Light and Darkness von mairio ("On that land shall Darkness prevail and Light expire.") ================================================================================ Chapter 16: Suspicions ---------------------- NOTE: Manchmal haue ich einfach mitten drin mal ein paar Musik-Links rein, wo ich mir denke die passen zur Szene als Hintergrundmusik :') (BGM = background music!) Hatte ich in ein-zwei Kapiteln vorher auch gemacht (bei manchen Stücken ist die Dauerschleife komisch gemacht…)   ----------------------------------------------   Chapter 16: Suspicions   [BGM: https://www.youtube.com/watch?v=d-l4TtGFT9o] Erzengel Gabriel befand sich im Gottes Saal und kniete auf den Schach-Brett-ähnlichem Boden. In Anwesenheit aller anderen Erzengel sprach sie zu Gott, der sich auf den hochkonstruierten Podest befand. Ihr Gesicht war besorgniserregend: „Ich hatte eine Vision, Herr. Eine große Finsternis wird kommen und die Welt in ihren Schatten umhüllen. Eine Dunkelheit, die Euch sowie uns Engel vernichten wird. Die den Tod bringen wird, Herr. Alles Licht wird ausgelöscht sein.“ Ein Raunen ging durch den Raum. „Ihr werden von Tag zu Tag schwächer, Herr…Was können wir nur tun?“ Es dauerte eine Weile, bis Gott ihr mit ruhiger Stimme antwortete: „Selbst in der tiefsten Dunkelheit wird es immer ein Fünkchen Licht geben… Die Zukunft steht nicht festgeschrieben, Gabriel…Selbst ich weiß nicht, was uns erwarten wird. Ich vertraue darauf, dass das Licht diese Dunkelheit erhellen wird und uns vor einer finsteren Zukunft bewahrt.“ Der Engel nickte, richtete sich auf und verbeugte sich. „Ich hoffe, Ihr habe Recht, Herr.“   Unter der Menge befand sich auch Hope, die ihren Blick unbeholfen durch den Raum wandern ließ. Ich habe so ein ungutes Gefühl....Chiaki, ich hoffe dir geht es gut... *** Chiaki wachte schweißgebadet auf. Er saß aufrecht auf dem Bett, versuchte seinen Atem zu regulieren. Ich muss wieder eingeschlafen sein…, dachte er sich. Müde schaute er sich um. Er befand sich in seinem Zimmer, ein schmaler Sonnenstrahl brach durch die Fenstervorhänge hindurch. „…Chi-…a-…ki…“, hörte der Blauhaarige neben sich Maron schwach sagen. Ein leises Wimmern war darauffolgend zu hören. Der Angesprochene seufzte. „Tut mir leid, falls ich dich wieder geweckt ha -“, Chiaki stockte, als er sich zu ihr umdrehte. Seine Augen weiteten sich schockiert. Sein Gesicht verlor an Farbe. Sein Herz hörte auf zu schlagen. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Neben ihm lag das Mädchen seiner Träume, einen Arm über ihren Kopf gelegen, der andere neben ihrem Körper. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, tränenüberströmt und mit dunkelroten Spritzern bedeckt. Ihre braunen Augen blickten direkt in seine, ein qualvolles ‚Warum‘ war in ihnen abzulesen. Sie atmete schwach, rang nach den letzten Atemzügen. Ihr ganzer Körper war voller Blut. In ihrem Bauch klaffte eine große offene Wunde. Ihre Klamotten sowie die weiße Matratze waren in Blut getränkt. Chiaki wollte ihr zur Hilfe eilen, doch plötzlich spürte er etwas in seiner rechten Hand. Etwas schweres, feuchtes, metallisches. Zittern hob er seinen Unterarm. Fassungslos starrte er auf den blutüberströmter Doch herab. NEIN!!   „MA-“ Chiaki fand sich wieder aufrechtsitzend und schwer atmend in seinem Bett wieder. Sein Herz raste wie bei einem Marathon. Verwirrt versuchte er seine Gedanken und Erinnerungen zu sortierten, versuchte abzuschätzen ob er träumte oder sich in der Realität befand. Bilder seiner blutüberströmten Freundin blitzten vor seinem inneren Auge. Was zum-? Maron!!! Mit einer hastigen Kopfbewegung drehte er sich zu seiner linken. Zu seiner großen Erleichterung schlief die Kamikaze-Diebin seelenruhig in der weißen Bettdecke eingekuschelt. Er atmete hörbar auf, ließ seine angespannten Schulter wieder sinken. Nach einigen kräftigen Atemzügen hatte sich auch sein Herz beruhigt. Ein Traum…Es war vorhin nur ein verdammter Traum… Das ist jetzt die Wirklichkeit! Zur absoluten Sicherheit kniff er sich noch fest in den Handrücken, bis es kurz schmerzte. Beruhigt schloss er kurz die Augen, ließ sich ins Kissen fallen und drehte sich zu Maron hin. [BGM: https://www.youtube.com/watch?v=NyLoifSkIVA] Liebevoll strich er der Schlafenden eine Strähne aus dem Gesicht, um einen besseren Blick auf ihr friedliches Gesicht werfen zu können. Ein verträumtes Lächeln umspielte Maron’s Lippen. Chiaki beobachtete sie für eine Weile. Schlafend sah seine Geliebte aus wie ein Engel, welches sich auf einer weichen Wolke gemütlich gemacht hatte. Teilweise waren ihre Haare mit ihrer goldenen Kette, die er ihr zu Weihnachten schenkte, verheddert, doch das schien seiner Schönheit nicht zu stören. Ihr goldenes Kreuz lag flach auf der Matratze und glänzte im schwachen Licht prachtvoll.  Chiaki umfasste zur zusätzlichen Beruhigung sein eigenes Kreuz um seinen Hals. Dann drehte er sich um 180 Grad und schaute zu seinem Nachttisch rüber auf die Uhr. Freitag, der zweite März, 4:27 Uhr morgens.   