Zwei Seiten einer Medaille von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 37: ------------ Die Tage vergingen wie im Flug. Ich konzentrierte mich wieder mehr auf die Schule. Ließ den Laptop ausgeschaltet und sah so gut wie nie zu ihm. Er verschwand immer mehr unter all den Dingen, die ich immer mal wieder auf meinen Schreibtisch ablegte. Heute war wieder ein Tag an dem ich zurückgehen wollte, doch ich saß nur vor dem Laptop und starrte auf den schwarzen Bildschirm. Ich musste ihn starten, doch mein Finger lag nur auf der Taste ohne sie zu drücken. Es waren nun schon mehrere Wochen, dass ich nicht dort war und ich spürte, wie mein Herz noch schwerer wurde. Erneut vibrierte mein Handy neben mir. Eine Nachricht von Luzifer. Ich wusste, dass sie von ihm war und ich hatte auch eine Ahnung, was in ihr stehen würde. Sie kamen in letzter Zeit fast täglich. Wollten immer das Gleiche wissen: Wann ich zurückkam. Doch ich hatte keine Antwort und so öffnete ich sie auch dieses Mal nicht. Ich konnte nicht, auch wenn ich es so sehr wollte. All das war so unbedeutend, aber alles verschlingend. Vielleicht hatten sie sich wirklich beruhigt oder es hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Und genau dieser letzte Gedanke machte es für mich unmöglich meinen Rechner zu starten und darauf zu warten, dass ich zurück in die Welt, die ich einst so sehr liebte, kehrte. Lächerlich und doch so nachvollziehbar. Ich seufzte, als ich den Laptop wieder schloss und mir ein Schulbuch griff. Gedankenverloren blätterte ich darin herum. Las hier und da mal einen Satz, aber hatte ich ihn im nächsten Atemzug schon wieder vergessen. Das Alles diente nur einem Zweck: Die Zeit vergehen zu lassen, doch es wollte nicht gelingen. Plötzlich klingelte mein Handy. Es war Luzifer und ich drückte ihn weg. Mit einem Räuspern wandte ich mich wieder an meine Lektüre, doch ich konnte nicht einmal einen Satz lesen, da klingelte es erneut. Wieder drückte ich ihn weg. Ich wollte nicht mit ihm reden. Mit niemanden. Das hatte doch alles keinen Sinn mehr. Dieses Kapitel war vorbei und ich wusste es. Die Welt um uns herum hat die Fäden zusammen mit ihm gekappt. Er hatte sich für sie entschieden und somit jegliches Recht verloren mich überhaupt zu kontaktieren. Erneut ein Klingeln, das ich abschaltete. Noch einmal. Noch einmal. Noch einmal. Luzifer gab nicht auf. Immer wieder versuchte er mich zu erreichen. Was wollte er? Wieso konnte er es nicht akzeptieren? All das hatte keinen Sinn mehr. Es sollte nicht sein. Nicht jetzt und auch nicht morgen. Bestimmt auch nicht in einer Woche. Aber irgendwann... irgendwann würde es vielleicht wieder möglich sein. Erneut ertönte das Lied „Haunted Hearts“, das ich einzig und alleine Luzifer gab. Die Stimme von Dark Tenor erfüllte meinen Raum und ich musste die Augen schließen. Dabei sah ich sein Gesicht vor mir. Spürte seinen Kuss, doch ich riss mich wieder daraus los. All das war eine Träumerei, die mich nur zerstören würde. Es war vorbei. Er hatte sich anders entschieden und irgendwie musste ich bei diesem Gedanken traurig lächeln. Was wäre passiert, wenn ich ihn vor diese Wahl gestellt hätte? Nichts, weil ich kein Recht dazu hatte. Kurzerhand griff ich nach dem Telefon und hob ab. Versuchte ruhig zu klingen, doch das „Ja“, das über meine Lippen kam, war belegt und blieb mir fast im Hals stecken. „Endlich gehst du ran. Was sollte der Mist?“ Er klang ungehalten, doch es war mir in diesem Moment egal. „Du wolltest diesen Kontakt nicht mehr. Ich helfe dir nur dabei.“ Meine Stimme ist kühl und ich schäme mich nicht dafür. Es ist mir egal. Schließlich wollte er diese Nähe nicht. Nicht ich. Diese zwei Sätze sagte ich mir innerlich immer wieder vor, um mich an sie zu klammern und so auf meinem Standpunkt beharren zu können. „Ach, komm. Na ja, egal. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass sich unsere Band am kommenden Wochenende bei Tayaka im Park trifft. Er scheint ziemlich mittig zu wohnen. Deswegen dieser Ort. Ich weiß, dass du schon lange nicht mehr im Spiel warst, aber vielleicht hast du ja doch Lust darauf. Die anderen würden sich bestimmt auch freuen und dann kannst du bestimmt das ein oder andere erklären.“ Ich wusste nicht, was das sollte, doch ich hatte auch keine große Lust mit ihm darüber zu diskutieren. „Okay, danke. Man wird sehen.