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Nicht gesucht, aber gefunden

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Falls ihr gern mehr zu Christin Helena Haddock erfahren und meine Zeichnungen zum Fandom sehen wollt, dann klickt einfach hier. :)
Wenn euch meine Geschichte gefällt und ihr mich unterstützen möchtet, dann schaut gern auf Ko-Fi oder deviantArt vorbei. :D Komplett anzeigen

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Eine Haddock?!


 

๑⊱☆⊰๑
 

Da war er nun zusammen mit Struppi mitten in ein neues Abenteuer geschlittert. Wie hatte er sich nur wieder in diesen Schlamassel hineinmanövriert? Dabei hatte er doch nur einen Spaziergang über den Flohmarkt gemacht und dort dieses wirklich hübsche Modell eines Schiffes, mit dem klangvollen Namen Einhorn, erstanden. Er hätte nicht gedacht, dass ihm genau dieses Modell zum Verhängnis werden würde.

Allerdings hatte ihn das rege Interesse eines Amerikaners auf dem Flohmarkt schon stutzig gemacht. Dann noch das Auftauchen von Sakharine und die spätere Feststellung, dass dieser bereits ein Modell der Einhorn besaß. Dies hatte Tim nur herausgefunden, weil er sich, unerlaubterweise, auf Schloss Mühlenhof herumgetrieben und nach Spuren der Familie Haddock gesucht hatte. Zuletzt fand er, nach einem Einbruch in seine Wohnung, das Pergament mit dem Gedicht und kurz darauf wurde der Amerikaner, der ihm das Schiffsmodell schon auf dem Flohmarkt abkaufen wollte, zu später Stunde direkt auf seiner Haustürschwelle niedergeschossen.

Rückblickend sah Tim es wohl einfach als seine Pflicht, als guter und ehrlicher Reporter, dieser brisanten Geschichte auf den Grund zu gehen. So war es am Ende seine Neugier gewesen, die ihn hierhergebracht hatte. Selbst schuld, wie man so schön sagte.
 

๑⊱☆⊰๑
 

Nun lief er gemeinsam mit Kapitän Archibald Haddock, der das eigentliche Kommando der Karaboudjan innehatte, durch die unteren Decks des Schiffes. Die Crew hatte Tim entführt und auf dieses Schiff verschleppt. Zum Glück hatte Struppi die Verfolgung aufgenommen, sich an Bord geschlichen und schlussendlich seine Fesseln zerbissen. Durch eine Idee, die Tür zu verriegeln, Champagner Flaschen mit gelockerten Korken als Abwehr aufzustellen und sich behände einen improvisierten Haken, aus einem Holzbrett und einem Seil, zu basteln, hatte Tim es geschafft sich in die Kabine über den Frachtraum, in dem er gefangen gehalten wurde, zu hangeln. So traf er auf den Kapitän.

Diesen hatte Tim nach seinem geglückten Fluchtversuch aus dem Frachtraum kennengelernt und festgestellt, dass dieser von seiner eigenen Crew gestürzt worden war. Einzig und allein, weil ein reicher Mann seiner Crew viel mehr Geld bot, als Haddock besaß.

Sie liefen gerade einen Gang entlang, von dem aus eine Treppe zum oberen Deck führte, als Tim abrupt wenige Meter vor dem Treppenabsatz stehen blieb. Unachtsam stolperte der Kapitän beim Trinken aus seiner Whiskyflasche über seine eigenen Füße und lief dabei in Tim hinein. Was diesen ein wenig entnervt mit den Augen rollen ließ. Als Haddock sich wieder einigermaßen auf den Füßen halten konnte und bemerkte, wie Tim in die vermeidliche Stille hineinlauschte, erkundigte er sich neugierig: „Was ist los? Warum bleiben Sie stehen?“

„Hören Sie nicht die Musik?“, stellte Tim verwundert die Gegenfrage und hörte den zärtlichen Klängen eines Pianos zu, auf welchem Beethovens Mondscheinsonate gespielt wurde. Man konnte diese unmöglich überhören, da sie recht nah an der Quelle sein mussten. Der Kapitän jedoch schüttelte den Kopf. „Nein, ich höre nichts-“ Schlagartig entglitten Haddock die Gesichtszüge und er wandte sich nun voller Schrecken in die Richtung, aus der die Musik kam.

„Tausend jaulende Höllenhunde!“ Haddock rannte fluchend in die Richtung, aus der diese Melodie kam. Mit geweiteten Augen und einem perplexen Gesichtsausdruck sah Tim dem Kapitän nach. „Warten Sie, Kapitän!“ Auf seinen entsetzten Ruf reagierte dieser jedoch überhaupt nicht, weshalb Tim sich gezwungen sah ihm zu folgen.

