprach. Sie glaubte daran, dass das Bund zwischen Kakashi und ihr nicht nur eine Illusion gewesen war, dass es noch immer existierte und stark und besonders war. Würde sie ihn bald wiedersehen? Hier im Stützpunkt des Aufklärungstrupps?

„Du hättest mich zu ihm schicken sollen“, entwich es ihr, als Levi nicht auf ihre vorigen, dreisten Worte antwortete. Stattdessen sah er wieder aus dem Fenster, obwohl man von ihrer Position nur Wolkenberge sehen konnte.

„Wir haben dich nicht losgeschickt, weil du nicht reiten kannst, falls du das vergessen hast“, erklärte Levi und die Wut in ihrem Bauch verpuffte genauso schnell wieder, wie sie entstanden war.

Levi hatte recht.

„Guck nicht so deprimiert. Das steht dir nicht besonders“, sagte Levi, als er sich erhob. „Bis jetzt hat Ackerman alle ihre Missionen erfolgreich beendet. Auch wenn mir diese Entscheidung nicht gefällt, ich kenne Erwin gut genug, um zu wissen, dass er Kakashi nicht einfach wahllos ausgesucht hat.“

Levi trat an ihr Bett heran und entzog ihr den Brief, ohne dabei auch nur kurz eine ihrer Hände zu berühren.

Enttauscht ließ Sakura ihn gehen, nur ein schmales, freudloses Lächeln zustande bringend.

„Sakura.“

Sie sah auf, doch da hatte Levi bereits den Raum durchquert und seine Hand lag auf der Türklinke.

„Ich mochte das Kleid“, sagte er und ein Mundwinkel zuckte kaum merklich in die Höhe. Es hätte genauso gut Einbildung sein können, denn im nächsten Moment schlüpfte Levi aus der Tür.

Sakura saß in ihrem Bett, die Finger ihrer Hände ineinander verhakt, während ihre Wangen diesmal aus einem völlig anderen Grund glühten.

arrivals.

Der Morgen brach an, doch Mikasa erinnerte sich nicht an die Nacht. Hatte sie Alpträume gehabt? Waren die anderen wieder durch sie aufgewacht? Selbst wenn Mikasa hätte fragen wollen, wäre es unmöglich gewesen. Die anderen Betten waren bereits verlassen und gemacht. Auch davon hatte sie nichts mitbekommen. Die Erschöpfung musste zu groß gewesen sein.

Für eine Weile blieb Mikasa im Bett liegen und besah sich die sonnengeflutete Zimmerdecke. Nur ihre Hand wanderte über das Laken, bis sich ihre Finger um den bekannten Stoff des roten Schals schlossen.

In den letzten zwei Tagen war eine Menge geschehen. Was Eren wohl dazu sagen würde, dass sie der kindlichen Königin begegnet war, die mehr an eine Soldatin erinnerte. Mikasa war sich fast sicher, dass Eren sie gemocht hätte.

Es war dieser Gedanke, der ihr letztendlich die Energie gab, um sich aufzusetzen und sich aus dem Bett zu hieven. Die Müdigkeit hielt noch immer an ihr fest, doch die Tatsache, dass sie bereits eine neue Mission auferlegt bekommen hatte, half ihr die Ketten zu sprengen.

Schweigend sammelte sie ihre Sachen zusammen und steuerte das Gemeinschaftsbad am Ende des Flügels an. Sie traf eine Soldatin an einem der Waschbecken an, als sie auf dem Weg zu den Duschen war. Sie wechselten keine Worte miteinander.

Das kalte Wasser der Dusche ließ auch die letzte Müdigkeit verfliegen, bevor Mikasa sich zum Frühstückssaal begab. Es war spät und die meisten Tische waren bereits verlassen, doch sie entdeckte Armin und Jean.

Armin anzusehen versetzte ihr noch immer einen Stich in ihrer Brust, weshalb sie den Blick stattdessen herrenlos durch den Raum wandern ließ, in dem einige junge Rekruten sich um das Geschirr kümmerten und die langen Tische säuberten.

Mikasa setzte sich zu ihnen.

„Guten Morgen, Mikasa“, begrüßte Armin sie. „Alles in Ordnung bei dir? Wir haben gehört, was passiert ist. Oder eher-“

„Armin“, mahnte Jean und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Die Leute reden. Wie immer eben. Aber du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst“, sagte Jean anschließend an sie gerichtet. In seinen Augen befand sich nicht dieselbe Sorge, die sie in Armins finden würde, hätte sie aufgesehen. Jeans Nachdenklichkeit und Vorsicht waren einfacher zu akzeptieren, als Armins Besorgnis, als seine eigene Trauer.

„Ich werde bald ausreiten. Hanji hat mich beauftragt, Kakashi Hatake aus Trost abzuholen. Er soll Erwins als Kommandant ablösen“, sagte Mikasa mit tonloser Stimme, während sie sich das vorletzte Brötchen aus dem Korb nahm und es schmierte. Sie aß langsam, mehr mechanisch, als vom Hunger angetrieben.

Jean und Armins Augen weiteten sich.

„Kakashi Hatake?“, entwich es Armin. „Der Kakashi Hatake?“

„Du kennst ihn, Armin?“, erkundigte sich Mikasa. Sie selbst hatte von diesem Mann noch nie gehört, doch Hanji hatte ihr gestern Abend noch eine Akte mit Informationen über ihn zukommen lassen, die noch immer in ihrem Zimmer lag.

„Natürlich”, verkündete Armin. „Kakashi Hatake ist so etwas wie eine Legende im Aufklärungstrupp. Er ist einer der wenigen Soldaten, die überlebt haben. Außerdem hält er den Rekord für die meist getöteten Titanen.“

„Jemand zählt das?“, platzte es aus Jean heraus, der die Stirn runzelte.

Armin nickte. „Ja. Bis jetzt hat noch keiner seinen Rekord gebrochen. Nur einer kommt annährend an Kakashi heran. Nur Captain Levi. Inzwischen besteht aber kein Zweifel darin, dass Levi diesen Rekord schon bald brechen wird.“

„Wahrscheinlich bei der nächsten Mission…“, raunte Jean. „Wie lange war Kakashi überhaupt ein Mitglied des Trupps?“

„Gute Frage…“, antwortete Armin und starrte auf seinen leeren Teller hinab, hinab auf die zurückgebliebenen Krümel. „Es weiß auch niemand so genau, warum er den Trupp verlassen hat. Es gibt eine Menge Gerüchte, aber nichts Konkretes. Ich frage mich, ob das mit Kommandant Erwin zu tun hat.“

Jean hob eine Augenbraue. „Warum sollte es?“

Doch da nahm Mikasa bereits ihren Teller und stand auf, wodurch die Unterhaltung zu einem abrupten Ende kam. Sie hatte kein Interesse an sinnlosen Spekulationen. „Ich muss noch mit Hanji sprechen, bevor ich aufbreche.“ Mit diesen Worten ging sie davon und reichte ihren Teller im Vorbeigehen an einen der jungen Soldaten weiter.

Kakashi Hatake…

Wenn Armin sagte, dass er bekannt hier war, dann musste es stimmen. Sie beteiligte sich selten an den Unterhaltungen der anderen Soldaten, aber vielleicht hätte sie besser zuhören sollen.

Dieser Gedanke war flüchtig, als Mikasa die Akte aus ihrem Zimmer holte und sich auf den Weg zu ihrer Kommandantin machte.

Hanjis Büro befand sich im ersten Stockwerk des Schlosses, nicht unweit von ihrem kleinen, fast versteckten, Labor entfernt. Mikasa hatte von ihm gehört, aber nie Gelegenheit gehabt, es zu betreten. Sie klopfte.

Hinter der Tür folgte ein mehrfaches Poltern, bevor ein schrilles „Herein“ erklang. Eine frische Brise wehte Mikasa um die Nase, als sie die Tür aufschob. Diese drang durch all die geöffneten Fenster in den Raum und ließ die losen Blätter rascheln und ruckartig über den Steinboden sowie den Schränken und Tischen krauchen. Auch der Schreibtisch sah nicht viel besser aus, sondern war vollgeladen von Büchern und Akten und irgendwelchen Modellen von wissenschaftlichem Equipment.

Eines von ihnen versuchte Hanji in diesem Moment hastig zusammenzubasteln, nach dem es ihr wahrscheinlich aus der Hand gefallen war. „Ah, Mikasa! Was gibt es?“, erkundigte sich Hanji und setzte sich aufrechter in ihrem Stuhl, als Mikasa sich den Weg zu ihrem Schreibtisch bahnte. „Die Brise hilft mir beim Denken“, fügte sie ungefragt hinzu. „Ich hatte auch gerade an dich gedacht. Perfektes Timing also!“

Sie legte das kleine Modell beiseite und griff nach einem ungeöffneten Brief, der vor ihr auf dem Schreibtisch und zwischen einigen Büchern lag. „Bist du bereit, um aufzubrechen?“, plapperte sie weiter, ohne Mikasa die Zeit zum Antworten zu lassen. „Hier. Erwin hat Kakashi diesen Brief hinterlassen. Ich weiß zwar nicht, was in ihm steht, aber ich bin sicher, dass der Inhalt dir helfen wird, ihn zu überzeugen mit dir hierher zurückzukehren.“

Mikasa nahm den Brief an sich, bevor sie Hanji die Akte über Kakashi zurückgab. „Ich werde mich auf den Weg machen.“

„Mikasa“, rief Hanji ihr hinterher, ehe sie die Tür erreichte. „Pass auf dich auf“, sagte sie und ihre sonst so gewohnte Heiterkeit war von ihr abgefallen, das Gesicht merkwürdig ernst. „Der Aufklärungstrupp hat mehr Feinde als uns lieb ist. Wir wissen auch noch immer nicht, was es mit dem Attentat wirklich auf sich hat.“

Mikasa antwortete mit einem Nicken und einem letzten Salut, bevor sie das Büro verließ, um ihre Satteltaschen zu packen und nach Trost zu reiten. Sie verstand, was Hanji ausdrücken wollte: Sie wussten gar nichts und befanden sich dadurch in einem strategischen Nachteil.
 


 


 

Kakashi wusste nicht, wie es in den anderen Städten und Distrikten aussah, aber hinter den Mauern von Trost war es in den letzten Wochen merkwürdig ruhig gewesen. Auf den Straßen hörte er die Leute flüstern, dass der Aufklärungstrupp mit seinen ständigen Exkursionen der Grund für die ständigen Titanenangriffe auf die Mauern waren und dass es nun, da sie nicht ausritten, vergleichsweise friedlich war. Abstreiten konnte Kakashi diese Tatsache nicht, doch er wusste auch, dass es komplizierter war, als er die Einwohner von Trost annahmen. Nichts war schwarz und weiß; alles war grau.

Doch hier oben auf den Mauern erschien die Welt dort unten mit ihren dreckigen und kaputten Straßen und ihren oftmals hungernden Menschen nicht mehr allzu wichtig, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach. Hier oben betrafen ihn diese Probleme nur weniger, vor allem wenn er den Blick auf die wilde Natur richtete, die sich weit und endlos hinter den Mauern auftat.

Vielleicht sprach aber auch nur die Nostalgie aus Kakashi. Die Erinnerungen an das weite Land, das er nicht nur von hier oben sehen konnte, sondern hautnah erlebt und gesehen hatte, ließ sich nie komplett abschütteln. Ganz besonders, wenn keine Titanen den Weg an die Mauern gefunden hatten und die Sonne schien. Kakashi genoss Tage wie diese, selten wie sie waren.

„Captain Hatake“, rief eine Stimme und Kakashi blinzelte, bevor sich seine Augen auf den Soldaten richteten, der soeben aus der Gondel stieg, die ihn hinauf auf die Mauer gebracht hatte.

Wulleman salutierte, als er vor Kakashi zum Stehen kam. „Die Untersuchung der Kanonen ist abgeschlossen. Zwar sieht man einigen ihr Alter durchaus an, aber bis auf eine sind sämtliche anderen noch operationstauglich.“

Kakashi verschränkte die Arme vor der Brust, das eigene 3DM-Gear schwer an seiner Hüfte hängend. „Gut. Sag Votra, dass wir sie runterschaffen, während ich mich um den nötigen Papierkram kümmern werde, damit sie uns ersetzt wird.“ Resigniertheit schlich sich in seine Stimme, denn Kakashi machte sich keine großen Hoffnungen, dass dieser Ablauf schnell und reibungslos von statten gehen würde. Wahrscheinlich würde sein Formular nur irgendwo verloren gehen, so wie es schon bei den Scouts und während seiner Arbeit an der Akademie geschehen war. Da alle Militärstränge letztendlich zusammenflossen, landeten alle Anfragen vermutlich bei derselben Person, welche diese sofort in den Mülleimer entsorgte.

„Sofort, Sir!“, verkündete der junge Mann vor ihm, der noch volle Elan und Optimismus war und abermals salutierte, als ob Kakashi dies von ihm verlangte. Er marschierte davon, zurück in die Gondel, bevor er den Männern unten ein Handzeichen gab, damit er hinuntergelassen wurde.

Mit einem Seufzen auf den Lippen, die von dünnem Stoff bedeckt waren, schlenderte Kakashi der Mauer entlang. Erst nach einer Weile, als die Sonne bereits am Untergehen war und Dunkelheit über die Landschaft kroch, sprang Kakashi hinab und seilte sich mit seiner Ausrüstung ab.

Auf dem Weg zu seiner Wohnung hielt er bei dem kleinen Ramenimbiss an, um sich dort eine Portion Nudeln einpacken zu lassen. Er duckte sich unter dem Vorhang hinweg, als er sich unter den überdachten Stand schob, in dem ihn Ayame mit einem Lächeln begrüßte.

„Das Übliche, Kakashi?“, erkundigte sie sich, als sich Kakashi auf den erst besten Stuhl setzte. Er nickte und sah ihr bei der Arbeit zu, während er einige Gesprächsfetzen einiger anderer Gäste aufschnappte.

„Du siehst müde aus.“

Sein Blick huschte zu dem hübschen Gesicht und den besorgten, braunen Augen hinauf. „Nicht mehr als sonst.“

„Wie sieht es auf den Mauern aus?“, fragte sie, denn das tat sie immer. Sie hatte das Herz eines Scouts und erinnerte ihn oft an Rin. Manchmal fragte er sich, ob sie nicht vielleicht dem Militär beigetreten wäre, wäre es nicht um die Kontrolle ihres strickten Onkels gewesen. Doch so war es besser. Das dort draußen befand sich keine Welt für Ayame. Für keinen von ihnen. Und ganz sicher nicht für ihn.

Kakashis Blick richtete sich in den Topf vor Ayame, in dem sie die Nudeln würzte. „Relativ ruhig. Im Moment scheinen sich keine Titanen in der Nähe zu befinden. Aber wir wissen ja, wie schnell sich das ändern kann.“

Ein nachdenklicher Zug legte sich um Ayames Mund, als sie einige Ramen in eine Pappschachtel füllte und den Deckel zuklappte. „Wir sollten den Moment genießen. Jedenfalls schlafe ich zur Zeit ruhiger. Ohne die ständigen Kanonenschüsse.“

„Du hast recht.“ Kakashi lächelte und der plötzliche Rotschimmer auf ihren Wangen sagte ihm, dass es durch seine dünne Maske hindurch sichtbar war.

Als er den Weg nach Hause wieder aufnahm, kreisten Ayames Worten noch immer durch seinen Kopf. Sie hatte natürlich recht und sie war nicht die einzige, der es aufgefallen war. Das verregnete Trost wirkte glatt weniger grau in der letzten Zeit.

Vor seinem Wohngebäude blieb Kakashi stehen, den Nudelkarton in der Hand tragend und den Blick zum bewölkten Himmel hinaufwandernd. Es sah nach Schneeregen aus. Schon wieder, obwohl in den schattigen Ecken der Stadt noch immer grauer Matsch vom Vortag lag.

Seufzend betrat Kakashi das Gebäude und stieg die dreckigen, knarrenden Stufen hinauf. Seit Sakura dem Aufklärungstrupp beigetreten war, verbrachte Kakashi zu viel Zeit in seiner Wohnung, die er davor in dem kleinen Zimmerapartment und in einem anderen Bett verbracht hatte.

Kakashis Gedanken kreisten um die Ärztin mit den rosafarbenen Haaren, als er seine Haustür im zweiten Stockwerk ansteuerte, jedoch bei dem unerwarteten Gast dort zu einem verfrühten Stillstand kam.

Kakashi blinzelte. „Hallo“, entrann es ihm, als die junge Frau, die direkt an seine Haustür gelehnt saß und die Arme um die angezogenen Knie geschlungen hatte, aufsah.

Sie trug eine Militäruniform, doch das Abzeichen auf ihrem Oberarm verriet, welchem Bereich sie angehörte: dem Aufklärungstrupp. Ihr roter Schal war zu ihrer Nase hochgezogen, als sie ihn aus dunklen, kühlen Augen heraus betrachtete. Kakashi las Abneigung aus ihnen heraus, obwohl sie einander nicht kannten. Er war sich sicher, dass er sich ansonsten an sie erinnern würde.

„Kakashi Hatake?“, erkundigte sie sich, als sie den Schal nach unten zog, lautlos vom Boden aufstand und die Satteltaschen an ihrer Seite aufhob. Sie schwang sie problemlos über ihre Schulter, bevor sie vor ihm salutierte.

Kakashi antwortete mit einem Nicken, während sein Herz sich in seinem Brustkorb zusammenzog. Er hatte sich immer gefragt, wie es sich wohl anfühlen musste, auf der anderen Seite zu stehen.

In der Vergangenheit war er auch schon Überbringer schlechter Nachrichten gewesen, aber er hatte bisher nie jemanden gehabt, den er hätte verlieren können. Niemanden außerhalb der Scouts und diese Menschen waren zu früh und direkt vor seiner Nase gestorben. Doch nun stand er hier, der Mund staubtrocken und der kleine, warme Karton mit Ramen in seiner Hand so gut wie vergessen.

Sakura...

„Ich habe eine Nachricht vom Aufklärungstrupps für Sie“, erklärte die Soldatin mit monotoner Stimme. „Hanji Zoe schickt mich.“

Abermals nickte Kakashi und trat an die junge Frau vorbei, um die Tür aufzuschließen. Der Name ihrer Kommandantin sagte ihr nichts, aber das verwunderte ihn nicht. Das war nach seiner Zeit beim Trupp. Wahrscheinlich waren auch die letzten Soldaten, mit denen er zusammengearbeitet hatte, bereits tot. Immerhin war es kein Geheimnis, dass die Soldaten des Aufklärungstrupps wie die Fliegen starben.

„Erzähl mir drinnen davon. Nicht hier im Hausflur.“ Seine Nachbarn waren zu neugierig, als dass er das bisschen Privatleben, welches er besaß, hier draußen breittreten wollte. Außerdem hatte Sakura etwas Besseres von ihm verdient.
 


 


 

In der Feste war es ruhig geworden. Eine stille Anspannung herrschte, seitdem sie Erwin in seinem Zimmer untergebracht hatten. Dort hatte er die Ruhe, die sein Körper benötigte, um sich zu reparieren und zu erholen. Shizune wachte täglich über ihn, während sie in Medizinbüchern wühlte, um sich womöglich doch noch irgendeine Wunderheilung aus dem Ärmel zu schütteln. Aber manchmal, wenn Levi vor Erwins Bett stand und auf seine leblose Form hinuntersah, bezweifelte er, dass es mit Ruhe getan war. Stattdessen schlich sich ihm die leise Ahnung auf, dass die wahrscheinlich die Endstation für Erwin war. Vielleicht sogar für den gesamten Aufklärungstrupp.

Levi setzte die Tasse mit brühendem Kamillentee an seine Lippen, während sein Blick fahrig über den Trainingsplatz wanderte. Dieser erstreckte sich unter dem Fenster seines Zimmers und wirkte unberührt. Schnee von letzter Nacht lag noch immer gefroren in den schattigen Mauerecken, aber die Sonne mit ihrem hohen Stand hatte das meiste schmelzen lassen. Die Temperaturen waren niedrig und fast in die Minusgrade hinabgesunken, doch es hatte bisher keinen einzigen Winter gegeben, in dem keine Rekruten dort den Umgang mit ihrer Ausrüstung geübt hatten. Obwohl sich Levi nie für einen besonders abergläubigen Menschen gehalten hatte, wertete er die Leere auf dem Platz instinktiv als ein schlechtes Omen.

Die Kutsche fuhr fast wie auf das Stichwort durch den hohen Torbogen und das Wiehern der Pferde war selbst hoch oben durch das geschlossene Fenster hörbar. Levi runzelte die Stirn, als er beobachtete, wie die geschlossene Karosserie auf den Hof vorfuhr und vor den steinernen Treppen, die hoch in die Eingangshalle führten, zum Stillstand kam. Er musste sich etwas näher zum Glas hinüberlehnen, um die Kutschentür im Auge zu behalten, da der Schlosseingang sich seitlich von seinem Fenster befand.

Doch allein die beiden Personen auf dem Kutschbock verrieten, dass es kein einfacher Besuch von irgendjemanden war, der dem Aufklärungstrupp freundlich gegenüberstand. Gab es solche Leute überhaupt noch?

Das Abzeichen, welches auf die braune Uniformjacke gestickt war, sprach für sich. Die Soldaten gehörten der Militärpolizei an.

Als die Türen des Wagens sich öffneten, kletterten weitere Soldaten heraus, einige davon mit besonders dunklem, schwarzem Haar, wofür die Uchihafamilie bekannt war. Berüchtigt wohl eher, ging es Levi durch den Kopf, als die Soldaten die Steinstufen hinaufstiegen und aus seinem Sichtfeld verschwanden.

Auf dem Weg zu seinem organisierten Schreibtisch hinüber, trank Levi einen großzügigen Schluck Tee, der ihm fast die Zunge verbrannte. Den Schmerz nahm er kaum wahr.

Das letzte Mal, dass sie etwas von der Militärpolizei gehört hatten, war nach dem Anschlag auf die Festigkeiten in Mitras gewesen. Man hatte ihnen, wohl eher gesagt Erwin, einen Brief zukommen lassen, in dem sie informiert wurden, dass eine Ermittlung in Gang gesetzt worden war, um die verantwortlichen Täter ausfinden zu machen und hinter Gittern zu bringen. Allerdings bezweifelte Levi, dass irgendjemand tatsächlich in einer Zelle landen und nicht viel eher auf dem Schaffot würde.

Obwohl sich alles in ihm sträubte, stellte er die noch halbvoll Teetasse neben einigen strategisch sortierten Akten auf dem Tisch ab, bevor er nach seiner Uniformjacke griff und diese anzog.

Nach dem der anfängliche Auffuhr ein Ende gefunden hatte, hatte sich alles hier in einer Art von Limbo befunden, doch mit der Ankunft der Militärpolizei tickte die Zeit schlagartig weiter. Erwin lag im Koma, aber scheinbar konnten sie dies nicht länger vor der Welt geheim halten und selbst Levi mit seinem eingravierten Pessimismus konnte sich die Konsequenzen dessen nicht ausmalen.

„Was soll das heißen?“ Hanjis Stimme ähnelte einem Donnerschlag, der von kahlen, kalten Steinmauern davon getragen und wiederholt wurde. „Ist das euer Ernst? Von allen Leuten-“

Levi umrundete die breite Säule, welche sich links und rechts von dem Eingang ihrer Feste befanden und die Decke stützten. „Was ist nicht ihr Ernst?“, erkundigte er sich tonlos.

