Was wir sind von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 34: … ist ein Lügner ---------------------------- __________________________________________   Die Wahrheit über Lügen ist die, daß Lügen meistens als Wahrheit dargestellt werden. © Willy Meurer (*1934)   __________________________________________           Seto Kaiba wusste, wie er die Wahrheit so auslegte, dass er damit leben konnte. Wahrheit war sowieso nichts Objektives. Wahrheit lag im Auge des Betrachters. Er verdrängte das, was er nicht sehen wollte und betonte das, was ihm passte. Er war ein Lügner. Aber sind wir das nicht alle?   »Was willst du, Wheeler?«, wiederholte er und baute sich vor mir auf. »Oder hat Frau Mathieu deinen Verstand –« Ich wollte seine verdammte Krawatte packen und ihn erdrosseln. Und ihn fragen, was das sollte. Warum alles so kompliziert war. Warum er mich festhielt, wenn alles um mich herum zusammenbrach. Warum er so nah stand und so weit entfernt war. »– so wenig du auch dein eigen nennen kannst – völlig in eine graue Masse verwandelt?« Warum er mich nicht liegen ließ, wenn ich am Boden war. Warum er mich wegstieß, wenn ich nach ihm griff. »Es müsste selbst für deine pathetisch kümmerliche Einsicht, ersichtlich sein, dass –« Warum er mich so ansah. Mit Zorn in den Augen. Kälte und Häme. »– ein derartig präpubertäres Verhalten in einer Konferenz –« Kaibas Zorn brannte nicht mit flammender Hitze, er verbrannte einen durch Kälte und hinterließ das Gefühl von Minderwertigkeit. Distanz. »Tu das nicht«, knurrte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Warum er so widersprüchlich war. »Was?«, fuhr er mich an, fuhr sich durchs Haar, als könnte er nicht fassen, dass ich es wagte zu sprechen. Ich wollte ihn wegstoßen und zu mir ziehen oder ihn nie wieder sehen – und nie wieder loslassen. »Du behandelst mich wieder wie einen Angestellten, Geldsack«, polterte ich. »Du bist ein Angestellter!«, spie er mir vor die Füße. »Benimm dich wie einer!« Ich wollte ihn schütteln und mich an ihn lehnen. Ihn wegstoßen und zu mir ziehen. Weit weg und ganz nah. Er stand nur eine Armlänge von mir entfernt, die Arme verkreuzt, und schaute auf mich herab. »Warum?«, presste ich zwischen meinen Zähnen hervor. »Warum? Und warum willst du wissen, was ich will, Kaiba? Warum ist dir das nicht einfach scheiß egal?« Er senkte seinen Kopf, unterbrach aber keinen Moment unseren Blickkontakt, und neigte seinen Oberkörper nach vorne. Ich widerstand dem Bedürfnis, einen Schritt zurückzuweichen. Und dem, diesen Schritt zu machen und ihn zu berühren. Ihm die Strähne aus der Stirn zu streichen, seine Schultern zu umklammern und seine – »Es ist mir egal«, sagte er und betonte jedes einzelne Wort. Ich wollte lachen und brüllen. Und ihn fragen, was das sollte. Warum er auf mich einschlug. Nicht mit Fäusten, sondern mit Worten. Doch alles, was ich tat, war ihn anzustarren. Stille. Er stand da mit Hemd und Krawatte. Seine Haare durcheinander, wo er mit den Fingern durchgefahren war. Seine Augenlider verengt. Die Lippen aufeinander gepresst. Er beobachtete mich, als erwartete er etwas. Das Herz pumpte in meinen Ohren und die Luft drückte von innen gegen meine Lunge, weswegen ich erst kaum ein Wort herausbrachte. »Du bist ein Arsch. Ehrlich«, brach dann hervor. »Warum kannst du nicht zugeben, dass es – warum bist du so – du bist so ein Arsch!« Ich wusste nicht, was er erwartete. Ich wusste nicht, was er wollte. Ich wusste nicht einmal, was ich wollte. In meinem Kopf schwirrten Fragen. Dazwischen irgendetwas, das ich nicht einordnen konnte. Kaiba wandte mir den Rücken zu und stand da vor der Fensterfront, schaute hinab auf Domino, als konnte ihm keiner das Wasser reichen. Vielleicht stimmte das sogar. Stille. Seto Kaiba war bekannterweise unglaublich reich, intelligent und gutaussehend. Und ich – »Ich sollte jetzt gehen.