Wenige Minuten später standen die Beiden vor der Tür, hinter der das Piano so dramatisch gespielt wurde. Ohne zu zögern, griff Haddock an die Klinke und drückte sie energisch hinunter, woraufhin bei Tim die Alarmglocken schrillten. So viel Unvorsichtigkeit hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt! Tim schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass hinter der Tür keine böse Überraschung auf sie lauerte. Immerhin war im Moment jeder auf diesem Schiff ein Feind.

Der Kapitän stürzte in den Raum hinein, woraufhin die Melodie augenblicklich verstummte. Als die Tür vollständig geöffnet war gab sie den Blick auf eine junge, brünette Frau in einem knielangen, weinroten und dreiviertelärmeligen Kleid sowie roten Pumps frei, welche mit einer Haarbürste bewaffnet und zum Angriff bereit vor dem Klavier stand.

„Mein Delfinchen...“, kam es hörbar erleichtert von Haddock, woraufhin er nun gänzlich in die Kajüte eintrat. Der Blick der jungen Frau wurde schlagartig sanfter und zu Tims Erstaunen fiel sie dem Kapitän ebenfalls sichtlich erleichtert um den Hals. „Papa!“ Sie schmiegte sich an ihn und vergrub für den Moment ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Er war ihr Vater? Hatte er vorhin nicht gesagt, dass er der Letzte der Haddocks sei? Oder meinte er damit nur der Letzte der männlichen Vertreter seiner Blutlinie?

Kurz sah Tim sich prüfend auf dem Gang um, huschte kurz darauf in den Raum hinein und schloss die Tür hinter sich, ehe er sich den Beiden wieder zuwandte. Sein Blick blieb jedoch erstaunt, da er nach Haddocks Aussage nach nicht erwartet hatte ein weiteres Mitglied seiner Familie anzutreffen.

„Oh Papa, ich hatte mir schon Sorgen um dich gemacht.“, sagte sie aufrichtig zu ihrem Vater und löste sich wieder aus seiner Umarmung, um ihn anschließend in Augenschein zu nehmen. Vermutlich wollte sie sichergehen, dass die Crew ihrem Vater kein Leid zugefügt hatte. Der Kapitän nickte leicht und strich ihr eine der vielen, tiefbraunen Strähnen aus dem Gesicht. „Ich mir auch um dich, mein kleiner Delfin.“

Wortlos hatte Tim der Szenerie zugeschaut und wurde nun selbst Thema der Unterhaltung, da die rehbraunen Augen der jungen Frau sich auf ihn richteten. Sie musterte ihn ausgiebig von Kopf bis Fuß und wieder zurück, ehe ihr Gesichtsausdruck um Einiges misstrauischer wurde. „Wer bist du? Und wag es nicht mich für dumm zu verkaufen.“ Sie hatte die Augen leicht zu Schlitzen verengt, schloss die Finger wieder fester um ihre Haarbürste und machte damit deutlich, dass sie ihm mit dieser eins überziehen würde, wenn er auch nur im Ansatz versuchen würde, ihr Märchen zu erzählen.

„Mein Name ist Tim. Ihr Vater und ich haben uns durch Zufall, bei meiner Flucht, auf dem Schiff kennengelernt und wollen nun gemeinsam von hier fliehen.“, antwortete der Reporter sehr gewissenhaft und freundlich, wobei er sogar die Hand grüßend ausstreckte. Zeit für die ausführliche Geschichte würden sie später noch genug haben, denn Haddocks Tochter schien keine Person zu sein, die seine Aussage nicht hinterfragen würde. Was ihr gutes Recht war, wie er fand. Ihr Blick wurde milder, woraufhin sie prüfend zu ihrem Vater linste und dieser mit einem Nicken seine Antwort bestätigte. Ihr Gesicht wandte sich anschließend wieder Tim zu, wobei sie langsam seine Hand zum Erwidern des Grußes, ergriff. „Sehr erfreut, Tim. Ich bin Christin Helena Haddock, die Tochter des Kapitäns. Könnten wir das Siezen bitte sein lassen? Ich bin kein großer Freund dieser Floskel, wenn es nicht unbedingt sein muss.“ Christins Tonlage und ihre Gesichtszüge waren um Welten freundlicher geworden, als sie sich Tim so vorstellte. Bei ihren letzten Worten umspielten ihre vollen Lippen sogar ein kleines Lächeln, welches Tim erwiderte und auf ihre Bitte hin zustimmend nicken ließ.

Anschließend ließ sie seine Hand wieder los, sah interessiert zu ihrem Vater und neigte den Kopf fragend zur Seite. „Wie wollt ihr hier runterkommen? Die Jungs sind überall und Sakharine wird alles dafür tun, um uns festzuhalten.“ Ihr Blick wurde wenige Herzschläge später nachdenklicher und sie spielte mit einer Strähne ihrer hüftlangen Haare, während sie leise hinzufügte: „Wenn wir nur wüssten, warum sie uns wie Vieh einsperren.“ Auf diese Worte hin deutete Haddock mit einer Handbewegung auf Tim und meinte zu Christin: „Der Kleine meint zu wissen, was der Sauertopf von uns will.“ Sofort wandten sich die rehbraunen Augen Christins wieder Tim zu, woraufhin dieser sich straffte und mit ruhiger Miene zu ihr sah.

