Einem fernen Tage von Silberfrost ================================================================================ Kapitel 13: ist nichts als die ziellose Suche --------------------------------------------- Minoru hatte sich erschöpft auf den Fellen zusammen gerollt und war binnen weniger Minuten tief eingeschlafen, nachdem er eine Behandlung durch einen Heiler des Stammes verweigert hatte. Takeru hätte ihn gern über die Problematik des Grenzübertrittes aufgeklärt, aber das hatte sicherlich auch bis zum nächsten Morgen Zeit. Das weiße Fell des Hundes hob sich gleichmäßig neben ihm und manchmal zuckte er im Schlaf heftig zusammen, bevor er wieder in seinen ruhigen Rhythmus verfiel. Takeru seufzte leise. Minoru hatte die ganzen Monate gewirkt, als habe er für alles einen zweiten und dritten Plan in der Hinterhand, als könne ihn nichts überraschen und die Welt wäre ein langweiliges, vorhersehbares Gespiel aus Wetter und Eindrücken. Nicht einmal die Nachricht vom Krieg und dorthin zu ziehen hatte ihn äußerlich beunruhigt. Takeru konnte nicht glauben, dass das alles nichts weiter als Fassade gewesen war, aber ihn zu sehen, in seiner menschlichen Form, hatte ihn durchaus beunruhigt und auch ein wenig mit der Realität konfrontiert. Er hatte die ganzen Monate über einen nicht geringen Respekt gegenüber einem Jungen entwickelt, der ihm gerade einmal über die Schulter reichte. Auch Takeru war nicht entgangen, dass das Yōki des Weißen kaum ausgeprägt gewesen war, aber solange es nur darum ging, draußen allein zu überleben, hatte er das gut kompensieren können. Wäre Minoru ein Wolf gewesen und mit ihm zusammen hier aufgewachsen, hätte Takeru ihn vermutlich für seinen Hochmut bei so begrenzten Voraussetzungen belächelt. Doch in hündischer Gestalt war das gar nicht so immens aufgefallen wie eben vor dem Eingang. Erschreckend hager und abgekämpft hatte er in dem viel zu weiten Yukata ausgesehen; kreidebleich, wobei seine weißen Haare den Gesamteindruck nur unterstrichen. Wo er nicht blutleer aussah, hatte er tiefe Wunden. Im Kampf musste ihm jemand die Krallen durch das Gesicht gezogen haben, so tief, dass es nun noch im Fell sichtbar war. Er lag auf seiner unverletzten Schulter. Die andere sah aus, als habe sie ihm jemand vom Leib reißen wollen: Das Fell über dem Schulterblatt war nur noch in Fetzen vorhanden, Haut und Muskel darunter mit tiefen Wunden übersät. Immerhin blutete nichts mehr. Takeru ließ sich neben ihm auf die Felle sinken und starrte abwesend auf seine im Schlaf zuckenden, weißen Ohren. Wenn er Minoru nicht getroffen hätte, sähe er nun sicher nicht viel besser aus und auch für ihn schien es nicht die beste Lösung, irgendwann wieder allein loszuziehen. War es denkbar, dass er hier bei ihm bleiben konnte? Sicher, er war kein Ōkami, aber hatte seine Mutter nicht bereits gesagt, er solle sich wie Zuhause fühlen? Die Schwierigkeit würde sicher nicht, seine Eltern dazu zu überreden, sondern viel eher, diesen Köter davon zu überzeugen, dass er hier viel sicherer war – und wenn Takeru ehrlich war, wollte er auch gar nicht mehr, dass er ging. Auch wenn er ein respektloser Haufen kalten, weißen Fells war, so wollte er ihn doch nicht mehr missen. Als Minoru aufwachte, war er zunächst verwirrt. Für gewöhnlich sah er die ersten Sonnenstrahlen, wenn er die Augen aufschlug, aber hier war es schlicht stockfinster. Hinter ihm atmete jemand kaum hörbar, aber der bekannte Geruch beruhigte ihn. Wenn es nicht die Sonne war, die ihn geweckt hatte, was dann? Er witterte noch einen Moment, bis er die Ohren anlegte und in der Dunkelheit etwas zu erkennen versuchte. „Friede, Inu“, flüsterte eine Frauenstimme beruhigend. „Mein Vater wünscht dich zu sehen.“ Minoru hob den Kopf und streckte die Glieder einen Moment von sich, wobei er den rechten Arm ausließ und erhob sich auf zwei Beine. „Wer?