Die Blicke der Soldaten richteten sich auf sie, kühl und erhaben, während etwas in Hanjis dunklen Augen glühte, das Levi nicht oft in ihnen sah: Panik.

„Wir sind hier, um Erwin Smith abzuholen, damit er seiner Gerichtsverhandlung beiwohnen kann“, sagte ein Mann im mittleren Alter, der einige Abzeichen auf Brusthöhe seiner Uniform trug. Das Haar des Kommandanten war schwarz, jedoch schon mit Grau durchzogen, aber Levi nahm an, dass er nur ein sehr weit entfernter Verwandte von der Hauptfamilie der Uchihas war. Dafür war sein Gesicht zu braungebrannt und seine Gesichtszüge zu rund.

„Was ist der Grund für die Anklage?“, erkundigte sich Levi.

Hanji ruderte mit den Armen, bis ihr fast die Brille von der Nase rutschte. „Sie vermuten, dass der Aufklärungstrupp etwas mit dem Anschlag zu tun hat. Kannst du das glauben, Levi? Wahrscheinlich hat er es auch geplant, halb von einer Säule erschlagen zu werden und im Koma zu landen. Und das nur, um der Verhandlung zu entgehen.“ Ein hysterisches Lachen steckte in ihrer Kehle, doch sie schluckte es hinunter, um die Soldaten stattdessen genauso verwirrt anzusehen, wie sie Hanji anstarrten. „Was denn? Wusstest ihr das etwa nicht? Habt ihr unsere Nachricht denn nicht erhalten? Das Vögelchen, das wir euch geschickt haben?“

Die Soldaten tauschten einen Blick miteinander aus und Levi unterdrückte das Mundwinkelzucken. Hanji war schon immer eine gute Schauspielerin gewesen, denn den dramatischen Effekt hatte sie gepachtet. In dieser Situation war es zwar kein großer Vorteil, aber es räumte ihnen eine Chancengleichheit ein.

„Das ändert nichts“, sagte eine weibliche Soldatin mit feuerrotem Haar, die eine nicht ganz so eckige Brille wie Hanji trug, diese jedoch wichtigtuerisch nach oben schob. „Wir müssen Erwin Smith wenigstens sehen, um Bericht zu erstatten.“

Der Kommandant nickte. „Ausserdem ändert das nichts.“ Er schob die Hand in die Innentasche seiner Uniformjacke und holte einen weißen Umschlag hervor, der das Siegel der Militärpolizei und der Regierung auf sich trug. „Die Leitung des Aufklärungstrupps untersteht von nun der Militärpolizei zu, bis die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen worden sind.“

„Wir brauchen keinen Kommandanten. Wir haben bereits einen“, gab Levi zu bedenken, doch die Frau mit der auffallenden Haarfarbe, die ihrer Augenfarbe in nichts nachstand, schnaufte abfällig.

„Euer Kommandant wird ab sofort alle Entscheidungen mit unserem absprechen. Keine Alleingänge mehr. Bis Sasuke Uchiha eingetroffen ist, wird Kiun Uchiha eure Ansprechperson sein“, erklärte sie und deutete auf den älteren Kommandanten, dessen Blick von Levi zu Hanji wanderte, als ob er sichergehen wollte, dass sie diese Informationen verinnerlicht hatten.

„Wir benötigen angemessene Räumlichkeiten im Schloss“, sagte er, als gäbe es nichts weiter zu besprechen. Aber auch Hanji war für einen Moment die Spucke weggeblieben, so dass sie die Kiun mit einem starren Blick bedachte.

Levi packte ihren Unterarm. „Kümmere du dich um die Räumlichkeiten“, sagte er an sie gerichtet, um die Soldaten selbst zu Erwin zu führen zu können und ihnen im Notfall die Nasen zu brechen, sollten sie ein dummes Wort über seinen Zustand verlieren.

letter.

Eigentlich hatte Mikasa Kakashi Hatake lediglich den Brief überreichen und sich anschließend ein Zimmer in der Stadt suchen wollen. Schließlich erwartete sie nicht, dass Kakashi innerhalb einer Stunde seine Tasche packen und das Leben, das er sich hier in Trost aufgebaut hatte, einfach aufgeben würde. Viel eher rechnete sie damit, dass es mindestens ein paar Tage dauern würde, bis sie sich gemeinsam auf den Rückweg machen würden. Das hatte sie im Gefühl. Mikasa konnte es auch aus den Zügen des ehemaligen Scouts ablesen, die zur Hälfte von einer dünnen Stoffmaske bedeckt waren. Seltsam war dies ohnehin. Hatte er etwas zu verbergen? Eine hässliche Narbe vielleicht?

Mikasa tat es Kakashi aus Höflichkeit gleich und stieg aus ihren Schuhen, um nicht überall auf dem harten Boden Dreck und nasse Fußspuren zu hinterlassen.

Die Wohnung war verhältnismäßig klein, da sie nur aus einem Wohnraum bestand, der eine Kochecke besaß. Zwei weitere Türen gingen davon ab, die wahrscheinlich in das Schlaf- und Badezimmer führten. Ob diese auch so kahl und unpersönlich wirkten?

Die Wohnung mit ihren nackten Wänden und leeren Schränkchen erinnerte Mikasa unweigerlich an ihre Räumlichkeiten im Schloss, obwohl Temari, TenTen und Sasha regelmäßig Dinge und Klamotten achtlos herumliegen ließen. Wenn man ihr Zimmer betrat, sah man, dass er von Menschen bewohnt wurde. Hier war dies nicht der Fall. Stattdessen waren der Tisch sowie sämtliche anderen Ablagen von einer feinen Staubschicht bedeckt, als ob Kakashi nicht allzu viel Zeit hier verbrachte.

„Ich habe nicht viel da“, kommentierte Kakashi trocken, als er zur Küche hinüberging. „Ist Tee in Ordnung?“

„Okay.“

Kakashi warf ihr einen Blick zu, bevor er sich abwandte, um Wasser aufzusetzen. Muskeln zeichneten sich unter seiner gepressten Uniformjacke ab, als er den Kessel zur Hand nahm.

Was genau Mikasa für eine Person erwartet hatte, konnte sie nicht genau sagen, aber keinen Soldaten, der es lebend aus dem Trupp geschafft hatte und trotzdem so ernst und beinahe bedrückt wirkte.

Natürlich hatte sie seine Akte gelesen, die Hanji ihr gegeben hatte, doch dort hatte sie nichts über sein Motiv gefunden, das ihn veranlasst hatte, dem Aufklärungstrupp zu verlassen.

„Pfefferminze oder Kamille?“, erkundigte sich Kakashi tonlos und holte zwei Tassen aus dem Hängeschrank über dem Herd hervor.

„Spielt keine Rolle“, antwortete Mikasa.

Abermals folgte ein Blick und Kakashis Augen nahmen eine schmalere Form an, als er sie betrachtete. „Du kannst dich setzen, wenn du willst“, meinte er, da sie noch immer mitten im Wohnraum stand, die Hände sorgfältig hinter dem Rücken verschränkt.

Mikasa kam seiner Aufforderung nach und nahm auf einem der Stühle Platz, die um den kleinen Tisch herumstanden. Die Satteltaschen hing sie dabei über die Stuhllehne hinter sich. „Ich hoffe, ich störe nicht“, entrann es ihr ausdruckslos, da Kakashi wie jemand wirkte, der eher eine Unterhaltung führte, anstatt zu schweigen.

Zudem wirkte er furchtbar angespannt, seit er sie im Hausflur entdeckt hatte. Selbst die kleine Nudelpackung, die er dabeigehabt hatte, saß nun verloren auf der Anrichte. Für ihn schien ihr Auftauchen unwillkommen zu sein, aber Mikasa nahm es nicht persönlich. Immerhin wollte sie auch nicht in Trost sein, obwohl sie dem Auftrag um einiges neutraler gegenüberstand.

„Manche Nachrichten können nicht warten“, erklärte Kakashi, als er mit zwei Tassen zum Tisch kam und sich ihr gegenübersetzte. Er schob ihr eine Tasse zu und Mikasa schloss ihre Hände darum.

Die Hitze bahnte sich den Weg durch das Porzellan und erwärmte ihre kalten Finger, während Dampf aus der Tasse stieg, in dem ein Beutelchen mit Teeblättern schwamm. Sie beobachtete es für einige Momente, bevor sie den Blick hob, aber Kakashis Augen galten seiner Tasse.

„Wie ich bereits erwähnte, Hanji Zoe schickt mich“, wiederholte sie. „Trost bekommt nicht viele Informationen von Wall Sina, aber es gab einen Angriff auf die Festigkeiten im Schloss und-“

„Der Gründungstag der Militäreinheiten“, unterbrach Kakashi nachdenklich und legte eine Hand an das bedeckte Kinn. In seinem Blick überwog die Ernsthaftigkeit die allgemeine Traurigkeit, die Mikasa dort vor kurzem noch gesehen hatte.

„Ein paar unserer Soldaten waren ebenfalls anwesend“, fügte Mikasa hinzu, als Kakashi einen Schluck von seinem Tee nahm, der noch nicht richtig durchgezogen sein konnte.

„Dabei ist sie umgekommen?“, fragte er schließlich.

Mikasas Augenbrauen hoben sich, denn im ersten Moment verstand sie nicht. Erst nach einigen Sekunden realisierte sie, dass er offenbar von etwas ganz anderem sprach als sie. Er war der ehemalige Ausbilder und ein Bekannter von Sakura Haruno, der Ärztin, die ebenfalls die Festigkeiten besucht hatte. Sie erinnerte sich, dass Sakura ebenfalls in seiner Akte erwähnt worden war.

Mikasa fühlte einen Stich in ihrer Brust und zittrige Finger berührten den roten Stoff an ihrem Hals, der inzwischen zu einem Teil von ihr geworden war. „Es geht ihr gut. Sakura, meine ich“, sagte sie und ihre Stimme erklang in ihren eigenen Ohren höher und leiser als gewöhnlich.

Kakashi sah sie verdutzt an. Seine Hand schloss sich fester um den Tassenhenkel, bis die Knöchel hervorstanden. „Warum bist du dann...?“ Doch er beendete seine Frage nicht, als Wissen Einzug in sein halbverdecktes Gesicht erhielt. „Erwin.“

Mikasas Stirn kräuselte sich in ihrer eigenen Verwirrung. „Erwin Smith liegt im Koma“, sagte sie dann und schob die Hand in ihre Uniformjacke, um den Brief hervorzuholen, der für Kakashi bestimmt war. Sie schob ihn über den Tisch zu ihm hinüber, ehe sie die Hand zurückzog.

Anstatt ihn aufzunehmen, starrte Kakashi ihn an. Der Griff um den Henkel der Tasse lockerte sich nicht.

Erst nach einigen Sekunden entfloh seiner Kehle ein frustrierter Seufzer und seine Hand schnellte hervor, um den Brief zu ergreifen. Unvorsichtig öffnete Kakashi ihn. „Er ist von Erwin“, meinte Kakashi, als er die verschnörkelte Schrift auf dem Umschlag betrachtete, die seinen Namen enthielt. „Er hat ihn geschrieben, bevor er nach Wall Sina aufgebrochen ist?“

Mikasa antwortete nicht, aber sie nahm an, dass dies ohnehin eine rhetorische Frage war, da Kakashi sie nicht ansah.

Stattdessen entfaltete er den Brief und überflog ihn.

Vorsichtig trank sie ihren Tee, der heiß auf ihrer Zunge schmeckte und einen Schauer durch ihren Körper schickte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal Tee getrunken hatte. Für gewöhnlich genügte ihr Wasser.

Doch der Moment der Harmonie und der Kindheitserinnerung an eine Mutter, die nicht offiziell ihre gewesen war, aber regelmäßig süßen Tee für Eren und sie gekocht hatte, waren nicht von Dauer.

Unter ihrem Blick nahm Kakashis Gesicht etwas Hartes an, bis er schließlich das Papier vor sich ablegte und aufstand. Die Hände stützte er auf dem Tisch ab, während seine Augen auch weiterhin auf die kleine Schrift gerichtet blieben.

„Ich möchte, dass du gehst“, verkündete er nach einem langen Moment der Stille.

Mikasa schluckte das bisschen Tee in ihrem Mund nur schwerfällig hinunter. „Aber—“

Ein zweites Mal wurde sie unterbrochen, harscher diesmal. „Geh.“

Mikasa zuckte zusammen, obwohl nicht einmal Titanen ihr Angst einjagen konnten. Nur hatte sie mit dieser Art von Reaktion nicht gerechnet, nicht nachdem sie ihm gerade noch versichert hatte, dass es seiner ehemaligen Schülerin gutging.

Langsam stellte Mikasa die Tasse zurück auf den Tisch und stand auf. Sollte sie den Brief mitnehmen?

Aber Mikasa entschied sich dagegen. Sie nahm die abgelegten Satteltaschen auf und kehrte zu ihren Stiefeln zurück, um in sie hineinzuschlüpfen, bevor sie mit einem letzten Blick auf Kakashi, der nicht in ihre Richtung sah, die Wohnung verließ.

Die Tür schloss sie hinter ihr, bis sie verloren auf dem Treppenabsatz stand.

Was sollte sie nun tun?
 


 


 

Sakura hatte erwartet, dass es bergauf gehen würde, sobald sie Erlaubnis von Shizune bekommen hatte, die Krankenstation zu verlassen. Zugegeben, die Wunde an ihrem Oberschenkel war nicht komplett verheilt, aber es hatte seine Vorteile eine Ausbildung als Ärztin genossen zu haben. Eine Infektion des Gewebes würde sie im Notfall erkennen und ebenso wusste sie, dass der Verband täglich gewechselt werden musste. Doch all diese Dinge waren im Moment ihr kleinstes Problem.

Ein dumpfes Klacken ertönte jedes Mal, wenn Sakuras Gehstock auf dem Steinboden aufkam, um ihr Bein ein wenig zu entlasten. Jeder Schritt sorgte dennoch für ein Ziehen, das ihrer Wade hinaufschoss.

Sakura biss die Zähne aufeinander, während ihr Herz in ihrer Brust vor Aufregung und Anspannung hämmerte. Wie konnte ein einziger Angriff nur so eine Lawine an Konsequenzen mit sich bringen? Und wie sollten sie all die Steine, die man ihnen in den Weg legte, wieder forträumen? Waren es vielleicht doch nur Gerüchte und sie machte sich umsonst verrückt? Sakura hoffte es.

Mit schnellerem Atem, der auf die Anstrengung zurückzuführen war, erreichte Sakura die abgelegene Bibliothek, die Levi, sie und das restliche Team wieder auf Vordermann gebracht hatten.

Einige Laternen waren entzündet worden, um etwas Licht zu spenden, da es draußen bereits dunkel wurde. Zusammen mit den Wintermonaten kam die Dunkelheit, die sich nun rascher über das Land legte.

Ihr Team fand sie an einem der langen Tische im Leseraum vor, der fernab der Bücherregale stand. Jeder von ihnen hatte jedoch einen kleinen Bücherstapel neben sich zu liegen, während sie alle Informationen suchten, die sie auf ihre nächste Expedition vorbereiten konnten.

Wenn es diese geben sollte, ging es Sakura durch den Kopf, als sie auf den Tisch zuhumpelte.

Levi sah über den Buchrand zu ihr hinüber, bevor die anderen sie ebenfalls bemerkten. Mit einem strahlenden Lächeln stand Petra auf, um ihr ihren Stuhl anzubieten. „Sakura, solltest du schon auf den Beinen sein?“

„Shizune hat mich heute entlassen.“

Ein Knall ertönte, als Oluo mit der Hand auf die Tischplatte schlug. „Das ist wenigstens mal eine gute Nachricht!“

„Die Beste“, versicherte Eld ihr und klopfte Oluo, der direkt neben ihm saß, auf den Rücken, während er Sakura ein warmes Lächeln schenkte.

„Ehrlich gesagt bin ich hier, um mit Captain Levi zu sprechen“, gestand Sakura und schulte ihren Gesichtsausdruck. Obwohl die anderen eigentlich nicht wissen konnten, was sich zwischen Levi und ihr abgespielt hatte, spürte sie dennoch eine Verlegenheit in ihrem Inneren aufkeimen.

Nur kurz flackerte ihr Blick zu Petra hinüber, die wieder ihren Stuhl einnahm. Ihre Augen galten dem aufgeschlagenen Buch vor ihr auf dem Tisch, ein schmales Lächeln auf den Lippen bewahren. Es wirkte künstlich auf Sakura, aber vielleicht hing das auch mit den bleischweren Schuldgefühlen zusammen, die sich in ihrem Bauch festsetzten.

Sakura blinzelte heftig, um die Kontrolle über sich zu behalten und nicht zu erröten. Schließlich wusste sie um die Gefühle, die sie für Levi hegte, auch wenn Petra offiziell nie ein Wort über sie verlor und stattdessen Sakura wortlos den Rücken stärkte. Womöglich fühlte sie sich deshalb so schlecht und vermied das Thema in ihrer Gegenwart. Verletzten wollte sie Petra keinesfalls. Petra brachte es immer noch über das Herz, um sie besorgt zu sein, obgleich es so wirken musste, als schnappte sie Petra Levi direkt vor der Nase weg. Sie war so fürchterlich selbstlos, dass es Sakura das Herz brach. Petra war netter und besser als sie, so viel besser.

„Also?“, unterbrach Levi ihre Gedanken, der sein Buch zuschnappen ließ und sich schwunghaft aus dem Stuhl erhob. „Willst du da Wurzeln schlagen oder reden?“

Sakura löste die Augen von der rothaarigen Soldatin, die ihren Blick mied. „Reden.“ Sich in Bewegung setzend folgte sie Levi tiefer in die Bibliothek hinein, bis die Regale, die mit allen möglichen literarischen Werken gefüllt waren, ihnen die Sicht auf ihre Kameraden nahmen und ihnen Privatsphäre gaben.

Auch hier standen vereinzelt Stühle, während Leitern Zugang zu den höheren Regalen boten. Einen von diesen Holzstühlen steuerte Levi an und zog ihn schabend mit dem Fuß näher heran. „Setz dich.“

Hinter den schroffen Worten vermutete Sakura Rücksichtnahme und nahm mit einem zittrigen Lächeln Platz. Das Laufen strengte sie noch immer an und trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, aber alles war besser, als weiterhin unfähig im Bett zu liegen. Ganz besonders, wenn Sasuke Uchiha auf dem Weg hierher war.

„Ist es wahr?“, erkundigte sich Sakura, als sie zu Levi aufsah, der sich nonchalant gegen eines der Buchregale lehnte.

In seinem Blick ließ sich nichts herauslesen. „Ist was wahr?“

„Du weißt, was ich meine“, erwiderte Sakura und lehnte den Gehstock neben sich gegen den Stuhl. „Ich habe Gerüchte gehört. Hat die Militärpolizei tatsächlich den Aufklärungstrupp übernommen?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein lautes Flüstern, obwohl sie wusste, dass keiner in ihrem Team sie jemals belauschen würde. Sie vertraute den drei Menschen dort am Tisch mit ihrem Leben, denn sie hatten bewiesen, dass sie nicht weniger von ihr verdienten. Dennoch gab es einige Sachen, die sie nicht von Sakura wussten. Dinge, von denen Sakura nicht wollte, dass sie jemals davon erfuhren. „Ist Sasuke wirklich auf dem Weg hierher?“

Vielleicht war ihre Besorgnis darüber auf ihrem Gesicht ablesbar, denn für einen langen Moment musterte Levi sie, anstatt ihr eine Antwort zu geben. Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und beugte sich ein wenig vor. „Wieso? Hast du Angst, dass deine Gefühle für ihn wiederkehren?“

Sakuras Augen weiteten sich unter seinem Blick, bevor sie das Gesicht verzog. „So wenig traust du mir also zu?“ Sie schnaubte, um der plötzlichen Wut in ihrem Bauch Luft zu machen. „Ich habe den Aufklärungstrupp gewählt“, versicherte sie ihm. Ob es nur Eifersucht seinerseits war oder Bedenken, dass sie Sasuke irgendwelche wichtigen Informationen zuspielen konnte, wusste sie nicht, aber das sollte ihren Standpunkt deutlich machen.

„Sag mir lieber, was wir dagegen machen“, fügte sie ruhiger hinzu. Immerhin war sie nicht gekommen, um einen Streit mit Levi zu entfachen. Sie wollte das warme Kribbeln in ihrem Bauch, das seine letzten Worte in der Krankenstation in ihr ausgelöst hatten, ein wenig länger am Leben erhalten. Ganz besonders, da sie nicht wusste, wie es um sie stand und ob es überhaupt ein Wir gab. Unter den Umständen war sie sich sicher, dass sie es auch nicht so schnell erfahren würde, da sie andere Probleme hatten.

Levi lehnte sich zurück und schloss die Augen, eine müde, resignierte Geste, die im starken Kontrast zu seiner Feindseligkeit von eben stand. „Die Vorbereitungen für die Expedition im Frühling wird fortgesetzt. Nur... nicht mehr ganz so offiziell.“

Sakura lächelte schmal und grimm.

„Im Moment können wir sie nur hinhalten, bis wir eine Lösung gefunden haben, um die Militärpolizei loszuwerden“, erklärte Levi weiter. „Hanji hat ein Meeting für morgen Nacht einberufen. Unten in ihrem Labor. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass es ungünstig wäre, wenn einer von den Uchihas davon Wind bekommt.“

„Warum holst du mich nicht ab und wir gehen gemeinsam?“, kam es Sakura über die Lippen, obwohl sie nicht sicher war, ob sie sich damit nicht zu weit aus dem Fenster lehnte. Levi war kein Mann, den man manipulieren konnte oder der etwas tat, was er nicht wollte.

Zu ihrer Überraschung zuckte er mit den Schultern. „Solange du nicht trödelst. Ich warte nicht auf dich.“

Sakura spürte, wie ein Lächeln an ihren Mundwinkeln zupfte. Auf seine sehr eigenwillige Art und Weise konnte Levi manchmal ganz nett sein. In diesen Augenblicken war das Kribbeln ihrem Bauch unheimlich stark und einnehmend. „Ich werde mir Mühe geben, Captain.“

Levi schenkte ihr einen genervten Blick, doch dieser perlte an Sakura ab. „War es das denn?“, erkundigte er sich.

„Ja. Danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast.“

Er brummte etwas Unverständliches auf ihre Worte hin, bevor er sich zum Tisch zurückbegab. Auch Sakura griff nach ihrem Gehstock, um ihm zu folgen, um ebenfalls für den restlichen Abend über ein paar Bücher zu brüten.
 


 


 

Diese Soldatin schien von der sturen Sorte zu sein, denn eigentlich hatte er sich deutlich ausgedrückt.

Kakashi stand vor dem Fenster in seinem Schlafzimmer, welches eine perfekte Sicht hinunter auf den Eingang des Wohngebäudes bot. Doch obwohl er dort stand, seit er die Nachrichtenüberbringerin weggeschickt hatte, hatte er sie nicht durch die Tür treten sehen. Da es nur einen Ausgang gab, musste sie noch immer im Hausflur sein.

