Die Leute von Millers Landing von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 31: Wendungen --------------------- Justine tauchte mit dem Kopf wieder unter der Bettdecke hervor und blickte zärtlich auf Kathryn hinab, welche mit halb geschlossenen Augen und rosigen Wangen zufrieden lächelnd dalag. Sie schmiegte sich an ihre Seite, küsste sie sanft und genoss noch einen Moment lang die Ruhe nach dem Sturm. Nach einer Weile entschied sie dann aber schweren Herzens doch noch, dass sie die offenen Fragen, welche sie schon seit geraumer Zeit beschäftigten nicht länger aufschieben wollte. Sie stützte den Kopf auf eine Hand und zeichnete mit dem Zeigefinger der anderen die schönen Züge von Kathryns Gesicht nach: „Hast du eigentlich mal darüber nachgedacht, was geschieht, wenn meine Aufgabe hier vollendet ist? Werden wir uns dann noch sehen, du und ich?“ Kathryn richtete sich ein wenig auf und blickte Justine überrascht an: „Natürlich können wir und dann noch treffen! Du kannst mich besuchen, wann immer du willst. Du könntest dir hier auch ein Urlaubsdomizil errichten oder sogar gleich ganz hierherziehen, wenn du das willst!“ Justine schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich gehöre nicht hier her! Ich habe eine Aufgabe zuhause. Und ich habe nachgedacht: Du könntest dich unserer Sache doch anschließen, Kathryn. Ich habe dich beobachtet Liebste! Du bist eine gute Rednerin, bist intelligent und hast starke Überzeugungen. Du wärst wunderbar geeignet! Warum kommst du nicht mit mir nach Boston?“ Kathryn starrte sie ungläubig an und erwiderte: „Wie stellst du dir das vor? Wovon sollte ich denn Leben. Ich bin nicht wohlhabend, wie ihr alle!“ „Um Geld musst du dir keine Sorgen machen! Ich bin doch da!“ Kathryn schmunzelte: „Willst du etwa, dass ich deine Mätresse werde? Und was wird dann aus deinem Ehemann? Denkst du, es würde ihm gefallen, im Gästezimmer untergebracht zu werden?“ Justine schüttelte den Kopf: „Unsinn Kathryn! Wir können leicht Arbeit für dich finden. Du kannst finanziell vollkommen unabhängig sein. Ich würde dir nur beim Übergang in ein neues Leben helfen, wenn du es mir gestattest. Und bezüglich meines Ehemanns... das Erste, was ich tun werde, wenn ich wieder in Boston bin, ist Nathan rauszuwerfen. Immerhin ist es mein Haus. Du könntest also bei mir wohnen oder dir etwas Eigenes suchen, ganz wie du möchtest.“ Kathryn blickte Justine unglücklich an und antwortete: „Aber ich kann doch nicht einfach von hier fortgehen, Liebling! Ich habe hier meine Freunde und für mich sind sie sogar mehr als das. Sie sind meine Familie! Sie brauchen mich und ich brauche sie!“ Traurig erwiderte Justine ihren Blick: „Bist du sicher, dass es hierbei nicht um IHN geht? Du liebst ihn doch noch, habe ich nicht recht?“ „Von wem sprichst du bitte?“ fragte Kathryn entrüstet. „Ach komm schon Kathryn! Es beleidigt meine Intelligenz, dass du annimmst, ich hätte es nicht mitbekommen. Du weißt ganz genau, von wem ich spreche! Und es ist in Ordnung! Ehrlich gesagt habe doch von Anfang an gespürt, dass du nicht zu mir gehörst!“ „Das mit James und mir ist vorbei!“ behauptete Kathryn: „Er ist jetzt bei Melody und scheinbar passen die zwei doch wunderbar zueinander. Sie verbringen schließlich jede freie Minute im Bett und können nicht genug voneinander bekommen, wie es aussieht.“ Sogar Kathryn selbst entging nicht der bittere Unterton in ihrer Stimme, als sie das sagte. Justine hatte es natürlich auch gehört. Sie lächelte gutmütig, als sie antwortete: „Das tun wir auch und dennoch erteilst du mir gerade eine Absage für eine gemeinsame Zukunft, oder nicht? Das mit Melody und James ist lediglich eine Affäre, ebenso wie das, was wir zwei haben. Vielleicht hatte ich bis gerade eben die kleine Hoffnung, dass das mit uns mehr als das sein könnte, aber ich bin realistisch genug einzusehen, dass das nicht stimmt.