Resident Evil 4 von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Erinnerungen ----------------------- „Was für ein Appetit!“ dachte ich, während ich auf den kleinen, fast kahlen Kopf an meiner Brust herab blickte. Eigentlich dachte ich das immer, wenn ich meine Süße stillte. Was aber auch nicht verwunderlich war, denn die Kleine hatte wirklich einen ungeheuren Appetit. Mit Stillen allein kam ich diesem Mega-Appetit auch gar nicht nach und so musste die Flasche herhalten. Zumindest alle zwei bis dreimal, wenn sie hungrig war. Liebevoll strich ich über die Wange meiner kleinen Jessica. Fast verschlafen öffnete sie die Augen und blinzelte zu mir hoch. Der Anblick dieser eisblauen Augen ließen mich jedesmal aufs Neue erschaudern. Denn auch jetzt meinte ich wieder in die Augen ihres Vaters zu sehen. Langsam, mit den Tränen kämpfend blickte ich zu der Wii-Konsole hinüber, die neben dem Fernseher stand. Und zu dem Poster, dass über meinem Fernseher hing. Knapp ein Jahr war es nun her und es kam mir vor, als sei es erst gestern gewesen. Vor knapp einem Jahr hatte sich meine Wii-Konsole in ein „Tor zwischen den Dimensionen“ erwiesen. Und mich in eine Horrorwelt katapultiert, voller Zombies und Monster. Aber auch zu dem Vater meiner Tochter. Eigentlich hatte ich damals nur ein neues Spiel ausprobieren wollen, dass ich mir kurz zuvor angeschafft hatte. Und was war passiert? Ich fand mich selbst darin wieder! Inmitten von Zombies, Monstern, Super-Viren und Wahnsinnigen. Aber ich hatte auch ganz besondere Charaktere kennen gelernt. Zumindest einen. Ich blickte zu dem blonden Hünen auf dem Poster. Ich hatte Jack niemals vergessen. Wie denn auch? Den kleinen Wonneknubbel in meinem Arm verdankte ich schließlich diesem skurrilen Trip und der einen Nacht im Dschungel-Camp. Aber mehr war mir von ihm auch nicht geblieben. Keine richtigen Fotos, keine sonstigen „Souvenirs“. Genauso verrückt, wie ich diese Reise angetreten hatte, genauso verrückt trat ich auch den Rückweg an. Ein Querschläger beendete diesen Trip, lies mich in Jacks Armen sterben und in meine Wirklichkeit zurück kommen. Seit dem Tag hatte ich mich oft gefragt, was gewesen wäre, ich wäre drüben geblieben, auf der anderen Seite. Was wäre passiert? Wären wir zusammen geblieben? Wäre Jessica drüben geboren worden? Mit einem leisen Protestlaut forderte eben jene in diesem Moment wieder meine Aufmerksamkeit und riss mich aus meinen dunklen Gedanken. „Pssst, Süße!“ flüsterte ich und begann leise ein Lied zu summen, während ich ihr über das noch immer sehr spärliche, hellblonde Haar strich. In einer Sache war ich mir mehr als sicher! Jessica würde einmal Jacks weibliche Ausführung werden. Sie war jetzt schon ungewöhnlich groß und schwer, hatte die Augen ihres Vaters und seine Haare. Und diese eigentümliche ruhige Art, die Jack an sich gehabt hatte, hatte sie bereits auch. Jessica hatte nie außergewöhnlich viel geweint, oder sich sonst lautstark bemerkbar gemacht. Ganz im Gegenteil, so besaß sie schon fast eine unheimliche innere Ruhe. Manchmal, wenn ich sie im Arm hatte und ihr irgendwas erzählte, dann sah sie mich einfach nur an. Sie gab keinen Laut von sich, sondern sah mich einfach nur durchdringend an. Genau wie Jack. Auch bei ihm hatte ich manchmal das Gefühl gehabt, als wenn seine Augen bis auf meine Seele blicken könnten. Wieder drohte ich in Gedanken zu versinken, als Jessica plötzlich meine Brustwarze losließ und mit ihrem rechten Arm unwillig gegen meine Brust drückte. Und das überraschend kräftig. Scheinbar hatte Jack ihr auch noch eine Veranlagung zu ordentlicher Körperkraft mitgegeben. Selbst der Kinderarzt wunderte sich jedes Mal aufs neue, was für eine Kraft Jessica hatte. Ich hob sie lächelnd an und legte ihren Kopf an meine Schulter, auf der bereits ein Tuch bereit lag. Sanft klopfte ich ihr dann auf den Rücken. Und erschrak richtig, als sie einen kleinen Monsterrülpser losließ. „Meine Güte, Jessi!“ lachte ich und hob sie vor mein Gesicht. „Da würde ja jeder junge Bengel eifersüchtig werden!“ Als wenn sie meine Worte verstanden hätte, begann sie zu lachen und mit den Füßen zu strampeln. „Jetzt gibt es aber ein Verdauungsschläfchen, junge Dame!“ Langsam erhob ich mich von der Couch und ging zu dem kleinen Bettchen, dass daneben stand. Wenn ich tagsüber fern sah, oder sonst irgendwie im Wohnzimmer beschäftigt war, lag sie immer darin. Kaum hatte sie die Matratze berührt, als sie auch schon ins Land der Träume wanderte. Vorsichtig deckte ich sie zu und blieb dann noch ein paar Minuten an dem Bett stehen, meinen kleinen Engel betrachtend. Meine Gedanken wanderten dabei immer wieder zu ihrem Vater. Gott, ich wollte Jack wiedersehen! Ich wollte, dass er von Jessica erfuhr, dass ich ihn nach wie vor über alles liebte! Langsam wanderte mein Blick zu der Wii. Vielleicht...vielleicht würde es ja wieder klappen? Ich hatte das Spiel nach dieser Sache nicht wieder angerührt und auch sonst nicht mehr mit der Wii gespielt. Aber nun war es wohl an der Zeit es mal wieder zu probieren. Allerdings würde ich ein anderes Spiel brauchen. Den Nachfolger diesen Teils. Ich musste selbst den Kopf schütteln. Es war so absurd! Ich plante gerade einen Ausflug in eine andere Dimension, als würde ich ein paar Tage in die Berge fahren! Aber was hatte ich für eine Wahl? Nur so würde ich eine Chance haben Jack wieder zu sehen. Und so saß ich nur wenige Minuten später am Computer und sah mich nach weiteren Spielen der Resident Evil - Reihe um. Und schon bald wurde ich fündig. Mit klopfendem Herzen packte ich das erste Spiel ein, das auf der Liste erschien in meinen Warenkorb, bezahlte und wartete auf die Versandbestätigung. „Ihr Einkauf „Resident Evil 4“ geht in den Versand: Kapitel 2: Tor zu einer anderen Dimension ----------------------------------------- Zwei Tage später schellte es an der Tür. Der Postbote mit einem kleinen Päckchen. Zitternd nahm ich es dem jungen Mann ab, der stirnrunzelnd auf meine Hände herab sah, die Mühe hatten die Unterschrift auf das Gerät für die Empfangsbestätigung zu kritzeln. Mit Knien, die noch mehr zitterten lief ich dann wieder in mein Wohnzimmer. Jessica lag zum Glück gerade schlafend in ihrem Bettchen. Und so, wie ich meine Kleine kannte, würde sie nach dem üppigen Mahl von vorhin erst in frühestens zwei Stunden wieder wach werden. Noch während ich ins Wohnzimmer lief, riss ich die Pappe auf und nahm die schmale Spielhülle raus. Das Cover war zwar sehr einfach, wirkte aber dennoch sehr bedrohlich. Ein roter Hintergrund, mit schwarzen Bäumen. Unten links konnte man die ebenfalls schwarze Silhouette eines Mannes erkennen, der scheinbar eine Kettensäge, oder sowas hielt. Ein heftiger Schauer durchfuhr mich. Denn erst jetzt wurde mir bewusst, auf was ich mich da gerade wieder einlassen wollte. Ich hatte den Horror von meinem letzten Trip keineswegs vergessen. Aber was hatte ich schon für eine Wahl, wenn ich Jack wiedersehen wollte. Wenn er mir überhaupt begegnete, denn das war ja auch unsicher. Schließlich legte ich das Spiel weg und stand wieder auf. Mein Blick fiel auf den schwarzen Jogging-Anzug, den ich trug. Denkbar ungeeignet, für einen Überlebenskampf. Also verschwand ich erst mal in meinen Schlafzimmer und zog mich entsprechend um. Derbe Jeans, T-Shirt und Jeansjacke. Dazu meine solidesten Turnschuhe. Waffen hatte ich nicht, woher denn auch. Nachdem ich fertig war, blieb ich einige Minuten vor meiner verspiegelten Schranktür stehen und musterte mich eingehend. Eigentlich hatte ich mich nicht wesentlich verändert, seit dem ich aus der anderen „Dimension“ zurück kam. Nun, ich war wahrscheinlich in der Gesamtheit reifer geworden. Das blieb auch nicht aus, wenn man ein Kind hatte. Meine Gesichtskonturen waren nicht mehr so weich wie zuvor. Und meine blonden Haare waren etwas länger. Gerade so lang, dass sie mir bis zum Kinn reichten und ich sie mir hinter die Ohren streichen konnte. Ich war mir sicher, dass Jack mich wieder erkennen würde. Dann ging ich wieder ins Wohnzimmer. Doch ich kümmerte mich nicht sofort um das Spiel, sondern beugte mich über die kleine Wiege und sah meinen kleinen Engel an. Was wurde aus ihr? Als ich das letzte Mal drüben war, da war ich nach der normalen Zeitrechnung in meiner Dimension nur etwa zwei Stunden verschwunden. Was, wenn ich dieses Mal länger verschwand? Was war dann mit Jessica? Aber ich konnte sie nicht mitnehmen! Ihr könnte etwas zustoßen und das würde ich mir nie verzeihen können. Und zudem, wenn es nötig war, wie sollte ich mit einem Kind im Arm anständig kämpfen? „Du musst hierbleiben, Liebling! So sehr ich dich auch gern deinem Daddy vorstellen würde.“ flüsterte ich, strich ihr mit der einen Hand über die Wange und mit der anderen umfasste ich fest das Medaillon um meinen Hals. „Ich werde ihm wohl nur ein Bild von dir zeigen können.“ In dem silbernen Medaillon war ein kleines Bild meiner Maus, mein neuer Glücksbringer. Mein Alter war das einzige gewesen, dass ich drüben gelassen hatte. Meinem Geliebten zum Trost. Wenn ich ihn traf, so hatte ich noch einen größeren für ihn. Schweren Herzens wand ich mich von der Wiege ab und ging zu meinem Fernseher und der Wii. Ich drückte den Knopf des Fernsehers, der mich prompt mit Störgeräuschen empfing. Und dann den Knopf der Wii, die surrend zum Leben erwachte. Dann schob ich die CD ein und nahm den Kontroller zur Hand. Während das übliche anfängliche Geplänkel anfing, ließ ich mich auf dem Sofa nieder. Dann erschien der Startbildschirm. Der Leon zeigte, der ein junges, blondes Mädchen hinter sich herzerrte. Das Menü kam hoch. Und ich drückte den entsprechenden Menüpunkt an. „Neues Spiel“ Ein greller Lichtblitz brannte sich in meine Netzhäute und eine grauselige, raue Stimme schmetterte mir ein „Resident Evil four“ entgegen. Dann griff Schwärze nach mir. Wie beim ersten Mal meinte ich in einen pechschwarzen Sumpf gesogen zu werden und ich spürte wieder, wie es mir den Atem nahm. „Jack!“ hauchte ich mit dem letzten Hauch in meinen Lungen und tauchte widerstandslos in die Schwärze ab. Das nächste, was mir wieder ins Bewusstsein drang war der Geruch nach Erde und feuchtem Laub. Ein kalter Wind strich durch meine Haare und ich konnte das Rascheln von Laub hören. Hatte es wirklich wieder funktioniert? Oder träumte ich nur? Hatte ich mir es nur so sehr gewünscht, dass es funktionierte und bildete es mir nur ein? Aber ich spürte nasses Laub an meiner Wange und Steine und Stöcke, die sich in meinen Bauch und meine Brust bohrten. Konnte man sich etwas so eindringlich einbilden? Langsam öffnete ich die Augen. Und erblickte das, was meine anderen Sinne bereits zuvor wahrgenommen hatten. Laubbedeckter Waldboden. Herbstlichen Waldboden. Langsam blickte ich nach oben, an den kahlen Bäumen hoch, die sich in einen verhangenen Herbsthimmel streckten. Der Wind pfiff leise, aber eindringlich durch die Bäume und ließ das Laub rascheln. Ansonsten war es, bis auf ein paar Vogellauten – Krähenschreie – völlig still. Scheinbar war ich mitten in einem Wald irgendwo in der Taiga oder so gelandet. Zumindest hatte ich wohl dieses Mal keinen Sturz aus mehreren Metern Höhe gemacht, denn weh tat mir nichts. Ich drehte mich einmal im Kreis, in der Hoffnung irgendwas zu sehen, was mir sagen könnte wo ich war. Aber ich sah nichts. Bis auf Bäume. Und mal ein paar Büsche dazwischen. Super! Mitten in irgendeinem Wald im Nirgendwo und keine Ahnung, in welchem Land und zu welcher Tageszeit! Was nun? Eigentlich hatte ich nur eine Wahl. Einfach auf gut Glück loslaufen und hoffen auf irgendwas zu stoßen, dass von Zivilisation zeugte. Ein Haus, ein Weg, eine Straße, ein Zaun, irgendwas. Langsam setzte ich mich in Bewegung, den Blick dabei zum Himmel wendend. Wenn ich wenigstens die Sonne sehen könnte! Aber der Himmel war so dicht verhangen, dass es wirkte, als würden die Wolken gleich die Baumkronen berühren. Die ganze Athmosphäre war unglaublich bedrückend, fast schon bedrohlich. Obgleich ich bis jetzt nichts gefährliches gesehen hatte, spürte ich förmlich, dass hier was nicht stimmte. Aber damit hatte ich schließlich auch gerechnet. Voller Erwartung stapfte ich durch den Wald, immer weiter. Ins Ungewisse. Kapitel 3: Zurück in die Hölle ------------------------------ Immer weiter stampfte ich durch den Wald. Minutenlang, stundenlang, ich wusste es ehrlich gesagt nicht genau. Irgendwann verlor ich jegliches Zeitgefühl und lief einfach nur stumpf weiter, wie ein Roboter. Schon bald schwanden meine Hoffnungen auf irgendwas zu stoßen, dass auf menschliches Leben hinwies. Erst jetzt wurde mir klar, wie leichtsinnig ich gewesen war. Ich hatte mir nicht mal die Hülle des Spiels durchgelesen und hatte dadurch auch nicht mal im entferntesten eine Ahnung, worum es eigentlich ging. So hätte ich zumindest gewusst, wo ich hier war. Lediglich, dass ich eigentlich irgendwann, irgendwo auf Leon stoßen müsste. Das Bild vom Startmenü fiel mir wieder ein und ich verlor mich wieder in den Erinnerungen an meinen ersten Trip. Natürlich hatte ich auch immer wieder an Leon gedacht. Wenn ich ihm auch nicht mal im Ansatz so nahe gestanden hatte wie Jack, so war auch er ein guter Kamerad gewesen und ich freute mich auch ehrlich gesagt darauf ihn wiederzusehen. Ich hatte eine Unmengen an Fragen an ihn. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich den höchsten Punkt des Hügels erreichte, den ich gerade hinaufgeklettert war und noch einige hundert Meter entfernt zwischen den Bäumen Dächer und einen Kirchturm sah. Von einigen Schornsteinen auf den Dächern stieg Rauch auf. Mir viel ein ganzer Steinbruch vom Herzen. Auch, wenn das dort vorne nur ein winziges Dorf war, so waren da doch Menschen. Ich beschleunigte meine Schritte. Nach ein paar Minuten erreichte ich einen roh zusammengezimmerten Zaun, der scheinbar um das ganze Dorf ging. Erst jetzt bekam ich auch einen wirklichen Eindruck von dem Örtchen. Und musste einiges beunruhigendes feststellen. Nicht nur, dass es wirklich nur ein winziges Örtchen mit ein paar Häusern war – man musste zu neunzig Prozent auch noch eher Hütten sagen – so schien es auch direkt zumindest aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stammen. Fast alle Häuser waren aus groben Steinen erbaut, und man sah ihnen deutlich an, dass das nicht von Fachleuten gemacht wurde. Die Dächer bestanden aus einfachen Holzbrettern und ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie viele kleine Töpfchen wohl in den Häusern auf dem Boden standen, in denen sich bei Regen das eindringende Wasser sammelte. Was natürlich nicht fehlen durfte, war die Dorfkirche, die den höchsten Punkt des Dorfes bildete. Direkt daneben ragte noch so eine Art Wachturm in die Höhe, der das Bild eines Dorfes aus dem vorvorigen Jahrhundert irgendwie perfekt machte. Die Stimme eines Mannes riss mich aus meinen Gedanken, der irgendwas in einer anderen Sprache rief. Und zog so meine Aufmerksamkeit auf die Bewohner des Dorfes. Die voll ins Bild eines zurück gebliebenen Kaffs passten. Die Frauen trugen lange Kleider, die offensichtlich selbst genäht waren und einige auch Kopftücher. Die Männer allesamt grobe Arbeitskleider, Hosen und Hemden. Auch hier stammte definitiv nicht ein Kleidungsstück aus einem modernen Bekleidungsgeschäft. Sie alle gingen irgendwelchen Arbeiten nach. Ich konnte von meinem Standort, hinter einem überdachten Heulager - oder sowas ähnliches - durch die Bretter eine Frau sehen, die Heu von einem Haufen auf einen anderen warf. Ein Mann lief mit einer Schubkarre an ihr vorbei und ein anderer führte eine Kuh in einen Stall. Obgleich ich die ganze Zeit gebetet hatte auf sowas wie Zivilisation zu stoßen, so machte ich mich dennoch nicht bemerkbar. Irgendwas...stimmte hier nicht. Ich konnte nicht sagen was, aber es war genau dieses ungute Gefühl, was ich damals bei meinem ersten Trip hatte. In diesem scheinbar ausgestorbenen Dorf in Südamerika. Zwar schienen diese Menschen normal zu sein. Sie waren in jedem Falle keine Zombies. Aber...etwas stimmte trotzdem nicht mit ihnen. Aber was sollte ich tun? Irgendwie musste ich ja weiter kommen und zumindest mal erfahren, wo ich hier war. Ich konnte nur feststellen, dass ich in einem spanischsprachigen Raum war, denn ich konnte mittlerweile einige Brocken eines spanischen Dialektes hören. Zumindest würde ich die Leute verstehen. Schließlich versuchte ich dieses ungute Gefühl abzuschütteln und wollte gerade aufstehen, als ich Schritte hinter mir hörte. Ich wirbelte erschrocken herum und sah zu dem Mann auf, der hinter mir stand. Ein Mann, ca. um die sechzig, aber dennoch sehr kräftig. Sein Gesicht zierte ein weißer Vollbart und unter dem breiten Schlapphut konnte ich weißes, lockiges Haar erkennen. „Oh, lo siento, senor!“ beeilte ich mich zu sagen und aufzustehen. „No soy de aqui! Por favor, de donde soy?“ (Oh, Verzeihung, der Herr. Ich bin nicht von hier. Bitte, wo bin ich hier?) Während die Worte aus mir heraussprudelten, blickte ich dem Mann das erste Mal richtig in die Augen. Und erstarrte. Ich hatte ja schon bei den Leuten im Dorf irgendwie das Gefühl gehabt, dass was mit ihnen nicht stimmte. Nun sah ich es bestätigt. Denn mit diesem Mann hier stimmte eindeutig was nicht. Seine Augen waren von einem merkwürdigen rötlichen Leuchten erfüllt. Als würden in seinem Kopf kleine Feuer brennen. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, als der Mann auf einmal den Arm hochriss und auf mich deutete. „Un fuerrastello!“ schrie er laut (Ein Fremder!) Erschrocken wich ich einen Schritt vor ihm zurück, stieß mit dem Rücken gegen den klapprigen Zaun. Und direkt in die Arme eines anderen Dorfbewohners, dessen Hände sich sofort um meinen Hals legten und zudrückten. Der Schreckensschrei, den ich ausstoßen wollte, blieb mir im Halse stecken und ich konnte nur laut japsen. Meine Hände zuckten hoch zu meinem Hals, doch ich besann mich im letzten Moment auf das, was Jack mir beigebracht hatte. Ich packte die Arme des Angreifers, ließ mich in die Knie sinken und wand mich gleichzeitig zur Seite, wobei ich die Arme des Angreifers hochdrückte. Mit einem wütenden Knurren ließen die Hände meinen Hals, wobei ich feststellte, dass es die Frau war, die ich zuvor beim Heuschaufeln gesehen hatte. Da der Zaun sie noch zurück hielt und sie mir erst mal nicht gefährlich werden konnte, solange ich genug Abstand hielt, wandte ich mich erst einmal wieder dem Mann zu. Und das keine Sekunde zu früh, denn in genau diesem Moment stürzte der Alte sich auf mich und seine Hände zuckten nach meinem Hals und ich schaffte es noch so gerade eben den zuschnappenden Klauen zu entgehen. Ich tauchte seitlich unter seinen Armen hinweg, ließ ihn an mir vorbei rennen und verpasste ihm dann einen kraftvollen Handkantenschlag gegen den Hals. Mit einem erstickten Würgen taumelte der Mann noch einige Meter weiter und fiel dann leblos zu Boden. Während ich noch ein paar hastige Schritte nach hinten machte, konnte ich hören, wie die Frau nun irgendwas schrie, was ich aber nicht verstand. Aber ich konnte mir lebhaft vorstellen, was. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun sollte. Wieder in den Wald flüchten? Aber dann würde ich wieder keine Chance haben herauszufinden, wo ich war. Aber ich konnte es auch nicht mit einem ganzen Dorf aufnehmen! Plötzlich hörte ich Schüsse. Pistolenschüsse und sie waren ganz nahe. Das Interesse der Frau an mir erstarb und sie wandte sich der Dorfmitte zu, aus dessen Richtung die Schüsse kamen. Und lief dann in die Richtung davon. Und ich sah mich nach einer Öffnung in dem Zaun um, durch den ich durchschlüpfen konnte. Wer auch immer da schoss schien auch nicht gut auf die Dorfbewohner zu sprechen zu sein und konnte mir vielleicht helfen. Ein paar Meter weiter war ein großer Spalt, durch den ich kletterte, natürlich nicht ohne mich vorher zu vergewissern, dass kein Dorfbewohner in unmittelbarer Nähe war. Und rannte zwischen zwei Häusern hindurch, die eine extrem schmale Gasse bildeten. Und stolperte auf den Dorfplatz. Ich stockte mitten im Schritt bei dem Bild, dass sich mir bot. Der Platz war nicht sehr groß, vielleicht zehn mal dreißig Meter. Aber in seiner Mitte loderte eine Art Scheiterhaufen. In der Mitte stand ein dicker Holzstamm. Und an dem hing der brennende, leblose Körper eines Mannes in Polizeiuniform. Ich konnte einen gebogenen, dicken Dorn erkennen, der aus seiner Brust ragte. Der Anblick dieses Horrorbildes bannte mich so sehr, dass ich nur noch am Rande mitbekam, was sonst um mich geschah. Und das war nicht wenig. Bestimmt dreißig Leute waren auf dem Platz und rannten auf einen Mann zu, der sie versuchte mit seiner Pistole in Schach zu halten. Ich konnte bereits einige tote Körper am Boden sehen. Aber scheinbar hatten diese Menschen nicht den meisten Respekt vor der Pistole oder aber hatten keinerlei Angst vor dem Tod, denn sie drangen unbeirrt weiter auf den Mann ein. Der zog schließlich den Rückzug nach hinten vor, in Richtung eines kleinen Hauses mir gegenüber. Die einzige Richtung, aus der niemand auf ihn eindrang. Und in diesem Moment erkannte ich ihn. Leon! Obwohl ich ihn nur von hinten sah. Aber seine Frisur, seine Art sich zu bewegen, alles war wie damals. Doch bevor ich ihn auf mich aufmerksam machen konnte, verschwand er in dem Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Und im selben Moment spürte ich deutlich, wie jemand hinter mir stand. Ich kann nicht erklären, wieso, aber ich reagierte genau richtig, und duckte mich seitlich weg. Und entging nur knapp einer Axt, dessen Luftzug mein Haar zerzauste. Der Mann, der die Axt führte, war ein dicklicher, mit Halbglatze und etwa Mitte vierzig. Er hatte die Axt so fest gegen mich geschwungen, dass er an mir vorbei torkelte und leicht vorgebeugt nun etwa einen Schritt schräg vor mir stand. Und damit genau in der Position, wie ich ihn brauchte! Ich überwand die kurze Distanz zwischen uns mit einem Satz, packte mit der rechten Hand den Arm, mit dem er die Axt geschwungen hatte und schmetterte gleichzeitig meine linke Handkante gegen seinen Hals. Mit einem lauten Würgen ging er in die Knie und ich schmetterte ihm mein Knie gegen die Hand mit der Axt. Mit dem gewünschten Effekt. Der Mann ließ mit einem tonlosen, schmerzerfüllten Keuchen die Axt los. Ich beugte mich schnell runter, schnappte sie mir und trat dem Kerl noch mit voller Kraft ins Gesicht. Ich meinte hören zu können, wie jeder einzelne Knochen in seinem Gesicht brach und er kippte leblos nach hinten. Nun hatte ich wenigstens eine Waffe, aber das würde meine Chancen nur um eine Winzigkeit erhöhen, denn bei diesen Massen von Gegnern würde ich selbst mit einer Schusswaffe nur wenig mehr Chancen haben. Ich sah mich hektisch um. Die meisten der Dorfbewohner waren nach wie vor damit beschäftigt in das Haus zu gelangen in das Leon geflohen war. Scheinbar hatte er die Tür irgendwie blockiert, denn die Leute hämmerten und schlugen gegen die Tür, ohne, dass sie sich irgendwie rührte. Aber einige wandten sich nun auch mir zu. Wenn ich auch nur im Ansatz eine Chance haben wollte, so sollte ich es Leon besser gleich tun und mich irgendwo verbarrikadieren. Ich wandte mich dem großen Haus zu links von mir. Mit einem Satz sprang ich über den niedrigen Zaun vor dem Eingang und stürmte auch die Tür zu. Zum Glück war sie nicht abgeschlossen und ich stürmte ungehindert durch. Und schlug sie sofort hinter mir zu. Leider musste ich aber auch sofort feststellen, dass es sowas wie ein Schloss nicht gab. Ich hatte also keine Möglichkeit die Tür zu verschließen. Gehetzt sah ich mich um und entdeckte die kleine, aber scheinbar sehr massive Kommode neben der Tür. Ich lief zu ihr, stemmte mich gegen das Möbelstück und schob es schwer keuchend vor die Tür. Tatsächlich war sie sehr schwer und ich konnte nur hoffen, dass sie auch genauso robust war. Kaum stand sie vor der Tür, konnte ich auch schon hören, wie die ersten Leute gegen die Tür polterten. Erschrocken sprang ich vor ihr zurück, die Axt zum Schlag erhoben. Allerdings war das lächerlich, so könnte ich höchstens einen von ihnen erledigen, wenn überhaupt. Aber keine zehn oder mehr! Ich brauchte eine Strategie! Ich saß massiv in der Scheiße! Kapitel 4: Der Söldner ---------------------- Langsam wanderte der Blick des Söldners über den Horizont. Man konnte nicht sagen, wo der Ozean aufhörte und der Himmel begann, denn der Farbe nach waren sie gleich und verschwammen ineinander. Aber es war auch nicht der Anblick, der den kräftigen Mann so gefangen hielt. Es waren Erinnerungen. An jemanden, den er mit jeder Faser seines Körpers hasste und auf den er nun wieder treffen würde. Und an jemanden, den er mit jeder Faser seines Körpers und mit ganzer Seele geliebt hatte, den er aber nie wiedersehen würde. Vor einer halben Stunde hatte Wesker in angepiepst und ihm mitgeteilt, dass Leon gekommen war. Es war, als hätte er einen Schalter in dem Kopf des blonden Hünen umgelegt. Unmenschlicher Hass war in ihm aufgelodert und hatte gedroht seinen Verstand zu verbrennen. Doch er hatte ihn noch einmal zügeln können. Nur so gerade eben. „Er wurde geschickt um Ashley zu suchen!“ hatte ihm das sonnenbebrillte Gesicht in einer monotonen Stimmlage verkündet. „Das musst du mir nicht sagen!“ erwiderte der Söldner mit seinem rauen Bass und starrte den Bildschirm mit seinen eisblauen Augen an. „Soll ich ihn aus dem Weg schaffen?“ „Nein!“ antwortete sein Auftraggeber prompt. „Er könnte die Dorfbewohner noch etwas in Schach halten und uns Zeit verschaffen.“ Nur mit Mühe konnte der Hüne seine Enttäuschung verbergen. „Und was sollen wir mit ihm machen? Er könnte schnell zu einem Problem werden!“ erwiderte er. „Wenn die Zeit reif ist, kannst du dich um ihn kümmern. Aber erst, wenn ich es dir sage!“ wies Wesker ihn an und machte mit seinem Ton klar, dass er keine Widerrede mehr duldete. „In Ordnung, Boss!“ erwiderte der Söldner zerknirscht. Er wusste, dass es keinen Sinn machte weiter zu widersprechen. „Oh, und noch etwas!“ sagte Wesker und lenkte die Aufmerksamkeit seines liebsten Söldners wieder auf sich. „Wong ist ebenfalls in der Nähe des Dorfes.“ „So, wie sie sollte!“ sagte der junge Mann. „Aber ich befürchte, dass sie nicht voll hinter uns steht. Irgendwas sagt mir, dass sie eigene Pläne verfolgt.“ fuhr Wesker fort. Das überraschte den Hünen nicht. Er hatte diese schwarzhaarige Schlampe vom ersten Moment an nicht gemocht. Er hatte sofort gemerkt, wie verschlagen und hinterlistig sie war. Nicht, dass er das nicht auch sein konnte, aber zumindest seinen Auftraggebern gegenüber war er immer überaus loyal gewesen. In ganz besonderem Maße, wenn er so viel für ihn getan hatte, wie Wesker. Sein Blick huschte zu seinem rechten Arm. Die Narben, die unter seinem T-Shirt hervor lugten erinnerten ihn jeden Tag aufs neue an diesen verhängnisvollen Einsatz vor zwei Jahren. Der Einsatz, der alles verändert hatte. Er hatte ihn seine Karriere als Soldat genommen, seinen Glauben an sein Land, er hatte ihm die Liebe seines Lebens gegeben und wieder genommen. Aber er hatte ihm auch eine neue Tür geöffnet. Er hatte Wesker gefunden und der hatte seinen Arm geheilt. Und nicht nur das, er hatte ihm mehr Kraft und Macht gegeben, als er sich hatte erträumen lassen. Und gemeinsam mit ihm würde er in dieser niederträchtigen Welt wieder für Ordnung sorgen! Aber eines hatte er ihm nicht wiedergeben können. Langsam tastete sich seine Hand zu dem Amulett um seinen Hals, dass er immer trug. Seine Finger fuhren liebkosend über die Erhebung unter seinem schwarzen T-Shirt unter der er das Amulett trug und versuchte die Tränen zu unterdrücken, die in seine Augen steigen wollten. Mehr war ihm nicht von ihr geblieben. Nur das Amulett und seine Erinnerungen. An sie. Seine Katharina. „Kathy, warum musstest du mich nur verlassen?!