Ein Blick ging über seine Schulter und durch die offene Zimmertür zur geschlossenen Wohnungstür hinüber. Dachte sie, dass sie ihn so dazu bekam, Erwins Bitte, die eher einer Anweisung gleichkam, Folge zu leisten und zum Aufklärungstrupp zurückzukehren?

Kakashi konnte es ihr nicht übelnehmen. Sie war jung und wahrscheinlich idealistisch. Vermutlich glaubte sie noch immer, dass es irgendetwas hinter den Mauern gab, wofür sich das Kämpfen lohnte. Wofür sich das Sterben lohnte.

Doch Kakashi wusste nicht, ob er auch nur einen Funken Hoffnung für eine Zukunft außerhalb dieser Mauern in sich trug. Dafür war er zu alt. Er hatte schon zu viel Leid gesehen, als dass er noch großartig Ambitionen hatte, die darüber hinausgingen, das, was noch existierte, beschützen zu wollen.

Dem Fenster den Rücken zudrehend kehrte er in den Wohnraum zurück, zu dem Tisch, auf dem noch immer der Brief lag.

Erwin Smith war schon in ihrer Jugend allen stets einen Schritt voraus gewesen und hatte heimliche Strategien und Pläne in seinem Kopf geschmiedet. Daher wunderte es ihn nicht, dass Erwin vorgesorgt hatte und ausgerechnet ihn als seinen Nachfolger auserwählt hatte. Wie lange hatte er diese Idee schon im Kopf gehabt? Seit Kakashis Ausstieg aus den Scouts? Hatte er Kakashi deshalb damals unterstützt? Hatte er damals auch schon die Fäden gezogen?

„Hast du mich deshalb besuchst, als du Sakura rekrutiert hast?“, fragte Kakashi den Brief, als könnte dieser ihm eine Antwort auf seine Frage geben.

Die Ruhe seiner Wohnung wurde von einem leisen, monotonen Geräusch durchbrochen, welches an Lautstärke gewann. Sein Blick wandte sich dem Fenster über dem Waschbecken seiner Küche zu. Die Scheibe wies Wasserspritzer auf, zu denen sich mehr dazu gesellten, als mehr Schneeregen vom bewölkten Himmel fiel.

Kakashi beobachtete es, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Doch der Eisregen verschwamm vor seinen Augen, als er sich daran erinnerte, wie er die junge Soldatin vor seiner Tür vorgefunden hatte. Sie hatte verloren gewirkt, verlassen und allein.

Ein Seufzen bahnte sich den Weg über seine bedeckten Lippen. Langsam wanderte er zur Eingangstür hinüber und öffnete sie, um hinaus in den Hausflur treten zu können. „Du bist ausharrend, dass muss ich dir lassen“, meinte er trocken, als er Mikasa an der Wand gegenübersitzend entdeckte.

Dunkle Augen durchbohrten ihn, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen.

„Ich werde nicht zum Aufklärungstrupp zurückkehren“, meinte Kakashi, als sie ihn anschwieg. Er schuldete ihr keine Erklärung, aber es war unfair von ihm, sie einfach ohne Begründung fortzuschicken, wenn sie lediglich den Auftrag ihres Vorgesetzten ausführte. „Jemand, der mir wichtig gewesen ist, ist dort draußen umgekommen.“ Etwas zog sich in seiner Brust zusammen, obwohl die Worte sich furchtbar fremd auf seinen Lippen anfühlten. Für gewöhnlich sprach er nicht darüber, hatte es seit seinem Verlassen des Trupps nicht laut ausgesprochen, auch wenn die Erinnerungen ihn selbst heute noch verfolgten und ihm Albträume bescherten. Er hatte sich nicht einmal Sakura anvertraut, obwohl er ihr doch mehr als alle anderen vertraute.

„Jedenfalls glaube ich nicht, dass irgendetwas Gutes hinter den Mauern für uns existiert“, fügte er mit einem Schulterzucken hinzu. „Wie soll ich da die Mission des Aufklärungstrupps ankurbeln?“

Die Frage war rhetorisch gemeint, doch die Soldatin löste die Umarmung ihrer Knie, um sich aufzurichten. „Viele haben jemanden verloren“, meinte sie mit eisiger Stimme, die ihrem Blick in nichts nachstand. Plötzlich wirkte sie um einiges älter, obwohl Kakashi sie in ihren Zwanzigern schätzte. „Ich habe jemanden verloren. Das sogar auf dieser Seite der Mauern, aber ich bin immer noch hier.“ Ihre Finger berührten den roten Schal, der um ihren Hals gebunden war. „Und im Notfall werde ich auch mein Leben für alles und jeden geben, der sich hier befindet.“

Sakura hatte ihn kurz vor ihrem Aufbruch nach dem Grund gefragt, weshalb er sich entschieden hatte, dem Aufklärungstrupp beizutreten. Damals hatte er ihr gesagt, dass seine Motive nicht edel gewesen waren und es stimmte. Anders als die Soldatin vor ihm, hatte sich Kakashi nie Gedanken um Menschenleben gemacht, als er sich bei der Militärakademie eingeschrieben hatte. Erst durch einige schmerzliche Erfahrungen hatte er gelernt, dass die Leben anderer wichtig waren und er sie vor den Titanen bewahren wollte.

„Wie heißt du?“, erkundigte er sich.

Die junge Frau vor ihm salutierte stramm. „Mikasa Ackermann.“

Ein schmales Lächeln kroch auf Kakashis Lippen, als er zurücktrat, um die Tür weiter zu öffnen. „Warum kommst du nicht rein und wir reden noch einmal darüber, Mikasa?“

Einem Déjà-vu gleich, nahm Mikasa ihre Satteltaschen auf und trat ein, um ihre Stiefel abzustreifen und zu ihren inzwischen kaltem Tee zurückzukehren.

Kakashi betrachtete ihren Rücken, bevor er die Tür schloss und ebenfalls wieder am Tisch zurückkehrte. So hatte er sich den Abend nicht vorgestellt, als er sich von Ayame verabschiedet und auf den Weg nach Hause gemacht hatte...

Er nahm einen Schluck von seinem kalten Tee, ehe er Mikasas Blick suchte. „Ehe ich auch nur darüber nachdenken kann, mit dir zum Stützpunkt zurückzureiten, gibt es noch einige Dinge zu erledigen“, erklärte er schließlich, wobei seine Gedanken an einen besonders lästigen Stapel Papierkram für eine neue Kanone für die Mauern hängen blieb, welche die Garrison wahrscheinlich sowieso nie erhalten würde.

„Ich verstehe.“

„Bist du sicher?“, fragte Kakashi. „Dann verstehst du nämlich mehr als ich.“

Verwirrung zeigte sich in ihren braunen Augen, aber jede Art von Emotion stand Mikasa mehr als diese Unnahbarkeit, die sie innerlich tot erscheinen ließ und die ihn zu sehr an ihn selbst erinnerte.

time for changes.

Zur Zeit waren sie nicht vom Glück verfolgt. Obwohl Levi es nicht zugeben würde, so hätte er sich besser gefühlt, wenn Erwin noch immer die Fäden im Hintergrund gezogen hätte. Oder anders gesagt, wenn Levi ihn seines Plans betreffend ausfragen könnte. Schriftliche Anweisungen zu befolgen und auf Erwins Pläne aufzubauen war schon schwierig genug, noch schwieriger, wenn die Militärpolizei stets ein Auge auf sie hatte.

Schweigend ging Levi neben Sakura her, als sie durch die dunklen, um diese Uhrzeit verlassenen, Schlossgänge liefen. Obwohl Sakura es oft für nötig hielt, die Stille mit Worten zu füllen, so hielt sie diesmal das Schweigen aufrecht.

Aus den Augenwinkeln sah Levi, wie sie sich auf die Unterlippe biss, doch er nahm an, dass auch an ihr die Ereignisse nicht spurlos vorbeigingen. Kommentieren tat Levi es nicht, da sie ohnehin Hanjis Labor erreichten.

Unter der Tür drang Licht nach draußen und Levi nahm an, dass Hanji ihre Forschungslust vorschieben würde, sollte sich ein Uchiha doch hier in diesen Winkel der Festung verirren. Levi bezweifelte es allerdings, denn bisher hatte die Militärpolizei mehr ein Auge auf die Ställe, Waffenkammern und das Kommen und Gehen der Soldaten gehabt. Allerdings war bisher auch nur eine kleine Gruppe an Soldaten angekommen, der Rest würde mit der Ankunft von Sasuke Uchiha folgen.

Levi schob die Tür auf und trat gefolgt von Sakura ein. Im Inneren herrschte das übliche Chaos, das Hanji während ihrer Forschungen veranstaltete – und vermutlich über wichtige Aspekte dieser hinwegtäuschte.

„Ah, da seid ihr ja endlich!“, flüsterte Hanji mit zu lauter Stimme und winkte sie zu dem Tisch heran, der im hinteren Teil des Labors stand. Ein paar Stühle waren herangeschafft worden, die bereits von Petra, Oluo, Ed und Shizune eingenommen worden waren. „Jetzt wo alle da sind, können wir anfangen.“

Sakura schloss die Tür, bevor sie beide ebenfalls am Tisch Platz nahmen. Sein verschlafener Blick wanderte über die Leute, die aus notdürftigen Gründen anwesend und ins Vertrauen gezogen worden waren. Dabei blieb sein Blick an der Ärztin mit den kurzen, dunklen Haaren hängen, die für Erwin zuständig war.

„Shizune ist ein wichtiger Bestandteil dieses Team“, erklärte Hanji, die seinen Blick entschlüsselte. „Mit der Militärpolizei hier empfinde ich es als wichtig, dass wir keine Geheimnisse vor der Person haben, der ich als einzigstes vertraue, Erwin am Leben zu erhalten.“

Ein Rotschimmer zeichnete sich auf Shizunes Wangen ab. „Ich gebe mein Bestes!“

„Das wissen wir, Shizune“, versicherte Hanji und lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorn, um die Hand der Ärztin tätscheln zu können. Ein ernster Zug legte sich anschließend um ihren Mund und sie wandte sich wieder an alle Anwesenden. „Ich habe Shizune auch bereits in unsere Funde eingeweiht.“

„Hast du die wenigstens weggeräumt, so dass die Militärpolizei nicht zufällig drüber stolpert?“, erkundigte sich Levi.

Hanji plusterte die Wangen auf. „Natürlich habe ich das.“

„Wir werde die Militärpolizei also nicht darüber einweihen?“, fragte Oluo.

„Nein“, sagte Hanji. „Die Militärpolizei sowie viele Mitglieder des Adels und der Regierung suchen schon ewig einen Weg, um den Aufklärungstrupp den Gar auszumachen. Niemand ist daran interessiert, was hinter den Mauern geschieht oder was hinter dem Ursprung der Titanen steckt. Keiner hat mehr Wissensdurst...“ Hanji seufzte schwer.

Doch selbst Levi bezweifelte, dass er sich tatsächlich für den Ursprung der Titanen interessierte. Er war nur hier, um so viele von diesen hässlichen Biestern zu töten wie er konnte, bevor er irgendwann ins Gras beißen würde.

Sein Blick wanderte zu Sakura, die direkt neben ihm saß. Ihre Motive kannte er nicht, da er sie nie danach gefragt hatte. Im Grunde spielten diese auch keine Rolle, denn sie alle hatten ihre Gründe, um hier zu sitzen. Es machte keinen Unterschied.

„Zuvor hat uns Erwins Autorität und Netzwerk beschützt, doch darauf können wir uns nun nicht mehr verlassen“, fuhr Hanji fort. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie Erwin verlegen und unsere Einheit auflösen. Sie brauchen nur noch mehr Beweise, um uns das Attentat entgültig unterzujubeln und sich davon zu überzeugen, dass unsere Expeditionen zu viel Geld kosten, zu gefährlich sind oder mehr Titanen anlocken. Irgendwas wird ihnen schon einfallen.“

„Was ist mit Mikasa?“, fragte Sakura. „Oder besser gesagt mit Kakashi, wenn sie es tatsächlich schaffen sollte, ihn hierher zu bringen?“

„Darauf können wir uns nicht verlassen“, erwiderte Levi.

„Levi hat recht“, sagte Hanji. „Ich hoffe auf das Beste, doch selbst wenn Kakashi Erwins Posten übernimmt, bin ich nicht sicher, ob wir die Militärpolizei so einfach loswerden.“

Levi schnaufte. „Ich bezweifele, dass der legendäre Kakashi Hatake so viel Einfluss hat.“

„Erwin wird ihn nicht grundlos ausgewählt haben“, sagte Sakura, die natürlichen ihren alten Mentor in Schutz nehmen musste, obwohl sie rein gar nichts über den Mann wusste. Keiner von ihnen kannte Kakashi, sein Ruf basierte nur auf albernen Geschichten, die mysteriös und eindrucksvoll waren, aber nicht sonderlich realistisch. Kakashi war der Soldat, der überlebt hatte, doch niemand wusste wie oder warum.

„Bisher war immer auf Erwins Pläne Verlass“, stimmte Petra Sakura zu und ihr Blick ruhte auf Levi, lang und weich und hoffungsvoll.

„So oder so habe ich nicht vor, die für den Frühling geplante Expedition aufzugeben“, sagte Hanji. „Wir werden uns weiter auf die Expedition vorbereiten. Still und heimlich. Wir sind dort draußen auf etwas Großes gestolpert und ich bin sicher, dass wir dem Geheimnis um die Titanen und der Vergangenheit der Menschheit furchtbar nah sind.“ Etwas Fiebriges lag in Hanjis Augen, als diese durch die Runde wanderten. „Wir haben die Rückendeckung der königlichen Familie.“

„Die Königin ist im Untergrund, während andere für sie regieren“, warf Oluo ein, doch auf Hanjis Gesicht breitete sich dennoch ein Grinsen aus.

„Noch ist sie im Untergrund“, sagte sie. „Sie wird wieder auf ihren rechtmäßigen Thron sitzen, selbst wenn ich höchstpersönlich einen Putsch anzetteln muss.“

„Hanji...!“, rief Eld und Hanji brach in schallendem Gelächter aus.

„Ein Scherz! Nur ein Scherz!“

„Wenn du nicht willst, dass die Uchihas uns gleich im Nacken liegen, solltest du den Ton runterschrauben, Vierauge“, bemerkte Levi genervt und Hanji verstummte, während die Anwesenden ein unsicheres Lächeln austauschten.
 


 


 

Ihr Oberschenkel stach bei jedem einzelnen Schritt, jede Stufe, die sie erklomm, doch Sakura biss die Zähne zusammen und ignorierte den feinen Schweißfilm, der sich auf ihrer Stirn bildete. Unwirsch wischte sie sich einige Haarsträhnen hinter das Ohr. Wahrscheinlich gab sie gerade keinen schönen Anblick preis, doch es war ihr egal, denn immerhin geschah es nicht alle Tage, dass Levi Zeit mit ihr verbringen wollte. In diesem seltenen Fall nahm Sakura die lange Treppe in Kauf, die hinauf in den Turm führte, in dem die Brieftauben ihr Zuhause hatten.

Ihre Augen huschten zu Levi hinüber, der schräg neben ihr die Treppe hochstieg, langsamer als sie, als passte er sich ihrem Tempo an. Sie nahm an, dass sie ihm nichts vormachen konnte und dass er genau wusste, dass diese Aufstieg Folter für sie war. An den Abstieg wollte sie gar nicht erst denken.

Gleichzeitig glaubte sie jedoch daran, dass er es ihr nicht zumuten würde, wenn ihm die Unterhaltung nicht wichtig wäre, denn so eiskalt und gefühllos war nicht einmal der berüchtigte Levi Ackerman. Nein, das wusste Sakura, denn sie hatte auch seine sanftere Art gesehen, die in kleinen Gesten durchschien, die andere vielleicht übersahen, aber die Sakura anzogen.

„Also, worüber wolltest du sprechen?“, erkundigte sich Sakura, als sie es endlich bis hinauf in den Turm geschafft hatten. Eine frische Brise wehte durch den offenen Turm, doch konnte den Geruch von den Vögeln, die auf den Stangen und in den Nestkisten saßen, nicht verscheuchen. Ein rhythmisches Gurren lag in der Luft, ebenso wie das Geräusch eines Besens, der über den Stein fegte.

Anstatt ihr eine Antwort zu geben, wandte sich Levi an den Rekruten, der den Boden säuberte. „Hanji sucht nach dir“, meinte er nonchalant, als der junge Mann rasch vor Levi salutierte. „Sie möchte mit dir sprechen. So schnell wie möglich.“

Der Rekrut zuckte zusammen. „Captain, ich habe Dienst und...“

„Bist du schwerhörig?“, unterbrach Levi ihn und dieser schüttelte den Kopf, bevor er den Besen beiseite stellte und an ihnen vorbeihuschte, die Tür hinter sich zuziehend.

„Ich bin fast sicher, dass du nicht einmal seinen Namen kennst. Geschweige denn, dass Hanji tatsächlich nach ihm sucht“, meinte Sakura sanft, konnte aber den Hauch Belustigung, der eng mit der Nervosität verbunden war, die sie oft in Momenten wie diesen empfand, wenn sie mit Levi allein war. Bei Levi wusste man eben nie, was man erwarten sollte, er überraschte sie immer.

Sie trat an die steinerne Brüstung heran, die Sicht auf den Innenhof gab und beobachtete einige Soldaten, darunter auch ein paar, die das Abzeichen der Militärpolizei trugen.

„Hier verirrt sich keiner von der Militärpolizei“, sagte Levi, als er neben sie zum Stehen kam und ihrem Blick folgte. „Es ist ihnen zu schmutzig, was ich nachvollziehen kann.“ Kurz verzog sich sein Gesicht und er schielte zu den gurrenden Tauben hinüber, doch Sakura verstand, worauf er hinauswollte: Hier konnten sie frei sprechen und allein sein.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich, als Levi schweigend neben ihr stand, so furchtbar nah, dass sie nur die Hand nach ihm ausstrecken müsste, um ihn berühren zu können. Doch würde er es zulassen? Wichtiger noch, würde er es auch wollen?

Sie verstand nicht genau, was ihr den Mut gab, doch noch nach Levis Ärmel zu greifen und an dem dünnen Stoff festzuhalten, während sie sein blasses Seitenprofil musterte. Das Blut rauschte dabei in ihren Ohren, so viel lauter als die winterliche Brise, die in den Turm wehte und durch ihre dünne Kleidung drang.

Levi wandte sich ihr zu, ohne sich aus ihrem Griff zu befreien. Obwohl sein verschlafenes Gesicht ausdruckslos war, wirkte es nicht kalt. Stattdessen zog ein schmales Lächeln an seinen Lippen, als wäre ihre Geste nicht unerwartet und als teilten sie stille Momente wie diese tagtäglich.

Ihre Wangen erhitzten sich, mehr noch, als Levi die freie Hand hob, um diese zu berühren, bevor seine Finger zwischen ihren Haaren verschwand. Die Erinnerung an den Kuss, den sie hinter den Mauern inmitten der wilden Natur geteilt hatten, schoss Sakura in den Kopf, obwohl sie ohnehin viel zu oft an ihn dachte.

Daher lehnte sie sich das letzte Stück hinüber und küsste Levi, als sie mit beiden Händen an ihm festhielt, eine Hand hielt noch immer seinen Ärmel, während die andere sich gegen seine Brust stützte und sich Finger in den Stoff seines weißen Hemdes gruben, den Gehstock umständlich an der Brüstung angelehnt zurücklassend.

Die Hand in ihrem Nacken zog sie näher, um den Kuss zu vertiefen. Von der Sanftheit und dem Zögern von damals war nichts mehr zu spüren, stattdessen war Levi wie ein Fels in der Brandung, der sie hielt und an den sie sich anlehnen konnte.

Als Levi den Kuss löste, lehnte er seine Stirn gegen ihre, doch Sakura hielt auch weiterhin die Augen geschlossen. Sie wollte den Moment ein wenig länger genießen, da sie nicht wusste, wann und ob es überhaupt einen nächsten geben würde. Nicht nur ihr Leben als Soldaten war ungewiss, aber Levi war die Unberechenbarkeit in Person. Selbst jetzt verstand Sakura nicht, was ihn dazu gebracht hatte, sie hier hochzubringen und diese Zuneigung zuzulassen.

„Levi...“

„Lass uns nicht darüber reden“, sagte er, und erst als Sakura die Augen öffnete, bemerkte sie, dass die von Levi noch immer geschlossen waren.

Ein sanftes Lächeln zog an Sakuras Lippen, bevor sie die Arme um Levis Nacken schlang und ihn in eine Umarmung zog. Sein Körper war kalt, vermutlich dem ihren nicht unähnlich, doch es machte ihr nichts aus, noch weniger, als sie spürte, wie sich auch seine Arme um sie legten.
 


 


 

Noch immer verstand Kakashi nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte, Mikasa zurück zum Aufklärungstrupp zu folgen. Er hatte angenommen, dass er mit diesem Teil seines Lebens abgeschlossen hatte. Jedenfalls war es leichter, sich dies einzureden, anstatt der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

Selbst nach all den Jahren unterbrachen Träume von aufgerissenen Mäulern und einer verregneten Nacht, die von Blut erfüllt war, seinen Schlaf, bis er eine Kerze entzünden musste, um sicherzugehen, dass seine Hände nicht blutrot waren. Doch auch wenn er es nicht sah, erinnerte er sich an das Gefühl der warmen Flüssigkeit auf seiner Haut. Sie ließ sich nicht einmal mit eiskaltem Wasser wegspülen, nach dem er ins Badezimmer stolperte.

„Es ist nicht mehr weit“, durchbrach Mikasas Stimme seine Gedanken. Sie ritt vor ihm, als sie gemeinsam über die flache Grasslandschaft jagten, während Trost schon vor einer ganzen Weile als kleiner Fleck zwischen den Bäumen zurückgeblieben war. Stramm und entschlossen saß sie auf ihrem Pferd, obwohl es der Schmerz in ihren dunklen Augen gewesen war, der ihn dazu gebracht hatte, sie abermals hineinzubitten.

Natürlich wusste er, dass er nicht der Einzige war, der etwas verloren hatte, aber aus irgendeinem Grund hatte er diese junge Frau nicht enttäuschen wollen. Das letzte bisschen Stolz, das Kakashi noch besaß, wollte nicht, dass er jede Nacht gelangweilt in seiner Wohnung herumsaß und allen Ramen aß, während eine junge Soldatin alles für Leute wie ihn riskierte.

Die Feste des Aufklärungstrupp kam in Sicht und tat sich wie ein Koloss vor ihnen auf, ragte über Bäume und Sträucher hinweg und war ihm fürchterlich fremd und vertraut zugleich.

Der Teil von ihm, der sich stets einredete, dass er dieses Kapitel seines Lebens abgeschlossen hatte, wollte an den Zügeln ziehen und das Reittier zum Umdrehen zwingen, als eiskalte Finger sich um seinen Hals schlossen.

Sein neuerrungener Posten an der Mauer strotzte nicht vor Action, doch er hätte gern miterlebt, ob sein ausgefüllter Papierkram gelesen werden und ob die Garrison nun eine neue Kanone erhalten würde.

Doch für all dies war es zu spät, da sie bereits das Tor erreichten und dieses für sie geöffnet wurde. Kakashi hielt ein Seufzen zurück, als sie auf den Innenhof ritten und nahe der Ställe ihre Pferde zum Stillstand brachten.