“, fragte er, aber sie lief offenbar schon davon. Minoru knurrte leise, ließ die humane Hülle wieder von sich abfallen, wie einen alten Umhang und legte den Kopf zurück in das Fell am Boden. Er würde sicher keiner ominösen Frau durch eine dunkle Höhle folgen, die er nicht kannte, um einen Mann zu treffen, der nach ihm verlangte, aber offenbar nicht in der Lage war, dabei seinen Namen zu übermitteln. Er wusste, dass er sich damit nicht unbedingt Freunde machte, aber er hatte auch keine Lust auf Hinterhältigkeiten irgendeiner anderen Art – also döste er wieder ein. Als er zum zweiten Mal erwachte, war Takeru bereits auf den Beinen und sah auf ihn hinunter. „Konntest du dich etwas ausruhen?“, erkundigte er sich und Minoru nickte langsam, bevor er gedehnt gähnte. „Hand vor den Mund“, mahnte Takeru ihn scherzhaft und Minoru wischte ihm mit der weißen Rute durch das grinsende Gesicht, als er sich erhob. So ein Witzbold – und das am frühen Morgen. „Ich könnte dir nun alles zeigen, wenn du möchtest.“ Minoru musterte ihn einen Augenblick, dann schüttelte er das Fell, gab die Form auf, da Takeru ganz offensichtlich nicht gewillt war, ihm entgegenzukommen und damit jegliche Kommunikation erheblich erschwert worden wäre. „Ich muss mich noch bei jemandem bedanken – und entschuldigen“, meinte er ruhig, während er sich den Zopf neu in die weißen Haare band. „Wenn du weißt, wo der Taishō ist –.“ „Der Inu no Taishō?!“, Takeru weitete die Augen. „Haben wir noch einen hier, den ich übersehen haben könnte?“, kam es giftig zurück. „Er ist also doch wegen dir hier! Oh, Minoru, du musst mir unbedingt zuhören, bevor du hingehst!“ Minoru nickte. „Dann sprich dich auf dem Weg aus.“ Takeru wusste zumindest, wo der Fürst nicht sein würde, also führte er Minoru aus der Höhle heraus. „Die Panther haben mich gefangen genommen und in ihrem Lager in eine Barriere eingepfercht“, begann Takeru und ignorierte Minorus scharfen Seitenblick. „Ihre ganze Planung war eigentümlich. Ich dachte erst, sie seien darauf aus, eine sichere Basis wie die Berge einzunehmen, aber sie schienen eher Zeit schinden zu wollen, als dass sie daran interessiert waren, Boden zu erobern. Als sie ungeduldig wurden, begriff ich das erst nicht, bis Karan wütend wurde, weil Sesshōmaru-sama immer noch nicht aufgetaucht sei. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke Folgendes: Sie haben den Westen nicht aus Versehen betreten. Es war viel eher eine Provokation, damit er herkommt und sich einmischt.“ „Warum sollten sie eine zweite Front bewusst provozieren?“, fragte Minoru ungläubig. „Na ja, er hat in den letzten Jahren große Teile des Westens unter seine Herrschaft gestellt und dabei keinerlei Widerstand geduldet. Nun hat der Westen langsam wieder die Ausmaße, die er noch vor gut zweihundert Jahren hatte, als sein Vater Taishō war und damit die Gebiete zurückgeholt, die sich nun irgendwie als eigenständig sahen. Seit einigen Jahren ist jetzt Frieden und er verhält sich ruhig. Wenn er nun aber bewusst in einen Krieg zweier anderer Clans eingegriffen hätte –.“ „Hätte man ihm vorgeworfen, sich in eine Position zu begeben, die er nicht besitzt und ihm weitere expansive Absichten unterstellt, ja?“ „Eben. Und da du auch ein Hund bist, oder zumindest nach einem aussiehst, hätte dein Grenzübertritt dafür schon ausgereicht, um es auf ihn zurückfallen zu lassen.“ „Wenn er davon auch nur den Hauch einer Ahnung hat, kannst du mich gleich hier erwürgen“, murmelte Minoru kaum hörbar. „Das ist sicher angenehmer.“ „Ich glaube, du wärst schon tot, wenn er das wollte. Er mag nicht für Gnade bekannt sein, aber eben auch nicht dafür, dass er mit Exekutionen lange herumalbert. Das ist zwar sonst nicht gerade die angenehmste Eigenschaft, aber ich glaube, für dich ist das ein gutes Zeichen.