„So? Was will er und woher weißt du das?“ Christin war sehr interessiert an dieser Antwort und ließ dabei eine ihrer Augenbrauen Richtung Stirn wandern. Tim strich sich über den Hinterkopf, sah Haddocks Tochter ernst ins Gesicht und erzählte ihr, was sie wissen wollte. Er ließ dabei kein Detail aus und sprach davon, wie er das Pergament der Einhorn fand und dass er durch dieses Modell in diese missliche Lage gekommen war. Obendrein erzählte er ihr ein bisschen mehr von Sakharine und was er bereits über diesen und die momentanen Umstände herausgefunden hatte. Nämlich, dass es zwei Schiffsmodelle der Einhorn gab und dass das Pergament sowie die beiden Haddocks vor ihm der Schlüssel zur Lösung des Rätsels zu sein schien.

Während seiner Erzählung hatten Christins Augen auf ihm geruht und ihn hin und wieder gemustert. „Ich bin der Sache nur so sehr auf den Grund gegangen, weil ich es als gute Geschichte für einen Artikel empfand.“, erklärte Tim schließlich, weshalb er dieser Sache überhaupt nachgegangen war. Sofort sah Christin ihn mit gerümpfter Nase an und zischte argwöhnisch: „Ugh... du bist Journalist.“

Es lief Tim eiskalt den Rücken hinunter, als sie seinen Berufsstand so angewidert aussprach. Langsam nickte er ihr bestätigend zu und sagte verwundert zu ihr: „Du tust, als wäre das etwas Schreckliches.“ Sie nickte zustimmend und ihre Augen wurden dabei etwas größer. „Das ist es auch. In Chicago lernte ich, während meiner unliebsamen Ausbildung zur Detektivin, genug Journalisten kennen.“ Ihre Arme verschränkte sie ablehnend vor ihren vollen Brüsten und bedachte Tim mit zynischer Miene. „Leute wie ihr geiert nur nach brisanten Geschichten. Und da die Wahrheit für euch zu wenig ist, erfindet ihr gerne einige Dinge dazu.“

Entrüstet und mit weit geöffnetem Mund sah er Christin an und blickte anschließend Hilfe suchend zu ihrem Vater. Dieser jedoch hob nur kopfschüttelnd die Hände, wandte den Blick ab und signalisierte Tim, dass er diese Situation alleine klären musste. Also atmete Tim tiefdurch, sah wieder gefasster zu ihr und entgegnete höflich: „Nun, ich bin keiner von diesen Journalisten. Ich verdiene mein Geld mit ehrlichen Artikeln, ganz ohne Lügen.“

Sie verzog, auf seine Aussage hin, ihr Gesicht zu einem höhnischen Lächeln. „Natürlich. Ach, wie oft habe ich diese Worte schon von Journalisten gehört? Und am Ende las ich dann doch nur deren Lügen und Halbwahrheiten in der Zeitung.“ Es nervte Tim enorm, dass sie so schlecht von ihm dachte, denn er wusste von sich selbst nur zu gut, wie rein sein Gewissen in diesem Punkt war. Doch wie hätte er ihr das klar machen sollen? Beweise hatte er keine. Zumindest im Moment nicht zur Hand.

„Du kannst mir vertrauen und auch glauben. Ich bin nicht wie die anderen Journalisten und das werde ich auch nie sein. Von mir würdest du immer nur ehrliche Artikel in den Zeitungen finden. Diese Art des Halbwahrheiten Publizierens liegt mir vollkommen fern.“, erklärte er ihr aufrichtig, blickte dabei sehr ernst in ihre Augen und fühlte sich in seiner Ehre als Journalist zutiefst gekränkt.

Er wusste, dass es genug dieser lügenden Journalisten gab, doch er zählte absolut nicht zu denen und dies versuchte er Christin mit seiner nachdrücklichen Aussage verständlich zu machen. Voller Hoffnung blickte er sie daher nun an und wollte, dass sie ihm glaubte.

