Partner unwanted von Rix (but desperately needed) ================================================================================ Kapitel 1: Cluedo ist ohne Hinweise ein Scheißspiel --------------------------------------------------- 05.06.2039 06:51 Uhr; Außenbezirk Detroits Es war einer dieser Tage, an denen Reed erst nach dem dritten Kaffee den Tatort betrat. Das milde Wetter am Tag zuvor, hatte sich sich zu einem nieselnden Regen gewandelt, weswegen er noch einige Momente in seinem Auto sitzen blieb. Durch die Windschutzscheibe konnte er das Flackern der Absperrbänder erkennen und einen seiner Arbeitskollegen der neugierige Passanten verscheuchte. Vom dem Androiden war keine Spur zu sehen. Dennoch gab Reed sich nicht der Fantasie hin, dass der gestrige Tag nur ein Alptraum gewesen war. Dafür war der morgendliche Anruf zu deutlich gewesen. Und der Fakt, dass er sich an einem Tatort befand, an dem ein Android das Opfer zu sein schien. Mit finsterer Miene zupfte er ein letztes Mal an seinem Gummiband am Handgelenk, bevor er endlich nach draußen trat. „Detective Reed“, begrüßte ihn der Polizist, dessen Name er sich nie merken konnte. Mit einem kurzen Nicken marschierte er an ihm vorbei und in das Haus hinein. Schon von draußen hatte es nicht viel hergegeben. Mit der abgeblätterten Farbe, den zugenagelten Fenster und dem überwucherten Vorgarten sah es eher aus wie ein Fall für das Abriss-Komitee als eine bewohnbare Unterkunft. Jedoch sah das Innere noch einmal um einiges schlimmer aus mit gammelige Möbel, Berge von Müll und Essensresten. Warum auch immer der Android hier gewesen war, gelebt hatte er in dem Haus sicherlich nicht. Kaum ein Schritt in der Wohnung und schon befand Reed sich im Wohnzimmer mit einer Trennwand zur Küche, wo zwei Leute der Forensik alles nach Spuren untersuchten. Ohne eine Begrüßung schritt er an ihnen vorbei und die Treppe hinauf, wo er mehrere Schritten vernahm. Zu seiner linken befand sich ein Bad, was nach Tetanus schrie. Einige Meter weiter führte die zweite Tür von links in ein Schlafzimmer, in dem sich der Mord abgespielt zu haben schien. Im Türrahmen blieb Reed stehen und verschaffte sich einen ersten Überblick. Durch die zugenagelten Fenster fiel gerade so viel Licht, dass man den aufgewirbelten Staub in der Luft ausmachen konnte. Ein großer Schrank stand weit geöffnet am einem Ende des Raumes. Am anderem befand sich eine zertrümmerte Kommode neben einem Doppelbett, was den Großteil des Raumes einnahm. Auf dem Bett lag der tote Android. Das blaue Thirium hatte die Bettdecke durchtränkt und sickerte wie zähflüssiger Syrup am Rand hinab. Die Ursache für den immensen Verlust der Flüssigkeit schien mehr als deutlich der aufgeschlitzte Oberkörper zu sein. Als Reed näher an das Opfer herantrat, konnte er erkennen, das dem Androiden die Innenteile herausgerissen wurden. Irgendwo regte sich tief in seinem Inneren eine Art Mitgefühl, was er rasch erstickte, indem er sich daran erinnerte, dass es nur eine Maschine war, die dort leblos vor ihm lag. „Model HR400. Seriennummer #823 444 209. Todeszeitpunkt gegen 05:31 Uhr“, ertönte die eisige Stimme von RK900 hinter Reed. Überrascht zuckte er leicht zusammen und drehte sich blitzschnell um. In dem fahlen Licht des Raumes und teilweise künstlichem durch die Taschenlampen der Forensik, erschien der Android unnatürlich bedrohlich. Der kalte Blick, der dabei auf ihn ruhte, half Reed nicht besonders weiter, nicht ein wenig Unbehagen zu empfinden. Daher war seine Antwort auf die dargelegten Fakten eine verkrampfte Frage: „Achja, und das weißt du warum so genau, Blechmann?“ RK900 schaute ihn einige Sekunden stumm an, bevor er mit ebener Stimme antwortet: „Ich habe sein Blut analysiert. Was einer meiner vielen Funktionen ist, wie Ihnen bereits bekannt sein sollte, Detective Reed.