Es waren einmal ... von blechdosenfee (... zwei verzauberte Frauen) ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Es war früher Mittag als die Bark in den heimatlichen Hafen einlief und mit ausgelassenem Jubel empfangen wurde. Das Volk feierte die Heimgekehrten, die ausgezogen waren, um die Rauhe Else wieder friedlich zu stimmen. Wie der Wassergeist es Naruto versprochen hatte, zügelte sie die Stürme und aus dem tosenden Gewässer war die bekannte See geworden, auf der Händler querten und in der die Fischer Netze auswarfen. Viele wollten dem König persönlich danken und ihm die Hand schütteln und von den Ministern kam gar der Vorschlag ein rauschendes Fest zu feiern, doch Naruto nahm nur wenige Gratulationen wahr und die Feier verschob er gleich ganz. Sein Weg führte ihn ohne Umschweife in sein Schloss zurück und noch in der gleichen Stunde, in der die Bark angelandet war, entsandte er eine Taube an Sasuke, mit der Nachricht, dass er zurückkehrte – noch vor dem vierzehnten Glockenläuten des Tages, standen die Pferde für seine Abreise im Hof bereit. Obwohl die Jahreszeit nicht wirklich für einen Ritt passte, vor allem da der Weg in den Norden führte, entschied sich Naruto dennoch gegen die Kutsche. Eile war geboten und ein Gespann brauchte länger, besonders bei diesen Wetterbedingungen. Mit einem Pferd konnte er im Jagdgalopp auch abseits der Wege reiten und somit noch mehr Zeit sparen. Begleitet wurde der König von einer Eskorte, die aus zehn Mann bestand und von denen jeder ein Zweitpferd am Zügel mitführte, um die Pausen zu verkürzen und den ermüdeten Tieren die nötige Ruhe zu geben. Sein eigenes Wechselpferd hatte Naruto an seinem Sattel befestigt. Er wollte keinem seiner Männer die zusätzliche Last aufbürden. Sowohl in seiner als auch in den Satteltaschen seiner Eskorte befand sich die passende Kleidung für den Norden. Dort würde ihnen ein eisigerer Wind in die Gesichter peitschen als es im Süden der Fall war. Den einzigen Schnee, den die meisten Südländer aus der Küstenregion kannten, bestand nur aus zarten Flocken, die immer nur bis zum Mittag des gleichen Tages liegenblieben. Das Klima des Südens war in den Wintermonaten zwar kühl und nass aber reichte nicht für einen üppigen Schneefall. Dafür waren die Sommer geprägt von einem feurigen Rad, das vom Wind und der Sonne über die Felder getrieben wurde und alle Bauern waren froh, besonders im Landesinneren, wo kleine Quellen viele große Felder zu speisen hatten, dass die Korndämon die Ähren vor dem Verbrennen schützten und die Regentrude die trockenen Böden mit Wasser benetzte.   Während der König des Südens die Hauptstadt verließ, erreichte zur selben Zeit ein Bote des Uchih-Königs das Schloss, mit der frohen Kunde, dass Sakura Haruno gefunden wurde. Da Sasuke die plötzliche Rückkehr seines Freundes nicht ahnen konnte, hatte er nicht wie sonst eine Taube, sondern einen Reiter entsandt.   Der Tag verging und in der Früh des Folgetages, das Morgenrot war gerade am Erwachen, kam ein Trupp Reiter im jagenden Galopp dem Norden auf kahlen Feldern immer näher.     Zum wiederholten Male strich Sakura am Vormittag die Bettdecke über ihren Beinen glatt. Was sollte sie auch anderes tun, der Arzt hatte strikte Bettruhe verordnet und Sasuke sorgte mit Argusaugen dafür, dass sie diese auch einhielt. Noch immer waren ihre Hände mit einem Verband versehen und sobald ihr Blick darauf fiel, fragte sie sich, wie auch jeder andere, der von ihrem Sturz in Schlucht wusste, wie sie dies hatte so glimpflich überstehen und vor allem überleben können. Gelangweilt von ihrer momentanen nutzlosen Situation, ließ Sakura ihren Blick wie schon zuvor, wenn sie alleine war, über die Einrichtungsgegenstände schweifen, während sie im angrenzten Raum das Rascheln von Papier vernahm. Direkt nach dem Frühstück, dass Sasuke ihretwegen in seinem Schlafgemach und nicht mehr im Salon, zusammen mit Ino, einnahm, war er in sein umgebautes Ankleidezimmer gegangen und widmete sich dort der Arbeit als König, während sie untätig im Bett versauerte.   