“ Kathryn schenkte ihr einen unglücklichen Blick: „Das ist doch nicht wahr, Justine. Du bedeutest mir etwas!“ „Das weiß ich, mein wunderschöner Engel, aber er bedeutet dir eben mehr. Sei ehrlich; wenigstens zu dir selbst!“ erwiderte Justine. Kathryn schüttelte energisch den Kopf: „James und ich haben es miteinander versucht! Er ist noch ein Junge, lässt sich viel zu viel von mir bieten und ist mir einfach nicht gewachsen. Als Paar sind wir gescheitert!“ erklärte sie entschieden. Nach einer nachdenklichen Pause fuhr sie fort: „Und selbst wenn ich auch nur darüber nachdächte, ihn zurückzunehmen, würde er da gewiss nicht mitmachen. Er ist sehr wütend auf mich. Unsere Trennung hat ihm ziemlich zugesetzt.“ Justine zuckte mit den Schultern: „Das alles ändert aber nichts an dem, was du fühlst. Ob du noch einmal den Mut aufbringst, mit ihm zusammen zu sein oder nicht, er ist letztendlich derjenige, den du wirklich willst! Und ich bin einfach nicht bereit, nur die zweite Geige in deinem Leben zu spielen.“ Kathryn war eine ganze Weile sprachlos. Schließlich fragte sie leise: „Heißt das, du beendest das mit uns beiden jetzt?“ Lächelnd schüttelte Justine den Kopf: „Auf keinen Fall, Kathryn. Ich werde dich genießen, solange ich kann. Du hast mir mein Leben und meinen Körper wiedergegeben. Du ahnst mit Sicherheit nicht, was unsere Begegnung für mich bedeutet!“ Mit diesen Worten legte Justine sich auf Kathryn, schob einen Oberschenkel zwischen ihre Beine und begann, sich sanft auf ihr zu bewegen. Kathryn schlang die Arme und eines ihrer Beine um Justine, drängte sich eng an sie und passte sich leise seufzend dem Rhythmus ihrer Bewegungen an. Zwei Tage lang war Christian nicht mehr in Noahs Nähe aufgetaucht und nun lungerte er draußen vor dem Geschäft herum, ohne hereinzukommen. Noah drückte seine Nase an der Glasscheibe der Ladentür platt und beobachtete ihn.Christians Anblick löste widerstreitende Gefühle in ihm aus. Erinnerungen daran wurden wach, wie aufregend es gewesen war, sich versteckt in einem dunklen Winkel atemlos zu küssen, zum ersten Mal fremde Hände auf der eigenen Haut zu spüren, während man die eigenen auf Wanderschaft schickte; Erinnerungen daran, wie Christian gerochen und sich angefühlt hatte. Aber dann tauchten noch ganz andere Bilder aus seiner Erinnerung auf, davon, wie der erste Mensch, den er jemals so nah an sich herangelassen hatte, mit schweren Stiefeln auf ihn eintrat, als er selbst schon am Boden lag und an die Stimme, die ihm zischend, so dass die anderen Jungen ihn nicht hören könnten zugeflüstert hatte: „Ich töte dich, wenn du es irgendwem erzählst!“ Zwischen diesen grausam konträren Erinnerungen hatte Noah das Gefühl, zerrieben zu werden. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er nun mit Christian anstellen sollte. Natürlich war Noah nicht entgangen, dass Christian sich durch die Erfahrungen des vergangenen Jahres verändert hatte. Er war sanfter und offener. Heute war Christian so vieles von dem, was Noah sich damals gewünscht hatte. Dennoch fühlte es sich so an, als würde sich ein scheinbar unüberwindlicher Graben zwischen ihnen auftun. Und davon einmal abgesehen: Wer konnte schon sagen, ob Christians Veränderungen von Dauer sein würden? Seufzend trat Noah schließlich vor die Ladentür und winkte Christian herein: „Hast du Hunger?“ fragte er ihn. Christian schüttelte den Kopf und schlang die langen Arme um den, mittlerweile so abgehungerten eigenen Körper. „Ich glaube dir nicht!