The Cookie Jar von CaptainMoek (YGO-One Shots, PWP, Smut & Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 23: Jenga - Azureshipping --------------------------------- Der Wein schmeckte süß.   Süß und wunderbar, wie jener Wein, den wir in unserem letzten gemeinsamen Urlaub getrunken hatten, nachdem die Sonne hinter unserer Terrasse untergegangen war. Ich war kein besonders großer Trinker, doch ich genoss den Geschmack und das Gefühl des Rotweins, während er sich langsam auf meiner Zunge verteilte und dann ein Gefühl der inneren Wärme hinterließ. Es war schön. Es erinnerte mich an nicht allzu lang vergangene Zeiten.   Die Stimme unseres Hauscomputers drang in mein Bewusstsein und ich drehte meinen Kopf in Richtung der offenen Küchentür.   „Willkommen zurück, Master Kaiba. Es ist genau 20:00 Uhr. Bis zum Gala Dinner mit Ihrem Geschäftspartner Maximilian Pegasus bleiben Ihnen und Miss Gardner noch genau 1 Stunde, 30 Minuten und...“   Ich hörte leises Rumoren im Flur des Penthouses, das Abstreifen von Schuhen und Mantel. Ein weiterer Schluck Rotwein fand seinen Weg in meine Kehle, während ich darüber nachdachte, zu meinem Verlobten zu gehen und ihm einen Begrüßungskuss zu schenken. Doch stattdessen spürte ich, wie meine Fingernägel unruhig auf dem gläsernen Esstisch trommelten.   „Guten Abend, Schatz.“ Kurz, knapp, auf das Wesentliche reduziert. Ganz so, wie die Öffentlichkeit einen Seto Kaiba kannte. Ganz so, wie ich ihn als junge Schülerin der Domino High School kennengelernt hatte. Bis zu jenem Tag, als wir uns durch einen unverhofften Zufall wiedertrafen...   „Guten Abend.“ In der gleichen Manier antwortete ich ihm, während er in die Küche stolperte und zum Kühlschrank schritt, um sich eine gläserne Flasche Wasser herauszunehmen. Schien wohl ein wirklich stressiger Tag in der Firma gewesen zu sein, denn ich tippte darauf, dass er mal wieder Tasse um Tasse schwarzen Kaffee in sich hineingeschüttet hatte und sich diese Tatsache nun rächte. Ich kannte ihn lange und gut genug. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, womöglich in ein Minenfeld zu treten, wenn ich ihn gleich darauf ansprechen würde, ob es in der Firma gerade Stress gab. Also versuchte ich eine etwas weniger risikoreiche Frage.   „Wie war dein Tag?“   „Er war produktiv. Nichts außergewöhnliches.“ Mein Verlobter stellte die Flasche auf den Tresen, wo unsere Hausangestellten sie irgendwann aufräumen würden. „In ungefähr einer Stunden müssen wir unten im Wagen sein, also wenn du das Badezimmer noch benutzen oder dich umziehen musst...“   Während er sprach drehte er sich zu mir um – und verstummte. Und mir wurde klar, dass er mich seitdem er einen Fuß in unser gemeinsames Apartment gesetzt hatte, nicht einmal richtig angesehen hatte. Ich saß ihm auf einem der Barhocker gegenüber. Fertig geschminkt, formell und zeitlos elegant gekleidet, die Haare zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur frisiert und mit einem roten Ton auf den Lippen, der sehr wahrscheinlich mehr gekostet hatte, als der Barhocker auf dem ich saß. Ich hasse Geschäftsessen und öffentliche Auftritte. Doch ich hatte es stets aus Liebe zu ihm getan.   „Oh...“ War alles, was über seine Lippen kam. Seine blauen Augen nahmen mein Gesamtbild für den Bruchteil einer Sekunde in Augenschein, bevor er kurz sein kastanienbraunes Haar schüttelte.   „Du denkst wirklich immer voraus. Dann werde ich nun eine kurze Dusche nehmen und wir werden pünktlich bei Roland im Wagen sitzen.