Haddocks Tochter behielt ihre abwehrende Körperhaltung bei und musterte ihr Gegenüber prüfend. „Na fein, Rotschöpfchen. Beweis mir, dass du anders bist als die anderen und dann werde ich dir glauben.“

„Und wie?“, wollte Tim im nächsten Atemzug von ihr neugierig wissen und hatte dabei ein neckisches aber zu gleich auch fragendes Lächeln auf den Lippen. Auf diese Frage hin zuckte Christin jedoch nur mit den Schultern, deutete auf ihn und antwortete ihm mit einem Schmunzeln auf den Lippen: „Das überlass ich ganz dir. Wir werden offensichtlich eine lange Zeit zusammen sein, da wird dir bestimmt schon etwas einfallen.“

Schließlich lachte Tim leise auf, stemmte die Hände in die Hüften und sagte fast schon feierlich: „Gut, ich werde dir beweisen, dass ich anders bin als die Journalisten, die du bisher kennengelernt hast.“ Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und dem Schmunzeln auf den Lippen nickte Christin ihm zu. „Ich bin gespannt.“

Im Anschluss wandte sie sich von ihm ab, sah mit einem glücklicheren Lächeln zu ihrem Vater und sagte zu ihm: „Ich hatte gehofft, du würdest mein Klavierspiel hören und mich hier rausholen.“ Haddocks Augen weiteten sich ertappt, als seine Tochter ihn ansprach und schon einen Wimpernschlag später lächelte dieser peinlich berührt. Verwirrt furchte Christin die Stirn und verstand offenbar seinen Gesichtsausdruck nicht. Erst als er den Kopf schüttelte entglitten ihr die Gesichtszüge und noch bevor sie fragen konnte, wie er das meinte, meldete sich Tim einmischend wieder zu Wort.

„Ich habe dein Klavierspiel gehört, nicht er. Und um ehrlich sein, hat der Kapitän bis zu meinem Auftauchen gedacht seine Kajütentür wäre fest verschlossen. Was vermutlich… ziemlich tief blicken lässt.“, stellte Tim nun höflich die Situation richtig dar, zuckte mit den Schultern und wartete Christins Reaktion ab. Er hatte ja keine Ahnung, was er mit dieser Aussage entfesselte.

Ihr entsetzter Blick wandelte sich zur puren Wut, woraufhin sie erzürnt ihren Vater aus den braunen Augen heraus anfunkelte. „Du hast mich vergessen?!“ Ihre Stimme bebte vor Zorn und sie wurde eine Oktave höher, als sie ihren Vater anfauchte. Die Hände schützend vor sich gehoben, lachte Haddock beschämt auf und verteidigte sich: „Nicht mit Absicht, mein kleines Goldfischchen.“ Christin seufzte fassungslos auf, schüttelte dabei den Kopf und hob dabei leicht ihre Arme, die sie beim tiefen Ausatmen wieder sinken ließ. „Bomben, Hagel und Granaten! Ich fasse es nicht, dass du mich bei dem Ziegenbart und den ganzen Piraten, beinahe zurückgelassen hättest.“, wetterte seine Tochter und stellte dabei wunderbar zur Schau, dass sie dasselbe Temperament besaß wie ihr Vater. Der Apfel fiel, wie Tim gerade feststellen durfte, in diesem Fall tatsächlich nicht weit vom Stamm.

Tims Blick ruhte auf den Beiden, wobei er fieberhaft überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er nicht damit gerechnet hatte ein weiteres Familienmitglied zu treffen, da der Kapitän schließlich gesagt hatte, er wäre der letzte lebenden Haddock. Allerdings war seine Tochter schon wütend genug auf ihn und Tim wollte die Situation nicht noch schlimmer für ihn machen als sie eh schon war. Daher behielt er diese Information besser für sich. Vorerst.

„Du hast nicht genug getrunken, oder?“, fragte Christin ihn noch immer ein wenig erzürnt, hielt die Arme neuerlich vor den Brüsten verschränkt und sah ihren Vater abschätzend an.

Der Kapitän lachte leise auf, zuckte mit den Schultern und meinte ehrlich zu ihr: „Sagen wir so; Es könnte schlimmer sein.“ Schließlich seufzte Christin genervt auf und drückte sich mit Zeigefinger und Daumen den Nasenrücken. „Ich vergesse immer wieder, dass er wunderlich wird, wenn er zu wenig getrunken hat.“ In diesem Moment wurde Tim klar, dass der Kapitän offensichtlich nur mit einem gewissen Alkoholpegel bei wirklich klarem Verstand war. Das war interessant.

Plötzlich bellte sein treuer Struppi auf, welcher an der Kajütentür saß und an dieser kratzte, woraufhin er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden im Raum auf sich zog. Sofort wurde der Blick von Haddocks Tochter unendlich sanft, als sie den schneeweißen Fox Terrier erblickte. „Hallochen, du kleines Schnäuzelchen. Wer bist du denn?“ Mit stolzgeschwellter Brust und einem ebenso sanftmütigen Blick seinem Hund gegenüber, antwortete Tim ihr: „Das ist mein Hund. Sein Name ist Struppi.“

„Hach, er ist ja richtig goldig. Ich liebe Tiere. Aber… was will er uns mit dem Kratzen sagen?“ Tim blickte anschließend wieder ernster drein. Seine blauen Augen sahen Christin und ihren Vater zu gleichen Teilen an, während er ruhig meinte: „Er erinnert uns daran, was unser eigentliches Vorhaben war. Wir müssen von dem Schiff verschwinden, wenn wir leben wollen.“