“ erklärte Noah, machte eine Runde durch den Laden, sammelte verschiedene Lebensmittel zusammen, welche er dann zur Ladentheke schleppte und in einen Karton packte. Dann zog er Geld aus seiner Hosentasche hervor und legte den nötigen Betrag in die Kasse: „Das ist für dich!“ sagte er schlicht. „Du musst nicht für mich einkaufen!“ behauptete Christian: „Ich kann selbst für mich sorgen!“ „Und wie?“ wollte Noah wissen. „Ich gehe nachher rüber zur Miene und schaue, ob einer der Arbeiter heute Nacht Gesellschaft sucht!“ gab er zurück: „Das funktioniert meistens.“ „Bitte tu das nicht!“ bat Noah erschrocken. Christian grinste schief, als er sich erkundigte: „Wieso nicht? Wirst du sonst eifersüchtig?“ Noah ging nicht auf diesen Flirtversuch ein: „Darum geht es nicht! Ich mache mir Sorgen um dich.“ erwiderte er ernst: „Was ist, wenn einer dieser Kerle gewalttätig wird, statt zu bezahlen, oder Sachen macht, die du nicht tun willst?“ „Denkst wohl, das wäre noch nie passiert, wie?“ gab Christian betont gleichgültig zurück.“ Ich hab`s überlebt!“ „Und was ist, wenn du an den Falschen gerätst? Was ist, wenn einer dich töten will.“ fragte Noah und seine Stimme überschlug sich beinahe, während er sich das ausmalte. Christian zuckte mit den Schultern: „Na und? Dann hab´ ich`s wenigstens hinter mir. Ich hab` doch eh` niemanden, der mich vermissen würde, keine Freunde, keine Familie, niemanden. Was soll`s also?“ „Vielleicht würde ICH dich ja vermissen!“ erwiderte Noah leise. „Nur vielleicht?“ erkundigte sich Christian mit einem kleinen spitzbübischen Grinsen „Na ja, ich schätze schon.“ Noah verfluchte in diesem Moment seine Weichherzigkeit. Er wusste, dass Christian dabei war, ihn einzuwickeln, also fügte er grob hinzu: „Nimm einfach das Zeug und geh´ nachhause.“ Etwas sanfter fügte er hinzu: „Ich kann dir auch ein wenig Geld geben, wenn du möchtest, nur bitte geh` nicht mehr mit einem dieser Kerle mit!“ „DEIN Geld will ich aber nicht!“ scherzte Christian: „Mit dir würde ich auch ohne Bezahlung gehen.“ „Das ist überhaupt nicht lustig!“ erwiderte Noah böse. Dann fügte er eindringlich hinzu: „Du sagst, dir liegt etwas an mir. Wenn das wirklich stimmt, dann nimmst du diese Lebensmittel und bringst dich nicht in Gefahr, hörst du?“ Christian nickte. Dann fragte er frech: „Küsst du mich zur Belohnung, wenn ich auf dich höre?“ Noah blickte ihn gequält an: „Lass` das! Ich will einfach nur, dass es dir gut geht, verstehst du!“ „In Ordnung!“ antworte Christian und ließ den Kopf hängen. Er hob den Karton auf und wollte gehen, doch Noah hielt ihn auf und berührte sanft seine Hand. Dann ließ er einen Geldschein in die Kiste fallen. Als Christian es sah, schenkte er Noah einen unglücklichen Blick. Dann verschwand er wortlos. Joe hatte die ganze Szene aus der Ferne beobachtet, ohne sich einzumischen. Nun schlenderte er zu Noah hinüber und bemerkte: „Der Junge ist ja ganz schön hartnäckig. Ich schätze, er wird sich nicht so leicht abwimmeln lassen. Er will dich offenbar wiederhaben!“ „Hm.“ machte Noah und zuckte unschlüssig mit den Schultern. Beim Abendessen musterte Kathryn James und Melody über den Tisch hinweg mit zusammengekniffenen Augen. Händchen halten, Kichern und Flüstern... diese Turtelei war schlichtweg abstoßend! Früher hatte James immer mal wieder verstohlen zu Kathryn hinüber geschaut und sie hatte gewusst, sollte es ein Fehler gewesen sein, ihre Verbindung beendet zu haben, so hätte es immer noch eine Chance gegeben, alles wieder gut zu machen, aber das war jetzt anders. James ging es offensichtlich prächtig; auch ohne sie! Nun war