Es klopfte und überrascht wandte Sakura ihren Kopf zur Tür. Sie wollte schon „Herein“, rufen aber da erinnerte sie sich, ohne Stimme würde dies niemand hören. Also konnte sie es gleich sein lassen. Stattdessen überlegte sie, ob es angebracht war, das Glöckchen auf dem Beistelltisch, der in Reichweite neben dem Bett stand, zu läuten, damit Sasuke den Besucher bemerkte aber bevor sie sich entschieden hatte, öffnete sich die Tür und Lilac erschien. Am liebsten wäre Sakura aufgestanden und ihrer Freundin entgegengegangen aber zum einen hielten sie die mahnenden Worte des Archiaters zurück, die er bei der morgendlichen Visite gesprochen hatte und zum anderen vernahm sie Lilacs leise Bitte, sie als ganz normale Zofe zu behandeln, denn alles andere würde Fragen aufwerfen und die daraus resultierenden Antworten konnten womöglich ein böses Ende einläuten. Obwohl Sakura den Beweggrund ihrer Freundin verstand, konnte sie das kummervolle Gefühl nicht abschütteln, das sie nicht nur wegen Lilacs Wunsch verspürte, sondern auch, weil nur sie bisher vom Fluch Befreiung gefunden hatte, wenn sie von ihrer Stimme mal absah.   „Lady Yamanaka bat mich, Eure Zofe zu sein bis Eure Dienerschaft am Hofe eingetroffen ist.“, nach diesen Worten trat Lilac an das Bett und schüttelte die Kissen auf, gleichzeitig hauchte sie: „Und es tut mir so leid, wie ich dich behandelt habe, bevor …“, ein unterdrückte Schluchzen entkam ihr und Sakura legte beschwichtigend die Hände auf die Unterarme ihrer Freundin. Lächelnd sah sie Lilac an und schüttelte den Kopf als Zeichen, dass keine Entschuldigung nötig war. „Danke.“, wisperte diese. „Wie geht es dir?“ Sakura, die den erwartungsvollen Blick sah, ließ die Schultern hängen. Sie zeigte mit dem Finger auf den Hals und deutete an, nicht sprechen zu können. Entsetzt und nicht sicher, die Darstellung richtig interpretiert zu haben, hauchte Lilac: „Du kannst nicht sprechen?“ Zur Antwort bekam sie ein Nicken und rasch hakte sie nach, ob ein schriftliche Verständigung möglich sei. Sakura bejahte mit einer eindeutigen Geste die Frage und wandte dann ihren Kopf in die Richtung des Nebenzimmers, denn Sasukes Stimme war erklungen. Anscheinend schien er sich mit jemanden zu unterhalten. Durch die leicht angelehnte Tür, Sasuke schloss sie nie, konnte das Gespräch gut vernehmbar mit angehört werden und mehr müssend als gewollt, lauschten die beiden Frauen.   „Es ist gut möglich, dass sie bei einem der Köhler im Wald untergekommen ist, oder in einem der Nachbardörfer, vielleicht auch auf einem der Gutshöfe, die es in der Gegend gibt.“, Sasukes Tonfall klang sehr besorgt und die beiden Frauen sahen sich verwundert an. Lilac stellte die Frage, die beiden durch den Kopf ging. „Wer wird denn gesucht?“ Sakura zuckte ahnungslos mit den Schultern, legte aber rasch den Finger auf die Lippen und deutete wieder auf den Durchgang. Von dort erklang eine rauchige und alte Stimme, das musste des Königs Gesprächspartner sein. „Sorgt Euch nicht, Eure Majestät. Wir werden jeden Stein umdrehen. Nur bei den Köhlern konnte es ein wenig länger dauern. Diese sind im gesamten Wald verteilt und ohne ihre entzündenden Meiler nur schwer auffindbar.“ „Ich verstehe. Ihr könnt abtreten.“ „Jawohl, Eure Majestät.“ Ein Geräusch, wie das Schaben von Stuhlbeinen auf Holz, erklang. „Eure Majestät, da wäre noch etwas.“ „Ist es von wichtiger Natur?