“ Minoru runzelte die Stirn und drehte erneut an seinem Armband herum, als helfe das, irgendeine Antwort auf die Fragen zu finden, die sich ergaben. Es schien tatsächlich unlogisch. Hatte der Taishō ihm nicht gestern noch geholfen? Nun, er würde es nicht heraus bekommen, wenn er sich der Angelegenheit nicht stellte. „Minoru.“ Er fuhr zusammen, als er von einer tiefen Stimme aus den Gedanken gerissen wurde. Nobu kam in langen Schritten auf ihn zu und lächelte beängstigend herzlich. Von Takeru nahm er allerdings keinerlei Notiz. „Zu meiner Enttäuschung musste ich feststellen, dass du meiner Bitte letzte Nacht nicht nachgekommen bist. Ich wollte nach der Besprechung gerne mit dir reden, aber du scheinst kein Interesse daran zu haben.“ „Mir wurde nicht gesagt, wer nach mir schickt“, sagte Minoru ernst und ohne jeglichen Anflug einer Entschuldigung in der Stimme. Wenn er nun noch wankend wirkte, wäre das mit Sicherheit nicht hilfreich. Der breitschultrige Ōkami schnalzte abfällig mit der Zunge. „Ah, vermutlich ist meine Tochter davon ausgegangen, dass jeder weiß, für wen sie Botengänge verrichtet“, meinte er leichthin und machte eine verwerfende Handbewegung. „Aber wie solltest gerade du das wissen? Sei's drum, Minoru. Hast du es eilig?“ „Ich muss mit dem Taishō sprechen“, entgegnete Minoru. Nobu lächelte nicht unzufrieden, während er näher an ihn herantrat. „Der Taishō hat uns bereits vor Sonnenaufgang wieder verlassen. Seine menschliche Begleitung schien sich in unserer Mitte nicht sehr wohl zu fühlen. Mach dir keine Gedanken um ihn. Wenn er etwas von dir gewollt hätte, hätte er es längst eingefordert.“ Minoru sah ein wenig erstaunt zu Nobu auf, während Takeru ein wenig zurückgewichen war. Der Blick des Mannes wurde mit einem Mal deutlich weicher. „Hör zu, Junge – und hör mir gut zu. Ich weiß, dass du deine letzten Jahre allein verbracht hast. Es wäre pure Verschwendung, dich damit fortfahren zu lassen. Jemanden wie dich auszubilden könnte mir sogar noch auf meine alten Tage ein wenig Spaß bereiten. Meine einzige Tochter ist eine sehr kluge und bezaubernde Ōkami, aber sie wird niemals durch meine Hand zu einer Kriegerin werden. Wenn du es wünschst, bin ich gerne bereit, dich aufzunehmen. Es muss dir keine Sorgen bereiten. Ich werde bis auf Fleiß nichts von dir verlangen – und natürlich die Dinge, die du jedem Erwachsenen entgegen bringen solltest. Es wäre eine Schande, wenn du niemanden hättest, der sich um deine Ausbildung kümmert, wie es offensichtlich bisher der Fall gewesen ist.“ Bevor Minoru überhaupt wusste, wie ihm geschah, hatte Nobu ihm die ausgestreckte Hand mit außergewöhnlich langen Krallen hingehalten. Er sah sie perplex an. „Deine Hand darauf, dass du es dir überlegst“, erklärte der Wolf. „Mehr will ich für's Erste gar nicht.“ Auf den ersten Blick fiel Minoru kein Grund ein, der gegen die Überlegung allein sprechen sollte und ein wenig benommen willigte er ein. Als Nobu zudrückte, hatte er das Gefühl, er wolle ihm sämtliche Knochen der Hand zu Staub zermahlen. Im nächsten Moment zog Nobu ihn näher an sich heran. Mit einem prüfenden Blick musterte er den Jungen von Nahem, dem sich sämtliche Nackenhaare aufstellten. Dann ließ er los und strubbelte ihm für einen kurzen Moment lächelnd durch das weiße Haar. „Nun ruh' dich noch etwas aus – und iss etwas. Sonst wird es sicher nicht besser.“ Er warf Takeru einen nahezu vernichtenden Blick zu und ging ohne ein weiteres Wort davon. Minoru sah ihm ein wenig dümmlich nach und legte den Kopf einen kurzen Augenblick schief, bevor er sich zusammenriss und Takeru fragend musterte. Warum war dieser Kerl so nachsichtig und freundlich ihm gegenüber? Takeru starrte lediglich zurück, als sehe er einen Geist und versuchte irgendeine Gefühlsregung herunterzukämpfen. Dann schüttelte er sich abrupt und sah Minoru ernst an. „Du musst nicht mit ihm gehen! Du kannst auch bei mir bleiben.