“ murmelte er und wischte sich gedankenverloren die Träne weg, die aus seinem Auge sickerte. In seinen Albträumen starb sie jede Nacht aufs neue in seinen Armen. Und in seinen Träumen wusste er, dass es ein Querschläger von ihm gewesen war, der ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte. Natürlich wusste er das in Wirklichkeit nicht. Es hätte auch eine von Leons Kugeln gewesen sein können. Ein Grund mehr diesen Scheißkerl zu hassen! Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sein Piepser wieder ging. Allerdings war es nicht Wesker, der ihn anpiepste. Derjenige, der nach ihm verlangte, würde jedoch genauso durch seine Hand sterben, wie Leon es bald tun würde. Der Irre, der für das alles hier verantwortlich war. Mit einem entschlossenen Ruck riss er seine Gedanken von Katharina los und wandte sich zum gehen. Es gab noch viel zu tun. Er, Jack Krauser, einstmals einer der besten Soldaten der Spezialeinheiten von Amerika, hatte eine Mission zu erfüllen. Kapitel 5: Dorf der Wahnsinnigen -------------------------------- Immer mehr Fäuste polterten gegen das grobe Holz der Tür und ich konnte bereits erste Risse im Holz erkennen. Sie würde diese Bestien in Menschengestalt maximal noch ein paar Minuten aufhalten, länger in keinem Falle! Gehetzt sah ich mich um. Es gab hier unten nur einen einzigen Raum, der wohl Wohnzimmer und Esszimmer in einem war. Die Einrichtung konnte man mit viel gutem Willen als spärlich bezeichnen. Die einzigen Möbel, die es gab, bestanden ebenfalls aus Holz, waren roh zusammengezimmert und konnten an einer Hand abgezählt werden. Ein Esstisch mit vier Stühlen und zwei Schränke, die aber leer waren. Eine ebenso roh gezimmerte Holztreppe führte ins Obergeschoss. Der einzige Weg, der mir blieb, denn wie ich nun feststellen musste, begannen die Scheißkerle jetzt auch zu versuchen durch die verrammelten Fenster zu kommen. Während ich nach oben rannte, fragte ich mich, wieso die Fenster überhaupt verrammelt waren. Aber das konnte mir ja eigentlich auch nur recht sein. Weitere Sekunden Gnadenfrist. Oben angekommen musste ich feststellen, dass ich hier erst recht in der Falle saß. Das gesamte Obergeschoss bestand lediglich aus einer kleinen Galerie. Lediglich ein Schrank, ein Tisch und ein Bett standen hier oben. Keinerlei Fluchtwege mehr. Lediglich durch das eine Fenster, dass scheinbar auf das Dach des Erdgeschosses führte. Aber dahinter standen die Mistkerle bereits auch und hämmerten gegen das Glas des Fensters. Übrigens das erste Fenster an diesem Haus, das Glas besaß. Allerdings würde das auch sehr bald zu Bruch gehen. „Verfluchte Scheiße!“ schimpfte ich. Gehetzt sah ich mich um. Und stieß einen kleinen Freudenschrei aus, als ich eine ganz spezielle Wandzierde erblickte. Eine Schrotflinte. Ich wollte sie gerade von der Wand reißen, als neben mir das Glas des Fensters splitterte und der erste von den Scheißkerlen herein kletterte. Ein älterer Mann, etwa wie der, dem ich zuerst begegnet war. Und nun stürzte er sich auf mich. Mit einem leisen Schreckensschrei schwang ich meine Axt, die ich zum Glück nicht aus der Hand gelegt hatte und ließ sie auf seinen Kopf niedersausen. Mit einem nassen „Chack!“ drang die Axtschneide in den Kopf des Mannes ein und spaltete ihn bis zwischen die Augen. Mit einem atemlosen Keuchen brach der in die Knie und starrte mich noch eine Sekunde fassungslos an. Dann erstarb das Leben in seinen Augen und er brach zusammen. In diesem Moment meinte ich, dass irgendwas in mir zerbrach. Denn mir wurde eins bewusst: Ich hatte gerade einen Menschen getötet. Zitternd ließ ich den Axtstiel los. Der Mann, der noch so halb auf den Knien vor mir gehangen hatte, brach endgültig zusammen. Eine Blutlache begann sich unter seinem Kopf zu bilden. Ich hatte keine andere Wahl gehabt, das wusste ich. Hätte ich es nicht getan, dann würde ich nun anstatt seiner am Boden liegen. Und dennoch, er war ein Mensch. Damals in Südamerika hatte ich auch getötet. Aber das war etwas anderes gewesen. Diese Menschen waren schon tot gewesen. Ich hatte lediglich dafür gesorgt, dass sie endlich das taten, was Tote sonst tun, nämlich tot sein. Aber der hier... Auch, wenn was mit ihm nicht gestimmt hatte, er war doch ein Mensch gewesen. Das Geräusch von Schritten vor dem Fenster ließ mich aus meiner Starre erwachen und vertrieb die bösen Gedanken. Ich wirbelte rum und riss die Waffe von der Wand. Dann fuhr ich herum. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie eine Frau mit Kopftuch durch das Fenster kletterte. Ich dachte nicht weiter nach, sondern lud die Waffe mit einer heftigen Bewegung durch, riss sie in den Anschlag und nahm den Kopf der Frau aufs Korn. Die nun auf mich zulief, wobei sie ein riesiges Küchenmesser schwang. Ich zog den Abzug durch. Ein berstender Knall erklang und ich sah grelles Mündungsfeuer am Laufende. Und wie der Kopf der Frau in einer riesigen Blutfontäne in tausend Stücke zersprang. Sofort kippte ihr Körper leblos nach vorne, über die Beine des Mannes. Zumindest war das Ding geladen. Von draußen konnte ich einen Schmerzensschrei hören. Scheinbar hatte die Schrotladung einen weiteren erwischt, der gerade durch das Fenster klettern wollte. So hatte ich zumindest noch ein paar Sekunden um nach Munition zu suchen. Von Jack wusste ich, dass diese Pumpguns meistens ein Magazin von sechs Patronen hatten. Aber ich wusste auch, dass ich, trotz der verheerenden Wirkung der Schrotladungen nicht ewig mit diesen sechs Kugeln auskommen würde. Ich riss die Glastür des Schrankes auf. Zum Glück fiel mein Blick sofort auf eine grüne Schachtel mit Munition. Kaum war diese in meiner Tasche verschwunden, konnte ich die Tür unten splittern hören. Und das Geräusch eines Motors, das mir gar nicht gefiel. Denn es war nicht der Motor eines Autos, sondern einer, der sonst nur im Wald aktiv war. Eine Kettensäge! Und ich hatte eine lebhafte Vorstellung von dem, was der Kerl damit fällen wollte. Ich musste hier raus! Und der einzige Weg, der mir blieb, war durch das verfluchte Fenster. Ich sprang darauf zu, die Waffe im Anschlag und musste sofort eine Welle von drei Angreifern beseitigen. War allerdings nur ne Sache von einer Kugel und die drei fielen alle leblos zu Boden. Ich sprang aus dem Fenster raus und konnte noch so aus den Augenwinkeln eine massige Gestalt die Treppe hoch stürzen sehen. Sein Kopf sah merkwürdig aus, aber ich sah ihn nicht lange genug, um zu sagen warum. Was ich aber genau sehen konnte, war die riesige, rostige Kettensäge in seiner Hand, von der nicht nur dieses unheilvolle Geräusch ausging, sondern auch ein ekeliger Gestank von verbranntem Öl und Bezin. Ich wandte mich um und lief nach vorn. Scheinbar waren die Dächer des Erdgeschosses dieses Hauses verbunden mit dem Dach des Hauses daneben. Zumindest hatte ich einiges an Fläche, die ich zwischen mir und diesem Kettensägen-Irren bringen konnte. Dann würde ich ihn erst einmal aufs Korn nehmen können. Kurz vor Ende des Daches blieb ich stehen, wandte mich um und ich riss die Waffe in die Höhe. Ich sah so gerade eben die Kettensäge am Fenster auftauchen. Doch ehe ich überhaupt die Gelegenheit hatte auf den Kerl zu schießen brach das Dach unter meinen Füßen ein und ich stürzte mit einem spitzen Schrei ins Haus. Ich schlug schwer auf dem harten Lehmboden auf, der Aufprall schleuderte mir die Schrotflinte aus den Händen und ich blieb einige Sekunden benommen liegen. Wie durch Nebel hörte ich den Krawall um mich herum. Ich hörte die Rufe der Leute, Pistolenschüsse wie in weiter Ferne und das Trampeln von Füßen auf dem Dach über mir. Und dann wieder das Poltern von Fäusten an der Tür. „Los! Steh auf, du Weichei! Sonst bist du tot!“ sagte ich mir und versuchte die Benommenheit zu vertreiben. Es gelang mir nur mühsam aber schließlich schaffte ich es mich auf alle Viere aufzurichten und nach meiner Waffe Ausschau zu halten. Sie lag nur etwa zwei Meter von mir entfernt unter einem Küchentisch. Ich begann in die Richtung zu krabbeln. Und noch gerade rechtzeitig weg von der Eingangstür, bevor die in einem riesigen Hagel von Splittern zerbarst. Und ein wahres, Kettensäge schwingendes Monster dadurch polterte und auf mich zu. Mit einem lauten Schrei stieß ich mich ab und schlitterte unter den Tisch. Ich bekam die Waffe zu packen und rollte mich wieder unter dem Tisch hervor. Der im nächsten Moment unter der rostigen Kette der Säge in winzige Splitter zerbarst, wie schon die Tür zuvor. Die Kette fuhr in den Lehmboden, wo sie sich irgendwie verharkte. Zumindest konnte ich den Kerl, dessen Kopf warum auch immer unter einem dreckigen Leinensack steckte, nun in aller Ruhe eine Kugel verpassen. Ich riss die Waffe hoch in den Anschlag und nahm seinen Kopf ins Visier. Doch nur einen Sekundenbruchteil, bevor ich abdrücken konnte, riss er seine Kettensäge aus dem Boden und die Schrotladung, die seinen Kopf zerfetzen sollte, zerfetzte statt dessen sein Knie. Mit einem lauten Schrei ging er zu Boden. Aber ich hatte nicht die Zeit ihm noch eine Ladung zu verpassen, sondern musste mich schon wieder nach einem Fluchtweg umsehen. Denn durch die zerstörte Tür drangen nun schon wieder jede Menge Feinde ein und mit den drei noch verbliebenen Kugeln konnte ich die nicht alle auf einmal erledigen. Ich wirbelte zu dem Fenster herum und zertrümmerte das Glas mit dem Kolben meiner Waffe. Mit einem unwilligen Wischbewegung beseitigte ich zumindest die großen Splitter im Rahmen und kletterte raus. Ich konnte den Kettensägen-Freak hinter mir wütend brüllen hören. Aber ich sah erst einmal zu, dass ich Meter gewann. Außerdem musste ich Leon finden. Zu zweit hatten wir eine deutlich höhere Chance mit den Bastarden fertig zu werden. Und so sprintete ich wieder zwischen den beiden Häusern hindurch auf den Dorfplatz, die Waffe immer halb im Anschlag. Allerdings hatten die Dorfbewohner, die auf dem Platz waren kein Interesse an mir. Sie liefen alle nur Leon hinterher, der gerade bei einer Scheune um die Ecke verschwand. Ich wollte ihm folgen, als ich plötzlich im Augenwinkel oben rechts etwas rotes sah. Ich wirbelte herum und sah hoch, zu dem Dach, wo ich selbst durchgekracht war. Natürlich war dort nichts mehr zu sehen. Aber ich war mir sicher, dass ich etwas gesehen hatte. Eine Art...roter Stofffetzen. Ich kam jedoch nicht länger dazu, darüber nachzudenken, sondern schaffte es noch so gerade eben hinter der Hauskante in Deckung zu springen. Denn in diesem Moment kam der Kettensägen-Freak um die Ecke. Die Tatsache, dass er mit dem zerschossenen Knie noch laufen konnte, war schon irre genug. Aber die Geschindigkeit, die er dabei an den Tag legte, war noch viel verrückter. Obgleich das Knie deutlich lädiert und nur eine blutige Masse war, so hinkte er eigentlich nur ein wenig. Ich zweifelte jedoch keine Sekunde daran, dass er mich zu Schaschlik verarbeiten würde, sollte er irgendwie meiner habhaft werden. Aber er schien im Moment auch nicht an mir interessiert zu sein, sondern rannte den anderen nach, hinter Leon her. Scheiße! Jetzt musste ich Leon wirklich helfen! Ich folgte ihm und bog ebenfalls um die Ecke. Gerade rechtzeitig, wie ich feststellen musste. An dem Kettensägen-Freak vorbei konnte ich Leon sehen, wie er noch ein paar von den Dörflern niederstreckte. Aber genau, als auch der letzte unter seinen Kugeln fiel, ging ihm die Munition aus und der Schlitten seiner Waffe glitt zurück. Ich sah, wie er den Kettensägen-Irren entsetzt anstarrte, der in diesem Moment das rauchende Ungeheuer anhob. Im selben Moment riss ich die Schrotflinte in Anschlag. Nahm den Kopf des Irren aufs Korn. Und drückte ab. Der Kopf des Irren zerbarst in tausend blutige Stücke und Gewebefetzen. Und Leon konnte noch gerade eben zur Seite springen, bevor der leblose Körper des Hünen nach vorn kippte und die auslaufende Kette der Säge sich in den Boden grub. Langsam blickte Leon auf und sah mich an. Scheinbar brauchte er eine Sekunde. Aber dann weiteten sich seine Augen und sein ganzer Körper versteifte sich, als er mich erkannte. „Wie geht’s, Leon?“ fragte ich ein wenig unsicher und ließ die Waffe langsam sinken. Kapitel 6: Alte Kampfgefährten ------------------------------ Einige weitere Sekunden starrte Leon mich einfach nur an. Als er gerade dazu ansetzte etwas zu sagen, hörten wir wieder Stimmen hinter uns. Ich wirbelte in die Richtung herum, die Waffe in Anschlag reißend. Dann erklang auf einmal das Leuten von Kirchenglocken. Und gleichzeitig verstummten die aufgeregten Stimmen der Dorfbewohner. Leon und ich blieben beide angespannt stehen, immer darauf wartend, dass welche von den Kerlen auftauchten. Doch über eine Minute geschah nichts. Schließlich ging Leon langsam an mir vorbei, die Waffe in Anschlag – er hatte zwischenzeitlich ein neues Magazin eingeschoben – und lugte vorsichtig um die Ecke. Nach etwa einer Sekunde wandte er sich mir kurz zu und winkte knapp. Ich trat an seine Seite und sah ebenfalls um die Ecke. Doch es war nichts zu sehen. Die Leute, die wir vorhin noch gehört hatten waren verschwunden. Das Dorf schien mit einem Mal wie ausgestorben. Leon lief auf den Dorfplatz und sah sich um. Ich folgte ihm und ließ ebenfalls meinen Blick schweifen. Aber es rührte sich nichts. „Wo sind denn auf einmal alle? Bingo?“ fragte Leon. „Keine Ahnung.“ sagte ich nur leise. Eine Sekunde schwiegen wir beide. Dann brach Leon das Schweigen und sah mich wieder fassungslos an. „Katharina?“ keuchte er dann ungläubig. Ich sah ihn unsicher an. Ich konnte mir denken, wie er sich jetzt gerade fühlen musste. Schließlich war ich für ihn ja tot. So wie für Jack. „Ja, ich bin es, Leon!“ sagte ich dann und trat langsam auf ihn zu. Seine Augen weiteten sich noch mehr. „A...aber...“ stotterte er dann. „Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, Leon, aber...naja ich war nicht tot. Nicht wirklich.“ versuchte ich ihm irgendwie zu erklären. Ich konnte ihm ja wohl kaum sagen, dass ich aus einer anderen Wirklichkeit kam und so beschloss ich es so darzustellen, als hätte ich damals doch überlebt. Plötzlich erwachte ein strahlendes Lachen auf seinem Gesicht. Er machte einen hastigen Schritt auf mich zu und umarmte mich fest. Auch ich schlang meine Arme um seinen drahtigen Körper und drückte ihn fest. Ich freute mich wirklich ihn zu sehen. „Aber...warum...wieso hast du dich dann nie gemeldet?“ fragte Leon dann. „Und wieso...wieso tauchst du ausgerechnet jetzt auf? Und auch noch hier?“ Nun war ich wirklich in Erklärungsnot. „Ich...ich habe euch gesucht, aber...ich habe euch irgendwie nicht finden können. Und...das ich hier bin...nun ja...das ist Zufall!“ stotterte ich. Es klang genauso gelogen, wie es auch war, aber mir fiel weiß Gott nichts besseres ein. „Okay.“ sagte Leon dann gedehnt und sah mich misstrauisch an. „Ich denke, wir unterhalten uns später darüber.“ Dann sah er sich wieder um. „Was geht hier vor, Leon?“ wechselte ich eilig das Thema. Aber nicht nur, weil ich von dem unangenehmen Thema meines Wiederauftauchens ablenken wollte, sondern weil ich auch wirklich wissen wollte, in was ich hier hineingeraten war. „Ich...ich weiß es im Moment auch nicht!“ antwortete Leon dann langsam. „Was tust du eigentlich hier?“ fragte ich dann weiter. „Ich bin auf einer Mission.“ antwortete er. „Ich soll die Tochter des Präsidenten suchen.“ Ich runzelte die Stirn. „Die Tochter des Präsidenten?“ fragte ich. Er nickte. „Ja, sie wurde entführt und wir haben Grund zur Annahme, dass sie hier irgendwo festgehalten wird.“ erklärte er. „Ich wurde geschickt sie zu suchen und zu retten.“ „Und was hat das mit diesen komischen Leuten hier auf sich? Was ist nur los mit denen?“ fragte ich weiter. „Ist das wieder so ein...Virus?“ Er blickte einige Sekunden nachdenklich im Dorf herum. „Nein, das glaube ich nicht. In jedem Falle ist es nicht der T-Virus.“ antwortete er. „Aber du hast recht, irgendwas stimmt nicht mit ihnen.“ Wieder schwiegen wir einige Sekunden. „Leon, ich weiß, es ist eigentlich nicht der richtige Zeitpunkt dafür, aber...Jack, was ist mit ihm? Wo ist er? Geht es ihm gut?“ Die Frage drängte sich mit solcher Macht bei mir auf, dass ich sie einfach stellen musste. Leon sah mich langsam an. Ich konnte deutlich Traurigkeit in seinem Blick erkennen. „Katharina,...“ begann er langsam und sein zögerlicher Ton ließ mich schlimmes ahnen. „Krauser ist tot.“ sagte er dann langsam. Es war, als würde er mir einen Dolch ins Herz bohren. Jack tot? „Nein!“ keuchte ich. „Das ist nicht wahr! Du lügst!“ Leon sah mich aufrichtig mitleidig an. „Nein, Katharina. Es ist so. Er ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Kurz nach unserem Einsatz in Südamerika.“ Alles begann sich um mich zu drehen, mein Herz verkrampfte sich in meiner Brust. Ich sank auf die Knie und schlug die Hände vor das Gesicht. Jack! Mein geliebter Jack! Nein, das durfte nicht sein! „NEEEEEEEIIIIIIN!“ schrie ich schließlich auf und warf mich in Leons Arme, als er sie nach mir ausstreckte. Hemmungslos begann ich gegen seine Brust zu schluchzen. Es war alles umsonst gewesen. Ich war umsonst gekommen. Jack war tot. Und anders als ich konnte er nicht wieder auferstehen. Jack sah auf, als die Frau neben ihn trat. Seine Finger hörten auf das Amulett um seinen Hals zu streicheln, das nun offen auf seinem T-Shirt lag. Er blickte langsam in das von schwarzem Haar umrahmte Gesicht, das zu ihm hinab blickte. Hinter sich konnte er die Glocken der Kirche läuten hören. „Hübsches Schmuckstück hast du da!“ sagte sie mit einem leicht spöttischen Ton. „Von deiner Liebsten?“ „Halt deinen frechen Mund!“ fauchte er und stand auf. Er hatte die letzten Minuten damit verbracht auf das Wasser zu starren, nachdem er von dem Anführer dieses irren Haufens hier zurück gekommen war. Es war schon schlimm genug gewesen, dass er sich wieder dieses kranke Gelaber von dem Dreckskerl hatte anhören müssen. Da hatte er nun weiß Gott keine Lust sich auch noch die frechen Bemerkungen dieses Dreckstücks anzuhören. „Wieso hast du die Glocken geläutet?“ fragte er direkt barsch. „Ich musste die Dorfbewohner ruhig stellen!“ antwortete sie ebenso barsch. „Übrigens ist Leon im Dorf angekommen.“ „Ich weiß.“ knurrte er zurück. „Wesker hat es mir gesagt!“ Sie nickte knapp und wollte sich zum gehen umwenden. „Er ist aber nicht allein.“ sagte sie dann aber noch. „So?“ sagte er spöttisch. „Wer ist denn bei ihm?“ „Eine junge Frau.“ antwortete sie knapp. Das überraschte ihn jetzt allerdings. Wesker hatte nichts von einer Gehilfin gesagt. Hatte er das vielleicht selbst auch nicht gewusst? „Was für eine junge Frau?“ fragte er. „Keine Ahnung, wer sie ist!“ antwortete sie. „Wie sieht sie aus?“ fragte er weiter. Eigentlich war es unwichtig, aber er wollte das aus irgendeinem Grund dennoch wissen. „Relativ klein, hellblond, ziemlich jung aber kräftig.“ beschrieb sie sie knapp. Jack zuckte heftig zusammen. Hellblond, klein, kräftig? Das klang wie... Nein, das konnte nicht sein! Es musste ein Zufall sein! „Was ist mit dir, Soldat?“ fragte sie belustigt, als sie sein Zusammenzucken registrierte. „Macht dir das kleine Ding etwa Angst.“ „Blödsinn!“ fauchte er heftig. „Ich...ich habe nur nicht damit gerechnet, dass er eine Gehilfin hat, das ist alles.“ Sie grinste ihn noch eine Sekunde an, bevor sie sich zum Gehen umwand. „Du solltest die beiden im Auge behalten.“ meinte sie dann aber noch und verschwand. So sehr Jack das Miststück auch hasste und ihr eigentlich immer einen Fluch hinterher schickte, die Nachricht von Leons Gehilfin hatte ihn mehr durcheinander gebracht, als er zugeben wollte. Vor allem die Beschreibung. Denn im Prinzip hatte sie gerade kurz und knapp seine Kathy beschrieben. Aber sie konnte es einfach nicht sein! Kapitel 7: Eine Mission beginnt ------------------------------- Ich weiß nicht, wie lang ich gegen Leons Brust schluchzte und sein T-Shirt mit meinen Tränen tränkte. Aber es konnten Stunden sein. Sie wollten aber auch einfach nicht versiegen. Jack, mein Jack tot! Ich konnte, ich wollte es nicht glauben! Da war ich extra nur seinetwegen zurück gekommen und nun das! Schließlich löste ich mich doch von Leon und sah mit verschwommenen Blick zu ihm auf. „Es tut mir leid, Katharina, wirklich!“ sagte er leise, aber aufrichtig. Ich schluchzte noch einmal heftig und wischte mir aber dann energisch die Tränen aus den Augen. „D...danke.“ sagte ich mit belegter Stimme und sah ihn fest an. „Also, du sollst die Präsidententochter suchen?“ Er nickte, scheinbar dankbar, dass ich von mir selbst aus das Thema wechselte. „Ja. Sie wurde vor zwei Tagen auf dem Rückweg von ihrem College entführt.“ Ich konnte mir ein innerliches Kichern nicht verkneifen. Irgendwie war das gerade mal wieder so eine schöne Klischee-Nummer. „Aber warum dann ausgerechnet in diese Gegend hier?“ fragte ich und machte eine ausholende Geste. „Das wissen wir auch nicht.“ zuckte er mit den Schultern. „Wir wissen weder, wer dahinter steckt, noch weswegen sie sie entführt haben.“ Ich blickte auf die toten Körper, die um uns herum am Boden lagen. „Bestimmt hängt das mit diesen...Dingern hier zusammen.“ murmelte ich dann. „Ja, denke ich auch.“ sagte er und ging neben einem von ihnen in die Knie. „Was ist mit diesen Typen nur los?“ fragte ich und ging an der anderen Seite des Toten in die Knie. Er lag auf den Rücken und starrte mit weit aufgerissenen Augen in den Himmel. Ich sah mir seine Augen an. Denn das einzige außergewöhnliche, was mir an den Typen aufgefallen war, das war dieses komische Glühen in den Augen gewesen. Es war in jedem Falle nicht der T-Virus, aber irgendwas in der Art musste es sein. „Ich weiß es wirklich nicht. Sie sind aber in jedem Falle keine Zombies.“ antwortete Leon und stand wieder auf. „Wir müssen weiter, Katharina! Ich muss Ashley finden und vielleicht erfahren wir später noch etwas mehr über diese Leute hier!“ sagte er und setzte sich in Bewegung, Richtung Kirche und Wachturm. Ich warf noch einen letzten Blick auf den Toten und lief ihm dann nach. Wir folgten einem schmalen Weg, der zwischen kleinen Schuppen hindurch führte und an einem großen Tor endete. Scheinbar waren wirklich alle der Dorfbewohner verschwunden, denn es kam uns niemand mehr entgegen. Und es war still. Unheimlich still. Nicht mal Laubrascheln hörte man. Wahrscheinlich mit einer der Gründe, warum ich beinahe einen Herzinfarkt bekam, als etwas laut knackte und dann ein schriller Ton erklang. Von Leons Gürtel. Mit einer beinahe beiläufigen Bewegung griff der dorthin und zog ein Funkgerät hervor. „Hier Hunnigan, Leon!“ erklang eine weibliche Stimme, begleitet von lauten Knackgeräuschen aus dem Lautsprecher. „Ja, hier Leon!“ antwortete Leon. „Was hat es gegeben? Hast du irgendeine Spur?“ fragte die Frauenstimme weiter. „Nein, zumindest keine, die direkt zu Ashley führt. Aber ich habe festgestellt, dass hier etwas nicht stimmt. Ich bin in ein Dorf gekommen und wurde von den Bewohnern angegriffen.“ „Angegriffen? Wieso angegriffen?“ fragte die Frauenstimme. „Das weis ich noch nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das irgendwie mit Ashley zusammenhängt. Ich melde mich, wenn ich etwas herausgefunden habe.“ „In Ordnung. Hunnigan Over!“ „Leon Over!“ Leon steckte das Funkgerät wieder weg. „Wer war das?“ fragte ich ihn direkt. „Hunnigan.“ antwortete Leon und drückte langsam das Tor auf. „Sie hilft mir so gut sie kann mit Informationen.“ Wir traten durch das schwere Tor hindurch und ließen es hinter uns zufallen. „Irgendwie habe ich aber meine Zweifel, dass sie dir bei diesem Schlamassel helfen kann.“ sagte ich dann, wurde dann aber harsch von ihm unterbrochen, in dem er die Hand hob und mir ein Zeichen gab, still zu sein. „Was ist?“ flüsterte ich leicht erschrocken. Er wiederholte seine Geste, hob seine Waffe und schlich weiter. Ich konnte absolut nichts sehen, was ihn so beunruhigen könnte, aber ich wusste, dass Leon ein exzellentes Gespür für gefährliche Situationen hatte und so schloss ich mich ihm an. Ich versuchte an ihm vorbei einen Blick auf die Umgebung zu erhaschen. Es sah eigentlich nicht anders aus, als zuvor im Dorf. Ich konnte nur einen kurzen Weg vor uns erkennen, der sich bald öffnete und die Kanten einige sehr hoher Gebäude aus Holz. Zudem war wieder das Gackern von Hühnern und Geräusche von Kühen und anderen Huftieren zu hören. Ein Bauernhof, wahrscheinlich. Leise folgte ich Leon, der den Weg weiter entlang schlich und schließlich an einer kleinen Hütte stehen blieb, gegen die er sich dann presste. Er bedeutete mir wiederholt mit einer Geste still zu sein. Aber das wäre ich auch so gewesen. Genau wie er sah ich mich um. Es war tatsächlich ein Bauernhof, allerdings kein sehr großer. Er bestand wirklich nur aus dem einen Haupthaus und einer Scheune. Hinter der Scheune lag ein abgezäunter Bereich, in dem einige Kühe standen. Angrenzend an das Haupthaus lag ebenfalls ein eingezäunter Bereich, allerdings mit Hühnern. Auf den ersten Blick war kein menschliches Wesen zu sehen. „Komm, Leon! Wir...“ „Pscht!“ machte er energisch und legte den Kopf schief. Ich ließ meinen Mund sofort wieder zuklappen und tat es ihm gleich. Allerdings konnte ich nichts hören. Außer...nein doch! Ich konnte in regelmäßigen Abständen etwas rascheln hören. Es kam aus der Richtung des Haupthauses. Ich strengte meine Augen an und erkannte schließlich, was dieses Geräusch verursachte. Ein Mann am hinteren Ende des Haupthauses, der mit einer Heugabel Heu, oder Stroh auf einen Handkarren oder sowas lud. Scheinbar hatte er uns noch nicht bemerkt. Und das war bestimmt auch gut so. Ich war mir ziemlich sicher, dass er wahrscheinlich nicht anders auf uns reagieren würde, als die Leute im Dorf. Ich wandte mich Leon zu, der ebenfalls zu dem Mann rüber sah. „Was machen wir jetzt?“ fragte ich flüsternd. Er sah langsam zu mir runter. „Wir müssen weiter. Wenn uns der Typ angreift, dann ergeht es ihm so, wie den anderen.“ flüsterte er dann genauso leise zurück. Ich nickte und wir setzten uns in Bewegung. Auf in den Kampf. Langsam schlichen wir auf den Typen zu, der nach wie vor in seine Arbeit vertieft war und noch keinerlei Notiz von uns genommen hatte. Hoffentlich blieb das auch so, bis wir näher an ihn dran waren. Bzw. hoffentlich war er nicht so, wie die Dorfbewohner. „Un fuerrastello!