Die Beiden wurden auf seine Antwort hin nun auch wieder viel ernster, woraufhin der Kapitän zur Kajütentür ging. Vorsichtig öffnete er diese und spähte auf den Gang hinaus. Offensichtlich war keine Gefahr im Vollzug, denn er winkte seine Tochter und den Reporter heran. „Kommt, ich weiß, wo wir lang müssen.“ So lief Haddock los. Tim und Christin tauschten daraufhin einen Blick miteinander, woraufhin Tim ihr mit einer höflichen Handbewegung den Vortritt ließ. Lächelnd nahm sie diesen an und folgte ihrem Vater, ehe er und Struppi es ihr gleichtaten. Tim hoffte, dass sie rasch den richtigen Weg an Deck finden würden. Dort würden sie sich still und heimlich ein Rettungsbot schnappen und von Bord fliehen. Dies war die einzige Möglichkeit wie sie der Karaboudjan entkommen könnten.
 

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Sei vorsichtig


 

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An Deck angekommen hatten die Drei sich zum nächstbesten Rettungsbot geschlichen, welches sie versuchten loszumachen. Sie mussten das gute Stück schließlich bereitmachen, um es zu Wasser lassen zu können. Es war allerdings ziemlich gut vertäut, weswegen dies einige Augenblicke in Anspruch nehmen würde. Mit vereinten Kräften würde dies jedoch recht schnell gehen. Dabei durfte sie nur niemand entdecken.

Tim hatte ihnen diese Möglichkeit vorgeschlagen, da es die einzige Vernünftige war, um von der Karaboudjan zu flüchten. Sicher hätten sie auch versuchen können das Schiff zu übernehmen, doch ihre Gegner waren in der Überzahl. Dadurch fiel dieser Plan schlussendlich weg.
 

๑⊱☆⊰๑
 

Gerade waren sie dabei die Taue zu lösen, als plötzlich Bewegung auf das obere Deck aufkam, woraufhin die Drei sich tiefer in den Schatten des Rettungsbootes zurückzogen, um nicht gesehen zu werden. Ein wenig atemlos und erschrocken gab der Kapitän, mit ausgestrecktem Finger deutend, von sich: „Da sind Alan und Tom.“ Sofort folgten die anderen Zwei seinem Fingerzeig, woraufhin Tim genau beobachtete wie besagter Alan und ein anderer Matrose, offenbar Tom, in ein kleines Häuschen auf dem Deck verschwanden. Diese Beiden kannte er sehr gut. Sie hatten ihn entführt und waren später diejenigen gewesen die ihn durchsuchten, während Sakharine ihn zu dem Gedicht löcherte.

„Ist das die Brücke?“ Der Reporter linste interessiert zu Haddock und sah anschließend wieder zu dem Raum, in dem die Beiden verschwunden waren. Bedächtig nickte Christin, die neben ihm hockte. „Ja, auf der anderen Seite ist der Funkraum.“

Tims Augen wurden groß, ehe er erstaunt zu Haddocks Tochter blickte. Ein Funkraum? Das war die Rettung gewesen! Von dort aus hätte er einen Funkspruch an Interpol absetzen können. Natürlich in der Hoffnung, dass Schulze und Schultze diesen auch erhielten und richtig deuten würden.

Der Gesichtsausdruck des Reporters wurde entschlossener. „Wartet hier auf mich und schlagt Alarm, wenn etwas schiefläuft. Ich werde mir den Funkraum mal genauer ansehen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schlich Tim dicht an der Wand der unteren Kajüten entlang und hoffte dabei nicht entdeckt zu werden. Er musste zu dem Funkraum gelangen. Nur so könnten sie auf hoher See gefunden und gerettet werden. In einem Ruderboot den Ozean zu überqueren war nicht unmöglich, jedoch ohne ausreichend Proviant wohl nur ein kurzes Vergnügen.

Plötzlich wurde er bei der Hand gepackt und herumgewirbelt. Sein Herz setzte für den Moment aus und ehe er aus einem Reflex heraus sein Gegenüber außer Gefecht setzen konnte, starrte er mit Entsetzten in das Rehbraun von Haddocks Tochter. Ihn nun dicht neben sich an die Wand gedrückt und im Dunkeln vor den Augen der anderen verborgen, sahen ihre Augen ihn ruhig an. Doch war er auch der Meinung einen Hauch von Sorge in diesen erkennen zu können, obwohl das spärliche Licht der Laterne an dieser Wand ihren Schutz nur mit sehr wenig Schein versorgte. Vielleicht täuschte er sich wegen dem Lichtspiel ja auch nur.