Chiaki stand vorsichtig vom Bett auf, darauf bedacht seine braunhaarige Freundin nicht zu wecken. Der Kaito beschloss in den frühen Morgenstunden joggen zu gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen und um Dampf abzulassen. Leise ging er zu seinem Kleiderschrank und holte ein graues Sportshirt, eine dunkelblaue Sportjacke und eine lange, schwarze Laufhose heraus und ging mit den Sachen ins Bad. Dabei lief er im Wohnzimmer an Fin und Access vorbei, die es sich angewöhnt hatten auf seinem Sofa zu schlafen, wenn Maron bei ihm war. Manchmal wünschte er sich die beiden würden permanent im Obergeschoss der Nachbarswohnung übernachten, aber stur wie die Engel waren, so wollten sie immer in unmittelbarer Nähe ihrer Schützlinge bleiben. Auch wenn die beiden das Paar nie störten, so wünschte Chiaki sich trotzdem etwas mehr Zweisamkeit außerhalb der vier Schlafzimmerwände. Nach wenigen Minuten hatte er sich umgezogen, seine kabellosen Kopfhörer in die Ohren gesteckt und seine Sportuhr um das Handgelenk gelegt. Der Jugendliche ging zurück ins Schlafzimmer, drückte seiner großen Liebe einen sanften Kuss auf die Stirn und hinterließ ihr auf seinem Nachttisch eine kurze Notiz. Bevor er das Zimmer verließ, warf er noch einen letzten Blick auf das Foto, welches eingerahmt auf seinem Schreibtisch stand. Darauf waren Chiaki und Maron herzhaft lachend vor den Eingangstoren des „Maron Domes“ abgebildet. Der Blauhaarige konnte sich ein verliebtes Grinsen nicht vermeiden. Wie sollte er auch? Jedes Mal wenn er sie glücklich sah, war er der glücklichste Mensch auf Erden. Ein letztes Mal lief er im Wohnzimmer an Fin und Access vorbei und verließ mit leisen Schritten seine Wohnung. Am Eingang des Orléans angekommen lief der junge Mann direkt die Straße entlang los.   Die Straßen Momokuri’s waren ruhig, die Busse und Bahnen lagen noch still und nur wenige Autos fuhren an dem 17-jährigen vorbei. Wie auf Autopilot eingestellt joggte er durch die Stadt, lief nach einigen Kilometern durch den Park, am Hafen und am Strand vorbei. Die Luft war frisch und der Himmel war in einem angenehmen Morgengrau bedeckt. Einzelne Vögel konnte man über den Horizont fliegen sehen. Es waren nun zwei Tage her, seit Maron aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Wie versprochen blieb sie zu Hause und nahm sich von der Schule frei, während Fin auf sie aufpasste. Die beiden genossen die freie Zeit unter Freundinnen, wie aus alten Zeiten. Maron beschloss ihren Eltern nichts vom Sturz zu erzählen, um ihnen keine unnötigen Sorgen zu bereiten. In der Schule fragten seine Klassenkameraden nach Maron’s Wohlbefinden und ließen ihre Grüße ausrichten. Yamato hatte sich von seiner Erkältung mehr als erholt und ging seine letzten Klassensprecherpflichten für das Schuljahr an. Seit der Begegnung im Krankenhaus hatte Chiaki mit seinen Freund Ryuji ein paar Nachrichten ausgetauscht und sie würden sich in den kommenden Schulferien zum gemeinsamen Joggen verabreden – gegebenenfalls würde Maron mitkommen und die beiden würden einander kennenlernen.  Alles lief nahezu zu friedlich ab. Dennoch trog der Schein, denn die Dämonen ließen sich aus unerklärlichen Gründen nicht mehr blicken und alle waren sich einig, dass Maron’s Sturz keinem gewöhnlichen Unfall zurückzuführen war. Wiedermal gab es keinerlei Anhaltspunkte. Ebenso plagten Chiaki weiterhin noch Albträume, doch die Kopfschmerzen vergingen erstaunlicherweise mit dem Moment, in den er die Tabletten von seinem Vater nahm. Vielleicht lag es doch nur am Stress und Schlafmangel? Und was ist mit den komischen Gedächtnislücken…?   Was Chiaki am meisten besorgte war das Maron etwas belastete, sie ihm jedoch nichts sagen wollte. Immer wieder erwischte der Schüler seine Freundin mit einem bedrückten, nachdenklichen Blick, war für einige Augenblicke komplett geistesabwesend und sobald er sie darauf ansprach, setzte sie ihr Maron-typisches Lächeln auf und lenkte vom Thema ab. Chiaki kannte Maron gut. Er kannte sie viel zu gut. Er würde sofort erkennen, welches Lächeln von ihr ehrlich war und welches nur dazu diente Anderen keine Sorgen zu bereiten und Stärke vorzutäuschen. Der Kaito blieb nach einigen Abbiegungen an einer Brücke im Park stehen, lehnte sich mit den Oberkörper voraus an das Geländer an und schaute auf sein Spiegelbild im Wasser herunter. Vereinzelt schwammen Fische im Fluss herum. Chiaki atmete tief ein und aus. Schweiß glitzerte ihm im Gesicht bei der aufkommenden Morgensonne. Maron…was verheimlichst du mir…?, ging es ihm bedrückt durch den Kopf. Natürlich würde er Maron zu nichts drängen und würde darauf vertrauen, dass sie von selbst auf ihn zukomme. Er wusste, dass sie für vieles ihre eigene Zeit brauchte. Allerdings dachte Chiaki sich auch, dass es ihm gegenüber unfair war, wenn er keine Geheimnisse vor ihr haben dürfte, sie ihm jedoch Dinge vorenthielt. Ach Quatsch!, ermahnte er sich und warf die negativen Gedanken wieder weg. Wenn sie bereit ist es mir zu sagen, dann wird sie es auch tun! „Bist du dir sicher?“, hörte der junge Mann plötzlich jemand durch die Musik sagen. Überrascht drehte Chiaki sich um. Es war niemand hinter ihm. „Was zum Teufel…“, murmelte er zu sich selbst und raufte sich durch die Haare. Werde ich schon schizophren und höre Stimmen?... Nein, hast du dir bestimmt nur eingebildet! Chiaki stellte für einen Moment die Musik in seinen Kopfhörern ab, lehnte sich wieder am Geländer der Brücke an und schloss die Augen. Er genoss das Rauschen und Plätschern des Gewässers sowie die Ruhe der Natur. Ein erfrischender Wind wehte vorbei und gab ihm die wohltuende Abkühlung, die er brauchte. Die Blätter der umstehenden Bäume raschelten sanft hin und her. Der Jugendliche verweilte einige Minuten an Ort und Stelle. Als er schließlich auf seine Uhr schaute war es 5:37. Die nächsten zehn Minuten joggte er wieder zum Orléans zurück.   Zu Hause angekommen, kam Maron verschlafen aus dem Schlafzimmer raus und ging auf ihn zu. Die Engel schliefen nach wie vor ungestört weiter. Beide hatten einen außergewöhnlich festen Schlaf, musste Chiaki feststellen. Und ich dachte, Access würde wie ein Stein schlafen… „Du bist aber früh wach.“, begrüßte er das braunhaarige Mädchen leise und gab ihr einen Kuss. „Extra früh aufgestanden, um mit mir duschen zu gehen?“ Seine Nachbarin rollte schmunzelnd mit den Augen und hielt sich daraufhin gähnend die Hand vor dem Mund. „Ich sage doch, deine Sprüche werden von Mal zu Mal schlechter.“ „Das sagst du bloß so, weil du nicht zugeben willst, wie attraktiv und charmant die mich machen.