« Er erwiderte nichts darauf, weil es überflüssig schien.   »Joey? Hey, Schätzchen!« Ich trat gerade in den Lift, als mich Sarah aufhielt und sich die Tür des Fahrstuhls wieder schließen wollte. Sie trat in die Tür, was die Automatik wieder zurückfahren ließ. Statt ihres Lächelns trug Sarah Sorge in den Augen, doch das war etwas, was ich jetzt am wenigsten gebrauchen konnte. »Du siehst irgendwie mitgenommen aus. Alles okay?« »Ja, klar – ich mein –« Ich fasste mir an die Stirn und überlegte, was dieses Gefühl in mir am besten beschreiben könnte. Doch die Worte glitten mir aus den Gedanken und ich ließ es. »N bisschen Kopfweh, wahrscheinlich von der Aufregung. Aber –« »Es ist ja letztlich super gelaufen.« »Mh, ja, genau«, erwiderte ich lahm, weil ich gerade keinen Nerv für ein Gespräch á la Kaiba-ist-auch-nur-ein-normaler-Teenager. Dafür hatte er nämlich verdammt viele Angestellten und Kohle und Konferenzen hinter sich. Nicht, dass es mich interessieren würde. Ich wusste, was Sarah fragen wollte, aber ich nahm es ihr nicht ab und sie behielt es für sich. »Gut, dann – bis bald, Joey. Wir sehen uns nächste Woche.« Ich nickte ihr zu und verschwand hinter der Aufzugstür.   Am Abend starrte ich in das Mathebuch, aber keine Zahl und erst recht keiner dieser Buchstaben drangen zu mir durch. Was hatten Buchstaben überhaupt in Rechnungen zu suchen? »Ist doch alles scheiße«, brummte ich. Yugi lag im Bett, ein Manga knapp überm Gesicht, den er ein wenig senkte, um mich mit seinen großen Augen anzuschauen. »Ich dachte, deine Präsentation in der Kaiba Corp ist gut gelaufen?« »Ja«, entgegnete ich gedehnt, »das schon. Irgendwie.« »Dann ist schon mal nicht alles scheiße.« Er grinste mir zu und ich schob meinen Mund nach vorne, kratzte mit dem Kulihinterteil meine Schläfe. »Du bist blöd«, murmelte ich. »Kann ich dafür wenigstens die Hausaufgaben bei dir abschreiben?« Und brachte ihn damit zum Kichern. Er schob sich vom Bett, kramte in seiner Tasche und warf mir sein Heft zu. »Danke.« »Du weißt aber schon, dass bald Prüfungen sind.« Es war keine Frage und ich seufzte gequält, verschränkte die Arme hinterm Kopf. »Ich weiß. Nur für heute hab ich echt genug.« »Genug von Kaiba?«, zog er mich auf, schnappte sich wieder den Manga, aber ließ mich nicht aus den Augen. Ich zuckte die Schultern. »Wie kommst du nur darauf?«, erwiderte ich ironisch und schrieb eine weitere Aufgabe aus Yugis Heft ab. Doch statt eines frotzelnden Kommentars, antwortete er mit fester Stimme. »Weil du von ihm nie genug bekommst.« Ich erstarrte und blinzelte Yugi an. Der Ernst in seinen Augen berührte mich irgendwo im Inneren. Das Innere, das ich begrub, ehe es sprechen konnte. »Was – so ein Unsinn«, behauptete ich und lachte auf, dabei war mir gar nicht danach zumute. Doch Yugi stimmte nicht in mein Lachen ein. Mein Kichern ebbte ab und ich schüttelte amüsiert den Kopf. In meinem Mund der Geschmack von Bitternis. In der Nacht lag ich mit offenen Augen im Bett, starrte an die Decke und zählte die Schatten. Yugi hatte Unrecht.   In der Schule sprach Kaiba kein Wort mit mir. Unsere Kommunikation beschränkte sich auf einen herablassenden Blick, den er mir zuwarf, weil ich ihn fragte, ob er wüsste, wann Sarah nächste Woche im Büro wäre. Er ignorierte mich, sprach mit Yugi, während ich daneben stand, wie bestellt und nicht abgeholt. Hätte ich es nicht besser gewusst, wäre ich zu dem Fazit gelangt, dass er mich mied – oder bestrafte, wie ein Kind, das sich nicht benommen hatte.   »Er geht mir aus dem Weg!«, knurrte ich am zweiten Tag, an dem er mich ignorierte. »Whoä, Joey! Hör auf gleichzeitig zu essen und zu sprechen!«, maulte Tris, doch ich warf ihm nur einen düsteren Blick zu und stach mit meiner Gabel wieder in das Schnitzel. Wir saßen in der Mensa. Yugi und Tristan in irgendein Gespräch über Vorbereitung und Prüfungen vertieft. »Wer?