Nach wie vor ruhten seine blauen Augen auf ihren Braunen, während er sich fragte, was sie vorhatte oder was sie von ihm wollte. Kaum hatte er seinen Gedankengang beendete, öffnete sie auch schon den Mund, um zu sprechen, wobei ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern war. „Sei vorsichtig, Tim.“ Bitte? Hatte sie das gerade wirklich zu ihm gesagt? Ihre Worte überraschten ihn im ersten Moment immens, doch schon wenige Sekunden später schenkte er ihr einen frechen Blick. „Das bin ich immer.“ Christins linke Augenbraue hob sich ein wenig skeptisch, doch ihre Worte waren alles anderes als dies. „In Ordnung, aber sei gewarnt; Sie haben Schusswaffen und sie werden sich nicht scheuen diese zu benutzen.“

Irgendwie konnte Tim sich das bereits denken, denn bei der Suche nach dem Ausgang hatten Tim und der Kapitän schon gehört, dass sie nur Haddock lebend brauchten. Auf der anderen Seite war es interessant zu wissen, dass die Crew tatsächlich ohne Skrupel vorging. Das eröffnete ihm neue Erkenntnisse. Tim zog nun die Brauen ein wenig kraus, sah Christin immer noch in die Augen und erkundigte sich flüsternd: „Woher weißt du das so genau?“

„Was meinst du welches Argument mich dazu brachte brav in meiner Kajüte zu bleiben?“, gab sie mit einem neckischen Lächeln auf den Lippen von sich und nahm ebenfalls nicht den Blick von ihm. Leise lachte der Reporter auf und nickte verstehend. „Dich scheint man nicht so leicht klein zu kriegen.“ Ebenfalls lachte sie leise auf und schüttelte den Kopf. „Ich habe mich mit korrupten Polizisten, lügenden Journalisten, meiner hinterhältigen Mutter und anderen fiesen Leuten herumplagen müssen. Ich bin also schon Einiges gewöhnt.“ Ihre hinterhältige Mutter? Das würde er beizeiten genauer hinterfragen, da er sich keinen Reim darauf machen konnte, warum Christin ihre Mutter in einem Atemzug mit den anderen Fieslingen erwähnte.

Sachte drückte sie nun seine Hand, die sie die ganze Zeit gehalten hatte. Dabei schenkte sie ihm einen aufrichtigen Blick und bat ihn neuerlich: „Sei bitte vorsichtig. Wäre schade um dich, wo du mir doch beweisen wolltest, wie sehr du dich von den anderen Journalisten unterscheidest.“ Auf ihre Aussage hin begann er zu grinseln, sah tief in ihre Augen und nickte versprechend auf ihre Bitte hin. Tim drückte nun ebenfalls leicht ihre Hand und beobachtete im Anschluss, wie sie sich gänzlich von ihm löste und zurück zu Struppi und dem Kapitän huschte.

Es war seltsam gewesen, denn irgendetwas hatte ihre Bitte, Sorge und vor allem das Halten ihrer Hand in dem Reporter ausgelöst. Für Mädchen und Frauen hatte er sich noch nie zuvor interessiert, da er seine Arbeit, das Reisen und Allein sein immer vorgezogen hatte. Allerdings konnte Tim nicht leugnen, dass Christin die wahrhaftig erste weibliche Person war, die er nicht nur bildhübsch, sondern auch sehr interessant fand. Sie weckte etwas in ihm, dass er vorher noch nie verspürt hatte.
 

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Im Funkraum angekommen hatte der Reporter sich daran gemacht an Interpol einen Funkspruch abzusetzen, wurde allerdings von dem Matrosen Tom dabei erwischt. Dieser schlug sofort Alarm und richtete seine Pistole auf Tim. Er musste rasch fliehen, sonst würde er nicht lebend von dem Schiff wegkommen. So schnappte sich Tim den Flyer, den er unbedingt Haddock und dessen Tochter zeigen musste, vom Tisch und überwältigte Tom gekonnt.

Schnell rannte Tim aus dem Funkraum und musste sogar vom Deck der Brücke hinunter auf das Deck mit den Rettungsbooten springen, als ein anderer Matrose begann mit einem Maschinengewehr auf ihn zu schießen. Geschickt schaffte Tim es dem Kugelhagel zu entkommen und steuerte nun auf das Ruderboot zu, an dem er den Kapitän, dessen Tochter und Struppi zurückgelassen hatte. Deren Situation war jedoch ebenfalls prekär, denn das rettende Boot hing nur noch an einer Halterung fest, weswegen die Beiden sich mit aller Kraft sowohl aneinander wie am Boot festhielten. Haddocks Tochter hielt Struppi fest im Arm, während sie die Hand ihres Vaters umklammert hielt.