sie diejenige, die heimlich hinüberblickte. Sie musterte ihn; die wie immer viel zu langen schwarzen Locken, das schöne Profil, die freundlichen grünen Augen und sie verfluchte ihn innerlich, weil das viel leichter war, als sich über sich selbst zu ärgern. Irgendwann hatte sie genug davon, sich das Schauspiel am anderen Ende der Tafel anzuschauen. Sie ließ ihr Besteck geräuschvoll auf den eigenen, halb gefüllten Teller fallen und verließ die Küche. Justine blickte ihr stirnrunzelnd hinterher. Tiny stocherte ratlos in seinem Essen herum. Heute Mittag hatte Margarete ihn aufgesucht, um mit ihm zu sprechen und was sie zu sagen hatte, war so unerwartet, unglaublich und überwältigend gewesen, dass er zunächst nur wenig dazu hatte sagen können, außer, dass er es sich gut überlegen musste. In seinem Kopf rauschte das Blut. Er war aufgeregt, zappelte unruhig mit dem Knie des gesunden Beins und hatte beinahe das Gefühl, aus der Haut fahren zu müssen. Wie sollte er das bloß Joe beibringen? Helena hatte ihr Zimmer in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr verlassen. Alice hatte sie gepflegt, ihr Essen und Tee gebracht und sie angefleht, dass sie den Doktor rufen lassen dürfte, doch das hatte die junge Frau strikt abgelehnt. Sie behauptete, es gehe ihr gut, doch diesen Eindruck teilte Alice überhaupt nicht. Sie war besorgt, weil es ihrer Patientin scheinbar überhaupt nicht besser gehen wollte. Als sie heute mit einem Tablett die Treppen hinaufstieg beschloss sie, sich diesmal nicht einfach so in der, einen Spalt weit geöffneten Tür abwimmeln zu lassen. Sie würde schon herausbekommen, was Helena denn nun eigentlich fehlte. Die junge Frau bedankte sich für den Zimmerservice und begann, freudlos ihr Essen auf dem Teller von einer Seite auf die andere zu schieben. Alice beobachtete sie dabei, zog sich einen Stuhl ans Bett und fragte seufzend: „Was ist denn eigentlich los mit dir, Helena? Macht dir irgendetwas zu schaffen?“ Helena lächelte müde und beteuerte wenig überzeugend, dass ihr nichts fehle, also fuhr Alice fort: „Ist es wegen des verlorenen Rings? Wenn es nämlich darum geht, glaube ich nicht, dass das so furchtbar ist, wie du denkst. Er ist doch nur ein Ding und das kann man ersetzen. Sicher wird dein Verlobter dir verzeihen!“ Scherzend fügte sie hinzu: „Ich wette, du musst ihm nur einmal mit diesen blauen Wahnsinnsaugen zuzwinkern und er ist dir vollkommen erlegen.“ Helena stellte ihr beinahe noch volles Tablett beiseite und blickte Alice lange nachdenklich an bis diese schon langsam begann, sich unter dem Blick unwohl zu fühlen. Endlich fing Helena an zu sprechen: „Ich muss dir ein Geständnis machen, Alice! Ich habe den Ring gar nicht verloren! Ich habe ihn an Francis zurückgeschickt, zusammen mit einem Abschiedsbrief!“ Alice blickte sie ungläubig an: „Wie bitte? Warum hast du das denn getan?“ Helena antwortete nicht sofort und Alice beobachtete ihr bewegtes Mienenspiel: „Mir ist in meiner Zeit hier etwas klar geworden.“ begann Helena schließlich: „Ich weiß jetzt, warum ich so lange gezögert habe, einen Hochzeitstermin festzulegen. Francis ist mein bester Freund. Ich liebe ihn, aber ich weiß nun, dass immer etwas Wichtiges gefehlt hat. Und nun ist mir endlich klar, was das war.“ Helena hielt inne und Alice blickte sie gespannt an, bis sie endlich fortfuhr: „Ich habe meine Gefühle für Francis mit etwas verwechselt, was sie nicht waren. Ich weiß nun, dass ich nie wirklich verliebt in ihn gewesen bin. Ich war überhaupt noch nie in jemanden verliebt, bis jetzt! Nun weiß ich endlich, wie sich das anfühlen soll!