“ Darauf schnaubte er nur abfällig. Tatsächlich erinnerte er sich an ein Gespräch, was er unweigerlich mitangehört hatte. In ihm hatte Hank sich lautstark über Connor beschwert, der mehr als einmal an Tatorten Blut wortwörtlich geleckt hatte, um eine Analyse durchzuführen. Reed hoffte, dass ihm solch ein widerlicher Anblick erspart bleiben würde. Allem Anschein nach hatte einer der Forensiker ihr Gespräch mitangehört, da er sich kurz vor dem Verlassen des Zimmer zu dem Detektiv umwandte. „Er hat Recht, Detective Reed. Zumindest bestätigen das unsere Ergebnisse ebenso.“ „Großartig“, flüsterte Reed gereizt, wobei ihm das leichte, höhnische Grinsen des Androiden nicht entging. Was mehr als eine Sicherung bei ihm durchbrennen ließ. Kampflustig verschränkte er die Arme vor der Brust und hob herausfordernd den Kopf an. „Willst du mir noch irgendwas berichten, was nicht jeder Anwesende hier könnte, Plastikarschloch?“ RK900 verzog eine arrogante Miene auf die Provokation hin. Zudem erschien es Reed so, als würde er sich noch gerader hinstellen, während er die Arme in einer ruhigen Bewegung hinter dem Rücken verschränkte. „Ich kann Ihnen den genauen Tathergang erläutern, wenn Sie möchten, Detective. Immerhin habe ich nicht über eine Stunde zum Tatort gebraucht.“ Reed knirschte mit den Zähnen. „Natürlich hast du das nicht. Denn du bist eine beschissene Maschine, die weder schlafen, noch sich anziehen oder was zu Essen zu sich nehmen muss“, presste er hervor und stellte sich ebenso gerader hin, um bedrohlicher zu wirken. „Und jeder Depp sieht, was hier passiert ist.“ „Ist dem so? Ich bezweifele jedoch, dass jeder 'Depp' eine Darlegung des Hergangs mit hundertprozentiger Richtigkeit wiedergeben kann“, erwiderte RK900 kühl, wobei Reed meinte den Anflug von Irritation als Unterton herauszupicken. Mit gehässiger Miene tippte er sich jetzt mit dem Zeigefinger an die Stirn. „Niemand braucht deine verkackten hundert Prozent, wenn er auch nur etwas Vorstellungsvermögen hat. Statistiken sind nur Zahlen, die schön im Bericht aussehen, Blechdose.“ „Ich glaube nicht, dass Ihnen Captain Fowler bei dieser Behauptung zustimmen würde, Detective Reed.“ „Fowler kann mich mal am Ar-“ Ein Räuspern unterbrach ihre Diskussion. Erst jetzt bemerkte Reed, dass einer der Forensiker, die vorher noch das Untergeschoss durchsucht hatte, neben ihnen stand. Anhand ihrer genervten Miene schien sie auch nicht gerade erst dort zu stehen. Reed fühlte wie ihm die Hitze den Nacken hochkrabbelte, weswegen er seine Scham mit ruppigen Anblaffen überspielte. „Was ist?“ Die Forensikerin stieß einen leichten Seufzer aus und rückte ihre Handschuhe zurecht. „Wir haben die Tatwaffe im gesamten Haus und auch außerhalb nirgends auffinden können.“ Grübelnd legte Reed seine rechte Hand ans Kinn und strich sich mit dem Zeigefinger rhythmisch über die Lippen. Von den Dingen, die er bisher erfasst hatte, war es ersichtlich, dass sie keine Tatwaffe finden würden. Zuallererst schien das Haus unbewohnt zu sein, daher war es aller Wahrscheinlichkeit nur ein Platz gewesen, an dem das Opfer sein Täter entweder unbeobachtet hatte treffen wollen oder hierher entführt worden war. Wobei Ersteres eher zutraf, da die zerbrochene Kommode auf einen Kampf hindeutete, was bei einer Entführung durch irgendwelche Restriktionen der Bewegungsmöglichkeiten verhindert worden wäre. „Wir werden die Waffe auch nicht finden, der Täter hat sie wahrscheinlich mitgenommen oder irgendwo später entsorgt.“ „Wie ich bereits sagte, wird es keine Waffe geben, da der Täter sie mitgenommen hat.“ Reed blinzelte einige Male und schaute irritiert zu RK900 hinüber, der im selben Moment wie er gesprochen hatte. Jedoch schien der Android das Gesagte von Reed absichtlich zu ignorieren und fuhr unbeirrt fort. „Die Waffe war chirurgischer Herkunft, da die Schnitte äußert sauber und präzise sind. Weiterhin gibt es Anzeichen eines Kampfes, der damit endete, dass das Opfer an der Stirn niedergeschlagen wurde. Demnach schienen sich Täter und Opfer zumindest in irgendeiner Hinsicht gekannt zu haben.