Sie brachten gerade ihre Reittiere in den Stall und übergaben sie den Stallburschen, als ein Räuspern hinter ihnen ertönte. Kakashi hob eine Augenbraue, als er sich zu der Frau umdrehte, die mit raschen Schritten auf sie zukam.

Feuerrotes Haar leuchtete mit derselben Intensität wie die Augen hinter ihrer Brille, als sie eine Hand an ihrer Hüfte abstützte. „Wir werden ein ernstes Wort mit den Soldaten am Tor haben müssen. Unangekündigtes Öffnen des Tores ist strickt verboten. Besonders für zwei unangemeldete Soldaten, wovon einer nicht einmal zum Aufklärungstrupp oder der Militärpolizei gehört.“ Ein bedeutsamer Blick ging zu dem Abzeichen auf Kakashis Uniformjacke, die ihn als ein Soldat der Garrison identifizierte.

„Sie sprechen mit Kakashi Hatake“, sagte Mikasa. „Ich wurde beauftragt, ihn als Erwins Ersatz herzubringen.“

Die Frau vor ihnen schnaufte verächtlich. „Erwins Ersatz? Und wer hat das beauftragt? Der Aufklärungstrupp untersteht nun dem direkten Befehl der Militärpolizei, also wird ihre Hilfe nicht mehr benötigt, Mr. Hatake.“

Mikasa trat einen Schritt vor, doch Kakashi streckte die Hand in ihre Richtung aus, um ihr Einhalt zu gebieten. Wahrscheinlich hätte er wissen sollen, dass das nicht einfach werden würde. Immerhin hatte Erwin ihn in seinem Brief bereits davor gewarnt, dass die Militärpolizei nur nach einem Grund suchte, um die Kontrolle über die Scouts zu erlangen und das sein Ableben ihnen die perfekte Gelegenheit dafür bieten würde.

„Wer genau hat nun die Kontrolle über den Aufklärungstrupp?“, fragte Kakashi und versuchte die Resigniertheit aus seiner Stimme zu halten.

Die Soldatin blinzelte. „Natürlich Kiun Uchiha. Zumindest im Moment.“

„Gut“, sagte Kakashi. „Dann würde ich gern ein Wort mit ihm persönlich wechseln.“

Ein Luftschnappen folgte, bevor die Frau sich abrupt abwandte und davon marschierte. „Folgt mir.“

Kakashi tauschte einen Blick mit Mikasa aus, deren Gesicht unleserisch blieb, bevor sie mit der anderen Soldatin aufschlossen und die Steintreppen in die Feste hinaufstiegen.

Es hatte sich eigentlich nichts verändert, seitdem Kakashi das letzte Mal Fuß in das Gemäuer gesetzt hatte, trotzdem klang jeder seiner Schritte hohl und dumpf in seinen Ohren wider, als sie sich zu dem Büro begaben, welches Kiun Uchiha für sich beansprucht hatte.

Dieses stellte sich als das Arbeitszimmer des Kommandanten des Aufklärungstrupp heraus, welches bis vor weniger Zeit noch Erwin gehört haben musste.

Ein „Herein“ ertönte, nach dem sie anklopften.

„Karin, was gibt es?“, fragte der ältere Mann, der hinter dem massiven, aufgeräumten Schreibtisch saß. Er schaute erst von seinen Akten auf, als sie längst den Raum betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatten, um die neugierigen Rekruten auszusperren, welche sie schon auf den Weg hierher ins Auge gefasst hatten.

Kakashi machte sich nichts vor, seine Anwesenheit in diesem Schloss würde nicht lange ein Geheimnis bleiben. Spätestens beim Abendessen würde jeder wissen, dass Mikasa zurückgekehrt war und wen sie mitgebracht hatte.

„Dieser Mann ist scheinbar Kakashi Hatake und ist gekommen, um... nun, Erwins Platz als Kommandanten einzunehmen, wenn ich das richtig verstanden habe“, erklärte Karin und trat zur Seite, damit der Uchiha einen Blick auf ihn werfen konnte.

Obwohl sein Haar grauschwarz war, hatte sich der kurze Bart fast vollständig grau verfärbt. Ein Mundwinkel hob sich zu einem schrägen, verzerrten Lächeln, als er die Akte vor sich zuklappte. „Der berühmte Kakashi Hatake“, begrüßte Kiun ihn. „Ja, selbst in der Militärpolizei kennt man deinen Namen. Es gibt immer noch einige Soldaten, die sich wundern, dass du dem Aufklärungstrupp beigetreten bist. Obwohl du in deiner Zeit in der Akademie scheinbar Klassenbester gewesen bist und problemlos in der Militärpolizei aufgenommen worden wärst, versteht sich. Zumindest bis zu dem Vorfall, der deine Karriere hier so abrupt beendet hat.“

Kakashis Hände spannten sich an und formten Fäuste, bevor er sie wieder lockerte. Man wollte ihn nur provozieren, abgesehen davon, dass Soldaten wie er grundsätzlich in allen Zweigen des Militärs als feige und charakterlos angesehen wurden.

Als er damals an der Akademie als Ausbilder angefangen hatte und später der Garrison beigetreten war, wurde er ähnlich herzlich empfangen. Er konnte es den Soldaten nicht einmal übel nehmen, denn die Schuld und die Reue waren seine ständigen Begleiter.

„Die Militärpolizei hat also die Kontrolle über den Aufklärungstrupp?“, fragte Kakashi, anstatt sich auf die Unterhaltung, die Kiun tatsächlich führen wollte, einzulassen.

Der Ältere deutete ein Nicken an. „Solange es die Scouts noch gibt, ja. Spätestens nach Erwins Gerichtsverhandlung werden sie aufgelöst, da bin ich mir sicher.“

„Nun, solange dies nicht der Fall ist, würde ich gern die Führung übernehmen“, sagte Kakashi, woraufhin Kiun rau auflachte.

„Oh ja?“, fragte dieser. „Und wie kommst du darauf, dass wir das zulassen würden?“

„Erwin Smith hat es festgelegt und—“

„Mikasa“, unterbrach Kakashi mit ruhiger Stimme, obwohl er ihre Wut verstand. Sie glaubte an den Aufklärungstrupp, ebenso wie so viele andere Soldaten. Ebenso wie es Kakashi einst getan hatte.

Er holte den Brief hervor, den er in der Innentasche seiner Uniformjacke getragen hatte und trat an den Schreibtisch heran, um ihn Kiun zu überreichen, wobei die Seiten, die nur für ihn bestimmt gewesen waren, vorsichtig in einer anderen Tasche verstaut hatte.

Kakashi trat wieder einen Schritt zurück. „Soweit ich mich an die Regeln erinnere, hat der Kommandant jedes Militärzweigs die Möglichkeit einen Nachfolger festzulegen. Eine Regel, die nur von der königlichen Familie außer Kraft gesetzt werden kann.“

Langsam überflogen Kiuns Augen die Zeilen des Briefs. „Erwin steht unter Verdacht, den Anschlag gegen die Königin verübt zu haben. Selbst wenn er nicht im Koma liegen würde, wäre er verhaftet worden, was seine Entscheidung ungültig macht.“

„Schau auf das Datum“, meinte Kakashi. „Und die Formulierung. Erwin hat mich zum Kommandanten der Scouts ernannt. Noch vor dem Anschlag. Das Zustellen des Briefs hat nur weitaus länger gedauert, als erwartet gewesen war.“

Kiun sog geräuschvoll den Atem ein, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und Kakashi einen Moment wortlos musterte. „Geschickt gespielt“, sagte er schließlich.

Kakashi deutete ein Zucken der Schultern an. „Glaub mir, ich habe mir das auch nicht ausgesucht.“

„Nehme bloß nicht an, dass es das gewesen ist, Kakashi“, meinte Kiun, als er sich wieder vorlehnte, um den Brief zusammenzufalten und in seinen Umschlag zurückzustecken. „Wenn du denkst, dass wir uns kampflos zurückziehen, hast du dich geirrt. Wäre es meine Entscheidung, dann vielleicht, aber Sasuke Uchiha ist bereits auf den Weg hierher. Mein Neffe ist nicht dafür bekannt, die Dinge einfach ruhen zu lassen. Ganz besonders, wenn so viel Druck von oben kommt.“

Die Tür zum Arbeitszimmer wurde aufgerissen und eine Soldatin kam hinein marschiert. Sie schob ihre Brille hinauf auf die Stirn. „Erwin Smith hat Kakashi Hatake zum Kommandanten ernannt und egal, was—“

„Hanji!“, fuhr Kiun die Soldatin an und eine Ärgerfalte grubt sich in seine Stirn. „Halt den Mund. Wir haben es schon geklärt. Kakashi ist der neue Kommandant für den Moment, auch wenn die Militärpolizei nicht abziehen wird.“

Hanji kam abrupt zum Stillstand und ihr Mund hing offen, als sie zwischen den Anwesenden hin und herblickte, bis sie Kakashi anvisierte. Ein freudiges Funkeln lag in ihren Augen, bevor sie an ihn herantrat, nach seiner Hand griff und diese kräftig schüttelte.

„Kakashi Hatake, ich habe schon so viel von Ihnen gehört!“, versicherte sie ihm und Mikasa schenkte ihm ein Schulterzucken, als er hilfesuchend zu ihr hinübersah.

reunion.

„Das ist das Zimmer, von dem ich gesprochen habe, Kakashi. Es ist klein, aber auch recht fein“, plapperte Hanji fröhlich, als sie eine Tür am Ende des östlichen Flügels ansteuerten.

Stickige, warme Luft begrüßte sie, als Hanji die Tür öffnete und sie den Raum betraten. Sonnenlicht filterte durch die schmutzigen Fensterscheiben und machte die dicke Staubschicht sichtbar, die sich auf den Schränken und dem kleinen Schreibtisch in der Ecke angesammelt hatte. Dieser befand sich direkt neben dem schmalen Bett.

„Man sieht, dass es schon lange nicht bewohnt worden ist“, kommentierte Mikasa und echote damit Kakashis Gedanken.

Hanji stieß ein theatralisches Seufzen aus und nickte betrübt. „Es steht schon so lange leer, dass ich nicht mal weiß, wie lange eigentlich. Keiner der Teamleiter will es beziehen, da es am weitesten entfernt und furchtbar versteckt ist. Um ehrlich zu sein, ist das etwas, was ich ganz und gar nicht nachvollziehen kann. Immerhin hat man hier allerlei Privatsphäre.“

Kakashi lächelte halbherzig. „Es wird seine Zwecke erfüllen.“ Obwohl er nicht sicher war, ob irgendjemand sein Arbeitszimmer finden würde, da man dazu das halbe Schloss durchqueren musste. Dass er damit als Kommandant des Aufklärungstrupps jedoch gerade bei Kiun Uchiha und seinen Offizieren für Gelächter sorgen würde, stand bereits fest. Allerdings scherte er sich seit Ewigkeiten nicht mehr darum, was andere Leute über ihn dachten.

„Es freut mich, dass du es so siehst, Kakashi“, erwiderte Hanji und drehte eine Pirouette im Zimmer, um ihn abermals ins Auge zu fassen. Noch immer lag ein aufgeregtes Leuchten in ihrem Blick, bevor sie sich räusperte, als könnte dies darüber hinwegtäuschen. „Falls du irgendetwas benötigst, zögere nicht, sondern lasse nach mir rufen. Leider befindet sich mein Quartier im Westflügel – was aber nicht bedeutet, dass du da nicht auch jeder Zeit vorbeikommen kannst“, sagte sie vielsagend und im leiseren Ton, als lauerte irgendwo jemand von der Militärpolizei, der sie überhören könnte. Vielleicht flirtete sie auch mit ihm, er konnte es nicht mit Gewissheit sagen.

„Ich werde es mir merken“, meinte Kakashi, ehe Hanji auch schon Mikasa am Arm packte und zur Tür bugsierte.

„Komm, Mikasa, lassen wir Kakashi ein paar freie Minuten zum Ausruhen. Ich lasse auch sofort deine Satteltaschen hinaufschicken, Kakashi.“

„Danke“, sagte Kakashi, sich halb zu den beiden Frauen umwendend, welche bereits halb aus der Tür verschwunden waren. „Mikasa“, hielt er sie noch einmal zurück.

Die Angesprochene sah ausdruckslos über ihre Schulter hinweg.

„Falls du noch kurz Zeit hast, würde ich gern etwas mit dir besprechen“, erklärte Kakashi und obwohl Hanji die Neugierde ins Gesicht geschrieben stand, zog die lächelnd die Tür hinter sich zu, um ihnen einen Moment allein zu geben.

„Was möchten Sie besprechen?“, fragte Mikasa direkt, aber Kakashi hatte bereits auf den Weg hierher bemerkt, dass Mikasa eine sehr praktisch veranlagte Person war, die keine Zeit und keine Worte verschwendete.

„Seit meiner Zeit hier, ist kaum noch einer im Aufklärungstrupp, den ich kenne und dem ich vertraue“, begann Kakashi, auch wenn er wusste, dass er sich als Kommandant der Scouts niemanden erklären musste, besonders nicht einer einfachen Soldatin, die er nicht einmal sonderlich gut kannte. Doch Kakashi war es wichtig, dass sie seine Beweggründe verstand. Er würde noch oft genug hinterlistig oder zumindest mysteriös agieren müssen, denn dies war Teil seiner Position, aber damit wollte er heute nicht anfangen.

„Aber ich vertraue dir, Mikasa. Daher würde ich gern, dass du mir zur Seite stehst. Selbst hier haben wir viele Feinde, solange wir uns die Feste mit der Militärpolizei teilen.“

Die dunklen Augen der jungen Frau weiteten sich. Nur in Momenten der Verwirrung oder Überraschung lockerten sich die sonst so harten Züge und Sanftheit erhielt Einzug in Mikasas Gesicht.

„Ich... werde alles in meiner Macht tun, um Sie zu beschützen“, sagte sie und salutierte rasch, die Hand zu einer Faust geballt und gegen die Stelle gepresst, an der sich ihr Herz befand.

Kakashi blinzelte, doch da marschierte Mikasa mit neuer Energie aus dem Zimmer.

Hatte sie ihn missverstanden und dachte, dass er wollte, dass sie seinen Bodyguard spielte, anstatt seine unoffizielle rechte Hand zu werden?
 


 


 

An jedem Fenster, an dem Sakura vorbeiging und welches ihr den Hof zeigte, sah sie instinktiv nach, ob nicht weitere Soldaten von der Militärpolizei eingetroffen waren. Ob nicht Sasuke angekommen war.

Die Aufregung in ihrem Bauch wollte sich nicht legen, weder tagsüber, während sie Shizune im Krankensaal oder ihrem Team bei ihren heimlichen Nachforschungen in der Bibliothek half, noch nachts, wenn sie im Bett lag und an Levis Lippen auf ihren dachte.

Doch sie wusste, dass sie Levi die Wahrheit gesagt hatte und dass sie mit ihren Gefühlen für Sasuke abgeschlossen hatte. Er konnte sie nicht mehr in den Bann ziehen. Nicht, nachdem Sakura gelernt hatte, wie gut es sich anfühlte, wenn eine andere Person ehrlich an einem interessiert war. Zuneigung übertrumpfte Unnahbarkeit, denn auf dieser konstanten Unnahbarkeit und Kälte konnte man nichts aufbauen.

Allerdings konnte man dasselbe nicht von Kakashi sagen. Die Aufregung in ihrem Bauch verwandelte sich in ein vertrautes Kribbeln, wenn sie an Kakashi dachte, als sie den Ostflügel ansteuerte. Von Hanji wusste sie, dass Mikasa und Kakashi angekommen waren, ebenso in welchem Teil der Feste sich sein Zimmer befand.

Noch immer verstand sie nicht, warum er hier war und wie Mikasa es geschafft hatte, Kakashi an diesen Ort zurückzubringen. Obwohl es sie freute, hatte sie fest damit gerechnet, dass Mikasa allein wiederkehren würde.

Ihre Fehleinschätzung erinnerte Sakura aber nur daran, was Levi ihr stets vorwarf: Dass sie Kakashi eben doch nicht halb so gut kannte, wie sie nach all den Jahren immer angenommen hatte. Er hatte Geheimnisse, selbst vor ihr, auch wenn sie jeden Winkel ihres Herzens mit ihm geteilt hatte.

Der Gedanke sorgte dafür, dass sich etwas in ihrer Brust zusammenzog und ihr Griff schloss sich fester um den Gehstock, den sie jeden Tag etwas weniger brauchte.

Vor Kakashis Zimmertür kam sie zum Stehen und atmete tief durch, bevor sie anklopfte.

„Herein“, ertönte Kakashis vertraute Stimme und ein Lächeln stahl unwillkürlich auf Sakuras Lippen.

Die Unruhe, ausgelöst durch all die Geheimnisse, die Kakashi vor ihr haben könnte, wirkte auf einmal nicht mehr so wichtig. Vielleicht wusste sie nicht alles über ihn, doch dafür hatte Kakashi seine Gründe. Sakura vertraute ihm und das war wichtiger, als alles über ihn zu wissen.

Als sie die Tür öffnete, war Kakashi mit einem Staubwedel in der Hand über den kleinen Schreibtisch in der Ecke gebeugt.

Ihr Lächeln wurde breiter. „Das Gerücht stimmt also, dass man dich in das hinterste Zimmer abgeschoben hat.“

Kakashi sah auf und die Hand, die den Staubwedel hielt, fror ein. Etwas Weiches lag in seinem Blick. „Sakura...“

„Hanji hat mir erzählt, dass du hier bist“, sagte sie und hörte wie wackelig ihre Stimme auf einmal klang. Aber sie hatte bei ihrer Abreise aus Trost auch angenommen, Kakashi vermutlich nie wieder zu sehen.

Kakashis Mundwinkel hoben sich unter dem dünnen Stoff seiner Maske. „Sie hat es wohl jedem schon erzählt?“

„Wahrscheinlich“, antwortete Sakura und kam auf ihn zu. Ihre Füße bewegten sich von allein, bis sie vor ihm stand und die Arme um Kakashi schloss. „Ich bin froh, dass du hier bist.“ Es stimmte, denn mit Kakashi hier wirkte alles ein bisschen weniger verzweifelt.

Kakashi legte den freien Arm um sie und die bedeckte Wange lehnte sich gegen ihre Schläfe. „Ich bin noch nicht sicher, ob ich dasselbe behaupten kann“, gestand er leiser und müde, aber mit einem Hauch Belustigung, der Sakura versicherte, dass er nicht hier wäre, wenn er nicht von seiner neuen Aufgabe überzeugt wäre.

„Sasuke ist auf den Weg hierher“, sagte Sakura, als sie sich voneinander trennten und Kakashi sich gelassen auf der Kante des Schreibtischs niederließ, auf dem er den Staubwedel ablegte.

„Darüber wurde ich bereits informiert“, sagte Kakashi und seine Augen gingen zur Decke hinauf, während er die Arme vor dem Brustkorb verschränkte. „Hoffen wir, dass es noch etwas dauert, bis er ankommt.“

Sakura senkte den Blick, um ihr Lächeln zu verbergen. „Hast du meinen Brief bekommen?“, wechselte sie abermals das Thema, da es so viele Dinge gab, die sie Kakashi erzählen wollte, aber gleichzeitig auch nicht wusste, womit sie anfangen sollte.

„Er war kurz und knapp“, meinte Kakashi und Röte schlich sich auf Sakuras Wangen. Im Nachhinein kam ihr der kleine Brief, der nur den Satz „Wir sind zurück.“ enthalten hatte, ein wenig albern vor.

„Ich wollte so viel mehr schreiben“, entrann es Sakura. „Und viel öfter. Ich wollte nur keine schlechten Erinnerungen wecken und—“

„Sakura“, unterbrach Kakashi sie und streckte ihr die Hand entgegen. Er trug fingerlose Handschuhe, die er schon in Trost stets angehabt hatte.

Lächelnd legte sie die Hand in seine.

„Solange ich von dir höre und weiß, dass es dir gut geht, ist es mir jede noch so schlechte Erinnerung wert“, sagte Kakashi und seiner Stimme unterlag ein ernster Unterton, der Sakura an die Nächte erinnerte, in denen Kakashi neben ihr aus dem Schlaf geschreckt war. Die ersten Male hatte Sakura sich noch über die Träume erkundigt, darüber, ob sie etwas tun konnte, um ihm zu helfen, bevor sie es auf seinen Wunsch hin aufgegeben hatte.

„Ich möchte aber auch wissen, dass es dir gut geht, Kakashi“, sagte sie und drückte seine Hand. „Ich möchte, dass du mir versprichst, dass du mir Bescheid sagst, wenn es zu viel wird. Du musst nicht immer alles allein durchstehen. Es gibt Menschen, die würden dir gern beistehen und dich unterstützen.“

Kakashi beantwortete ihren strengen Blick mit einem nachgebenden Seufzen. „Ich habe den Eindruck, dass du mir ohnehin keine andere Wahl lassen wirst.“
 


 


 

Im Gegensatz zu der kleinen Gaststätte in Trost, in der Mikasa die letzten Tage übernachtet hatte, war die Matratze in ihrem Zimmer durchgelegen und hart. Sie sprach von all den Soldaten, die zuvor hier geschlafen hatten, bevor sie den Titanen zum Opfer gefallen waren.

All diese Gedanken huschten ihr ohne große Gefühlsregung durch den Kopf. Es war der Lauf der Dinge. Irgendwann würde auch ihre Zeit kommen – und dann würde sie Eren wiedersehen.

Zwar wusste Mikasa nicht, ob sie an etwas nach dem Tod glaubte, doch die Idee gab ihr Halt, wenn die Dunkelheit über die Feste hineinbrach und das Licht in ihrem Zimmer gelöscht wurde. Ihre Finger tasteten nach dem roten Schal, der neben ihr auf dem Kissen ruhte.

Ein raues Lachen ertönte auf der anderen Seite des Raums. „Habt ihr ihn gesehen?“

„Von dem redest du, Temari?“, erkundigte sich TenTen in der Finsternis und Mikasa schlug die Augen auf, um an die schattenbesetzte Decke zu schauen. Ein wenig Mondlicht fiel durch das Fenster, da sie die Vorhänge stets offen ließen, obwohl gerade jetzt im Winter eisiger Wind durch die Fensterritzen kroch. Doch das Tageslicht half mit dem Aufstehen, sobald der Morgen graute und man sie im Speisesaal erwartete.

„Von Kakashi Hatake natürlich. Von wem denn sonst?“

„Viel kann man von ihm mit der Maske ja nicht sehen“, meinte TenTen.

„Ich frage mich, wie er isst“, sagte Sasha, die das Bett unter Mikasa bezogen hatte. Irgendetwas raschelte, doch es war ein vertrautes Geräusch, da Sasha stets etwas aus dem Speisesaal schmuggelte, um sich einen Mitternachtssnack zu gönnen. „Spätestens dann muss er sie ja abnehmen.“

„Ich frage mich, was er zu verbergen hat“, sagte TenTen.

Temari schnaufte. „Wahrscheinlich eine Narbe, die er im Kampf erlitten hat. Immerhin hält er den Rekord von getöteten Titanen.“

„Noch“, merkte TenTen an. „Captain Levi wird ihn übertrumpfen.“

„Oder vielleicht Mikasa“, sagte Sasha, die Worte fast vollkommen unverständlich, da sie mit vollem Mund sprach.