“ „Warum kann er dich so wenig leiden und unterbreitet mir solche Vorschläge?“ „Na ja...“, Takeru seufzte lang. „Ich habe ihn … vielleicht ein bisschen beleidigt.“ „Du hast seine Tochter abblitzen lassen“, stellte Minoru fest, erwartete aber nicht ernsthaft, dass das zutraf. Als Takeru jedoch zur Seite sah und nichts mehr sagte, stockte Minoru einen Moment, bevor er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. „Was?!“, giftete Takeru gereizt, als er den schadenfrohen Gesichtsausdruck bemerkte. „Du bist der größte Depp, der mir je begegnet ist“, Minoru lachte leise. „Hättest du dir nicht noch einen kolossaleren Vater aussuchen können, dessen Tochter du verschmähen kannst?“ „Ich hatte keine Ahnung - !“, protestierte Takeru. „Kommt seine Tochter etwa nach ihm?“, spottete Minoru und langsam kam er sich beinahe gemein vor – aber wirklich nur beinahe. „Ich glaube nicht..“, gestand Takeru kleinlaut. „Nun hör schon endlich auf zu Grinsen!!“ „Du solltest um eine Unterhaltung bitten und dich bei ihm entschuldigen“, schlug Minoru nun wieder ernst vor. „Ich weiß“, Takeru sah betreten in die Richtung, in die der Daiyōkai verschwunden war. „Kann ich dich für ein paar Minuten allein lassen? Ich sollte vielleicht unter vier Augen mit ihm sprechen... .“ „Aber sicher. Ich werde mir derweil etwas zum Essen suchen“, entgegnete er leichthin. „Am Höhleneingang bringen sie die Jagdbeute zusammen“, erklärte Takeru. „Nimm dir einfach etwas. Niemand wird dich schief ansehen, wenn du dabei nicht zögerst.“ „Danke. Versuch' bei deiner Unterhaltung nicht zu sterben.“ Takeru warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der genauso ernst gemeint war, wie Minorus Sticheleien, dann lief er Nobu nach. Minoru sah sich einen Moment um, dann machte er sich auf den Weg zum Eingang, um zu sehen, wie sehr er nun wirklich unter Wölfen auffiel. 狐 Kōhei kniete tief und demütig, wie man es von einem guten Soldaten erwarten durfte. Die Handflächen eng an den Boden gepresst, den Kopf gesenkt und gebeugt sah er stumpf auf den polierten Marmorboden unter ihm. Der Bericht, den er abgeliefert hatte, hatte eingeschlagen, wie es zu erwarten gewesen war. Sein Herr war wütend. Nicht unbedingt nur auf ihn, aber das war in solchen Momenten irrelevant. Diese neuen Erkenntnisse gefährdeten alles, dazu brauchte er nicht einmal zu hören, was sein Fürst davon hielt. „So weit hätte es nie kommen dürfen. Es wäre Eure Aufgabe gewesen, einen Weg zu finden, der sich zwischen den Extremen bewegt. Ich hätte mehr Gewandtheit von Euch erwartet, Kōhei, so wie Ihr sie sonst stets bewiesen habt. Ihr wisst, warum ich es gerade Euch aufgetragen habe?“ „Weil Ihr mir vertraut“, gab er wie immer ruhig und freundlich zurück. Das war die halbe Wahrheit, das wusste er, aber es war, was er hören wollte. Im Grunde ging es darum, dass der Fürst sich aus diversen Gründen seiner Loyalität in dieser Sache sicher sein konnte – aber den wohl Wichtigsten hatte er bisher nie verstanden und das war auch gut so. „Weil ich Euch vertraue“, bestätigte sein Gegenüber und ließ tippend die langen Krallen über den schweren Tisch vor sich gleiten. „Es ist zutiefst ärgerlich“, fuhr er schnaubend fort. „Es war perfekt. Unsere einzige Chance, diese elende Dynastie ohne größere Komplikationen zu brechen – sagt mir noch einmal, warum ich meinen Beratern nicht den Kopf abschlagen lasse für ihr sinnloses Geplapper? Wir hätten ihn an den Haaren zurückzerren sollen, gleich nachdem er Reißaus genommen hat. Darauf zu hoffen, dass er von allein zurückkehrt, pah, was für ein Unsinn!“ „Eure Berater hielten es für unklug, ihn zu zwingen. Er ist nachtragend und es hätte uns sein Wohlwollen für lange Zeit verspielt“, antwortete der Fuchs wie gewünscht, auch wenn er ahnte, dass sein Fürst nicht wirklich eine Antwort erwartet hatte. „Ihr hattet wirklich keinerlei Chance, ihn gefangen zu nehmen?