“ Spottend applaudierte Reed dem Androiden. „Wow, danke für das Offensichtliche, Mister Kabelsalat.“ RK900 zog abwertend eine Augenbraue hoch. „Ich wollte nur sichergehen, dass Sie auf dem gleichen Stand wie ich sind, Detective. Wir wollen ja nicht, dass man Sie für jemanden hält, der sogar minderbemittelter als ein Depp ist.“ „Alles was ich aus deinem Mund hören, sind schicke Worte, die du dir in deinen Blechhintern stecken kannst, weil wirklich niemand sie braucht.“ Abermals räusperte die Forensikerin sich, sichtlich am Ende mit dem Verhalten zwischen Reed und RK900. „Ich werde Ihnen den Bericht und alles weitere zuschicken, Detective Reed. Sie können sich natürlich gerne noch weiter umschauen. Aber ich denke Sie werden nichts finden, was nicht wir oder Ihr“, sie zögerte kurz und warf RK900 einen raschen Seitenblick zu, „Kollege nicht bereits gefunden hat.“ Die Galle, die in Reed dabei aufstieg, war so säurehaltig, dass es ein Wunder war, dass er sie nicht in Form von kunterbunten Profanitäten herausließ. Stattdessen entschied er sich dazu, sich wie ein gelassener Mensch zu verhalten und stellte der Kollegin noch eine Frage: „Hat jemand die Nachbarschaft befragt, ob irgendwer was gesehen hat?“ „Keine Ahnung. Da müssen sie Officer Green fragen. Der steht unten, wenn Sie ihn suchen.“ Damit verschwand die Forensikerin und ließ ihn mit den Androiden zurück. Wobei das lebende Exemplar ihn schweigsam musterte. „Urgh, schau' mich nicht so dumm an, mach' deinen Job und frag Green nach seinem Bericht“, keifte er ihn an. Kurz flackerte das LED rot auf, doch RK900 sagte nichts, sondern gab nur mit einem Nicken zu verstehen, dass er dem Befehl nachkam. Alleine im Raum erschien mit einmal die Luft stickiger und die Stille unangenehm schwer. Vorsichtig trat Reed an den zerstörten Androiden heran und musterte das Opfer genauer. Er hatte das Model einige Male in Sexclubs erhascht, jedoch auch hier und da im Alltag. Jung, gutaussehend, freundlich, charmant, ein perfekter Traum, nach dem sich mehr als einer umdrehte, wenn er ihn erblickte. Dieser Traum war jedoch vom Tod geraubt wurden. Jetzt war der perfekte Körper zerrissen und die weichen Gesichtszüge zu einer Grimasse aus Schock und Verzweiflung verzogen. Es war kein Anblick, der Reed fremd war. Dennoch war es keiner, an den er sich jemals gewöhnen wollte. Sogar dann, wenn es sich um einen Androiden handelte. Und das blaue Blut sickerte weiterhin auf den Fußboden, während er vielleicht einen Moment länger als notwendig das Opfer anschaute. 05.06.2039 11:46 Uhr; Außenbezirk Detroits Aufgebracht ließ Reed sich auf seinen Fahrersitz sinken. Atmete tief ein und aus. Sank mit seiner Stirn gegen das Lenkrad und schloss die Augen. Er wollte Dinge zertrümmern. Oder einen tiefen Zug an einer Zigarette nehmen. Stattdessen griff er nur nach dem Gummiband und ließ es harsch gegen seine Haut klatschen. Officer Green war nirgends aufzufinden gewesen. Das verdammte Arschloch hatte sich höchstwahrscheinlich eine verfrühte Brunchpause gegönnt. Was Reed und RK900 dazu gezwungen hatte, die Befragung der Nachbarschaft selbst durchzuführen. Normalerweise störte es Reed keineswegs irgendwelche Personen zu befragen, hier und da machten sie sogar Spaß, wenn die Leute unter seinen Fragen nervös oder klein wurden. Jedoch mit RK900 im Schlepptau war es dieses Mal alles andere als angenehm gewesen. Von der Tatsache abgesehen, dass die Präsenz des Androiden ihm ohnehin missfiel, war seine stoische Art und Weise im zu starken Kontrast zu seiner eigenen. Diese Diskrepanz war mehr als deutlich bei den Befragungen durchgesickert. Wann immer Reed Druck auf die befragte Person ausüben wollte, funkte ihm RK900 dazwischen, um ihn daran zu erinnern, wo seine Grenzen lagen. Und wenn RK900 in Fragen abdriftete, die so voller Formulierungen waren, die kein normaler Mensch verstehen konnte, konnte Reed nicht