The vow between the lines von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 1: Ein Stück wahrgewordener Traum 1 ------------------------------------------- Wie ferngesteuert verließ Ray die Schule, als der letzte Gong ertönte. Sie war froh, dass dieser Tag endlich vorbei war. Schon in der Nacht hatte sie kaum ein Auge zu getan und selbst während des Unterrichts hatten sie Tagträume verfolgt. Normalerweise kam so etwas eher selten vor, doch in den letzten Tagen hatten diese Träume stark zugenommen. Ständig sah sie diese Bilder vor ihrem inneren Auge. Bilder voll Dunkelheit und Blutvergießen. Sie hinterließen sie mit einem seltsam beklemmenden Gefühl und doch schlug ihr Herz jedes Mal wie wild. So als läge in diesen Bildern eine Art Hoffnung, die sie bisher nicht begreifen konnte. Trotzdem wünschte sie sich endlich von all dem Befreit zu sein. Sie wollte die Nächte wieder durchschlafen können und sich am Tag nicht noch seltsamer Benehmen als nötig. Denn auch ohne diese Anwandlungen war ihr Leben kompliziert genug. Das bewies nicht zu Letzt der Stoß gegen ihre Schulter, der sie stolpern ließ und dafür sorgte, dass ihre Bücher zu Boden fielen. „Rachel Gardner! Wie immer schmerzt es meine Augen dich zu sehen.“ Auf den Knien sammelte Ray ihre Bücher zusammen, als diese eiskalte Stimme ihr Ohr erreichte. Von einer Person, die sie nur zu gut kannte. „Es gibt mehr als einen Ausgang aus dieser Schule, warum benutzt du nicht den, der deinem Klassenzimmer am nächsten ist, Catherine?“, fragte Ray, als sie sich erhob. Dabei glitt ihr Blick über die gleiche Schuluniform, die sie auch trug. Schwarze Schuhe, weiße Kniestrümpfe, ein dunkelblauer Rock, der knapp oberhalb des Knies endete, eine weiße Bluse und ein ebenfalls dunkelblauer Blazer auf dessen linker Brusttasche das goldene Emblem der Schule eingestickt war. Um Catherine direkt in die kalten, jadegrünen Augen sehen zu können, musste Ray ihren Kopf leicht zurücklegen. In Moment wie diesen hasste sie es so klein zu sein. Denn sogar Catherine war mit ihren 1,66 Metern ganze zehn Zentimeter größer als sie selbst. Was sie wunderbar dafür nutzte um auf sie herab blicken zu können. Mit einer Geste ihrer Hand strich sie sich die honigblonden, Schulterlangen Haare zurück, deren spitzen in ein helles Rosa übergingen, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkte. „Als würde ich mir von dir vorschreiben lassen, durch welche Tür ich dieses Gebäude verlasse.“, zischte sie abfällig. „Genau! Steh ihr also nicht im Weg und verschwinde von hier.“ Rays Blick wanderte zu der unscheinbaren Gestalt neben Catherine. Ihr ewiger Schatten und Schoßhündchen Lucy. Mit ihren schwarzen Haaren, die sie immer in einem geflochtenen Zopf trug und ihrer übergroßen Brille, wirkte sie meist wie eine graue Maus. Doch wenn es um Catherine ging, konnte sie furchtbar grausam und böse werden. Ray war versucht etwas zu sagen, doch erneut blitzte ein Bild vor ihrem inneren Auge auf. Es war die Gestalt, die sie in den letzten Tagen am häufigsten gesehen hatte. Ein großer Mann, dessen Kapuze sein Gesicht verdunkelte, doch dessen eines, goldenes Auge, sie so intensiv anstarrte, als wüsste er genau was sich auf dem Grund ihrer Seele befand. Noch nie hatte sie mehr von diesem Mann gesehen, aber etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte. Egal wie unheimlich er auch wirkte. „Sieh sie dir an. Sie ist ganz geblendet von dir.