“ Während er sprach war er ohne einen weiteren Blick zu verschwenden an mir vorbeigeschritten und hatte die Küche verlassen. Ich senkte meine schweren Augenlider, die sich von Make Up und den falschen Wimpern gerade zu überladen fühlten, zurück auf den Glastisch und schob das Weinglas von mir, um stattdessen nach meinem Mobiltelefon zu greifen.   „Ist schon in Ordnung. Du hast das ganze Bad und das ganze Ankleidezimmer für dich allein.“   Ich war mir nicht sicher, ob er es hörte, doch ich war auch nicht in der Stimmung dafür, auf eine Bestätigung von ihm zu bestehen. Während ich kurz ein paar Zeilen auf meinem Handy tippte, starrte ich auf den Ring, den ich am rechten Ringfinger trug. Klein und silbern mit einem azurblauen Stein in der Mitte. Unser Verlobungsring. Du hast mir die entscheidende Frage in unserem letzten Ägypten-Urlaub gestellt, vor dem wunderbaren Sonnenuntergang.     Irgendwann saßen wir in der Limousine, irgendwann lieferte Roland uns sicher in besagtem Hotel, welches ein nobles Restaurant beinhaltete ab und irgendwann war auch der formelle Teil vorbei, bei dem nur über das Geschäftliche gesprochen wurde. Maximilian Pegasus, der seitdem ich mich erinnern konnte, niemals etwas von seiner extravaganten, skurrilen Art eingebüßt hatte, hatte mich ganz klassisch mit einem Handkuss begrüßt und großspurig gelobt, was für einen exquisiten Geschmack doch unsere persönliche Stylistin hinsichtlich meines Abendkleids hatte – das ich mich niemals von Setos Stylistin ausstatten ließ, sondern meine Garderobe und Make Up stets selbst auswählte, erwähnte ich dabei nicht. Bis heute war mir dieser Kerl nicht geheuer, doch ich spielte sein Spiel mit und tat so, als wäre ich völlig gerührt und überrascht hinsichtlich seines Lobs. Tatsächlich rang ich mir sogar ein verlegenes Kichern ab, während sein Blick heimlich auf den Verlobungsring an meiner Hand wanderte, die ich andächtig auf meinen Ausschnitt gelegt hatte.   Meine eigene Familie war zwar weder besonders arm, noch besonders reich gewesen, doch in solchen Kreisen hatte sie nie verkehrt. Auch Seto war nicht in eine solche Gesellschaft geboren worden – doch er war sie wesentlich länger gewohnt als ich es war. Trotzdem hatte ich mich angepasst. Weil ich mich in ihn verliebt hatte. Weil wir zusammenbleiben wollten.   „Mister Kaiba und Miss Gardner, ein Photo bitte für den Domino Daily.“ Irgendein Journalist, der unauffällig irgendwo gewartet haben musste, sprach uns von der Seite an und wir fügten uns seiner Bitte. Wie ein gespieltes Team. Wir hatten dieses Spiel in den letzten Jahren so oft mitgespielt, das wir mittlerweile richtig gut darin waren.   Ich schlang einen meiner Arme um Seto und hielt in der anderen Hand meine Handtasche fest, so dass er seinen Arm um meine Taille schlingen und seine freie Hand in die Tasche seiner Anzughose stecken konnte. Eine vertraute, nicht zu übertriebene Pose, die deutlich machte, dass wir zusammengehörten. Würden wir uns zu steif oder gar zu distanziert in der Öffentlichkeit zeigen – das Ausmaß wäre katastrophal. Die Klatschpresse hätte uns schneller aufgefressen, als wir Duel Monsters sagen könnten.   Und wir hielten diese Balance auch weiterhin für den Rest des Abends. Als wären wir routinierte Schauspieler, die ihre Rolle immer und immer wieder dem zahlenden Publikum präsentierten.     Das Geschäftsessen mit den Leuten von Maximilian Pegasus war weit nach Mitternacht beendet. Wir fuhren schweigend zurück zu unserem Apartment. Erst, als wir uns dort nacheinander bettfertig machen, schien ein gewisser Teil der Anspannung langsam abzufallen.   