„Da musst du dich aber noch etwas mehr ins Zeug legen, Mikasa“, richtete Temari das Wort an sie und verwickelte sie in diese unnutze Unterhaltung, da sie aus irgendeinem Grund fast immer wusste, dass Mikasa noch wach war und das Gespräch nicht vollkommen ignorieren konnte.

„Der Rekord ist mir egal“, kommentierte sie tonlos.

Abermals folgte ein leises Lachen von Temari. „Dir ist alles egal. Wie immer eben. Du holst einen gutaussehenden, berüchtigten Mann ab und flirtest nicht einmal mit ihm, wie langweilig.“

„Eigentlich kannst du nicht wissen, ob sie mit Kakashi geflirtet hat oder nicht“, warf TenTen ein, aber ihrer Stimme unterlag etwas Trockenes, was Mikasa sagte, dass sie ebenfalls nicht glaubte, dass Mikasa auch nur in der Lage war, mit jemanden zu flirten.

Wahrscheinlich hatten die beiden recht. Mikasa hatte keine Erfahrung darin, denn sie hatte nie das Bedürfnis nach etwas Dergleichen verspürt. Manchmal fragte sie sich, ob etwas nicht mit ihr stimmte. Andere Soldatinnen in ihrem Alter ließen sich auf das gelegentliche Techtelmechtel ein, das war kein Geheimnis, obwohl das Regelbuch dies untersagte. Aber Mikasa nahm an, dass man nichts zu verlieren hatte und den Moment genießen wollte, wenn man bei der nächsten Mission garantiert zerfetzt und gefressen wurde. Also fand man Trost in einer anderen Person, ein wenig so, wie Mikasa emotionalen Trost in Eren gefunden hatte, als sie noch Kinder gewesen waren.

Mikasa zog die Decke höher, hinauf bis zum Kinn, bevor sie abermals die Augen schloss und sich der plötzlichen Müdigkeit hingab, anstatt Temari und TenTen weiter zuzuhören.

Doch ihr Schlaf war nicht traumlos und ruhig, sondern gefühlt mit bruchstückartigen Erinnerungen, in denen sie auf hartem Asphalt erwachte. Schmerz schlug wie ein Blitz in ihrem Körper ein, als sie sich aufsetzte. Es war dunkel und Arnim, das Gesicht dreckig und tränenverschmiert, saß neben ihr.

„Wo ist Eren?“, platzte es aus ihr heraus und jedes Wort fühlte sich wie zersplittertes Glas in ihrem Mund an. Sie hustete, eine Emotion kratzte in ihrem Hals und erschwerte das Atmen.

„Mikasa...“, murmelte Arnim. „Eren... Eren ist... Er ist tot.“

Sie starrte ihn an, bis die Worte zäh in ihren Kopf sickerten. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen und das Herz in ihrer Brust setzte einen Schlag aus. Ihre Finger krallten sich in ihre Haare, als sie sich an den Kopf fasste und die Augen schloss, da sie wieder das Bewusstsein verlieren wollte. Vielleicht würde sie dann richtig aufwachen und da sein, wo Eren war.

Erst als Armins Arme sich um ihre Schultern schlagen und sie mit einer Kraft festhielten, die man ihm nicht zutraute, spürte sie die Tränen auf ihren Lippen, hörte sie den krächzenden Schrei, der aus ihrer Kehle drang.

Der Griff um ihre Schultern wurde fester, schmerzhaft fest, bis es ihr die Lungen abschnürte. Mikasa schnappte nach Luft und kämpfte gegen die Arme an, bis sie sich auflösten und von der Dunkelheit verschluckt wurden, die auch den steinernen Boden und den sternenklaren Himmel verschluckte.

„Jedenfalls glaube ich nicht, dass irgendetwas Gutes für uns hinter den Mauern existiert“, echote Kakashis Stimme wieder und sein schemenhaftes Abbild manifestierte sich in der Finsternis, in der Mikasa zusammengekauert saß.

Die Panik schlug ihr bis zum Hals und hielt sie an Ort und Stelle gefangen. ‚Aber hier gibt es auch nichts’, wollte sie sagen, aber kein Wort schaffte es aus ihrem Mund, die Lippen bebend aufeinander gepresst.

Obwohl es dunkel war und Kakashi nichts als eine Silhouette war, sah Mikasa seinen resignierten Blick, der auf ihr ruhte, die Hände in den Hosentaschen ruhend, während er die blutverschmierte Uniform des Aufklärungstrupps trug. Er nickte, als hätte ihre Gedanken gehört, als würde er ihr zustimmen, als gebe es tatsächlich keinen Ort für sie, ganz gleich auf welcher Seite der Mauer sie sich befanden.

Mikasa schreckte japsend aus dem Schlaf.

the plan.

Der Morgen brach mit Schnee an. Selbst in der Feste, in der die Kamine entzündet worden waren, herrschte eine eisige Kälte, eine, die im Laufe des Winters nur schlimmer werden würde.

Levi war zwar kein Fan der bitteren Winter, aber er musste sich eingestehen, dass sie ihn ausnahmsweise weniger störten. Das lag vermutlich daran, dass sie genügend andere Probleme hatten, die weitaus schwerwiegender waren.

Vielleicht hatte es aber auch etwas mit der ungewöhnlichen Beziehung zu tun, die er mit Sakura eingegangen war. Konnte man das überhaupt so nennen? Sie hatte nicht darüber gesprochen, seit sie sich oben im Turm geküsst hatten.

Er hatte es nicht einmal geplant, niemals vorgehabt, sondern war stets davon ausgegangen, dass diese Dinge nur etwas für Zivilisten waren und ihm daher verwehrt bleiben würden. So sollte es immerhin sein. Sie lebten für das Militär und starben für es, niemals für jemand anderen. Erwin hatte ihm dies gelehrt, als er der Frau, die er einst geliebt hatte, den Rücken gekehrt hatte. Andererseits war da Kurenai, die nach ihrem Sohn hatte schicken lassen und seitdem über Erwin wachte.

Als Levis Blick durch den Speisesaal wanderte, blieb er unwillkürlich an Sakura hängen, die mit dem Rest ihres Teams an einem der langen Tische saß. Sie sah auf, als hätte sie seinen Blick auf ihrer Haut gespürt oder aber nach ihm Ausschau gehalten.

Ein Schauer durchfuhr seinen Körper, als Sakura die Hand hob und ihn lächelnd herüberwinkte. Obwohl er es für gewöhnlich bevorzugte, in seinem Arbeitszimmer zu frühstücken, hatte er des Öfteren auch schon mit den Soldaten zusammengegessen. Meist nervten ihn nur die Unterhaltungen der Rekruten, die sich nicht selten um Themen wie das Wetter handelten, wenn diese in seiner Gegenwart überhaupt den Mund aufbekamen.

Doch als er den Tisch erreichte, unterbrach Eld sein Lachen nicht, sondern rutschte lediglich zur Seite, um Levi Platz auf der Sitzbank zu machen. „Oluo, erzähl es noch mal für den Captain!“

„Ich hoffe, es ist eine gute Story“, mahnte Levi halbherzig, als er einen Schluck Tee nahm, den Blick über den Tassenrand auf Sakura gerichtet, die neben Petra auf der anderen Tischseite saß.

Ein leichter Rotschimmer bildete sich auf ihren Wangen, doch diese konnte genauso gut vom Lachen stammen, auch wenn Levi bezweifelte, dass Oluos Erzählungen ihn genauso erheitern würden.

„Einer der Rekruten – ich werde extra den Namen weglassen, damit er nicht in Schwierigkeiten gerät--“, begann Oluo.

„Oder sie. Es könnte genauso gut ein weiblicher Rekrut gewesen sein“, warf Petra ein.

Sakura schnaubte belustigt. „Ich denke, dass wir Captain Levi damit nicht täuschen können.“

„Wenn ihr so weiter macht, habe ich fertig gefrühstückt, bis Oluo mit der Geschichte herausrückt“, meinte Levi und schmierte sein Brotchen.

„Oh, Kakashi, hierher!“, rief Sakura aus und stand auf, um die Aufmerksamkeit des neuen Kommandanten auf sich zu ziehen, ehe sie ihn ebenfalls heranwinkte.

Zwar hatte Levi gehört, dass Kakashi Hatake tatsächlich eingetroffen und das Kommando an sich gerissen hatte, doch begegnet war er dem Mann bisher noch nicht. Laut der Legenden und Gerüchten, die sich um ihn rankten, hatte Levi ihn sich etwas Eindrucksvoller vorgestellt. Scheinbar hatte er Kakashi überschätzt, denn der Mann war schlank und hochgewachsen, aber schien etwas verwirrt, als er dort verloren im Speisesaal stand und letztendlich zu ihnen hinübergeschlendert kam.

„Guten Morgen“, begrüßte er die Gruppe freundlich und ein Lächeln zeichnete sich unter der dünnen Stoffmaske ab, die seine untere Gesichtshälfte bedeckte. War er krank und ansteckend, oder was gab es für einen Grund, eine solche Maske zu tragen?

Levis Augenbraue zuckte.

„Rück dir einen Stuhl heran, Kakashi“, schlug Sakura vor, während es still am Tisch geworden war. Selbst Oluo erzählte seine Geschichte nicht weiter. Dieselbe Reaktion, die ihm viele Soldaten entgegen brachten, galt nun Kakashi Hatake, der sachte den Kopf zur Seite neigte.

„Vielleicht ein anderes Mal, Sakura“, sagte er, sein Tablett tragend. „Es gibt noch etwas Papierkram, den ich für Hanji beenden soll. Und ich bin sicher, dass sie mein Zimmer nicht verlassen wird, bevor ich es getan habe.“

„Das Vierauge kann stur bei solchen Sachen sein“, murmelte Levi, wobei Hanji selbst nicht sonderlich viel für Berichte und Papierkram übrig hatte, bezogen sich diese nicht auf einen interessanten Aspekt ihrer Nachforschungen.

Kakashis Blick kam auf ihm zum Ruhen. „Captain Levi, wenn ich mich nicht irre?“

„Genau der.“

Abermals lag ein Lächeln auf den bedeckten Lippen des anderen Soldaten, wahrscheinlich eine Eigenart, die er sich nach seinem feigen Abgang bei dem Aufklärungstrupp angeeignet hatte. Da hatte er Zeit und Nerven dafür gehabt. „Hanji hat mir schon viel von Ihnen erzählt, Captain.“

„Das ist nichts Neues, wobei ich nicht alles glauben würde, was die Brillenschlange von sich gibt“, meinte Levi und trank seinen Tee.

„Wir sehen uns später“, sagte Kakashi nach einem Moment der Pause und sprach in die kleine Runde hinein, doch Levi erhaschte einen knappen Seitenblick, der in Sakuras Richtung ging – und fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt.

Die Erinnerung an ihr nächtliches Gespräch damals in der Höhle kehrte klar und deutlich zu Levi zurück, die Unterhaltung über Kakashi und Sakuras merkwürdige Reaktion, als er den Tod der Frau und seinen Ausstieg aus dem Aufklärungstrupp erwähnt hatte. Sie war minimal gewesen, kaum der Rede wert und Levi hatte sich nichts dabei gedacht, aber nun war er sich sicher.

Es traf ihn wie ein Faustschlag: Sakura und Kakashi verband mehr als nur Freundschaft.

Für einen langen Moment sah er diesem Kakashi Hatake hinterher, der schon längst durch die breiten Türen des Speisesaals getreten und auf den Steintreppen verschwunden war.

„Captain?“, fragte Eld. „Hörst du überhaupt zu, Captain?“

Levi richtete den Blick in seine halbleere Teetasse, bevor er diese in einem weiteren Zug austrank und sich erhob. „Wenn die Geschichte spannend genug wäre, würde ich auch zuhören“, raunte Levi, bevor er ging.
 


 


 

Der Umschwung war so schnell, dass Sakura im ersten Moment nicht sicher war, was geschah. Eine Sekunde strahlte Levi noch Ruhe und Gelassenheit aus, in der nächsten waren seine Schultern angespannt und sein ausdrucksloses Gesicht hart. Auch sein Frühstück blieb nur halb aufgegessen zurück, etwas, dass nicht in sein Verhaltensmuster passte, auch wenn sie noch nie gemeinsam gefrühstückt hatten.

Sie schaute zu Petra hinüber, die jedoch genauso verwirrt mit den Schultern zuckte, während Eld und Oluo ein neues Gespräch anfingen, obwohl auch ihre Blicke ihrem Captain folgten, als dieser den Speisesaal verließ.

Hatte es mit Kakashis Auftauchen zu tun gehabt? Aber warum? Immerhin hatte Kakashi versucht freundlich zu sein und es war Levi gewesen, der ihn sichtlich abgewiesen hatte, weil…

Sakura biss sich auf die Unterlippe, denn sie konnte sich noch sehr gut an die damalige Unterhaltung in der Höhle erinnern. Sie kannte Levis Meinung über Kakashi, wusste, dass Levi ihn für einen Feigling hielt, obwohl Kakashi alles andere als das war. Kakashi war ihr bester Freund und so viel mehr als das, er war… Oh.

Sakura ließ das Messer sinken, mit dem sie die andere Hälfte ihres Brötchens schmieren wollte. Hatte Levi etwa…? War er…? Sie konnte den Gedanken nicht einmal beenden, denn das würde bedeuten, dass sie sich mit den Konsequenzen auseinandersetzen müsste.

War sie denn so auffällig gewesen?

„Sakura?“, fragte Petra vorsichtig.

Sakura sah blinzelnd auf. „Was?“

Petra lächelte. „Alles in Ordnung?“

„Oh, ja, mach dir keine Gedanken. Ich habe nur vergessen, dass ich noch etwas zu erledigen habe“, plapperte Sakura und stand auf. „Wir sehen uns später in der Bibliothek.“ Mit diesen Worten und den Blicken ihres restlichen Teams im Rücken eilte Sakura aus dem Speisesaal und die Steintreppen hinauf. Von Levi war keine Spur mehr zu sehen, doch es gab nicht viele Orte, an denen Sakura ihn so früh am Morgen vermutete: höchstens in einer Besprechung, bei Erwin, im Speisesaal oder in seinem Arbeitszimmer. Wenn er sich bei Erwin aufhielt, konnte sie nichts dagegen tun, weshalb sie stattdessen den Weg zu seinem Zimmer einschlug.

Doch was würde sie sagen? Sollte sie einfach mit der Tür ins Haus fallen? Alle Karten auf den Tisch legen, obwohl sie nicht einmal mit Genauigkeit wusste, ob ihre Beziehung zu Kakashi der Grund für seine stille Wut gewesen war? Vielleicht war es etwas völlig anderes gewesen, etwas, was nicht mal etwas mit Sakura zu tun hatte und sie machte sich vollkommen umsonst Sorgen. Dieses Risiko musste sie wohl eingehen.

Ihre Hände formten sich zu Fäusten, als sie sich Levis Zimmertür annäherte. Ihr darauffolgendes Klopfen klang so energisch, dass Sakura im nächsten Moment in ihrer Haltung einfror.

Was tat sie hier eigentlich? Lehnte sie sich nicht zu weit aus dem Fenster?

Die Tür öffnete sich und Levi stand vor ihr, das Gesicht unleserlich.

Sakuras Herz schlug Purzelbäume in ihrer Brust, während sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Unglaublich, dass Levi nach wie vor diese Wirkung auf sie hatte...

„Darf ich reinkommen?“

Schweigend trat Levi zur Seite, um ihr Einlass zu gewähren. Es war nicht das erste Mal, dass Sakura sich in Levis Zimmer wiederfand, doch ihre Beziehung zueinander hatte sich verändert. Das hoffte sie jedenfalls, denn direkt darüber geredet hatten sie bisher nicht.

Ihr Blick blieb an Levis Bett hängen, als sie nahe der Tür zum Stehen kam. Es war ordentlich zugerichtet, die Decke an jeder Stelle straffgezogen.

Derweil kehrte Levi zu seinem Schreibtisch zurück, um die dort aufgeschlagene Akte zu schließen. Obwohl Sakura aus der Ferne nichts hatte erkennen können, sagte ihr ihr Instinkt, dass die Unterlagen etwas mit Kakashi zu tun haben könnten.

„Du bist so schnell verschwunden“, sagte Sakura, während Levi neben dem Schreibtisch stehen blieb, sich an dessen Kante mit einer Hand abstützend.

„Mir war der Appetit vergangen.“

„Wegen Kakashi?“

Für einen kurzen Moment schloss Levi die Augen. „Nein. Aber ich frage mich, wann du mich darüber informiert hättest, dass dich mehr als nur eine Mentor-Schüler-Beziehung mit ihm verbindet.“

Obwohl es Sakura erstaunte, dass Levi das Thema so frei heraus anschnitt, überraschte es sie mehr, dass sie weder Wut noch Ungeduld aus seinem Ton heraushörte. Er war furchtbar sachlich. Bei der Gleichgültigkeit zog sich ihr das Herz zusammen. Nur ihr Verstand sagte ihr – erhoffte sich -, dass seine Reaktion von etwas anderem ausgelöst wurde.

„Das war vor dem Aufklärungstrupp“, entwich es Sakura, obwohl es weder Antwort noch Erklärung darstellte. „Jetzt ist es anders.“

Levis Blick blieb unnachgiebig. „Weiß er das?“

„Ich hatte noch vor mit Kakashi in einem ruhigen Moment darüber zu sprechen. Und mit dir auch“, sagte Sakura. „Wenn du glaubst, dass ich jemanden einfach küsse, ohne dass ich etwas fühle, dann irrst du dich.“ Abermals fühlten sich ihre Wangen heiß an, denn dieses Geständnis verlangte ihr eine Menge ab. Das letzte Mal, dass sie jemandem ihre Gefühle gestanden hatte, wurde ihr mit einem kalten, ironischen Lächeln geantwortet, mit kalten Worten, die ihr Sein bis auf die Grundmauern erschüttert hatte.

„Zusammen mit Sasuke macht das bald drei Liebhaber hier“, zählte Levi tonlos auf. „Gibt es noch ein paar weitere, von denen ich wissen sollte?“

„Es gibt nur einen, den ich haben möchte.“

Sakura brach den Blickkontakt und sah auf ihre Schuhe hinunter. Es war dumm vor ihr gewesen, sich erneut blind von ihren Gefühlen steuern zu lassen. Nicht nur das, aber das hier war nicht die Akademie, sondern eine wichtige Militäreinheit. Wahrscheinlich gab es Regeln für solche Dinge, vermutlich waren Liebschaften unter Soldaten überhaupt erlaubt und Sakura hatte sie gleich mehrmals gebrochen. Absichtlich oder unabsichtlich spielte dabei keine Rolle, sollte Erwin davon erfahren.

Nein, nicht Erwin, sondern Kakashi.

Würde er sie aus dem Aufklärungstrupp schmeißen müssen?

Was würde er ihr über sie denken, wenn sie es ihm sagte? Wenn er es auch von allein herausfand?

Sakuras Mund fühlte sich staubtrocken an. Ihr war schwindelig, als die Sekunden verstrichen und Levi nichts sagte, als ihr das Ausmaß der Situation und der ihrer Emotionen bewusst wurde.

So sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, merkte sie erst, dass Levi sich bewegt hatte, als dieser direkt vor ihr stand. Sie sah auf und fand etwas Weiches in Levis Augen.

„Gut“, sagte er. „Wir können uns keine Ablenkungen erlauben. Eine ist mehr als genug.“

Ein Teil von ihr versuchte die Bedeutung seiner Worte zu entschlüsseln, doch da legten sich seine Hände bereits an ihre Wangen und seine Lippen pressten sich auf ihre.

Oh.

Vielleicht konnte ihre Fragen und Besorgnisse noch etwas warten. Sie konnte Levis Worte auch später entschlüsseln.

Sakura zog ihn am Kragen seiner Uniformjacke näher an sich, ehe sie Levi diese von Schultern strich und er sich von ihr löste, bis sie raschelnd zu Boden fiel.

Es eilte auf keinen Fall. Im Moment gab es weitaus wichtigere Dinge, mit denen Sakura sich beschäftigen wollte.

Wie sie es hinüber zu Levis ordentlich gemachten Bett schafften, wusste Sakura nicht, doch sie spürte die Kante plötzlich in den Kniekehlen. Levi folgte ihr auf das Bett, als sie nach hinten rutschte, blieb dicht bei ihr, während Lippen ihren Kiefer und Hals hinabwanderten. Er strahlte eine Hitze aus, denn auch wenn es oftmals so wirkte, so war nichts an Levi kalt.

Sakura hielt an ihm fest, die Arme eng um die muskulösen Schultern geschlungen, während sie sich küssten und Levis Hand an ihrem Schenkel ruhte, bis sie das Bein anwinkelte und seiner Hüfte hinaufklettern ließ.

Selbst durch ihre Kleidung hindurch jagten die Berührungen einen elektrisierenden Schauer durch Sakuras Körper und wischten sämtliche Gedanken, die sich nicht um Levi drehten, mit einem Mal fort.
 


 


 

Es war still im Zimmer, doch Kakashi spürte dennoch Hanjis intensiven Blick auf seiner Haut, der ihn förmlich zu durchbohren schien. Sein Griff um die Akten, welche die Berichte enthielt, die sie sowie Sakura über die Funde außerhalb der Mauern, verfasst hatten. Mit der anderen Hand nahm er die Tüte auf, welche die Menschenknochen enthielt und sah sie sich näher an.

Noch immer schien es surreal, dass diese draußen gefunden worden waren. Wie oft hatten sich die Scouts hinter die Mauern gewagt und rein gar nichts gefunden? Hatten dafür alle die Soldaten ihr Leben gelassen?

„Und du bist sicher, dass diese Knochen nicht einfach unseren Vorvettern vor der Titanenplage gehört haben konnten?“, fragte Kakashi, da er annahm, dass es irgendwann eine Zeit ohne Titanen gegeben haben musste. Zwar wussten sie rein gar nichts darüber, doch es war kein Geheimnis, dass die Vergangenheit der Menschheit ein wenig verwischt und schwammig war.

Auf Hanjis Lippen tat sich ein triumphierendes Grinsen auf. „Auf keinen Fall. So alt ist Harry noch nicht. Die Untersuchung hat ergeben, dass er vor nicht mal fünfzig Jahre gestorben ist. Es ist also der Beweis, dass Menschen noch da draußen leben.“

Kakashi legte die Tüte wieder auf den Untersuchungstisch mit der flackernden Kerze, welche das Dunkel erhellte. „Oder dass sie es zumindest vor knapp fünfzig Jahren noch getan haben. Jedenfalls hast du richtig entschieden. Das ist tatsächlich etwas, was wir weiterhin unter Verschluss halten sollten.“

Die Regierung würde nicht gut darauf reagieren und es gab genug Menschen, die diese Funde zerstören würden, bevor sie verstanden, was genau sie bedeuteten.