“ Chiaki zog seine Jacke und sein Sportshirt aus, warf sie in den Wäschekorb und holte sich mit einem Handgriff ein Handtuch aus dem Badezimmerregal, welches er sich über den Nacken legte. Sein schlanker, durchtrainierter Oberkörper glitzerte vom Schweiß und einzelne Strähnen klebten ihm auf der Stirn. Maron errötete bei dem Anblick leicht. Sie hatte ihn schön öfter oben ohne gesehen, doch jedes Mal wurde sie dennoch etwas verlegen. Ihr Freund sah aber auch unbeschreiblich gut aus, da würde selbst ein griechischer Adonis alt aussehen! „J-Ja klar, das glaubst aber auch nur du allein, Mister Prince Charming! Pass auf, wenn du noch mehr solche Sprüche raushaust, muss ich Putzeimer und Mob rausholen.“, sagte sie ihm neckend, pikste ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust und ging in die Küche. „Du warst nicht im Bett und ich hatte mir Sorgen gemacht, wodurch ich vorhin erst aufgestanden bin und deine Nachricht gelesen habe.“, erklärte Maron und reichte Chiaki eine Flasche Wasser. Dieser trank sie in einem Zug leer. „Danke. Ich musste mich ein wenig auspowern und am frühen Morgen war für mich die perfekte Zeit. Überall freie Straßen und keine Menschenseele weit und breit.“ „Typisch.“, lächelte sein Gegenüber amüsiert und stellte die Kaffeemaschine an. In der nächsten Sekunde schaute Maron etwas geistesabwesend auf die Maschine herunter. Wieder dieser nachdenkliche Blick. Ihre schönen rehbraunen Augen wirkten unsicher und traurig. „Alles Okay?“, fragte Chiaki sanft. „Was? Oh eh- Ja, ja. Es ist nichts.“ Aus den Gedanken gerissen, schüttelte die Kamikaze-Diebin kurz mit den Kopf und begann schließlich in den Schubladen und Schränken Pfannen und Kochutensilien rauszuholen. „Bist du dir sicher? Dich beschäftigt doch die ganze Zeit schon irgendwas.“ Maron schien seinen prüfenden Blick zu vermeiden. „Ja, Chiaki, mir geht es gut!“, sagte sie mit gereizter Stimme. Schließlich schaute sie zu ihm auf, ihre braunen Augen direkt in seine fixiert. Ein Seufzen entkam ihr und sie ließ ihre angespannten Schultern sinken. „Sorry, ich bin noch nicht ganz wach, schätze ich. Schließlich stehe ich ja nie so früh auf.“, redete Maron sich mit einem breiten Lächeln heraus. Chiaki beäugte seine Freundin weiterhin skeptisch, schenkte ihr jedoch im nächsten Augenblick sein altbekanntes, schiefes Grinsen. „Okay, mein Engel.“ Zärtlich drückte Chiaki ihr einen Kuss auf die Lippen. Er vertraute ihr. Wenn sie ihm etwas zu sagen hatte, dann wird sie es ihm sagen, dem war er sich sicher. „Ich mache mal das Frühstück. Heute gibt es French Toast. Und da du jetzt ein paar tausend Kalorien verbrannt hast, gibt es für dich die doppelte Portion.“, kündigte die 16-jährige an und band sich ihre Haare zu einem Zopf. „Wie aufmerksam von dir.“, entgegnete der Andere grinsend. „Da fällt mir ein… Haben wir- Ich meine, hast du nicht heute Sport in der letzten Stunde?!“ Maron drehte sich verwundert zu ihrem Freund um, der sich auf den Weg ins Bad machte. „Dann bin ich ja perfekt dafür aufgewärmt!“ *** Es herrschte große Verwunderung als Miyako, Yamato, Chiaki und ihre Klassekameraden die Turnhalle betraten und bereits eine Klasse vorfanden. Ihre Parallelklasse um genau zu sein, in der auch Akira sich befand. Chiaki’s Augen verengten sich zu Schlitzen, als er den Schwarzhaarigen sah und sich ihre Blicke trafen. Sein Mitschüler grinste ihn einfach an und winkte kurz. Diese Überfreundlichkeit nervte den Blauhaarigen. Er war froh, dass Maron nicht da war. „Was macht ihr denn hier? Wir haben jetzt Sport!“, fragte Miyako in die Menge hinein, die Hände an die Hüfte gestemmt. „Wir haben jetzt ebenfalls Sport und unser Sportlehrer hat uns hierher geschickt. Normalerweise hätten wir in der kleineren Halle im Hauptgebäude Unterricht.“, antwortete ihr die Klassensprecherin sachlich. Miyako schaute ihre Jahrgangskameradin verdutzt an. „Euer Sportlehrer?? Warte, wo ist unser überhaupt? Der ist sonst zehn Minuten vorher da!“, sie schaute sich nach links und rechts um. Das Trillern einer Pfeife hallte plötzlich durch die gesamte Sporthalle. Die Gespräche der Schüler verstummten und alle Blicke richteten sich auf die Geräuschquelle. Vor ihnen stand ein zwei Meter-großer, breiter, übermuskulöser Mann mit wilder Dauerwelle. Er hatte ein relativ breites, männliches Gesicht mit ausgeprägtem Kinn, breiter Nase und kleinen Augen. Seine sehr engen Sportklamotten spannten stark über den übergroßen Muskeln. Miyako und ihre Klassenkameraden warfen sich verstohlene Blicke zu. Manch einer fragte sich, ob die Muskeln alle echt waren, so übertrieben sahen sie aus. „Hallo, A-Klasse! Für alle, die mich nicht kennen, ich bin Herr Kamoshida. Da Herr Tanaka bei einer pädagogischen Weiterbildung heute ist, werde ich euer stellvertretender Sportlehrer sein!“ „Entschuldige, aber darüber war mir als Klassensprecher nichts bekannt, Herr Kamoshida!“, meldete sich Yamato mit einem Handzeichen. „Ach wirklich? Da musste die Schulleitung geschlafen haben Sie in Kenntnis zu versetzen. Nun denn, ich bin nun mal hier! Ich weiß nicht, was die Chefs sich dabei gedacht hatten, denn normalerweise würde ich zur selben Zeit jetzt mit der B-Klasse Sport haben, aber da ich mich nicht aufteilen kann, habe ich mir überlegt die Klassen zusammenzuwerfen und wir machen ein Volleyballmatch! A- gegen B-Klasse. Perfekt für die letzte Sporteinheit, oder nicht Kinder?“ Großer Jubel und Begeisterung ging durch die Halle, als die Schüler von dem Vorschlag hörten. Fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn wurden per Zufallsverfahren die Teams der jeweiligen Klassen aufgestellt. Die Jungs gegen die Jungs und die Mädels gegen die Mädels. Die große Sporthalle wurde zur Hälfte aufgeteilt, sodass die Jungs parallel zu den Mädels spielten. Jedes Match dauerte jeweils zehn Minuten, wodurch insgesamt vier Teams von jeder Geschlechtergruppe in der kurzen Unterrichtszeit gegeneinander antreten sollten. Jedes Spiel wurde mit aufgeregten Anfeuerungen der zuschauenden Mitschüler begleitet. Miyako spielte als erste in ihrem Team und gewann mit einem eindeutigen Sieg. Parallel spielte Yamato gegen die Jungs der B-Klasse, jedoch mit einem gegenteiligen Ergebnis. In der zweiten Runde gewann in beiden Matches die A-Klasse. Chiaki war im dritten Team und trat gegen die  Mannschaft an, in der auch Akira war. So ein Zufall aber auch…, dachte sich Chiaki sarkastisch, als er sich auf das Spielfeld aufstellte. Dann ertönte zum Start das schrille Trillern der Pfeife.   [BGM: https://www.youtube.com/watch?v=JtQSKYsS6Nw] Auch wenn die Spiele nur zehn Minuten andauerten, so fühlten sie sich doppelt so lang an. Chiaki’s Team stand nach der Hälfte der Zeit in Führung, doch ihre Mitschüler stellten sich als harte Gegner dar. Zu seiner Entnervung jubelten fast alle Mädchen Akira zu, selbst welche aus seiner eigenen Klasse. Dass der gleichartige seit seinem ersten Tag stark an Popularität gewann, hatte Chiaki mitbekommen. Insbesondere nachdem er und Maron ein Paar wurden und der Neue sich als Single herausstellte. Eigentlich sollte ihm sowas auch egal sein, aber da es um Akira ging, den Neuling für den er von Anfang an keine Sympathien hegte, konnte er es schwer ignorieren. Die letzten Minuten standen an. Chiaki kam gerade der Ball zu, er sprang und spielte ihn mit voller Kraft über das Netz. Unbeabsichtigt traf das runde Objekt jedoch mitten in Akira’s Gesicht, sodass ihm die Brille herunterfiel. Die weiblichen „Fans“ schreckten durch die ganze Halle hörbar auf. „Das war ein Versehen!“, rief er ungelogen über das Spielfeld. Für einen minimalen Moment hoffte Chiaki auch, dass es dem Anderen gut ginge. „Nimura!“ „Hey, Akira! Alles Okay?“ „Alter, hat das gesessen!“ Besorgt kamen einige Teamkollegen auf Akira zu, der sich schmerzlich den Kopf hielt und am rechten Mundwinkel blutete. „Keine Sorge! Nichts passiert, habe mir nur auf die Zunge gebissen!“, der junge Mann wischte sich mit der rechten Hand das Blut weg. Er hob seine Brille auf und schaute mit einem festen Blick direkt zu Chiaki rüber. Dieser zuckte mit den Augen. Er könnte schwören etwas in den dunklen Augen von Akira blitzen gesehen zu haben. Nachdem sich die Situation beruhigt hatte, wurde der letzte Satz eingeleitet. Die letzten Sekunden wurden herunter gezählt. Im Rhythmus hüpfte der Ball über das Feld. Akira setzte zum letzten Schlag an und traf dabei Chiaki hart ins Gesicht. Dann war das abschließende Pfeifen von Herr Kamoshida zu hören. Auch hier gewann die A-Klasse, während bei den Mädchen die B-Klasse siegte. „Nimura! Ich hoffe für Sie, dass war keine kindischen Racheaktion wegen vorhin, sonst muss ich ein ernstes Wörtchen mit Ihnen austauschen.“ „Nein, ich schwöre!“ Der Angesprochene hob unschuldig die Hände in die Höhe. „Gut. Soll ich euch beide zur Schulärztin schicken?“ „Nein, alles gut!“, kam es von den Schülern synchron zurück. Im nächsten Moment lief Akira auf Chiaki zu, mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck. „Hey, sorry wegen dem Ball! Das war wirklich keine Absicht oder Racheaktion! Wirklich!“ Sein Gegenüber winkte mit einer Hand ab, während er die andere über die linke Wange hielt. Höflich sagte Chiaki: „Ich- eh, entschuldigte mich auch für vorhin. Schätze mal, wir sind Quitt.“ Als ob das keine Absicht gewesen war…elender Mistkerl, ging es ihm insgeheim durch den Kopf. „Alles klar. Dann sind wir Quitt! Der Ball ist ziemlich hart, nicht?“, lachte Akira den Anderen an, der einfach nur nickte und sich die Wange rieb. Denk‘ ja nicht, wir sind jetzt Freunde!, dachte Chiaki sich genervt. „Die letzten Teams können sich schon mal aufstellen!“, hörten sie den Lehrer rufen. „Dürfen wir kurz rausgehen und was trinken?“ fragten ein paar Mitschüler. „Klar, bloß keine Scheu, Kinder!“  Mit den Worten liefen einige raus, holten ihre Wasserflaschen aus den Umkleiden oder gingen zum Hof raus, Richtung Wasserspender. Chiaki gehörte zu denen, die sich zu den Wasserspendern begaben.   Wie am frühen Morgen waren die Temperaturen frisch, doch die Mittagssonne knallte prall auf die Erde herab. Chiaki spritzte sich zur Erfrischung das kalte Wasser ins Gesicht. Noch immer brannte seine linke Gesichtshälfte etwas vor Schmerz. Kein Wunder, der Schlag mit dem Ball hatte mehr als gesessen! Du hattest deutlich schlimmere Schmerzen durchgemacht, Chiaki! Hör auf zu Heulen! Im Vergleich zu den sonstigen Verletzungen, die er sich als Dieb zufuhr, war dies wie ein Schlag mit einem Kissen.   „Wie geht es eigentlich Maron?“, hörte er Akira’s Stimme hinter sich fragen. So. Eine. Verfluchte. Nervensäge! Da Chiaki mit dem Rücken zu ihm stand, verzog er merklich das Gesicht. „Ihr geht es gut. Danke der Nachfrage.“ Mit einer geschickten Bewegung drehte der blauhaarige Junge sich um, verschränkt die Arme vor der Brust und ging ein paar Schritte auf seinen Mitschüler zu. Akira stand lässig mit den Händen in der Hosentasche ihm gegenüber. Beide jungen Männer waren alleine. Chiaki hatte sich auch den Wasserspender ausgesucht, der am wenigsten besucht wurde, um einen Massenansturm zu vermeiden. „Das freut mich zu hören! Du kannst dir vorstellen, dass ich wie alle anderen besorgt war.“, lächelte Akira verlegen. „Ja…Du brauchst nichts zu verheimlichen, ich weiß dass du ihr Blumen geschickt hast. Hör mal, ich will nett bleiben und Klartext reden…Demnach würde ich dich gerne darum bitten, die Annäherungen bei Maron sein zu lassen? Nichts gegen dich, aber sie ist glücklich mit mir zusammen und daher sind deine Chancen bei ihr null. Haben wir uns verstanden?“, sagte Chiaki ernst. Akira bewegte die Schultern gelassen hoch und runter. Langsam mit knirschenden Sohlen ging er auf Chiaki zu. „Keine Sorge, ich weiß wie meine Chancen stehen. Du solltest wissen…Maron hatte mir letztens einen eiskalten Korb gegeben. Du kannst dich ziemlich glücklich schätzen! Sie ist ein besonderes Mädchen…ziemlich hübsch, schlau und eine ganz Süße.