«, wollte letzterer wissen, doch ehe jemand geantwortet hätte, fuhr er fort: »Ach, wer schon.« Er warf mir einen vielsagenden Blick zu, was mich die Augen verdrehen ließ. »Warum glaubst du das?«, hakte Yugi nach, doch ich schüttelte nur den Kopf. »Keine Ahnung.« Das beißende Gefühl im Magen ignorierte ich. Einen Tag später spottete ich darüber. »Ist doch voll kindisch, wie der sich verhält«, schnaufte ich in der Hofpause und reckte das Kinn. Mein Blick fiel auf seine Gestalt am anderen Ende des Geländes. Er saß auf einer Bank und tippte auf seinem Laptop herum. Musste seine tägliche Zufuhr an frischem Sauerstoff sein. »Echt. Nur weil er nicht weiß, was er will«, knurrte ich. Tristan seufzte. Der vierte Tag begann mit der Erkenntnis, dass Kaiba doch machen sollte, was er wollte. »Ich mein, was geht’s mich an, was er will?« »Joey, es ist fünf Uhr! Nachts!«, brummte Yugi und drehte sich auf die andere Seite, presste das Kissen auf sein Ohr. Am fünften Tag hatte ich mich an Kaibas ignorante Art gewöhnt. Man hätte glauben sollen, dass die Jahre davor genug gewesen wären, aber mancher Lernprozess erfolgte ja nicht linear. Zumindest behauptete das Yugi. »Es macht mir nichts aus«, flüsterte ich ihm während Japanisch zu. »Ich hab echt genug zu tun. Auch ohne den.« Am sechsten platzte mir die Geduld. »Weißt du was. Er soll mich einfach mal. Echt. Der kann mich mal!« Wir saßen in der Bibliothek und lernten für Klausuren. Mathe oder Physik. Irgendetwas mit Zahlen – und Buchstaben. Tristan lehnte sich zurück und legte seinen Zeigefinger und Daumen an die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. »Oh Mann, Joey! Merkst du’s nochmal?«, meckerte er und zog damit ein paar genervte Blicke der anderen in der Bücherei auf sich. »Was?«, brummte ich gedämpft. »Du redest von niemand anderem mehr! Bei dir dreht sich alles um Kaiba!« Das blies mir die Spucke weg. »So ein – was für ein absoluter Bullshit!« Ich schaute zu Yugi. Doch statt einer Zustimmung kassierte ich ein schwaches Lächeln. »Joey, du solltest einfach mal mit ihm reden. Er ist wegen des – du weißt schon – bestimmt genauso durcheinander wie du«, flüsterte er. Ich starrte von dem einen zum Anderen. »Ihr habt doch keine Ahnung! Ich bin nicht – ich bin doch nicht durcheinander!« Ich erhob mich, stützte meine Hände auf den Tisch vor mir und konnte nicht fassen, was meine tollen Freunde da von sich gaben. »Es ist mir egal«, sagte ich aufgebracht, »total egal, was er will oder nicht!« Und stampfte davon.   Seto Kaiba war mir egal. Und ich ihm auch. Selbst, als ich mit Sarah in der KC arbeitete, bekam ich Kaiba kein einziges Mal zu Gesicht. Stattdessen bekam ich eine Menge langer Blicke ab, aber keiner rührte das Thema mehr direkt an. Es war okay so.   Die nächste Woche schütteten Tristan und Yugi Übungsblätter, Vorbereitungslektüre und Wiederholungskram über mich. Wortwörtlich. An den meisten Tagen konnten wir weder Yugis Schreibtisch noch seine Kommode ausmachen, weil so viel Schulzeug verteilt war. Schön organisiert nach Tagen, an denen wir den Stoff durchnahmen und wiederholten. Wahrscheinlich war es diese Struktur, genau zu wissen, was einen erwartete, die Routine und das Faktenlernen, das die Zeit so verfliegen ließ. Die Prüfungen rückten näher, Kaiba weiter weg. Es war okay so. Auch, wenn ich mich dabei erwischte, wie ich ihm nachsah, als er – natürlich – noch vor Ende der Matheklausur abgab und nach draußen verschwand. Es war mir egal.   