Magister Magicae von Futuhiro (Magister Magicae 7) ================================================================================ Kapitel 14: „Ich will Nyu wiederhaben!“ --------------------------------------- Urnue spazierte in der Lagerhalle seit Minuten murmelnd um den Bannkreis herum. Er diskutierte mit sich selbst über Mathematik, Physik und Alchemie, kam eins ums andere Mal zu dem Ergebnis, daß das gar nicht funktionieren könne und wanderte dann weiter. Er hatte den Kreidekreis sicher schon ein paar Dutzend Male abgewandert und entdeckte in den fiesen Schnörkeln immer wieder neue Zeichen und Faktoren, die all seine Überlegungen annullierten. Josh und Danny saßen daneben, unterhielten sich lediglich in Flüsterlautstärke, und versuchten, ihn möglichst nicht zu stören. „Ich durchschaue das nicht“, meinte Josh leise. „Wenn dieser Victor doch eigentlich ein Freund der Familie ist, wie Urnue sagt, warum tut er dann sowas hier?“ „Irgendeinen Grund wird es schon haben.“ „Aber haben wir diesen Victor denn nicht auf unserer Seite, wenn ich das richtig verstanden habe?“ Danny grinste zynisch. „Nein“, erwiderte er voller Überzeugung. „URNUE hat Victor auf seiner Seite. WIR haben gar nichts.“ „Aber Urnue sagte doch, Vater hätte diesen Kerl wochenlang versteckt und geschützt. Da müsste er doch eigentlich in Vaters Schuld stehen, oder nicht?“, diskutierte Josh weiter. Er konnte sich keinen Reim auf das machen, was Urnue ihnen erzählt hatte. „Sind Russen nicht normalerweise loyale Typen? Die wissen doch genau, wem sie verpflichtet sind!“ „Keine Ahnung. Wir wissen ja gar nicht, was los ist. Wer weiß, was dieser Victor zu Hause gerade mit Vater macht. Vielleicht klärt sich die Sache ja und es war gar nichts Schlimmes.“ „Du bist echt blauäugig ...“ „Ich frag mich, warum er von einigen 'Victor' und von anderen 'Dragomir' genannt wird. Wenn es heißt, anhand dieser Namenswahl würde er seine Freunde von seinen Feinden unterscheiden, dann könnte man ihn doch täuschen, indem man ihn mit 'Dragomir' anspricht und sich dadurch als sein Freund ausgibt.“ „Der Kerl wird schon clever genug sein, seine Freunde zu kennen. Ist auch egal. Sein echter Name ist das sowieso nicht.“ Danny schaute seinen großen Bruder mit riesigen Augen an. „Woher weißt du das?“ „Weil der Name nicht dem russischen Namens-Schema entspricht. Der Typ hat keinen Vaters-Namen. Russen haben doch immer so einen Beinamen mit drin, der vom Vornamen des Vaters abgeleitet ist und auf -witsch endet. Wenn sein Vater zum Beispiel Dragomir geheißen hätte, müsste er Victor Dragomirewitsch heißen, oder sowas in der Art. Das fehlt bei ihm völlig.“ Danny grinste. „Dann wärst du also ein Josh Ruppertowitsch Edelig! Das klingt witzig.“ Als Urnue plötzlich stehen blieb und verstummte, wurden sie wieder hellhörig. Der Wiesel-Tiergeist massierte sich mit geschlossenen Augen den toten Punkt über der Nasenwurzel und atmete betont gleichmäßig. „U.?“ „Ich glaube, ich hab endlich verstanden, worauf der Bannkreis basiert. Das ist einfach nur astronomisch. Habt ihr was zu schreiben dabei?“ „Äh ... mein Kalender hat einen Notizteil, reicht das?“, meinte Danny unsicher. „Ja, schon okay. Und dein Handy, bitte. Mein Akku ist alle.“ „Wir haben hier drin keinen Empfang. Die Wände sind aus Blei und Asbest.“ „Egal, ich brauch nur die Taschenrechner-Funktion. Das kann ich niemals im Kopf rechnen. ... So ein Mist, daß Handys nicht mit Variablen rechnen. Ich bräuchte einen graphikfähigen Taschenrechner, oder so. Aber es muss irgendwie gehen“, murmelte Urnue, während er das Handymenü nach der Rechnerfunktion durchforstete. Er begann seitenweise mathematische Aufgaben niederzukritzeln und diese unter Verwendung seltsamer Symbole miteinander zu verbinden. „Okay, Danny du musst mir helfen. Ich hab hier einen Zauberspruch für dich. Den musst du aufsagen, während ich an dem Bannkreis die Änderungen einzeichne“, erklärte Urnue und drückte ihm einen herausgerissenen Zettel in die Hand. In der anderen hielt er das Stück Wachskreide, das man ihnen freundlicherweise hier hatte liegen lassen. „Ich bin kein Wort-Magier“, gab der verunsichert zurück. „Das ist auch keine Wort-Magie. Das ist Bann-Magie, die auf Klang basiert.“ Josh warf von der Seite einen Blick auf den Zettel. „frange ostium? Die Tür zerstören? Müsste es nicht frange circulus heißen? Den Kreis zerstören? Das Ding ist ein Kreis, und keine Tür.“ „Danny hat nicht die Kraft, den ganzen Bannkreis zum Einsturz zu bringen. Er wird sich mit einem Durchbruch begnügen müssen.“ Der jüngere der beiden Jungen nickte. „Okay. frange ostium.“ „Sag es dem Bannkreis, nicht mir! Und vergiss nicht: das bloße Aufsagen von solchen Worten reicht nicht. Man muss sie auch wirklich so meinen, damit sie Wirkung entfalten. Versuch es!