“ Alice starrte sie verblüfft an. Mit dieser Eröffnung hatte sie mit Sicherheit nicht gerechnet. Erst wusste sie nicht, was sie dazu sagen sollte, dann fragte sie: „Aber... in wen bist du denn verliebt!“ Helena antwortete nicht, starrte lediglich auf ihre Bettdecke nieder und Alice ging im Kopf die möglichen Optionen durch. Da wurde es ihr schließlich klar: „Es ist James, oder?“ fragte sie. Und kopfschüttelnd fügte sie hinzu: „Aber das ist doch eine total aussichtslose Sache.“ Helena lachte trocken und murmelte vor sich hin: „Eine aussichtslose Sache. Richtig!“ Und dann wurde aus dem Lachen plötzlich ein Weinen. Alice blickte verunsichert zu ihr hinüber: „Margarete erwartet mich, aber wenn du willst, kann ich ihr sagen, dass ich heute Nacht bei dir bleibe. Was meinst du dazu!“ fragte sie sanft. „Nein!“ erwiderte Helena fest: „Ich komme klar!“ Alice blickte sie zweifelnd an: „Geh` schon!“ forderte Helena ein klein wenig barsch: „Margarete wartet und mir geht es schon besser, ehrlich!“ Dann streckte sie sich auf ihrem Bett aus, wandte sich demonstrativ ab. Alice zögerte noch kurz, ehe sie Helena tatsächlich allein ließ. Das Gespräch hatte in Alice ein beklemmendes Gefühl hinterlassen. Sie hoffte, das Noah noch nicht nachhause gegangen war und sie hatte Glück! Sie fand ihn, wie er faul mit Sam auf der Bank vor dem Wohnhaus lümmelte. Sie trat wortlos vor die beiden hin, verschränkte die Arme vor der Brust und mahlte mit ihren kräftigen Kiefern: „Oje, was ist passiert?“ wollte Noah wissen, dem ihre Verfassung nicht entging,#. „Ich würde gern mit dir sprechen!“ erklärte sie lediglich. Sam verstand den Wink, erhob sich und rief im Gehen Noah zu: „Wir sehen uns dann morgen, in Ordnung?“ „Tut mir leid!“ rief Alice dem Jungen ein klein wenig schuldbewusst hinterher, doch dieser winkte lächelnd ab und verschwand im Haus. Alice ließ sich neben Noah auf die Bank sinken und streckte die langen Beine von sich. „Also?“ fragte Noah gespannt. Alice gab präzise das Gespräch wieder, welches sie gerade mit Helena geführt hatte und endete mit der Frage: „Ist das nicht eine eigenartige Geschichte?“ Noah schüttelte den Kopf und antwortete: „An der Geschichte finde ich vor allem eine Sache wirklich merkwürdig und das ist der Teil, wo Helena in James verliebt sein soll. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich die beiden auch nur ein einziges Mal miteinander hätte sprechen sehen. Bist du sicher, dass sie das gesagt hat?“ Alice dachte angestrengt darüber nach und schließlich antwortete sie: „Sie hat es zumindest nicht abgestritten. Und als ich sie danach gefragt habe, musste sie weinen. Und außerdem... wer sollte es denn sonst sein? Es kommt doch weiter keiner in Frage?“ Noah erwiderte amüsiert: „Das sehe ich aber anders. Ich denke, die wahrscheinlichste Person ist wohl diejenige, mit der Helena, mal abgesehen von ihren Begleiterinnen, die meiste Zeit verbracht hat, seit sie hier ist!“ Alice starrte Noah einen Moment lang an, wie vom Donner gerührt und fragte dann entsetzt: „Das glaubst du doch nicht im Ernst, oder?“ Noah verdrehte die Augen, als er antwortete: „Aber sicher ist es mein Ernst! Und ich sage es doch auch schon die ganze Zeit!“ Alice schüttelte den Kopf und gab dann ärgerlich zurück: „Aber dann hätte sie doch etwas sagen können, oder etwa nicht?“ „Ich hätte auch nichts gesagt, wenn du verkündest, dass du gleich noch von deiner Liebhaberin zu einem Übernachtungsbesuch eingeladen bist!“ erwiderte Noah schlicht. „Margarete ist nicht... meine Liebhaberin.“ stammelte Alice. Dann fragte sie kleinlaut: „Ich bin wirklich eine total dumme Kuh, oder? Was mache ich denn jetzt?“ Noah zuckte grinsend mit den Schultern: „Schlaf am besten erst mal drüber!