anders, als ihn damit aufzuziehen. Sie ähnelten so mehr einen Comedyduo, als zwei Polizisten, die ihre Arbeit machten. Dadurch hatten die Befragungen elend lange gedauert und hatte am Schluss keinerlei nützliche Anhaltspunkte geliefert. Niemand hatte weder was gesehen, noch gehört. Ebenso kannte niemand den toten Androiden oder hatte ihn zuvor einmal in der Nachbarschaft gesehen. Diese Lücke an Informationen ließ Reed mit einer Hand voll von Nichts zurück, was bei einer Mordfalluntersuchung zu einem totem Ende führte. Zwar kümmerte es Reed nicht, wer den Haufen Schrott zertrümmert hatte, jedoch kratzte die Aussicht auf einen ungelösten Fall jetzt schon an seinem Stolz. Neben ihm wurde die Beifahrertür geöffnet, was ihn aufschauen ließ. Doch schon in der nächsten Sekunde bereute er es, als er die riesige Statur des von RK900 ausmachte. Genervt schnalzte er mit der Zunge, bevor er angriffslustig fragte: „Was zur Hölle machst du in meinem Auto?“ Der Android schien wie immer unbeeindruckt gegenüber der offene Feindseligkeit und zog nur in aller Ruhe die Ärmel seiner CyberLife Jacke zurecht. „Wir sind Partner und fahren in dieselbe Richtung“, erläuterte er schlicht. Was wie Fingernägel auf einer Tafel für Reeds Ohren war. „Ich sagte, dass wir keine Par-“ „Ich erinnere mich. Ich bin im Besitz eines der größten und fortgeschrittensten Speichermedien der Welt, weshalb es schier unmöglich ist, dass ich auch nur eine winzige Kleinigkeit vergesse. Dennoch ändert es nicht den simplen Fakt, dass wir in dieselbe Richtung müssen. Daher ist es nur die logischste Entscheidung, dass Sie mich mitnehmen.“ RK900 wandte sich ihm zu, wobei ein halbes Lächeln auf seinen Lippen lag, was nur vor Hohn strotzte. „Nennen Sie es guten Willen zeigen, Detective.“ „Scheiße, ich hasse dich jetzt schon so sehr, Plastikmüll“, murmelte Reed in seinen Ärmel, als er seinen Kopf erneut auf das Lenkrad fallen ließ. „Diese Empfindung kann ich nur zurückgeben“, fügte der Android bar jeder Emotion in der Stimme an, was eher wie ein Nachgedanke oder eine geskriptete Erwiderung klang. Jedoch wollte Reed über diese seltsame Kleinigkeit nicht genauer nachdenken, weswegen er es als ehrliche Meinung abtat. Danach entstand eine Stille im Auto, die nur von den dumpfen Geräuschen vorbeifahrender Autos, Passanten oder der Baustelle am Straßeneck durchbrochen wurde. Währenddessen realisierte Reed, dass es die erste Situation nach vierundzwanzig Stunden war, in der RK900 und er alleine waren. Aus dem Augenwinkel warf er dem Androiden einen skeptischen Seitenblick zu. Dieser schien dabei zu sein den Inhalt des Autos zu überprüfen, wenn seine wandernden Augen und das beständige aufleuchten seiner LED von blau zu gelb ein Anhaltspunkt dessen waren. Höchstwahrscheinlich bildete sich der Android ein Bild von ihm durch die auffindbaren Indizien von einer leeren Bierflasche hier, einem verwaisten Zigarettenhalter da oder dem lange eingeschlagenen Radio. Er dachte wahrscheinlich, dass Reed ein hoffnungsloser Fall eines Menschen war, der irgendwelche tiefsitzenden Probleme hatte und über ihn stand mit seiner perfekten Programmierung. „Vorurteilendes Arschloch“, brummte er, was RK900 zu ihm hinüberschauen ließ. Fragend hob er eine Augenbraue, was so natürlich aussah, dass Reed beinahe gewillt war, es als menschliche Reaktion anzuerkennen. „Haben Sie etwas gesagt, Detective?“, fragte der Android mit falscher Höflichkeit. „Nö“, erwiderte Reed sturer als ein Kleinkind an Weihnachten. Schweigen. RK900 seufzte und für einen Augenblick sah er wie die LED rot leuchtete. Doch so schnell es passiert war, so rasch wechselte die Farbe wieder zu Blau zurück. Reed konnte nicht sagen, ob ihn mehr der Fakt verärgerte, dass der Android seine eigentlichen Gedanken zurückhielt oder jener, dass er danach mit einer Freundlichkeit sprach, die unpassend und überaus künstlich war. „Wie wäre es, wenn wir uns endlich zum Revier zurückbegeben, die Berichte erfassen und eventuell nach dem Androiden im System suchen oder Möglichkeiten von Videoüberwachungen heranziehen? Es ist eine Schande, dass es mir nicht mehr erlaubt ist, ihn zu reaktivieren, aber nur verständlich in Anbetracht von humanen Methoden.