“ „Ähm ... fra ... frange ostium?“, fragte Danny schüchtern die Kreidelinien am Boden. Er kam sich unglaublich dämlich vor, mit einem Bannkreis zu reden. Urnue schlug die Hände vor´s Gesicht. „Boar. Ich wusste ja, daß ihr mit Zaubersprüchen noch nichts zu tun hattet, aber so ein Mangel an Talent ist echt ...“ „Hier, nimm! Ich helf dir anders!“, verlangte Danny und hielt Urnue seinen Zettel auffordernd wieder hin. Er ging etwas keuchend in die Knie, da die Wunden ihn immer noch stark beeinträchtigten, und setzte sich vor den Kreis. „Ich will Nyu wiederhaben! Ich werde den Kreis mit meiner eigenen, magischen Fähigkeit unterdrücken, und wenn mir dabei der Schädel platzt!“ Entschlossen konzentrierte er sich, visualisierte den Bannkreis vor seinem geistigen Auge, bis er ihn trotz geschlossener Augen bildlich vor sich sehen konnte, und wischte ihn knallhart weg. Wie erwartet regenerierte sich das elende Ding innerhalb von 2 Sekunden neu. Der schwarzhaarige Genius zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Nicht übel. Aber so wirst du das nicht lange durchhalten. Konzentriere dich immer nur auf das kleine Stück direkt vor mir, damit ich die Änderungen einzeichnen kann. Und bleib dabei immer direkt hinter mir. Ich kann nur an dem Stück des Bannkreises Änderungen vornehmen, das du gerade zum Einsturz gebracht hast. An intakten Stellen schützt er sich selbst“, erklärte er und verfluchte dabei die meisterhafte Komplexität des Bannkreises. Dragomir war wahrlich nicht grundlos die rechte Hand des Motus-Bosses gewesen. Er sagte den Jungs lieber gar nicht, wie viel hier jetzt schiefgehen konnte. Und zwar nicht nur mit den Genii im Inneren des Bannkreises. Danny nickte energisch. Genauso wie den magischen Kreis konnte er mit geschlossenen Augen auch die Genii um sich herum als gelb leuchtende Schemen sehen. Es sollte ihm also nicht schwer fallen, immer hinter Urnue zu bleiben, wenn der sich nach und nach um den Kreis herum arbeitete. In Rupperts Haus herrschte unterdessen mächtig böse Stimmung. Victor war nach einer ganzen Weile wieder im Wohnzimmer erschienen, um zu schauen, was Ruppert inzwischen trieb. Der lag immer noch auf dem Teppich, machtlos zappelnd wie ein Fisch an Land, und rollte sich gelegentlich auf den Rücken und wieder auf den Bauch. Victor lehnte sich in den Türrahmen, beide Hände selbstgefällig in die Hosentaschen geschoben, und sah ihm belustigt bei seinen Entfesselungsversuchen zu. Es war zwecklos. Das Seil bestand aus Bann-Magie. Man konnte es nicht lösen, wenn man nicht selbst ein Bann-Magier war. Und Ruppert war keiner. Der in die Jahre gekommene Bankenbesitzer in seinem inzwischen sehr zerknitterten, grauen Anzug grollte, als er Victor allein zurückkehren sah. „Was hast du mit June gemacht, du Schwein!? Lebt sie noch?“ Victor ließ das Grinsen fallen und seufzte stattdessen resignierend. Das war die falsche Frage gewesen. „Was hast du denn dagegen? Die Motus hat das jahrelang in großem Stil getan. Und jetzt hast du plötzlich ein Problem damit, wenn sich jemand an einem Genius vergreift?“ „Mein Haus ist nicht die Motus! Und mein Personal ist nicht ...“ „Dein Personal!“, unterbrach Victor ihn verächtlich. „Du hast wirklich gar nichts verstanden. Immer noch nicht.“ „Was denn verstanden!?“, zeterte Ruppert. „Verdammt, rede doch endlich mal mit mir! Was zur Hölle willst du denn?“ Mit einem unterschwelligen Kopfschütteln drehte der Vize in der Tür um und verschwand wieder in den Flur. Er konnte Ruppert nicht sagen, was das alles hier sollte. Solange der nicht von selber darauf kam, war alle Mühe fruchtlos. „Vy? Du bist doch eine Bann-Magierin“, überlegte er laut, als ihm just in diesem Moment die Genia Intima des Zwillinge-Duos vor die Nase lief. „Ich muss die magischen Schutzwälle niederreißen, die das Haus sichern. Kannst du mir mal eben dabei helfen?“ „Klar. Sag mir, was ich tun soll.“ „Was? Victor! Lass das!!! Das wagst du nicht!!!“, konnten sie Ruppert aus dem Wohnzimmer schreien hören, der das noch mitbekommen hatte. Der Russe rollte mit den Augen. „Ich hab einen Fehler gemacht. Ich hätte mich Ruppert nicht zeigen sollen“, erzählte er leise, während er mit Vy geruhsam das Haus verließ. „Er vertraut dir immer noch viel zu sehr“, stimmte die zu. „Dir und eurer Freundschaft. Er glaubt offenbar nicht, daß du ihm wirklich was tun würdest.“ „Ich werde ihn mal ne Weile mit Ybi alleine lassen“, entschied er. „Du bist gemein! Wieso darf ich keinen Spaß haben?“ „Du bist nicht halb so sadistisch wie dein Schützling. Ich bin sicher, sie macht den Job wesentlich besser.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)