“ Lucy, die zu Catherine sprach, brachte Ray wieder ins hier und jetzt. Wie immer hing sie an Catherines Arm und bettelte um Aufmerksamkeit, doch diese wies sie mit einem schnalzen ihrer Zunge zurück. Daraufhin wich Lucy einen Schritt zurück und zog den Kopf ein. „Ich werde jetzt gehen.“, sagte Ray, als sie das sah und ging durch die Tür nach draußen. Egal wie sehr Catherine versuchte sie zu ärgern. Sie war immer bemüht nicht darauf einzugehen. Immerhin hatte sie nichts davon, sich hier zum Opfer machen zu lassen und sie empfand Lucy als das größere Opfer. Sie sehnte sich nach nichts anderem, als Catherines Liebe. Ohne zu verstehen, dass sie diese wohl niemals erhalten würde. Ray hatte das Tor der Schule fast erreicht, als die Beiden zu ihr aufgeholt hatten. „Du wagst es, mich einfach so stehen zu lassen?“, zischte Catherine. Ohne ihren Schritt zu verlangsamen, ging Ray weiter und tat so, als würde sie Catherine nicht hören. Sie schritt durch das Tor und bog nach rechts ab. Bis zur nächsten Kreuzung würde sie die Beiden nicht loswerden, doch wenn sie schnell genug lief, dann wäre sie sie in zwei Minuten los. Zumindest war das ihr ursprünglicher Plan. Hätte diese Stimme sie nicht zurückgehalten. Im ersten Moment hatte sie gedacht, sich das Ganze nur eingebildet zu haben. Immerhin besuchte sie eine Mädchenschule und sie kannte eigentlich nur einen Jungen in ihrem Alter. Es war also praktisch unmöglich, dass hier jemand ihren Namen rief. Doch als sie die Stimme erneut hörte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Sie blieb so spontan stehen, dass Catherine fast mit ihr zusammen stieß. Mit einem angewiderten Geräusch trat sie einen Schritt zur Seite und drehte sich um, um zu sehen, wer da wie ein verrückter nach Ray rief. „Oh wie niedlich. Hast du jetzt einen Straßenköter adoptiert?“, fragte Catherine, als sie sich wieder zu ihr umdrehte. „Geh lieber einen Schritt zurück. Nicht das du dir Flöhe einfängst.“, lachte Lucy und trat tatsächlich einen Schritt zurück. Doch keines ihrer Worte erreichte Ray. In diesem Moment gab es nur die Stimme dieses Mannes, die in ihrem Körper wiederhallte. Immer und immer wieder und sie wusste, dass es die gleiche Stimme war, die sie in ihren Träumen immer wieder hörte. Ganz langsam drehte sie sich um, denn sie hatte Angst sie könnte ihn verschrecken, wenn sie sich zu schnell bewegte. Ein bisschen fürchtete sie auch, es könnte wieder nur eine Einbildung sein. Doch dann traf sich ihr Blick mit seinem und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Alles in ihrem Körper wusste, dass sie hier ihrem Seelengefährten gegenüber stand. Sie waren eins. Verbunden durch ein Band, dass älter war, als ihr jetziges Leben und das sie dazu gebracht hatte, sich zu finden. In diesem Moment existierten für Ray nur dieses schwarze und dieses goldene Auge, in die sie blickte. Und das Gefühl, Zuhause angekommen zu sein, durchströmte sie. Es war genau dieser Augenblick. Als erneut das Bild vor ihrem inneren Auge aufblitzte. Der Mann unter der Kapuze, der diese jetzt ganz langsam abnahm. Darunter kam derjenige zum Vorschein, der jetzt einige Meter entfernt vor ihr stand. „Zack?