Im Nachthemd saß ich, wartend auf meinen Verlobten, auf der Kante unseres gemeinsamen Bettes und als er aus dem Badezimmer trat, ahnte ich bereits, worauf er hinauswollte. Er trug eine frische Pyjamahose – doch sein Oberkörper war frei. Mein Herz klopfte schneller in meiner Brust, denn es war bereits ein paar Wochen her, seitdem wir das letzte Mal überhaupt ein wenig Zeit für uns hatten und es kam mir wie eine gefühlte Ewigkeit vor, das wir miteinander Sex gehabt hatten. Es war also ein fantastischer Schachzug von ihm. Eine großartige Idee, diesen Abend abzuschließen. Und vielleicht sogar zu retten.   Ich streckte meine Hand aus und ergriff die seine, bevor ich ihn auf das Bett zog und ihm einen Kuss schenkte, die Finger in seinen Haaren vergraben, Nach all den Jahren kannten wir den jeweils anderen natürlich auswendig, weshalb wir keine Zeit mehr mit überflüssigen Streicheleinheiten verschwendeten, so wie Teenager. Seine schönen Hände zogen mir das Nachthemd über den Kopf, meine Schlafshorts folgten genauso rasch, so dass ich schnell nackt unter ihm lag. Und plötzlich am liebsten die Bettdecke genommen hätte und mich vor seinen Blicken versteckt hätte.   Der anfängliche Funke von Lust und Euphorie war erloschen und genauso schnell wie ich meinen Verlobten am liebsten zum aufhören bewegen wollte, wollte ich mir selbst für diesen Gedanken die Hand vor den Mund schlagen. Dieser Moment war doch ein Zeichen seiner Liebe und seiner Hingabe. Sonst würde er doch nicht mit mir schlafen wollen. Warum wollte ich es plötzlich nicht mehr? Wir lebten seit einem ganzen Jahr schon zusammen und planten eine Hochzeit im nächsten Jahr. Es gab also keinen Grund, den Sex nicht zu genießen. Wir hatten sonst immer phantastischen Sex, erfüllend, befriedigend, abwechslungsreich in jeder Hinsicht.   Gehabt. Wir hatten phantastischen Sex gehabt.     „Tea? Liebling?“, seine Stimme ging mir plötzlich so sehr durch Mark und Bein, als hätte man mich bei irgendetwas erwischt, das ich besser nicht tun sollte. Ich konnte meinen Gesichtsausdruck nicht kontrollieren und musste ihn in diesem Moment anstarren wie ein kleines Kind, das man gerade beim Stehlen von Bonbons erwischt hatte.   „Nein...bitte mach weiter...es ist angenehm so...“   Es gab keinen Grund. Es gab keinen Grund. Ich wiederholte es immer und immer wieder wie ein Mantra, während ich seine Hand ergriff und zurück zwischen meine Oberschenkel führte.       Es war wie immer eine kurze Nacht. Wir waren beide keine Langschläfer, Seto sogar noch weniger als ich. Das einzige Mal, das ich ihn bis weit nach Mittag schlafen erlebt habe, war der Morgen in einem unserer Urlaube gewesen. Bis spät in die Nacht hatten wir einfach nur Sex gehabt und waren dann nackt und ausgelaugt eingeschlafen...bis mich die Hitze der Morgensonne auf Bali als Erste geweckt hatte. Lange hatte ich meinen geliebten Seto einfach nur betrachtet und in den Erinnerungen an unsere wundervolle Nacht geschwelgt.   Doch am heutigen Morgen fühlte ich mich niedergeschlagen und wie eine Fremde im eigenen Haus.   Seto war bereits aufgestanden, doch ich hörte ihn nicht in der Wohnung. Vielleicht war er im Arbeitszimmer und saß vor dem Computer, obwohl heute Sonntag war und er nicht in die Firma musste. Vielleicht war er auch überhaupt nicht zuhause. Irgendwie hatte dieser Gedanke etwas...befreiendes. Es bedeutete, dass ich nicht auf Zehenspitzen um ihn herumlaufen musste. Oder das wir miteinander sprechen mussten. Ich könnte den Tag über einfach mit mir und meinen Gedanken alleine sein.   Doch um ganz sicher zu gehen rollte ich mich auf den Rücken, streckte mich kurz und fragte dann den Hauscomputer.   „Wo befindet sich Master Kaiba?