“ Zähne knirschend hörte Reed dem Gerede zu, wobei er mehrmals die Fäuste ballte und keinerlei Anstalt machte, das Auto in den nächsten Minuten auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Langsam richtete er sich wieder in eine gerade Sitzposition und schaute RK900 direkt an. „Hör' mir gut zu, Blechmann. Erst einmal gebe ich einen Scheiß darauf, warum du wie was nicht tun kannst oder was du denkst. Zweitens ist das noch immer mein Auto und ich habe niemals zugestimmt, dich irgendwohin mitzunehmen. Drittens gebe ich als Dienstälterer die Be-“ Es knallte laut und das gesamte Auto wurde heftig durchgerüttelt. Erschrocken stieß Reed einen Fluch aus und fuhr hektisch herum. Nur um auf seine Windschutzscheibe zu schauen, die nun über und über mit Rissen und roten Flecken war, die er eindeutig als Blut erkannte. „Scheiße! Was zur Hölle?!“, stieß Reed laut aus. Hastig stieg er aus, wobei ihm RK900 schweigsam folgte, der einzige Hinweis auf eine gewisse Unruhe war das gelbe Leuchten seiner LED. Perplex starrte Reed auf die Haube seines Wagens. Dort lag Officer Green, seine Gliedmaßen in unnatürlichen Winkel verdreht, während Blut aus seinen Augen, Ohren und Mund floss. Wobei die meiste Flüssigkeit von seinem aufgeschlitzten Bauch stammte, wo dessen Organe herausfielen. Für einen Moment war Reed so hypnotisiert von dem grotesken Anblick, dass er nur wie angewurzelt dastand und gaffte. Erst der Ausruf von RK900 holte ihn aus seinem starren Zustand zurück. „Reed, auf dem Dach!“ Völlig ignorierend, dass der Android ihn nur bei seinem Nachnamen genannt hatte, schaute er zum Dach hoch, was zu dem Gebäude gehörte, vor dem er parkte. Gerade noch so konnte er eine Gestalt erhaschen, die über den Sims schaute und dann verschwand. Bevor er überhaupt irgendwas sagen konnte, war RK900 schon dabei loszurennen. „Warte!“, schrie Reed ihm hinterher, doch da war der Android schon im Gebäude verschwunden. Fluchend zog er seine Waffe und folgte ihm. Während er das Treppenhaus hoch hechtete und gerade nur so noch Fetzen von RK900 erblicken konnte, schossen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. War RK900 bewaffnet? War die Gestalt bewaffnet? Konnte der Android einen Angreifer überwältigen, wenn er waffenlos war und der Andere nicht? Und warum zur Hölle bauten die Leute keinen Aufzug ein, wenn das Gebäude aus mehr als fünf Stockwerken bestand? Als Reed endlich oben ankam und die Brandschutztür zum Dach aufstieß, brannten seine Lugen wie Feuer und sein Körper erinnerte ihn an jede verdammte Zigarette und jedes Bier in seinem Leben. Die Waffe gezückt und vor sich haltend, suchte er das Dach ab. Jedoch alles, was er erkennen konnte, war RK900 der am Rand stand und die Umgebung zu scannen schien. Vorsichtig trat er an den Androiden heran und ließ langsam, aber widerwillig die Waffe sinken, da all seine Sinne noch auf Gefahr eingestellt waren und sein Adrenalin Höchstwerte aufwies. „Wo ist das Arschloch abgeblieben?“, fragte er RK900. Der Android wandte sich zu ihm um, in seinen blauen Augen lag etwas, was Reed später als Frust kennenlernen würde. „Ich weiß es nicht.