“ Es war eine ungläubige Frage. Sein Name war ihr gerade erst durch den Kopf geschossen, doch sie wusste, dass er richtig war. All das hier war Richtig und Tränen stiegen in ihr hoch. Ja, sie hatte eine Familie. Ein gutes Leben und gute Noten in der Schule, doch ein Teil von ihr, hatte sich immer so gefühlt, als gehöre sie nicht dazu. Dieses Gefühl, dass ihr ganzes bisheriges Leben beherrscht hatte, war in diesem Moment verschwunden. Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihre Lippen und dann konnte sie die Gefühle nicht mehr unterdrücken. Ohne darüber nachzudenken, was die Mädchen um sie herum sagen könnten, begann Ray zu rennen. Sie lief blindlings darauf los, während immer neue Tränen über ihre Wangen liefen und sie nicht aufhören konnte vor lauter Glück zu Lächeln. Es war ihr auch nicht peinlich, denn der junge Mann, Zack, sah genauso aus wie sie. Überglücklich und erleichtert sie gefunden zu haben. Auch wenn er vielleicht nicht der Traum der Mädchen dieser Schule war. Mit seinen wirren, schwarzen Haaren, dem Hockeyschläger über der Schulter und dem Hemd, das unachtsam in seine Hose gestopft war. Das alles war Ray egal. Immerhin konnte sie ihn so ganz für sich haben. Denn jetzt, da sie sein Gesicht gesehen hatte, ergaben all die Bilder, die ihre Träume heimsuchten, plötzlich einen Sinn. Er war es gewesen, der sie aus der Finsternis geführt hatte und der ihr gezeigt hatte, wofür es sich lohnte zu leben. Zack breitete die Arme aus und Ray ließ sich in diese hinein fallen. Sie schlang die Arme um seine schmale Taille und klammerte ihre Finger in seine Jacke, während Zack ebenfalls die Arme um sie legte und fest an sich drückte. Einen unendlich langen Moment verharrten sie so. Glücklich, den anderen gefunden zu haben. Bis Ray schließlich wieder ihre Stimme fand. „Zack! Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie unter Tränen. Sie sah zu ihm auf. Einfach weil sie sein Gesicht sehen wollte. Es sich einprägen und nie wieder vergessen wollte. Jede Gefühlsregung. Sie wollte einfach alles in ihr Gedächtnis einbrennen. Und als Zack zu Lächeln begann, erwiderte sie es sofort. Sanft streichelte er ihr Haar, bevor er mit einem breiten Grinsen antwortete: „Du weißt doch, ich verliere nie etwas aus den Augen, was ich wirklich haben will!“ Sie hatte diese Worte schon einmal gehört. Vor viel zu langer Zeit. In einem anderen Leben. Diese Erkenntnis ließ sie vor lauter Freude lachen und sie wischte sich mit einem Ärmel über die Augen, um ihre Tränen zu trocknen. Ohne Erfolg. „Ja… das habe ich schon einmal gehört.“, sagte sie und drückte ihre Stirn wieder an seine Brust. Unendliches Glück überlief Ray. So intensiv, dass sie kaum noch richtig atmen konnte. Er hatte sie gefunden. Hatte wer weiß was angestellt um jetzt hier sein zu können. Doch da war noch dieses andere Gefühl. Tief in ihrem Herzen verborgen, war da ein Körnchen Angst. Wenn Zack so viel auf sich genommen hatte um sie zu finden, dann ergaben all diese Träume, all die Bilder, für ihn einen Sinn. Er wusste ganz genau was sie verband und nur deshalb war er hier. Weil er die Ray haben wollte, die er kannte. Das machte Ray Angst, denn sie konnte höchstwahrscheinlich nicht diejenige sein, die er sich vorstellte. Und plötzlich weinte sie nicht nur, vor Freude. „Aber es… Es tut mir Leid.“, sagte sie zögernd und löste sich von ihm. Sie sah ihn nicht an, als sie einen Schritt zurück trat und seiner Hand auswich, die er nach ihr ausstreckte. „Was?