Realms torn apart von Silwyna ================================================================================ Prolog: Ein schwerwiegender Fehler ---------------------------------- Prolog - Ein schwerwiegender Fehler             Die Luft schien in Flammen zu stehen. So kam es jedenfalls einem aus der Palastwache des Pharaos vor. Der Mann rührte keinen Muskel, doch in seinem Inneren überschlugen sich die Gedanken. Aber das, was sich vor seinen Augen abspielte, hätte wohl jeden aus dem Konzept gebracht, zumindest wenn man diesen Anblick nicht gewohnt war. Vor den Augen des Mannes standen sich sein König, der Pharao Atemu, Sohn des Aknamkanon, und ein Fremder Gegenüber. Es war kein Wort zwischen ihnen gefallen, seitdem der seltsam gekleidete Mann in ihren Reihen erschienen war und dennoch war sie Spannung regelrecht zu spüren. Der Neuankömmling sah wirklich seltsam aus, fand der ägyptische Krieger. Seine Haut war blass, so als hätte er nie die Sonne zu Gesicht bekommen, die Augen waren von einem kalten, fast schon stechenden Blau und seine Kleidung sah in den Augen des Wachsoldaten fast schon albern aus. Aber ansonsten -und das erschreckte ihn sehr- war er dem Hohepriester Seth wie aus dem Gesicht geschnitten. Selbst das abfällige "Hmpf!" das der Mann, unmittelbar nachdem er vor dem Thron zum Stehen gekommen war von sich gegeben hatte, klang nach dem Vertrauten des Pharaos. 'Wie unheimlich!', dachte sich der Soldat und musterte das stumme Blickduell zwischen den beiden gespannt. Sein Pharao schien die Ruhe selbst, lächelte sogar ein wenig. Doch es war kein freudiges Lächeln, dass sah der Krieger. Es war wehmütig und fast schon ein bisschen mitleidig. Der Soldat glaubte zu spüren, wie alle anderen Anwesenden die Luft anhielten, als ihr König die Stimme erhob. Aber die Worte, die der Pharao an den Fremden mit Seths Gesicht richtete, verstand keiner von ihnen, außer vielleicht der Mann vor dem Thron. Es war eine völlig andere Sprache, die da gesprochen wurde. Sie klang weicher als die Worte, die sie untereinander benutzten und man konnte sehen, dass es ihrem Pharao ein wenig schwer fiel, sich an die korrekte Aussprache zu erinnern. Das Gespräch zwischen den beiden würde wohl für die Anwesenden Krieger auf alle Zeit ein Geheimnis bleiben. Dem unerwarteten Gast schienen die Worte, die ihr König an ihn richtete sehr wohl etwas zu sagen, denn er verzog missmutig das Gesicht. "Weißt du Seto, das traurige an der ganzen Sache ist, dass es mich nicht im Geringsten schockiert, dass du hier bist!", waren die ersten Worte, die Kaiba vom Pharao zu hören bekam und er musste sich reichlich Mühe geben, dass ihm nicht das Gesicht einschlief. "Dann weißt du auch, weshalb ich hier bin, oder?!", schnappte er und trat einen Schritt auf den Thron zu. Die Wachen um Atemu herum schien das zu alarmieren, denn einige zogen ihre Waffen hervor und machten sich bereit. Würde der Fremde auch nur eine falsche, bedrohliche Bewegung machen, würden sie ohne zu zögern auf ihn losgehen, um ihren König zu schützen. Atemu wusste das und hielt seine Krieger mit einer beschwichtigenden Geste seiner Hand zurück. "Dir ist klar, dass ich hier am längeren Hebel sitze oder? Wenn ich wollte könnte ich dich einsperren lassen, oder schlimmeres. Aber das will ich gar nicht. Das einzige, was möchte, ist erfahren...was bei allen Sternen am Firmament du dir dabei gedacht hast???", rief er aus und donnerte mit seiner Faust auf die Lehne seines Thrones. Nicht nur die Wachen rings herum zuckten erschrocken zusammen, auch Kaiba wich unbewusst einen kleinen Schritt zurück. Er konnte sich nicht erinnern, dass der Pharao ihn jemals so angeschrien hatte. Sicher, sie beide hatten ihre Differenzen gehabt, aber das... "Das kannst du dir doch wohl denken, oder? Du bist vor einem halben Jahr sang- und klanglos verschwunden, ohne dass es mir gegönnt war, dich zu