“ „Scheiße“, stieß Reed frustriert aus. Zusammen standen sie auf dem Dach und schaute hinab auf die Leiche von Officer Green. In der Ferne waren Polizeisirenen zu hören. Und während der Regen wieder an Intensität zunahm und sie durchnässte, spülte er auch die letzten Reste von möglichen Spuren weg. 05.06.2039 13:01 Uhr; Außenbezirk Detroits Mit finsterer Miene lehnte Reed an einer der Häuserwände etwas abseits des abgesperrten Bereiches. Anders als bei dem Tatort im verwaisten Hauses tummelten sich dieses Mal mehr Polizisten am Tatort. Was zu erwarten war, da ihre Berufschafft es persönlich nahm, wenn es einen von ihnen erwischte. Die Analyse von Officers Greens leblosen Körper hatte ergeben, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach noch am Leben gewesen war, als er in seinen Tod gestürzt war. Man hatte Spuren von Seilreibungen an seinen Handgelenken gefunden, was darauf schließen ließ, dass ihn jemand gewaltsam auf dem Dach festgehalten hatte. Weiterhin waren Rückstände von Chloroform in seinem Blut gefunden worden. Weswegen sich Reed fragte, warum jemand sich dann noch die Umstände gemacht hatte, ihn vor dem Herunterwerfen seinen Bauch aufzuschlitzen und inwieweit Green überhaupt seinen eigenen Tod mitbekommen hatte. Weiterhin hatte sein Mörder keinerlei Spuren hinterlassen. So in Gedanken versunken, bemerkte er zuerst nicht, dass sich RK900 neben ihn gesellte. Erst als er unbewusst das Gummiband zum zigsten Mal lang zog, nur um es wieder gegen seine Haut klatschen zu lassen, räusperte sich der Android, um auf sich aufmerksam zu machen. „Hilft Ihnen diese Sache oder ist es nur ein nervöser Tick von Ihnen, Detective Reed?“ Verdutzt runzelte Reed die Stirn und hielt inne in seiner Bewegung. „Was?“ Der Android deutete auf das Gummiband um Reeds Handgelenk und er verstand, worauf der Andere hinaus wollte. „Wa-? Nein! Das ist nur für-“, er stoppte sich im Reden. Sich daran erinnernd, dass es den Androiden nichts anging, warum er diesen Tick hatte und er seine Neugierde sich dorthin stecken konnte, wo die Sonne niemals schien. Dennoch fühlte er sich merkwürdig ertappt und verschränkte daher abwehrend die Arme. Stur und schweigsam starrte er geradeaus und beobachtete die Forensik, wie sie um sein Auto herum tänzelte. RK900 schien den Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen und tat es ihm gleich. Einige Minuten standen sie stumm da, bis Reed sich einen innerlichen Ruck gab. Denn an der ganzen Sache störte ihn etwas und er wollte schauen, ob seine Instinkte ihnen keinen Streich spielten. Auch wenn er sich die Bestätigung von einem Haufen Elektronik einholen musste. „Was denkst du darüber, Maschinenmann?“ Kurz schien RK900 überrascht darüber zu sein, dass Reed ihm nach seiner Meinung fragte, denn er schaute ihn nur ausdruckslos an. „Über was?“ Fragte er sichtlich irritiert nach. Reed schnaubte abfällig, verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das Andere, um mehr Abstand zwischen ihnen zu bringen. „Über Greens Tod.“ RK900 schwieg abermals, jedoch blinkte seine LED in schnellen Zügen mehrmals gelb auf, wobei Reed sich unsicher war, ob er den Fall prozessierte oder Reeds plötzliches Interesse nach dessen Meinung. Schließlich schien er zu einem Ergebnis zu kommen, da die LED wieder auf blau schwenkte. Langsam verschränkte er die Arme hinter dem Rücken. „Ich bin mir zu mehr als neunzig Prozent sicher, dass es kein Zufall war, sondern ein bewusster Mord und mit dem Mord des Androiden im Haus zusammenhängt.“ Reed nickte langsam, bevor er nachdenklich anfügte: „Yeah, der Zeitpunkt und die Situation sind einfach zu nahe beieinander, als das es Zufall sein könnte. Fragt sich nur, ob Greens Mord geplant war, oder nicht.“ „Oh, der Mord war definitiv geplant“, erwiderte RK900 schlicht, so als würde er gerade das Wetter erklären. Verdutzt schaute Reed zu dem Androiden hinüber, der sich ihm zugewandt hatte und prüfend musterte. Reed konnte nicht sagen warum, aber der Blick ließ seine Haut prickeln und ihn wie so oft angriffslustig werden. „Achja? Und woher willst du das wissen? Hat dir das die Zauberfee von Klugscheißerhausen zugeflüstert?“ RK900 grinste nur süffisant und schüttelte leicht den Kopf. „Officer Green schien seit der Ankunft am Tatort angespannt gewesen zu sein, was Sie durch Ihr spätes Ankommen natürlich nicht mitbekommen haben. Sein späteres, unerlaubtes Verlassen seines Postens ist ein weiteres Indiz dafür, dass ihn etwas beschäftigte. Das Treffen mit seinem Mörder ist hierbei die logische Konklusion. Dann war er geknebelt und betäubt wurden, wofür man Gegenstände braucht, die man nicht im Alltag mit sich trägt.