„Ich bin froh, dass du das so siehst, Kakashi“, sagte Hanji und schielte zur Uhr hinüber. „Die anderen sollten auch jeden Moment eintreffen. Ich nehme an, dass du einen Plan hast?“

Kakashi wiegte den Kopf zur Seite. „Es ist keiner, der mir gefällt“, gestand er, doch selbst nach dem er über all die Berichte gebrütet und die ganze Nacht wachgelegen hatte, war ihm nichts besseres eingefallen. Nichts, was funktionieren konnte, wenn sie so wenig Zeit und Ressourcen zur Verfügung hatten. „Aber du hattest recht, was du über Historia Reiss gesagt hast.“

Ein Leuchten trat in Hanjis Augen und ihre Wangen erröteten vor Aufregung. Für einen Moment sah sie aus, als wollte sie Kakashi am Arm packen und schütteln, doch stattdessen schlug sie mit den Handflächen geräuschvoll auf den Tisch, so dass die Kerze wackelte und heftiger flackerte. „Du glaubst also auch, dass sie uns als einziges aus diesem Schlamassel herausholen kann?“, fragte sie. „Ein Coup, wie aufregend!“

Kakashi unterdrückte ein Seufzen. „Ich glaube, dass die rechtmäßige Regierung auch regieren sollte und das ist nun mal Historia Reiss.“ Doch das brachte seine Gefahren mit sich, die nichts mehr nur mit dem Auflösen des Aufklärungstrupps zu tun hatte. Sie redeten hier von Verrat und sie wussten alle, wie dieser bestraft wurde.

Ein leises Klopfen ertönte an der Tür und Kakashi sah zu ihr hinüber, bevor Hanji bereits loshuschte, um die anderen hineinzulassen. Sie alle fanden sich am hinteren Tisch von Hanjis Labor wieder und Kakashi sah sich in dem kleinen Kreis um, der nicht mehr Personen als nötig umfasste.

Erwin hatte ihm in seinem Brief versichert, dass er vollstes Vertrauen in Hanji und Levi hatte und Kakashi vertraute den Menschenkenntnissen seines alten Freundes. Doch Sakura und Mikasa genossen sein Vertrauen, weshalb er sie ebenfalls zu diesem abendlichen Treffen eingeladen hatte.

„Wie ich Hanji bereits erklärt habe, ist Historia Reiss die einzige, die die Militärpolizei dauerhaft davon abhalten kann, den Aufklärungstrupp auszulösen. Daher werden wir dafür sorgen, dass sie ihren rechtmäßigen Thron wieder einnehmen wird. Auch wenn dieser vorerst hier sein wird, anstatt in der Hauptstadt“, weihte Kakashi sie in seinen Plan ein, wobei er selbst wusste, wie verrückt sich dieser anhören würde.

Nur Hanji schien begeistert zu sein, denn Sakuras Stirn kräuselte sich besorgt, während Levi die Arme verschränkte und unbeeindruckt dreinblickte. Mikasas Gesicht konnte er dagegen gar nicht erst entschlüsseln.

„Du willst sie herbringen? Wo es hier von der Militärpolizei wimmelt?“, meinte Levi.

„Ich muss wohl nicht sagen, dass das nicht ohne Verluste passieren wird“, sagte Kakashi. „Aber es ist immer noch der sicherste Ort. Hier haben wir den Heimvorteil.“

„Und sobald wir die Militärpolizei losgeworden sind, ist die Festung auch ziemlich abgesichert“, warf Hanji ein. „Ein Coup, sagte ich doch! Ein stille Coup für den Moment.“ Sie lachte und selbst in Kakashis Ohren klang es ein wenig manisch.

„Wer sagt, dass Historia Reiss da mitspielt?“, fragte Levi.

Kakashis Blick wanderte kurz zu Mikasa hinüber, die ihn aus dunklen Augen erwiderte. „Deshalb möchte ich, dass Mikasa geht und sich mit ihr trifft.“ Er wandte sich ihr zu. „Historia kennt dich. Wenn ich die Berichte richtig verstanden habe, vertraut sie dir.“

„Okay“, sagte Mikasa lediglich.

„Levi, ich möchte, dass du sie begleitest“, wandte sich Kakashi anschließend an den Mann, der ihm noch immer nicht freundlicher gesinnt war. Vielleicht lag es daran, dass Kakashi gerade erst die Führung übernommen hatte, doch Kakashi vermutete, dass da mehr dahinter steckte. Immerhin wusste er, dass er mit seiner Vergangenheit nicht bei jedem Soldaten der Scouts beliebt war. „Morgen brecht ihr auf. Benutzt die Geheimgänge.“

Mikasa blinzelte. „Geheimgänge?“

„Die meisten wissen das nicht, aber die Festung wimmelt nur so von geheimen Gängen“, erklärte Hanji mit erhobenem Zeigefinger. „Es gibt mindestens zwei andere Ein- und Ausgänge aus dem Schloss. Eben genau für solche Fälle.“

„Praktisch“, kommentierte Sakura und Levi betrachtete sie aus den Augenwinkeln heraus.

„Das klingt nicht wie ein Auftrag für zwei Leute“, sagte Levi dann. „Mein Team wird uns begleiten.“

„Sakura sollte ihr Bein weiterhin ausruhen“, gab Hanji zu bedenken und sah zu dem Gehstock hinunter.

Sakura senkte den Blick und aufmunterte Worte steckten in Kakashis Kehle, doch da fand Levis Hand bereits den Platz auf ihrer Schulter. Die Berührung war kurz und knapp, schaffte es aber, dass sich Sakuras Gesicht aufhellte.

Ein weiteres Klopfen ertönte an der Tür. Diesmal war es Kakashi, der sie öffnen ging, um sich mit einem Mitglied von Levis Team konfrontiert zu sehen. Er erkannte sie wieder, da sie heute Morgen neben Sakura am Frühstückstisch gesessen hatte. Die rothaarige Soldatin salutierte. „Sasuke Uchiha und seine Einheit sind gerade eingetroffen“, verkündete sie.

Kakashi nickte langsam. Es war zu erwarten gewesen, auch wenn er sich gewünscht hätte, dass sie noch etwas mehr Zeit gehabt hätten. „Dann wollen wir unsere Gäste begrüßen gehen“, sagte er an die anderen gerichtet, wobei sein Blick an Sakura hängen blieb, da sie beide die Einzigen waren, die eine gemeinsame Vergangenheit mit Sasuke teilten.

change of plans.

Obwohl Kakashis untere Gesichtshälfte von dünnem Stoff bedeckt war, verwandelte die Winterluft seinen Atem in weißen Nebel. Mit der Dunkelheit waren auch die Temperaturen weiter gesunken. Ein Frösteln ging durch seinen Körper und die Sehnsucht nach dem warmen Ramenschop in Trost erfasste ihn für einen Moment.

„Ich habe gehört, dass du die Führung hier an dich gerissen hast, Kakashi“, begrüßte Sasuke ihn, als dieser in einen Wintermantel mit dem Abzeichen der Militärpolizei über den Innenhof der Feste schritt. Eine kleine Gruppe Soldaten folgte ihm vom Stall hinüber.

Kakashi kratzte sich am Hinterkopf. „Ich hatte gehofft, dass es eine Überraschung für dich werden würde.“

Ein raues Lachen ertönte hinter ihnen. „Dachtest du wirklich, dass ich ihm keinen Reiter entgegen schicken würde?“

Kiun Uchiha bahnte sich den Weg zwischen Hanji, Levi, Mikasa und Sakura hindurch. Das triumphierende Grinsen auf Kiuns Lippen bereitete Kakashi Kopfschmerzen.

„Gehofft, nicht gedacht“, korrigierte Kakashi.

Kiun klopfte ihm als Antwort im Vorbeigehen auf den Rücken.

„Es hätte keinen Unterschied gemacht“, verkündete Sasuke. Sein ausdrucksloser Blick wanderte von Kakashi zu Sakura hinüber. Obwohl Kakashi seinen ehemaligen Schüler aus den Akademietagen besser kennen sollte, erwartete er eine Emotion in seinem blassen Gesicht zu sehen, nun da er der Frau gegenüberstand, die ihn einst aufrichtig geliebt und alles für ihn getan hätte. Doch die steinerne Maske, die nichts von Sasukes Gedanken preisgab, blieb erhalten. Wahrscheinlich hatte Kakashi da einfach etwas aus eigener Erfahrung auf Sasuke projiziert, was mit seinem plötzlichen Aufenthalt bei den Scouts zusammenhängen könnte. Alles hier brachte längst verdrängte Erinnerungen ans Tageslicht, viele davon so klitzeklein, dass Kakashi angenommen hatte, sie längst vollkommen vergessen zu haben.

„Jetzt, da die Expeditionen hinter die Mauern gestrichen sind, wirst du wohl doch nicht von einem Titanen gefressen werden, Sakura“, sagte Sasuke, als setzte er eine Unterhaltung fort. „Du hast Glück gehabt.“ Obwohl er nicht spezifizierte, worauf er anspielte, verengten sich Sakuras Augenbrauen.

„Ich hoffe, du bist nicht den ganzen Weg hierher geritten, um ihr das zu sagen“, entwich es Levi unbeeindruckt, der an ihrer Seite stand.

„Du solltest aufpassen, wie du mit unserem Kommandanten sprichst“, blaffte einen der Soldaten.

Kakashi räusperte sich. „Ich denke, die Kälte setzt uns allen zu. Wir sollten dieses Gespräch drinnen weiterführen.“

„Kakashi hat recht“, fügte Kiun hinzu und rieb sich die Hände, deren Knöchel von Arthritis geschwollen waren.

„Wir haben Tee“, flötete Hanji. „Tee besänftigt das Gemüt. Levi weiß das am besten.“ Ihre Worte endeten in einem Lachen, das manisch klang und von dem Kakashi annahm, dass es gekünstelt war, um die Mitglieder der Militärpolizei zu versichern, dass die Scouts nur ein verrückter Haufen von lebensmüden Soldaten waren, die ihnen nicht zur Gefahr werden konnten. Aber vielleicht interpretierte Kakashi auch zu viel in ihr Verhalten hinein, so ganz konnte er das noch nicht beurteilen.

Levi schnaubte, bevor er sich abwandte und die Stufen zum Eingang hinaufstieg. Nach und nach setzten sich auch alle anderen in Bewegung.

„Kiun“, sagte Sasuke, als sie die riesige Halle betraten und zwei Scouts die Türen hinter ihnen schlossen, um die Kälte auszusperren. „Wieso ist Erwin noch nicht nach Wall Sina transferiert worden?“

Kiun holte mit ihnen auf, bis sie inmitten der Halle zum Stehen kamen. Der alte Mann warf Kakashi einen scharfen Blick zu. „Kakashis Eintreffen hat alles etwas verkompliziert und herausgezögert.“

„Ist es wirklich nötig, Erwin in die Hauptstadt zu verlegen?“, erkundigte sich Hanji und rückte ihre Brille gerade. „Er liegt im Koma. Spielt es da wirklich eine Rolle, wo er medizinisch versorgt wird? Muss man nicht sowieso warten, bis er aufwacht, um ihn anklagen zu können?“

Sasuke beäugte sie für eine Weile stumm. „Es mag nur eine formelle Sache sein, aber das ändert nichts an ihrer Wichtigkeit. Das sollte selbst eine Soldatin des Aufklärungstrupps wissen.“

Kakashis Hand landete auf Hanjis Schulter, als diese die Wangen aufplusterte. „Wir stehen den Regulationen nicht im Weg.“

„Gut. Kiun, organisiere ein Team und eine Kutsche, um Erwin morgen früh nach Mitras zu bringen“, sagte Sasuke. „Sakura, du kannst mir meine Räumlichkeiten zeigen.“

Mit strammen Schultern steuerte Sakura die breite Steintreppe an. „Hier entlang“, sagte sie und Sasuke folgte ihr die Stufen hinauf. Auf halbem Weg hielt er noch einmal inne, um sich zu ihnen umzudrehen. „Ich wusste, dass du uns keine Steine in den Weg legen würdest, Kakashi“, sagte er noch und seine Mundwinkel zuckten. „Die Gerüchte über dich scheinen der Wahrheit zu entsprechen. Du hast deinen Biss verloren.“

Sasuke ging weiter, selbst Sakura abhängend, die kurzeitig auf der Stufe eingefroren war.

„Du liegst falsch“, sagte Mikasa und trat einiger Schritte vor. „Erwin hätte Kakashi sonst nicht als Nachfolger ausgewählt.“

Ihre tonlosen Worte ließen Sasuke ein weiteres Mal innehalten. Es war nur ein Zögern, welches einen Sekundenbruchteil anhielt, ehe er die restlichen Stufen erklomm, so dass Sakura schweigend hinter ihm hereilen musste.

Kiun stieß ein raues Lachen aus, als die beiden verschwunden waren. „Er scheint etwas gegen dich zu haben, Kakashi.“

„Hat Sasuke nicht gegen fast jeden etwas?“, fragte Kakashi, bevor er eine einladende Bewegung in die Richtung des Speisesaals machte. Nur einen kurzen Seitenblick in Mikasas Richtung konnte er sich nicht verkneifen, da er einfach nicht erwartet hatte, dass ausgerechnet sie Partei für ihn ergreifen würde. „Ich glaube, Hanji hat etwas von Tee zum Aufwärmen erzählt.“

„Genau!“, entwich es dieser und sie stürmte los. „Folgt mir. Wir werden euch richtig einheizen und dann werdet ihr euch gar nicht mehr daran erinnern, dass draußen Winter herrscht.“

Die Soldaten der Militärpolizei wechselten skeptische Blicke aus, doch setzten sich langsam in Bewegung. Selbst Kiun folgte ihnen, während er sich an Mikasa wandte. „Du hast ein ganz schön freches Mundwerk, junge Frau.“

Levi verweilte neben Kakashi, bis sich etwas Abstand zwischen der kleinen Gruppe aufgetan hatte. Eindringlich sah er Kakashi an. „Ich werde nicht zulassen, dass sie Erwin mitnehmen.“

„Wir überlegen uns etwas“, versprach Kakashi, denn keiner von ihnen konnte sich erlauben, eigenhändig zu handeln und ihre ohnehin riskanten Pläne versehentlich zum Einsturz zu bringen. Allerdings wäre jeglicher Protest auf Sasukes Befehl ohnehin auf taube Ohren gestoßen und hätte die Situation nur verschlimmert. Sasuke mochte recht damit haben, dass Kakashi nicht mehr der gnadenlose Soldat von damals war, doch er wollte daran glauben, dass es noch nicht ganz so schlimm um ihn stand. Diesen Konflikt würden sie nämlich nicht gewinnen, weil ihnen ein gewisser Ruf vorauseilte, sondern nur durch taktisches Denken und dem Ausnutzen der Schwächen der anderen. Es war ein Spiel, das Kakashi nicht spielen wollte, aber ihm blieb keine andere Wahl, da sie sich längst mittendrin befanden und Sasuke dies nur noch nicht mitbekommen hatte.
 


 


 


 

„Das ist dein Plan?“ Levi machte sich nicht die Mühe, die Skepsis aus seiner Stimme zu halten, obwohl er wusste, dass die Idee nicht aus der Luft gegriffen war. Der Plan war riskant, aber machbar - und Erwin fast würdig.

Kakashi betrachtete ihn über seinen Schreibtisch hinweg. „Vorausgesetzt, du hast ein paar fähige Soldaten im Sinn, die dem Aufklärungstrupp angesichts der Umstände loyal bleiben.“ Obgleich der lapidaren Worte las Levi die Ernsthaftigkeit von Kakashis Zügen ab, was Levi versicherte, dass Kakashi sich diesen Plan wirklich nicht gerade aus dem Ärmel geschüttelt hatte, um Levi bei Laune zu halten.

Levi nickte knapp.

„Gut“, sagte Kakashi und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Dann überlasse ich dir alles weitere, was diese Sache betrifft. Ich werde nur Hanji einweihen, bevor sie auf die Barrikaden geht.“

„Das Vierauge ist immer furchtbar dramatisch“, erwiderte Levi, ehe er sich abwendete und die Tür ansteuerte. In dieser Hinsicht konnte Levi es ihr jedoch nicht ankreiden, nicht wenn es dabei um Erwin und diesem Uchiha-Sprössling ging, der tatsächlich dachte, dass sie es zulassen würden, dass sie Erwin fortschafften.

Kakashi ließ ihn wortlos gehen und Levi folgte den dunklen Gängen zu den Quartieren der Soldaten, die einen anderen Flügel als Kakashi bewohnten. Da Levi jeden Winkel dieser Feste kannte, brauchte er kein Licht und musste daher auch nicht grundlos auf sich aufmerksam machen, sollten die Untergebenen des Sasuke noch irgendwie herumlungern.

Der Mond hang als breite Sichel am Himmel, aber bekam nur hin oder wieder die Gelegenheit, zwischen den Schneewolken hindurchzuscheinen. Aber in diesem Augenblick spendete er Levi doch etwas Helligkeit, als er das erste Zimmer erreichte. Anstatt zu klopfen, wie es sonst so üblich war, schlüpfte Levi in den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Eines der Betten befand sich direkt links neben der Tür und Levi zog dem Schlafenden nonchalant die Decke vom Körper.

„Hey. Hey, Armin“, raunte Levi und rüttelte wirsch an der Schulter des blonden Soldaten, der schon bei den früheren Missionen sein analytisches Denkvermögen unter Beweis gestellt hatte. „Wach auf. Schlafen kannst du auch noch, wenn du tot bist.“

Armin zuckte zusammen und setzte sich nach Luft schnappend auf, weiter zur Wand und somit von Levi fortrückend. „C-Captain“, wisperte Armin atemlos und seine Finger tasteten blind über die Matratze, um nach der Decke zu suchen.

Levi betrachtete seine Silhouette. „Weck Jean, Temari, TenTen und Sasha. Ich habe einen Auftrag für euch. In fünfzehn Minuten treffen wir uns in der Krankenstation“, erklärte Levi, während Armin mehrmals rasch nickte und die Decke, die Levi zurück auf sein Bett fallen ließ, bis zum Kinn hinaufzog.

„Lasst euch von niemanden auf dem Weg dorthin erwischen“, fügte Levi hinzu.

„Natürlich nicht, Captain Levi“, brachte Armin zitterig über die Lippen, während im Hintergrund ein Schnarchen von Jean ertönte, den scheinbar nichts so einfach wecken konnte. Das war eine Eigenschaft, die sie Jean austreiben sollten. Im Schlaf war ein Soldat am Verletzlichsten und offensichtlich fühlten sich so einige in dieser Feste etwas zu sicher. Ganz besonders jetzt, da der Feind sich direkt unter ihrem Dach befand.

Levi verließ das Zimmer, damit Armin Jean wecken und sich anziehen konnte, bevor er die Frauen holen ging. Inzwischen machte sich Levi auf den Weg zu den Krankenzimmern.

Natürlich wäre es ihm lieber gewesen, Petra, Oluo und Eld loszuschicken, um diese Sache zu erledigen, doch er brauchte sie, um Historia Reiss zur Feste zu bringen.

Keine Wache stand an der Tür zur Krankenstation, was bedeutete, dass Sasuke und Kiun den Aufklärungstrupp unterschätzten. Scheinbar erwarteten beide, dass sie kleinbeigeben würden und dies das Ende der Scouts war.

Levi schnaufte bei diesem Gedanken, als er die Krankenstation betrat. Das Bett, welches bis vor kurzem noch von Sakura belegt gewesen war, war nun leer. Kurz blieb Levis Blick an ihm hängen, bevor er zu dem kleinen angrenzenden Raum hinüber wanderte und dort an die Tür klopfte.

Binnen weniger Minuten vernahm Levi Schritte auf der anderen Seite und ein flackerndes Licht zeichnete sich unter dem Türspalt am Boden ab. Ihm wurde die Tür geöffnet und Shizune sah ihn mit müden, aber wissenden Augen an, eine Kerze in seinem eisernen Ständer in der Hand haltend.

„Ich habe schon gehört, dass Erwin morgen abtransport werden soll“, sagte sie leise und ließ ihn in die kleine Kammer hinein, die als ihre Quartier diente. Mehr als ein schmales Bett, eine Kommode und ein Tisch befand sich nicht in ihm. Als Levi eintrat, ging Shizune zu dem Tisch hinüber und stellte die Kerze ab, bevor sie den Stoffmantel enger um ihre Taille zog und das dunkle Nachthemd darunter verbarg. „Was werden wir dagegen unternehmen?“

Levi trat an das Fenster im Zimmer heran, das Sicht auf den Innenhof gab. Im Stall brannte noch eine Fackel, während der Boden draußen von Schnee bedeckt war. Das würde ihr Vorgehen nicht vereinfachen, doch ihnen einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Die Militärpolizei verbrachte die meiste Zeit in der Hauptstadt, in der das Leben sorgenfreier war, während der Aufklärungstrupp sich bei jedem Wetter und in jeder Umgebung zurechtfinden konnte, weil sie dort draußen hintern den Mauern auf alles vorbereitet sein mussten.

„Wir werden sie aufhalten, bevor sie Wall Sina überhaupt erreichen“, entwich es Levi, als er sich zu Shizune umdrehte.„Allerdings können wir Erwin nicht sofort hierher zurückbringen. Es gibt nur einen Ort, der im Augenblick sicher für Erwin ist.“

Shizune betrachtete ihn für einen Moment schweigend. „Also werde ich mitkommen müssen“, schlussfolgerte sie dann, ehe sie die Luft tief in die Lungen sog. „In Ordnung. Da ich nicht davon ausgehe, dass wir uns hinter die Mauern begeben, kann es ja nicht so schlimm sein.“

Levi erwiderte nichts, denn er konnte wohl kaum für jemand anderen bestimmen, was schlimm war oder nicht. Titanen mochten monströse Gestalten sein, aber Levi hatte früh gelernt, dass dies nicht bedeutete, dass Menschen nicht größere Monster und mindestens genauso unberechenbar sein konnten.

„Die anderen werden gleich eintreffen, damit wir über den Plan gehen können“, sagte Levi schließlich. Sein Blick kehrte zum Fenster zurück, zu der Dunkelheit, die dort hinter der vereisten Scheibe herrschte. „Der Morgen wird bald anbrechen.“
 


 


 


 

Levi ignorierte sie, doch die Falte zwischen seinen Augenbrauen sagte Sakura, dass er ihre Anwesenheit nicht vergessen hatte und ihren Blick auf seiner Person erfühlen konnte.

„Wenn du gehst, dann muss Mikasa allein aufbrechen. Was, wenn etwas schiefgeht?“, entwich es Sakura, denn obwohl sie einsah, dass sie verhindern mussten, dass die Militärpolizei Erwin in die Finger bekam, kam ihr diese Änderung in ihren Plänen vorschnell und riskant vor.

Levi knöpfte weiterhin seelenruhig sein weißes Hemd zu. „Petra und die anderen sind bei ihr“, erwiderte er, als er seine Uniformjacke überzog. „Wenn etwas schiefgeht, dann macht meine Anwesenheit auch keinen großen Unterschied mehr.“

Sakura zog die Brauen zusammen. „Ich bin sicher, dass jeder hier das anders sehen würde.“ Immerhin eilte Levis Ruf ihm voraus und das nicht nur beim Aufklärungstrupp. Sakura konnte sich vorstellen, dass auch Historia Reiss sich wohler bei dem Gedanken fühlen würde, wenn der stärkste Soldaten der Scouts bei ihr sein würde, um sie im Notfall zu beschützen. Wie konnte Levi also so nonchalant sein?

„Ich bin sicher, dass Sasuke nicht deiner Meinung sein wird“, gab Levi zu bedenken.

Sakura schnaufte. Kopfschüttelnd, trat sie an Levi heran und schloss von hinten die Arme um seinen Körper, um den Kopf gegen sein Schulterblatt zu legen.