“ Akira wurde langsamer je mehr er sich Chiaki näherte. Er packte ihn unerwartet an der Schulter, beugte sich nach vorne und wisperte mit einem dunklen Lächeln ins Ohr: „Besonders ihre Lippen waren ganz süß…wie Erdbeeren. Und ihre Haare dufteten so frisch nach Zitrone….“ Seine grauen Augen wurden dunkler, hatten etwas Boshaftes an sich, was Chiaki allerdings nicht sehen konnte. „Du kannst dich wirklich sehr, sehr glücklich schätzen, Chiaki Nagoya! Ich frag‘ mich jedoch wie sie mich im Vergleich zu dir fand...“ Dann ließ der Akira von ihm los und ging entspannt an seinen Jahrgangskameraden vorbei. Für einen Augenblick stand Chiaki wie zur Salzsäule erstarrt da. Immer wieder wiederholen sich Akira’s Worte in seinem Kopf. „Besonders ihre Lippen waren ganz süß.“…Hatte er es wirklich gewagt?! Seine Hände ballten sich zu Fäusten. In der nächsten Sekunde sah der Kaito nur noch rot und fletschte wutentbrannt mit den Zähnen. Er drehte sich um, packte den Anderen von hinten am Kragen und schlug zu. *** Hijiri hatte an diesem Nachmittag keine Klasse zu unterrichten, weshalb er beschloss in der Schule einen Rundgang zu machen. Er spazierte über den Schulhof entlang als er in der Nähe des Sportgebäudes zwei Schüler in Sportklamotten bemerkte, die gehetzt zur Eingangstür rannten. „Herr Kamoshida! Kommen Sie schnell! Chiaki Nagoya und Akira Nomura prügeln sich draußen!“, rief eine Schülerin, als sie den Sportlehrer aus der Halle holte. Chiaki?! Mit einem ungläubigen Blick folgte der Warlock ihnen. Hinter ihn kamen auch Yamato und Miyako aus der Sporthalle rausgerannt. Im hinteren Bereich des Schulhofes angekommen, sah er wie wenige Meter entfernt sein Kollege versuchte Chiaki vom anderen wegzuzerren. Akira lag im Gesicht blutend auf dem Boden und hielt sich schmerzlich den linken Arm. Die Brille lag teilweise zerbrochen neben ihm. Ein schmerzbetontes Stöhnen war von ihm zu hören. Fassungslos sahen alle in der nächsten Sekunde mit an, wie der Jüngere der älteren Autoritätsperson den Ellenbogen ins Gesicht stieß und mit dem Knie in den Bauch trat. Dabei war Herr Kamoshida einen ganzen Kopf größer und doppelt so breit wie der 17-jährige. Natürlich wussten die meisten nicht, dass er ein gut trainierter Kaito war, dennoch verschlug es sogar Miyako, Yamato und Noyn die Sprache. „Chiaki! Was zum-!!“, hörte man Miyako entsetzt rufen. Sie war darauf bedacht auf den Freund ihrer besten Freundin zuzugehen und einzugreifen, doch Yamato hielt sie mit aller Kraft zurück. Die Polizeitochter war keine schwache Frau, das wusste jeder, dennoch war die Angst des Klassensprechers zu groß, dass Chiaki seiner Freundin was antun könnte. Seine Angst war auch berechtigt, denn in den Augenblicken wirkte ihr blauhaariger Freund wie eine wilde Bestie. Noch nie hatte man ihn so aggressiv gesehen. Selbst als Sindbad kannte Noyn solche Seiten von ihm nicht. Herrn Kamoshida entkam ein schmerzlicher Laut, hielt sich die blutende, -wahrscheinlich- gebrochene Nase und schwankte gebückt rückwärts nach hinten. Chiaki wollte auf den Lehrer zugehen und ihm einen weiteren Tritt verpassen, doch Hijiri kam blitzschnell von hinten auf ihn zu und packte ihn mit einem festen Griff am linken Oberarm. Der Jüngere hielt sofort inne.   „Das reicht jetzt!“, sagte Hijiri mit fester, ruhiger Stimme. Wie in Zeitlupe drehte der Kaito den Kopf in seine Richtung. Hijiri hielt für eine Sekunde den Atem an. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Eiskalte Augen blickten gefühlslos in seine, das Gesicht wie eine ausdruckslose Maske. Es war wie als würde eine komplett andere Person vor ihn stehen. Kritisch kniff der ehemalige Dämonenritter seine rot-braunen Augen zusammen. „Chiaki, bist du das?“, fragte er leise, sodass ihre Mitmenschen um rum ihn nicht hören konnten und verstärkte den Druck seiner Hand am Arm. Der Angesprochene verzog daraufhin kurz bissig das Gesicht. Im nächsten Augenblick blinzelte Chiaki benommen, die braunen Augen verklärten sich und gewannen an Emotionen wieder. Sein Blick wanderte schnell irritiert zwischen Hijiri und den Mitmenschen hinter ihm hin und her. Ein paar weitere Schüler hatten sich bereits angesammelt und starrten entsetzt auf die Szene. Dann sah er wie sich Herr Kamoshida sich geräuschhaft aufrichtete. Zischend drückte Chiaki sich mit einer Hand an die Schläfen, kniff sich angestrengt die Augen zu und senkte leicht den Kopf. Hijiri beobachtete den Kaito genau. Er ließ von seinen Arm los. „Den Rest übernehme ich wieder, Herr Kollege! Sie können ruhig wieder gehen!“, sagte Herr Kamoshida zum Rothaarigen gereizt und sich ein Taschentuch über die blutende Nase hielt. „Sie und Sie!!“, er deutete mit dem Finger auf Chiaki und Akira, der sich mittlerweile vom Boden etwas aufgesetzt hatte und sich die kaputte Brille richtete, „Sie beide warten vor dem Büro des Direktors! Wir rufen Ihre Eltern an und dann werden wir alle ein ernstes Gespräch führen! Nimura!! Sie kommen mit mir ins Krankenzimmer!