“ Der Android hielt kurz inne in seiner Erklärung und Reed schwor, dass er sich in seiner eigenen Arroganz sonnte. „Oh, und natürlich, dass er auf Ihr Auto geworfen wurde, Detective.“ „...was?“ Verdutzt über den letzten Satz vergaß Reed für einen Moment wütend zu sein. „Mein Auto?“ RK900 nickte nur. „Wenn wir nachschauen, werden wir sicherlich feststellen, dass jemand sich an Ihrem Motor zu schaffen gemacht hat, womit ein Start nicht möglich gewesen wäre. Jemand wollte, dass Officer Green auf Ihrem Auto landet, während Sie sich in ihm befinden. Das war definitiv geplant.“ Reed stützte sich von der Häuserwand ab, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, runzelte die Stirn, fummelte kurz mit seinen Händen in der Luft, ohne irgendeinen wirklichen Sinn, bevor er sich schlapp erneut gegen die Wand mit dem Rücken fallen ließ. Müde fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar. „Scheiße“, fluchte er das gefühlte tausendste Mal am Tag. RK900 zuckte nur leicht mit den Schultern. „Ihr Auto war sowieso eine Schrottmühle. Der süßliche Gestank nach altem Rauch und die unauswaschbaren Flecken aus Soße und Bier waren kaum auszuhalten. Kein Grund diesem Blechhaufen auf vier Rädern nachzutrauern.“ Ungläubig starrte Reed den Androiden an. Dann schnalzte er mit der Zunge, bevor er zu seinem Auto hinüberschaute. „Fein. Punkt für dich, Plastikarschloch.“ Reed ignorierte das überhebliche Lächeln von RK900, was er ihm zuwarf. 05.06.2039 23:29 Uhr; Reeds Apartment Völlig erschöpft, schleppte Reed sich förmlich die letzten Stufen zu seinem Apartment hoch. Kaum hatte er die Wohnungstür aufgeschlossen, hörte er ein lautes Plumpsen von seinem Schlafzimmer aus. Dennoch besorgte ihn das Geräusch nicht, sondern signalisierte ihm nur, dass er endlich Zuhause in seinen vier Wänden war. Gerade als er achtlos seine Lederschuhe an die Seite feuerte, kam die Ursache des Geräusches schnurrend um die Ecke. Sein schwarzbrauner Kater Diple begrüßte ihn überschwänglich, indem er ihm eifrig um die Beine strich. Mit einem sanftem Lächeln auf den Lippen beugte er sich hinunter, um ihn aufzuheben und zu knuddeln. „Na Flohzirkus, ich hoffe du hattest einen besseren Tag als ich“, sprach er zu ihm, was sein Kater nur mit weiterem Schnurren erwiderte. Reed hatte Diple vor vier Jahren als Babykatze in einer Mülltonne halb verhungert und zwischen seinen toten Geschwisterchen gefunden. An Tagen wie diesen, dachte er, dass die Welt wirklich beschissen war. In der Küche angekommen, hüpfte ihm der Kater von den Armen und auf den Küchentresen, wissend das es gleich etwas zum Naschen geben würde. Reed öffnete den Kühlschrank und wollte schon zu einem kühlen Bier und der Tiefkühlcurrywurst greifen, als ihm die heutige Treppenhausszene in den Sinn kam. Knurrend griff er daher nach dem Salat und dem frischem Gemüse, wobei ihn der grüne Merkzettel mit „Gesünder ernähren“ nur noch mehr verhöhnte und förmlich in der ebenen Stimme von RK900 sprach. Während er die Zutaten für seinen Salat schnippelte, ließ er die letzten Stunden des Tages noch einmal Revue passieren. Die Behauptung RK900s, dass jemand sein Auto beschädigt hätte, stellte sich als wahr heraus. Der Mörder von Green hatte gewollt, dass Reed sich im Auto befand, um den Mord teilweise mitzuerleben. Weswegen der Mörder es so geplant und ob er mit der Anwesenheit RK900s gerechnet hatte, waren jedoch unbeantwortete Fragen. Ebenso diejenige, wie der Mörder aussah. Eine zweite Befragung der Nachbarschaft hinsichtlich Officer Greens hatte ergeben, dass niemand etwas gesehen hatte. Außer einer Person, die jedoch nur bestätigen konnte, dass Green sich alleine ins Gebäude begeben hatte. Was Reed mit zwei Morden und null Zeugen zurückließ. Auch der