“ Ich wartete nicht einmal mehr auf eine Antwort von ihm, sondern legte gleich auf und sah dann auf mein Handy in der Hand. Sollte ich dorthin gehen? Aber was wenn? Wenn sie mich hassten, weil ich ohne ein Wort verschwunden war? Ich seufzte und sah dann noch einmal in das Buch. Die Buchstaben ergaben plötzlich keinen Sinn mehr, wodurch ich es schließlich schloss und auf den Schreibtisch legte. Ich... ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. All das ergab keinen Sinn mehr. Wieso rief mich Luzifer an? Er wollte doch keinen Kontakt mehr zu mir und dennoch erzählte er mir von dem Treffen. Wusste er nicht, wie groß die Kluft zwischen uns nicht schon war? Und durch mein Verschwinden ist sie bestimmt nicht kleiner geworden. Das wurde mir mit jedem Atemzug bewusster. Ich konnte dort nicht hingehen. Erneut schnürte mir die Verzweiflung die Brust zu. Ich wollte so sehr mit allen reden. Mit Tayaka und vielleicht war sogar Alexy dort. Aber... sie hassten mich bestimmt. Schließlich war ein Schlagzeuger nicht so leicht zu finden. Ich hatte sie bestimmt wieder nach hinten geschmissen. All die Bemühungen waren umsonst gewesen. Sie... ich war schuld daran, dass die Band nicht weiterkam. Noch einmal wanderte mein Blick auf den Laptop. Ich griff nach dem Deckel, doch ich konnte ihn nicht anheben. Alles in mir sperrte sich. Dieser Weg war geschlossen. Ich hatte ihn eigenhändig zugemauert ohne es selbst wahrzunehmen. Nie wieder würde ich zurückkehren. Sie nicht mehr sehen. Nicht mehr mit ihnen lachen. Die ganze Band trifft sich am Wochenende im Park von Tayaka. Es war eine Chance, die mir Luzifer gab, doch auch wenn alles in mir schrie, dass ich sie wahrnehmen sollte. So war dort ein kleiner Teil, der sich direkt davor stellte und verhinderte, dass ich den Entschluss endgültig fasste: Woher sollte ich wissen, ob sie mich wirklich dort wollten? Ich wollte ihren Hass nicht begegnen, aber ich sehnte mich danach wieder in Kontakt mit ihnen zu treten. Leicht hob ich den Deckel des Laptops an, doch nicht weiter als fingerbreit. Ich wusste, dass es an sich so einfach war, aber es war für mich gerade ein Ding der Unmöglichkeit. Was sollte ich tun,wenn sie mich wegjagten? Wenn sie einen neuen Schlagzeuger hatten? Was dann? Bestimmt hatten sie schon einen Neuen. Anders könnte es ja nicht weitergehen und sie wollten, dass es fortschritt. Es war ein komisches Gefühl, während ich weiter auf diesen geschlossenen Laptop starrte. So einfach und doch so kompliziert. Bei dem letzten Wort musste ich leicht lächeln. Ja, irgendwie war es kompliziert. Aber nur weil ich Angst vor Ablehnung hatte. Weil ich mir wünschte, dass man mich nur mochte. Keine Ausgrenzung und keine Schmach mehr. Ich wollte nur dazu gehören, doch in diesem Fall hatte ich mich selbst ins Aus katapultiert. Niemals hätte ich Xenia gewinnen lassen sollen. Vehementer abstreiten sollen, was sie mir an den Kopf geworfen hatten. Aber ich war so überrumpelt von den Vorwürfen gewesen, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich konnte nicht verstehen, wie sie ihr diese Worte glauben konnten.Warum sie nicht von selbst darauf kamen? Kannten sie mich wirklich so schlecht? Wollten sie mich nicht besser kennen? Sollten sie das nicht sogar? Ich klappte den Laptop wieder zu und stand auf. Schmiss das Buch auf meinen Tisch und verließ mein Zimmer. Mein Handy lag auf meinem Bett. Ich wollte es nicht sehen und auch nicht länger hier sitzen und mir dem Fakt, dass es kein Zurück mehr gab, immer bewusster werden. Ich wollte raus. Nur raus und auf andere Gedanken kommen. Es war mir an sich egal, dass es bald finster werden würde und ich verabschiedete mich auch nicht von meinen Eltern. Niemand sollte wissen, wohin ich ging. Keinem sollte bewusst werden, was ich vielleicht dabei bin zu tun. Dieser Moment sollte nur mir gehören. Sonst niemanden. Nur mir ganz alleine und so zog ich die Tür hinter mir ins Schloss, um mich auf meine Reise zu begeben. Ohne Ziel und ohne wirklichen Sinn. Nur mal rauskommen und etwas anderes sehen. Etwas anderes, als diesen geschlossenen Laptop, der die Schuldgefühle in meinem Herzen weiter wachsen lässt und mich somit langsam von innen heraus zerriss. Ich musste sie endlich vergessen. Fallen lassen und nicht mehr zurück sehen. Dieser Bereich war geschlossen. Für immer und alle Zeit. Ich würde sie nie wiedersehen. Nie wieder... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)