“ Der Schrei erklang genau in unserem Rücken und ließ mich einen richtigen Satz machen vor lauter Schreck. Aber Leon ging es nicht besser, er zuckte ebenfalls sehr heftig zusammen. Wir wirbelten gleichzeitig herum, gerade noch rechtzeitig, damit Leon dem Schreier eine Kugel durch den Kopf jagen konnte, als dieser uns mit einer Mistgabel attackieren wollte. Wie ein nasser Sack fiel sein Körper zu Boden. Doch wir hatten keine Zeit zum Ausruhen, denn der Schrei hatte nun auch zumindest den anderen Mann hinter dem Haus auf uns aufmerksam gemacht. Und so konnten wir gerade noch rumwirbeln und zur Seite weichen, als schon die nächste Mistkabel anrauschte und uns aufspießen wollte. Leon torkelte ein paar Schritte zurück und riss die Waffe hoch. Dann geschah alles gleichzeitig. Ich stieß mit meiner Ferse gegen einen Stein, verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten. Im selben Moment drückte Leon ab. Die Kugel durchbohrte die Brust des Angreifers und fuhr nur knapp über meinen Kopf hinweg. Doch mir blieb keine Zeit ihn anzuschreien, ob er des Wahnsinns sei, da er mich beinahe mit erschossen hatte. Noch im Sturz konnte ich aus den Augenwinkeln erkennen, wie eine Frau schräg hinter Leon auf uns zustürmte. Sie hielt irgendwas Metallisches in der Hand. Ich konnte es nicht richtig erkennen, aber es war mit Sicherheit irgendwas, womit sie Leons Leben beenden konnte. Ich riss die Schrotflinte in die Richtung der Frau und wollte Leon noch eine Warnung zurufen. Doch der Aufprall auf den harten Boden trieb mir die dazu benötigte Luft aus den Lungen. Löste aber auch gleichzeitig den Schuss meiner Flinte. In diesem Moment glaubte ich, wir beide hätten nun sämtliches Glück für unser gesamtes Leben verbraucht, denn nun verfehlte mein Schuss Leon nur knapp. Und zerfetzte die Leibesmitte der Frau. Blut spritzte in alle Richtungen. Die Frau ließ das Ding – ein Messer, wie ich jetzt bemerkte – fallen und wurde von der Wucht des Schusses nach hinten geworfen. „Gott, verdammt!“ polterte Leon, während ich versuchte mich aufzurappeln. „Du hättest mich beinahe abgeknallt!“ „So wie du mich auch!“ gab ich genauso heftig zurück. Einig Sekunden sahen wir uns nur schweigend an. Doch dann lächelten wir beide. „Dann sind wir ja quitt!“ meinte Leon schließlich und half mir auf die Beine. Wir sahen uns nach allen Richtungen um. Aus der Richtung des Haupthauses kam ein weiterer, dicklicher Mann mit Halbglatze angelaufen. Den Leon aber beinahe nebenbei eine Kugel in den Kopf verpasste. „Und wohin jetzt?“ fragte ich dann, nur noch aus den Augenwinkeln sehend, wie der Mann am Boden noch einige Sekunden zuckte. Beinahe erschreckte ich mich vor mir selbst, wie sehr ich das auf die leichte Schulter nahm. Aber meine früheren Erlebnise mit Leon und Jack hatte mich scheinbar in der Beziehung mehr als abgehärtet. Bei dem Gedanken an Jack wollten schon wieder die Tränen in meine Augen schießen. „Mal sehen.“ meinte Leon und setzte sich in Bewegung. „Hoffentlich sind wir hier nicht in einer Sackgasse gelandet.“ Ich folgte ihm, auf das Haupthaus zu. Scheinbar hatten wir alle Bewohner erledigt. Oder zumindest waren keine weiteren mehr hier. Denn angegriffen wurden wir nun nicht mehr. Leon begann das Haus zu durchsuchen, dessen Einrichtung aber keine besonderen Funde versprach. Und auch nicht hergab. Lediglich eine Schachtel Pistolenmunition fand Leon. Aber besser als gar nichts. Dann gingen wir unter einer Art Brücke aus Holz, die direkt an das Haupthaus gelehnt war, her, auf ein großes Holztor zu. Keine Sackgasse, aber irgendwie hatte ich ein äußerst ungutes Gefühl, bezüglich dessen, was uns dahinter erwartete. Er wusste, dass er träumte. Aber es war so real. Wie immer, wenn er träumte. Er spürte ihren Atem in seinem Gesicht, roch ihn, roch ihren ganzen wundervollen Duft. Spürte ihre weiche Haut an seiner und ihre Hände, die sanft über seine Muskeln strichen. Langsam tasteten sich seine Hände hoch zu ihrem Gesicht, legten sich an ihre Wange, den Anblick ihres verzückten Gesichtes genießend, während sie sie beide zum Höhepunkt trieb. Ihre festen Brüste wippten leicht in ihrem Rhythmus, ihre Lippen standen leicht offen. Sein Daumen glitt über ihre vollen weichen Lippen. Er konnte sehen, wie sie ein Wort formten. „Jack!“ Es war nur ein leiser Hauch, fast wie ein ganz schwacher Wind. Aber das schönste, was er in den letzten Jahren gehört hatte. „Kathy!“ hauchte er leise zurück, ein Stöhnen unterdrückend. Doch plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht und aus dem verzückten Gesicht wurde eine gequälte Grimasse. Wie an dem Tag, an dem ich sie verloren hatte. Der Anblick schnitt wie eine glühende Klinge in sein Herz. „Krauser!“ Die Stimme drang laut und deutlich an seinen Gehör. Doch sie gehörte nicht ihr. Allein deswegen schon nicht, weil sie ihn niemals „Krauser“ genannt hätte. Zudem war diese Stimme kalt, hatte nichts von der Wärme, die ihre immer gehabt hätte. Und riss ihn aus dem Traum, in dem er am liebsten für immer verweilt hätte. Er schlug die Augen auf und sah in das Gesicht, dass er am liebsten in eine blutige Masse verwandeln würde. Ada Wong, diese falsche Schlange! „Was willst du?“ knurrte er und versuchte dabei möglichst böse und abweisend zu klingen. Doch es gelang ihm nicht, den Schlaf und seine Gefühle wirklich aus seiner Stimme zu verbannen. Das Resultat war entsprechend. Die Schlampe grinste ihn einfach nur frech an. „Es tut mir leid, wenn ich dich bei deiner geträumten Zweisamkeit mit deiner...Kathy stören muss, aber...“ Weiter ließ er sie gar nicht kommen. „Was?!“ keifte er sie an. „Du sprichst im Schlaf!“ sagte sie ungerührt und sah ihn weiter spöttisch an. Jack spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Er wusste zwar davon – seine Kameraden früher bei der Armee hatten ihn oft genug damit aufgezogen – aber es machte ihn beinahe rasend, dass sie das mitbekommen hatte. „Was willst du, zum Teufel!?“ schrie er sie nun an. „Du sollst dich mit Wesker in Verbindung setzten. Er will irgendwas mit dir besprechen.“ antwortete sie ungerührt. Heftig erhob er sich und stapfte davon. „In Ordnung!“ knurrte er. „Mach du dich auch lieber an die Arbeit. Verschwinde in jedem Fall!“ „Ganz Gentleman, Mr. Krauser!“ lachte sie spöttisch. „Tut mir leid, dass ich dich gestört habe, bei deinem Traum. Muss viel Spaß gemacht haben.“ Nun langte es wirklich! Wütend riss Jack sein Messer aus der Scheide und wirbelte herum. Da war das Biest allerdings schon verschwunden. Er hoffte inständig, dass Wesker ihm den Befehl erteilen würde, sie zu beseitigen. Oder zumindest es zu billigen. Kapitel 8: Vom Regen in die Traufe ---------------------------------- Leon presste sein Ohr an die große Tür und lauschte einige Sekunden angestrengt. Dann gab er mir mit einem Nicken zu verstehen, dass wir durchgingen. Ich spannte mich bereits wieder automatisch innerlich, bereit, wieder einem dieser Freaks hier eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Doch die Spannung war unbegründet, wie sich heraus stellte, nachdem die schweren Torflügel aufschwangen. Es war niemand zu sehen. Lediglich ein enger Weg, der zwischen zwei hohen Felswänden in abwärts führte. Scheinbar war der Weg mal richtig befestigt gewesen, aber mittlerweile war er ziemlich verwittert, wie man an den Stufen erkennen konnte, die in die Tiefe führten. Langsam traten Leon und ich auf diesen Weg zu. Mein Blick huschte immer wieder von einer Seite zur anderen. Ich konnte nicht erklären wieso, aber ich meinte die Gefahr beinahe körperlich zu spüren, in der wir schwebten. Es kam mir vor, als...als tappten wir direkt in eine Falle. Mein Blick huschte zu den ersten Stufen, die Leon gerade betrat. Und zu dem Schild, Wegweiser, oder was auch immer links davon stand. Es ließ mein Herz in die Kehle springen, denn das Teil hätte eine super Deko für eine Halloween-Party abgegeben. Eine einfache Holzkonstruktion, mit mehreren Armen. Allerdings baumelten an diesen Armen Knochen und die Spitze zierte ein Schädel. Ich hatte nicht einen Augenblick Zweifel daran, dass diese Knochen hier - anders, als bei einer Halloween-Deko – echt waren. „Leon!“ hauchte ich, dass Ding weiter anstarrend. Leon hielt in seinem Schritt inne und sah zu mir zurück. „Komm schon, Katharina! Das ist nur ein grotesker Wegweiser! Wir müssen weiter.“ Er hatte einerseits recht, aber dieses Gefühl der Gefahr war mittlerweile so bohrend, dass ich mich einfach nicht vom Fleck rühren konnte. „Leon, hier stimmt was nicht! Ich fühle es!“ flüsterte ich, während mein Blick an den Felswänden empor wanderte. „Was soll denn hier nicht stimmen?“ fragte Leon leicht gereizt. „Komm schon, wir müssen weiter!“ Gott, die Bedrohung war beinahe greifbar! Ich konnte einfach nicht fassen, dass er sie nicht wahr nahm. Aber andererseits wusste ich ja nicht mal selbst, was genau mir so Angst machte. Aber sicher war auch, dass es nur einen Weg gab: Nach vorn! Egal was dort lauerte oder auch nicht. Dennoch fiel es mir unendlich schwer mich wieder in Bewegung zu setzen. Betont langsam gingen wir vorwärts, beide den Blick immer wieder hin und her wandern lassend. Aber es war nach wie vor nichts zu sehen, bis auf diese verwitterte Treppe, die durch die Schlucht führte. Aber nichts erschien vor uns, dass in irgendeiner Form gefährlich werden könnte. Vielleicht hatte ich ja wirklich... Plötzlich hörte ich über mir ein Knirschen. Als rieb ein großer Stein an einem anderen. Und ein ganz feiner Steinregen ging auf mich hinab. Wäre es nur bei dem geblieben! Denn als ich hoch blickte, sah ich, dass noch etwas sehr viel größeres im Begriff war, herunter zu kommen. Einige Augenblicke war ich wie zur Statue erstarrt und konnte den riesigen Felsbrocken, der gerade im Begriff war herunter zu kommen, nur anstarren. Als sich der Klotz dann endgültig über den Rand schob, schaffte ich es endgültig mich aus meiner Erstarrung zu lösen. „Leon!“ brüllte ich. Aber der schien die Gefahr in der Zwischenzeit selbst realisiert zu haben. Ich spürte seine Hand, die mich am Unterarm packte und dann grob herum riss. „Weg hier!“ schrie er und zerrte mich hinter sich her, die Treppe runter. Ich musste höllisch aufpassen um auf den Beinen zu bleiben, denn durch die plötzliche Drehung war ich schwer ins Taumeln gekommen. Zudem wäre es mein Tod gewesen. Ich hatte den Klotz zwar nicht in seiner ganzen Pracht gesehen, aber das Donnern, mit dem er hinter uns aufschlug, sprach dafür, dass er einige Tonnen wog. Einige Tonnen, die nun erbarmungslos und immer schneller werdend hinter uns her donnerten. Und erschreckend schnell näher kamen. Gott, wir würden es nicht schaffen! Die Treppe ging immer noch weiter und schien kein Ende zu nehmen. Und nirgendwo Platz, wo man dem Ding hätte ausweichen können! Und dann passierte es. Ich stolperte über eine winzige Unebenheit und schlug der Länge nach hin. Leons Hand löste sich grob von meinem Arm, während er weiter rannte. Mir blieb gerade noch zeit, an meine Tochter zu denken. Und an Jack. Zu dem ich nun gleich gehen würde. Ich schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es schnell gehen würde. Ich spürte die Erschütterung des Klotzes hinter mir und das Donnern. Was im nächsten Moment über mich hinweg fegte und nur Millimeter vor meinem Kopf wieder auf den Stufen der Treppe aufkam, um Leon weiter zu jagen. Einige Sekunden fragte ich mich, ob es schon passiert war, ob mein Gehirn mir nur vorgaukelte, der Felsen wäre einfach über mich hinweg gedonnert und damit die grausamen Schmerzen ersparte. Das ich mir nur einbildete, dass sich das Donnern weiter von mir entfernte. Und auch das gewaltige Krachen, was kurz darauf folgte. Langsam hob ich meinen Kopf und blinzelte durch die Staubwolke, die diese Steinwalze hinterlassen hatte. Allerdings war von ihr nichts mehr zu sehen. Lediglich ein Trümmerhaufen, etwa fünfzig Meter weiter an der Felswand, von der noch immer Staub aufstieg. War es möglich? War ich wirklich noch am Leben? Langsam begann ich mich aufzurappeln. Meine Knie schmerzten und als ich runter blickte, sah ich, dass meine Jeans aufgerissen war und Blut aus meinen Knien sickerte. Zudem hatte ich mir auch die Hüfte geprellt, denn eine Stelle tat ganz schön weh. Ich musste also noch leben! Nicht zu fassen! Da stürzte ich genau an der Stelle, an der der Steinklotz über mich drüber donnern konnte! Ich konnte mir ein leicht hysterisches Lachen nicht verkneifen. Allerdings erstarb es sofort wieder, als ich an Leon dachte. Vielleicht hatte er nicht so viel Glück gehabt, wie ich. Vielleicht war er... „Leon!“ brüllte ich und rannte zu dem Gesteinshaufen, hoffend und betend nicht einfach nur auf dem Weg oder zwischen den Steintrümmern nur seine zermatschte Leiche zu finden. Doch ich fand nichts, kein Blut und keine Leiche. Leon war einfach verschwunden. Ich sah mich gehetzt um. Die Schlucht endete je und lediglich ein Tunnel durch das Gestein führte auf meiner rechten Seite weiter. War er schon weiter gelaufen, weil er dachte, ich sei tot? „Leon!“ rief ich wieder. „Katharina!“ erklang seine Stimme plötzlich schräg hinter mir. Ich wirbelte herum und sah, wie er sich aus einer Ansammlung von kleinen Büschen hervor kämpfte. Sie standen in einer kleinen Einbuchtung der Felswand. „Ich dachte, du wärst...“ keuchte Leon atemlos und mich ungläubig anstarrend. „Ich von dir auch!“ sagte ich und lief auf ihn zu. Lachend fielen wir uns in die Arme. „Mann, war das knapp!“ keuchte ich immer noch lachend. „Kann man wohl sagen! Du musst ne ganze Horde Schutzengel haben um das zu überleben!“ „Deine Horde Schutzengel muss aber genauso groß sein!“ gab ich zurück. Leon lachte und klopfte sich noch einigen Schmutz von den Kleidern. „Einigen wir uns darauf, dass wir beide von einer ganzen Armee Schutzengel beschützt werden.“ meinte er dann und nickte in Richtung Tunnel. „Los, weiter!“ Langsam gingen wir auf den Tunnel zu, der mich irgendwie an eine miefige U-Bahn-Unterführung erinnerte. Der Geruch darin passte zum Eindruck, wenn es auch nicht unbedingt nach Pisse stank. Aber der Modergeruch war beinahe noch schlimmer. Einige Fledermäuse flogen wütend zischend über unsere Köpfe hinweg, die wir aufgeschreckt hatten. Zum Glück war der Tunnel nicht allzu lang. Kurz vor seinem Ende stoppte Leon dennoch und hielt mich mit einer Hand zurück. „Wa...?“ setzte ich an zu sagen, aber er legte sofort seinen Finger an seine Lippen und bedeutete mir ruhig zu sein. Ich schloss meinen Mund sofort und wich auf seine nächste Geste hin an die Tunnelwand, wie er an der anderen Seite. Dann blickte er um den brüchigen Beton des Tunnelausgangs herum und musterte die Umgebung. Scheinbar hatten wir nun einen kleinen Hof erreicht. In jedem Falle konnte ich einige Scheunen erkennen, teils sehr verfallen und eine Gebäude, dass wohl mal eine kleine Wohnhütte gewesen sein konnte. Ansonsten konnte ich erst einmal nichts besonderes erkennen. Leon aber schon, denn er versuchte möglichst leise den Schlitten seiner Waffe zurückzuziehen und seine Augen huschten angespannt immer wieder hin und her. Ich versuchte ebenfalls etwas auszumachen. Und dann endlich sah ich es! In der verfallenen Holzhütte bewegte sich etwas. Und im selben Moment war auch ein Schatten in dem kleinen Schuppen zu sehen. Klasse! Noch mehr von diesen netten Bewohnern! Ich versuchte nun meinerseits meine Pumpgun möglichst leise durchzuladen, jedoch waren meine Hände leider schweißnass und so rutschte der Vorderschaft aus meiner Hand und gab ein lautes Klicken von sich. Leon kam nicht einmal dazu mir einen mißbilligenden Blick zuzuwerfen, denn in diesem Moment wurden die Bewegungen in den Gebäuden deutlich lebhafter und mit einem Mal erschien eine Gestalt an einem der Fenster und irgendwas längliches, zischendes flog auf uns zu. Nur wenige Meter vor uns schlug es auf den Boden aus. Und explodierte mit einem berstenden Knall. Na toll, jetzt schmissen die schon mit Dynamit! Wir wichen vor dem grellen Lichtblitz und dem aufstobenden Dreck zurück, etwas weiter in den Schatten des Tunnels. „Okay, Katharina! Du musst vorlaufen, rechts am Haus vorbei auf die Rückseite. Ich gebe dir Deckung! Erledige die Kerle von hinten!“ rief Leon mir zu und riss seine Waffe hoch. Ich nickte, obgleich ich mir ganz und gar nicht sicher war, ob das so eine gute Idee war. Doch was hatten wir für eine Wahl? Hier im Tunnel hocken und uns ein paar Stunden mit Dynamit beballern lassen, bis denen der Vorrat ausging? Überdies konnte es durchaus sein, dass sich von hinten plötzlich auch noch welche von den Typen anschlichen. Der Felsbrocken vorhin war sicherlich nicht von allein runter gekommen. Und so atmete ich noch einmal tief durch und spurtete dann los. Was die Typen natürlich sofort registrierten, denn prompt flog in meine Richtung nun eine solche Stange und ich kam gerade noch soweit, dass mich die Explosion nicht zerfetzte, sondern nur von den Füßen riss. Ich konnte hören, wie Leon auf den Mistkerl feuerte, aber nicht, ob er ihn erwischte. Ich durfte mich jedenfalls nicht darauf verlassen, sondern sprang auf die Füße und lief weiter, bis ich die Rückseite des Hauses erwischte. Wo mich prompt einer der Dreckskerle erwartete. Zumindest war er scheinbar nicht bewaffnet, denn er starrte mich zuerst nur teilnahmslos und finster an, bevor er sich dann beinahe gemächlich in meine Richtung bewegte. Allerdings kannte ich die Nummer ja schon und so beendete ich seinen bisher nur halbherzigen Angriff direkt mit einem Schuss in seinen Kopf. Nahezu kopflos sackte sein Körper dann zusammen und ich konnte mich um den „Dynamit-König“ in dem Haus kümmern. Ich sah durch das hintere Fenster, doch scheinbar hatte Leon den Typen schon erwischt, denn er lag nur noch zuckend am Boden. In dem Moment hörte ich einen weiteren Pistolenschuss und kurz darauf kam Leon um das Haus herum. „Alles in Ordnung, Katharina?“ fragte er. „Alles klaro!“ sagte ich und zeigte mit dem Daumen nach oben. „Dann komm!“ sagte er und nickte mit dem Kopf in die Richtung des letzten Gebäudes auf dem Hof. Scheinbar das Hauptgebäude, denn es war mit Abstand das größte und am besten erhaltenste Gebäude. „Mal sehen, was wir hier noch so finden.“ Ich folgte ihm. Nachdem er die Tür geöffnet hatte und sich vergewissert hatte, dass niemand darin war, durchsuchten wir die Hütte zunächst. Leon hatte Glück, er fand einige Packungen Pistolenmunition in einem der Schränke und ich fand eine kaputte Schrotflinte. Aber die dazugehörige Munition schien in Ordnung zu sein. Dann gingen wir durch einen kurzen Gang in den hinteren Bereich. Aus dem auf einmal lautes Gepolter zu hören war. Sofort stockten wir im Schritt und Leon wies mich an hinter ihm zu bleiben. Langsam näherten wir uns der Geräuschquelle, die sich als alter Schrank in dem hintersten Zimmer herausstellte. Irgendwas, oder irgendwer stecke wohl darin und versuchte sich zu befreien. Leon sah mich an und nickte nur kurz. Ich verstand sofort und ging vor dem Schrank mit angelegter Waffe in Stellung. Er trat an den Schrank und entriegelte das Schloss. Die Tür sprang sofort auf und ein Mann fiel heraus. Zumindest war er mal keiner der Dorfbewohner, soviel konnte ich von vorneherein erkennen. Der Mann hatte lange schwarze Haare, war etwa so alt wie Leon und hatte einen südländischen Teint. Er trug eine helle Cordhose und eine spanische Weste über seinem Hemd. Seine Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt und über seinem Mund klebte ein Streifen Klebeband. All das lies mich ziemlich sicher sein, dass er nicht zu den Dorfbewohnern gehörte und normal war. Und scheinbar auch hier nicht wirklich erwünscht. Leon schien das wohl genauso zu sehen, denn er ging nun neben dem Mann in die Knie, der ängstlich versuchte vor ihm davon zukriechen. Leon packte den Klebestreifen und riss ihn in einem Ruck von seinem Gesicht. Der Mann gab ein schmerzerfülltes Keuchen von sich. „Ein bißchen hart, meinst du nicht?“ fragte er mit einem deutlichen spanischen Akzent. Leon ging darauf jedoch nicht ein und warf ihn einfach auf den Bauch. Während er an seinen Handfesseln rumnestelte, sah der Spanier mich erst an und versuchte dann noch einen Blick auf Leon zu erhaschen. „Ihr...ihr seit nicht wie die?“ fragte er dann zögernd, wobei er mich wieder ansah. „Nein.“ antwortete Leon. „Und du?“ fragte ich, immer noch die Waffe auf ihn richtend. Auch wenn er normal war, so hieß es nicht automatisch, dass er für uns ungefährlich war. Leon zog das Seil von seinen Handgelenken und der Spanier rollte sich von ihm weg. „Okay...ich habe nur eine wichtige Frage an dich.“ sagte er dann an Leon gewandt. „Hast du ne Zigarette?“ Dann wandte er den Kopf und sah mich an. „Die Lady sieht nicht so aus, als wenn sie rauchen würde.“ sagte er dann leicht anzüglich grinsend. Ich antwortete nicht darauf, sondern musterte ihn nur weiter mißtrauisch. Ich wusste nicht, was ich von dem Kerl zu halten hatte. „Ich hab Kaugummi!“ erwiderte Leon nur knapp. Auch er schien nicht zu wissen, wo er ihn hinstecken sollte. Freund oder Feind? Wir kamen allerdings auch nicht dazu uns weiter mit unserer Bekanntschaft zu unterhalten, denn plötzlich hörten wir mehrere Schritte hinter uns. Wobei einer der kommenden der Lautstärke seiner Schritte nach wenigstens zweihundert Kilo wiegen musste. Ich wirbelte herum. Im gleichen Moment erschienen zwei Dorfbewohner in der Tür und zwischen ihnen hindurch trat ein riesiger Kerl in einem langen zerschlissenen Ledermantel. Er war gut und gern 2,50 Meter groß und sehr breit. Mit meinen geschätzten zweihundert Kilo lag ich aber wohl auch nicht ganz verkehrt. Sein Kopf war kahl, sein Gesicht jedoch wurde von einem langen lockigen Bart beherrscht. Sein Gesicht allerdings war die pure Hölle. Eine riesige Hackennase saß über dem buschigen Bart und aus dem kahlen Schädel blitzten uns zwei unterschiedlich farbige Augen böse an. Scheinbar war der Typ irgendwie der Boss hier, denn die anderen beiden Dorfbewohner hielten respektvollen Abstand zu ihm. „Perfekt!“ kam es plötzlich von dem Spanier. „Das hohe Tier!“ „Was?“ kam es irritiert von Leon. Der Kerl blieb stehen und sah erst mich, dann Leon nahezu erwartungsvoll und spöttisch an. In dem Moment sprintete Leon auf einmal los, stoppte knapp eineinhalb Meter vor dem Typen und führte einen perfekten gedrehten Karatetritt gegen die Leibesmitte des „hohen Tieres“ aus. Doch Leon hatte einen schweren Fehler gemacht, wie sich schnell herausstellte. Was als nächstes kam passierte nur in wenigen Sekunden. Das „hohe Tier“ wich Leons Tritt nicht etwa aus, er packte einfach ungerührt seinen Fuß und hielt ihn fest. Leon kam noch dazu verdutzt auf seinen Fuß zu schauen, als der riesige Kerl ihn schon hoch riß und ihn einen gewaltigen Salto in der Luft drehen ließ. Leon, völlig unvorbereitet darauf, krachte mit dem Rücken gegen den alten Schrank und gegen den Spanier, der sich sitzend an diesen zurückgezogen hatte. Der Schrank ging in zwei und Leon und der Spanier blieben in einem Knäuel auf den Trümmern liegen. Starr vor Schreck konnte ich nur diese Szene beobachten und Leon anstarren, der regungslos da lag. Erst ein schwerer Schritt in meine Richtung verleitete mich dazu wieder zu dem Riesen zu starren. Der mir in diesem Moment seinen Arm gegen den Oberkörper schmetterte. Mit einem lautlosen Keuchen entwich die Luft aus meinen Lungen und im nächsten Moment schon kollidierte mein Kopf und mein oberer Rücken mit der Wand. Sofort wurde mir schwarz vor Augen und ich sackte kraftlos zu Boden. Ich war zwar nicht völlig bewusstlos, dennoch war ich nicht in der Lage mich irgendwie zu rühren. Wie durch Watte konnte ich die Stimmen der Dorfbewohner hören. Ich verstand nicht was sie sagten. Aber ich wusste natürlich, dass wir in erheblicher Gefahr schwebten. Leon bewusstlos, ich halb bewusstlos, wir waren ihnen völlig ausgeliefert. Trotz dieses Wissens konnte ich die Lähmung dennoch nicht schneller aus meinem Körper vertreiben. Merkwürdigerweise schienen sich die Dorfbewohner sich jedoch nicht für mich zu interessieren, denn sie gingen einfach an mir vorbei und kümmerten sich um Leon und den Spanier. Wie durch Nebel hindurch konnte ich erkennen, wie sie Leon und den Spanier sich auf die Schultern luden und dann den Raum verließen. Verflucht, Katharina, komm wieder zu dir! Wenn sie Leon wegschleppen, dann ist alles vorbei! Der Riese folgte ihnen langsam, hielt dann jedoch auf meiner Höhe noch einmal inne. Langsam sah er zu mir runter, scheinbar unschlüssig, was er mit mir anfangen sollte. Langsam kehrten meine Lebensgeister zurück, doch ich verhielt mich ruhig. Plötzlich ging er langsam neben mir in die Knie und packte mich mit einer Hand in meiner Kleidung im Rücken. Als wäre ich eine Puppe zog er mich hoch und auf seine Augenhöhe. Ich wusste, ich hatte nur eine Chance. Ich öffnete die Augen, die ich bis dahin nur ganz leicht geöffnet hatte. Und stieß ihm meine Finger in die Augen. Der eine Finger prallte wie auf Glas, wahrscheinlich hatte ich sein Auge verfehlt. Doch der andere versenkte sich wenige Millimeter in seinem Auge. Mit einem Schmerzenslaut ließ der Riese mich los und ich landete auf den Füßen. Immer noch leicht betäubt klaubte ich nur meine Schrotflinte auf und sprintete dann geduckt los. Gerade rechtzeitig genug um der zupackenden Pranke des Riesen zu entgehen und hechtete aus dem Raum. Ich wusste nicht genau was ich tun sollte, nur dass ich von diesem Dreckskerl weg musste. Und versuchen musste Leon zu folgen. Wenn die Typen ihn verschleppten waren meine Chancen sehr gering ihn wiederzufinden. Und Leon war mein Partner, ich durfte ihn nicht hängen lassen! Ich hatte den Ausgang der Hütte erreicht und sah wie die beiden Dorfbewohner durch eine Lücke im Zaun rechts von der Hütte davon gingen. Ich hechtete hinter ihnen her, versuchte dabei möglichst leise zu sein und schlug mich in die Büsche und das hohe Gras, welche hier in rauen Mengen wuchsen. Wenigstens etwas Deckung. Und auch keine Sekunde zu früh, denn der Riese polterte in genau dem Moment aus dem Haus heraus, als ich mich in das Gras duckte und sah sich suchend um. Dann folgte er den beiden Dorfbewohnern schnellen Schrittes, sah sich dabei jedoch immer noch suchend um. Zum Glück kam er dabei nicht auf die Idee seinen Blick auf das Gras zu senken, in dem ich wie ein zitterndes Kaninchen hockte. Ohne innezuhalten lief er an mir vorbei. Ich atmete ein paar mal tief ein und aus, bevor ich den dreien in einem gewissen Sicherheitsabstand zu folgen begann. Was hatten die mit Leon und dem Spanier vor? Egal was es war, es war sicher nichts gutes. Kapitel 9: Tanz über dem Abgrund -------------------------------- Obgleich ich nicht wusste, wie lang ich den dreien folgte, so konnte es doch nur wenige Minuten gewesen sein. Wir kamen zu einem weiteren gewaltigen Felsengebilde, welche sich als eine Art Krater herausstellte. Zumindest sah es beinahe so aus wie der Krater eines kleinen Vulkans. Dieser war jedoch durch ein Tor zugänglich, dass die drei nun durchschritten. Na toll! Wie sollte ich da denn ungesehen reinkommen? Da wimmelte es doch mit Sicherheit von diesen Dreckskerlen, dachte ich verzweifelt. Scheiße! Was nun? Ich durfte Leon nicht verlieren. Dann fiel mein Blick auf eine Anhöhe neben der Tür. Beinahe eine sehr grobe Felsentreppe. Das war meine Chance. Ich wartete in der Deckung, bis die Kerle das Tor verschlossen und dann schlich ich näher zu den Felsen und begann vorsichtig diese hochzuklettern. Bis ich den Rand des Tores erreicht hatte. Vorsichtig schielte ich über die Kante. Es bot sich mir ein schauerlicher Anblick. Ich blickte tatsächlich in sowas wie einen Krater. Jedenfalls ging es in der Mitte ganz schön weit runter. Viele grob gezimmerte Brücken und kleinere Plattformen spannten sich darüber, auf denen eine ganze Armee dieser Kerle patrolierte. Es gab auch einige kleinere Gebäude, einfache Holzhütten wie im Dorf, die allerdings allesamt auf den wenigen Felsvorsprüngen standen, die es am Kraterrand gab. Zu einem dieser Gebäude wurden Leon und der Spanier gerade geschleppt. Scheinbar war dieses Tor aber auch der einzige Zugang zu dieser Schlucht. Zumindest konnte ich keinen weiteren Weg erkennen oder irgendein anderes Tor. Zumindest etwas! So konnte Leon wenigstens nicht weggeschleppt werden, ohne, dass ich es mitbekam. Aber was hatten sie mit ihm vor? Und was hatte es mit diesem Spanier auf sich? Die drei Männer verschwanden mit Leon und dem Spanier in der Hütte. Ich sah mich wieder um. Es waren einfach viel zu viele von diesen Typen hier! Ich konnte da jetzt nicht allein rein, ich würde sofort bemerkt. Und allein hatte ich keine Chance! So blieb mir wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten, was da bei der Hütte passierte. Eine ganze Zeit lang tat sich nichts. Ich versuchte mich zwischendurch immer und immer wieder etwas zu bewegen um meine Glieder wieder zu lockern, denn auf dem harten Steinboden war es doch recht unbequem. Zumindest war ich bisher nicht entdeckt worden. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit tat sich an der Hütte wieder etwas, in die Leon gebracht wurde. Die drei Männer kamen wieder heraus. Aber auch noch zwei Männer, die sowas wie eine Mönchskutte trugen und ein Mann in einem langen purpurfarbenen Umhang. Er hatte eine Kapuze auf, die er tief ins Gesicht gezogen hatte, so konnte ich nichts weiter von ihm erkennen. In der Hand hielt er sowas wie einen Nikolausstab. Oder zumindest eine Art Horrorversion davon. Die Spitze bestand aus einem dicken Kubbel, aus dem irgendwelche Tentakeln heraushingen. Die sich auch noch wie genau solche unablässig bewegten. Die Gruppe setzte sich langsam in Bewegung, wobei der Typ in der Purpurfarbenen Kutte vorausging, flankiert von den zwei Mönchen. Die anderen drei hielten respektvollen Abstand. Sie kamen auf das Tor zu. Ich duckte mich wieder vollständig dahinter, schob mich ganz an die Felswand und machte mich möglichst rund. Allerdings versuchte ich auch meine Schrotflinte in eine möglichst schussbereite Position zu bringen. Wenn nur einer der Männer und wenn auch nur durch Zufall nach oben sah, dann würden sie mich wahrscheinlich entdecken. Vor allem dieser Riese... Doch nichts geschah! Sie gingen einfach an meinen Versteck vorbei, niemand bemerkte mich. Jedoch wagte ich es erst nach ca. 5 Minuten mich wieder zu bewegen, als sie nicht nur außer Sichtweite waren, sondern möglichst auch außer Hörweite. Ich hatte keine Lust wieder Bekanntschaft mit diesem Riesen zu machen. Und schon mal erst recht nicht mit diesem Horror-Nikolaus! Ich hatte das ungute Gefühl, dass wir ohnehin mit dem noch Schwierigkeiten bekommen würden. Jetzt musste ich erst einmal Leon da rausholen. Wenn er noch lebte. Aber wie sollte ich da rein kommen? Immer noch patroillierten mindestens 20 von diesen Typen da auf den Stegen im Krater und ich hatte keine Ahnung, wie viele von ihnen sich wohlmöglich noch in den Gebäuden versteckten. Einen anderen Weg rein gab es nicht. Scheiße! Ich weiß nicht wie lange ich da lag und verzweifelt überlegte, wie ich da reinkommen sollte, als ich plötzlich Schüsse hörte. Und im selben Moment wurde die Armee dieser Kerle da im Kessel extrem nervös und riefen wild durcheinander. Ich schaute über den Rand des Tores und sah, wie sie in Richtung Hütte liefen. Ich sah rüber und konnte Leon sehen, der vor der Hütte stand und bereits die ersten von ihnen aufs Korn nahm. Aber er allein hatte auch keine Chance gegen so viele Gegner. Aber nun waren wir zu zweit. Und im Gegensatz zu diesen Freaks hatten wir Schusswaffen. Also los! Ich schwang mich über den Rand des Tores und ließ mich in den Krater fallen. Die Dorfbewohner schienen sich nur auf Leon zu konzentrieren. Sie nahmen gar keine Notiz von mir. Zumindest nicht, bis ich dem ersten von hinten den halben Kopf wegblies. Beinahe gemächlich drehten sich die letzten Nachzügler zu mir um. Einer von ihnen zeigte wieder mit dem Finger auf mich und rief wieder auf Spanisch „ein Fremder!“. Scheinbar so eine Art Codewort. Egal, es tat seine Wirkung. Noch mehr von den Typen, die schon in Leons Richtung liefen änderten ihren Kurs und kamen auf mich zu. Na prima! Zum Glück hatte ich eine durchschlagsstarke Waffe. Ich riss sie wieder in den Anschlag und wartete möglichst, dass viele von ihnen dicht beisammen standen. Und dann schoss ich. Drei der insgesamt sechs Typen hatten entweder gar keinen, oder nur noch halbe Köpfe. Die anderen taumelten jedoch nur kurz mit Schmerzensschreien zurück. Und griffen dann wieder an. Ich stoppte den Angriff jedoch sofort mit einer weiteren Schrotladung und sprang dann über die Leichen hinweg. Ich konnte immer noch Pistolenschüsse hören, also war Leon noch in Aktion. Aber wo war er? Ich blickte zu der Hütte runter, aus der er gekommen war, jedoch konnte ich ihn nicht erkennen. Doch konnte ich sehen, wie einige der Dorfbewohner in die andere Hütte am Kraterrand rannten. Durch eines der Fenster konnte ich dann das Licht von Schüssen sehen und die dazugehörigen Geräusche. Doch ich hatte keine Zeit mich weiter darum zu kümmern, denn hinter mir kam schon die nächste Angriffswelle. Mit zwei weiteren Schüssen erledigte ich auch die und wandte mich dann gerade um, um Leon zu Hilfe zu kommen. Und musste prompt unter den zupankenden Händen von einem Dorfbewohner durchtauchen, der sich schon wieder angeschlichen hatte. Ich fegte ihm dabei mit einem tiefen Karate-Kick die Beine weg und kaum hatte er den Boden erreicht, zerstob sein Kopf in tausend Stücke, als ich eine Schrotladung reinjagte. Doch irgendwie schien irgendwo ein Nest von den Kerlen zu sein, denn es kamen schon wieder fünf oder sechs von ihnen aus mehreren Richtungen auf mich zu. Doch der Weg Richtung Hütte war nun zur Abwechslung einmal frei und so sah ich zu, dass ich schnellstmöglich dorthin kam. Kaum hatte ich die hintere Tür erreicht, als diese aufflog und Leon mir entgegenstolperte. „Katharina!“ stieß er erschrocken aus. „Leon, bist du okay?“ fragte ich. „Soweit ja! Aber jetzt haben wir grade andere Sorgen!“ antwortete er und ließ ein neues Magazin in seine Waffe gleiten. „Wo kommen die nur alle her?“ Kaum hatte er das ausgesprochen flog die Tür hinter ihm wieder auf und abermals kamen mehrere Dorfbewohner herausgestürzt. „Es sind so viele! Und sie kommen von allen Seiten!“ schrie ich über unsere Schüsse hinweg. „Wir müssen irgendwohin, wo wir Rückendeckung haben!“ schrie Leon zurück und sah sich gehetzt um, nachdem wir diese Angriffswelle auch abgewehrt hatten. „Da oben!“ rief er plötzlich und deutete auf einen Vorsprung oben an der Felswand. Ein schmaler Pfad führte dort hoch und es war der einzige Weg. Er hatte Recht, von dort aus konnten wir die Typen schön reihenweise abfertigen. „Also los!“ nickte ich und wir liefen los. Der Weg war zum Glück frei und so rannten wir, ausnahmsweise mal unbehelligt dort hinauf. Es kostete mich jedoch auch viel Überwindung, denn es ging auch einmal über eines der klapprigen Stege. Und so wie ich das aus den Augenwinkeln sehen konnte, ging es da ganz schön in die Tiefe! Dann den Weg am Hang hoch. Fast hatten wir den Vorsprung erreicht, als Leon plötzlich im vollen Lauf stoppte und ich voll in ihn reinrannte. „IN DECKUNG!“ brüllte er plötzlich und stieß mich an die Seite. Im selben Moment landete er auf mir und ich konnte aus den Augenwinkeln noch irgendwas längliches auf uns zufliegen sehen. Im nächsten Moment bebte der Boden und die Felswand unter einer heftigen Explosion und meine Trommelfelle schienen zerreißen zu wollen. Leon, der auf mir gelandet war, sprang auf und eröffnete sofort das Feuer. Betäubt von der Explosion kam ich nur langsam wieder auf die Beine. Leon war schon über zwei kleine Mauern geklettert und beugte sich zu einer leblosen Gestalt herab. Scheinbar der Urheber der Explosion, denn als ich Leon erreichte richtete er sich gerade wieder mit einer Stange in der Hand wieder auf. Einer Dynamitstange, wie ich nun erkennen konnte. Wir kamen jedoch nicht dazu irgendwas zu sagen, denn in diesem Moment kam von unten wieder eine Angriffswelle von Dorfbewohnern. „Katharina, hinter die Mauer!“ rief Leon und ging selbst hinter der ersten in Stellung und begann zu feuern. Die Dynamitstange hatte er achtlos fallen lassen. Die ersten Dorfbewohner gingen zu Boden, doch der Ansturm war dieses Mal so mächtig, ich war mir sicher, dass wir das nicht schaffen. Plötzlich hatte ich eine Idee. Wieso war Leon da eigentlich nicht selbst drauf gekommen? Ich hechtete hinter der Mauer vor, zu der Leiche des Dynamitwerfers und wurde schnell fündig. Das Feuerzeug stammte der Optik nach aus dem letzten Jahrhundert, aber es musste ja wohl noch funktionieren. Gleichzeitig zog ich eine der Dynamitstangen aus dem Hosenbund des Dreckskerls und betete, dass es nun funktionierte. Das Feuerzeug funktionierte sofort und ich setzte die Lunte in Brand. „Leon, Deckung!“ brüllte ich dieses Mal und schleuderte die Stange in Richtung der Bewohner. Die Lunte war recht kurz und brannte schnell runter. Beinahe zu schnell. Leon und ich konnten uns noch gerade fallen lassen, als schon ein berstender Knall den Fels erschütterte und mehrere Dorfbewohner schreiend durch die Luft flogen. Ich sah, wie einige von ihnen in den Abgrund segelten, andere blieben tot oder noch zuckend am Boden liegen. Einige jedoch rafften sich wieder auf. Viele von ihnen waren verletzt, manche sogar schwer. Trotzdem hoben sie wieder ihre Beile, Sensen und was sie sonst noch so hatten und griffen uns wieder an. Doch mit denen wurde Leon sogar ohne Waffe fertig. Dem ersten entriss er einfach seine Mistgabel, verpasste ihm damit einen Hieb, der ihn in den Abgrund beförderte und rammte sie dann dem nächsten in den Schädel. Die letzten zwei flogen nach ein paar festen Tritten und Schlägen ebenfalls in den Abgrund. Nur der letzte mit einem Beil in der Hand bekam noch eine Kugel in den Schädel. Dann wurde es ruhig. Beinahe zu ruhig. Gehetzt sahen wir uns beide um. Es waren jedoch keine weiteren Angreifer mehr zu sehen. Der Krater war menschenleer, außer uns. Leon steckte aufatmend die Pistole wieder in den Halfter. „Klasse Idee mit dem Dynamit, Katharina!“ sagte er dann lächelnd. „Naja, wer weiß wie viel Munition wir hier noch brauchen.“ lächelte ich dann zurück. „Wohlmöglich sind wir hinterher über jede Kugel froh, die wir jetzt sparen können.“ Leons Blick verdüsterte sich. „Ja, das wird wahrscheinlich sogar so sein.“ sagte er dann. „Jetzt aber raus hier.“ Langsam stiegen wir über die ganzen Leichen den Weg wieder nach unten. „Jetzt müssen wir zur Kirche.“ Zur Kirche? Ich blieb stehen und sah ihn verdutzt an. „Was willst du denn jetzt in der Kirche? Etwa gläubig geworden?“ Leon setzte seinen Weg unbeirrt weiter fort. „Luis meinte, dass er gehört hat, dass die Tochter des Präsidenten dort gefangen gehalten wird. Wir müssen sie also finden.“ „Luis?“ fragte ich. „Der Spanier.“ erwiderte Leon knapp. Wir hatten den Steg erreicht, der mitten über den Krater führte. Ich stockte mitten im Schritt. Leon lief ungerührt weiter. Ich jedoch war wie gelähmt. „Katharina!“ konnte ich Leon plötzlich rufen hören. „Los weiter!“ Doch ich rührte mich nicht. Plötzlich musste ich an Südamerika denken. An den Staudamm. Ich meinte wieder die Wärme zu spüren, meinte wieder das Donnern des Wassers zu hören. Und Jack... „Komm schon, Kathy!“ hörte ich seinen Bass. Ich schloss die Augen. „Ich habe Angst, Babe!“ flüsterte ich zu mir selbst. „Du schaffts das, Baby!“ hörte ich ihn wieder. „Einfach nicht runter gucken.“ Beflügelt von meinen Erinnerungen an ihn und seine Stimme setzte ich mich in Bewegung, die Augen starr nach vorn gerichtet. Es war wie damals. Ich erinnerte mich genau. Jacks gewaltigen Körper im Rücken, der mich sanft aber bestimmt über diese Gittertreppe dirigierte und dessen Anwesenheit mir so viel Mut gemacht hatte. Jack Tränen schossen mir in die Augen. „Nicht runter gucken, Baby!“ hörte ich ihn wieder. Die Tränen begannen zu rollen. „Okay, Babe!“ antwortete ich leise. Schließlich schaffte ich es. „Bist du okay?“ hörte ich Leon plötzlich besorgt. Ich sah ihn erst verwirrt an. Bis ich merkte, dass mir immer noch Tränen über die Wangen liefen. „J..ja.Ja, alles gut.“ antwortete ich und wischte mir durchs Gesicht. „Deine Höhenangst, nicht?“ fragte Leon mit einem leichten Lächeln. Ich nickte. „Ja... aber auch...“ Die Tränen wollten wieder kommen. „Du hast an ihn gedacht, nicht?“ fragte Leon, während wir zu dem Tor gingen. „An Krauser.“ Ich nickte, weitere Tränen unterdrückend. „Ich musste an den Staudamm denken. Damals in Südamerika.“ Leon legte mir den Arm um die Schultern. „Weißt du, was Manuela in dem Hubschrauber damals zu Krauser gesagt hat, als wir dich zurück ließen?“ fragte er mich dann. „Sie ist immer bei dir. Menschen, die einen geliebt haben, verlassen einen nie ganz.“ Ich sah ihn mit rot unterlaufenden Augen an. Er drückte sanft meine Schulter. „Ich glaube, sie hatte recht.“ Ich schniefte noch einmal und wischte mir ein letztes Mal die Tränen aus dem Gesicht. „Was ist eigentlich aus Manuela geworden?“ fragte ich dann. Ich wollte das Thema wechseln. Die Gedanken an Jack schmerzten einfach zu sehr. „Sie ist in die Obhut der Regierung gekommen. Bisher gibt es keine Meldung, dass sie sich irgendwie verändert hätte. Scheinbar hatte Javier damals recht, was ihre Behandlung anging.“ antwortete Leon, scheinbar auch froh über was anderes zu sprechen. Wir hatten das Tor inzwischen erreicht. „Wird sie je wieder ein eigenes freies Leben führen können?“ fragte ich ihn. „Keine Ahnung. Ich fürchte eher nicht. Denn sie trägt den Virus nach wie vor in sich.“ Nachdenklich senkte ich den Blick. „Was denkst du, tragen die hier in sich?“ fragte ich schließlich und deutete mit dem Kopf in Richtung Krater. „Keine Ahnung. Wirklich nicht.“ antwortete Leon. Er rüttelte an dem Tor, doch vergeblich. Es war verschlossen. Also saßen wir in der Falle, so wie es aussah. Kapitel 10: Vom selben Blut? ---------------------------- „Na super!“ meinte Leon und begann sich umzusehen. „Wir sitzen wohl in der Falle.“ Ich sah mich um. Irgendwie glaubte ich nicht, dass dies der einzige Weg in diesen Krater war. Es musste noch einen zweiten Zugang geben, denn wenn auch zu Beginn viele von diesen Freaks hier drin gewesen waren, so waren es doch nicht so viele gewesen wie uns letztendlich angegriffen hatten. Plötzlich fiel mein Blick auf ein Tor, ein Stück weiter oben. „Leon!“ sagte ich und deutete darauf. Sein Blick folgte meiner Geste. „Ein Versuch ist es wert.“ meinte er und lief darauf zu. Doch auch dieses Tor war verriegelt. Allerdings war es nicht so groß wie das andere. „Leon, hilf mir hoch.“ sagte ich und machte eine auffordernde Geste. Er verstand sofort und machte eine Räuberleiter. Ich trat in seine Handfläche und er hiefte mich hoch, so dass ich über das Tor sehen konnte. Hinter dem Tor schlängelte sich ein schmaler Pfad durch die Felsen. Wohin konnte ich jedoch nicht erkennen. Dann sah ich mir das Tor näher an. Es war tatsächlich von der anderen Seite versperrt, mit einem einfachen Holzriegel. „Alles klar, ich kriege es von der anderen Seite auf!“ rief ich und zog mich über die Torkante. Schnell entriegelte ich das Tor und wir folgten dem Pfad durch die Felsen. Nach nur wenigen Metern fanden die Felswände ein Ende und der Weg schlängelte sich eine Anhöhe hoch zu einem Haus. Bei dem konnte man zumindest mal von einem Haus sprechen, denn dieses bestand aus Stein und war wesentlich ordentlicher und sauberer gebaut als die Hütten in dem Dorf. Es war auch deutlich größer, zumindest schien es so. Langsam bewegten wir uns darauf zu. Doch es war alles ruhig. Nirgendwo war einer dieser Freaks zu sehen. Schließlich erreichten wir das Haus und gingen einen aus Holz gezimmerten Aufgang rauf. Scheinbar so eine Art Hintereingang. Nicht sehr einladend. Und stoppten vor einer Tür. Die natürlich, wie sollte es anders sein, verschlossen war. Ein Schlüsselloch gab es seltsamerweise nicht. Dafür war eine merkwürdige grüne Kugel in die Tür eingelassen. Irgendwas war in ihr eingeschlossen. Beinahe wie ein Insekt in einem grünen Berstein. „Was soll denn das bitte sein?“ fragte Leon mehr zu sich selbst. „Keine Ahnung.“ antwortete ich dennoch. „Vielleicht ist sie nur von drinnen zu öffnen.“ Ich betrachtete die merkwürdige grüne Kugel und versuchte zu erkennen, was darin war. Irgendwas musste es sich ja mit dem Ding auf sich haben, zum Spaß oder zur Deko war es bestimmt nicht da. Vorsichtig legte ich meine Hand daran und zuckte zusammen, als ich merkte, dass sich das Ding bewegen lies. „Merkwürdig.“ murmelte Leon und betrachtete nun seinerseits die Kugel genauer.„Was ist denn da drin?“ „Sieht fast wie ein riesiges Insekt aus.“ meinte ich dann, während ich dann vorsichtig weiter an der Kugel drehte. Sie ließ sich ganz leicht drehen, ohne jeden Widerstand. Das Ding im Inneren war nun, da es scheinbar aufrecht stand deutlicher zu erkennen. Es sah wirklich wie ein groteskes Insekt aus. Irgendwie, wie ein Wurm mit vier Beinen oder Tentakeln oder sowas. Ich drehte die Kugel seitlich und nun sah es eher aus wie ein Wurm, der nur am oberen Ende Arme oder Tentakeln hatte. Es lies sich schwer beschreiben. Aber irgendwie kam es mir auch bekannt vor. Ich war mir sogar sicher das schon einmal gesehen zu haben. Doch ich kam nicht dazu mich weiter darüber zu wundern, denn in diesem Moment klackte die Tür und glitt beiseite. „Komische Art ne Tür abzuschließen.“ meinte ich. Leon sprang in den Raum, die Waffe im Anschlag und schwenkte sie hin und her. Es schien jedoch niemand da zu sein. Wir betraten eine Art Schlafzimmer. Ein relativ sauberes Bett stand in der Mitte des Raumes und die Wände waren gesäumt mit Regalen und Schränken. Gleichzeitig schien es aber auch eine Art Bibliothek zu sein, denn in den Regalen standen unheimlich viele Bücher. Allerdings schien es ansonsten in diesem Raum auch nichts zu geben, was für uns von Interesse wäre. Auf der anderen Seite des Raumes gab es eine weitere Tür, die wenigstens wohl ganz konventionell mit einer Klinke zu öffnen war. Wir traten näher und konnten Stimmen hören. Es war also doch jemand in dem Haus, zwei Männer. Zumindest klang es so. Sie sprachen spanisch und ich versuchte verzweifelt ein paar Worte zu verstehen. Ich verstand nicht viel, aber es vielen Wörter wie „etwas Mächtiges“ und „Meister“ und „Welt...herrschen“? Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Leon dazu ansetzte etwas zu sagen. Aber er kam nicht dazu. Denn gleichzeitig sah ich auch die riesige Gestalt, die plötzlich hinter uns stand und noch ehe ich Leon warnen konnte, pfefferte sie mir die Hand ins Gesicht, so dass ich gegen die nächste Wand flog und benommen liegen blieb. Ich konnte hören, wie Leon ebenfalls ein schmerzhaftes Keuchen von sich gab und plötzlich Würgelaute. Ich versuchte die Benommenheit niederzukämpfen und richtete mich auf. Die riesige Gestalt war niemand anderes als dieser riesige Wahnsinn-Nikolaus, der Leon unten in der Hütte bewusstlos geschlagen hatte. Er hatte Leon am Hals gepackt und ließ ihn etwa ein Meter über dem Boden in der Luft schweben. Dabei fixierte er ihn böse. „Leon!“ keuchte ich und versuchte mich aufzurappeln. Doch in diesem Moment schleuderte der Riese Leon ebenfalls gegen die Wand. „Sieht so aus, als wenn du von unserem Blut wärest.“ knurrte der Riese dann auf Englisch. Dann schwenkte sein Blick zu mir rum. „Nichtsdestotrotz seit ihr zwei Fremde!“ Dann hob er drohend den Finger und schwenkte ihn zwischen uns hin und her. „Lasst euch das nur eine Warnung sein! Wenn ihr uns in die Quere kommt, dann habt ihr die Konsequenzen zu tragen!“ Dann wandte er sich um und ging durch die Tür zurück in das Schlafzimmer. Schließlich kamen wir wieder auf die Beine. „Was?“ keuchte Leon dann. „Selbes Blut?“ „Was war dass denn für ne Ansprache?“ fragte auch ich. „Keine Ahnung.“ meinte Leon, hob seine Pistole und ging wieder auf die Tür zu. „Das werde ich ihn jetzt mal genauer fragen.“ Mit diesen Worten betrat er das Schlafzimmer erneut. Keine gute Idee, wie er schnell feststellen musste, denn scheinbar war der Riese nun doch ziemlich genervt. Ich konnte lautes Poltern hören und ein schmerzerfülltes Keuchen von Leon. Immer noch benommen von dem Schlag des Riesen wankte ich zur Tür. Leon lag am Boden und der Riese hatte einen von seinen gewaltigen Füßen auf seine Brust gestellt. Mit dem er nun scheinbar unbarmherzig zudrückte. „Lass ihn los!“ schrie ich und riss die Schrotflinte in den Anschlag. Doch ich kam gar nicht dazu zu schießen. Denn in diesem Moment erklangen zwei Pistolenschüsse und ich sah, wie aus dem schweren Ledermantel des Riesen Fetzen und Blutspritzer aufflogen. Doch wirklich zu stören schien ihn das irgendwie nicht. Jeder andere hätte nun am Boden gelegen. Doch er drehte sich nur betont langsam um – ich schien ihn gar nicht zu interessieren – und wandte sich dem einzigen Fenster zu, von dem die Schüsse auch gekommen waren. Die Scheiben waren an mehreren Stellen geborsten und somit durchzogen von Rissen. Nur verschwommen konnte man dahinter eine schlanke Gestalt in einem roten langen Kleid erkennen. Eine Frau? Doch noch ehe ich dazu kam mich wirklich zu wundern schoß der Horror-Nikolaus auf das Fenster zu und einfach hindurch. Nur einen Sekundenbruchtei, zuvor war die Frau nach oben verschwunden. „Was zum Teufel war denn das?“ fragte ich schließlich schleppend. „Oder wer war das?“ „Ich weiß es nicht, aber glücklicherweise war er oder vielmehr sie da.“ keuchte Leon und arbeitete sich wieder auf die Beine. „Reizend.“ knurrte ich ihn an. „Ich hätte dir auch schon geholfen.“ Leon sah mich nur mit einem schiefen Grinsen an. Zumindest schien ihn dieser unheimliche Riese nicht verletzt zu haben. Ich sah wieder zu dem Fenster. „Was ist das nur für ein Freak?“ fragte ich dann leise. „Luis nannte ihn das „hohe Tier“.“ meinte Leon gedankenverloren. Da brachte er mich direkt auf das nächste Thema. „Wer ist dieser Spanier eigentlich?“ fragte ich ihn. „Und wo ist er überhaupt?“ Leon zuckte mit den Achseln. „Er behauptet mal ein Polizist in Madrid gewesen zu sein und jetzt nur noch ein Rumtreiber.“ sagte er dann. „Er ist abgehauen, als wir uns befreit haben.“ „Und das glaubst du ihm? Also wie ein Polizist hat der bestimmt nicht ausgesehen. Und was bitte sollte ein Rumtreiber hier machen? Da gäbe es bestimmt schönere Orte für.“ meinte ich dann trocken. Leon sah mich wieder grinsend an und schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube ihm nicht. Ich bin mir sicher, dass er hier irgendwie drinhängt. Aber wie...ich weiß es nicht.“ Wir gingen durch die Holztür zurück in den Flur. „In jedem Falle scheint er aber eher auf unserer Seite zu sein. Zumindest ist er nicht unser Feind.“ setzte er noch nach. „Na immerhin etwas.“ murmelte ich. „Freunde haben wir hier ja nicht unbedingt viele.“ Wir gingen durch einen kurzen Korridor, der an einer Holztreppe, die nach unten führte endete. Es war nichts mehr von unten zu hören. Die Stimmen von vorhin waren verstummt. Was nicht heißen musste, dass nicht doch jemand da unten war. Entsprechend vorsichtig schlichen wir runter. Wir kamen in ein großes Esszimmer, in dem eine lange Tafel stand mit mehreren Stühlen. Der Tisch war zwar gedeckt, Essen war allerdings nicht zu sehen. Doch alles war viel sauberer und ordentlicher, als in dem Dorf. Wahrscheinlich war dieser Horror-Nikolaus der Besitzer des Hauses und so eine Art...Bürgermeister. Wir beschlossen uns nicht länger als unnötig hier aufzuhalten und verließen das Haus wieder durch eine Tür unten im Esszimmer. Ein kurzer Weg runter führte zu einem großen Tor, welches uns wiederum ins Dorf zurück brachte. „Und was jetzt?“ fragte ich. „Wir müssen diese Kirche finden.“ meinte Leon. „Luis hat behauptet, er hätte einen von diesen Typen was davon erzählen hören, dass Ashley dort gefangen gehalten wird.“ Er steuerte das kirchenähnliche Gebäude im Zentrum des Dorfes an. Als wir hier gegen die Dorfbewohner gekämpft hatten, waren sie alle dadurch verschwunden. Als Kirchenglocken läuteten. Vielleicht war das ja der Weg dorthin. Leon öffnete vorsichtig die Tür. Doch es war niemand da. Scheinbar war das wirklich nur so eine Art Durchgang. Jedenfalls war die Einrichtung nur sehr spärlich und die Tür auf der anderen Seite des Raumes schien auch wieder ins Freie zu führen. Leon durchquerte den Raum schnell und öffnete dann ebenfalls sehr vorsichtig die andere Tür. Dahinter lag ein schmaler Weg, der eine Anhöhe hochführte. Wortlos verließen wir den Raum und folgten dem Weg. Nach vielleicht 100 Metern erreichten wir tatsächlich einen kleinen Friedhof. Genau wie das ganze Dorf, so sah auch er sehr schäbig aus. Auf Grabpflege schienen die Typen zumindest auch nicht den meisten Wert zu legen. Blumen oder dergleichen suchte man vergeblich, viele der Grabsteine waren unleserlich und schon schief und verwittert. Aber das war auch zweitrangig. Viel wichtiger war, dass wir oben auf der Hügelkuppe die Kirche erkennen konnten. „Endlich!“ rief Leon und eilte den Hang hoch. Ich versuchte mit ihm Schritt zu halten. An der Kirche angekommen rüttelte Leon an der Tür. Vergeblich. „Mmph! Normalerweise steht das Haus Gottes doch jedem offen, oder nicht?“ meinte ich dann etwas frustriert. „Bei deren Gott wohl eher nicht.“ meinte Leon dann genauso frustriert zurück und sah sich ratlos um. Ich betrachtete die Tür. In das Holz war etwas eingeätzt worden. Genau das gleiche Zeichen, wie in der grünen Glaskugel an der einen Tür. „Leon, siehst du dieses Zeichen?“ fragte ich und deutete darauf. „Genau dasselbe wie in dieser Glaskugel in der Tür.“ Er betrachtete das Zeichen und nickte dann. „Ja, sieht so aus.“ „Was soll das eigentlich bedeuten?“ fragte ich dann. „Es scheint ja ne ziemliche Bedeutung zu haben für diese Typen.“ „Vielleicht so eine Art...Sekte.“ antwortete Leon langsam. „Zumindest wäre das eine mögliche Erklärung für einiges.“ „Glaubst du, die drehen deswegen so durch weil die ne Sektengehirnwäsche gekriegt haben?“ fragte ich ihn. Für mich klang das doch etwas sehr weit hergeholt. „Möglich wäre es.“ Leon wirkte ratlos. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Das alles hier ergab einfach irgendwie keinen Sinn. Plötzlich musste ich wieder an diese Ansprache von dem „Bürgermeister“ denken. Was hatte er gesagt? Vom selben Blut? „Was hat dieser Riese in dem Haus noch gesagt? Du wärst vom selben Blut wie die?“ fragte ich Leon dann. Er sah mich erst verwirrt an, aber dann schien auch er sich zu erinnern. „Ja, irgendwie sowas.“ „Was könnte er damit gemeint haben?“ fragte ich weiter. „Tja,...wenn ich das wüsste.