“ Mit den Worten ging der Sportlehrer stampfend davon und befahl mit aggressiver Stimme den umstehenden Schülern sich vom Platz zu entfernen. Es wurde bereits wild getuschelt. Schließlich hatten sich soeben zwei der bestaussehendsten Typen der gesamten Akademie geschlagen. Noch dazu hatte einer von ihnen einen Lehrer fertig gemacht! Es wurde bereits wild spekuliert worum es bei der Auseinandersetzung ging. Akira war mit Anstrengung aufgestanden und folgte seinem Lehrer humpelnd, den linken Arm schmerzlich vor der Brust haltend. Eine bebrillte Schülerin mit langen schwarzen Haaren kam wortlos auf ihn zu und stützte ihn auf der rechten Seite. Kiyo Ita, wenn ich mich nicht irre…Sie geht mit Maron und den anderen in eine Klasse…, rief sich Noyn in Erinnerung. Letztlich blieben Miyako, Yamato Chiaki und er zurück. Noch immer saß der Schock bei allen tief. Nach einigen Minuten entfernte sich auch Chiaki ohne Worte, ohne seinen besorgten Freunden Beachtung zu geben. *** Im Rektorenzimmer herrschte unangenehme Stille. Es waren über eineinhalb Stunden her, seit der Prügelei. Chiaki hatte sich mittlerweile wieder in seine Uniform umgezogen und saß nun nervös auf einem Stuhl gegenüber vom Rektorentisch. Hinter ihm sein Vater, der mehr als aufgewühlt und angespannt wirkte. Links von dem 17-jährigen saß ebenfalls auf einem Stuhl Akira, das rechte Auge blau-lila verfärbt, die linke Gesichtshälfte mit einem großen Pflaster beklebt, über der Stirn ein Verband, die Lippen aufgeplatzt und die Brille in einem Glas zerbrochen. Sein linker Arm war in einer Schlinge gebunden und unter den hochgekrempelten Ärmeln des Hemdes konnte Chiaki sehen, dass beide Gliedmaßen ebenfalls bandagiert waren. Die grüne Jacke der Schuluniform war locker über seine Schulter gelegt. Womöglich war es dem schwarzhaarigen Jahrgangskameraden zu viel Anstrengung den verletzten Arm durch den Jackenärmel zu koordinieren. Am Hals waren dunkle, fingerähnliche Male zu erkennen. Der Kaito war über sich selbst erschrocken. Habe ich das alles gemacht?! Er konnte sich nur an die letzten Momente ihres Gesprächs erinnern und der Rest war wie ein Filmriss. Dann fiel ihm ein was Akira als letztes zu ihm gesagt hatte. Stimmt…der Arsch behauptete Maron geküsst zu haben…! Ein Anflug von Genugtuung überkam Chiaki, was ihn innerlich zusammenzucken ließ. War er jetzt noch stolz darauf, den gleichaltrigen zusammengeschlagen zu haben?! Hinter seinem Mitschüler stand ein äußerst jung aussehender Mann, welcher einen hochwertigen, enganliegenden, schwarzen Geschäftsanzug trug. Wahrscheinlich sein Vater…?, überlegte Chiaki. Wie Akira hatte er ebenfalls pechschwarze Haare -die ordentlich nach hinten gepflegt waren-, markante, feingeschliffene Gesichtszüge, dunkle Augen, die kühl in den Raum reinblickten. Nur eine riesige Narbe, welche von der linken Wange runter zum Hals ging, zerstörte das Bild des „perfekten“, gutaussehenden Mannes. Er war -wie Akira- sehr groß gebaut, die Arme hinter den Rücken verschränkt und hatte eine strenge, gerade, nahezu disziplinierte Haltung. Bis auf die Haare und der Größe, konnte Chiaki allerdings keine äußerlichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden bemerken. Links von dem Direktorentisch stand Herr Kamoshida ebenfalls mit blauen Auge und zusätzlich gebrochener Nase, sein Gesicht grimmig verzogen. Mit strenger Miene saß der dickliche Direktor den Schülern gegenüber, die Ellenbögen auf seinem Tisch abgestützt und die Hände übereinander vor der unteren Gesichtshälfte positioniert. Seine faltigen Augen musterten beide abwechselnd. Aus unerfindlichen Gründen war ein belegtes Schachbrett auf dessen Tisch, was etwas von der seriösen Stimmung ablenkte. Auf eine entspannte Runde Schach hätte bestimmt niemand Lust… Der Nagoya-Sprössling wusste, dass es großen Ärger geben würde, das stand außer Frage.     Als der Älteste von allen anfangen wollte zu sprechen, kam Hijiri ins Büro reingestürmt. „Herr Shikaidou, ich habe Sie nicht hierher bestellt.“, sagte der Direktor kühl. „Das überrascht mich, Herr Direktor, denn ich war es unter anderem der den Streit geschlichtet hat. Also hätte ich auch Mitspracherecht, was als nächstes passiert.“ Man sah dem runden Mann an, dass er den Geschichtslehrer wieder rausschicken wollte, doch dann entschied er sich doch um. „Fein, Herr Kollege. Ich hätte eigentlich Frau Pakkyaramao hierher geholt, als Leiterin der A-Klasse der Erstjährigen, doch leider ist sie terminlich verhindert. So… Nun zu Ihnen Dr. Nagoya, Herr Nimura.“ Der Schulleiter wandte sich zu den Vätern. „Es tut uns allen furchtbar leid, Sie so kurzfristig hierherrufen zu müssen, allerdings schätzen wir es sehr, dass Sie sich die Zeit dafür genommen haben. Sie wissen weshalb Sie hier sind?“ „Ja, ich weiß weshalb ich hier bin, allerdings verstehe ich nicht wieso ich hier bin!“, schaltete Kaiki sich sofort ein. „Die Schulsekretärin rief an und sagte mir, mein Sohn hätte eine Prügelei angefangen?! Sowas sieht ihm in keinem Fall ähnlich!“ „Und wie erklären Sie sich bitte die blauen Flecke, Kratzer und Verletzung bei meinem Sohn?!“, sagte der Mann im Anzug mit äußerst tiefer, erzürnter Stimme. „Wollen Sie, dass ich wegen Körperverletzung Anzeige erstatte?!“ „Ich bin mir sicher, dass mein Junge das nicht alleine zu verantworten hat!“ „Meine Herren, bitte beruhigen Sie sich! Dr. Nagoya. Es haben genug Schüler berichtet, dass Ihr Sohn, Chiaki Nagoya, den ersten Schlag auf Akira Nimura getätigt haben soll. Nicht nur wurde der Junge körperlich schwer verletzt, ebenso hatte Ihr Sohn gegen einen Lehrer Hand angelegt. Ich muss zugeben, hätte Herr Shikaidou sich nicht eingeschalten, dann wären beide Herren im schlimmsten Fall bei Ihnen ins Krankenhaus eingeliefert worden.“ „Sie sind doch Arzt! Sie können doch selbst sehen, dass derartige Verletzung nicht von selbst entstehen! Und Nein! Ich bin nicht die Treppe heruntergefallen!“, sprach der Sportlehrer aufgebracht. Aufgrund der gebrochenen Nase bekam seine Stimme einen (eher lustigen) nasalen Ton. Kaiki zögerte direkt etwas zu sagen, seufzte jedoch und ließ die Schultern resigniert sinken. „Ich sehe genug um nicht glauben zu können, dass mein Sohn das alles verursacht hat.“ Er warf einen traurigen, nachdenklichen Blick zu Chiaki runter, der ruhig auf dem Stuhl angelehnt saß, die braunen Augen gesenkt, das Gesicht ausdruckslos. Er konnte einfach nicht glauben, dass sein geliebter Junge, der sonst immer die Ruhe selbst war, jemand nahezu krankenhausreif prügeln würde. „Wie mir aufgefallen ist, scheint Chiaki aber nicht komplett heil davongekommen zu sein.“, mischte sich Hijiri ein. „Zu mindestens erscheint mir seine linke Gesichtshälfte ungewöhnlich rot….