In der vorletzten Woche, nach Notenschluss, bekamen die Lehrer die seltsamsten Ideen. In Musik sollten wir CDs mitbringen – wer welche hatte. Dann diskutierten wir über verschiedene jugendliche Subkulturen, als wären das irgendwelche Insektenarten, die man auseinandernehmen musste. In Chemie mischten wir bunte Flüssigkeiten und hofften auf Explosionen. In Mathe gab unser Lehrer irgendwelche Witze von sich, die nur er verstand – und wahrscheinlich andere Mathematiker. Aber in Kunst hatte sich Herr Nagato besondere Höllenqualen ausgedacht. »In der letzten Woche des Schuljahres wenden wir uns einem Partnerprojekt zu.« Soweit war ich mit unserem Kunst-Lehrer noch einer Meinung. »Das Thema ist Zukunft. Bitte finden Sie sich zu zweit zusammen.« »Ich glaub, der will mich verarschen«, knurrte ich gedämpft. Yugi und Tristan rückten demonstrativ zusammen. »Vergesst es«, maulte ich und sprang auf und bemerkte erst dann den Blick unseres Kunstlehrers, während sich meine Mitschüler bereits unterhielten und brav zu zweit zusammen saßen. »Ah, Herr Wheeler. Herr Kaiba hat noch keinen Partner. Wenn Sie so freundlich wären?« Herr lächelte mich an und wandte sich dann irgendwelchen Blättern auf dem Lehrerpult zu. Mein Blick verdüsterte sich und schnellte zurück zu meinen sogenannten Freunden. »Ich weigere mich«, krächzte ich ihnen zu, »ich – das kann der doch nicht machen. Verdammt. Das könnt ihr nicht machen!« »Joey, Augen zu und durch.« Am liebsten hätte ich Tristan seinen Stift in den Rachen gestopft.   »Was willst du hier, Wheeler?« »Ich mach das kein zweites Mal durch«, knurrte ich, während ich neben ihm stand, er weiter auf den Bildschirm starrte, »akzeptier‘s einfach und halt die Klappe.« Und ließ mich neben ihm auf den Stuhl fallen. Es war wie ein Deja-vu. Wie in so einem schlechten Film. Natürlich mit mir in der Hauptrolle. So eine billige Produktion für die man nicht ins Kino ging. »Das könnte der Aufgabenstellung, uns über Motive zum Thema Zukunft auszutauschen entgegenstehen«, scharrte er süffisant. »Okay. Also tun wir einfach so, als wäre nichts passiert. Als hätte sich nichts in den letzten Monaten geändert«, ätzte ich zurück. »Was soll sich geändert haben? Ich bin erfolgreich und du weißt nicht, was du willst. Du rennst wie bisher davon.« Stiche in meinen Magen. »Wer rennt davon?«, grollte ich. »Ich hab mich – also dich nicht ignoriert wie ein dummes Kind, das seinen Lolli nicht bekommen hat. Was willst du eigentlich, Kaiba?« Ihn fragen, was das sollte. Warum alles so kompliziert war. Warum er mich festhielt, wenn alles um mich herum zusammenzubrechen schien. Warum er so nah saß und so weit entfernt war. »Bevor du mich das fragst, solltest du dich das selbst fragen, Wheeler«, presste er zwischen seinen Zähnen hervor. »Du hast doch nur Angst, dass es dir eben nicht egal ist! Das alles«, behauptete ich. Stille. Sein Kiefer mahlte. Obwohl seine Augen den Bildschirm fixierten, schwebten seine Finger über der Tastatur. »Es ist mir egal«, erwiderte er abschätzig. Stille. Das Gefühl ätzte durch meinen Magen. Seine Herablassung und Ignoranz. Seine egozentrische Art und Arroganz. Ich wollte ihn fragen, warum durch meinen Kopf Fragen schwirrten, die sich alle um ihn drehten. Dazwischen irgendetwas, das ich nicht einordnen konnte. Stille. Ihn fragen, warum er so unglaublich reich, intelligent und scheiße gutaussehend war. Und ich – nur ich war. Stille. Ihn näher ziehen. Ihn berühren. Seine Schläfen entlang, die Wangen, die Lippen fühlen. Und ihn küssen. Ich riss meine Augen auf. Das war es. Das Gefühl dazwischen. Es wäre verdammt einfach. Wenn er nicht er und ich nicht ich gewesen wäre. Ich fuhr hoch und stürmte aus dem Klassensaal.   Wenn man auf der Schulterrasse stand, konnte man über den Schulhof hinaus die Dächer Dominos sehen. Die Hochhäuser standen in der Ferne und durchbohrten das Blau des Sommerhimmels. Eines davon war die Zentrale der Kaiba Corporation. Meine Arme hingen auf dem Geländer, mein Blick starr in die Ferne. Als sich etwas hinter mir bewegte, drehte ich mich langsam um. Yugi lächelte mir zu und legte seinen Kopf schief. »Ich frage nicht, ob alles okay ist, weil es das offensichtlich nicht ist«, erklärte er, als er neben mich trat und seine Arme wie ich auf dem Geländer ablegte. »Mh«, brummte ich. »Die Klasse glaubt, dass Kaiba etwas gesagt hat, das dich wütend gemacht hat. Irgendjemand meinte, er hätte dich beleidigt.