“, in Sasukes Stimme schwang die Ungeduld mit. „Jawohl. Vorhin ist eine Taube angekommen, aus dem Süden. Sie trug dies am Bein befestigt.“ Für einen Moment trat Stille ein, dann sagte der König: „Ich danke euch, Hauptmann. Haltet Ausschau nach der Zofe. Ich habe Lady Yamanaka versprochen ihren Verbleib ausfindig zu machen.“ Sakura und Lilac sahen sich fassungslos an. – Rosa wurde gesucht. Da konnte der Hauptmann mit seinen Männern lange Nachforschungen anstellen, denn Rosa existierte nicht mehr. In der Zwischenzeit verabschiedete sich dieser mit den Worten: „Jawohl, Eure Majestät.“, und dann erklang der Laut einer sich schließenden Tür.   Kurz darauf betrat Sasuke das Schlafgemach und Lilac begrüßte ihn mit einer huldvollen Referenz, bevor sie Anstalten machte zu gehen. Sie war gerade Mal drei Schritte gegangen, da hielt der König sie mit einem „Ihr könnt bleiben.“, zurück. Lilac nickte und beobachtete, wie er auf das Bett zuhielt und dabei Sakura mit einem Blick ansah, der beiden Frauen ans Herz ging. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundpartie, während er einen Zettel aus der Tasche zog und ihn Sakura reichte. „Du wirst dich sicherlich freuen, der chaotischste König aller Zeiten kehrt in dieses Schloss zurück.“ Erfreut nahm Sakura die dargebotene Nachricht entgegen und las sie. Strahlend gab sie ihm die Botschaft wieder aber nach nur einem Herzschlag war ihre Freude der Besorgnis gewichen, denn Sasukes Gesicht zeigte statt dem Lächeln einen nachdenklichen Ausdruck. Er bemerkte ihren fragenden Blick und erklärte: „Ich vermute er und der Bote, den ich entsandt habe, werden sich verpasst haben. Daher muss es einen anderen Grund geben, der ihn in solcher Eile hierherkommen lässt. Du hast ja gelesen, dass er zu Pferd und nicht per Kutsche reist.“ Sakura nickte und streckte den Arm nach ihm aus. Sasuke kam näher an das Bett heran, damit sie nach seiner Hand greifen konnte und verspürte sofort den warmen und zarten Druck ihrer Finger. Er senkte den Blick und wurde sich erneut bewusst, weshalb er sie und nur sie zu seiner Königin haben wollte. Es war nicht nur wegen ihrem harmonischen Miteinander, sondern auch, weil sie die Empathie mitbrachte, die ihm in einigen Situationen gänzlich abging. Allein diese kleine Geste, in der sie nach seiner Hand griff, verdeutlichte es ihm mal wieder. Sasuke löste die Verbindung und beugte sich zu Sakura, um ihr eine Strähne hinter das Ohr zu streichen. Seine Worte waren leise als er ihr: „Ich werde Ino Bescheid geben.“, zuflüsterte und sich mit einem Kuss auf ihrer Stirn für den Moment verabschiedete. Rasch sah Lilac bei so viel vertraulicher Zweisamkeit weg, da es sie schmerzhaft daran erinnerte, noch immer den Fluch mit sich zu tragen.   Sasuke hatte kaum das Gemach verlassen, da blickten sich beide Frauen an und Sakura deutete lächelnd auf einen Blätterstapel und die danebenliegenden Schreibwaren. Nachdem sie alles von Lilac ans Bett gebracht bekommen hatte, wollte sie rasch Er kommt deinetwegen! schreiben aber aus einem ihr unbekannten Grund war sie dazu nicht in der Lage. Frustriert schnaubte sie und betrachtete die Feder in ihrer Hand mit einem missmutigen Blick. „Was ist denn los?“, kaum war diese Frage von Lilac ausgesprochen, begann Sakura von vorne, kam aber nicht weit. Alles was fing sie an. Ich kann nicht kritzelte sie und mit verschwommenen Blick fügte sie das Wort Blockade hinzu, weil ihr diese zusätzliche Unfähigkeit neben der Stimme, die Tränen in die Augen trieb. Verwirrt las Lilac die rätselhafte Mitteilung. „Blockade? Was meinst du?