Christin hatte Recht gehabt. Sie benutzten die Schusswaffen tatsächlich und das auch noch ohne jeden Skrupel. Zum Glück hatte Tim die Pistole von Tom an sich genommen. Mit dieser löste er gezielt einen der großen Scheinwerfer aus und konnte seine Verfolger somit blenden. Dies gab ihm die Chance sich auf das kerzengerade, herunterhängende Ruderboot zu stürzen und die letzte Halterung, an der das Boot hing, zu zerschießen. So landete er mit den anderen Dreien hart auf dem Wasser und machte sich mit Haddock sofort daran das Ruderboot weg zu manövrieren.

Die Karaboudjan versuchte ihr Rettungsboot durch ein Wendemanöver zu zerteilen, doch verfehlten sie es. Was den Vieren das Leben rettete und sie sich so immer weiter von dem Schiff entfernen konnten.
 

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Auf nach Bagghar


 

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„Wir müssen in Bagghar noch vor Sakharine ankommen.“, sagte Tim ein wenig außer Atem und trieb weiterhin die Ruder durch das Meerwasser. Seine Armmuskulatur brannte bereits wie Feuer, doch er musste durchhalten. Er war der Einzige, der noch Kraft genug hatte, weiter zu rudern. Der Kapitän und dessen Tochter hatten abwechselnd die Nacht durch gerudert, wobei Tim doch unglaublich erstaunt darüber war.

Christin wirkte auf ihn zwar wie eine willensstarke Frau, doch hatte er sich von ihrem gepflegten und hübschen Erscheinungsbild blenden lassen. Sie trug zwar dieses weinrote, knielange Kleid, ihre roten Pumps und ihr schwarzes Samthalsband mit dem Saphirschmuck, doch sie war sich nicht zu fein mit anzupacken und sich auch die Hände schmutzig zu machen. Das hatte sie dem Reporter letzte Nacht eindrucksvoll bewiesen, als sie darauf bestand ebenfalls eine Zeit lang zu rudern.

Nun graute bereits der Morgen und die Sonne stieg allmählich immer höher und tauchte das Meer in eine wunderschöne Glitzerlandschaft. Für einen Moment betrachtete der Reporter Haddocks Tochter, wie sie elegant, zusammen mit Struppi, am Bootsrand saß und mit ihm hinaus auf das Meer schaute.

Ihre Beine hatte sie übereinandergeschlagen und sich zum Rand des Bootes gelehnt, wobei sie mit ihrem einen Arm ihren Kopf abstütze und mit der anderen Hand zärtlich durch das Fell des Fox Terriers strich. Eindeutig genoss sein Hund die Streicheleinheiten in vollen Zügen, da er seine Vorderpfoten auf ihrem Schoß gelegt und seinen Kopf auf diese gebettet hatte. Noch immer war Tim von ihr fasziniert und er konnte es nicht leugnen, dass seine Faszination ihr gegenüber immer weiter anstieg. Außerdem wurde er immer neugieriger auf ihr Wesen und auch wollte er zu gern mehr über sie erfahren.

Es war jedoch kein Wunder, denn eine Frau wie sie war ihm noch nie untergekommen. Seltsam war es dennoch so neugierig auf sie zu sein, wo er doch sonst nur so seinen Abenteuern gegenüber empfand. Es war ein ganz neues Gefühl für ihn auf diese Art und Weise eine Frau zu betrachten und er musste gestehen, dass es ein sehr angenehmes Gefühl war. Was immer es war, dass sie in ihm entfacht hatte, er mochte es.

Schließlich antwortete der Kapitän dem jungen Reporter mit den Worten: „Ich weiß. Ich weiß.“ Doch kaum hatte er diese Worte gesagt, blickte er fragend vom Meer auf und in Tims Gesicht. „Warum?“ Nun blickten auch Christin und Struppi zu den Beiden hinüber, woraufhin Tim sich nicht nur beobachtet fühlte, sondern sich auch etwas straffte.

„Weil der Scheich Omar Ben Salad das dritte Modell der Einhorn hat und Sakharine will es in seinen Besitz bringen.“, erklärte der Reporter bemüht nicht abgehetzt oder erschöpft zu klingen. Die Augen von Christin verengten sich leicht zu Schlitzen, während sie Tim mit ihrem prüfenden Blick regelrecht durchbohrte. Nicht nur, dass er ihren Blick eingefangen hatte, konnte er diesen auch sehr gut spüren. Allerdings ließ ihn dieser Blick nicht aus der Ruhe bringen, weshalb er ein wenig weiter ruderte.

Ihre skeptische Stimme erhob sich nun und er vernahm ihre neugierige Frage. „Woher weißt du das so genau?“ Auf ihre Frage hin hielt Tim mit dem Rudern inne, sah ein wenig abgekämpft in ihr Gesicht und zog aus seiner Tasche den Flyer, den er aus dem Funkraum hatte mitgehen lassen. Er stand auf, beugte sich zu Haddock und seiner Tochter vor und zeigte ihnen das aufgeklappte Papier.