“ „Miss Gardner, Master Kaiba befindet sich in der Küche. Die Kaffeemaschine ist angeschaltet.“   Mit einem Mal erstarb in mir auch der Gedanke an Frühstück oder die Lust mich in die Küche zu meinem Verlobten zu setzen. Vielleicht irgendetwas zusammen mit ihm an unserem freien Tag zu unternehmen. Ich wollte hier bleiben. Doch gleichzeitig war dies genauso mein Apartment und wir waren zwei achtundzwanzig Jahre alte, erwachsene Menschen. Wieso spielte ich ein merkwürdiges Versteckspiel mit meinem Verloben? Und wieso spielte er es auch noch mit?   Mit plötzlicher Selbstsicherheit stand ich im Nachthemd aus dem Bett auf und betrat die Küche, wo tatsächlich Seto am gläsernen Küchentisch saß und etwas auf einem hauchdünnen Bildschirm in seinen Händen las. Die Kaffeetasse stand dampfend vor ihm. „Guten Morgen“, begrüßte ich ihn und zu meiner Überraschung hob er den Kopf, um mich anzublicken. „Guten Morgen“, antwortete er wie immer kurz angebunden. Ich beließ es dabei und begann, mir ebenfalls einen Kaffee zu machen.   Die Stille, die neben dem surrenden Geräusch der Maschine im Raum herrschte, war unerträglich und bereitete mir einen solchen Kloß im Hals, dass ich kaum wusste, wie ich meinen Kaffee trinken sollte.   „Ich möchte Blau für die Hochzeit.“ Es war das denkbar schlechteste und unzusammenhängendste Thema, das ich hätte ansprechen können und ich fühlte auf der Stelle eine Welle von Reue, die mich durchfloss. Doch ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen. Seto hob erneut den Kopf und seine Stimme war dieses Mal ruhiger als sonst.   „Wie meinst du das?“ „Ich spreche von den Hauptakzenten. Überall könnte die Farbe Blau eingestreut sein. In den Blumen des Brautstraußes. Und der Dekoration im Saal. Überall könnte ein Hauch Blau sein, so Blau wie das Meer.“   Ich erwartete alles. Angefangen von der Möglichkeit, das er mich auslachen würde und sagen würde, das er noch nie so etwas kindisches gehört hätte und ich mit dieser Idee gleich die Schüler seiner Duell Akademie nach Inspirationen fragen könnte, bis hin zu der Möglichkeit, das er sofort aufspringen und Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde. Ganz der Workaholic der er war. Nichts von Beidem geschah.   „Das klingt gut.“   Sein Blick wurde wieder auf das Display in seinen Händen gesenkt. Und ich fühlte Tränen hinter meinen Augen aufsteigen, die ich zusammen mit einem großen Schluck Cappuccino herunterschluckte.     Ungefähr eine Stunde später stand ich ein paar Straßen weiter vor dem Tanzstudio. Normalerweise war ich sonntags selten – wenn nicht sogar nur in absoluten Notfällen – vor Ort, denn ich wusste, dass meine angestellten Mädels auch ohne mich zurechtkamen und den Laden führen konnten. Umso überraschter hob Mai ihren Kopf, als ich plötzlich durch die Tür trat und sie schob ein paar Dokumente beiseite, die sie gerade hinter dem Empfang bearbeitete.   „Tea, Herzchen! Was treibt dich denn heute hier her?“ „Ach, nichts besonders.“, sofort setzte ich ein Lächeln auf und stütze mich kurz auf dem Tresen ab. „Ich hab nur heute nichts vor und habe gedacht, ich könnte die Zeit einmal nutzen, um Dinge zu erledigen, zu denen ich nie komme, wenn ich Kurse gebe. So etwas zum Beispiel.“ Ich zupfte spielerisch an dem Dokument unter Mais Fingern – wahrscheinlich eine Anmeldung oder irgendeine Abrechnung – und bemühte mich um einen freundlichen Gesichtsausdruck. Doch die Augenbrauen der hübschen Blonden wanderten nur skeptisch zu ihrem Haaransatz.   „Du willst wirklich deinen einzigen freien Tag in der Woche für Papierkram verschwenden? Herzchen, lass das doch eins der Mädchen aus der Buchhaltung machen, für so etwas hast du sie doch schließlich eingestellt.“   Ich schüttelte den Kopf und lächelte noch einmal so breit und überzeugend wie möglich. „Nein, ist schon in Ordnung. Ich bin dann mal im Büro.       Es hatte gut getan. Sehr gut getan. Umso schwerer war das Gefühl, das mich umgab, als ich wieder im Aufzug in die Penthousewohnung fuhr. Als würde oben angekommen, sich irgendetwas in mir dagegen wehren, den Zahlencode in die Tür einzugeben .   Warum spielten wir beide noch dieses Spiel? War es womöglich einfach unsere Art? Spiele zu spielen? Wir hatten uns durch ein Spiel kennengelernt. Waren das hier unsere letzten Züge? So wie in einem Spiel?   Wer von uns würde den letzten Zug also tun müssen, um das Spiel zu beenden?     „Willkommen zurück Miss Gardner. Es ist genau 18 Uhr, 17 Minuten, 30 Sekunden und...“ Ich hörte dem Hauscomputer nicht wirklich zu, während ich mich meiner Schuhe und Jacke entledigte und die Küche betrat. Das Licht war ausgeschaltet, doch ich sah Kaffeetassen und halbvolle Wassergläser auf dem Tisch und der Arbeitsfläche verteilt. Ein klares Zeichen dafür, dass Seto den ganzen Tag am Computer gearbeitet hatte. Als ich auch kein eingeschaltetes Licht aus dem Wohnzimmer erkennen konnte, sah ich davon ab, den Hauscomputer zu fragen, wo mein Verlobter steckte. Er war mit Sicherheit in seinem Arbeitszimmer.   Ohne nach ihm zu sehen oder ihn zu begrüßen ging ich hinüber ins Ankleidezimmer, um mir etwas anderes anzuziehen und mich dann im Wohnzimmer auf das große Sofa zu setzen.     Ich hatte mir eine dünne Decke über meine Beine gelegt und ließ den Fernseher laufen, während ich ein paar Textnachrichten an meinem Handy beantwortete. Auf dem gigantischen Display, der das Wohnzimmer wie eine gläserne Wand teilte, sah ich aus den Augenwinkeln heraus die Slideshow, die stets vorbeilief, wenn er ausgeschaltet war. Es waren verschiedene Photos. Von uns. Aufgenommen von den verschiedensten Personen. Photographen, Journalisten. Manchmal auch einfach nur wir. Photos von uns, auf irgendwelchen Galas und Eröffnungszeremonien. Selfies aus unserer gemeinsamen Freizeit. Photos, auf denen Mokuba ebenfalls zu sehen war und manchmal sogar wir mit meinen Freunde Yugi, Joey und Tristan.   Ich hob den Kopf, als sich etwas hinter der gläsernen Wand bewegte und erkannte Seto, der langsam zu mir an die Couch herantrat und sich stumm zu mir setzte, während er den Duel Monsters-Livestream verfolgte, der gerade übertragen wurde.   Ich war am Zug. Ich musste ihn spielen. Sonst konnte niemand von uns beiden hier gewinnen.     „Liebst du mich?“   Es war noch nie meine Art gewesen, um Dinge herumzureden. Und ich hatte hiermit meinen Zug beendet. Und nun war er an der Reihe, wie bei einem Duel Monsters-Spiel. Oder einem Jenga-Turm, denn hier war eindeutig etwas dabei, gerade in sich zusammenzufallen, ohne das es irgendjemand noch aufhalten konnte. Doch wir mussten es tun. Noch hatten wir nicht verloren.   Seto Kaiba, der Erbe eines gigantischen Konzerns und mein Verlobter, an dessen Seite ich mich alt werden gesehen habe, senkte den Blick und schien ins Leere zu starren. Seine Pupillen zitterten. Und ich verspürte die gewaltsame Mischung, ihn gerne in die Arme schließen zu wollen, als auch ihn bloß von mir weg zu stoßen. Es herrschte ein absolutes Chaos in meinem Kopf. Nichts in diesem Raum schien mehr zusammen zu passen, wirklich gar nichts.   Und noch immer kam keine Antwort auf meine Frage.     „Wir haben heute morgen noch übers Heiraten gesprochen.