“ „Oh, das kam noch vor der Auseinandersetzung, Herr Kollege. Ich hatte ein Volleyballmatch unter den Klassen veranstaltet und beide hatten sich die Bälle an den Kopf geworfen. Nach dem Spiel konnte ich noch mitverfolgen, wie die jungen Herren sich noch respektvoll beieinander entschuldigt haben, bevor sie rausgingen.“ „Verstehe. Dürfte ich nun von Ihnen beiden erfahren, was sich in der kurzen Zeit geändert hat, dass Sie plötzlich aufeinander losgehen mussten und worum es in dem Streit ging?“, fragte der Direktor, die buschige Augenbraue kritisch hochgezogen. Erwartungsvoll blickten die Erwachsenen die Jungs an. Akira zuckte unschuldig mit den Achseln, hustete und räusperte sich kurz, bis er als erster sprach: „Ich habe ihn ganz harmlos gefragt wie es Maron Kusakabe geht, da sie ja letztens im Krankenhaus war und die Tage von der Schule befreit wurde. Als netter Freund und Jahrgangskamerad, darf man sich ja Sorgen machen. Das nächste woran ich mich erinnere, war wie er zuschlug und mich zu Boden drückte.“ „Und Sie, Herr Nagoya? Ihre Version der Geschichte?“ Der Schulleiter wandte seinen runden Kopf zu Chiaki. Von ihm war ein abfälliges Schnauben zu hören. Er hob den Kopf und warf einen abwertenden Blick in die Runde. „Tu nicht so unschuldig! Seit Monaten versuchst du dich an meine Freundin ranzuschmeißen! Da musste ich natürlich zeigen wo die Grenzen sind! Und die Sache beim Volleyball war auch eine indirekte Warnung, wenn ich das zugeben darf!“, sagte er mit teils schroffer, teils arroganter Stimme. „Und sowas konnten Sie nicht verbal klären, Herr Nagoya?“, kam es wieder vom Direktor. Der Angesprochene wandte seinen Blick ab und schwieg. Kaiki starrte ihn mit offenen Mund an. Er erkannte seinen Sohn gar nicht wieder. Hijiri hingegen beobachtete sein Verhalten genau. Seit der Prügelei überkam ihm ein mehr als ungutes Gefühl.   „Nun…Wie ich das richtig verstehe, so handelte es sich um einen kindischen Eifersuchtsstreit, den man auch mit Worten hätte lösen können, aber das ist nicht der Hauptpunkt. Hier in dieser Schule, dulden wir keine Prügeleien oder Gewalt sonstiger Art! Nicht nur hatte Herr Chiaki Nagoya zugegeben, dass er die Auseinandersetzung angefangen hat, sondern hat auch starke Respektlosigkeit gegenüber einer Autoritätsperson gezeigt sowie schwere Körperverletzungen zu verantworten. So etwas schadet den Ruf und das Ansehen der Schule. Sie können froh sein, dass wir nicht die Polizei eingeschaltet haben, sondern das intern im Rahmen des Schulgeländes regeln.“ Der Schuldirektor atmete tief ein und aus, eher er weitersprach. „Normalerweise würden wir Schüler, die derartig die Schulregeln verstoßen komplett von der Schule verweisen, aber ich bin offen für zweite Chancen. Als Maßnahme stattdessen habe ich mir überlegt, ihn für drei Monate von der Schule zu suspendieren.“ Herr Kamoshida sowie Herr Nimura nickten der Entscheidung stimmend zu. Der Krankenhausdirektor schnappte fassungslos nach Luft. Auch Hijiri blieb fast die Spucke stecken. „Finden Sie das nicht übertrieben??“, warf der rothaarige Lehrer sofort ein. „Gemäß seiner Schulakte hatte Chiaki seit seinem ersten Tag an der Momokuri Akademie außerordentliche Noten geleistet und war in den Examen immer Jahrgangsbeste. Außerdem ist morgen das Schulfestival und Ende nächster Woche geht das Schuljahr sowieso zu Ende. Da ist eine Suspendierung für so lange Zeit doch mehr als ungünstig, Herr Direktor.“ „Sie haben natürlich nicht Unrecht, aber ich erkläre Ihnen meine Gedankengänge, Herr Shikaidou. Aufgrund dessen dass der junge Herr Nagoya ein exzellenter Schüler ist, habe ich die Strafe auch vermindert. Er kann die letzten Tages des Schuljahres wie gewohnt verbringen und sich an allen Aktivitäten beteiligen. Die Suspendierung wird demnach auch ab dem ersten Tag des neuen Schuljahres in April in Kraft treten.“, sprach dieser mit autoritärer Stimme. Hijiri biss sich verärgert auf die Lippe. Er sah ein, dass sich sein Chef nicht umstimmen ließ. Was ist das hier bloß, dieses nervenzerreißende Gefühl?! Dämonen? Nein – sonst würde ich sie aufspüren können…! Noyn war alles zum Haare raufen. „Müssen das direkt drei Monate sein? Das ist ein ganzes Trimester an Schulstoff, was er verpassen kann!“, sagte Kaiki besorgt und entsetzt zugleich. „Wir können es ja so einrichten, dass wir Ihnen per E-Mail eine Liste schicken, mit allem, was die Schüler im zweiten Jahr behandeln. Ich bin mir sicher der junge Herr Nagoya wird fähig sein, auch ohne Schulanwesenheit mitzuhalten.“ Der ältere Mann ließ sich nicht von seiner Entscheidung ablenken. „Okay!“, hört man Chiaki trocken sagen. „Chiaki, dass kannst du doch nicht einfach so hinnehmen!“ Der Angesprochene schaute mit blanker Miene zu seinem Vater auf und zuckte desinteressiert mit den Schultern. Kaiki musste sich stark zusammenreißen, um seinen Sohn nicht vom Stuhl hochzuziehen und ihn kräftigt durchzuschütteln. „Nun gut. Meine Entscheidung ist endgültig. Ich würde Sie nun alle bitten mein Büro zu verlassen!“ *** Aufgebracht war eine Untertreibung, wenn man Kaiki’s Gefühlslage beschreiben würde. Er war fuchsteufelswild und verließ mit kräftigen Schritten den Campus, Chiaki und Hijiri ihm hinterher. „Ich verstehe das alles ganz und gar nicht! Sonst war der Direktor ein einsichtiger Mann gewesen, der nie was von schweren Sanktionen hielt und jetzt suspendiert er einfach einen Schüler für glatte drei Monate!“ Er drehte sich zu seinem Sohn um, der noch immer diesen kalten Blick in den Augen hatte. Der Chefarzt wusste nicht ob er wütend auf die Schule oder auf Chiaki war. Zur kurzen Beruhigung kniff er sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken und atmete tief ein und aus. Dann wandte er sich zu dem Geschichtslehrer: „Ich müsste mich bei Ihnen bedanken, Herr Shikaidou. Dafür dass sie Partei für uns ergriffen haben….“ „Naja, leider war ich Ihnen keine große Hilfe….