Was wir sind von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 5: … ist fehl am Platz ------------------------------ __________________________________________ Wir warten oft auf das große Zusammentreffen und versäumen die wirklichen Begegnungen. © Alfred Rademacher __________________________________________ Seto Kaiba feierte keine Feste. Ich konnte mir ihn so nicht vorstellen, wie er zwischen Menschen auf einer Party stand und tanzte und trank und lachte. Kaiba feierte nicht. Er war auf Empfängen und geschäftlichen Zusammenkünften. Wahrscheinlich gratulierte er auch seinem kleinen Bruder zum Geburtstag und so. Aber so richtig feiern? Der Gedanke war mir vielleicht auch einfach nie gekommen, weil es so absurd war. Es war mir einfach nie in den Sinn gekommen, mich zu fragen, wie Seto Kaiba, Weihnachten feierte. Ob mit einem großen Baum in seiner Villa. Ob er seinem kleinen Bruder die Geschenke selbst besorgte oder einen Angestellten beauftragte. Ob er mit Mokuba Plätzchen backte oder ob er ihn kaum zu Gesicht bekam, weil er so viel arbeitete. Ich selbst musste natürlich nicht arbeiten. Wie mein Vater es auf den Punkt brachte, weil ich ein unnützer Faulpelz war, der nur fraß und rumlag und nichts tat. Eigentlich war ich froh, wenn ich an Weihnachten nicht zu Hause war – und das wusste ich zu vermeiden. Früher hatte ich mich darauf gefreut – wie ein Kind eben. Aber mit den Jahren und mit meinem Vater sah ich die Sache irgendwann ganz nüchtern. Nur meine Freunde machten Weihnachten für mich zu einer Party, die ich genießen konnte. Wir trafen uns bei Yugi, aßen Plätzchen, die wir selbst gemacht hatten und sangen sogar Lieder (Tristan grölte mir ins Ohr, er war eine Niete im Singen). Ähnlich war es mit Neujahr. Ehrlich gesagt, hatte ich mir nie Gedanken darum gemacht, wie Kaiba seine Feiern verbrachte – noch weniger hätte ich jemals damit gerechnet, ihn direkt danach zu fragen. Denn es interessierte mich nicht – hatte es nie. Und würde es nie. Mit letzterem sollte ich falsch liegen. Und dafür würde ich Yugi verantwortlich machen, denn es war seine Idee gewesen, auf diese bescheuerte Silvesterfeier zu gehen. Auf eine Silvesterfeier, die von der Schule veranstaltet wurde, ging man nicht. Die waren nur öde und – ich meine, an der Schule. Da ging ich nicht hin, um Neujahr zu feiern, da ging ich höchstens hin, um irgendwann meinen Abschluss zu feiern. Yugi konnte ich aber nichts abschlagen. »Unsere Schülervertretung hat sich so Mühe gemacht!«, war eines seiner belanglosen Argumente. Immerhin war ich dort mit Freunden. Das war das Wichtigste. Wie Seto Kaiba, Silvester feierte. Genau diese Frage durchzuckte mein Gehirn, als ich sah, wie Kaiba zwischen unseren Mitschülern stand und verloren wirkte, obwohl seine Mimik Bände sprach. Bände wie Komm mir zu nahe und ich lasse dich verschwinden oder Sprich mich an und du kommst nie zu Hause an. Er passte nicht hinein in diese Meute von tanzenden und singenden Teenagern, obwohl er selbst ein Teenager war. Der Bass der Musik wummerte durch unsere Körper, das Licht blinkte in verschiedenen Farben und erstrahlte die Gesichter mal rot, mal blau, mal grün. Yugi tanzte mit einem Mädchen (ich hatte ihn mehr oder weniger dazu zwingen müssen, denn seine Schüchternheit stand ihm da etwas im Wege) und Tristan tanzte mit einem Mädchen (der schaffte das ganz alleine) und ich hätte mit einem Mädchen tanzen können, wäre ich daran interessiert gewesen. Stattdessen beobachtete ich Kaiba – nicht, weil ich an ihm interessiert gewesen wäre – sondern weil er so aus der Menge heraus stach, dass ich ihn gar nicht nicht hätte beobachten können. Ich nahm einen Glühwein für mich und einen für ihn von der provisorischen Bar mit und schlenderte auf ihn zu. Durch das Gewühl an tanzenden und singenden Teenagern, die das neue Jahr feierten, als wäre es das letzte. Kaiba lehnte an einer Wand und betrachtete das Schauspiel mit unleserlicher Mimik. »Hier.