“     Ich hatte verzweifelt auf der Suche nach irgendeinem Haltepunkt meinen Blick auf meine von der Decke verdeckten Knie gerichtet und hob sofort ruckartig den Kopf, als ich seine sachliche Aussage hörte. Er schaute mich an. Mit einem Gesichtsausdruck den ich nicht oft von ihm kannte. Es war der Gesichtsausdruck der Ratlosigkeit. Nicht weil er nicht wusste, was da zwischen uns war – sondern weil er nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Ich fühlte, wie der Jenga-Turm in meinem Herz einfach in sich zusammenfiel.   Es war vorbei. Und wir wussten es beide. Wir hatten beide hiermit das Spiel verloren.   „Habe ich etwas falsch gemacht?“ Die erste Träne rollte nun über meine Wange und eine innere Stimme sagte mir, dass eine solche Frage viel zu emotional war, um sie in dieser gefühlsbetonten Situation zu stellen. Doch ich musste es wissen.   „Nein, Tea. Es ist einfach passiert. Es ist einfach so gekommen.“   Seine Augen glänzten. Ich wollte nach seiner Hand greifen und sie in meiner halten, doch ich fühlte mich so, als würde ich jeden Moment in einen einzigen Weinkrampf ausbrechen, sollte ich mich zu viel bewegen.   „Ist das also das Ende vom Lied?“   Meine Stimme musste furchtbar hoch und gebrochen klingen und als ich sah, wie nun Seto stumm und ohne das sein hübsches Gesicht auch nur irgendetwas von seiner Schönheit verlor, anfing zu weinen, konnte ich es nicht mehr zurückhalten.   Wir beide saßen nebeneinander und beweinten den Trümmerhaufen, der einst unsere Beziehung gewesen war. Und plötzlich spürte ich, wie er mein Handgelenk ergriff und mich sanft an sich heranzog, so dass er mich in die Arme schließen konnte.   Stark und schön.   So hatten sie immer über uns geschrieben, die sensationsgierigen Journalisten von Domino City. Die Blogger mit ihren Duel Monsters-Blogs. Die ganze Öffentlichkeit, die unsere Beziehung von Anfang an mitverfolgt und analysiert hatte.   Und Seto hatte einmal gesagt, dass er sich manchmal nicht sicher war, wer von uns beiden eigentlich was war. Vielleicht waren wir beide irgendwo beides.   „Wie soll es denn nun weitergehen? Kündigen wir live auf der Facebook-Seite der Kaiba Corporation an, dass es keine Hochzeit geben wird? Sich das Traumpaar der Domino High Society auseinander gelebt hat?“ Zwischen Tränen und krampfartigem, unkontrolliertem Zittern versuchte ich es noch irgendwie ironisch klingen zu lassen. Dem Ganzen den Hauch einer gewissen Leichtigkeit zu geben. Rang mir sogar ein kurzes Lächeln ab. Doch kaum hatte es meine Lippen verlassen, brachen die Tränen wieder aus mir hervor und Seto schlang die Arme noch enger um mich.   „Ich weiß es nicht, Tea...wir werden sehen, was der Morgen bringt.“       Es mussten mehrere Stunden vergangen sein, in denen wir noch immer auf der Couch saßen. Uns in den Armen hielten. Tränen vergossen. Hier und da ein paar Überlegungen ansprachen, die mit einer Trennung einhergingen. Seto ließ irgendwann den Hauscomputer eine Nachricht an die Mitarbeiter der Kaiba Corporation herausgeben, dass er morgen nicht zur Arbeit erscheinen würde. Wir würden morgen beide zuhause bleiben und einen Plan entwickeln.   In dieser Nacht schliefen wir sogar noch ein letztes Mal im gleichen Bett, doch es fühlte sich nicht mehr befremdlich an.   Das Spiel war beendet. Die Lebenspunkte auf Null gesunken.   Unser Jenga-Turm stand nicht mehr. Und wir beide würden nun die jeweiligen Steine aufsammeln, so dass jeder seinen Anteil tragen konnte.   Und irgendwann vielleicht einmal etwas neues daraus bauen. Irgendwann. Mit einem anderen Mitspieler. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)