“, antwortete dieser ihm mit enttäuschter Stimme und fuhr sich verlegen durch die nackenkurzen Haare.   „Trotzdem, haben Sie vielen Dank. Und du, Chiaki, du bist mir eine Erklärung schuldigt! Wenn du reden willst, meine Tür steht jederzeit offen!“ Ohne auf seinen Vater zu reagieren, warf der 17-jährige seine Schultasche über die Schulter, ging wortlos an ihn vorbei und lief nach Hause. Zwei verwirrte Männer blieben am Schultor zurück. Ich muss unbedingt mit Maron reden…, ging es Noyn alarmierend durch den Kopf. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht! „Wenn Sie mich entschuldigen, Herr Doktor.“, der ehemalige Ritter verschwand in der nächsten Ecke, stieg in sein knallrotes Auto ein, holte sein Handy aus der Jackentasche und wählte Maron’s Nummer.   Graue Wolken zogen über den orangefarbenen Himmel. Akira saß auf dem gepolsterten Rektorenstuhl, der gesunde Arm auf der großen Armlehne gestützt, das Gesicht lässig an der rechten Hand angelehnt, die langen Beine geschmeidig übereinandergelegt. Ein breites, selbstzufriedenes Grinsen umspielten seine Lippen. Seine grauen Augen waren auf das Schachbrett gerichtet, die schwarzen Figuren waren zu ihm gewandt. Seine Wunden fingen an von selbst zu verheilen. Seine Haut nahm an allen verfärbten Stellen seine normale Farbe wieder an. Auch die Brille reparierte sich selbst, bis sie wieder wie neu aussah. Akira befreite seinen linken Arm von der Schlinge und fing an mit sich alleine Schach zu spielen. Im Büro befanden sich nach wie vor sein Vater, der Schuldirektor und Herr Kamoshida, die alle vor dem Tisch standen. Ihre Gesichter wirkten ernst und alle Blicke waren auf den schwarzhaarigen Schüler gerichtet. „Ihr könnt die Fassade fallen lassen.“, hörten sie ihn in einem autoritären Tonlage sagen. Die Augen aller Erwachsenen leuchteten bedrohlich rot. Im nächsten Augenblick wurden alle -bis auf Herr Nimura- von dunklen Flammen umhüllten. Zwei große Männer standen an Stelle der Lehrkräfte da. Sie hatten dieselbe definierte, markante Statur wie Herr Nimura, trugen ebenso schwarze Anzüge und wiesen Narben auf, der eine mehr, der andere weniger. Ebenso unterschieden sich die Männer von der Haarfarbe. Keiner von den dreien rührte sich vom Fleck oder sagte ein Wort. „In Schach ist der König die wertvollste Figur im Spiel. Fällt er, hat man das Spiel verloren. Um ihn zu beschützen, hat er zahlreiche Untertanen die für ihn kämpfen und darauf abzielen den gegnerischen König zu schlagen. Es ist ein strategisches Spiel um Macht.“ Während Akira mit ruhiger Stimme sprach, sammelte er mehr und mehr weiße Figuren ein. Ab und an fiel auch eine schwarze Figur, meist eher ein Bauer. Dann hielt er die schwarze Königin in den Händen, betrachtete sie ausgiebig und balancierte sie in seinen schlanken Fingern. „Die Königin ist die -sagen wir- mächtigste Figur von allen, da sie sich über das ganze Feld in alle Richtungen bewegen kann. Manche Spieler verlassen sich jedoch zu sehr auf ihre Königin….“ Wieder machte er ein paar Züge. Immer wieder wurde der weiße König von den schwarzen Figuren umzingelt und stand im Schach. Ohne vom Brett aufzuschauen oder sein Spiel zu unterbrechen, sprach Akira zu den Männern gerichtet: „Gute Arbeit heute. Alles verläuft so wie es ablaufen sollte. Dieser Noyn ist schon ein Schwachkopf. Ich glaube, der Idiot blickt gar nicht mehr durch was um ihn herum alles passiert. Wie konnten wir ihn 500 Jahre lang für uns dienen lassen? Naja, zu Gottes Haufen ist er eh besser aufgehoben.“ Ein abfälliges Kichern entfuhr ihm. „Unsere Königin müsste auch fleißig in Bewegung sein…Das wird garantiert lustig!“ Die drei Männer knieten sich respektvoll mit einem Bein vor dem vermeintlichen Schüler hin. „Am besten manipuliert ihr noch die Gedächtnisse von den Menschen, für die ihr euch heute ausgegeben habt. Schließlich soll nicht alles wieder Friede-Freude-Eierkuchen werden. Wenn ihr fertig seid, dann könnt ihr wieder zurück nach Hause. Auch du, Asmodeus. Ich bräuchte meinen ‚Vater‘ bestimmt nicht nochmal.“ Zum ersten Mal schaute er kurz zu den dreien auf und lächelte sie böse an. „Jawohl!“, sagten die Männer wie aus einem Mund und verschwanden im Nichts. Für eine Weile saß Akira noch auf dem Stuhl des Schuldirektors, spielte mit einer schwarzen Figur in seiner Hand. Letzten Endes setzte er seinen letzten Zug und setzte den weißen König Schachmatt. Mit dem schwarzen König. Dann löste auch er sich zufrieden grinsend in Luft auf.   Mitten auf dem Weg nach Hause hielt Chiaki inne, wie als fuhr ihm ein Blitz durch den ganzen Körper. Unauffällig versteckte er sich in die nächste Seitengasse, sodass ihn niemand sehen konnte, den Rücken an die Wand gelehnt. Er atmete schwer, seine Augen waren weit aufgerissen, wanderten unfokussiert hin und her. Kalter Schweiß bildete sich auf der Stirn. Er wurde blass. Benommen drehte er sich um, stützte sich mit der einen Hand, die zu einer Faust verkrampft war, an der Hauswand ab und hielt sich mit der anderen Hand den Kopf. W-Was ist jetzt wieder geschehen, verdammt? Ich saß doch noch eben im Büro des Rektors…Diese verf*ckten Gedächtnislücken! Warte- Ich…Ich wurde von der Schule verwiesen…? Verschwommene Erinnerungen der letzten Minuten rannten wie ein Film vor seinem inneren Auge vorbei. Sie waren ihm teilweise vertraut, teilweise auch total fremd. Er fühlt sich nicht, wie als wäre er bei dem Treffen anwesend gewesen. Sein Kopf fing an furchtbar zu schmerzen, obwohl er vorher noch Tabletten genommen hatte. Der Lärm der Straßen und die Stimmen der Menschen schallten laut in seinem Kopf. Ebenso schien er fremde Stimmen direkt aus seinem Kopf zu hören. Ihm war es nicht mehr möglich einen klaren Gedanken zu fassen. Wütend schlug Chiaki mit der Faust auf die Mauer ein und verschwand. Ein Faustabdruck blieb an der Wand zurück.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)