“ Sakura spürte, wie ihre Hand mit der Feder zitterte und Tintenflecken auf dem Pergament hinterließ. Rasch legte sie alles beiseite und schlug den Weg ein, sich per Handzeichen mitzuteilen. Mit dem Finger deutete sie auf Lilac und dann auf sich selbst, danach zeigte sie auf ihren Hals und schüttelte den Kopf. Sie wiederholte das Ganze, doch dieses Mal kam ihre verneinende Geste als sie auf das Papier tippte. Bevor ihre Freundin reagieren konnte, nahm Sakura die Feder rasch wieder zur Hand und versuchte sich noch einmal auf den schriftlichen Weg zu erklären. Ihr Kopf schmerzte, während sie nach passenden Umschreibungen und den richtigen Wörtern suchte und am Ende kam ihr blitzartig in den Sinn, für die Personalpronomen du und dich, den Namen einzusetzen. Der Satz war nicht lang aber Sakura hoffte, Lilac würde ihn verstehen. Nicht in der Lage… Blockade beim … erklären … keine Äußerung … Verbleib … Hinata. Wieder und wieder las Lilac die Zeile und zog ihre Stirn dabei in Falten, dann brach sich die Erkenntnis bei ihr bahn und mit einem zittrigen Hauchen in der Stimme suchte sie die Bestätigung, es richtig verstanden zu haben. „Du kannst niemanden mitteilen, selbst nicht mal mehr mir, was passiert ist? Wer ich bin?“, bei den letzten Worten mischte sich ein leiser Schluchzer darunter und Sakura konnte nur mit hängenden Schultern nicken, während sie niedergeschlagen auf das Papier starrte.     „Und du glaubst nicht, dass er wegen Sakura so eilig zurückkommt?“, während Ino dies sagte, gab sie Sasuke den Zettel wieder. „Nein.“, entgegnete dieser und erklärte, worauf er seine Vermutung stützte. „Den Boten an Naruto habe ich erst entsandt als sie ihr Bewusstsein vollständig wiedererlangt hat. Da kann es gut sein, die beiden haben sich verpasst. Außerdem würde es sich Naruto nie nehmen lassen, eine Nachricht an Sakura in die Botschaft zu verpacken.“ Da hat er natürlich Recht, dachte sich Ino. „Wie geht es ihr heute Morgen? War der Archiater schon da?“ „Ja, war er. Sie ist auf einem guten Weg der Besserung.“ Ino lächelte. „Das freut mich zu hören. Hätte mich auch gewundert, wenn nicht.“, Sasuke warf ihr einen verwunderten Blick zu, woraufhin sie entgegnete: „Sie war schon immer stark im Nehmen, bei der Erziehung. Ich sage nur, auf Bäume klettern, Fecht- und Bogenunterricht, Angeln – manchmal frage ich mich wirklich, was ihr Vater sich dabei gedacht hat.“ Sasuke schmunzelte. Mit dieser Überlegung war Ino nicht alleine. Wie oft hatte er Sakuras Mutter im Stillen zugestimmt, wenn diese panisch auf die verrückten Ideen ihres Mannes, bezüglich der Tochter, reagiert hatte. Inos nachfolgende Frage zu Hinatas Verbleib, riss ihn aus seinen Gedanken und er konnte nur eine verneinende Antwort liefern. „Es ist fast so, wie mit ihrer Stimme.“, erklärte er. „Sobald sie versucht sich schriftlich zu erklären, was mit ihr und Hinata geschah, kommt alles ins Stocken. Es belastet und frustriert sie.“ Ino nickte und wollte darauf etwas erwidern, kam aber nicht dazu, denn Sasuke sprach weiter und das zeigte ihr, wie sehr es ihn mitnahm, da ein Nachsatz ungewöhnlich für seine Verhältnisse war. „Ich habe das Gefühl, die Blockade hängt mit Hinata selbst zusammen. Wahrscheinlich ist ihr etwas zugestoßen, das Sakura nur durch Verdrängung verkraftet hat und jetzt zeigt ihr Geist eine Abwehr gegenüber dieser Erinnerung.“ „Meinst du wirklich?“, die Vorstellung, Hinata könnte etwas so Schreckliches passiert sein, dass Sakuras Bewusstsein dies so drastisch unterdrückte, wollte sich Ino nicht ausmalen. Sasuke zuckte hilflos mit den Schultern und entgegnete: „Ich schick dir Lilac herunter.“ Sie nickte und er ging. Was diese empathischen Dinge im Leben anging, war er wirklich nicht gut.     