“ empfahl er. Tiny hockte auf dem Bett und hatte das Gesicht in seinen Händen vergraben, während Joe aufgeregt im Zimmer auf und ab ging: „Hat Margarete jetzt den Verstand verloren?“ fragte er fassungslos „Das kann doch nicht ihr ernst sein!“ Dann hielt er inne und starrte Tiny eindringlich an: „Du sagst überhaupt nichts dazu. Denkst du etwa tatsächlich darüber nach, Thomas?“ Tiny richtete sich langsam auf und blickte seinen Geliebten unsicher an. Er schluckte schwer, ehe er antwortete: „Ich würde es niemals tun, wenn du nicht einverstanden wärst. Aber ich möchte, dass du eines dabei bedenkst. Für mich eröffnet sich dadurch eine Möglichkeit, über die ich mir bisher nicht einmal erlaubt habe auch nur nachzudenken. Ich wusste, diese Sache ist für mein Leben nicht vorgesehen. Aber jetzt…? Das ist eine unglaubliche Chance!“ Joe schloss die Augen, holte schließlich tief Luft und antwortete resigniert: „Ich kann mich dir bei einer so wichtigen Sache doch nicht in den Weg stellen.“ Er schlang die Arme um sich selbst und murmelte unglücklich: „Wenn ihr beide eine Kind zeugen wollt, dann müsst ihr ja wohl auch miteinander schlafen, oder?“ Tiny zuckte mit den Schultern: „Ich schätze schon!“ Joe fuhr damit fort, aufgebracht auf und ab zu laufen und fing nun auch noch damit an, sich die Haare zu raufen. Als es an ihrer Tür klopfte, nahm Margarete an, es sei Alice, doch in Wirklichkeit war es Joe, der eintrat. Es war nicht zu übersehen, wie aufgewühlt er war: „Tiny hat dir alles erzählt vermute ich?“ fragte sie. Joe nickte lediglich. „Setz dich zu mir und lass` uns reden, in Ordnung?“ bat sie ein wenig kläglich. Joe schenkte ihr einen grimmigen Blick, kam ihrer Einladung aber dennoch nach. „Warum hast du ausgerechnet ihn gefragt. Du könntest James bitten oder irgendeinen x-beliebigen Kerl von der Straße nehmen, wenn es dir bloß darum geht, schwanger zu werden. Ist es, weil du immer noch Gefühle für ihn hast?“ fragte er verletzt. Margarete schüttelte bestürzt den Kopf: „Natürlich nicht! Denkst du, ich wollte irgendetwas tun, um euch beide auseinanderzubringen. Ich bin doch froh, dass ihr Zwei einander gefunden habt. Glaubst du wirklich, irgendjemand, egal ob Mann oder Frau hätte eine Chance, ihn von deiner Seite zu holen. Weißt du denn nicht, wie sehr er dich liebt? Tiny ist ein sehr guter Freund und das spielt natürlich eine Rolle bei meiner Wahl. Aber am wichtigsten war mir, dass er ein großartiger Vater wäre. Im Grunde ist er ist es doch jetzt schon, nämlich für Sam, Mia, Lois, Michael und Shamus. Ich will nicht James oder irgendeinen Kerl. Ich will jemanden, der wirklich ein Vater sein will. Ich habe keinen Mann und das wäre auch das Letzte, was ich will, nach allem, was ich wegen Carmichael durchgemacht habe. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt. Ich habe mit dieser Entscheidung nicht mehr ewig Zeit. Und das sind die Gründe, warum ich Tiny gefragt habe.“ Joe blickte sie stirnrunzelnd ran. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er fühlte sich ausgesprochen unbehaglich mit der ganzen Situation. Und so tat Margarete ihm den Gefallen, das Gespräch fortzuführen: „Der Doktor sagt, er ist sich nicht sicher, ob es mit überhaupt noch möglich ist, schwanger zu werden, wegen…meiner Verletzungen, aber ich will es wenigstens versuchen.“ Joe erkundigte sich missmutig: „Ist es in Ordnung, wenn ich eine Nacht darüber schlafe und Thomas morgen sage, wie ich darüber denke?“ „Selbstverständlich!“ erwiderte Margarete: „Nehmt euch so viel Zeit, wie ihr braucht! Und ich will, dass ihr wisst, dass ich nicht böse bin, wenn einer von euch Nein sagt. Ich weiß, dass das viel verlangt und eine große Entscheidung ist.