„Ich mache mir nur Sorgen“, sagte Sakura. „Ich glaube nicht, dass mir das unter den Umständen jemand verübeln kann.“ Außerdem fiel es ihr erstaunlich schwer, Levi einfach gehen zu lassen, obwohl sie gewusst hatte, dass sie hier in der Feste bleiben musste, um zusammen mit Kakashi und Hanji die Militärpolizei bei Laune zu halten und die Soldaten heimlich zu mobilisieren, während Levi sich mal wieder in Gefahr stürzte. Das bedeutete jedoch nicht, dass es ihr gefallen musste.

„Wo bringt ihr Erwin hin, sobald ihr die Kutsche unter eurer Kontrolle habt?“, fragte sie, da scheinbar kein Ort in dieser Welt mehr sicher war, weder draußen mit den Titanen, noch hier drinnen in diesem selbstgebauten Gefängnis, in dem sie sich alle selbst bekriegten, um die Kontrolle über diesen Käfig zu erlangen.

Es war eigenartig, sie sehr sich Sakuras Sicht der Welt bezüglich verändert hatte. Vor ihrer Zeit beim Aufklärungstrupp hatte sie sich nie so kontrolliert gefühlt, nie so unterdrückt. Ihre erbaute Zivilisation war ihr nie zuvor so klein und heuchlerisch vorgekommen.

Levis Hand legte sich auf Sakuras, die auf seiner Brust lag. „Wir bringen ihn zu Kurenais Haus. Sie wird uns nicht abweisen. Nicht, wenn es dabei um Erwin geht.“

Nicht einmal, wenn sie dadurch ihren Sohn in Gefahr brachte?

„Sind Erwin und Kurenai...?“, begann Sakura, wusste jedoch nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte. Sie wollte nicht in Erwins Privatleben eindringen, nur weil ihre Neugierde danach verlangte.

Sie spürte, wie Levi mit den Schultern zuckte. „Ich bezweifele es. Erwin... ist zu sehr dem Aufklärungstrupp verschrieben, als dass er sein Herz ernsthaft an eine andere Person verlieren könnte.“

„Das klingt ein wenig einsam“, murmelte Sakura, wusste jedoch nicht, ob sie dabei über Erwin oder nicht doch über sich selbst sprach. Die Aufgabe des Aufklärungstrupp stand an erster Stelle, das war ihr bewusst, aber nun da sie Levi hatte, wollte sie diese Zweisamkeit nur ungern wieder aufgeben und hoffte, dass es Levi genauso erging.

Der Griff ihrer Arme festigte sich instinktiv um Levis Körper, doch er kommentierte es nicht.

„Ich bin spät dran“, sagte Levi nach einigen Minuten der stillen Umarmung, bevor er Sakuras Hand von seinem Brustkorb löste und sich zu ihr umdrehte. Sein Blick war müde und Ringe lagen unter seinen Augen, die von der kurzen Nacht sprachen. Der Ausdruck in seinen dunklen Augen war jedoch nicht weniger intensiv als sonst. Er lehnte sich vor, bis seine Stirn gegen ihrer ruhte. Obwohl es bei weitem nicht das erste Mal war, dass sie sich so nah waren, erhitzten sich Sakuras Wangen. Bei der unerwarteten Sanftheit, zu der Levi fähig war, flatterte ihr das Herz in der Brust.

„Pass auf dich auf?“, flüsterte sie.

Levis Augenbraue zuckte. „Ist das eine Frage?“

„Eine Bitte“, korrigierte Sakura lächelnd, bevor Levi seine Lippen in einem viel zu kurzen Kuss gegen ihre presste.

„Lass dich nicht von Kakashi zu irgendwelchem Unsinn überreden“, sagte Levi, als er sich von ihr löste, um seinen dunkelgrünen Mantel anzuziehen, der ihn vor Kälte beschützen würde, aber ihn im Schnee nicht unbedingt tarnen konnte.

„Ich hoffe, du meinst damit seine Pläne für die Militärpolizei“, tadelte Sakura, konnte jedoch die Halbherzigkeit aus ihrer eigenen Stimme heraushören.

„Was denn sonst?“, antwortete Levi, aber sie meinte seine Mundwinkel amüsiert zucken zu sehen.

All diese kleinen Dinge an ihm sorgten für ein Kribbeln in ihrem Bauch, aber sie hielt ihre Hände still an ihrer Seite, anstatt abermals nach ihm zu greifen. Stattdessen setzte sie sich in Bewegung und folgte ihm auf den Gang hinaus, in dem sie aus einem der Fenster auf den Innenhof hinunterspähten, wo die Kutsche für Erwin bereits vorgefahren war.

Der frischgefallene Schnee bedeckte alles, nur die Wege wurden von einigen Rekruten freigeschaufelt. Vor ein paar Wochen noch wäre irgendwo eine Schneeballschlacht auf dem Hof ausgebrochen, aber diese Tage waren längst vorbei.

Selbst aus der Ferne konnte Sakura die grimmigen Gesichter der Rekruten sehen, die finsteren Blicke, die sie den Mitgliedern der Militärpolizei zuwarfen, als diese die Kutschentüren öffneten und eine Gruppe von ihnen die Trage mit Erwin, der unter dicken Decken ruhte, vom Eingang zur Kutsche hinüber trugen.

Levis Hände ballten sich zu Fäusten, während Sakura bewusst wurde, wie wenig sie eigentlich über Levis Vergangenheit wusste. Er kannte Erwin schon so lange, aber sie hatte bisher ein paar Geschichten über die beiden von einigen Soldaten gehört, nie von Levi selbst. Sobald er zurückkehrte, würde sie ihn danach fragen, nahm sich Sakura vor, als Levi sich abwandte, um sein restliches Team zu versammeln.

loyalties.

Das Blut rauschte Mikasa in den Ohren, während ihr Herz so kräftig schlug, dass ihr Brustkorb schmerzte. Zittrig zog sie den Atem in ihre Lungen, um die Panik, die sie sonst nur nachts im Schlaf packte, nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.

„Mikasa...“, drang Kakashis Stimme dumpf durch das Gefühlschaos in ihrem Inneren, das einem verschlingenden Strudel gleichkam. „Hast du gehört, was ich gesagt habe?“

Mikasa nickte, was eine einstudierte, betäubte Reaktion darstellte. „Captain Levi ist auf dem Weg, den Transfer des Kommandanten zu verhindern“, wiederholte Mikasa tonlos. „Ich werde daher Levis Team anführen, um unseren Plan wie geplant umzusetzen.“ Schließlich war sie eine Soldatin der Aufklärungstruppe und daher für alles bereit.

Ihre Hand tastete nach dem roten Schal, der um ihren Hals gewickelt war und eine Konstante für sie darstellte. Den weichen Stoff unter ihren Fingerspitzen zu erfühlen, gab ihr Halt.

Sie befanden sich in Kakashis Arbeitszimmer, aber Mikasa nahm die spärliche, verstaubte Inneneinrichtung kaum wahr, als sie beinahe durch den massiven Schreibtisch mit seinen Akten hindurchschaute. Nur vage bekam sie mit, als Kakashi aufstand und den Schreibtisch umrundete. Erst, als seine Hand den Platz auf ihrer Schulter fand, blinzelte Mikasa und zwang sich zu ihm aufzuschauen. Trotz des dünnen Stoffes, der Kakashis untere Gesichtshälfte bedeckte, konnte sie erkennen, dass sich sein Mund zu einem Lächeln verzog. „Ich vertraue dir und weiß, dass du das hinbekommst.“

Mikasa war sich nicht sicher, ob es diese aufmunternden Worte waren oder der warme Blick aus Kakashis dunklen Augen, der das Kribbeln durch ihren Körper schickte und wieder Leben in diesen einkehren ließ. Sogleich zog Mikasa die Schultern straff und salutierte, die geballte Hand fest gegen ihren Brustkorb gedrückt, in dem ihr das Herz flatterte. „Ich werde mein Bestes geben.“

„Das weiß ich“, bestätigte Kakashi, ehe er seine Hand von ihrer Schulter nahm und die Stelle, die eben von warm gewesen war, sich plötzlich seltsam kalt anfühlte.

So ganz verstand Mikasa nicht, wie jemand, der sie kaum kannte, ein dermaßen großes Vertrauen in sie setzen konnte, aber andererseits wusste sie, dass Kakashi in dieser Hinsicht keine allzu große Wahl hatte.

Rein durch Zufall war es Mikasa gewesen, die bei der Flucht von Historia Reiss geholfen und dadurch ihre Bekanntschaft gemacht hatte. Es hätte auch jeder andere Rekrut sein können. Das wäre vielleicht sogar besser gewesen, denn nun war es Mikasa, die ein Team aus eingefleischten Veteranen führte, um die Königin davon zu überzeugen, dem Aufklärungstrupp ihr Leben anzuvertrauen. Dabei brauchte es keine sonderlich guten Menschenkenntnisse, um zu erkennen, dass Mikasa nicht die sozialste Person war.

Allerdings spielte all das keine Rolle, denn es gab niemand anderen, auf den Historia eventuell hören würde und der auch verfügbar war. Kakashi musste hier bleiben, da sein Verschwinden zu viel Aufsehen erregen würde.

Mikasas Blick legte sich auf Kakashis Gesicht, entschlossen, die letzten Zweifel verwerfend. „Ich werde Sie nicht enttäuschen”, versprach sie, ehe sie sich abwandte und Kakashis Arbeitszimmer verließ. Dabei meinte sie, seinen Blick auch weiterhin auf ihrer Haut zu fühlen.

Hanji wartete bereits vor der Tür auf sie und winkte sie stumm hinter sich her, ehe Mikasa mit ihr aufholte. „Der Geheimtunnel befindet sich nicht weit von hier”, flüsterte Hanji geheimnistuerisch, wohl darauf bedacht, so wenig wie möglich den Mund dabei zu bewegen, auch wenn niemand da war, der ihre Lippen hätte lesen können. „Er wird dich einige Meilen von hier nach draußen führen. Dort steht bereits ein Pferd bereit mitsamt deiner Ausrüstung und Proviant. Erinnerst du dich noch an den Weg zum Treffpunkt mit dem restlichen Team und zum Unterschlupf der Königin?”

„Ja.”

„Gut”, sagte Hanji, als sie eine Treppe hinunterstiegen. Als ihnen einige Kadetten entgegenkamen, hüllten sich beide für einige Momente in Schweigen, bevor Hanji fortfuhr, als hätte es die Unterbrechung nicht gegeben. „Ich muss dir sicher nicht sagen, wie viel von dem Erfolg deiner Mission abhängt, oder?”

„Nein.” Das wusste Mikasa bereits und es rüttelte auch nicht an ihrer Entschlossenheit. Dieser Auftrag war nur ein weiterer, den es zu erfüllen galt. Sie hatte Titanen hinter den Mauern bekämpft und gesehen, wie Eren von einem gefressen worden war. Obwohl die Angst vor dem Versagen Besitz von ihr hatte ergreifen wollen, konnte sie es nicht. Nichts konnte schlimmer sein als das, was sie bereits erlebt hatte. Nichts davon schwieriger, als Eren zu verlieren.

Hanji hinterfragte ihre Antwort nicht, sondern trat an die verzierte Kaminwand heran, die sich am Ende des Ganges befand und presste dort gegen einen Stein, der sich leicht nach hinten schieben ließ und irgendeinen Mechanismus auslöste. Ein Klicken ertönte, ehe Hanji mühselig den Kamin, der scheinbar nur zur Zierde und Ablenkung diente, beiseite schob und einen kleinen, schmalen, unendlich dunklen Tunnel dahinter preisgab.

„Schnell, bevor jemand kommt”, wies Hanji sie an, als Mikasa zögerte.

Mikasa schluckte, ehe sie sich in Bewegung setzte. Sie schob sich in den schmalen Spalt, direkt in die Dunkelheit hinein, ehe Hanji den Kamin mit einem knappen, atemlosen „Viel Glück, Mikasa” wieder hinter ihr zurück schob.

Für einen Moment starrte Mikasa die Wand an, die sie nun von Hanji trennte, wandte sich dann aber den finsteren Gang vor sich zu. Sie konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Sie fragte sich, ob sich so Levi und sein Team gefühlt hatten, als sie dem Höhlensystem gefolgt waren, um den Ausgang zu finden und dabei zufällig über die Menschenknochen gestolpert waren. Es fröstelte Mikasa bei dem Gedanken an die Berichte, die sie über die letzte Expedition gelesen hatte.

Trotzdem setzte sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen, sich stets mit den Händen an den unebenen Steinwänden entlang vortastend. Der Tunnel war gerade noch breit genug, damit sich eine Person vorwärts bewegen konnte. Wahrscheinlich ging der Gang zwischen den Wänden entlang, nahm Mikasa an und versuchte sich die Lage der Feste vorzustellen, um das einengende Gefühl zu ignorieren.

Wie lange war sie schon hier unten?

Irgendwann erreichte sie ein Geländer und ihre Finger schlossen sich mit festem Griff um die kalte Stange. Vorsichtig setzte sie einen weiteren Schritt nach vorn, doch fand dort, wo sich der Boden befinden sollte, nur Luft vor. Sie senkte den Fuß weiter, bis sie die erste Stufe unter ihrem Stiefel spürte.

Eine Treppe…

Jede Stufe, die in das Gestein gehauen war, war genauso uneben wie der Weg, den Mikasa hierher geführt hatte. Es waren zehn Stufen.

Für einen Moment hielt Mikasa inne, als sie meinte Stimmen zu hören. Doch es konnte genauso gut ein Streich ihrer Fantasie sein. Die Steinwände waren zu dick, um Geräusche durchzulassen, aber wenn sie den Plan der Feste richtig im Kopf hatte, musste sie sich irgendwo in der Nähe des Speisesaals befinden.

Ungefragt verband Mikasa diesen Gedanken mit den Erinnerungen an all die Zeit, die sie mit Arnim und Jean im Speisesaal verbracht hatte. Obwohl Arnim ein alter Kindheitsfreund war und nach Eren der zweitwichtigste Mensch in ihrem Leben darstellte, war sie ihm seit Erens Tod keine gute Freundin gewesen.

Schuld zog ihr das Herz zusammen. Mikasa presste die Lippen fester zusammen und konzentrierte sich wieder auf den Weg. Sie durfte keine Zeit vertrödeln. Kakashi verließ sich auf sie.

Die Zeit, die sie in der Dunkelheit verbrachte, kam ihr endlos vor, so endlos, dass sie kaum noch erwartete, den engen Tunnel jemals zu verlassen.

Doch irgendwann erreichte sie eine Wand, die nicht aus Stein, sondern aus Holz bestand. Das musste der Ausgang sein. Mikasas Herz klopfte vor Aufregung, als sie an der Tür entlang fühlte und sich ihre Finger um einen Türgriff schlossen.

Quietschend öffnete sie die Tür und dumpfes Licht blendete Mikasa nach der Finsternis. Sie blinzelte einige Male, ehe sie hinaus in die bewaldete Lichtung trat. Sie drehte sich um und betrachtete den Hügel, in dem die Tür eingebaut war. Kurios.

Ein leises Wiehern machte Mikasa auf das braune Pferd aufmerksam, welches an einen dünnen Baum nicht weit entfernt angebunden war. Es war gesattelt und neben ihm befand sich, wie versprochen, Mikasas Ausrüstung. Ihr restliches Team war bereits aufgebrochen, um nicht so viel Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Sie warteten bereits auf Mikasa.

Langsam trat sie an das Pferd heran und streckte ihm die Hand entgegen. Das Pferd schnaufte, ehe es wieder zu grasen begann.

Die Bäume waren dicht, doch Mikasa konnte die Feste in der Ferne sehen. Die Feste, die von den Uchihas eingenommen worden war. Wenn alles nach Plan verlaufen würde, würde es anders aussehen, sobald Mikasa mit Historia und ihren Leuten zurückkehrte.

Hoffentlich würde es nach Plan verlaufen. Der Aufklärungstrupp und diese Feste waren alles, was Mikasa noch geblieben war.

Mit diesem letzten, wehmütigen Gedanken schnappte sich Mikasa ihre Ausrüstung, band sie sich um, löste das Pferd vom Baum und stieg auf.
 


 


 


 

Levi ritt tief über den Rücken seines Pferdes gebeugt, als sie durch den Wald jagten. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, sondern mussten zügig mit der Kutsche und ihren Reitern aufholen, um diese zu erreichen, bevor sie das Stadttor zu Mithras durchquerten.

Der Plan ihres Vorgehens war während der Nacht ausgeklügelt worden, weshalb die kleine Gruppe wortlos bei seinem Handzeichen auseinanderbrach und sich in zwei Teile teilte, die sich zwischen den Bäumen verloren, während Levi geradeaus weiter ritt.

Levi fand sich allein mit dem Hufgetrampel seines Reittiers und dem Vogelgezwitscher hoch in den Bäumen wieder. Allerdings war dies nicht von langer Dauer, als er das ferne Wiehern anderer Pferde wahrnahm, das nur auf die Kutsche, die Erwin transportierte, hindeuten konnte. Allein an den Geräuschen war erkennbar, dass sich die Soldaten der Militärpolizei keine Sorgen über einen Hinterhalt machten. Es spielte ihnen direkt in die Hände.

Sogleich zog Levi an den Zügeln und drosselte die Geschwindigkeit, bis sein Pferd zum Stillstand kam. Stahlseile schossen aus seiner Ausrüstung hervor, verankerten sich in dem breiten Ast über seinem Kopf und zogen Levi von seinem Pferd. Dieses würde hier in der Nähe auf ihn warten oder zu ihm kommen, sollte Levi nach ihm pfeifen.

Den restlichen Weg, bis er durch die Äste und Blätter die Kutsche mit seinen Reitern entdeckte, schwang sich Levi von einem Baum zum nächsten, um weniger aufzufallen. Zwar blieben Levis Sinne dabei weiterhin auf seine Umgebung konzentriert, doch von den anderen aus seinem Team war keine Spur zu sehen. Waren sie bereits in Position?

Levi konnte nichts anderes tun, als sich darauf zu verlassen, da sie kein Rauchsignal abschießen konnten, ohne auch die Aufmerksamkeit der feindlichen Soldaten auf sich zu ziehen und somit ihren Vorteil zu zerstören.

Levis Griff festigte sich um seine Schwerter, als er hinab zu der stetig voranschreitenden Kutsche und seinen Reiter schaute. Es war jetzt oder nie…!

Levi sprang vom Baumstamm, doch die Seile der Ausrüstungen fingen ihn auf und ließen ihn von oben auf den Soldaten, der das Schlusslicht bildete, zufliegen. Gegen den reitenden Mann krachend, verpasste Levi ihm einen Hieb mit dem Schwertgriff und schubste ihn aus dem Sattel. Der Lärm ließ die anderen vier Soldaten auf ihren Pferden herumfahren und nach ihren Waffen greifen. Einer zog eine Schrotflinte hervor. Levi biss die Zähne so fest aufeinander, dass ihm der Kiefer schmerzte, als er die Schwerter wegsteckte, in den Sattel rutschte und die Stiefel grob in die Flanken des Pferdes stieß, während der Soldat vor ihm anlegte.

Der Schuss klingelte in Levis Ohren und ein brennender Schmerz grub sich in seine Schulter. Unter ihm scheute sein Pferd, doch Levi riss an den Zügeln, bis er den Soldaten mit der Flinte erreichte und diese packte, bevor er ein weiteres Mal anlegen konnte. Sie rangelten miteinander, wobei sich der Kreis um Levi enger zog, als die anderen Soldaten ihre Schwerter zogen. Einen gehetzten Blick über seine Schultern werfend, sah Levi, wie ein Soldat mit der Klinge ausholte, um sie Levi in den Rücken zu rammen. Levi wollte herumfahren, doch konnte es sich nicht erlauben, die Flinte loszulassen. Der pochende Schmerz in seiner Schulter raubte ihm jedoch die Kraft, um die Flinte gänzlich an sich zu reißen.

Er wollte gerade den Griff von der Schusswaffe lösen, um den Schwerthieb abzufangen, als das bekannte Surren von Stahlseilen zu vernehmen war. Links und rechts schossen die restlichen Mitglieder seines Teams aus den Baumkronen.

TenTen sauste direkt auf den Soldaten hinter Levi zu und das scharfe Geräusch zweier aufeinander treffender Klingen lag augenblicklich in der Luft, als sie den Schwerthieb abblockte, der für Levi gedacht gewesen war.

Jean, Sasha und Arnim kümmerten sich um die restlichen drei Soldaten. Jean und der Soldat stürzten vom Pferd auf den Boden, um dort miteinander zu rangeln, bis Temari dem Fremden einen ordentlichen Tritt in die Rippen verpasste und dieser sich ächzend auf die Seite rollte. Sogleich rappelte sich Jean auf und hielt dem Mann die Schwertspitze unter die Nase.

Levis Gegenüber glitt die Flinte aus der Hand und Levi nahm sie an sich. Er drehte sie in der Hand, um dem Soldaten damit einen überzuziehen, der daraufhin auf seinem Pferd zusammenbrach. Anschließend richtete Levi den Lauf der Schrotflinte auf den Fahrer der Kutsche, der mit furchtbar blassem Gesicht die Hände in die Luft hielt.

„Entschuldige, dass wir so spät dazu gestoßen sind, Captain Levi“, sagte Arnim kurzatmig, als er sich neben Levi aufrichtete.

„Captain Levi, Sie bluten...!“, entwich es Sasha.

Levi nahm den Blick nicht von dem Soldaten auf dem Kutschblock, obwohl sich das schwere Gewicht auf seiner Brust, das er mit sich herumgetragen hatte, seit er erfahren hatte, dass man Erwin verlegen und anklagen würde, etwas gelockert hatte.

„Ein Streifschuss“, meinte er tonlos. Kurz legte er die Finger an die Lippen, um ein lautes Pfeifen auszustoßen, das sein Pferd anlockte. „Fesselt die Soldaten. Seile befinden sich in den Satteltaschen.“

Zwar mochte ihr Plan, die Kutsche einzuholen und sich unter den Nagel zu reißen, gelungen sein, aber das hieß noch lange nicht, dass sie gewonnen hatten oder sich in Sicherheit wiegen konnten.

„Sofort, Captain“, versicherte TenTen, die die Satteltaschen von Levis Hengst durchkramte, als dieser zu ihnen stieß. Temari und sie waren ein eingespieltes Team: TenTen warf die Seile hinüber und Temari fing sie auf, bevor sie die Männer fesselten. Obwohl beide Frauen anfangs Schwierigkeiten miteinander hatten, sodass es oft zu Abmahnungen und Strafarbeiten gekommen war, hatten sie sich zusammengerauft und agierten inzwischen zusammen, was den Grund darstellte, dass Levi sie für diese Mission ausgewählt hatte.

„Lassen wir sie einfach hier liegen?“, fragte Jean, aber Levi ignorierte die Zweifel in seiner Stimme. Für Gewissensbisse hatten sie wirklich keine Zeit, ganz besonders da ihre Feinde diese an ihrer Stelle ebenfalls nicht hätten.

„Ich bin sicher, dass die Militärpolizei sie gut genug trainiert haben, damit sie sich irgendwann befreien“, raunte Levi, als er die Flinte sinken ließ, nachdem der Fahrer der Kutsche heruntergeklettert war und Sasha auch seine Hände und Füße gefesselt hatte.

„Captain, lassen Sie mich wenigstens die Wunde abbinden“, meinte Sasha anschließend und holte etwas Verbandszeug heraus.