Naruto hatte auf seinem scharfen Ritt zwei seiner Männer zurücklassen müssen. Nach dem ersten Pferdewechsel begannen zwei der frischen Tiere das Lahmen und da die schon geritten Rösser noch zu erschöpft waren, um erneut in Anspruch genommen zu werden, beharrten die beiden Männer darauf, dass ihr König nur vorausreiten möge. Ungern kam Naruto dem nach aber seine Soldaten mahnten ihn an die gebotene Eile, mit der er alles antrieb. „Wollt ihr die gewonnene Zeit mit unser eins vergeuden?“, entgegnete einer der betroffenen Männer nach dem königlichen Protest. Naruto blieb nichts anderes übrig als sich dieses Mal dem Willen seiner Soldaten zu beugen aber nicht ohne das Versprechen zu geben, so rasch wie möglich Hilfe zu entsenden, um ihnen mit den Pferden beizustehen. Jetzt jagten er und die restlichen Soldaten querfeldein über die verschneite Landschaft.     Als Sasuke einen Blick auf die Standuhr warf, war es schon nach Mitternacht. König sein war keine leichte Aufgabe, schon gar nicht, wenn im eigenen Bett etwas Reizvolles aber noch Verbotenes lag. Um der Versuchung lang genug zu entgehen, bewältigte er sämtliche Aufgaben, die sich am Tag anhäuften. Da galt es Dekrete durchzulesen und eventuell zu erlassen oder abzulehnen, Urteile zu fällen, die Steuereinahmen zu prüfen, Besuchsanfragen von Diplomaten zu beantworten oder sich der Belange des Volkes anzunehmen. Hin und wieder bekam er auch exotische Fälle vor die Augen, wie es vor wenigen Tagen der Fall gewesen war. Ein Zwerg hatte sich beschwert, dass hinter seinem Rücken Nymphen schlecht über seine Arbeit sprachen und ihm deswegen die guten Geschäfte ausblieben. Es war eine Tortur gewesen, das scharfkantige Gekrakel des Zwerges zu entziffern und es dann auch noch richtig zu übersetzen. – Wer sich da noch wünschte, in seiner Haut stecken zu dürfen, hatte ein viel zu schönes Bild vom Königdasein.   Leise schob Sasuke seinen Stuhl zurück und stand auf. Schon von seinem Arbeitszimmer aus sah er der Verlockung im wahrsten Sinne des Wortes entgegen: ein vollkommenes Bild. Vielleicht sollte er den Hofmaler rufen lassen, damit er diese Szene auf ewig mit Öl festhielt. Ob Dornröschen genauso ausgesehen hatte als der Prinz sie fand? Vielleicht. Nur die Kerzen und das Kaminfeuer hätten nach hundert Jahren nicht mehr gebrannt.   Sakura hatte Lilac, bevor sie von Sasuke zu Ino geschickt werden konnte, in die Bibliothek gesandt, damit sie ihr ein Buch holte. Schließlich konnte sie nicht immer schlafen und Sasuke von seinen politischen Geschäften abhalten, stand auch nicht zur Debatte. Jetzt lag sie mit der aufgeschlagenen Lektüre in der Hand da und schlief, während er langsam auf das Bett zuging und sie mit einem so warmen Lächeln bedachte, wie er es selten, selbst ihr gegenüber, zeigte. Lesen, für Sakura war es keine langweilige Notwendigkeit, sondern eine Freude. Wenn sie lesen durfte, war sie glücklich. Sasuke erinnerte sich, wie sie ihn wegen seiner Beschwerde, immer nur zu lesen, getadelt hatte. Ihre Worte brannten jetzt noch in ihm als sei es gerade eben erst geschehen. –   „Viele Frauen können nicht einmal lesen, wusstest du das? Und in der einfachen Bevölkerung gibt es auch viele Männer, die nicht einmal ihren Namen schreiben können. Ist es deswegen nicht besser für den Mann aus der gehobenen Schicht, wenn seine Frau nicht unwissend ist, sondern ihr die Möglichkeit offensteht, über gewissen Dinge mit ihrem Mann sprechen zu können? Es würde der Welt sehr guttun, wenn viel mehr Frauen und auch Menschen aus den niederen Ständen das Lesen schon im Kinderalter lernen würden. Es wäre eine Bereicherung für die Welt …“ Womöglich würde sie noch immer darüber debattieren, wenn er sie nicht mit einem „Ja, ich gebe dir Recht.