“ sagte Leon nur. Fragen über Fragen. Aber die wichtigste war wohl, wie kommen wir in diese Kirche rein. Kapitel 11: Blut und Wasser --------------------------- Einige Minuten standen wir unschlüssig da, nicht wissend was wir nun machen sollten. Aber davon öffnete sich die Tür auch nicht. Also beschlossen wir uns erst einmal noch weiter in der Gegend umzusehen. Seitlich der Kirche führte ein Weg über Holzstege an der Klippe entlang zu einer Holzkonstruktion. Vielleicht 200 m. Für mich hätten es aber auch 200 km sein können, gefühlt. Großer Gott, wieso mussten die hier an jeder Stelle solche Stege über irgendwelche Abgründe basteln? Konnten die nicht, wie normale Menschen einfach an Land bleiben? Vor allem auch noch Konstruktionen, bei denen man bei jedem Schritt befürchten musste mit dem ganzen Mist abzustürzen. Ich glaube ich überlebte den Weg über die Dinger nur, weil ich die ganze Zeit wieder an Jack dachte. Vor der Holztür dann machte Leon mit dem einfachen Schloss kurzen Prozess. Eine Pistolenkugel und die Nummer war gelaufen. Hinter der Tür lag eine gewaltige Holzkonstruktion. Bestehend aus hohen Pallisadenzäunen an den Stellen, an denen keine hohen Steinwände waren. Drei kleine Holzhütten standen am Rand. Zu beiden Seiten gab es zwei riesige Holztore, ebenfalls bestehend aus Holzphälen. Beide waren oben. Ein ungutes Gefühl befiel mich. Irgendwie sah das aus wie...wie eine Arena? „Leon...“ sagte ich langsam. Und zuckte heftig zusammen, als ein merkwürdiges lautes Knurren erklang. Ein Knurren, dessen Verursacher geschätzte 20 Meter hoch sein musste. Etwas, was auch Leon nicht entging, denn er zuckte ebenfalls heftig zusammen und sah sich erschrocken um. „Scheiße! Was war das?“ fragte ich heftig und sah mich überall um. „Keine Ahnung!“ antwortete Leon und sah sich nicht weniger erschrocken um. Aber was auch immer da so geknurrt hatte, es war nirgends zu sehen. „Es scheint aber nicht hier zu sein.“ meinte er dann schließlich. „Zumindest nicht so nahe, dass es uns gefährlich werden kann. Komm weiter.“ Langsam bewegten wir uns auf die andere Seite der „Arena“ zu. Mir fiel einfach keine bessere Bezeichnung dafür ein. Die ganze Zeit hatte ich vor allem immer irgendwie die Angst im Nacken, dass diese beiden Tore sich plötzlich schlossen und wir in der Falle saßen. Aber wir erreichten die andere Seite tatsächlich unbehelligt und verließen die Arena. Wir sprachen nicht weiter darüber, aber ich spürte, dass Leon ein genauso mulmiges Gefühl hatte wie ich. Was auch immer da dieses Knurren von sich gegeben hatte, wir würden es wohl irgendwann antreffen. Nun folgten wir allerdings zunächst dem Weg, der von der Arena wegführte zwischen schroffen Felsen hindurch. Er führte nach etwa 200 Metern zu einem Seeufer. Ein kleiner Steg reichte ins Wasser mit einem einzelnen kleinen Ruderboot, was an einem der Pfosten festgemacht war. Ansonsten gab es hier scheinbar keinen anderen Weg. „Und jetzt?“ fragte ich. Leon sah durch sein Fernglas und musterte die anderen Seiten des Sees. Er war nicht sonderlich groß aber dennoch war schwer zu erkennen, was an den anderen Seiten war. „Dort drüben ist eine Hütte.“ meinte er schließlich und deutete auf die andere Seite des Sees. Ich konnte natürlich kaum etwas erkennen. Aber wir hatten ja wohl kaum eine andere Möglichkeit. Ich steuerte ohne ein weiteres Wort das Boot an und kletterte hinein. Er folgte mir und warf den Bordmotor an. Zunächst langsam, dann aber immer schneller werdend fuhren wir auf den See hinaus. Je näher wir der Stelle kamen, an der Leon eine Hütte gesehen haben wollte, desto mehr keimte wieder ein ungutes Gefühl in mir auf. Auch dieses Mal konnte ich nicht erklären, weshalb, aber ich spürte einfach sofort wieder, das etwas nicht stimmte. Plötzlich meinte ich unter unserem Boot etwas gesehen zu haben. Etwas verflucht großes! Ein riesiger Schatten, der erst genau unter unserem Boot herschwamm und dann aber wieder in der Tiefe verschwand. Wie ein gewaltiger Fisch oder... „Leon...“ setzte ich gerade an, als plötzlich etwas mit gewaltiger Wucht unser Boot von unten traf und es einige Meter in die Höhe schleuderte. Mit einem Schreckensschrei klammerte ich mich an den Bootsrand und konnte Leon hinter mir erschrocken aufkeuchen hören. Zum Glück drehte sich das Boot nicht und landete wieder mit dem Kiel im Wasser. Lediglich der kleine Anker, der am Bug gelegen hatte wurde ins Wasser geschleudert. „Scheiße! Was war das?“ kreischte ich panisch. Zu einer Antwort hatte Leon jedoch keine Zeit, denn schon im nächsten Moment spannte sich das Seil, dass an dem Anker befestigt war und das Boot tat einen gewaltigen Satz nach vorn. Leon und ich wurden auf den Rücken geschleudert. „Shit!“ stieß Leon aus und versuchte sich wieder hochzukämpfen. Ich zog mich an der Reling hoch und blickte nach vorn. Was auch immer unter dem Boot geschwommen und es hochgeschleudert hatte, es schwamm jetzt vor uns. Und es war riesig! Ich konnte nicht sagen was es war. Am ehesten kam es wohl einem riesigen Krokodil gleich, wenn seine Haut auch irgendwie anders war und auch der Körper viel breiter. Ganz gleich, was es war, der Anker schien sich irgendwie an dem Vieh verfangen zu haben. Es hatte uns im Schlepptau und konnte uns jederzeit in die Tiefe reißen, oder zum kentern bringen. Leon, der sich mittlerweile auch zu dieser Erkenntnis durchgerungen hatte war zu mir rübergekrochen und packte plötzlich irgendwas, was am Boden des Bootes lag. „Katharina! Schnell, nimm du auch eine!“ rief er und erst jetzt erkannte ich, dass er eine Art kurze Harpune hielt. An der einen Seite des Bootes lag eine ganze Reihe davon. Ohne Nachzudenken nahm ich ebenfalls eine und wir nahmen das Ding aufs Korn. Allerdings gab ich es schon nach der zweiten auf. Leon war mit den Dingern nicht nur wesentlich treffsicherer, seine hatten auch deutlich mehr Kraft. Und so nahm ich meine Schrotflinte zur Hand, die zum Glück nicht über Bord gegangen war und schoss meinerseits auf das Vieh. Meine Schrotladungen schienen auch deutlich effektiver zu sein, denn das Biest bäumte sich einmal heftig auf und tauchte dann plötzlich ab. Ich japste erschrocken, sah ich uns doch schon in der Tiefe verschwinden. Aber plötzlich stand das Boot und das Seil, an dem der Anker hing war locker. Das Ding war weg. Einige Sekunden regte sich nichts. Leon sah sich gehetzt um, genau wie ich. „Wo ist es hin?“ fragte ich. „Ist es tot?“ „Glaub ich nicht!“ sagte Leon nur knapp und sah sich weiter gehetzt um. Plötzlich, wie um seine Worte zu bestätigen hörte man entferntes Wassergeplatsche und wir fuhren herum. Und sahen einen gewaltigen braunen Berg, der rasend schnell näher kam. Dann sperrte es sein Maul auf. Unter den Wellen, die das Ding verursachte, konnte ich sowas wie Tentakeln aus seinem Maul rauszüngeln sehen, was übrigens gar nichts mit einem Krokodilmaul gemein hatte. Es war eher kurz und breit. Aber auch bestückt mit vielen scharfen Zähnen! Ich dachte nicht weiter nach sondern feuerte nur darauf. Genau wie Leon, der eine Harpune genau in den Schlund schleuderte. Und dann scheinbar diesen grotesken Kampf endlich beendete. Es schloss sein Maul, verlangsamte sich und bäumte sich dann kurz vor unserem Boot noch einmal mit einem fürchterlichen Gebrüll auf und versank dann im Wasser. Nicht ohne noch einmal eine Bugwelle zu erzeugen, die uns beinahe kentern ließ und Leon und mich wieder von den Füßen fegte. Heftig atment richteten wir uns beide wieder auf und sahen dem Vieh nach, was immer tiefer versank. Verflucht, was war das gewesen? Es hatte beinahe ausgesehen wie diese riesigen Molche in Asien, die selbst Menschen gefährlich werden konnten. Die Viecher wurden groß, aber so groß wurden die bestimmt normalerweise nicht. Plötzlich schrie Leon hinter mir auf und ich wirbelte erschrocken herum. Er saß hinter mir auf dem Hosenboden mit schmerzverzehrtem Gesicht. Erst begriff ich nicht was los war, bis ich auf sein rechtes Bein sah. Leon musste sich irgendwie in dem Seil des Ankers verfangen haben. Jedenfalls war es um sein Bein geschlungen und schnitt nun darin ein. Ohne nachzudenken sprintete ich zu ihm, packte ich das Messer, dass er an einem Schulterholster bei sich trug und begann das Seil mit kräftigen Hieben zu bearbeiten. Bis es endlich riss. Mit einem erleichterten Keuchen sank Leon zurück und blieb mit geschlossenen Augen liegen. „Danke.“ keuchte er nach ein paar Minuten schließlich schwach. „Kein Thema.“ antwortete ich und versuchte locker dabei zu klingen. Doch Leon griff diese Lockerheit nicht auf. Stattdessen packte er schwach die Reling und zog sich mit einem schmerzverzerrten Gesicht daran in eine halbwegs sitzende Position. „Katharina, steuer du das Boot.“ keuchte er dann und hielt sich seine Brust. „Irgendwie ist mir...“ Besorgt kroch ich zu ihm rüber. „Bist du verletzt?“ fragte ich ängstlich. „Ich...ich weiß nicht. Irgendwie ist mir...“ flüsterte er gepresst. „Oh verflucht!“ dachte ich. „Das hatte jetzt noch gefehlt!“ Aber ich sagte nichts weiter und setzte mich nur an den Motor. Dieser hatte den Kampf mit dem Monster scheinbar unbeschadet überstanden zum Glück, denn er sprang sofort an und ich steuerte die Hütte an, die man nun deutlich erkennen konnte am anderen Ufer. Dort angekommen musste ich Leon nicht nur aus dem Boot ziehen, sondern ihn auch noch stützen. Schwach taumelte er neben mir her, sich immer noch die Brust haltend. „Gott, Leon, was ist denn nur los?“ fragte ich wieder beinahe panisch. Denn ich konnte keine Verletzung äußerlich bei ihm erkennen. Hatte er sich die Rippen geprellt? Oder innere Verletzungen? „Ich...weiß nicht...meine Brust...“keuchte er nur gepresst. Ich schleppte ihn zu der Hütte. Zumindest war er da vielleicht erst einmal sicher und ich könnte mit seinem Funkgerät vielleicht Hilfe rufen. Kurz vor der Hütte wurde Leon plötzlich von einem Hustenkrampf geschüttelt. Und hustete Blut in seine Hand! „Oh Gott!“ stieß ich heftig aus und zerrte ihn noch schneller zur Hütte. Ich stieß die Tür auf und bekam ihn noch gerade zu dem schmutzigen Bett, was kurz dahinter stand, als Leon auch schon schwach zusammenbrach und sich nicht mehr rührte. „Leon!“ rief ich und rüttelte immer wieder an ihm. Doch er rührte sich nicht. Er hatte scheinbar das Bewusstsein verloren. Nicht wissend, was ich noch tun konnte, betastete ich seinen Brustkorb. Konnte man gebrochene Rippen so ohne weiteres ertasten? Aber selbst wenn, was könnte ich dann schon tun? Wenn er tatsächlich eine oder mehrere gebrochene Rippen hatte die seine Lunge verletzt hätten, so bräuchte er so schnell es ging einen Arzt! Ich packte das Funkgerät an seinem Gürtel und versuchte es irgendwie zum laufen zu kriegen. Aber es wollte einfach nicht funktionieren. Vielleicht war es nass geworden. „Scheiße!“ schrie ich panisch. Was sollte ich nur tun? Schließlich setzte ich mich neben Leon auf die Bettkante und beobachtete ihn. Immer wieder tastete ich nach seinem Puls und kontrollierte seinen Atem. Beides blieb jedoch scheinbar konstant. Nur was sollte jetzt werden? Würde er wieder aufwachen? Und wenn ja, wann? Und würde ich dieses Scheiß Funkgerät wieder zum Laufen kriegen können? Verdammt, das hier war ein Scheiß Tripp! Nichts war so wie damals in Südamerika! Kapitel 12: In der Arena ------------------------ Ich kann nicht sagen, wie lange wir in der Hütte waren. Ich verbrachte bestimmt eine Stunde damit Leon zu beobachten, der jedoch weiterhin stabil atmete, jedoch nicht zu Bewusstsein kam. Schließlich bemerkte ich auch bei mir selbst, dass die Müdigkeit immer mehr zunahm und ich kaum noch die Augen aufhalten konnte. Kein Wunder bei dem was wir in den letzten Stunden erlebt und durchgemacht hatten. Da ich Leon nicht wach bekam, sein Zustand sich aber scheinbar auch nicht verschlechterte, beschloss ich mich ebenfalls etwas auszuruhen. Ich legte mich auf die kleine Couch, die auf der anderen Raumseite stand und schloss die Augen. Die Hütte schien zumindest ab und an noch genutzt zu werden, denn scheinbar war es nicht lang her, dass hier jemand gelegen hatte. Sie war nicht verstaubt und roch nicht muffig. Ich rollte mich auf die Seite kuschelte meinen Kopf in das Kissen. Von ihnen ging ein leichter Geruch aus. Nur ganz fein, kaum wahrnehmbar. Ich weiß nicht warum, aber es roch irgendwie wie er…Jack. Während ich in den Schlaf hinüber dämmerte und meine Nase noch tiefer in das Kissen drückte erschien sein Gesicht vor mir. Er lächelte mich verliebt an. Ich lächelte ebenfalls. „Jack...“ hauchte ich leise und driftete ab. Ich schreckte hoch, als ich ein Piepsen und Rauschen hörte. Und dann Leons Stimme. „Leon hier.“ „Leon! Was war los? Ich habe dich sechs Stunden nicht erreichen können.“ konnte ich dann die Stimme von Hunnigan hören. „Ich war bewusstlos, ich weiß nicht was passiert ist.“ antwortete Leon. „Bewusstlos? Weshalb? Ist bei dir alles in Ordnung?“ fragte Hunnigan nach. „Ja, ich bin okay. Denke ich.“ sagte Leon schleppend. Ich wollte gerade ansetzen zu sagen, dass irgendwas bei ihm scheinbar ganz und gar nicht okay war, aber da antwortete Hunnigan schon. „Nun gut! Hast du etwas neues wegen der Zielperson erfahren können?“ „Ja. Sie wird wohl in einer Kirche festgehalten. Wir haben diese auch gefunden, konnten aber nicht rein. Aber wir finden schon einen Weg.“ antwortete Leon. „In Ordnung. Melde dich, sobald es etwas neues gibt.“ sagte Hunnigan noch und kappte die Verbindung. Leon steckte das Funkgerät wieder ein. Scheinbar war es nun wieder trocken und funktionstüchtig. „Alles in Ordnung mit dir?!“ stieß ich nun aus. „Leon, bei dir ist gar nichts in Ordnung! Du hast vorhin Blut gehustet und bist zusammengebrochen!“ Ich ging heftig auf ihn zu. „Du hättest ihr was sagen müssen!“ fuhr ich heftig fort. „Wer weiß, vielleicht hast du irgendwelche inneren Verletzungen!“ „Nein. Dann würde es mir nicht wieder gut gehen. Und außerdem müssen wir Ashley hier herausholen.“ erwiderte er nur ungerührt. „Aber Leon...“ setzte ich wieder an, doch er unterbrach mich ruhig, aber bestimmt. „Kein „aber“, Katharina! Was auch immer das vorhin war, es ist vorbei und ich fühle mich wieder gut. Wir müssen zur Kirche. Es muss einen Weg da reingeben. Wir müssen Ashley finden und hier wegbringen.“ Ich wusste, dass es keinen Sinn machte weiter auf Leon einzudringen. So war es ja auch schon in Südamerika. Wenn Leon auf einer Mission war, dann nahm er auf sich nur wenig Rücksicht. Erst recht wenn es galt, jemanden zu beschützen. Ich schüttelte resignierend den Kopf und gerade wollten wir ansetzen die Hütte zu verlassen, als mein Blick noch einmal auf den Tisch in der Mitte des Raumes fiel. Und da lag etwas, was vorher definitiv nicht dort lag. Ein Brief und ein schwerer Bronzeschlüssel. „Leon, sieh mal!“ sagte ich und ging darauf zu. „Wo kommt das her?“ Ich betrachtete den Schlüssel. Er hatte wieder diese merkwürdige Form, wie das Symbol an der Tür. Das konnte nun wirklich kein Zufall mehr sein. Irgendwas hatte es damit auf sich. „War jemand hier?“ fragte Leon neben mir und nahm den Brief zur Hand. „Keine Ahnung. Hab nichts mitbekommen.“ antwortete ich und sah ebenfalls auf das Schriftstück. Es war mit einer feinen, geschwungenen Handschrift beschrieben. Definitiv von Frauenhand. Mit dem Schlüssel kommst du in die Kirche. Aber pass auf, auf dem Weg zurück lauert ein „El Gigante“. Und was in deinem Körper passiert...ich wünschte ich könnte dir helfen, aber ich bin machtlos. Leon und ich sahen uns verwirrt an. „Ein El Gigante?“ murmelte Leon. „Was meint sie mit „was in deinem Körper vorgeht“?“ Eine wesentlich interessante Frage. Hatte es was mit seinem Anfall zu tun? War er mit dem selben Mist infiziert, was diese Freaks hier hatten? Den Gedanken wollte ich gar nicht zu Ende denken. „Ich weiß nicht. Aber wir werden es nicht herausfinden, wenn wir hier bleiben.“ Da hatte er wohl recht. Und dennoch hatte ich eine Scheiß Angst. Was würde mit Leon passieren? Würde er genauso ein durchgeknallter Freak werden? Wir verließen die Hütte endgültig und liefen den Weg zurück, den wir gekommen waren. Es hatte angefangen zu regnen und vor allem war es scheinbar mittlerweile Nacht. Denn Leon musste seine Lampe an seinem Holster anmachen, so dass wir überhaupt etwas sahen. Sehr weit kamen wir nicht. Auf der Hälfte des Weges zwischen den Felsen versperrten uns mal wieder ein paar der Dorfbewohner den Weg. „Oh, Mann, wieviele von denen gab es denn noch?“ fragte ich mich, während Leon seine Pistole zog und auf den vordersten zielte. Dieser begann trotz der Waffe auf Leon zuzugehen, wie ferngesteuert. Ich lud meine Waffe durch und legte ebenfalls an. Ließ die Waffe aber im nächsten Moment sinken. Irgendwas begann mit dem Mann zu passieren. Er lief weiter, wie ferngesteuert. Aber obenrum begann er sich wie in Schmerzen zu winden. Er sagte nichts, keinen Ton. Aber er zuckte und warf die Arme rum, wie unter heftigen Krämpfen. Und plötzlich, nur wenige Meter von uns entfernt, barst sein Kopf in tausend Stücke. Ich konnte einen leisen Schreckensschrei nicht unterdrücken, denn was nun anstelle seines Kopfes erschien war einfach nur eine Ausgeburt der Hölle. Ein undefinierbares fleischiges Ding, dass wild zuckte und pulsierte und viele Fangarme, die daraus hervor peitschten und in unsere Richtung zuckten. Leon, der ebenfalls zuerst zurückgewichen war, überwand seinen Schreck zuerst. Und schoß sofort eine ganze Salve gegen dieses...Ding ab. Der Mann, oder das was von ihm übrig war torkelte zurück und ein grelles Zischen erklang. Doch das Ding war hartnäckig. Und vor allem war es scheinbar nun sauer, denn plötzlich schoß ein weiterer Fangarm aus der zuckenden Masse. Aber der war bedeutend länger und sein Ende bildete sowas wie eine sichelförmige Klinge. Die sofort in unsere Richtung zuckte. Ich sprang zurück, aber Leon konnte nur schnell in die Knie gehen, bevor ihn das Ding aufschlitzte. Aus der Hocke heraus feuerte er noch weitere zwei Schüsse ab. Und diese wirkten endlich. Mit einem lauten Platschen zerplatzte das Ding, wobei es einen grellen Schrei ausstieß, der jedoch nichts menschliches hatte. Der Rest des Körpers schlug zu Boden und blieb regungslos liegen. Doch wir hatten keine Zeit den Schreck über das, was wir da gerade gesehen hatten zu verdauen, denn im nächsten Moment schon griffen uns die verbliebenen Bewohner an und wir konnten sie gerade noch erledigen. Zum Glück passierte mit ihren Köpfen nicht dasselbe und so brauchten wir nur ein paar Kugeln, ehe sie am Boden lagen. „Leon, was war das gerade?“ fragte ich dann leise, während wir auf den ersten der Typen zuging. Eine gewaltige Blutlache hatte sich unter ihm gebildet. „Ich weiß nicht, Katharina!“ sagte Leon nur schleppend und betrachtete den Körper. Plötzlich musste ich an die Alienfilme denken. Wo die Aliens aus den Menschen rausbrachen, wenn sie „reif“ waren. War das hier sowas ähnliches? Sowas wie...Parasiten? Es sprach noch was dafür. Ich wusste, dass es im Tierreich Parasiten gab, die das Verhalten der Wirte beeinflussen konnten. Vielleicht hatten diese Dinger auch die Kontrolle über diese Typen übernommen. Und deswegen wirkten sie auch wie...ferngesteuert. „Könnten das sowas wie Parasiten sein?“ meinte ich dann. Leon nickte langsam. „Ja, möglich.“ meinte er dann. „Aber sowas, oder etwas vergleichbares ist mir noch nie untergekommen.“ Nicht nur ihm! Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie fand ich das hier noch viel horrormäßiger, als damals die Zombies in Südamerika. „Los, komm weiter!“ sagte Leon dann aber und wir liefen weiter. Wir erreichten die „Arena“ unbehelligt. Aber auch hier hatte sich etwas verändert. Überall brannten Feuer und Fackeln und die Bedrohung, die ich schon vorher von diesem Ort gespürt hatte, war nun fast greifbar. Das komische Brummen war verstummt und dennoch, die Gefahr lag wie ein erstickender Nebel in der Luft. Ich wollte gerade Leon bitten, dass wir nicht dort hineingingen, aber da lief er schon über den Platz und mir blieb nichts anderes als ihm zu folgen. „Leon, bitte, irgendwas...“ begann ich. Das Knarren der beiden Tore, die bisher offen gestanden hatten, unterbrach mich. Denn in diesem Augenblick wurden sie herabgelassen. Und an der Stirnseite der Arena schwang ein gewaltiges Tor auf. Etwa 10 bis 12 der Dorfbewohner kam in die Arena gelaufen. Dabei zerrten und zogen sie an langen Leinen, die an irgendetwas großem in der Dunkelheit befestigt waren. Was dann laut polternd aus der Dunkelheit herausbrach. Uns stockte der Atem. Es war eine Art...Riese. Das Ding sah aus wie eine groteske Horrorversion eines Menschen. Es war breit, kräftig, bestimmt an die sechs Meter hoch und hatte ein flaches breites Gesicht mit einer viel zu kleinen Nase. Kleine, fiese Augen glotzen böse auf die Dorfbewohner und uns herab und aus einem breiten, mit schiefen Zähnen bestückten Maul brüllte es uns wütend an. Wieder zerrten die Dorfbewohner an den Seilen und unterschrieben damit ihr eigenes Todesurteil. Denn scheinbar hatten sie den Riesen damit nun so gereizt, dass er zunächst sie attackierte. Er stürmte zwei Schritte vor, trat einmal um sich, wobei er drei der Bewohner in die Luft beförderte, stampfte in der selben Bewegung zwei weitere tot. Die restlichen fegte er mit zwei wilden Armschwingern fort. Kreuz und quer landeten die Dorfbewohner am Boden, man konnte teilweise ihre Knochen brechen hören, wenn sie aufschlugen. Und scheinbar hatte der Riese auch ganze Arbeit geleistet, denn keiner von ihnen rührte sich dann noch. An sich für uns gut, doch hatte die Sache einen Haken. Denn nun wandte er sich Leon und mir zu. Kurz blickte es uns böse an und stapfte dann auf uns zu. Der Boden erbebte unter seinen stampfenden Schritten. „Katharina, Deckung!“ brüllte Leon und legte an. Deckung, Deckung, was für eine Deckung zum Teufel?! Und mal abgesehen davon, ich konnte Leon das Vieh nicht allein bekämpfen lassen! Ich rannte seitlich von dem Biest weg, in seinen Rücken, während es weiter auf Leon zustampfte. Ich konnte hören, wie er mehrere Schüsse auf das Biest abgab, was dieses aber nur wieder wütend knurren ließ. Ich legte an und schoß genau auf den oberen Rücken von dem Biest. Zufällig traf ich dabei genau diesen komischen pulsierenden Buckel. Und das wirkte! Das Vieh stockte im Schritt, brüllte schmerzerfüllt auf und packte seinen Kopf. Dann sank es in die Knie und während es das tat, brach plötzlich dieser groteske Buckel auf. Und ein fleischiges, tentakeliges...Ding schoß daraus hervor. Scheinbar auch so eine Art Parasit. Vermutlich starb dieser Riese, wenn man dieses Ding tötete, schoß es mir durch den Kopf. Das war ja bei dem Dorfbewohner vorhin auch so gewesen. Leon schien denselben Gedanken zu haben, denn ich konnte sehen, wie er auf einmal lossprintete, auf den Riesen draufsprang und mit seinem Messer auf den Parasiten einhakte. Was daraufhin auch zerplatze und Leon mit einem unappetitlichen Blut- und Gewebebrei überschüttete. Der Riese schrie gepeinigt auf und bäumte sich heftig auf. Leon schaffte es gerade noch von seinem Rücken runterzuspringen, drehte einen perfekten Salto Rückwärts in der Luft und landete dann federnd auf dem Boden. Um gleich darauf zur Seite zu hechten, als der Riese der Länge nach hinschlug. Tot. Wie ich vermutet hatte. „Bist du okay?“ rief ich und rannte zu Leon rüber. „Ja, soweit!“ keuchte dieser. Beide standen wir da, das Vieh betrachtend. „Leon, diese Dinger, die aus ihnen rausplatzen...“ ich betrachtete ihn, er war immer noch von oben bis unten mit den Überresten besudelt. Ein wenig Übelkeit stieg in meiner Kehle auf, aber ich konnte mich beherrschen. „...diese Parasiten...“ „Frag mich bitte nicht, wo die herkommen, Katharina. Ich habe sowas wie das hier noch nie gesehen.“ unterbrach er mich. „Das habe ich mir schon gedacht. Ich meinte auch mehr, dass diese Dinger sie scheinbar...lenken. Sie sind aber auch ihre Schwachstelle. Tötet man die Parasiten, stirbt der Wirt.“ „Scheinbar können die aber auch ganz schöne Monster erschaffen.“ setzte Leon nach und betrachtete den Riesen. „Zumindest schien der hier mal sowas wie ein Mensch gewesen zu sein.“ Da hatte er wohl nicht unrecht, denn bisher war das auch der einzige Riese, der mir je über den Weg gelaufen war. „Dann ist dieser Parasit dem Virus von Umbrella aber auch nicht so unähnlich, denn der konnte ja auch ganz schöne Monster erschaffen.“ murmelte ich. Ich musste an den mutierten Javier denken, damals in Südamerika. Allein bei dem Gedanken an diesen Anblick lief mir ein heftiger Schauder über den Rücken. „Was auch immer, wir müssen zur Kirche.“ riss Leon sich schließlich los. Das war jedoch einfacher gesagt als getan, denn die Falltür in Richtung Kirche war noch immer geschlossen. Und von hier drinnen ließ sie sich wahrscheinlich nicht öffnen. Wir saßen also fest. Doch plötzlich erklang ein Knirschen und das Tor hob sich langsam an. Jemand musste den Mechanismus betätigt haben. Leon, der die Pistole im Anschlag auf das Tor zielte und wohl mit Angreifern rechnete, sah nicht den roten Schatten, der oben auf dem Zaun davon eilte. Ich sehr wohl. Derselbe Schatten, den ich auch in dem Haus von diesem Bürgermeister gesehen hatte. Kapitel 13: Ashley ------------------ Nachdem Leon sich vergewissert hatte, dass keine Gegner hinter der Falltür lauerten, ging er langsam weiter. Ich folgte ihm, mit mir kämpfend, ob ich ihm sagen sollte, was ich gesehen hatte. Aber was hatte ich im Prinzip gesehen? Eigentlich nur einen roten Stofffetzen. Das hätte alles mögliche sein können. Also schwieg ich. Nachdem wir nochmals diesen schrecklichen Steg in Richtung Kirche überwunden hatten, standen wir wieder vor der Kirche. Leon versuchte vorsichtig den Schlüssel, den wir in der Hütte am See gefunden hatten und wie zu erwarten passte er. Laut klackend sprang das Schloss auf. Leon drückte die Tür langsam auf und trat ein. Es war jedoch still. Scheinbar war wirklich niemand zu Hause. Langsam betraten wir die Kirche und sahen uns um. Sie war sehr klein, aber wohl auch schon sehr alt. Jedoch schien sie nicht mehr unbedingt dem Christentum dienlich zu sein, denn ich konnte nirgendwo mehr Kreuze erkennen. Dafür überall dieses merkwürdige „Wurm-Symbol“. Selbst an der Stelle, wo das Kreuz über dem Altar normalerweise hing, war ein Buntfenster, in dem dieses Zeichen zu sehen war. „Mit dem Christentum haben die es hier wohl nicht so.“ murmelte ich leise. „Nicht wirklich.“ antwortete Leon. „Aber sowas hier hab ich auch noch nie gesehen.“ Langsam ging er von einer Seite zur anderen und hielt wahrscheinlich nach Gegnern oder einer Tür, oder ähnlichem Ausschau. Wenn Ashley wirklich hier war, musste sie ja irgendwo versteckt oder eingeschlossen sein. Doch hier unten gab es nichts, wo man einen Menschen verstecken konnte. Schließlich entdeckte ich eine Leiter, die seitlich in einer Nische versteckt nach oben führte. „Leon, die Leiter.“ rief ich und wir machten uns ans hochklettern. Oben angelangt standen wir auf so einer Art Atrium, dass scheinbar um das komplette Kirchenschiff ging. Auf der anderen Seite konnte ich ein gewaltiges Gemälde eines Mannes erkennen. Es lies mich schaudern. Er trug eine Art lilafarbene Robe, deren Kapuze tief ins Gesicht gezogen war. Unter dem Stoff sahen uns zwei verschlagene Augen böse an. Sein Alter war schlecht zu schätzen, aber er war bestimmt schon vom älteren Semester. Vielleicht 50 oder 60. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte den Typen schon einmal gesehen. Nur wo?! Das Bild wirkte irgendwie wie eine von diesen Jesusbildern. Nur bei weitem nicht so friedlich und freundlich. Leon schien sich jedoch keine sonderlichen Gedanken um das Bild zu machen, sondern schlich zu einer Tür links von uns. Ich folgte ihm. Je näher wir der Tür kamen, desto deutlicher konnten wir ein Geräusch wahrnehmen. Es klang wie ein leises Weinen. Und es kam eindeutig aus dem Raum hinter der Tür. Leon gab mir ein Zeichen erst einmal zurückzubleiben und packte den Schlüssel, der in der Tür steckte. Langsam drehte er ihn um und öffnete dann langsam die Tür. „Ashley!