« »Was glaubst du?«, wollte ich wissen. Er nahm sich einen Moment, ehe er antwortete. »Ich glaube«, sein Blick schweifte von den Dächern zu mir, »dass es nicht so einfach ist. Nicht mehr.« Ich schnaufte und fragte mich, wann es kompliziert geworden war. Oder ob es das schon immer gewesen war. »Er hat gesagt, dass es ihm egal wäre«, meinte ich leise und hob die Schultern. »Und was hast du gesagt?« Ich seufzte und atmete tief durch, als könnte das dieses beengende Gefühl in meiner Brust bekämpfen. »Meine Antwort war ein total cooler Abgang«, erwiderte ich ironisch.   »Da wären 98 Prozent anderer Meinung.« Kaibas Stimme ließ uns herumfahren. Yugis Blick wanderte von ihm zu mir und von mir zu ihm, doch er sagte nichts. »Da Wheeler mein Projektpartner ist, sollte ich schauen, welche Flöhe ihn gebissen haben.« Er verschränkte die Arme und lehnte sich zurück, was ihn größer machte als eh schon. Yugi schenkte mir einen Blick und lächelte leise. Ist es okay für dich? Wird schon. Ihr bekommt das hin. Ich würde nie herausbekommen, wie er es schaffte, in einen Blick so viele Botschaften unterzubringen. Ich nickte ihm zu und er drückte meinen Oberarm, dann machte er sich auf den Rückweg ins Klassenzimmer.   Kaiba sagte nichts. Hatte ich eben noch einen Schwall an hämischen Bemerkungen erwartet, schwand meine Erwartung, dass Kaiba überhaupt mal etwas sagen würde von Minute zu Minute. Worte hingen in der Luft, die keiner von uns aussprach. Ich seufzte. »Du hast gelogen«, murmelte ich schließlich. Er verengte die Augen, öffnete den Mund, doch ich schüttelte den Kopf. »So wie ich. Es ist mir nicht egal. Ich weiß nicht – ich weiß nicht genau, was ich will. Aber so ist es nicht – okay. Ich fühle mich kacke.« Ich lächelte gequält und warf ihm einen Blick zu. Er stand noch immer dort. Unbewegt. Die Schuluniform wirkte überraschend informell, wenn man ihn mal in Business-Anzügen gesehen hatte. »Gott, ist das alles bescheuert«, seufzte ich mehr zu mir als zu ihm. Versuchte zu sagen, was eben noch in meinem Kopf übergequollen war. »Ich – irgendwie – ich würde nicht sagen, dass ich es vermisse. Unsere Gespräche«, Kaiba hob die Augenbrauen, »ja, okay. Gezoffe trifft’s wohl eher. Und irgendwie – es ist nicht so, dass ich es – also – gut finde, wenn wir Zeit miteinander –« Ich schnaubte, weil ich langsam begriff, dass ich mir meine eigenen Worte nicht abkaufte. »Scheiß drauf«, knurrte ich und steckte die Hände in die Hosentaschen, dann begegnete mein Blick seinem und ich funkelte ihn an. »Ist mir egal, was du jetzt gleich sagst, klar? Aber bevor du mich von irgendwelchen Leuten von hinten aus dem Weg schaffen lässt, gib mir einen Vorsprung von zehn Minuten, okay?« Seine Mimik blieb blank. »Ich find’s scheiße, wenn du mich ignorierst, kapiert? Hör auf damit, verdammt! Und überhaupt – ich komm heute Abend zu dir zum Essen. 18 Uhr.« Stille. Ich erwartete etwas wie Hohn. Ein verbales Messer zwischen den Rippen, das er so oft drehen würde, bis ich blutend am Boden lag – nicht wortwörtlich. Aber innerlich. Er sah mich an – lange. Was mir vorkam, wie die Zeit, wenn Mathe gerade angefangen hatte. Dann kroch sie so, dass die Sekundenzeiger kaum vorwärts gingen. Und dann veränderte sich etwas in seinem Gesicht. Es war kein Lächeln, kein Funkeln, keine große Geste. Eigentlich sagte er nur ein Wort. Aber das ließ meinen Magen Purzelbäume schlagen und meine Mundwinkel nach oben schnellen.   »Okay.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)