“, unterbrochen und einem anschließenden Kuss zum Schweigen gebracht hätte. Sasuke schüttelte unwirsch den Kopf als er daran zurückdachte. Sobald der Archiater die Erlaubnis gab, würde er sie in die Bibliothek führen und ihr dort eine gemütliche Leseecke einrichten lassen. Es reichte, wenn er auf diesen unbequemen Holzstühlen und an zu hohen Pulten über den dicken Wälzern hing. Bei ihrem Vater hatte er Sasuke sie entweder mit Ino und Hinata angetroffen oder an einem ruhigen Ort, wo sie Zeit und Muße fürs Lesen fand. Im Sommer auf ihrer Lieblingseiche und im Winter in einer kleinen Kammer am Kamin, in der einst ihre Großmutter die Näharbeiten verrichtete und ihr in kalten Winterabenden nicht nur Märchen vorgelesen, sondern ihr das Lesen selbst beigebracht hatte.   Sasuke nahm das Buch aus Sakuras Hand und platzierte ein schmales Stoffband zwischen die aufgeschlagenen Seiten. Ohne auf den Titel zu achten, legte er es auf einen der Tische ab, dann ging er um das Bett herum und zog sich lautlos seine Schuhe und das Wams aus. Mit aller Vorsicht, die er besaß und stets darauf bedacht, Sakura nicht zu wecken, ließ er sich neben sie nieder. Jedes Mal hörte er dabei das pulsierende Rauschen seines Blutes in den Ohren. Es war wirklich eine Qual für ihn, sie so nah neben sich zu wissen. Natürlich war eine schlafende Sakura für ihn nicht Neues aber in seinem Bett? Mehr als einmal musste er seine unsittlichen Gedanken unterdrücken. Was nicht gerade leicht war. In den Zeiten als er sich zusammen mit ihr im Palais oder im Jagdschloss ihres Vaters befunden hatte und nur zwei Türen sie voneinander des Nachts trennten, hatte er oft von diesem Augenblick geträumt. Stets war seine Einbildungskraft mit ihm durchgegangen, wenn er sich vorstellte, wie einfach es eigentlich war aus dem Zimmer zu gehen und sie in ihren Gemächern aufzusuchen. Diese Vorstellung hatte sich damals Nacht für Nacht in sein Bewusstsein geschlichen. Besonders schlimm war es nach dem stickigen Sommerabend in der Nähstube geworden. Natürlich hatte er da überdeutlich begriffen, wie unsittlich dieses Verhalten gewesen war aber allein der Gedanke daran … sie zu verführen. Sasuke schnaubte, er wollte nicht weiter darüber nachdenken und besonders nicht an jenen Abend, dennoch schweifte er jedes Mal dahin ab und noch heute stellte er sich die Frage, wie es soweit hatte kommen können. Er war damals zu allem bereit gewesen und Sakura anscheinend auch, zumindest hatte es von ihrer Seite keine Einwände gegeben als er ihr die Bänder am Mieder löste und seine Hände unter ihre Röcke verschwanden. Ganz im Gegenteil, wegen ihrer listigen Finger war sein Verlangen dermaßen angeschwollen, dass er mit Sicherheit ihre Unschuld geraubt hätte, nur um sich und seinen Gelüsten die sehnsüchtige Befriedigung zu verschaffen. Zum Glück hatte die Stimme der Vernunft, durch Sakuras Vater, dem unsittlichen Treiben ein Ende bereitet. Noch am selben Abend hatte sich Sasuke geschworen, erst wieder so weit zu gehen, wenn Sakura seine offizielle Frau war – ein Entschluss, der ihm jetzt nicht mehr so leicht erschien.   Sakura bewegte sich und drehte sich ihm zu, dabei zeichnete sich ihre Gestalt und der Bettdecke ab und ließ Sasuke Eid, ob seiner Richtigkeit, stark anzweifeln. Er schaffte es rechtzeitig den Blick von der geschwungenen Linie, die ihre Taille mit der Hüfte vollführte, abzuwenden und konnte beobachten wie sie langsam, blinzelnd die Augen öffnete. Sie blickte ihn vollkommen schlaftrunken an. „Schlaf ruhig weiter.“, flüsterte er und beuge sich ihr für einen Kuss auf die Stirn entgegen.     