Ihre Berührungen waren abgehackt und ihre Hände zittrig, als sie einen Verband eng um seinen Arm band, um die Blutung zu stoppen. Sie hatte nicht die feinfühligen Berührungen von Sakura, fiel ihm dabei auf.

„Arnim, du fährst die Kutsche“, sagte Levi, als er sein Hemd und seine Jacke wieder anzog, ehe er auf sein Pferd stieg. Die Schrotflinte warf er unzeremoniell in die Büsche, weit von den gefesselten Soldaten entfernt, während die anderen ihre Pferde aus ihren Verstecken holten.

Keiner von ihnen sprach von der Richtung oder dem Ort, den sie ansteuerten, denn auch dies war bereits besprochen worden. Der Aufklärungstrupp besaß inzwischen mehr Feinde als Freunde, aber einen sicheren Ort gab es noch, denn Levi zweifelte nicht an Kurenais Loyalität oder Zuneigung Erwin gegenüber.

„Niemand weiß davon, dass wir Erwin haben“, meinte Levi, als sie eine Wegkreuzung erreichten und zum Halt kam. „Daher solltet ihr den Weg ohne Unterbrechung zurücklegen können. Vergesst nicht, dass ihr Erwin nur dort unterbringt, bevor ihr die Kutsche verschwinden lasst.“ Die Kutsche an einem völlig anderen Ort abzustellen, würde die Militärpolizei auf eine falsche Fährte schicken, sobald sie mitbekamen, dass Erwin Mithras nie erreicht hatte. Bis dahin hatten sie hoffentlich die Feste eingenommen und Erwin dorthin zurücktransportiert.

„Was macht Ihr bis dahin?“, fragte Jean.

Arnims Griff um die Zügel festigte sich. „Er wird zum Stützpunkt zurückreiten. Nicht wahr, Captain?“

Levi antwortete nicht, denn Arnim hatte es schließlich bereits gesagt. „Arnim wird das Team in meiner Abwesenheit anführen. Ich verlasse mich auf euch.“ Wenn es anders ginge, hätte er Erwin selbst zu Kurenai gefahren, aber die meisten ihrer Feinde lauerten im Moment in der Feste und dort musste er hin. Ganz besonders, wenn Mikasa die Königin mit ihrer Leibgarde nicht überzeugen konnte, mit ihr zu kommen und sich offiziell dem Aufklärungstrupp anzuschließen.

Levi spürte die Blicke seines Teams im Rücken, als er in die entgegengesetzte Richtung davonritt.
 


 


 


 

Diese nächtlichen Treffen, die in aller Heimlichkeit stattfanden, waren in den wenigen Tagen, die Kakashi hier beim Trupp verbracht hatte, zu einer Gewohnheit geworden. Jedenfalls vermisste Kakashi die ruhigen Abende, die er in Trost allein oder mit Sakura verbracht hatte. Er vermisste den Ramenshop und er vermisste seine Wohnung.

Kakashi rieb sich die Nasenwurzel und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Bericht.“

„Die Soldaten sind mobilisiert“, meinte Hanji, bevor er das Wort überhaupt vollkommen ausgesprochen hatte, als könnte sie diese Information keine Sekunde länger zurückhalten. Trotz der düsteren Umstände unterlag ihrer Stimme eine Aufgeregtheit - oder um das Kind beim richtigen Namen zu nennen, eine Heiterkeit, der er skeptisch gegenüberstand.

„Alle, die informiert sein müssen, sind informiert und warten auf das Signal“, sagte Hanji.

„Die leeren Zimmer von Levi und den anderen wurden ebenfalls bezogen, um den Schein zu wahren“, meinte Sakura. „Die Ärzte stehen ebenfalls bereit.“

Kakashi nickte zustimmend. „Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen. Das bedeutet, dass Sasuke and Kiun auf einen Hinterhalt vorbereitet sind oder zumindest irgendeine Art der Rebellion von uns erwarten.“ Zumindest würde das die mitgebrachten Soldaten erklären, die an den wichtigsten Stellen der Feste stationiert waren, auch wenn diese müde und gelangweilt wirkten. „Der einzige Vorteil, den wir auf unserer Seite haben, ist, dass der Aufklärungstrupp mehr Erfahrung im Kampfeinsatz hat.“ Jedenfalls konnte die Militärpolizei nicht von sich behaupten, Titanen schon einmal entkommen zu sein, wobei es auch für Kakashi bereits eine lange Zeit her war, dass er einem von diesen monströsen Gestalten gegenübergestanden hatte.

„Aber wenn sie erst einmal Wind davon bekommen, dass sie Erwin verloren haben, wird es sie ablenken – und dann schlagen wir zu!“ Hanji klatsche die flache Hand gegen ihre Faust, als sie das sagte.

„Hoffen wir einfach, dass Mikasa mit der königlichen Garde rechtzeitig auftaucht...“, meinte Kakashi trocken. Zwar war ihr Trupp in der Mehrzahl, aber sie hatten eine Menge frischer Rekruten, denen der Gedanke eines Aufstands und des Verrats unter einem neuen Kommandanten sicherlich nicht allzu gut gefiel. Jedenfalls lag es auf der Hand, dass ihre Handlungen dermaßen ausgelegt werden würden. Daher war auf diese Rekruten kein Verlass, nicht in einer heiklen Lage wie dieser. Wer konnte schon sagen, auf welche Seite sie sich schlagen würden.

„Bis einer von denen hierher zurückkehrt, wird es noch etwas dauern, so wie ich Levi kenne“, gluckste Hanji, ehe sie Kakashis Arbeitszimmer verließ, um bei ihren Leuten nach dem Rechten zu sehen.

Sakura sah ihr mit einem schmalen Lächeln hinterher, bis sich die Tür hinter Hanji geschlossen hatte. Trotzdem konnte Kakashi die Besorgnis aus ihrem Blick herauslesen. „Ich bin sicher, dass es Levi gutgeht. Er hat seinen Ruf schließlich nicht umsonst weg“, entrann es Kakashi und Sakura zuckte ertappt zusammen. Doch ihre Schultern entspannten sich sogleich wieder, obwohl der Rotschimmer auf ihren Wangen verweilte. Ihr Lächeln verwandelte sich in ein verschmitztes Schmunzeln, das Kakashi an heimliche Küsse und Neckereien in seinem Bett erinnerte.

„Du durchschaust mich immer so einfach, Kakashi“, sagte sie und strich sich ein paar rosafarbene Haarsträhnen hinter das Ohr. „Aber es ist nicht so, wie du denkst. Levi... er... es ist nicht so wie mit Sasuke früher. Und ich hoffe, dass du nicht... sauer bist.“ Hatte sie enttäuscht sagen wollen? Dass sie hoffte, dass er nicht enttäuscht war, dass sie jemanden gefunden hatte, der tiefe Gefühle in ihr weckte, er aber nicht derjenige war?

Kakashi setzte sich auf und bettete das Kinn auf seine Handfläche. „Ich freue mich für dich, Sakura“, fasste er zusammen und lächelte unter seiner Maske. Er spürte im selben Moment, dass es der Wahrheit entsprach. Das, was Sakura und ihn verband, war gut gewesen, aber es war nie die Art von Liebe gewesen, die sie brauchten. Kakashi erinnerte sich, wie diese sich anfühlte, auch wenn diese Gefühle schon seit Jahren von Schmerz überschattet waren.

„Danke, Kakashi“, sagte Sakura. „Ich bin froh, dass du hier bist, auch wenn ich es nicht für möglich gehalten habe, dass irgendetwas – oder in diesem Fall, irgendjemand – es schaffen wird, dich zu den Scouts zurückzubringen.“

„Ich habe dasselbe gedacht“, gestand Kakashi und zog die Brauen zusammen. „Aber irgendwie hat Mikasa mich überredet. Eigentlich hat sie mir keine große Wahl gelassen.“ Oder zumindest hätte Kakashi ansonsten ewig mit diesem schlechten Gewissen leben müssen, dass er den Trupp im Stich gelassen hatte, als dieser ihn am meisten gebraucht hatte. Zum zweiten Mal.

„Hanji wird enttäuscht sein“, entwich es Sakura amüsiert.

Kakashi sah auf, wobei ihm nicht einmal aufgefallen war, dass er kurzzeitig in Gedanken versunken war. „Hanji?“

„Sie hat offensichtlich ein Auge auf dich geworfen, Kakashi.“ Sakura wedelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase, als sei sie seine Lehrerin und er der Schüler, der offenbar im Unterricht nicht aufgepasst hatte. „Sie wird enttäuscht sein, dass dein Interesse jemand anderem gehört.“

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“

„Oh, das weißt du ganz genau. Mikasa imponiert dir, daher bist du hier.“

Kakashis Kinn rutschte von seiner Hand und er saß kerzengerade auf seinem Stuhl. „Also, Sakura... Du hältst mich für so oberflächlich?“

Doch Sakura lachte nur, als planten sie nicht gerade einen Aufstand in den eigenen vier Wänden, der praktisch einem Verrat gleichkam. „Ich halte dich für menschlich, Kakashi. Es wird Zeit, dass du dich mal wieder von deinen Gefühlen leiten lässt, anstatt dich vor ihnen zu verstecken.“ Sie legte den Kopf schräg und ein sanfter Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus, derselbe wie immer, wenn sie dachte, dass sie recht hatte. „Ich weiß zwar nicht, was damals genau vorgefallen ist, aber... mir ist zu Ohren gekommen, dass der Tod einer Frau den Grund darstellt, warum du den Aufklärungstrupp verlassen hast.“

Es stimmte, sie hatten nie miteinander darüber gesprochen. Sakura hatte es versucht, hatte mehrfach das Thema angeschnitten, aber er hatte es stets gewechselt, stets abgelenkt.

„Rin“, meinte Kakashi. „Ihr Name war Rin.“

Obwohl Kakashi hoffte, dass Sakura etwas sagen würde, irgendetwas, damit er eine Ausrede hatte, um es bei Rins Namen zu belassen, blieb Sakura stumm. Kakashi hatte seit seinem Austritt aus dem Aufklärungstrupp und seinem Abschied von Erwin nicht mehr über Rin gesprochen. Die Erinnerungen und die Schulgefühle waren jedoch seine ständigen Begleiter.

„Rin und ich sind dem Aufklärungstrupp im selben Jahr beigetreten“, entrann es Kakashi und sein Blick richtete sich auf Sakuras schwarze, geputzte Stiefel, obwohl er ihre Augen deutlich auf seine Person erfühlte. „Sie starb und es war meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen sollen. Wir waren auf einer Expedition und umringt von Titanen inmitten der Bäume. Obendrein hat uns das schlechte Wetter überrascht. Es hat so heftig geregnet, dass man nicht besonders weit hatte schauen können. Ich hielt sie für... Ich habe Rin mit einem Titanen verwechselt. Es war schnell. Es gab nichts, was man hätte tun können. Es war auch kein Sanitäter auffindbar. Jeder versuchte nur zu überleben.“ Rins Körper hatte in seinen Armen gezittert, als er sie gehalten hatte, an sich gepresst hatte, als hätte er somit das Blut irgendwie zurückhalten können, welches um die Klinge seines Schwertes aus ihrem Leib gequollen war und sich mit dem beständigen, harten Regen vermischt hatte.

Kakashi zuckte zusammen, als sich Sakuras Hand auf seine Schulter legte und diese durch die Uniformjacke hindurch drückte. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie seinen Schreibtisch umrundet hatte.

„Kakashi...“, begann Sakura, stockte jedoch, wobei ihre Stimme etwas wackelig klang. „Ich bin sicher, dass bereits viele Leute dir das gesagt haben, aber das war nicht deine Schuld. Das hätte jedem passieren können.“

Erwin hatte ähnliche Worte benutzt, als er vom Türrahmen ihres gemeinsamen Quartiers zugesehen hatte, wie Kakashi seine Tasche gepackt hatte. Anstatt ihn aufzuhalten, hatte Erwin nur die Arme verschränkt und ihn angesehen. Er hatte nichts vom Desertieren gesagt oder dem schlechten Ruf, der Kakashi bis nach Trost folgen würde. Es war ein Unfall, waren seine einzigen Worte gewesen, als würde dies das Blut von Kakashis Händen waschen, das er sich auch Monate später noch in seiner kleinen Wohnung mitten in der Nacht eingebildet hatte.

„Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast“, sagte Sakura, als er nicht antwortete. „Ich bin sicher, es würde Rin eine Menge bedeuten, dass du schlussendlich – wenn auch vielleicht nur für eine Weile – zum Aufklärungstrupp zurückgekehrt bist.“

Kakashi hob die Hand, um sie auf Sakuras zu legen, die noch immer auf seiner Schulter ruhte, ihre warmen Finger unter seinen spürend. „Danke, Sakura.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (18)
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Von: Swanlady
2020-02-02T15:06:22+00:00 02.02.2020 16:06
Irgendwie musste ich über diese spürbare Anspannung schmunzeln, die zwischen Sasuke, Kakashi, Sakura und Levi herrschte. XD Das ist ein Vierergespann, dass unter Umständen lieber nicht zusammen unterwegs sein sollte. *hust* Und aus irgendeinem Grund würde mich auch ein Sasuke vs. Mikasa Kampf interessieren? Das wäre irgendwie spannend. :D
Generell las sich das Kapitel wie ein Auftakt zum großen Finale, das hat mir sehr gefallen. Ich hoffe, der Plan, Erwin aus den Fängen der Militärpolizei zu befreien, klappt! Ich gehe stark davon aus, dass die nächsten Szenen Action versprechen. :D Allein deshalb war es auch nett, dass Levi und Sakura noch einen ruhigen Moment für sich hatten. :)
Von: Swanlady
2019-10-06T14:18:47+00:00 06.10.2019 16:18
Levi ist in seiner Eifersucht sooo offensichtlich, haha. Und irgendwie steht ihm das bzw. ist es sehr unterhaltsam! Ich fand es aber sehr gut, dass Sakura ihm klar gesagt hat, dass sie nur Augen für ihn hat. Sie haben alle genügend Probleme, da muss es nicht noch unnötiges Drama geben, das auf Missverständnissen beruht.
Irgendwie geben Hanji und Kakashi ein lustiges Zweiergespann ab, das hätte ich anfangs nicht vermutet. Es ist aber sehr interessant. :D
„Du glaubst also auch, dass sie uns als einziges aus diesem Schlamassel herausholen kann?“ <- diesen Satz unterschreibe ich, er könnte glatt meinen eigenen Gedanken entspringen. Historia macht alles besser. <3 Ich freu mich schon sehr, wenn sie wieder auftaucht! Aber jetzt sieht es wohl erst mal so aus, als müssten sie sich mit Sasuke herumschlagen. Sakura hat es schon echt nicht einfach, an jeder Ecke wartet was aus ihrer Vergangenheit auf sie...
Von:  Kitty_cat
2019-09-29T13:08:43+00:00 29.09.2019 15:08
Hi.
Ich glaub ich schreib dir heut zum ersten mal ein Kommentar, obwohl ich deine Geschichte schon eine längere Zeit verfolge und mich jedes mal freue, wenn ein neues Kapitel erscheint. Das tut mir leid, denn ich finde den ersten Teil, wie auch jetzt hier die Fortsetzung einfach nur den Oberhammer. Ich liebe attack on titan und besonders levi ist mein Lieblingscharakter darin und dass du die Narutocharaktere da mit hinein mixt ist einfach genial. Ich mag levisakura, die beiden harmonieren sich super miteinander und dass sie sich jetzt immer näher kommen, find ich mehr als aufregend.
Allgemein finde ich deine Idee für die Geschichte sehr interessant und sie imponiert mich richtig selbst so einen crossover zu schreiben. Und ehrlich gesagt, find ich es klasse, dass du die Uchihas in die Militärpolizei gesteckt hast... auf diese Idee muss man ja auch erst mal kommen, die Naruto-welt so in Attack on titan zu integrieren, dass das alles einen Sinn ergibt... Echt Respekt und ich ziehe meinen Hut vor dir, denn dass hast du wirklich super gelöst und überzeugend gemacht. Es macht richtig Spaß deine Geschichte zu verfolgen^^
Deswegen versteh ich auch nicht, warum du nur so wenige Kommentare bekommst...

Naja, ich bin auf jedenfall gespannt wie es weiter geht und wie die Ankunft von sasuke, der ja nun endlich wieder auf der Bildfläche erscheint, ausgehen wird, denn das find ich auch mehr als interessant, das er die Leitung übernehmen soll.

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel
Bis dahin

Kitty_cat
Von: Swanlady
2019-09-01T14:59:59+00:00 01.09.2019 16:59
Ich weiß, dass ich sie wohl nicht haben sollte, aber die KakaSaku Feels waren trotzdem da. *lach* Kakashi kann einem aber leidtun, wird einfach so in eine Ecke verbannt… aber gut, die Privatsphäre ist wohl wirklich nicht schlecht. :D In der ersten Szene hat Mikasa Kakashi einmal geduzt und dann gesiezt, war das Absicht oder ein Versehen? :)
Ich bin sehr froh, dass Charaktere wie Hanji oder Sasha da sind, um das Ganze aufzulockern (die Frage, wie Kakashi isst, ist absolut berechtigt! :D), wenn danach gleich wieder die Bitterkeit und Trostlostigkeit aufkommt. Die schlimmen Alpträume haben Kakashi und Mikasa wohl gemeinsam. :/
Von: Swanlady
2019-06-24T17:22:42+00:00 24.06.2019 19:22
Levi kann so humorvoll sein, wenn er es darauf anlegt. XD Trockener Humor und vermutlich nicht beabsichtigt, aber immerhin!
Ich bin mir nicht sicher, ob ich es dir schon gesagt habe, aber ich liebe es total, wie du Hanji schreibst. :D Vor allem unterstütze ich die Pläne, Historia wieder zurück auf ihren rechtmäßigen Platz (also den Thron) zu setzen. Aber Kakashi tut mir jetzt ein wenig leid, dass er praktisch gleich nach der Ankuft in Hanjis Fänge gerät… da war Mikasas schweigsame Gesellschaft sicher angenehmer, haha.
Wie immer balancierst du wunderbar zwischen Szenen, die den Plot vorantreiben und welchen, die mein Shipperherz höherschlagen lassen <3 Die Levi/Sakura Szene war super romantisch.*-* Den schönen Moment haben sie sich echt verdient. ;o;
Von: Swanlady
2019-03-30T14:15:17+00:00 30.03.2019 15:15
Ich war schon sehr gespannt, wie die Dynamik zwischen Kakashi und Mikasa werden würde und sie gefällt mir wirklich gut! Sie haben einige Gemeinsamkeiten, aber auch genügend Unterschiede – und ich kann sie mir sehr leicht als Ship vorstellen. :D Ich bin froh, dass sie wenigstens gleich das Missverständnis aus der Welt geschafft haben. Sakura geht es nämlich wirklich gut, so oft wie sie in diesem Kapitel gelächelt hat. <3 Levi versteckt seine Eifersucht nicht besonders subtil, aber er hat wohl einfach keinen Nerv für diesen Mist. *lach* Er kann sehr unkompliziert sein, was hin und wieder sehr angenehm ist. XD
Ich gehe davon aus, dass Kakashi von Rin gesprochen hat? Oder Obito? Von beiden? :'D Ich gehe aber definitiv davon aus, dass er noch Schwung in die Sache bringen kann, auch wenn er sich zu alt fühlt und ihm die Motivation fehlt.
Von: Swanlady
2018-12-27T20:12:13+00:00 27.12.2018 21:12
Kakashi, da ist er ja! :D Ich frage mich, wie alle anderen auch, weshalb er aus dem Aufklärungstrupp ausgetreten ist. Und ob das so einfach ist. o_o Aber wenn er vorher ein hohes Tier war, dann hatte da Erwin ganz sicher die Finger im Spiel. Erwin hat überall die Finger im Spiel! XD
Der Moment, in dem Kakashi erst glaubte, dass Mikasa ihm schlechte Nachrichten überbringen will, war echt gut und nachvollziehbar. Natürlich denkt man in einer solchen Welt sofort an das Schlimmste, auch wenn es mir irgendwie das Herz gebrochen hat. ;o; (Obwohl ich weiß, dass es Sakura gut geht, haha.)
Ich amüsiere mich immer wieder über Hanjis theatralische Art, die du echt wunderbar drauf hast. :D Generell mag ich die POV-Wechsel total, weil einfach jeder Charakter toll geschrieben ist. *-*
Von: Swanlady
2018-12-09T15:26:46+00:00 09.12.2018 16:26
Historia!!! *__* Ich liebe es nach wie vor so sehr, dass du ihr eine Rolle in der Geschichte gegeben hast, hach. Man merkt, dass sie Shikamaru vollends vertraut und es ist toll, dass auch Chouji und Ino zur heimlichen Garde der Königin gehören.
Dass Erwin an allem die Schuld trägt und stets einen Masterplan hat, ist mittlerweile schon so etwas wie ein running gag, finde ich, weil es einfach STIMMT, haha. Ich kann mir Kakashi sehr gut als seinen Nachfolger vorstellen, bin aber gespannt, ob er dem überhaupt zustimmt. Los, Mikasa, geh ihn holen! :D Auf die Szene freu ich mich schon.
Das Gespräch zwischen Levi und Sakura war irgendwie bitter und realistisch und… ugh, einfach gut. Es muss wirklich nicht einfach sein, Gefühle für so jemanden zu haben, der einem nicht mehr als Brotkrümel der Zuneigung zuwirft. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Dynamik unglaublich interessant ist.
Von:  blaqqucocaine
2018-08-18T12:05:35+00:00 18.08.2018 14:05
Ach hab ich mich über dein neues Kapitel gefreut ❤️ Bin wirklich gespannt wie es weiter geht, ob Erwin das alles überlebt und was in dem Brief steht. Naja und natürlich will ich wissen wie es mit Levi und Sakura weiter geht, immerhin war er von Sasuke nicht besonders fees begeistert und ich schätze auch etwas eifersüchtig, als Sakura Sasuke nachgesehen hat. Kann wie immer nur ein Lob aussprechen, liebe deine Geschichte einfach abgöttisch!!
Von: Swanlady
2018-08-16T13:34:01+00:00 16.08.2018 15:34
Ich bin vollkommen Erwins Meinung! Was wichtig ist, ist die Königin. *hust* Ich bin froh, dass Mikasa und Shikamaru sie gerettet bzw. in Sicherheit gebracht haben (jedenfalls gehe ich davon aus!).
Generell hast du das Chaos und die Panik der Situation sehr gut eingefangen. Egal, um welche Charaktere es sich handelte, alle waren verwirrt und sind dem Fluchtinstinkt gefolgt, der wohl nur natürlich ist. Gleichzeitig hast du auch schön gezeigt, dass sie eben doch alle abgehärtet sind. :‘D
Ich musste sehr darüber schmunzeln, dass Levi die Witze über seine Größe nicht mehr lustig findet. Hat er aber wohl wahrscheinlich nie. Ich schon. *lach* Es sah Sakura auch sehr ähnlich, nicht auf ihn zu hören und ihr eigenes Ding durchzuziehen. Aber ich wette, das mag er so an ihr! Und ich fürchte fast, dass Sasuke ihm noch recht oft ein Dorn im Auge sein wird…
Ich bin sehr gespannt, was in Erwins Brief steht und ob es einen Hinweis darauf gibt, was es mit dem Anschlag auf sich hatte. Schreib fleißig weiter <3


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