“ „Bedauerlicherweise nein“, entgegnete er. Er war kein Mann, der seinen Fürsten gern oder gar oft belog, Lügen im Allgemeinen lag ihm eigentlich nicht, aber wenn er es tat, dann mit Perfektion. „Nun hat sich Euer kleiner Schützling aber nicht gerade als sehr kooperativ erwiesen! Fortgelaufen und ausgerechnet in seine Arme. Es ist unmöglich, dieses Desaster noch abzuwenden. Zumindest auf dem üblichen Wege. Ich erwarte, dass Ihr diese Sache zu Ende führt, General.“ „Was wünscht Ihr, mein Herr?“ Der Fürst tippte mit einer Kralle zweimal hintereinander auf die Tischplatte und Kōhei erhob sich langsam, den Blick immer noch gesenkt. „Eine möglichst unauffällige Beseitigung. Er ist für unsere Sache nicht weiter relevant. Tötet ihn, bevor er uns womöglich noch im Weg steht.“ „Herr, wenn ich einen bescheidenen Vorschlag unterbreiten dürfte?“ „Sprecht.“ „Nach meinen bisherigen Erkenntnissen ist zur Zeit nichts vorgefallen, dass für uns eine direkte Bedrohung darstellen könnte. Wenn wir nur seine Mutter – .“ „Keine Option. Ihr Betragen war bedauerlicherweise katastrophal, eine Kooperation in absehbarer Zukunft ausgeschlossen. Ich habe sie bereits vor einigen Monaten entfernen lassen. Äußerst bedauerlich, aber so wie die Dinge verlaufen, wäre sie ohnehin nicht mehr von Nutzen gewesen. Sonst noch etwas?“ Kōhei verneigte sich erneut ein wenig und lächelte, wie er es stets zu tun pflegte, während unter seine Maske eine ganze Welt schmerzvoll zersplitterte. „Nein, Herr.“ „Dann erwarte ich Eure Berichte im Monatstakt. Guten Tag, General.“ Er verließ den Raum rückwärts und wandte sich erst um, als er die schwere Tür zum Saal geschlossen hatte. Der Weg hinaus schien länger als je zuvor. Dutzende Soldaten grüßten ihn ehrfürchtig und er nickte jedem von ihnen freundlich zu. Sie waren gute Männer, ergeben und stets aufrichtig. Er zweifelte keine Minute daran, dass sie ihr Leben ließen, wenn man es ihnen befahl und es dem Feind dabei so schwer machen würden, wie möglich. Ihre Loyalität galt ihrem Fürsten und sonst niemandem, so wie die seine... Kōhei verließ den Hof ruhigen Schrittes und erst nachdem er einige, sichere Kilometer zwischen sich und seine Leute gebracht hatte, begann er zu wanken. Er streifte einen Baum im Vorbeigehen, stolperte und hielt sich schließlich angestrengt atmend an einem alten Ahorn aufrecht. Seine Kehle brannte, gleich einem beißenden Gefühl, dass er nicht fassen konnte und seine Maske fiel mit einem Mal. Er sank an die Wurzeln des Baumes und presste die Stirn an die harte Rinde, während sich die Tränen seiner schüttelnd bemächtigten. Kein Lächeln mehr, keine Freundlichkeit, nur noch blanke Realität. Sie war tot. Unweigerlich und unumkehrbar. Er hatte versagt. All die Jahre hatte er versucht, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, sie aus der Ferne zu schützen, aber letztlich hatte er nur bitter versagt. Was hatte es noch für einen Sinn, wieder aufzustehen, wenn bereits alles verloren, alles fort, das ihm je lieb und teuer schien? Er hätte mit ihr fliehen sollen, als die ersten Gerüchte aufkamen, hätte alsbald einen Weg finden müssen, sie aus dem Land zu bringen, solange noch Zeit dazu gewesen war. Aber seine Loyalität und der Glaube daran, dass es nichts gab, dass sie wirklich trennen konnte, hatten ihn geblendet. Schlechte Zeiten fanden stets ein Ende – und sie hatte so sehr ehrlich darauf bestanden, dass sie ihrer Pflicht nachkommen musste, wie es nur ihr möglich gewesen war. Doch Tod war stets unausweichlich, war stets herzlos und grausam. Reika... wenn sie ahnen würde, was ihm nun zu tun aufgetragen worden war... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)