“ Sie nahm Joe bei der Hand und blickte ihm in die Augen: „Da ist noch etwas, was ich dir sagen möchte. Du gehörst zu Tiny und falls er und ich tatsächlich ein Kind bekommen sollten, wirst du selbstverständlich auch ein Teil der Familie sein.“ Gegen seinen Willen musste Joe an dieser Stelle lachen: „Welcher Teil der Familie bin ich denn dann? Die böse Stiefmutter?“ „Vielleicht finden wir eine passendere Bezeichnung für dich?“ erwiderte Margarete lächelnd. Als Alice Margaretes Zimmertür öffnete, kam ihr Joe entgegen. Sie blickte ihm erstaunt hinterher und konnte spüren, dass etwas in der Luft lag, also fragte sie: „Ist alles in Ordnung?“ „Wir hatten etwas Wichtiges zu besprechen, aber nimm es mir bitte nicht übel, wenn ich noch nicht darüber reden möchte, in Ordnung?“ gab Margarete zurück. Alice nickte. Es beunruhigte sie zwar ein wenig, dass es etwas gab, das sie nicht wissen sollte, aber sie ging darüber hinweg, denn auch sie hatte etwas Wichtiges zu besprechen. Sie war ein wenig nervös, hatte keine Ahnung, wie sie anfangen sollte, also fiel sie einfach mit der Tür ins Haus: „Helena hat ihre Verlobung gelöst und Noah glaubt, es sei wegen mir!“ Mit diesen Worten ließ sie sich neben Margarete auf das Bett fallen. Diese blickte sie aufmerksam an und Alice stotterte unsicher: „Du… du glaubst doch auch, dass das Unsinn ist, oder?“ „Nein, das denke ich nicht!“ erwiderte Margarete lächelnd. Alice richtete sich ruckartig auf und starrte sie an: „Wie meinst du das? Glaubst du, Helena hat wirklich etwas für mich übrig?“ „Nein!“ gab Margarete zurück und Alice entspannte sich ein wenig. Doch dann fuhr Margarete fort: „Ich denke, es ist sehr viel mehr als das, wenn sie deswegen sogar ihre Verlobung aufgelöst hat.“ „Aber doch nicht wegen mir. Ich bin das mit Sicherheit nicht wert! Sie muss verrückt geworden sein.“ erwiderte Alice fassungslos. Margarete schüttelte ungeduldig den Kopf: „Warum sollst du es denn nicht wert sein, du dummes Ding? Alles an dir ist großartig?“ Alice quittierte das mit einem zweifelnden Bick, erwiderte jedoch nichts: „Und wenn es wirklich so wäre? Wie denkst du selbst darüber?“ wollte Margarete wissen. Alice errötete und blickte verunsichert zu Margarete hinüber: „Helena ist toll! Sie ist lustig, klug und selbstbewusst! Ich habe sie sehr gern! Aber dich habe ich auch sehr gern!“ Margarete zog Alice in ihre Arme und küsste sie auf die Wange: „Das weiß ich, mein Mädchen! Aber ich kann dir nicht genug geben, um dich glücklich zu machen. Und das will ich doch für dich, denn ich liebe dich! Verstehst du das?“ Alice nickte und weinte ein wenig: „Ich denke, ich werde darüber schlafen müssen. Morgen früh gehe ich zu Helena und spreche mit ihr.“ erklärte sie. „Was wirst du ihr sagen?“ wollte Margarete wissen. Alice zuckte mit den Schultern: „Wenn ich das nur wüsste?“ Bob langweilte sich zu Tode. Er hatte damit begonnen, ein paar Fliegen, Spinnen und Käfer einzufangen, eben alles Lebendige, dass sich in seine Zelle verirrte. Dann riss er ihnen Flügel und Beine aus und sah dabei zu, wie sie zappelten und hoffnungslos zu entkommen versuchten. Dieses Spiel amüsierte ihn allerdings nur mäßig. Er hatte in den letzten Tagen immer mal wieder eine Maus hier herumlaufen sehen. Damit wäre es vielleicht spaßiger, aber er bekam das verflixte Biest einfach nicht zu fassen! „Hey Snyder! Wann ist denn endlich mein Prozess? Ich will hier raus!“ rief er dem Sheriff zu. „Das dauert noch, du Spinner!“ lautete die barsche Antwort von nebenan: „Der Richter ist noch immer nicht in der Stadt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)