einer Revanche herauszufordern..." Atemu seufzte, klang dabei unendlich erschöpft und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. "Ist das dein Ernst?", fragte er und sah Kaiba ungläubig an. "Wegen deiner albernen Revanche bist du hierhergekommen. Hast du eigentlich eine Ahnung, wo wir hier sind?" Kaiba zuckte mit den Schultern. Er hatte nur einen leisen Verdacht, aber es war ihm im Großen und Ganzen herzlich egal. So lange er nur sein Duell mit dem Pharao bekam, mit dem echten und keiner virtuellen Nachbildung, kümmerte es ihn herzlich wenig. Und wenn sie sich in der Hölle selbst duellieren müssten, wäre er selbst dorthin gekommen. "Ich fass es nicht!", sagte Atemu und lachte freudlos auf, bevor er sich wieder an Kaiba wandte. "Komm mit, wir besprechen das unter vier Augen. Meine Soldaten drehen noch durch, wenn sie dich weiter ansehen!" Ohne Kaibas Antwort abzuwarten, ging Atemu die Stufen vom Podest herunter, auf dem sein Thron stand und wandte sich einer recht unscheinbaren Tür auf der rechten Seite des Saales zu. Kaiba schnaubte genervt auf und folgte ihm wortlos. Hinter der Tür verbarg sich ein spärlich beleuchteter Gang, gerade einmal so breit, wie ein Mensch zum Gehen brauchte. Während sie den Gang folgten, verloren weder Atemu noch Seto ein Wort. Nach einer gefühlten Ewigkeit -tatsächlich waren keine zehn Minuten vergangen- wurde Seto ein weiteres Mal überrascht, denn Atemu betätigte einen kleinen Hebel unterhalb einer Fackel und die Wand zu seiner Linken öffnete sich. Sie gab den Blick in ein sehr großes Zimmer frei, durch dessen hohe Fenster das strahlende Licht der Sonne schien. Nach dem fast schon düsteren Weg, den sie zurückgelegt hatten, musste Kaiba mehrmals blinzeln, um sich an diese Helligkeit zu gewöhnen. Atemu hingegen hatte keine Probleme, zum einen weil er es gewohnt war und zum anderen waren seine Augenlider ohnehin mit einer Mischung aus Kohle und anderem färbenden Pulver bedeckt -in einer anderen Zeit wurde das gerne als Make-up bezeichnet-, weshalb es ihm leichter fiel dieses helle Licht zu ertragen. * "Wo sind wir hier?", fragte Kaiba, nachdem er wieder normal sehen konnte, Atemu gab ihm jedoch mit einer Geste zu verstehen, er solle sich setzen. Mit einem weiteren, genervten Schnauben ging Kaiba zu dem großen, runden Tisch in der einen Ecke des Raumes und setzte sich widerwillig hin. Sein Gegenüber tat dasselbe allerdings nahm er zuvor zwei Becher von einem Tablett und goss eine dunkelrote Flüssigkeit hinein. Er hielt Kaiba das Getränk hin und der nahm es recht verwundert entgegen. Der Grund für seine Verwunderung war nicht das Getränk an sich, sondern dass die ganze Zeit über die linke Hand dessen "dominante" Hand war... 'Ist er etwa Linkshänder?' "Was ist?", fragte Atemu mit einem leicht amüsierten Gesichtsausdruck und als Kaiba mit seiner Hand gegen seine eigene Linke tippte, lachte er. "Ach das? Ja, das ist mir auch erst aufgefallen, seit ich nicht mehr den Körper mit Yugi teile. Er ist Rechtshänder und sein Körper...Nun ja, das wird nicht das einzige sein, das dich überrascht, glaub mir!", fügte er hoch hinzu, ehe er sich einen Schluck aus dem Becher gönnte. Seto musterte das Getränk in seiner Hand als könne es ihm alle Antworten auf die Fragen geben, die in seinem Kopf herumgeisterten, doch natürlich war das nicht der Fall. "Warum wären deine Soldaten durchgedreht, wenn ich noch länger im Thronsaal geblieben wäre?", fragte er schließlich. Der Pharao stellte seinen Becher auf dem Tisch ab und lehnte sich mit vor dem Körper verschränkten Armen ein wenig zurück, bevor er antwortete. "Weil du meinem Cousin, dem Hohepriester Seth, so verdammt ähnlich siehst. Ich weiß woher du kommst und woran das liegt, aber sie nicht. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob sie es überhaupt verstehen würden..." "Du redest von dem Kerl, der mein Gesicht geklaut haben soll, oder?" Darauf reagierte Atemu mit einem kurzen, amüsierten Kichern. Er legte den Kopf leicht schräg, bevor er antwortete: "Er ist mehr als dreitausend Jahre älter als du. Ich würde also eher sagen, dass du sein Gesicht geklaut hast und nicht andersherum..." "Wie auch immer!", gab Seto ungeduldig von sich. "Warum bist du so seltsam drauf. Wir wissen beide, weshalb ich hier bin, warum verlieren wir unnötig Zeit?" "Weil ich mich nicht mit dir duellieren werde!", sagte Atemu ruhig, aber bestimmt und stellte sich innerlich schon mal auf ein Donnerwetter ein... was auch nicht auf sich warten ließ "WAS?!", schrie Kaiba und seine Hand umschloss den Weinbecher so fest, dass er jeden Augenblick zerspringen könnte. Doch Atemu ging gar nicht erst darauf ein, sondern musterte Kaiba gelassen. "Du hast mich schon verstanden. Ich werde nicht mehr gegen dich antreten. Diese Zeiten liegen hinter mir, meine Aufgaben sind gänzlich erfüllt und dir gegenüber habe ich keinerlei Verpflichtung mehr! Das was du dir in den letzten Tagen geleistet hast grenzt an Todessehnsucht, Kaiba! Aber wenn es nur um dich gegangen wäre, hätte ich mich eventuell dazu bereit erklärt, deine Herausforderung anzunehmen. Jetzt sieht das ganze anders aus. Du hast nicht nur dich in Gefahr gebracht, sondern Yugi und ganz nebenbei hunderte von unschuldigen Leuten, die absolut nichts damit zu tun hatten!" "Ich konnte doch nicht..." "Was konntest du nicht? Ahnen, dass das so eine Eigendynamik entwickelt? Hast du vergessen, was das letzte Mal passiert ist? Muss ich dich an den Anubis-Vorfall erinnern, oder kriegst du das noch allein zusammen? Du hast nichts gelernt aus der ganzen Sache, oder? Denn du hast haargenau denselben Scheiß nochmal angezogen: Hast dich mit einer Macht angelegt, die du nicht kennst, nicht kontrollieren kannst und hast alles noch viel schlimmer gemacht, nur weil du mich unbedingt besiegen musst. Dabei hast du etliche Leben riskiert und weißt du was das Resultat ist, Kaiba? Strenggenommen, bist du tot!" Das hatte gesessen. Seto klappte, überrascht von Atemus Zurechtweisung, der Mund auf und er erstarrte regelrecht. Es war nicht das erste Mal, dass der Pharao ihm einen Vortrag hielt, das war schon früher oft genug vorgekommen, aber der hier war von einem ganz anderen Kaliber gewesen. Es war kein "Du musst an die Macht der Freundschaft und das Herz der Karten glauben"-Vortrag, sondern ein "Du hast gehörigen Mist gebaut, nun sieh zu wie du das wieder hinbekommst!"-Vortrag. Erschwerend kam der letzte Satz hinzu... "Tot?!", fragte Kaiba flüsternd und so schockiert hatte Atemu ihn nur nach ihrem allerersten Duell erlebt als er ihn ge"mindcrusht" hatte, um die Dunkelheit aus seinem Herzen zu vertreiben. Seine Hände zitterten leicht und das letzte bisschen Farbe war aus seinem Gesicht verschwunden. "Na ja... also nicht wirklich, aber ...das ist schwer zu erklären!", sagte Atemu und in seinem Kopf ratterte es. Er hatte Seto damit in die Schranken weisen, ihn die Konsequenzen seines Tuns vor Augen führen wollen, aber dass er so erschrak, war nicht seine Absicht gewesen. "Dann erklär's mir!", forderte Kaiba ihn auf, klang nun wieder ganz nach sich selbst, auch wenn er immer noch sehr blass war. "Also, fangen wir mal an mit diesem Ort hier. Weißt du, wo wir sind?" Kaiba schüttelte den Kopf. Er hatte angenommen, er würde wieder in der Welt der Erinnerungen landen, wo sie vor einigen Monaten gegen Zorc angetreten waren, doch scheinbar war dem nicht so, sonst wäre der Pharao nicht so aufgekratzt über sein Erscheinen. "Wir sind in der jenseitigen Welt, Kaiba. Dort wo die Toten wandeln. Es gibt so viele Namen für diesen Ort, wie Glaubensrichtungen auf der Welt aber alle haben eines gemeinsam: Es ist kein Ort für die Lebenden!" "Was soll mir das jetzt sagen?" "Dass du nicht hierhergehörst!", meinte Atemu und stützte den Kopf erschöpft