« Ich drückte ihm den Glühwein in die Hand. Wahrscheinlich war es die Überraschung, die ihn dazu verleitete, die Tasse auch tatsächlich zu nehmen. »Was willst du?«, verlangte er zu wissen, als könnte ich ihn jederzeit aus dem Hinterhalt angreifen. Ich zuckte die Schultern. »Nix.« Er musterte mich abschätzig, aber er schien meine Anwesenheit als unbedenklich einzustufen, denn er tolerierte die Antwort und blieb unverwandt dort stehen. Und so standen wir halt auf dieser Party nebeneinander an die Wand gelehnt und irgendwie (ich schob es auf den Glühwein) begann ich zu plappern. »Warum bist'n du hier, Geldsack?« »Das geht dich nichts an, Köter.« »Bei mir war's Yugi.« Er beharrte auf sein Schweigen und ich akzeptierte es. Weil es mir ja egal sein konnte, warum er hier war. Eigentlich war es das ja auch. Plötzlich stürmte ein Junge auf ihn zu, der ihm ähnlich sah und trotzdem völlig anders. Die Haare chaotisch und dunkler. Aber die Gesichtszüge erinnerten eindeutig an Kaiba. Ein Junge mit blondem und ein Mädchen mit rotem Haar folgten ihm – wahrscheinlich Klassenkameraden oder Freunde. Oder beides. »Seto! Wir gehen kurz raus – frische Luft schnappen. Willst du mit?«, teilte er ihm durch den Bass hindurch mit. Natürlich. Sein Bruder. Irgendwie war er größer geworden. Ich betrachtete die beiden Kaiba und fühlte mich auf dem falschen Fuß erwischt, als Kaiba – also der ältere – mich plötzlich anschaute. »Ich bin in einem Gespräch, Mokuba.« Kaibas Definition von Gespräch hätte mich mal interessiert, denn eigentlich hatten wir ja schon minutenlang nichts mehr gesprochen. »Ach, lass uns kurz raus. Hier drin ist ja keine Luft«, behauptete ich und Kaibas Blick wanderte erneut zu seinem kleinen Bruder, nur, um dann schweigend vorzugehen. »Ich glaube mein Bruder mag dich.« Mokuba grinste mich unbekümmert an. Ich starrte verdattert zurück. Ein Kaiba, der ohne viel Federlesen sprach? Und dazu auch noch grinste? Der Inhalt des Satzes sickerte zu mir durch. »Wie kommst du drauf? Wir streiten uns nur ab und zu«, widersprach ich und winkte ab, doch Mokubas Mundwinkel hoben sich noch ein Stück. »Nee, nee«, behauptete er, »er hat dich als einzigen hier nicht ignoriert.« »Dich ignoriert er doch auch net?« »Das ist was Anderes«, erklärte er, als wäre es offensichtlich. Dann zog er mich hinter sich her durch die Massen. Draußen schlug mir kühle Luft entgegen. Tief atmete ich durch und schob meine Finger in die Hosentaschen. »Sauerstoff«, verkündete Mokubas Schulfreund. »Drinnen ist es so stickig«, stimmte seine Mitschülerin zu. »Das Belüftungssystem ist nicht auf eine solche Menschenmenge ausgelegt. Vor allem nicht auf eine Masse, die die ganze Nacht in Bewegung ist. Die Aula wird ansonsten nur für ein Publikum genutzt, das sitzt«, erklärte Kaiba nüchtern und Mokubas Freunde starrten ihn einen Augenblick an, als stammte er von einem Stern, deren Namen sie nicht kannten. Ich fragte mich, ob Kaiba es wusste und ignorierte