“ konnte ich ihn dann sagen hören. „Komm nicht näher!“ konnte ich eine verweinte weibliche Stimme hören und dann ein Klackern. Wahrscheinlich hatte sie etwas nach Leon geworfen. „Ashley, beruhige dich!“ sagte Leon weiter und betrat den Raum. Ich folgte ihm. Es war ein kleiner kahler Lagerraum, in dem sich nur ein paar Kisten und Fäßer befanden. Ansonsten nur wertloses Gerümpel. Leon ging langsam auf die am Boden kauernde Gestalt zu. „Nein! Geh weg!“ weinte diese total verängstigt. Ich betrachtete Ashley. Sie war recht jung. 18 oder 19 vielleicht, mittelgroß, halblange blonde Haare und sehr schlank. Ein richtiges Püppchen. Ihre rehbraunen verweinten Augen sahen uns ängstlich an. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Ganz allein, ohne Waffen, ohne zu wissen was eigentlich los war in den Händen von diesen Irren… Normalerweise verachtete ich solche Püppchen, aber Ashley tat mir leid. „Bleib ganz cool, Schätzchen. Wir tun dir nichts!“ sagte ich dann mit möglichst lockerem Plauderton. „Wir wollen dir nichts tun, Ashley!“ sagte Leon und steckte seine Pistole ein. „Mein Name ist Leon. Wir sind vom Präsidenten geschickt worden um dich zu retten.“ „Was?“ rief sie und richtete sich auf. „Mein Vater?“ „Ja, richtig!“ sagte Leon und griff sie sanft am Arm. „Und wir müssen hier schnellstens weg. Los, komm!“ Ashley wischte sich mit dem anderen Arm über die verweinten Augen und folgte uns. Kurz vor der Leiter blieb Leon jedoch stehen und griff nach seinem Funkgerät. „Hunnigan, ich habe Ashley gefunden. Sie ist bei mir. Wir sehen zu, dass wir hier verschwinden.“ „In Ordnung!“ kam es zurück. „Ich schicke einen Hubschrauber, der euch beide abholt.“ „Wo ist der Treffpunkt?“ „Es gibt noch einen anderen Weg aus dem Dorf heraus. Dort wird er auf euch warten.“ „Roger.“ „Bist du in Ordnung?“ fragte ich sie, während Leon mit Hunnigan sprach. Es bestand ja schließlich die Möglichkeit, dass sie verletzt war. „J...ja.“ schniefte sie. „Ich hab weiters nichts.“ Dann betrachtete sie mich. „Wer bist du eigentlich?“ fragte sie mich dann. „Ich heiße Katharina. Ich bin Leons Verstärkung könnte man sagen.“ „Freut mich, Katharina.“ „Gleichfalls.“ Wir liefen zu der Leiter zurück und stiegen langsam runter. Ich als erste, dann Leon und dann Ashley. Genau wie Leon, so wollte ich auch nicht länger als unbedingt nötig an diesem unwirtlichen Ort bleiben und wir liefen schnell zur Tür. „Ich nehme das Mädchen jetzt!“ erklang plötzlich eine tiefe Stimme aus Richtung Altar. Wir fuhren herum. Und ich zuckte zusammen. Vor uns stand der Mann von dem Portrait. Und nun, als ich ihn ganz sah wusste ich auch, wieso er mir so bekannt vorgekommen war. Es war der selbe Mann, der aus diesem Vulkankessel gekommen war, kurz bevor ich Leon befreit hatte in Begleitung von dem Horror-Nikolaus und den Mönchen. „Wer bist du?“ fragte Leon ungerührt barsch. „Wenn du es unbedingt wissen musst...“ sagte der Mann langsam. „Ich bin Osmund Saddler. Der Führer dieser kleinen, religiösen Gemeinde.“ „Was willst du?“ fragte Leon weiter. „Der Welt die unglaubliche Macht unseres Glaubens demonstrieren natürlich.“ erwiderte dieser Saddler. „Die USA können nicht länger glauben, dass sie die Weltpolizei spielen können. Also haben wir die Präsidententochter entführt.“ Er deutete auf Ashley. „Wir geben ihr unsere Macht und schicken sie wieder zurück.“ „Nein!“ keuchte Ashley neben mir und packte sich an den Hals. „Leon, Katharina, ich glaube die haben irgendwas in meinen Hals geschossen!“ sagte sie dann ängstlich. „Was habt ihr mit ihr gemacht?“ fragte Leon drohend in Saddlers Richtung. „Wir haben ihr nur ein kleines...Geschenk gegeben.“ sagte Saddler völlig ungerührt von Leons rohem Ton und kam ein paar Schritte näher. „Oh, das wird vielleicht eine heftige Party geben, wenn sie zu ihrem geliebten Vater zurückkehrt!“ lachte er dann. „Aber zuvor könnte ich den Präsidenten noch um eine kleine Spende bitten. Glaub es oder nicht, die Erhaltung dieser Kirche geht ganz schön ins Geld!“ „Pah, mit Geld und Glauben wirst du nicht weit kommen, Saddler!“ knurrte Leon böse. „Oh, ich vergas dir noch zu sagen, dass du dasselbe Geschenk erhalten hast, Mr. Kennedy. Nun war Leon es, der sich an den Hals griff. „Als ich ohnmächtig war...“ sagte er leise. „Was bedeutet das alles?“ fragte ich nun. Saddler sah mich kurz verächtlich an und lachte dann abermals leise. „Wenn die Dinger schlüpfen, dann werdet ihr meine Marionetten sein!“ sagte er dann. „Ich werde die komplette Kontrolle über euch haben. Eine durchschlagende Methode seinen Glauben zu verbreiten, findet ihr nicht?“ „Klingt eher, wie eine Alien-Invasion, wenn du mich fragst!“ erwiderte Leon heftig. Plötzlich flogen hinter uns die Flügel des Kirchentores auf und die beiden Mönche waren wieder da. Mit Armbrüsten und brennenden Pfeilen, die sie auf uns richteten. Saddler grinste und deutete dann plötzlich auf mich. „Eine Sache steht jedoch noch aus. Du, junge Dame, hast das Geschenk noch nicht erhalten. Und unsere Gäste bekommen alle ein Geschenk. Das gebietet schließlich die Höflichkeit.“ „Fuck you!“ brüllte ich und wie auf Kommando rannten wir alle drei los, in Richtung der seitlichen Fenster. Ich spürte, wie hinter uns die brennenden Pfeile heran zischten, uns um Haaresbreite verfehlten und in die Mauern schlugen. Leon und ich sprangen zuerst. Das Glas des nächsten Fensters zerbarst zum Glück sofort unter unserem Gewicht und wir alle drei plumpsten in einen Hinterhof. „Schnell, Ladies, wir müssen hier weg!“ rief Leon und sprang wieder auf die Beine. Ich zog Ashley hoch. „Leon, was wird jetzt aus uns?“ fragte Ashley ängstlich. „Keine Sorge! Wir sind in den Mist reingeraten und kommen auch wieder heraus.“ erwiderte Leon zuversichtlich und mit fester Stimme. Dann wandte er sich der einzigen Tür zu, die es gab und stieß sie aus. Natürlich erwartete uns draußen ein Empfangskommitee, was Leon und ich aber schnell abfertigten und dann ging es schleunigst zurück zum Dorf. Ashley sprach in der ganzen Zeit kein Wort, aber ich spürte ihre Angst geradezu. Auch ich hatte Angst. Denn was dieser irre Sektenführer – denn um nichts anderes handelte es sich dabei scheinbar – gesagt hatte, ließ mich vor allem um Leon fürchten. Ich mein...wir haben ja gesehen auf dem Weg von der Hütte am See weg, was auch mit den Typen passieren konnte. Was wenn Leon bald auch nicht mehr er selbst war und so eine...Marionette, wie dieser Saddler es ausgedrückt hatte? Oder noch schlimmeres? Schließlich erreichten wir das Dorf. Leon fertigte noch ein paar vereinzelte Dorfbewohner ab. Dann standen wir allerdings ein wenig vor der Frage wohin. Hunnigan hatte von einem anderen Weg gesprochen, der aus dem Dorf führte, nur welcher? Ich sprach es schließlich laut aus. „Ich meinte bei diesem großen Bauernhof hinter einem Bretterverschlag noch ein weiteres Tor gesehen zu haben.“ meinte Leon dann langsam. „Ich schätze, dass sie den Weg gemeint hat.“ Ich runzelte die Stirn. Welches Tor? Scheinbar hatte Leon bessere Augen als ich. Er setzte sich dann auch ohne weiter zu zögern in Bewegung und wir trotteten hinterher. Auf dem Bauernhof schließlich lief Leon in die Richtung des Tores, hinter dem wir Indiana Jones spielen mussten beim ersten Mal. Ich schauderte bei dem Gedanken, wie knapp wir da entkommen waren. Und als wir einem hohen Zaun bei der Holzbrücke, die über den ersten Weg führte näher kamen, erkannte ich auch, welches Tor er gemeint hatte. Durch den hohen Zaun rund herum war es schwer zu erkennen. Scheinbar erreichten wir es nur über die Brücke. Wir gingen also ins Haupthaus, in den zweiten Stock und liefen rüber. Runter kamen wir dort allerdings nur über eine Leiter. Leon machte sich allerdings gar nicht die Mühe diese zu nutzen, sondern sprang einfach über die Kante. Es war zwar auch nicht sehr hoch, trotzdem zog ich die Leiter vor. Hinter mir kam Ashley dran. Als sie sich jedoch der Leiter zuwandte, sah sie noch einmal zu uns runter. „HE! Wo guckt ihr eigentlich hin?!“ giftete sie dann. Ich wusste erst gar nicht, was sie eigentlich wollte. Bis sich Leon etwas rot werdend abwandte und ich noch einmal zu Ashley hoch sah. Na klar, bei ihrem kurzen Schottenrock hatte man – zumindest als Mann – von hier aus nette Aussichten. Ich wieherte los. „Was ist daran bitte so komisch?“ fragte Ashley entrüstet, die schließlich neben uns stand. „Tja, Röcke haben halt so ihre Nachteile.“ kicherte ich. „Deshalb trage ich fast nie welche.“ Ich zwinkerte ihr verschmitzt zu. Erst sah sie mich noch ein bißchen zickig an, aber dann grinste sie ebenfalls. Sie wurde mir langsam trotz allem sympathisch. Zumindest schien sie nicht ganz so die verzogene Zicke zu sein, die man als Präsidententochter als erstes erwarten würde. Leon rüttelte währenddessen am Tor. Verschlossen. Natürlich. „Und jetzt?“ fragte ich. „Wenn du mir hoch hilfst, Leon, kann ich drüber klettern. Vielleicht ist sie ja von der anderen Seite zu öffnen.“ sagte Ashley plötzlich. Wir sahen sie beide überrascht an. Vor allem ich. Ich hätte nicht erwartet, dass sie selbst die Initiative ergriff. Leon zögerte auch nicht lang und ging vor dem Tor in die Hocke. Ashley kletterte auf seine Schultern und mit einem leisen Ächzen richtete Leon sich auf. Es zeigte sich, dass es auch besser war, dass Ashley diese Kletterpartie übernahm, denn sie war doch immerhin noch ein paar Zentimeter größer als ich und kam an die Torkante ran. Das hätte ich wohl nicht geschafft. Überraschend kräftig zog sie sich hoch und ließ sich auf der anderen Seite runter. Nach nicht mal einer Minute konnten wir hören, wie es an der Tür rumpelte. „Ich habe sie geöffnet!“ rief sie von der anderen Seite. Kapitel 14: Hüttenkrieg ----------------------- Hinter dem Tor ging es einen Weg durch Felsen hindurch auf eine Hängebrücke zu, die sich über eine Schlucht spannte. Zumindest war diese aber etwas besser ausgebaut und wirkte deutlich stabiler, als diese komischen Stege, über die wir uns bei der Kirche hatten kämpfen müssen. Wir liefen wortlos darauf zu. Auf der anderen Seite war ein großer freier Platz auf dem eine große Hütte stand. Sonst nichts. War das der Treffpunkt, von dem Hunnigan gesprochen hatte? Wie sollte denn hier ein Hubschrauber landen? Ich kam jedoch nicht dazu zu fragen, denn kaum hatten wir die Brücke hinter uns, konnten wir plötzlich hinter uns viele Stimmen hören. Wir wirbelten herum und mussten mit Schrecken feststellen, dass hinter uns eine ganze Armee dieser durchgeknallten Dorfbewohner anrückte. Mit Fackeln und Forken. Aber auch aus zwei Toren, die in weitere Gänge zwischen den Felsen führten links rechts von der Hütte ergoss sich eine richtige Flut dieser Typen. „Was machen wir jetzt, Leon?“ fragte Ashley ängstlich. „Sieht so aus, als säßen wir in der Falle!“ antwortete dieser und sah sich gehetzt um. „Schnell, in die Hütte da!“ Wir rannten auf den Eingang der Hütte zu. Nur fragte ich mich, welchen Sinn das haben sollte. Sehr bewehrt und gesichert sah die nämlich nicht aus! Die würden doch ratzfatz da rein kommen! Andererseits, was hatten wir für eine Wahl? Leon stieß die Tür auf, die zum Glück nicht verschlossen war. Kaum drin, schlug Leon die Tür zu und sah sich nach etwas um, womit er sie verbarrikadieren konnte. „Leon!“ erklang plötzlich hinter uns eine Stimme. Wir wirbelten erschrocken herum. Leon noch gerade rechtzeitig um den Holzbalken aufzufangen, der auf ihn zusegelte. Geschickt fing er ihn. Mit in die Hüften gestemmten Händen schritt der Spanier...Luis...auf uns zu. „Die Welt ist ein Kaff, was?“ fragte er locker mit einem Grinsen. Während Leon den Balken in die dafür vorgesehenen Bügel am Türrahmen legte, betrachtete Luis Ashley mit einem ziemlich anzüglichen Grinsen. „Ahhh, die Tochter des Präsidenten...ebenfalls bewaffnet, wie man sieht.“ Oh, Mann! Also was den Weiberheld angeht, hatte er wohl nicht gelogen! Wie ich solche Typen hasste! Bevor ich jedoch den Mund aufmachen konnte, ergriff Ashley schon das Wort und das mehr als deutlich. „Wie unhöflich! Und ich glaube das hat nichts mit meiner Person und meinem Stand zu tun! Wer bitte bist du?!“ keifte sie Luis an. „Oho, apropos unhöflich, Eure Hoheit!“ lachte Luis, allerdings wohl doch etwas überrascht von dieser Reaktion. „Vielleicht stellt sich die junge Dame selbst erst einmal vor, bevor sie den Herren nach dem Namen fragt.“ „Ihr Name ist Ashley Graham, die Tochter des Präsidenten.“ antwortete Ashley genervt. „Ist sie...na du weißt schon?“ fragte Luis an Leon gewandt, der begonnen hatte sich in der Hütte umzusehen. „Keine Sorge, sie ist okay.“ meinte der nur beiläufig. „Nun, es macht auch keinen Unterschied. Bevor du wie die wirst, treten untrügliche Symptome auf.“ sagte Luis dann schleppend, Ashley jedoch weiter musternd. Diese zuckte zusammen und ein ängstlicher Ausdruck erschien in ihrem Gesicht. „Da wir gerade bei vorstellen waren, Mr. Cool...“ ergriff ich dann das Wort. „...so wäre es doch nur höflich, wenn man z.B. auch wüsste, mit wem man es wirklich zu tun hat!“ Luis Blick wanderte zu mir, allerdings eher desinteressiert. Ich entsprach wohl nicht seinem Beuteschema. Zum Glück! „Der Name ist Luis Sera. Nur ein kleiner Rumtreiber.“ antwortete er dann. „Ein kleiner Rumtreiber, ah ja! Und wenn ich mich vorstellen darf, ich bin die Königin von Schweden.“ erwiderte ich mit einem spöttischen Lächeln. Ich konnte sehen, wie Ashley zu grinsen begann. Die Angst verschwand ein wenig aus ihrem Gesicht. Luis sah mich spöttisch an und wollte wohl gerade etwas erwidern. Er kam jedoch nicht dazu. Denn in diesem Moment begannen die Typen von draußen die Hütte aufs Korn zu nehmen. Erst jetzt viel mir auf, dass die Fenster der Hütte zugenagelt waren. Warum auch immer. Aber in diesem Moment war es erst einmal hilfreich, so würden es diese Typen zumindest nicht ganz so einfach haben hier reinzukommen. Wie wild begannen sie an der Tür und den Brettern zu trommeln. „Ashley, nach oben! Katharina, halt dich bereit!“ rief Leon. Während Ashley die Treppe hoch ins Obergeschoss lief, bezogen Leon und ich Stellung an unterschiedlichen Orten. Luis schloss sich uns zu meiner Überraschung sofort an. „Das Spiel beginnt!“ sagte er. Und kaum war das raus, da zerbarst auch schon die Blockade des Fensters rechts von der Eingangstür und gleich drei der Typen versuchten sich ins Innere zu quetschen. Die übernahmen Leon und Luis. Doch auch ich bekam bald zu tun, denn hinter mir, neben der Treppe ging nun die nächste Blockade entzwei und auch hier versuchten gleich mehrere der Dorfbewohner reinzuklettern. Ein Schuß aus meiner Pumpgun beendete den Versuch jedoch schnell und zuverlässig. Allerdings kam schnell die Vertretung. Ich konnte hinter mir Leons und Luis Schüsse hören und dann eine Art Kampfschrei von Leon und ein dumpfes Knallen. Wahrscheinlich nahm er auch ein paar von den Kerlen mit Hand und Fuß aufs Korn. Ich nutzte eine Verschnaufpause an meinem Fenster, um mich umzusehen. Es sah alles andere als gut aus. Mittlerweile waren alle drei Fensterblockaden durchbrochen und bei Luis und Leon waren auch schon einige reingekommen. Zwar nahmen sie diese sofort aufs Korn, jedoch kamen für jeden, den sie erledigten sofort zwei oder drei nach. Da an meinem Fenster gerade Ruhe war, beschloss ich den Beiden ein wenig Luft zu verschaffen und lief an Leons Seite. Ein gezielter Schuß meiner Pumpgun machte gleich vier den Garaus, die gerade reinklettern wollten. Plötzlich hörte ich einen Schmerzensschrei hinter mir und wirbelte herum. Einer der Kerle hatte Luis erreicht und an der Gurgel gepackt. Hilflos strampelte Luis in der Luft mit den Beinen und versuchte die Hände des Dorfbewohners von seiner Kehle zu reißen. Auch, wenn ich den Kerl nicht mochte, so war er dennoch im Moment unser Verbündeter. Und so sprintete ich zu ihm rüber und rammte dem Dorfbewohner mit voller Wucht den Gewehrkolben ins Gesicht. Ein häßliches nasses Knacken erklang und Blut spritze auf, als ich ihm wohl so einige Gesichtsknochen brach. Er ließ Luis fallen und taumelte mit einem schmerzerfüllten Grunzen zurück. Hinter mir rappelte Luis sich wieder hoch. „Schulde dir was!“ konnte ich ihn zwischen Leons Pistolenschüssen keuchen hören. Er würde es mir wahrscheinlich bald zurückzahlen können, denn die Flut nahm einfach kein Ende. Durch mein Fenster ergoss sich nämlich bereits auch wieder eine Flut und so nahm ich meinen Platz wieder ein. Wieviele Patronen hatte ich überhaupt noch? Es konnten nicht mehr viele sein. Hoffentlich hatte Leon noch genug Vorrat, sonst war es das. Ein weiteres Mal erledigte ich drei der Kerle gleichzeitig. Und bekam fast einen Herzinfarkt vor Schreck, als mich plötzlich zwei Hände von hinten am Hals packten. Doch der Schreck wehrte nicht lang. Denn abermals kamen mir Jacks Trainingseinheiten ins Gedächtnis und ich reagierte beinahe mechanisch. Ich drehte mich seitlich weg, rammte meinem Angreifer den Ellbogen in den Magen und als dieser keuchend zusammensackte verpasste ich ihm einen Schlag mit dem Gewehrkolben, der ihn sofort ins Land der Träume versetzte. Und schlug gleich darauf wieder mit dem Gewehrkolben nach der Frau, die mich nun von vorne angriff. Die Angriffswelle schien einfach kein Ende zu nehmen! „Leon, Mädchen, ab nach oben!“ konnte ich plötzlich Luis Stimme hören. Im nächsten Moment hörte ich die Männer die Treppe hochpoltern. Obgleich ich mich fragte, was das für einen Sinn haben sollte, folgte ich ihnen. Die Männer hatten am oberen Ende schon Position bezogen und zielten die Treppe herunter. Wahrscheinlich hofften sie so den Ansturm irgendwie unter Kontrolle halten zu können. Das Klirren von Glas, dass allerdings nun direkt neben uns erklang verriet allerdings sofort, dass diese Taktik wohl nicht aufgehen würde. Leon und ich wirbelten herum, während im selben Moment noch andere Glasfenster hier oben zerbarsten. Leitersprossen erschienen in ihnen. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Gaben die Typen denn nie auf?! Doch plötzlich….Geistesblitz! „Leon, Luis, bleibt an der Treppe! Ich kümmere mich um die hier!“ rief ich. Noch ehe einer der beiden fragen konnte, was ich meinte, warf ich mir die Schrotflinte um die Schultern und rannte zum ersten Fenster. Mit aller Kraft packte ich die Leitersprossen und drückte sie nach hinten. Die Leiter kippte und mehrere Schreckensschreie verrieten mir, dass meine Taktik aufging. So konnte ich sie zumindest an dieser Stelle ohne Munition in Schach halten. Ich sprintete zur nächsten Leiter. Gerade rechtzeitig, als einer dieser Freaks seinen Kopf durch das Fenster steckte. Mit einem geraden Karateschlag ins Gesicht beförderte ich ihn nach unten und seine Kollegen dann mitsamt der Leiter. Und so ging es dann immer im Wechsel. Immer wieder sauste ich zwischen den insgesamt drei Fenstern hin und her, während die Männer an der Treppe „Schießbude“ spielten. Bis der Strom plötzlich versiegte. Mit einem mal tauchte keine Leiter mehr an den Fenstern auf und es kam auch keiner mehr die Treppe rauf. „Haben wir sie erledigt?“ fragte Luis atemlos. Ich lief zu einem Fenster und sah vorsichtig raus. Unten konnte ich noch eine gewaltige Fackel und Forkenflut erkennen. Allerdings waberte die langsam, aber beständig in Richtung Hängebrücke, über die wir zuvor gekommen waren. „Hey, Jungs, sie ziehen sich zurück.“ rief ich. Leon und Luis kamen an meine Seite und sahen ebenfalls raus. „Ja. Hoffentlich haben sie jetzt endgültig aufgegeben.“ murmelte Leon. Dann wandte er sich um. „Ashley! Du kannst rauskommen. Sie sind weg.“ rief er. Keine Sekunde später schwang die Tür des großen Schrankes auf, der an der einen Seite stand. Übrigens das einzige Möbelstück hier oben, wie ich nun feststellte. Ashley kam heraus. Ich hatte sie beinahe völlig vergessen in dem ganzen Theater. „Seit ihr okay?“ fragte sie direkt. „Ja, alles gut.“ antwortete Leon. Alle zusammen gingen wir die Treppe wieder herunter. Wie die Störche staksten wir über die unzähligen Toten. „So, was machen wir jetzt?“ fragte Luis. „Wir müssen weiter. Die Brücke, über die wir gekommen sind ist keine Alternative. Also müssen wir weitergehen.“ antwortete Leon. „Ach, da fällt mir ein, ich hab was vergessen, Leute.“ sagte Luis dann plötzlich und verließ die Hütte. „Geht ihr schon mal vor.“ „Luis!“ rief Leon ihm hinterher. Aber er kam nicht zurück. „Komischer Typ!“ murmelte ich. Kapitel 15: Das hohe Tier ------------------------- Einige Minuten standen wir noch in der Hütte. Niemand sagte etwas. Scheinbar grübelte jeder für sich selbst, was wir nun tun sollten. „Nun gut, ich denke, wir sollten weiter.“ sagte Leon schließlich. „Und was ist mit Mr. Cool?“ fragte ich. Leon zuckte mit den Schultern. „Wenn er sagt, er will nachkommen...“ „Leon, mal ehrlich, traust du dem Kerl?!“ fragte ich fassungslos. „Ohne Witz, da stinkt doch was zum Himmel! Wieso ist der hier? Was hat der mit der ganzen Sache zu tun? Er weiß doch, was hier abgeht! Ansonsten hätte er doch nicht gewusst, was mit Ashley...“ Ich brach ab, als ich sah, wie Ashley ängstlich zusammenzuckte. „Ja, du hast ja recht. Nur habe ich nicht den Eindruck, dass er uns feindlich gesonnen ist. Er scheint zumindest nicht zu ihnen zu gehören.“ Er schüttelte den Kopf und öffnete dann die Tür. „Es ist im Moment auch egal. Wir sollten jetzt weiter.“ Scheinbar wollte er das Thema damit beenden. Und so verließen wir die Hütte und nahmen den einzigen Weg, der aus diesem Felsenkessel herausführte, ein großes Holztor. Wir gelangten auf einen Felsenpodest, direkt an einer gewaltigen Schlucht. Eine schmale, aber zumindest stabil wirkende Brücke spannte sich darüber. Auf der anderen Seite war eine Felsenmauer mit einem großen Tor zu erkennen. Zu beiden Seiten führten Wege an der Schlucht entlang. Der eine führte runter zu einer baufälligen Hütte, der andere hoch in Richtung einer Art Gondelanlage. Langsam gingen wir über die Brücke. Von irgendwelchen Dorfbewohnern war nichts zu sehen. Vor dem großen Tor auf der anderen Seite standen wir jedoch vor einem neuen Rätsel. Es war fest verschlossen und ein Schloss gab es scheinbar nicht. Nur ein merkwürdiges Ding genau auf Augenhöhe von Leon, eine Art Laser. „Was soll das sein?“ fragte Ashley. „Sieht wie ein Retinascanner aus.“ meinte Leon. „So ein Schloss, dass nur geöffnet werden kann, wenn derjenige mit dem richtigen Auge hineinsieht.“ Ich konnte mir ein Kopfschütteln nicht verkneifen. Einerseits war das hier tiefstes Mittelalter, andererseits fand man solch moderne Technik hier. Verrückt, einfach nur verrückt. „Tja, hier kommen wir wohl nicht weiter.“ meinte Leon dann und wandte sich uns zu. Ein wenig ratlos sah er sich um. „Leon, mal was anderes. Wie sieht es bei dir mit Munition aus?“ fragte ich dann. Eigentlich wollte ich das schon die ganze Zeit fragen, denn zumindest von mir wusste ich, dass ich vielleicht noch ein paar Patronen hatte. Ich konnte nur hoffen, dass sein Lager etwas besser gefüllt war. „Nicht so super!“ gab Leon dann leider zu. „Vielleicht noch zwei Magazine.“ „Sollten wir dann nicht lieber erst einmal schauen, ob wir Nachschub finden? Ich mein, wer weiß, was uns hinter dieser Tür noch alles erwartet! Wenn wir denn durchkommen.“ Ich weiß ja nicht wie es ihm ging, nur fühlte ich mich nicht sonderlich wohl mit so wenig Munition in der Hinterhand. „Wohl wahr!“ nickte er auch nur und ging dann in Richtung Hütte. „Fangen wir mit dem leichtesten an.“ Wir gingen den kleinen Stichweg die Klippe entlang zu der Hütte, die wir vorhin schon gesehen hatten. Allerdings hatte ich nicht die meiste Hoffnung, dass wir dort etwas brauchbares fanden. Gegner stolperten uns zumindest mal keine über den Weg. Wir erreichten die Hütte unbeschadet und auch im inneren war niemand zu sehen. Dafür jede Menge Spinde und Schränke, allerdings allesamt verschlossen. Was für Leon aber kein Problem darstellte. Mit einem Dietrich öffnete er ein Spind nach dem anderen. Ich konnte mir einen leichten Jubellaut nicht verkneifen, als ich den Inhalt sah. Entgegen meiner Erwartungen schien das hier so eine Art Waffenlager zu sein. Die Schränke waren gefüllt mit Munition, dazugehörigen Waffen und auch noch einiger anderer Sachen, die man so gebrauchen konnte. So z.B. Taschen, Verbandszeug und diversen anderen Kleinigkeiten. Leon und ich zögerten auch nicht lange und deckten uns ein. Jeder von uns nahm ein paar Gürteltaschen. Darin waren dann schnell Verbandszeug und Munition verstaut. Ich bediente mich noch an den Waffen, eine Pistole mit dazugehörigem Holster und tauschte meine Pumpgun gegen eine wesentlich kräftigere, mit größerem Magazin. Leon nahm sich eine Magnum, ein paar Granaten und eine Art Snipergewehr. „Ashley, willst du dir nicht auch wenigstens eine Pistole nehmen?“ fragte ich dann, nachdem wir uns ausgerüstet hatten. „WAS?“ fragte sie völlig verdattert. „Ich und eine Waffe?“ „Wieso denn nicht?“ fragte ich zurück. „Was ist denn, wenn wir mal getrennt werden?“ „Nein, nein! Ich hatte noch nie so ein Ding in der Hand!“ wehrte sie energisch ab. „Willst du lieber völlig wehrlos sein?“ fragte ich dann heftig. „Da ist wirklich nichts dabei! Zielen, abdrücken und zwischendurch mal laden! Das hast du in 5 Minuten raus!“ Ich nahm eine kleine Pistole und hielt sie ihr hin. „Jetzt stell dich nicht so an!“ fuhr ich sie an, als sie davor zurück zuckte. „Es ist ja nur für den Notfall!“ Unsicher blickte sie die Waffe an. „N...na gut!“ sagte sie dann schließlich und ließ sich von mir die Waffe umlegen. „A...aber ich schieße nicht, wenn ich nicht muss!“ setzte sie noch nach. Ich rollte genervt mit den Augen, was Leon zu einem Grinsen veranlasste. „Musst du auch nicht.“ sagte ich dann nur knapp. Während wir die Hütte verließen zischte ich Leon zu „Mama und Papa sind ja da!“ Leon legte die Hand vor den Mund um ein Lachen zu unterdrücken. Nun hatten wir das Waffenproblem zumindest gelöst. Und in der Hütte hätte nochmal genauso viel gelegen. Aber alles konnten wir unmöglich tragen. Wir mussten uns schließlich auch noch bewegen können. „Wohin jetzt?“ fragte Ashley hinter uns. „Den anderen Weg zu dieser Gondelanlage.“ antwortete Leon. „Wir wissen schließlich immer noch nicht, wie wir dieses Tor öffnen sollen.“ Also machten wir uns auf den Weg. Die Gondelanlage hatte, wie so vieles hier auch schon bessere Tage gesehen und war eindeutig ein relativ altes Modell. Allerdings machte sie noch einen durchaus stabilen und zuverlässigen Eindruck. Und so betraten wir eine Gondel. Langsam schwebten wir wieder auf die andere Seite der Schlucht, die an dieser Stelle jedoch viel breiter war. Auf der anderen Seite ging es über eine Metalltreppe neben dem Maschinenraum und Kontrollzentrum noch weiter runter. Der einzige Weg, wo es noch irgendwie weiter ging. Also gingen wir kurzentschlossen die Stufen runter. Unten angekommen kamen wir auf einen kleinen Weg, der wieder zwischen Felsen und kahlen Bäumen hindurch führte. Wir folgten ihm wortlos, bis wir an eine Scheune kamen. Wie fast alle Gebäude in dem Dorf und in der unmittelbaren Nähe war sie ebenfalls aus Holz gebaut und das scheinbar auch nicht erst gestern. Aber das war es nicht, was mir sofort bei ihrem Anblick Unbehagen bereitete. Vor dem Scheunentor blieben wir stehen. Leon streckte die Hand nach dem Griff aus, doch er öffnete sie nicht. Hatte er wohl das gleiche komische Gefühl wie ich? „Irgendwas stimmt hier nicht.