Abstecher danach ins Revier ergab wenig Neues. In ihren Datenbanken war der ermordete Android weder durch Aktivitäten während der Revolution, noch davor für irgendeine andere Straftat aufgelistet gewesen. Es gab nicht einmal einen Eintrag über ihn, ob er jemals irgendwem gehört hatte. Als wäre dieser Fakt nicht seltsam genug, schien ihm auch die typische LED gefehlt zu haben, was darauf schließen ließ, dass er sich zumindest eine gewisse Zeit lang als Mensch getarnt haben musste. Damit blieb die Herkunft des Androiden ein riesiges Fragezeichen. Greens Profil dagegen war so klar, dass es schon wieder zu sauber wirkte. Typische Daten wie Eltern (beide bei einem Autounfall verstorben), Einzelkind, Singel, akademische Laufbahn und die Versetzung zum DPD ergaben ein normales Leben. Auch seine wenigen Freunde berichteten nur davon, wie nett und hilfsbereit Green stets gewesen war. Der typische nette Jungen von nebenan. Wäre Reed etwas weniger misstrauisch gegenüber Menschen, würde er Greens Tod als eventuelles Phänomen der „Zur falschen Zeit, am falschen Ort“ abstufen. Aber er glaubte nicht, dass es ihn nur erwischt hatte, weil er die arme Sau gewesen war, die zufällig an diesem Tag zum Tatort musste und etwas Verdächtiges entdeckt hatte. Aber inwiefern der tote Android und Green miteinander zusammenhingen, konnte Reed nicht sagen. Das hatte Fowler überhaupt nicht gepasst. Genauso wenig wie, dass ihnen der Verdächtige vor der Nase weggelaufen war, obwohl er sich auf einem Dach mit keinerlei Fluchtmöglichkeiten befunden hatte. Reed war schon kurz davor gewesen, in einem Wutausbruch zu verfallen und Fowler anzuschreien, als RK900 ruhig und gefasst eingegriffen hatte. Es war ein Wunder gewesen, dass Reed an dem Tag nicht noch mehr von dem Büro zertrümmert hatte. Immerhin hatte es dazu geführt, dass Fowler ihnen den Fall überlassen hatte und ihnen die Möglichkeit bot, weiter nachzuforschen und herauszufinden, wer dahinter steckte. Die Zutaten in den Salat schmeißend und mit dem Dressing vermischend, stellte er die Hälfte der Thunfischdose Diple hin, der sich freudig darüber hermachte. Gerade wollte Reed samt Salatschüssel in Richtung Wohnzimmer, um sich dort auf sein Sofa zu setzen und sich noch mit sinnlosen Fernsehprogramm zu begnügen, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Genervt holte er es hervor und bereute es zugleich. Eine Nachricht einer unbekannten Nummer, wo er jedoch gleich am Inhalt wusste, wer es war. Unbekannte Nummer; 23:37 Uhr: „Soll ich Sie morgen abholen kommen, Detective Reed? Nun da Sie kein Auto haben und der Bus nicht gerade das zuverlässigste Fortbewegungsmittel ist.“ Allem Anschein hatte RK900 sein Gespräch mit Chen angehört, als die Polizistin sich über sein kaputtes Auto lustig gemacht hatte. Reed starrte die Nachricht dumpf an, die ihn förmlich verhöhnte, obwohl ihm bewusst war, dass das alles nur in seinem Kopf stattfand. Seine Augen wanderten auf sein Gummiband und dann zum Salat hinüber. Das Bild des toten Androiden und der Leiche von Green blitzte vor seinem geistigen Auge auf. Es war der letzte Tropfen in einem seit Monaten überlaufendem Fass. Gewaltsam feuerte Reed den Salat von sich, wobei die Schüssel klirrend an der Wand zerbrach. Ebenso aufgebracht riss er den Kühlschrank wieder auf, um sich den ganzen Packen Bier herauszuholen. Kräftig schlug er die Tür wieder zu, nur um den grünen Merkzettel daran abzureißen und zu zerknüllen. Schwer atmend marschierte er ins Wohnzimmer und machte den Fernseher an. Nach einigen Minuten beruhigte sich seine Atmung und der Zorn ebbte ab, wobei er eine zerfressende Leere hinterließ. Müde sank Reed in die weiche Polsterung zurück und schloss die Augen. Nach einer Weile spürte er das schwere Gewicht von Diple auf seinem Schoß. „Was für ein beschissener Tag“, vertraute er leise seinem Kater und der Leere seiner Wohnung an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)