und tatsächlich nicht wusste, dass die Gründe niemanden interessiert hatten, sondern es sich nur um Smalltalk handelte. »Jedenfalls ist es zu warm«, brachte es der Junge auf den Punkt. »Aber auch nur drinnen«, brummte ich, denn ohne Jacke war es verdammt kalt. Wir verzogen uns also recht schnell wieder nach innen. Wenn ich mich entscheiden musste zwischen Kältetod und Ersticken, wählte ich also Letzteres. Kaiba und ich lehnten erneut an der Mauer – sein Bruder war mit den anderen beiden in der Masse untergetaucht – und ich schlürfte eine Cola, als Kaiba viel zu spät meine Frage beantwortete. »Mokuba«, sagte er nur zu mir. »Hä?« »Mein Bruder hat mich hierzu – überredet.« »Ah.« Mir war klar, dass meine Antworten nicht wirklich geistreich waren. Aber es war befremdlich genug mit Kaiba an eine Wand gelehnt dazustehen und etwas zu trinken. »Wo wolltest du hin? Neujahr feiern und so.« Er warf mir einen Blick zu, der verriet, dass er an meiner geistigen Fähigkeit zweifelte. »Ich wollte arbeiten.« Wahrscheinlich verriet mein eigener Blick ihm nichts Anderes. »An Silvester?« Er ließ sich hierauf nicht einmal für eine Antwort herab, folgte mit seinem Blick stattdessen irgendwelchen Leuten auf der Tanzfläche. Vielleicht Mokuba. »Ich wollt eigentlich'n paar Raketen schieß'n vorm Laden von Yugis Opa. Und danach vielleicht was trinken geh'n.« »Du darfst rechtlich gesehen, noch keinen trinken gehen, wenn es Hochprozentiges sein sollte.« »Ich würd doch niemals was Unrechtliches mach'n«, entgegnete ich spöttelnd, »aber nö. Ich brauch keinen Alkohol. Wollt nur mit meinen Freunden zusammen sitz'n.« »Und stattdessen stehst du mit mir hier herum.« Wahrscheinlich sollte es sich sarkastisch anhören oder wie eine Beleidigung, aber ich fand, dass es verloren ging vielleicht zwischen dem Bass der Musik. Stattdessen klang es nüchtern. »Mhm.« Seto Kaiba war bekannterweise unglaublich reich, intelligent, gutaussehend. Und ein arroganter Arsch. Aber manchmal war er auch einfach nur allein. Er wirkte so fehl am Platz zwischen all diesen Leuten, die sich kannten und mochten. Er gehörte hier nicht rein. Und sicherlich wusste er das selbst am besten. »Wir gehen jetzt.« »Hö? Was?« »Mokuba darf hier nur bis zehn bleiben. Er ist erst zwölf. Wir gehen jetzt nach Hause.« Und sicherlich ignorierte er es nur Mokuba zuliebe. »Okay, dann. Einen guten Rutsch, Kaiba.« Er betrachtete mich einen Moment, suchte wahrscheinlich den Sarkasmus oder die Beleidigung zwischen den Worten – aber anscheinend fand er nichts, also nickte er mir zu und stieß sich von der Wand ab. Einen Augenblick lang überlegte ich, wie er wohl reagieren würde, wenn ich ihn fragte, ob er mit uns Silvester feiern wollte. Mit Yugi, dessen Großvater und Tristan. Mokuba könnte er natürlich auch mitbringen. Und von mir aus auch seinen Bodyguard. Aber ich tat es nicht. Immerhin waren das Kaiba und ich. Und Mitleid war da fehl am Platz. Er gehörte genauso wenig zu uns wie hier auf diese Party. Ich gehörte dazu. Niemals wäre ich hier allein oder fehl am Platz. »Alter, war das Kaiba?« Tristans Stimme tauchte neben mir auf wie der neue Beat mit der Musik. »Jupp. Wo ist eigentlich Yugi?« »Wieso? Ich hab gedacht, der wär bei dir!« Ich schüttelte meinen Kopf und hielt Ausschau. Ich würde ihm gehörig den Kopf waschen. Letztlich war es seine Schuld, dass mein Kopf gerade vor unnötigen Fragen zu platzen drohte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)