“ sagte er dann langsam und schleppend. „Ja, das Gefühl habe ich auch.“ bestätigte ich. „Irgendwas...lauert darin.“ Anders konnte man es nicht beschreiben. Die Bedrohung, die von der Scheune ausging lag beinahe zum Greifen in der Luft. „Ashley, du versteckst dich besser!“ sagte Leon dann. Ashley nickte nur kurz und verschwand dann auch sofort seitlich der Scheune zwischen Lageraufbauten. Leon wandte sich mir zu. „Okay, Katharina, was auch immer darin lauert...“ fing er an. „Komm schon, Leon!“ schüttelte ich nur den Kopf. „Wir haben zusammen einen Riesen und einen Riesenlurch getötet! Was auch immer jetzt da drin ist, mich schockt glaube ich gar nichts mehr.“ Ich ging an seine Seite und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du weißt, dass du auf mich zählen kannst!“ Er sah mich mit einem aufrichtigen Lächeln an. „Weißt du, einerseits wäre ich froh, wenn du an einem sichereren Ort wärst. Andererseits bin ich verflucht froh, dass du hier bist.“ sagte er dann. Ich erwiderte sein Lächeln. Doch dann wurde Leon wieder ernst und fragte mich still mit einem Nicken, ob ich bereit war. Ich erwiderte das Nicken und er öffnete die Tür. Im Inneren der Scheune war es völlig still. Unheimlich still. Die Mitte des Raumes war leer, aber die Wände waren mit allerhand Zeug zugestellt. Kisten, Fäßer, Bretter. In erst genannten lagen scheinbar die verschiedensten Dinge. An den Balken über uns hingen Ketten und Seile. Scheinbar handelte es sich um ein stinknormales Lager. Und dennoch war nun das Gefühl der Bedrohung, dass ich schon die ganze Zeit wahrnahm nun so stark, dass es mir fast die Luft abschnürte. Irgendjemand... oder irgendetwas war hier und lauerte auf uns. Wie Leon auch ließ ich meinen Blick kreuz und quer durch die Scheune schweifen. Auf der anderen Seite der Scheune und links von uns führten jeweils eine Leiter auf eine Art Galerie, die zumindest von hier unten gesehen relativ leer war. Zumindest stand dort nichts, was jemandem als Versteck dienen könnte. Da! Plötzlich ein huschender Schatten an der Seite! Leon schien ihn auch gesehen zu haben, denn er richtete sofort seine Waffe in die Richtung. Wir beide gingen einige Schritte weiter vor und versuchten etwas auszumachen, was den Schatten verursacht haben könnte. Aber es war nirgends etwas zu sehen. Auch war nach wie vor nichts zu hören. Doch plötzlich...auf einmal hatte ich das irre Gefühl, als wäre...hinter uns etwas. Ich wandte mich langsam um. Und behielt recht! Direkt hinter uns vor dem Tor stand dieser Riese im Ledermantel aus dem Dorf. Seine roten Augen blitzten mörderisch auf uns herab. Doch bevor ich einen Warnruf ausstoßen konnte, oder die Waffe gegen ihn richten konnte holte er aus und schmetterte er mir den Arm gegen den Oberkörper. Die Luft wurde aus meinen Lungen getrieben und ich konnte meine Rippen knacken hören. Während ich ein paar Meter durch die Luft segelte, sah ich aus den Augenwinkeln, dass es Leon ebenso erging. Im nächsten Moment kollidierte ich mit dem Scheunenboden und Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich hörte vage neben mir einen dumpfen Aufschlag. Scheinbar war Leon auch gelandet. Die Sterne vor meinen Augen verschwanden und ich richtete mich leicht auf. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie der Riese die Griffe des Tores ineinander verdrehte, als bestünden sie aus Knete und dann auf Leon zuging, der sich ebenfalls auf die Ellbogen aufgerichtet hatte. Mit einem wütenden Grollen ließ der Riese plötzlich seine Hand auf Leon runtersausen, doch der hechtete zur Seite gegen eine der Tonnen. Um diese dann nach einem flüchtigen Blick umzutreten. Sie kippte in Richtung des Riesen und eine leicht gebliche Flüssigkeit begann in dessen Richtung zu spratzen und hatte bald eine beachtliche Lache um seine Füße gebildet. Und während ich mit einem Blick auf die Beschriftung der Tonne registrierte, dass scheinbar eine brennbare Flüssigkeit darin war, richtete Leon seine Pistole auf die Lache. „Hasta Luego!“ sagte er triumphierend und schoss. Sofort fing das Zeug Feuer und eine gewaltige Stichflamme loderte empor. Und im nächsten Moment wurde ich von Leon gepackt und erst hoch gezerrt um im nächsten Moment wieder heftig auf dem Boden zu landen. Er über mir. Der gewaltige Knall und die Hitzewelle, die ich allerdings im nächsten Moment spürte, machten mir auch klar warum. Scheinbar war noch einiges von dem Zeug in der Tonne gewesen und so war sie zu einer Bombe geworden. Keuchend richteten wir uns wieder auf. Damit rechnend eine völlig zerfetzte Leiche irgendwo am Tor liegen zu sehen. Doch weit gefehlt. Der Kerl stand immer noch felsenfest an der selben Stelle. Einzig sein Ledermantel hatte die Feuersbrunst nicht überlebt und fiel ihm in brennenden Fetzen vom Leibe. Darunter kam eine überraschend dürre Gestalt zum Vorschein. Bei der Kraft, die der Kerl hatte, hätte ich mit einem zweiten Arnie von der Gestalt her gerechnet. Aber das war nicht das schlimmste! Denn plötzlich knurrte der Kerl beinahe wie ein Tier und seine Fingernägel verwandelten sich beinahe schlagartig in 30 cm lange Dolche. Dann erklang ein Geräusch, als würden mehrere Knochen gebrochen und der Rücken des Riesen streckte sich um satte 2 Meter und aus seinem Rücken brachen mit nassem Krachen zwei zusätzliche verkrüppelt wirkende Arme hervor. Mit einem lauten Brüllen begann er auf uns zuzugehen. Panisch sah ich mich um. Wir saßen in der Falle! Das Feuer hatte den Typen nicht erledigt, aber die Scheune würde wohl bald dem Feuer zum Opfer fallen. Ich konnte sehen, wie es sich zunehmend über das Inventar und die Wände ausbreitete. Das auch noch! Entweder schlachtete uns also dieses Monster, oder wir wurden gegrillt. „Katharina, zurück!“ brüllte Leon plötzlich. Im selben Moment mussten wir schon an die Seite hechten, denn der Kerl beugte sich vor und seine Dolchbewehrte Hand fuhr wie eine Sichel durch die Luft. Ich konnte mich gerade noch darunter wegducken, während Leon einen Flickflack nach hinten machte. So schnell ich konnte richtete ich mich auf und nahm den Dreckskerl mit der Pumpgun aufs Korn. Mehrere Schüsse direkt ins Gesicht mussten selbst ihn erledigen. Tatsächlich torkelte er auch bei jedem Schuß zurück. Doch wirklich außer Gefecht schien ihn das nicht zu setzen, geschweige denn, dass es ihn ernsthaft verletzte. Auch als sich Leons Pistole dazugesellte richteten wir augenscheinlich keinen wirklichen Schaden an. Schließlich konnte ich hören, wie Leon unter lautem Fluchen die Pistole wegsteckte und eine Granate zückte. Keine Sekunde später landete diese vor den Füßen des Monsters und dann wurde der Boden und unsere Trommelfelle von einem berstenden Knall erschüttert. Mit einem gurgelnden Schrei kippte der Oberkörper des Riesen nach hinten, den verlängerten Rücken dabei grotesk durchgestreckt. Plötzlich ein Geistesblitz! Ich richtete ohne ein weiteres Wort die Pumpgun auf die Leibesmitte des Riesen und feuerte. Und ich behielt recht! Mit einem nassen Krachen flog der Körper des Riesen auseinander und ich stieß einen lauten Jubelschrei aus. Damit hätte ich aber wohl besser gewartet. Denn der Riese gab sich keineswegs geschlagen. Der Unterleib torkelte noch einige Meter weiter, bevor er zu Boden ging, doch der Oberkörper schoß plötzlich in die Höhe und hing sich mit den zusätzlichen Armen an die Balken über uns. Und begann sogleich sich von einem Balken zum anderen zu schwingen, wie ein grotesker Affe. Entsetzt sahen Leon und ich einige Augenblicke nach oben, mussten allerdings dann direkt in Deckung springen, als dieses...Monster einen gewaltigen Satz nach unten genau zwischen uns machte, am untersten Balken hängen blieb und einen Rundumschlag machte. Und dann sofort wieder nach oben zu verschwinden. Leon nutze die Pause um zu mir zu hechten. „Katharina, geh du nach oben! Schieß ihn runter, dann kann ich ihn mir hier mit der Magnum vornehmen!“ sagte er. Ich nickte nur und sprintete zu der Leiter an der Rückfront der Scheune zu. Hoffentlich griff mich das Ding nicht gerade dann an, wenn ich an der Leiter hing, dachte ich. Doch ich erreichte die obere Etage ohne Blessuren. Dafür konnte ich hören, wie Leon wieder seine Waffe abfeuerte und scheinbar auch einmal ausweichen musste. Kaum stand ich oben auf den Beinen wirbelte ich herum. Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment tauchte das Monster keine zwei Meter von mir entfernt an einem Balken hängend auf und wollte schon mit seinem Arm ausholen. Ich riss die Waffe hoch, lud dabei durch. Und nur wenige Zentimeter, bevor mich diese klauenbewehrte Hand erreichte, traf das Vieh die geballte Ladung Schrot und mit einem schmerzerfüllten Grollen wurde es vom Balken gerissen und nach hinten. Ich konnte hören, wie er auf dem Boden aufschlug und dann das laute Knallen der mächtigen Magnum. Und sie tat ihre Wirkung! Denn nach nur drei Schüssen konnte ich hören, wie das Monster in Todespein aufschrie und als ich nach unten sah, bäumte es sich gerade noch einmal auf, um dann endgültig zusammenzubrechen. Erleichternd aufatmend kletterte ich die Leiter wieder runter. Auch Leon schien nicht verletzt zu sein, denn er ging langsam, die Magnum noch im Anschlag auf das Monster zu und betrachtete es eingehend. Zumindest schien es aber nun wirklich tot zu sein, denn es rührte sich absolut nicht mehr. Plötzlich ging Leon jedoch an seinem Kopf in die Hocke und griff nach irgendwas am Boden. Als er wieder hoch kam, hielt er irgendwas kleines weißes in der Hand. „Was ist das?“ fragte ich und trat an seine Seite. Zwischen seinen Fingern hielt er eine kleine Kugel, von der noch Schleimfäden tropften. Auf einer Seite waren eine Nachbildung einer Iris zu sehen. Ein Glasauge! „Glaubst du...das könnte der Schlüssel zu dem Tor sein?“ fragte ich. „Da bin ich mir sogar sehr sicher!“ sagte Leon und steckte es ein. „Komm, wir müssen hier schnell raus!“ Ich sah mich genau wie er rasch um. Er hatte recht, das Feuer hatte immer mehr um sich gegriffen und es würde wirklich nicht mehr lange dauern und die komplette Scheune würde in Flammen stehen. Wir zuckten beide zusammen, als plötzlich ein lautes Knacken neben uns erklang. Die Scheunenwand war an einer Stelle eingerbochen. Wahrscheinlich war das Holz an der Stelle eh morsch gewesen und das Feuer hatte ihm den Rest gegeben. Leon fackelte nicht lange und sprang mit einem Hechtsprung durch das Loch nach draußen. Einfach durchgehen wäre auch nicht drin gewesen, es sei denn, man wollte sich tausend Brandblasen holen. Und so tat ich es ihm gleich. Wenn ich dabei wohl auch nicht ganz so elegant aussah wie er. Dann standen wir draußen. „Seid ihr beiden okay?“ hörte ich in diesem Moment schon Ashleys Stimme, die sich uns näherte. „Ja, alles gut!“ sagte Leon und wir gingen ihr entgegen. „Was war da drin?“ fragte Ashley und sah an der Scheune hoch. „Ich habe eine Explosion und mehrere Schüsse gehört.“ „Der...Bürgermeister, oder was auch immer der Typ war, hat uns seine Aufwartung gemacht.“ antwortete ich. „Zumindest kommen wir jetzt wohl durch das Tor oben.“ „Habt ihr einen Schlüssel?“ fragte Ashley. „Sowas in der Art.“ antwortete Leon nur knapp und wir machten uns eilig auf den Weg zurück. Den ganzen Weg über begegnete uns niemand, was eine Wohltat war. Am Tor angekommen zückte Leon das Glasauge und hielt es vor den Linsenleser. Dieser erwachte surrend zum Leben und einige Laserstrahlen zuckten hervor, die die Glaskugel abzutasten begannen. Dann, nach nur einer Sekunde erklang ein leises helles Piepen und man konnte hören, wie sich das Schloss des Tores entriegelte. Wir hatten es tatsächlich geschafft! Kapitel 16: Das etwas andere Spukschloss ---------------------------------------- Zumindest glaubten wir das. Doch es dauerte nur wenige Sekunden und wir wurden eines besseren belehrt. Hinter dem Tor schlängelte sich ein Weg zwischen Felsen hindurch eine leichte Anhöhe hoch. Als Leon und ich unsere Blicke schweifen ließen, sahen wir links von uns die Silhouette eines gewaltigen Schlosses. Für mich waren Schlösser und Burgen nun wirklich nichts neues, die gab es bei uns wie Sand am Meer. Allerdings war mir diese Größe neu. Zudem war es keine Ruine denn auch von hier konnte man sehen, dass sie in einem sehr guten Zustand war und wohl auch bewohnt. Überall leuchtete Licht in den Fenstern und man konnte den ein oder anderen Feuerschein erkennen. Doch das war gerade recht nebensächlich. Viel wichtiger war, was mal wieder oben am anderen Ende des Weges auf uns lauerte. Wie so häufig scheinbar eine ganze Armee dieser Dorffreaks, natürlich mit Fackeln und Forken. Und wir hatten keine Wahl, wir mussten an ihnen vorbei, wenn wir weiter kommen wollten. Also mal wieder ein Tänzchen! Doch kaum hatten wir uns in Bewegung gesetzt, erglommen oben am Ende des Weges zwei grelle Lichter und ich konnte Motorengeräusche hören. Im nächsten Moment tauchte ein Lkw über der Kuppe auf und begann den Weg runterzurattern. Das einzig gute daran war, dass er dabei die ganzen Dorfbewohner einfach plattmachte und null Rücksicht auf seine Kollegen nahm. Doch was wenn uns das Ding erreichte? Mit uns würde der Kerl wahrscheinlich noch weniger Gnade kennen, als bei seinen Kollegen. Eher im Gegenteil. Und wahrscheinlich würde er auch nicht die meiste Rücksicht auf sich selbst nehmen. „Scheiße!“ entfuhr er Leon, der wohl dasselbe dachte. Doch Leon wäre nicht Leon, wenn er sich davon einschüchtern ließe. Er griff hinter sich, zückte das Scharfschützengewehr, legte an und schoss. Das alles passierte innerhalb von zwei Sekunden, aber wie auch an allen anderen Waffen, so schien Leon auch an dieser ein Profi zu sein. Ich konnte erkennen, wie die Winschutzscheibe des Lkw an der Stelle, wo der Kopf des Fahrers sein musste erst ein Loch bekam und dann komplett zu Bruch ging. Die Gestalt am Steuer zuckte einmal heftig und sackte dann über dem Steuer zusammen. Allerdings schaffte sie es dabei wohl auch noch das Steuer einmal komplett zu verreißen, denn der Lkw machte auf einmal einen brutalen Schlenker nach rechts und kippte dann wie in Zeitlupe um. Doch anhalten tat er deswegen nicht. Er rutschte noch einige Meter den Weg weiter runter und stoppte vielleicht 5 Meter vor uns. Wir alle stießen gleichzeitig einen lauten Seufzer aus. Innerlich überlegte ich kurz, wieviele Todesarten mir mittlerweile schon begegnet waren, seitdem ich hier gelandet war. Doch wir verschwendeten keine weitere Zeit und kletterten einfach seitlich am Lkw vorbei. Was die anderen Gegner oben betraf, so schien er ganze Arbeit geleistet zu haben. Das einzige, was wir noch vorfanden waren überfahrene Dorfbewohner. Keiner davon schien noch zu leben. Doch auch dieses Mal währte die Freude nur kurz. Denn nur kurze Zeit später konnten wir unter uns das Tor hören und wieder aufgeregte Stimmen, die etwas auf Spanisch riefen. Wir blickten nur kurz über die Schultern zurück. Das reichte auch völlig. Hinter uns kam eine ganze Armada der Typen hinter uns her. „Schnell, Mädels!“ rief Leon und wir beschleunigten noch einmal, so gut es ging. Schließlich erreichten wir die Anhöhe und kamen auf eine Art natürliche Plattform. Allerdings war der Weg hier nun auch zu Ende. Dafür war nun direkt vor uns das Schloss in voller Pracht zu erkennen. Und das Ding war echt gewaltig! Zudem unser einziger Ausweg. Denn das einzige, wo wir noch hinkonnten war die Zugbrücke, die in das Schloss führte. „Los Mädels, auf die andere Seite der Brücke!“ rief Leon und wir rannten los. Dort angekommen sahen wir, wie die Fackeln immer näher kamen. Wir mussten ihnen irgendwie den Weg abschneiden! „Los, Ashley, nimm die Kurbel.“ rief Leon und deutete auf eine metallische, große Kurbel, die seitlich am Eingangstor war. Man konnte halb das Flaschenzugsystem erkennen, was offensichtlich die Brücke bewegte. Leon lief zu der Kurbel auf der anderen Seite. „Katharina, du hälst sie wenn nötig in Schach!“ rief er noch und dann begannen die beiden zu kurbeln. Ich stellte mich auf und nahm einen der Bewohner aufs Korn, der gerade die Brücke betrat. Langsam begann sie sich zu heben und begann uns den Blick auf die Meute zu versperren. Doch einige von den Burschen waren ziemlich hartnäckig. Denn zwei sprangen noch an die Kante und versuchten sich rüber zu ziehen. Ein Unterfangen, was ich jedoch mit ein paar gezielten Kopfschüssen schnell beendete. Dann endlich war die Brücke komplett oben. Ich konnte einige von den Typen auf der anderen Seite lautstark auf Spanisch fluchen hören. Wir drei dagegen atmeten auf. Allerdings auch nur bedingt. Langsam wandten wir uns dem Schloss zu. Es war ruhig darin. Keine Anzeichen dafür, dass einer in der nächsten Umgebung war. Aber das musste ja nichts heißen. Zudem war davon auszugehen, dass die Schlossbewohner uns auch nicht unbedingt freundlich gesinnt waren. Plötzlich konnte ich wieder das altbekannte Knacken hören. Leons Funkgerät. „Leon, wie ist deine genaue Position?“ hörte ich wieder diese Frau. „Wir waren gezwungen uns auf ein Schloss zu flüchten. Aber auch hier war der Empfang nicht unbedingt freundlich. Scheint, als wenn es ebenfalls zu diesem Kult der „Los Illuminados gehört.“ Einige Sekunden herrschte Schweigen. „Ich glaube, ich habe da eine Idee….“ begann Hunnigan. Doch dann erklang nur noch Rauschen. Der Empfang war wohl gestört. „Hunnigan?“ rief Leon ins Funkgerät. „Hunnigan, bist du noch da?“ Doch als Antwort nur Rauschen. „Scheiße!“ fluchte Leon und steckte das Funkgerät wieder weg. „Das ist mal wieder mein Glück!“ „Und was jetzt?“ fragte ich. Leon wandte sich der Zugbrücke zu. „Nun...zurück können wir nicht. Also bleibt uns nur, uns hier umzusehen. In der Hoffnung einen anderen Ausweg zu finden. Wir sollten nur nicht erwarten hier auf Freunde zu treffen.“ meinte er dann. Und so setzten wir uns in Bewegung. Er hatte auch Recht, was hatten wir für eine Wahl? Der Innenhof der Burg war ziemlich leer, bis auf einen alten Schuppen voller Gerümpel und einen einzelnen kahlen Baum. Vor Kopf führte eine Treppe auf eine Art Galerie, die auf eine Tür rechts von uns zulief. Also erklommen wir die Treppe und steuerten diese Tür an. Auch der einzige Weg aus dem Innenhof heraus. Auf der anderen Seite war es ebenfalls still und menschenleer. Die Galerie zog sich kurz weiter, bis zu einer schmalen Steintreppe, die an einem Turm vorbei nach oben führte. Langsam gingen wir weiter, allerdings die Waffen gezückt. Das man nichts hörte, musste schließlich nicht heißen, dass niemand hier war. Was sich wieder einmal bewahrheitete, kaum dass wir das obere Ende der Treppe erreicht hatten. Zwar wurden wir nicht direkt angegriffen. Der kleine Vorhof in den wir kamen war menschenleer. Jedoch nicht die Türme, Balkone und Terrassen über uns nicht. Wir konnten drei oder vier Feuer dort oben sehen, die allerdings nur zu einem ganz kleinen Teil von Fackeln stammten. Im nächsten Moment konnten wir eine krächzende Stimme hören, die auf Spanisch befahl uns zu töten. Dann ein Klacken, ein unheilvolles Rauschen. Und im nächsten Moment schlug keine fünf Meter von uns entfernt ein gewaltiger brennender Klotz wie eine Bombe auf den Boden und zerbarst in tausend brennende Stücke. „In Deckung!“ brüllte Leon und stieß uns hinter den Turm in Deckung. Grade noch rechtzeitig, denn wenn uns schon nicht der Klotz an sich getroffen hätte, so hätten wir mit Sicherheit einige der Trümmerteile abbekommen. Keuchend kämpften wir uns wieder auf die Beine und Leon und ich schlichen wieder vorsichtig um die Ecke. Leon zückte sein Fernglas und versuchte sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen. „Vier Katapultgeschütze...scheinbar jeweils mit zwei Leuten...“ murmelte er. „Kannst du die von hier unten erledigen?“ fragte ich ihn. „Schwierig!“ antwortete er zerknirscht. „Sie sind gut geschützt durch die Mauern, kommen nur ab und an ins Sichtfeld.“ Er blickte nach oben. Dann zeigte er auf eine Terrasse links von uns. „Wir müssten dort hoch, dann hätte ich bessere Sicht- und Schußbedingungen.“ Ich sah mich ebenfalls um. Scheinbar war diese Terrasse über eine Treppe auf der anderen Seite des Hofes erreichbar. Zumindest konnte ich die ersten Stufen einer solchen dort sehen. „Na dann los!“ sagte ich und wir rannten alle drei los wie der Teufel. Über uns erscholl wieder ein Feuerkommando und kaum hatten wir die ersten Treppenstufen erreicht, da schlug auch schon wieder einer dieser Feuerbrocken im Hof ein. Allerdings nicht nur da. Über uns auf den Terrassen auch. „Scheiße!“ rief Leon. „Die feuern aus allen Rohren!“ Langsam schlichen wir weiter vorwärts. Am oberen Ende der Treppe konnten wir erkennen, dass wir richtig waren. Links von uns lag ein großes Tor, wohl das Haupttor zum Schloss. Rechts von uns führte eine kleine Steinbrücke zu der Terrasse, die wir auch vorhin gesehen hatten. Darauf war eine aus Stein errichtete Hütte in der wir Licht sehen konnten. Allerdings auch sich bewegende Schatten. Irgendwer war wohl darin. Doch wir hatten keine Zeit weiter danach zu spähen, denn im nächsten Moment stieß Leon uns die Treppe ein Stück weit runter wieder in Deckung. Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment schlug kurz vor der Brücke zur anderen Terrasse ein brennender Brocken ein. „Wir müssen in diese Hütte!“ rief Leon. „Dort haben wir Deckung und ich kann diese Kerle aufs Korn nehmen!“ Also, mal wieder eine Feuerpause abwarten und dann rennen was das Zeug hielt. Und wir hatten Glück, wir erreichten die Hütte. Hinter uns konnte ich gleich zwei Geschosse auf den Steinboden einschlagen hören. Allerdings hatte ich Recht gehabt. Die Hütte war nicht so menschenleer wie die ganzen Höfe. Kurz hinter dem Eingang erwartete uns jemand. Und wenn schon die Dorfbewohner gruselig waren, so schlug der hier alles! Er trug eine schwarze Mönchskutte, die tief ins Gesicht gezogen war. Es war eigentlich so richtig nur die Mundpartie zu sehen. Aber in dem Schatten unter dem Kapuzenstoff konnte man zwei glühende Kohlen leuchten sehen. Und sein Aussehen war noch nicht einmal das schlimmste. Vielmehr sein Verhalten. Denn er stand vor uns und wankte hin und her, wie ein Betrunkener. Dabei murmelte er irgendwas komisches immer wieder vor sich hin. Ich konnte nicht verstehen, was aber es klang nicht gut. Als er uns bemerkte, begann er auf uns zuzuwanken. Beinahe wie…ferngesteuert. Ich musste an das denken, was dieser Saddler gesagt hatte. „Wenn die Dinger schlüpfen, werdet ihr meine Marionetten!“ Genauso wirkte der Kerl hier. In jedem Fall schien er keinerlei Kontrolle mehr über sich selbst zu haben. Leon verschwendete daran scheinbar keine Gedanken und stanzte dem Typen sofort ein drittes Auge zwischen die ersten beiden. Der Kopf des „Mönchs“ flog zurück und Sekunden später sackte er zusammen. Ich konnte Ashley ängstlich wimmern hören. Verdenken konnte ich es ihr nicht. Da waren mir die Dorfbewohner doch lieber gewesen. Doch wir konnten damit keine Zeit verschwenden. Leon ging an das Fenster mit seinem Scharfschützengewehr in Stellung und nahm die erste Stellung der Feuerballwerfer aufs Korn. Zwei saubere Schüsse und zumindest das Katapult, das die Bälle auf die Terrasse vor uns schoss blieb still. Doch damit war unser Problem nur zur Hälfte gelöst. Denn wenn uns auch zwei der anderen Geschütze nicht gefährlich werden konnten (die Katapulte waren sehr massiv und wahrscheinlich nur schwer zu bewegen, zudem hatten sie eine festgelegte Reichweite) so hatten wir dennoch ein Geschütz, dass ebenfalls auf die Terrasse vor dem Haupttor feuerte. Und dessen Geschosse schlugen noch näher am Tor ein, wie das, was Leon gerade unschädlich gemacht hatte. Doch anders, als dieses Geschütz, war es von der Hütte aus kaum zu sehen. Dazu kam, dass es hinter einer etwas höheren Mauer lag. Die Mönche waren nur kurz zu sehen, wenn sie den Katapult beluden. Im Prinzip gab es nur eine Möglichkeit. Einer von uns musste die Typen zum Feuern animieren und Leon musste dann von vor der Hütte aus schießen. „Okay, Leon, ich renne los in Richtung Treppe, von wo aus wir gekommen sind!“ sagte ich zu ihm. „Du nimmst die Kerle aufs Korn, sobald sie feuern.“ Leon sah mich einige Sekunden zweifelnd an und beinahe sah es so aus, als wolle er das ablehnen. Aber schließlich nickte er. „In Ordnung. Aber renne so schnell du kannst und geh sofort in Deckung!“ sagte er dann. „Das hättest du mir nun wirklich nicht sagen müssen!“ sagte ich und wir gingen zum Hütteneingang. Es war noch ruhig. Leon trat zwei Schritte raus und spähte nach oben. Dann ging er in den Anschlag. „Okay, Katharina, los!“ sagte er dann und ich sprintete los. Kaum hatte ich die Brücke erreicht konnte ich auch schon wieder eines dieser rauhen Feuerkommandos hören. Und eine Sekunde später das unheilvolle Zischen eines brennenden Brockens, der in meine Richtung segelte. Doch ich war zum Glück deutlich schneller. Ich erreichte die Treppe rechtzeitig und ging in Deckung. Ich spürte die Erschütterung und hörte das Bersten, als der Brocken hinter mir einschlug. Und direkt darauf zwei dicht hintereinander folgende Schüsse. Dann war alles ruhig. Ich beschloss jedoch erst einmal noch in Deckung zu bleiben, bis Leon mir Entwarnung gab. „Alles klar, Ladies! Die Luft ist rein!“ hörte ich ihn dann auch und während ich die Treppe hoch kam, liefen die beiden bereits über die Brücke auf das Tor zu. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln machten wir uns an dem Tor zu schaffen. Es blieb nur zu hoffen, dass es nicht verschlossen war. Wir stemmten uns alle drei gegen die massiven Flügel. Leon die eine, Ashley und ich die andere. Und wir hatten Glück. Langsam und schwerfällig schwang das große Tor auf. Und wir kamen in eine Art weiteren Vorhof, von dem aus ein schmaler Gang um eine Ecke ging. Man konnte nicht erkennen, was dahinter lag, nur flackernder Feuerschein von einer Wandfackel war zu sehen. Schwer fiel das Tor hinter uns wieder zu. Das Geräusch hatte irgendwie was endgültiges. Als wären wir nun in diesem Schloss gefangen. Kapitel 17: Salazar ------------------- Langsam gingen wir weiter, um die Ecke und noch eine weitere. Und standen schließlich vor einer recht einfachen Tür aus Eisen. Nach wie vor konnten wir nirgends ein Lebenszeichen entdecken. Aber wer wusste schon, was uns hinter dieser Tür erwartete? Leon öffnete sie vorsichtig. Aber alles blieb ruhig. Niemand war zu hören oder zu sehen. Hinter der Tür lag ein kleiner Raum mit ein paar einfach gezimmerten Holzmöbeln. Links von uns führte eine steinerne Treppe in die nächste Etage, aber auch von oben war nichts zu hören. Langsam betraten wir den Raum und Leon sicherte so gut es ging die Treppe. „Alles ruhig wie es scheint.“ meinte er dann leise. „Los, weiter.“ Langsam stiegen wir die Treppe nach oben. Oben war tatsächlich auch niemand zu sehen. Der Raum war deutlich größer, als der untere und hätte als Kulisse für einen Mittelalterfilm sicher hervorragend gepasst. Auch hier waren die Möbel aus Holz gezimmert und in einem entsprechenden Stil gehalten. Die Beleuchtung schien im ganzen Schloss auch wirklich nur über Fackeln und offene Feuer zu erfolgen. An den Wänden hingen Wandteppiche, Gemälde und auch mittelalterliche Waffen. Fasziniert schielte ich auf ein Schwert, was zusammen mit einem Schild an der Wand vor uns hing. So zum Nahkampf? Wäre doch nicht schlecht… „Lieber nicht, Katharina.