“, fragte er sofort, versuchte sie aber nicht noch einmal zu berühren. Ray atmete tief ein. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie es aussprechen konnte. Aber sie musste irgendwie. „Ich weiß nicht-“ Bevor sie überhaupt richtig beginnen konnte, trat Zack einen Schritt auf sie zu und zwang sie so zu ihm aufzusehen. „Hey! Weißt du wer ich bin?“, fragte er ernst. Sie blinzelte bei dieser Frage. Auch wenn die Bilder in ihrem Kopf nicht immer Sinn ergaben, sie wusste zumindest, wer der Mann vor ihr war. „Du bist Zack.“, bestätigte sie ihm deshalb, was ihn nicken ließ. „Richtig. Und du bist Ray! Das ist alles, was wichtig ist. Mehr spielt für mich keine Rolle. Das schwöre ich dir.“, fuhr er fort. Diese Worte schallten in Rays Körper wieder, wie der Klang einer Glocke. Sie waren ihr so vertraut, dass ihre Zweifel sich fast vollständig in Rauch auflösten. „Du… schwörst es mir?“ Sie sagte die Worte, bevor sie sich dessen überhaupt bewusst wurde. Doch sie sorgten dafür, dass Zack zufrieden nickte und sie mit diesem Lächeln anstrahlte, dass jede noch so dunkle Nacht erhellen könnte. „Natürlich tue ich das!“ Ray schluckte und nicke schließlich ebenfalls. Woraufhin Zack breit grinste. „Du kannst dich an alles erinnern, oder? Deine Worte… Sie lösen etwas in mir aus. Berühren etwas in mir... Leider sehe ich immer nur Bilder in meinem Kopf, die für mich keinen Sinn ergeben. Ich will dem auf den Grund gehen, aber ich weiß nicht, ob ich die sein kann, die du dir vorstellst.“ Jetzt hatte sie es doch ausgesprochen. Und sogar ohne größere Unterbrechungen oder stottern. Ihre größte Angst in diesem Moment und sie war gespannt darauf, was Zack sagen würde. „Schwöre es auch.“, war die einzige Antwort, die er ihr gab. „Was?“, fragte sie irritiert. Zack griff auch mit der zweiten Hand an seinen Hockeyschläger, hob ihn von seiner Schulter und schwang ihn so um Ray herum, dass sie einen Schritt auf ihn zu machen musste. Mit dem Schläger in ihrem Rücken, verhinderte er, dass sie ihm noch einmal einen Schritt ausweichen konnte. So gefangen, beugte er sich zu ihr herunter, bis ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander getrennt waren. „Das ist ein Hockeyschläger, Richtig? Ich bin also auch nicht mehr der Zack, den du vielleicht in deinen Träumen siehst. Trotzdem bin ich nicht bereit dich einfach wieder verschwinden zu lassen. Wir gehören zusammen. Das haben wir schon immer. Also schwöre es mir!“ Seine Worte ließen Rays Wangen rot anlaufen. Wie er so etwas einfach so sagen konnte. Vor all den Schülerinnen ihrer Schule. Ohne auf irgendwelche Konsequenzen zu achten. Er tat offenbar nur das, was er für richtig hielt und wofür er bereit war zu kämpfen. Eine Eigenschaft, die ihr sehr imponierte. „Ich schwöre dir, dass alles andere egal ist, solange du mein Zack bist.“ Ray wurde schrecklich heiß, als sie das sagte und ihre Knie begannen weich zu werden. Doch sie schaffte es aufrecht stehen zu bleiben und schließlich seinem Blick wieder zu begegnen. Sein zufriedenes Grinsen zauberte auch auf ihre Lippen ein kleines Lächeln. „Sehr gut. Dann lass uns jetzt wo anders hin gehen. So viele Leute auf einer Stelle kann ich nämlich nicht ausstehen.“, erklärte Zack, schwang seinen Hockeyschläger wieder auf seine Schulter, ergriff Rays Handgelenk und zog sie mit sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)