Es war schon weit nach Mitternacht und nur die Wachen schliefen nicht als ein Dunkel durch die Ritzen des Schlosstors drang. Im Hof manifestierte sich daraus die Elfenprinzessin, die mit schwebenden Schritten einen Treppenaufgang nach dem anderen und eine Tür nach der anderen, überwand. Die Wachen, an denen sie vorüber eilte, wurden von einem Zauber gefangen genommen, der ihnen sanft einflüsterte, dass da nicht war, sobald sie das Dunkel sahen. Vor Lilacs Kammer blieb sie stehen und betrachtete mit einem finsteren Lächeln die hölzerne Tür, bevor sie weiter ging. Ihr erstes Ziel war das königliche Schlafgemach und als sie es gefunden und betreten hatte, blitzte eine schwarze Klinge aus Obsidian in ihrer Hand auf. Der Dolch war einst ein Geschenk ihres Vaters gewesen. Mit langsamen Schritten ging sie auf das Bett zu und betrachtete die Menschen darin. Da lag er, der König und hielt seine Verlobte in den Armen. Seelenruhig schliefen sie. Der Kopf des Menschweibes ruhte auf seiner Brust, während er sie umfangen hielt und sein Kinn an ihr Haupt lehnte. Vorsichtig schlich sie auf Sakuras Bettseite und hob dabei den Arm, in dessen Hand sie den Obsidian-Dolch hielt. Die Klinge blitze im Kerzenschein rot und schwarz auf. Ihr Atem bebte als sie auf den schlafenden Körper hinabblickte, sie zögerte, denn der König regte sich aber er wachte nicht auf. Die Elfenprinzessin verharrte in ihrer zuschlagenden Pose und ließ ihren Blick über das edle Gesicht des Mannes gleiten, der ihr Herz in Flammen gesetzt hatte. Er gehörte ihr, ganz allein ihr und in dem sie, dieses Weib in seinen Armen vernichtete, würde sie dafür sorgen, dass sie ihren Willen auch bekam. Ihr Arm sauste nieder, der Dolch blitzte auf und ein grelles Licht blendete die Elfe und ließ sie erschrocken vom Bett wegtaumeln.   „Du!“, dröhnte eine Stimme, die vom Fenster her zu kommen schien. Die Elfe wirbelte zu dem Verursacher herum, während dieser weitersprach. „Du und das Volk deines Vaters werdet nie wieder Hand an dieses Menschenkind legen. Ihr, das gesamte Elfenpack, habt ihr schon genug Leid angetan.“ Die Elfenprinzessin stierte und dann sah sie ihn auf dem Sims des Fensters stehen. Es war das Moosmännchen, das sich bereiterklärt hatte, Sakura als sie noch die Gestalt der Rosa besaß, zu helfen. „Garstiger Waldekel.“, keifte die Elfe und ihre Pupillen wurden schmal, wie die einer Schlange, gleichzeitig deformierten sich ihre Gesichtszüge und die hohen Wangenknochen traten hervor. Ihr gesamtes Antlitz wirkte mit einmal an Kinn, Nase und Wange spitzer und das rote Haar wirbelte wild um ihre schlanke Gestalt. Wütend schrie sie das Moosmännchen an. „Wie willst du kleines Untier mich aufhalten?“ Der Waldgeist erwartete schon einen Angriff, stattdessen musste er mit ansehen, wie sie sich in ihrem zerstörerischen Wahn wieder Sakura zuwandte und knurrende Laute von sich gab. „Er hat mich verschmäht. So soll er auf ewig leiden, wenn er am Morgen neben deinem leblosen, kalten und erstarrten Körper erwacht.“ „Lass es, Elfe!“, schrie das Moosmännchen aber sie hörte nicht und erneut sauste die Klinge auf Sakura herab. Ein Knall ertönte, Lichter flammten auf und ein tosender Wind fegte durch die Schlafkammer. Nymphen umschwirrten das Bett und stießen der Elfe Verwünschungen entgegen. Die taumelte zurück und ließ den Dolch fallen. Als die Klinge auf dem Boden aufkam, zerschellte der Obsidian und zerfiel sofort zu Staub, während der goldene Griff im selben Moment durch die Macht der Nymphen verdampfte, die das edle Metall zurück an seinen Platz, tief in das Erdgestein riefen.   Geschockt über das Erscheinen so vieler Waldgeister, lehnte die Elfe mit dem Rücken an der Wand und als die Nymphen ihre Stimmen erhoben, brannte sich jedes Wort in das Innere der Prinzessin. Unerträgliche Schmerzen wallten in ihr auf und ließen ihr am Ende keine andere Wahl als das Heil in der Flucht zu suchen. Ihre Gestalt wurde immer blasser und durchscheinender bis von ihr nichts mehr zu sehen war. Nachdem die Elfe verschwand, bildeten die Nymphen einen Reigen um die Schlafstätte und jede einzelne sprach einen guten Wunsch an die noch nicht Vermählten aus, dessen Wirkung nach der Heirat eintrat. Danach verschwanden auch sie, bis auf Orina Coeligena. Sie drehte sich zum dem Moosmännchen. „Ich glaube, du brauchst mich noch.