“ hörte ich plötzlich Leons Stimme. Mit fragendem Blick wandte ich mich um. Er sah mich mit einem leichten Grinsen an. „Es ist viel zu schwer und unhandlich. Lieber nen Dolch.“ Ich sah ihn weiter verwundert an. Entweder konnte er Gedanken lesen, oder ich hatte laut gedacht. Ich kam jedoch nicht dazu weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Moment flog links von uns eine schwere Holztür auf, übrigens auch die einzige Tür, die es hier gab und sieben Mönche stürzten in den Raum, wobei einer, in einer roten Kutte direkt „Matar algo!“ („tötet sie!“) ausstieß. Tatsächlich waren die Mönche alle bewaffnet. Jeder von ihnen trug entweder einen Morgenstern oder ein Schwert. Sie begannen sich halbkreisförmig um uns zu verteilen und kamen dann langsam auf uns zu. Leon und ich reagierten jedoch schnell und fertigten die ersten sechs mit gezielten Kopfschüssen ab. Nur der Anführer blieb noch. Und dem verpasste Leon zwei Schüsse in den Kopf. Dieser zersprang in tausend Stücke und der Körper torkelte rückwärts. Leon lies bereits die Waffe wieder sinken, doch zu früh, wie sich herausstellte. Denn ähnlich, wie dieser eine Dorfbewohner am See, so schien auch dieser Kerl hier einen von diesen Parasiten in sich zu tragen. Dazu auch noch ein ausgemachtes Prachtexemplar, wie wir im nächsten Moment sehen konnten. Denn an der Stelle, wo der Kopf des Mönchs war, stieß plötzlich eine fleischige unförmige dicke...Wurst aus dem Hals. Doch anders als bei dem Dorfbewohner bildeten sich bei diesem hier nicht unzählige Tentakeln heraus. Stattdessen klaffte das obere Ende dieser Wurst auseinander und ein Maul mit unzähligen langen Zähnen klaffte hervor. Was als nächstes geschah, war eine Sache von nur wenigen Sekunden, doch ich hatte den Eindruck, es würde in Zeitlupe geschehen! Der Mönch, oder was von ihm übrig war, ging ein oder zwei Schritte wieder nach vorn und der Parasit bäumte sich unheilvoll auf. Um im nächsten Moment nach vorn zu schießen und mit seinem Maul nach Ashley zu schnappen, die wie gelähmt da stand. Leon schaffte es noch so gerade eben sie zurückzustoßen und entging dem Maul dabei nur um wenige Millimeter. Wenigstens war ich nicht gelähmt, sondern griff nach meiner Pumpgun, riss sie hoch und verpasste dem Parasiten eine geballte Ladung Schrot. Was zum Glück auch sofort seine Wirkung zeigte. Er zerplatzte mit einem nassen Laut, als würde man einen mit Wasser gefüllten Ballon zerstechen, begleitet von einem schrillen Laut, beinahe wie ein Kreischen. Dann sackte der Körper des Mönchs zusammen. Ich lies die Waffe sinken und sah Leon und Ashley an, die sich wieder auf die Beine kämpften. Ashley starrte den Körper des Mönchs fassungslos an. Man konnte einen deutlichen Grünstich in ihrem Gesicht erkennen. Auch Leon war leicht blass. Nicht verwunderlich, der Parasit hatte ihm schließlich beinahe den Kopf abgebissen. „D...danke!“ stammelte Leon und lehnte sich kurz an das steinerne Treppengeländer hinter ihm. „Kein Thema.“ sagte ich locker und lud nach. „W...wa...was zum Teufel ist da aus ihm rausgekommen?“ stammelte Ashley und starrte den Körper des Mönchs weiter fassungslos an. „Einer dieser Parasiten.“ sagte ich. „Scheinbar übernehmen sie irgendwann nicht nur die Kontrolle des Wirtes, sondern sie fressen ihn auch irgendwie von innen her auf. Und dabei raus kommt sowas...“ murmelte ich. Ich sah Ashley langsam an. Sie war noch grüner geworden und packte sich mit einem würgenden Geräusch an die Brust. Ich sah, wie ihre Knie zitterten. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich ihr wohl gerade ganz schön Angst gemacht haben musste. Schließlich hatte dieser Psychopath Saddler den beiden ja auch so ein Vieh injiziert. „Sorry, Ashley, ich wollte nicht...“ beeilte ich mich zu sagen. „Nein,...ist schon gut...“ bemühte sie sich zu sagen. „Die Dinge sind, wie sie sind.“ „Wir werden dass schon irgendwie packten!“ sagte Leon und ging auf die Tür zu. Scheinbar hatte er sich wieder komplett gefangen. „Na los, weiter.“ Hinter der Tür kamen wir abermals auf einen kleinen Innenhof. Auf der anderen Seite lag ein großes Gebäude, seiner Größe nach zu urteilen wohl auch einer der Wohnblöcke. Eine kleine Tür schien von hier aus ins innere zu führen. Langsam gingen wir darauf zu. „Leon!“ konnten wir plötzlich eine wohlbekannte Stimme hinter uns hören. Wir wandten uns um. Hinter uns kam Luis gerade durch die Tür, durch die wir vorhin gekommen waren. „Ich habe was für euch, Leute!“ sagte er mit einem breiten Grinsen und begann seine Weste abzutasten. Doch je mehr er tastete, desto mehr verschwand sein Grinsen. „Wa…? Oh Shit!“ rief er dann aus und schaute zur Tür zurück. „Ich muss es verloren haben, als ich weggelaufen bin!“ „Was verloren?“ fragte Ashley. „Ein Mittel gegen eure Krämpfe.“ antwortete Luis und sah uns wieder an. Nach einer Sekunde Schweigen seufzte er schwer. „Seht mal, ich weiß, dass ihr infiziert seit.“ sagte er dann langsam. Dann wandte er sich Leon zu. „Du hast Blut gehustet, oder?“ fragte er dann. Leon sah ihn kurz betreten an. „Ja.“ antwortete er dann knapp. „Und du?“ wandte Luis sich an Ashley. „Ja.“ gab auch diese kurz zurück. „Scheiße!“ rief er dann. „Die Parasiten sind geschlüpft! Wir haben nicht mehr viel Zeit!“ Dann wandte sich sein Blick mir noch einmal zu. „Du bist nicht befallen, nicht war?“ fragte er dann. Ich schüttelte den Kopf. Er nickte „Sei dankbar dafür.“ „Wovon redest du eigentlich?“ fragte Leon dann. Doch Luis antwortete ihm nicht. „Ich muss zurück und es holen.“ sagte er dann und wollte schon gehen. „Ich komme mit dir.“ sagte Ashley plötzlich und lief an seine Seite. Ich wunderte mich warum Ashley auf einmal mit ihm kommen wollte. Sie stand doch wohl nicht auf den Typen? „Nein.“ sagte dieser dann aber. „Bleib bei Leon. Er kann besser mit Ladies umgehen. Da bin ich mir sicher.“ Damit verschwand er und lies uns drei ziemlich ratlos stehen. „Was war das denn nun wieder für ein Auftritt?“ fragte ich. „Keine Ahnung.“ sagte Leon. „Aber in einem hat er recht. Wir haben nicht viel Zeit. Also weiter.“ Damit wandte er sich wieder um und wir gingen durch die kleine Tür in das Gebäude. Vor uns lag scheinbar eine Art Vorratsraum. Denn er war über und über mit Kisten und Fässern vollgestopft. Auf der anderen Seite war eine weitere Tür zu sehen, die scheinbar aus Metall war, allerdings wesentlich feiner gefertigt war, mit Verzierungen. Hinter dieser gelangten wir dann scheinbar in die Haupträume. Vielmehr, wir kamen seitlich in eine Art Empfangshalle. Der Raum war reichlich verziert mit Malereien und Fresken und an den Wänden hingen kunstvoll gewebte Teppiche. Mehrere große Feuersäulen erleuchteten den Raum. Langsam traten wir in die Mitte des Raumes. Links von uns war der Haupteingang und rechts von uns ging es eine kleine Treppe hoch, unter einem Balkon durch zu einer weiteren Tür. Also mussten wir wohl diesen Weg nehmen. Langsam gingen wir in Richtung Treppe, als plötzlich ein komisches Lachen erklang. „Was war denn das?“ fragte ich und sah mich um. Leon war ebenfalls stehen geblieben und blickte sich um. „Keine Ahnung. Kommt, weiter.“ Langsam gingen wir weiter, als das Lachen abermals erklang, jedoch deutlich näher und von oben. Von dem kleinen Balkon oberhalb der Treppe um genauer zu sein. Dort erschienen in diesem Augenblick auch zwei riesige Gestalten. Eine in einer schwarzen und eine in einer roten Mönchskutte. Jedoch schienen diese nicht menschlich zu sein, denn man konnte zwar menschenähnliche, aber eindeutig nicht menschliche Hände erkennen, die aus den Ärmeln schauten und Speere umklammert hielten. Dazu kamen große glühende Augen, die uns unter den tiefhängenden Kapuzen böse anglotzten. Zwischen ihnen erschien dann eine wesentlich kleinere Gestalt. Zuerst dachte ich, wir hätten es mit einem Kind zu tun, denn er war gerade so groß, dass er über die Brüstung des Balkons sehen konnte und die war nun nicht unbedingt hoch. Bei seinem Anblick war ich mir zudem nicht sicher, ob ich lachen oder mich erschrecken sollte. Denn von seiner äußeren Gestalt her wirkte er wirklich lächerlich. Er trug Kleidung, die locker aus dem 18 Jahrhundert hätte stammen können. Weiße Strumpfhosen, knielange, bordeauxrote Hosen mit einer goldgelben Weste und einem blauen langen Frack. Dazu saß ein altmodischer Dreieckshut auf seinem Kopf. Bei einer Karnevalssitzung hätte er sicherlich einen Preis für das beste Kostüm erhalten. Nur wollten seine bösartig leuchtenden orangenen Augen dazu nicht passen. Endlich hielt er mit seinem dämlichen Lachen inne und richtete das Wort an uns. „Ich dachte schon, ihr seht uns nie!“ rief er. Seine Stimme war hell und quäckig. „Wer bist du?“ fragte Leon direkt und drohend. „Me llamo Ramon Salazar.“ erwiderte der Knirps ungerührt. „Der achte Kastellan dieses unglaublichen Bauwerks. Und ich bin ausgestattet mit der unglaublichen Kraft der Los Illuminados von dem großen Lord Saddler.“ Er hielt kurz inne und verbeugte sich dann tatsächlich leicht vor uns. „Ich habe euch erwartet, meine Brüder und Schwestern.“ „Nein, danke, Bro!“ gab Leon verächtlich zurück. „Na na!“ gab Salazar ungerührt zurück und begann auf dem Balkon hin und her zu laufen. „Da haben wir wohl einen Widerspenstigen. Wenn euch irgendwas an eurer Gesundheit liegt, dann seid brav und werdet einfach unsere Geiseln.“ Dann deutete er auf Ashley. „Und so nebenbei, Mr. Scott, geben Sie uns das Mädchen zurück. Denn dein Leben ist für uns nicht einen Penny wert.“ Dann wandte er sich mit einer abfälligen Handbewegung ab. „Du kannst sterben, so wie auch deine Freundin.“ Dann verschwanden er und seine „Leibwächter“ ohne ein weiteres Wort vom Balkon und ließen uns zurück. „Ich werde niemals einer von ihnen! Niemals!“ sagte Ashley heftig. „Da hast du verdammt recht!“ erwiderte Leon. „Wir finden einen Weg.“ Er sah noch einmal zu dem Balkon hoch, aber dieser Knirps und seine Monster blieben verschwunden. „Kommt, weiter!“ Und so machten wir uns die Treppe rauf zu der nächsten Tür. Man, dass wurde wirklich immer besser, dachte ich. Was würde uns hier im Schloss noch alles erwarten? Langsam wanderte Jack in der Hütte kurz vor dem Schloss auf und ab. Immer wieder musste er dabei über Leichen steigen, die recht zahlreich in der Hütte lagen, in beiden Geschossen. Leon und seine Kampfgefährtin hatten ganze Arbeit geleistet, das musste man schon sagen. Er hätte nicht gedacht, dass sie so mit ihnen fertig würden. Denn schließlich hatten sie es hier nicht mit dummen Zombies zu tun gehabt, sondern mit Menschen, die immerhin noch einigermaßen denken und eine Waffe nutzen konnten. Er kam nicht umher dem Mistkerl eine gewisse Achtung zu schenken. Allerdings interessierte ihn Leon relativ wenig. Er hoffte nur, dass er auch weiter am Leben blieb. Schließlich wollte er sich den Spaß nicht nehmen lassen, ihn selbst zu erledigen. Was ihn vielmehr beschäftigte, war seine ominöse Kampfgefährtin. Bisher konnten weder Wesker, noch diese Schlange Wong ihm sagen, wer sie war. Zumindest war sie keine Agentin der USA, das hätte Wesker in kürzester Zeit erfahren. Nur wer war sie dann? Die ganze Geschichte lies ihn immer wieder an Südamerika denken. An seine Kathy. Auch sie war ja damals einfach wie aus dem Nichts aufgetaucht und sie hatten nie erfahren, wo sie genau hergekommen war und wieso sie überhaupt da gewesen war. Kathy hatte sich darüber die ganze Zeit in Schweigen gehüllt. Warum war ihm immer noch ein Rätsel. Aber so wie damals, so war es ihm nach wie vor nicht wichtig. Sie war da gewesen! Und das war alles, was für ihn gezählt hatte. Wieder stieg Trauer in ihm auf. Diese Tage in Südamerika damals waren die schönsten seines Lebens gewesen. Immer wieder dachte er an die Dschungellager zurück. Seine Unterrichtsstunden, wie er ihr Schießen und Kämpfen beigebracht hatte. Wie Kathy versucht hatte mit einem Netz Fische zu fangen und am Ende klatschnass ohne Netz und Fisch, nur mit einem Stock in der Hand vor ihnen gestanden hatte. „Was denn los? Noch wie was vom Stockfischen gehört, was?“ Jack konnte nicht verhindern, dass wieder ein Lachen in ihm aufstieg. Und dann...ihre gemeinsame Nacht… Er schloss die Augen. Er glaubte wieder den Geruch des Feuers und der warmen Dschungelluft wahrzunehmen…ihren Geruch...die Wärme ihrer Haut...das Gefühl eins mit ihr zu sein… Ein schrilles Piepen lies ihn zusammenzucken. Sein Communikator verlangte seine Aufmerksamkeit. Jedoch war es nicht Wesker, der ihn anpiepte. Er nahm das kleine Gerät und hob es vor das Gesicht. In dem kleinen Display erschien ein kleiner Kopf mit einem Dreieckshut. Salazar. Wie sehr er diesen kleinen Napoleon verachtete. Genau wie dieser war der Zwerg ein bisschen zu sehr von sich selbst überzeugt. Letztendlich war auch er nur Saddlers Marionette. „Mr. Krauser.“ begann das Gesicht auf dem Display zu säuseln. „Ich hoffe ich störe nicht.“ Jack schaffte es im letzten Moment eine bissige Bemerkung runterzuschlucken. Er musste sich leider mit diesem Zwerg gutstellen. Aber das war echt schwierig. „Nein, Mr. Salazar. Keineswegs.“ „Erfreut das zu hören, Mr. Krauser. Denn ich habe einen Auftrag für Sie. Kommen Sie schnellstmöglich auf das Schloss. Es gibt hier ein paar Besucher, die nicht eingeladen wurden. Ich befürchte, diese könnten noch unangenehm für uns werden.“ Jack gab ein abfälliges Geräusch von sich. Ihn störte es nicht im Geringsten, wenn die beiden da oben nochmal für Stimmung sorgten. Und dennoch...so hatte er mal die Chance sich Leons Kampfgefährtin aus der Nähe anzusehen. Außerdem konnte er den Befehl auch nicht verweigern. Denn das würde zu Saddler durchdringen und dieser war ihm gegenüber so schon nicht gerade vertrauensselig. Wesker hatte zudem angeordnet, dass er Saddlers und auch Salazars Befehlen gehorchte. Er wollte nur darüber immer informiert werden. Also nickte er knapp. „Ich bin gleich da.“ sagte er knapp und steckte den Communikator wieder weg. Während er die Hütte verließ erstattete er Wesker Bericht. „Gut. Wong befindet sich ebenfalls auf dem Schloss. Haltet euch allerdings beide vorläufig zurück, räumt die beiden nicht zu schnell aus dem Weg. Sie können ruhig noch ein wenig für Chaos sorgen und einige von ihren Leuten beseitigen.“ „In Ordnung.“ gab er knapp zurück und beendete das Gespräch. Ohne es zu merken bewegte er sich doch recht schnell in Richtung Schloss. Die Neugier in ihm wuchs zunehmend. Gleichzeitig spürte er auch immer wieder eine widersinnige Hoffnung in sich. Eine Hoffnung, die völlig bar jedweder Grundlage war und ihn dennoch nicht loslassen wollte. „Kathy. Was würde ich dafür geben, dich wiederzusehen.“ murmelte er zu sich selbst. Kapitel 18: Der Glaube erschafft Monster ---------------------------------------- Natürlich war die Tür unterhalb des Balkons verschlossen. Also mussten wir wohl mal wieder einen anderen Weg nehmen. Die Frage war nur welchen. „Ich glaube da seitlich war auch noch eine Tür.“ meldete sich Ashley zu Wort. Sie deutete den Weg zurück auf die andere Seite der Eingangshalle. Was hatten wir auch für eine Wahl? Also Kommando zurück und zu der Tür hin, die tatsächlich da war. Dahinter kamen wir auf einen kleinen Flur, der in einen kleinen Raum mündete. Mehrere Stühle standen dort vor der Wand, die allerdings auch nur Balkonbrüstungshöhe hatte. Dahinter schien es einen tiefer liegenden Raum zu geben. Ansonsten nichts. Als wir den Raum erreicht hatten, konnten wir erkennen, dass der Eindruck nicht getäuscht hatte. Scheinbar war das hier so eine Art kleine Schaukampf-Arena. Die Zuschauer saßen hier auf den Stühlen, während sich dort unten welche die Köpfe einschlugen. Der Raum unten war kahl und ohne Einrichtungen, von ein paar Kisten abgesehen. Lediglich eine große Glocke konnte ich an der Wand ausmachen. Wohl der Gong. Und eine Art Gefängniszelle, rechts an der Wand. Scheinbar leer, aber auch nicht verlässlich zu sagen, denn man konnte sie nicht ganz einsehen. Einen Zugang nach unten gab es nur über eine schmale steinerne Treppe links an der Wand des Raumes entlang. Ein Fallgittertor, was allerdings nun offen war, sorgte dafür, dass die Kämpfer im Raum blieben. „Und nun?“ fragte Ashley. Gute Frage! Hier oben gab es ganz offensichtlich nichts von Bedeutung. „Wir können uns nur noch da unten umsehen.“ sagte Leon langsam und sah in die „Arena“ hinunter. Ich konnte ihm ansehen, dass ihm dabei jedoch nicht wohl war. Was ich verstehen konnte. Auch mir war die Sache nicht geheuer. Es lag mal wieder so eine unsichtbare Bedrohung in der Luft. Da unten lauerte etwas! Trotzdem gingen Leon und ich zur Treppe. „Ashley, du bleibst hier oben!“ sagte Leon nur noch knapp und wir stiegen langsam die Treppe runter. Unten angekommen sahen wir nicht sehr viel mehr, als von oben. Außer den Inhalt der Gefängniszelle. Und diese war nicht so leer, wie ich Anfangs geglaubt hatte! Ganz hinten an der Wand stand jemand. Ein Mann, riesig, bestimmt 2 Meter groß und sehr muskulös. Er trug einfache braune Lederhosen und Schuhe, der Oberkörper war nackt. Aber ansonsten hätte er locker als Hauptfigur für einen Gruselfilm herhalten können. Sein Kopf war mit einem metallischen Helm bedeckt. Ein bißchen wie ein Ritterhelm, nur viel grotesker. Einzig ein breites Guckloch war oben eingelassen, durch das man seine Augen sehen konnte. Zumindest das, was mal Augen waren. Ich konnte es nicht richtig erkennen, aber irgendwas stimmte mit ihnen nicht. Beinahe sahen sie aus wie...zugenäht? Er stand regungslos an der Wand, war mit Eisenriemen dort fixiert. Man hätte ihn beinahe für tot halten können, wenn sich nicht sein Brustkorb leicht unter gleichmäßigen Atemzügen bewegt hätte. Dann fiel mir allerdings ein noch viel interessanteres Detail ins Auge. Um seinen Hals hing eine Kette, an der ein schwerer, altmodischer Schlüssel hing. Ich konnte mir gut vorstellen, zu welcher Tür der wohl passte. Leon schien den gleichen Gedanken zu haben. Doch auch er traute dem Kerl wohl nicht. Dass er angekettet war, musste wohl seine Gründe haben. Und nach allem, was wir bisher erlebt hatten, konnte man auch nicht sicher sein, dass die Fesseln ihn hielten. Aber wir hatten wohl kaum eine Wahl. „Katharina, du bleibst hier draußen. Ich geh da rein und versuche den Schlüssel zu kriegen.“ sagte er und wollte schon die Tür öffnen. „Leon!“ sagte ich und ergriff ihn am Arm. „Willst du nicht lieber erst versuchen den Kerl zu erledigen? Ich trau dem Braten nicht!“ Leon blickte zweifelnd zu ihm rüber. „Vielleicht hast du recht.“ sagte er dann langsam. Er wich wieder einige Schritte von der Tür zurück, nahm den Kerl aufs Korn und gab einen gezielten Schuss auf seine Brust ab. Die Kugel schlug in die Muskelbepackte Brust ein und der Kerl brüllte wie ein Tier auf. Allerdings klang es nicht wie ein Todesschrei, sondern eher wie ein verletzter und deshalb wütender Stier. Und genau so benahm sich der Knabe dann auch! Noch während er den Schrei ausstieß, riss er die Arme hinter seinem Rücken hervor und sprengte dabei den Eisenriemen, der ihn bisher fixiert hatte. Leon und ich sprangen erschrocken zurück. Im nächsten Moment erschienen lange Eisenklauen an den Armen des Riesen und er stürmte auf die Tür zu, die er einfach rammte. Mit lautem Geschepper flog sie auf und landete verbogen auf dem Fußboden. Kurz hielt der Riese inne und schwenkte seinen behelmten Kopf hin und her, bevor er mit einem weiteren wütenden Brüllen auf uns zupreschte und begann mit den Klauen unkoordiniert um sich zu schlagen. Leon und mir blieb keine Zeit irgendwas zu sagen oder uns zuzurufen. Wir schafften es gerade noch uns vor den herumsausenden Klingen in Sicherheit zu bringen und ein paar Meter Sicherheitsabstand zu gewinnen. Nach ein paar weiteren wütenden Hieben beruhigte sich der Bursche auch erst einmal, warf allerdings ein paar mal den Kopf suchend hin und her. Tatsächlich schien er blind zu sein, denn sein Angriff und seine ganzen Bewegungen waren doch sehr unkoordiniert und hatten nichts mit einem gezielten und wohlüberlegten Angriff gemein. Leon und ich wichen, den Knaben beobachtend immer weiter zurück. Wir überlegten wohl beide, wie wir ihn erledigen konnten. Denn scheinbar war er nicht einfach so zu töten. Die Kugel in die Brust hätte zumindest jeden normalen Menschen sofort umgebracht. Ihn hier hatte es bloß wütend gemacht. Bestimmt trug er auch so einen Parasiten in sich! Langsam begann er umherzuwandeln, immer wieder eine Art drohendes Knurren von sich gebend. Ich wich immer mehr in die entgegengesetzte Richtung aus, in der er lief und betrachtete ihn dabei ganz genau. Irgendeinen Schwachpunkt musste der Kerl doch haben! Als ich seinen Rücken einsehen konnte, musste ich ein angewidertes Würgen unterdrücken. Oben, knapp unter Schulterhöhe konnte ich eine riesige pulsierende Beule entdecken. Sie saß direkt über seiner Wirbelsäule und unter der zum Teil eingerissenen Haut bewegte sich unablässig irgendwas. Ich hatte wohl den Parasiten gefunden. Wahrscheinlich auch seine Schwachstelle. Aber wie sollte ich Leon das klar machen? Dieser machte genau in dem Moment einen Fehler. So wie ich, so war auch er immer mehr vor dem Kerl zurückgewichen, hatte aber wohl nicht wirklich darauf geachtet, wohin, bzw. was hinter ihm war. Und stolperte prompt über eine kleine Kiste hinter ihm und landete halb auf einem Fass, das dahinter stand. Unnötig zu sagen, dass das nicht leise von statten ging. Der Riese, blind aber dafür um so besser hörend, registrierte das sofort. Mit einem erneuten Brüllen stürmte er in Leons Richtung. Dieser kam gerade dazu zur Seite zu hechten, bevor die metallischen Klauen die Kiste und das Fass in ihre Einzelteile zerlegten. Und sich dann in der Wand dahinter verkeilten. Eine Sekunde beobachtete ich ihn, wie er wütend knurrend versuchte seinen Klauenarm wieder zu befreien, als mir ein Geistesblitz durch den Kopf schoss. Ich sprintete auf ihn zu, riss die Pumpgun in den Anschlag und verpasste der Beule auf seinem Rücken eine ordentliche Ladung Schrot. Es wirkte! Der Parasit bäumte sich unter der Haut auf, mehrere Tentakeln schossen darunter hervor, wild um sich peitschend und der Riese gab dieses Mal eindeutig einen Schmerzensschrei von sich und ging in die Knie. Aber den Rest gegeben hatte ich ihm offensichtlich noch nicht damit. Denn nach nur wenigen Sekunden beruhigte sich der Parasit unter seiner Haut wieder und der Kerl sprang mit einem wütenden Schrei wieder auf die Beine. Dieses Mal schaffte er es seine Klauen aus der Wand zu befreien und er raste blind in die Richtung, aus der er den Schuss vermutete. Also in meine Richtung. Ich, gefasst auf diese Attacke tänzelte beinahe spielerisch zur Seite und ließ den Typen einige Meter weiter entfernt die Luft in Stücke schneiden. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Leon, der nun seinen Rücken voll im Blick hatte die Magnum zückte und anlegte. Die Waffe im Anschlag, ein berstender Knall und der Parasit auf dem Rücken des Kerls explodierte in einer ekelhaften grünen Matsche, vermischt mit Blut. Der Riese sank mit einem letzten Schrei in die Knie und landete auf seinem Gesicht. Regungslos blieb er liegen. Nur langsam wagten Leon und ich uns dem Riesen zu nähern. Obgleich wir beide ziemlich sicher waren, dass er nun tot war. Aber wer gab uns darauf eine Garantie. Doch er war eindeutig tot. Leon versetzte ihm einen derben Stoß mit dem Fuß, allerdings keine Reaktion. Zudem hatte sich bereits eine riesige Blutlache unter ihm gebildet. Schließlich packte Leon ihn an der Schulter und wälzte ihn auf den Rücken. Es erlaubte einen Blick in das, was von seinem Gesicht zu sehen war. Es ließ mich erschaudern. Seine Augen waren tatsächlich zugenäht worden und das sehr grob. Ich konnte mir vorstellen, dass dies alles andere als schmerzlos gewesen war! Großer Gott, was machten die hier nur mit ihren Leuten?! Leon schien das nicht sonderlich zu interessieren, denn er griff einfach nur den Schlüssel und riss ihn grob von seinem Hals. „Los jetzt! Raus hier!“ sagte er dann und machte sich zurück zur Treppe. Ich folgte ihm. Nur war das Gittertor oben verschlossen! „Ja super!“ sagte ich laut. „Leon! Katharina!“ hörten wir plötzlich Ashley. Sie kam zur Tür gelaufen. Ihr Gesicht hatte einen leichten Grünstich. „Gott sei Dank! Ich dachte, das Ding zerstückelt euch!“ „Keine Sorge!“ lachte Leon beruhigend. „So leicht sterben wir nicht!“ „Ja, aber rauskommen tun wir hier auch nicht!“ sagte ich und rüttelte an den Stäben. „Das Tor ging runter, als sich das Ding in der Zelle befreit hat.“ sagte Ashley und deutete auf die Gefängniszelle. „Dann muss es einen versteckten Mechanismus geben.“ meinte Leon und wandte sich wieder um. „Komm, Katharina. Wir sehen uns mal in der Zelle genauer um.“ Wir liefen die Treppe wieder herunter zu der Zelle zurück. Und wir mussten auch nicht lange suchen, denn direkt neben der Stelle, an der der Kerl angekettet gewesen war, war ein Hebel an der Wand. Diesem hatten wir wohl vorher einfach keine Beachtung geschenkt. Leon zog ihn und sofort fuhr die Tür oben an der Treppe knirschend nach oben. So schnell wie wir nur konnten verließen wir den Ort des Grauens und machten uns auf den Weg zur verschlossenen Tür. Unnötig zu sagen, dass der Schlüssel natürlich passte. Hinter der Tür lag abermals ein kurzer schmaler Gang, der sich dahinter deutlich weitete. Nur…endete er nach etwa zwanzig Metern. Dann kam nur noch nackte Wand. Aber irgendwas musste es da ja geben. Langsam gingen wir weiter. Plötzlich bekam Ashley einen schrecklichen Hustenanfall neben uns. Wir wirbelten zu ihr herum, genau rechtzeitig um zu sehen, wie sie die Hände vor ihrem Mund mit Blutspritzern besudelte. Das schien sie auch selbst zu registrieren, denn als der Husten aufhörte, sah sie mit vor Entsetzen geweiteten Augen auf ihre blutbesudelten Hände herab. „Bist du okay?!“ fragte Leon besorgt und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Mir gehts gut!“ schrie Ashley auf und stieß Leons Hand weg. „Lass mich in Ruhe!“ Dann lief sie davon, denn Gang hinauf. „Ashley, warte!“ rief Leon. Wir setzten an ihr nachzulaufen, doch plötzlich schossen direkt vor unseren Füßen Speere aus dem Boden und versperrten uns den Weg. Erschrocken prallten Leon und ich zurück und wir konnten hören, wie Ashley ängstlich aufschrie. Ich sah hoch und konnte erkennen, wie sie immer weiter zurück wich. Eine nächste Speerreihe sauste knirschend nach oben, wieder nur wenige Zentimeter von ihren Füßen entfernt. Panisch rannte Ashley den Gang hoch. Noch drei weitere Reihen Speere sausten hoch, knapp hinter ihren Füßen. An der Wand angekommen, drängte sie sich ängstlich keuchend an die Steine und sah panisch zu uns zurück. „Ashley!“ rief Leon. Kaum war das raus, sausten plötzlich aus insgesamt sechs Öffnungen neben Ashley Eisenriemen heraus und fixierten sie an der Wand. Nicht nur sie, auch ich stieß einen leisen Schreckensschrei aus. „Was geht hier vor?“ schrie Ashley panisch, bevor sich plötzlich der Teil der Wand, an dem sie fixiert war aus der Wand löste und wie eine Drehtür umschwenkte. Ashley war verschwunden. Vor uns war nur noch nackte Wand. „Keine Angst, Ashley! Wir holen dich!“ rief Leon ihr nach. Keine Antwort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)