auf die Arme. Er hatte fast schon vergessen, wie anstrengend Auseinandersetzungen mit Kaiba waren, wenn dies auch nur eine verbale war. Sein Cousin war zwar genauso stur, aber wesentlich umgänglicher als sein Nachfahre. "Du wirst mich also zurückschicken?" "Ja, wenn es in meiner Macht steht!", sagte er und stand auf. Ohne Kaiba weiter zu beachten, ging er auf eine große Tür auf der anderen Seite des Raumes zu und öffnete diese. Dort waren zwei Wachen aufgestellt, die ihren Pharao vor ungewollten Eindringlingen beschützen sollten. Kaiba hörte wie er etwas zu ihnen sagte, was er sagte, verstand er jedoch nicht, denn es schien eine andere Sprache zu sein. "Was hast du vor?" "Ich werde Seth dazu befragen, er kennt sich damit etwas besser aus als ich!", sagte Atemu als er wieder zurückkam und Kaiba gelang es eher schlecht, sein Staunen zu verbergen. Der Pharao hatte gerade unumwunden zugegeben, dass er in etwas nicht gut war. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das jemals erlebt hatte. Er selbst hatte dergleichen allerdings nie von sich gegeben. In der Zeit, die sie beide mit Warten verbrachten, fiel kein Wort zwischen den beiden ehemaligen Kontrahenten. Seto saß mit fast schon trotziger Miene am Tisch und Atemu lehnte mit dem Rücken an einer Säule und sah aus dem Fenster. Beide schienen so tief in ihren Gedanken versunken zu sein, dass sie beide erschraken, als es leise an der Tür klopfte. Atemu rief etwas, was wohl bedeuten sollte, dass die Person davor hereinkommen solle und die Tür öffnete sich ein wenig. Doch es war nicht der Hohepriester der in der Schwelle stand, sondern eine junge Frau, mir wirrem, braunen Haar und einem seltsamen Stab in der Hand. Kaiba versuchte sich zu erinnern, ob er sie damals beim Kampf gegen Zorc schon einmal gesehen hatte, aber ganz sicher war er sich nicht. Das einzige, was er sofort erkannte, war die Ähnlichkeit zum Schwarzen Magiermädchen... die bestanden hätte, würde die Frau nicht so verquollene, gerötete Augen haben und kräftig Schniefen, als wäre ihre Nase dicht. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie sagte etwas zu Atemu, wobei sich ihre Stimme fast überschlug. Von Kaiba schien sie keine Notiz zu nehmen. Der Pharao erwiderte etwas in einem sanften, beschwichtigenden Tonfall, ehe er auf die Frau zuging und sie ohne Umschweife in die Arme nahm. "Mana, was ist passiert? Wo ist Seth?", fragte er leise und strich ihr beruhigend durch die Haare. Das hatte er immer schon gemacht, wenn Mana kurz davor war, durchzudrehen. Das beruhigte sie eigentlich immer, so auch jetzt... "Er war... in der B-Bibliothek und h-hat ein paar alte Aufzeichnungen gelesen, als deine Wache kam. Und plötzlich... plötzlich schrie er ganz laut auf und krümmte sich... als hätte er g-große Schmerzen gehabt! Ich wollte ihm helfen, wirklich! Aber bevor... bevor ich ihn erreichen konnte, war er... Er ist verschwunden, mein König!" Verschwunden? Was konnte das nur bedeuten? Atemu wusste nun jedenfalls, dass sich die Lage verkompliziert hatte. Er konnte nicht auf den Rat seines Cousins bauen. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass das kein Zufall war, dass Seth von einem Moment auf den anderen verschwand, kurz nachdem sein modernes Gegenstück hier erschienen war. Das musste ins Reine gebracht werden, so schnell wie möglich! Er sprach noch ein paar sanfte Wort zu Mana und ließ sie los, nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, ehe er sich an Kaiba wandte. "Planänderung, wir sind auf uns gestellt!", sagte Atemu zu ihm und schickte Mana eiligst fort. Was nun folgte, sollte die sensible Frau nicht unbedingt mitbekommen, er war schon froh, dass ihr Kaiba nicht aufgefallen war. Sonst wäre das arme Ding noch in Ohnmacht gefallen. "Wieso das?!", murrte Seto, stand aber auf, als Atemu ihn zu sich winkte. "Minimale Probleme. Hoffen wir einfach, dass es auch so geht. Nimm meine Hand!" "Ich werde ganz sicher nicht...", Kaiba verstummte, als Atemu ihn nicht einmal ausreden ließ, sondern einfach seine Hand nahm. Bevor er noch irgendwelche Proteste von sich geben konnte, legte Atemu die freie Hand auf das Milleniumspuzzle um seinen Hals, schloss kurz die Augen und sprach ein leises Wort. Wieder eines, das Kaiba nicht verstand. Der Effekt trat allerdings sofort ein: Es kam ihm vor, als würde er an einem Haken mit einem kräftigen Ruck nach hinten gerissen. Dann wurde es jedoch schwarz um ihn herum...       #*+*#       Er hatte Angst. Sein ganzer Körper schmerzte, als würde jeder Zentimeter Haut von einer Nadel durchbohrt, es war eiskalt und ein unnatürlicher Regen prasselte unaufhörlich auf ihn herab. Dort wo er herkam regnete es zwar auch, aber nicht so! Er schlang die Arme um den zitternden Körper und sah sich um. Nichts hier kam ihm vertraut vor. Er war auf einem breiten Platz aus grauem Stein gelandet, vor ihm erhob sich ein unheimlicher, seltsamer Turm, dessen Fassade fast komplett aus Glas zu bestehen schien. Vorher der Erbauer dieses Ungetüms so viel Glas haben mochte, war ihm schleierhaft. Genauso wie der Ursprung dieses seltsamen, kalten Lichts, dass von diversen Quellen her schien. Von den Gebäuden rings herum, von komischen Masten, die einen langen, breiten Weg säumten, auf dem komische Gefährte sich ihren Weg bahnten... überall war Lärm und komisches Licht. Er sah auch ein paar Menschen, die allesamt wirklich seltsam gekleidet waren und wirklich helle Haut hatten. Die Sprache, die sie benutzten klang für seine Ohren vollkommen fremd. Wieder schüttelte ein Zittern seinen Körper, während er sich umsah, wie ein gehetztes Tier. Es gab hier absolut nichts, was ihm bekannt vorkam. Wie hatte das nur geschehen können? Vor wenigen Augenblicken hatte er noch in der Bibliothek über ein paar Schriftrollen gebeugt gesessen und hatte sich gefragt, ob die darauf beschriebenen Rituale noch durchführbar waren, als ihn ein Schmerz ergriffen hatte, als würde sein Körper in Fetzen gerissen. Als er das nächste Mal die Augen geöffnet hatte, war er in dieser seltsamen, kalten und fremden Welt gewesen. Langsam ging er auf den seltsamen Turm zu, in der Hoffnung unter dem Vordach wenigstens Schutz vor diesem elenden Regen zu finden. Doch seine Beine gehorchten ihm nicht so ganz, sie zitterten so heftig, dass er wirklich nur schleppend vorankam. Als er schließlich das Vordach erreichte und sich erschöpft gegen die Mauern des Turmes lehnte, blickten ihn zwei dunkelgraue Augen verwundert an. Die Augen gehörten zu einem Jungen, höchstens dreizehn-vierzehn Jahre alt, der mit einem Schirm in der Hand durch die Tür gekommen war und ihn musterte als würde er ihn kennen. Der Junge hatte dunkles, fast schwarzes Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte und er trug dieselben seltsamen Kleidungsstücke, wie die anderen Menschen, die er gesehen hatte. Der Junge sprach zu ihm, doch er verstand kein Wort. Nur dass er besorgt klang, konnte er heraushören. Er blickte den Jungen verständnislos an und aus irgendeinem Grund fühlte er sich schuldig als er sah, wie Tränen in dessen Augen traten. Wieder redete er auf ihn ein, er konnte nichts verstehen. Eines hörte er jedoch heraus, ganz deutlich. Es schien ein Name zu sein. Der Junge musste ihn mit jemanden verwechseln, der ihm sehr ähnlich sah... und offenbar auch einen ähnlich klingenden Namen trug. "Seto?", fragte der Junge wieder und griff nach seiner Hand. Gern hätte er dem ihm gesagt, dass er ihn für jemand anderen hielt und dass er nicht hierhergehört, doch er konnte die Sprache des Jungen nicht. So blieb ihm keine andere Wahl als mit mitleidiger Miene seine Hand zu lösen, kopfschüttelnd ein paar Schritte zurückzugehen und seinen Namen zu nennen. "Seth!"   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)