“, und ihr Blick schweifte zu dem Schreibtisch im Nebenraum. Der Waldgeist nickte und eilte im Watschelgang zu der Arbeitsstätte. Ein Schnipsen mit dem Fingern genügte und die verborgene Lade schob sich auf. Vorsichtig nahm das Moosmännchen den Ring an sich und zeigte ihn der Nymphe. „Ah, was für ein hässliches Stück Stein.“, säuselte sie und flüsterte: „Dieses dumpfe Kleinod braucht das Menschenkind nicht mehr.“, und bei ihren Worten löste sich auch der Ring auf. Zu gleichen Zeit erschallen mächtige Donner im Palast des Elfenkönigs und er wusste, seine Macht brachte den jungen Menschenkönig nicht mehr in sein Reich.   Orina Coeligena wandte sich noch einmal dem schlafenden Paar zu. „Irgendwie verstehe ich die Elfe ja.“, sie achtete nicht auf das empörte Räuspern des Moosmännchens und sprach weiter. „Aber glücklich, kann er nur mit dem Kirschenkind werden.“, und dabei bedachte sie Sakura mit einem sanften Blick. Sie verabschiedete sich vom Waldmännlein und löste sich wie die anderen Nymphen zuvor in Luft auf. Leise trat der letzte Waldgeist dieser Nacht an das Bett heran und flüsterte an den König gewandt, während auch er langsam verschwand. „Hüte den Schatz in deinen Armen, König. Noch einmal ist es mir vielleicht nicht möglich deine Aufgabe zu übernehmen und sie zu schützen.“   Die Schlafenden hatten von dem tosenden Lärm um sie herum nichts mitbekommen. Aber es lag auch nicht in der Art der Nymphen und Waldgeister des Nachts, wenn sie für manch einen Menschen Gutes schafften, von diesem auch gesehen zu werden.     Keuchend und die Finger in den Armen verkrallt, die sie verschränkt vor ihren Körper hielt, stand die Elfenprinzessin in einer verborgenen Nische. Zum König und seiner Zukünftigen konnte sie vorerst in der Nacht nicht mehr. Der Schutz, den die Waldgeister errichtet hatten, war selbst für sie zu mächtig und nicht einmal ihr Vater konnte ihn brechen, denn der Zauber war auf der Liebe der beiden Menschen aufgebaut. Leise verfluchte sie die Waldgeister, doch das würde ihr nicht weiterhelfen, denn diese Flüche perlten an den garstigen Wesen ab, wie Wasser am Öl. Aber jetzt hatte sie keine Zeit mehr sich noch länger zu grämen, noch blieb ihr die andere Verfluchte und somit eine weitere Möglichkeit das Unglück über alle, die sie hasste, zu bringen. Das Dunkel manifestierte sich um sie und erneut schwebte die Prinzessin über Gänge und Treppen dahin. Ihr Weg führte sie einige Etagen hinab, direkt vor die Kammer von Inos Zofe. Leise betrat sie den Raum und sah die junge Frau dort liegen, die in der Nacht keinen Schutz trug, um ihr entstelltes Gesicht zu verdecken. Narbe, dachte die Elfenprinzessin höhnisch. Da hatten sich die beiden ja eine schöne Geschichte ausgedacht, um der kleinen Hinata die Schmach zu ersparen, das Antlitz herzeigen zu müssen. Langsam trat die Elfe an das Bett heran und murmelte im leisen Singsang beschwörende Worte, der den Schlaf noch vertiefen lassen sollte. Währenddessen holte sie aus ihrer Kleidung eine Phiole mit roter Flüssigkeit hervor. Es war ein Teil des Tranks, den der Menschenkönig hatte bekommen sollen, der jetzt aber von der Elfe in die Karaffe der Zofe geträufelt wurde. „Nicht alles.“, flüsterte sie. „Es soll Euch, Prinzessin, nur in das Reich meines Vaters locken.“, mit diesen Worten verschwand sie.   [End. Kapitel 19] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)