„Der Scheich sammelt alte Schiffsmodelle und die Einhorn ist sein Prunkstück.“, erklärte Tim freundlich und fügte hinzu, dass der Scheich das Modell in einem kugelsicheren Glaskasten ausgestellt hatte. Die Augen von Christin blickten nun erstaunt drein, ehe sie vom Flyer zu Tim aufsah. „Und er will es stehlen? Wozu?“

„Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass er eine Geheimwaffe hat, um an das Modell heranzukommen. Die Mailänder Nachtigall, aber das wird nicht ausreichen, um es zu bekommen.“ Tim sah in ihr Gesicht und anschließend zu dem Kapitän. Sein Blick wurde sehr viel ernster und er besah Beide zu gleichen Teilen, ehe er fortfuhr: „Und das ist warum Sakharine Sie braucht. Da gibt es etwas, dass nur Sie wissen, Kapitän, und an das Sie sich erinnern müssen.“

Wie zwei verwirrte Kinder blickten die Beiden nun zu ihm auf, woraufhin Haddock ehrlich zu Tim sagte: „Ich kann Ihnen nicht folgen, Tim.“ Missmutig ließ Tim sich auf diese Worte hin zurück auf seine Bank fallen, sah den Kapitän ruhig an und eröffnete ihm und seiner Tochter: „Ich habe davon in einem Buch gelesen. Dass nur ein echter Haddock das Geheimnis der Einhorn lüften kann.“

Plötzlich begann der Kapitän übers ganze Gesicht zu strahlen, als hätte er gerade einen helfenden Geistesblitz erhalten. Hoffnungsvoll lächelte Tim ihn an und glaubte er würde nun endlich die Antwort auf all seine Fragen bekommen. Die Einzige, die skeptisch dreinblickte und vor allem dabei zu ihrem Vater sah, war Christin. Endlich brach Haddock sein Schweigen, während Tim an seinen Lippen hing: „Ich kann mich an absolut nichts erinnern.“

Das Lächeln war vollkommen aus Tims Gesicht gewischt worden, während Christin bei diesen Worten nur mit den Augen rollte und zurück aufs Meer sah. Der Kapitän zuckte entschuldigend mit den Schultern, als Tim verzweifelt sagte: „Aber Sie müssen doch etwas über Ihre Vorfahren wissen, dass ist doch Ihre Familiengeschichte.“

„Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut wie früher.“, versuchte der Kapitän sich zu entschuldigen. Der Reporter hob nun argwöhnisch eine Braue und sah sein Gegenüber in die Augen. „Wie war es denn früher?“ Haddock schüttelte anschließend mit dem Kopf und zuckte erneut mit den Schultern. „Habe ich vergessen.“

Sowohl Tim als auch Christin und sein Hund seufzten entmutigt auf diese Antwort hinauf, während sie auf dem Ozean trieben und die Sonne unerbittlich auf sie hinab schien. Schweigen trat für den Moment ein und Tim blickte den Kapitän nur ernst an. Seine Gedanken überschlugen sich und er hoffte, dass dieser im Laufe der Reise nach Bagghar sich an seine Familiengeschichte erinnern würde. Es hing nun nicht mehr nur ein guter Artikel davon ab, sondern auch Leben, die in Gefahr waren. Kapitän Haddock war der Schlüssel, denn nur er hatte die Geschichte über Ritter Franz von Hadoque von seinem Großvater erzählt bekommen, als dieser auf dem Sterbebett lag.

Der Reporter strich sich tief durchatmend über den Kopf und sah anschließend hoffnungsvoller zu Haddock. „Kapitän? Können Sie uns nach Bagghar bringen?“ Sofort verzogen sich die Gesichtszüge des Kapitäns ins Negative und er polterte empört los: „Was ist das für eine saublöde Frage?! Hagel und Granaten! Her mit den Rudern!“ Ein wenig erschrocken war Tim deswegen schon, da er nicht mit solch einem Stimmungswechsel gerechnet hatte.

Der Kapitän erhob sich schimpfend, ging auf Tims Seite und nahm bereits das erste Ruder, um es in eine andere Metallöse des Bootes zu stecken und es so neu auszurichten. Tim hatte er dabei hinter sich gedrängt, wetterte immer noch wie ein Rohrspatz und griff nach dem zweiten Ruder. Hinter ihm hatte sich Christin erhoben und wollte ihn gerade an der Schulter berühren. „Beruhig dich doch, Papa.“

In diesem Moment zog der Kapitän das zweite Ruder aus der, für ihn nun unbrauchbaren, Metallöse und stieß dabei heftig mit dem Stil gegen Christins Stirn. Ein dumpfer Schlag war zuhören und sie verlor direkt das Bewusstsein. Geistesanwesend hatte Tim sofort reagiert und Christin noch auffangen können, bevor sie Kopf über ins Meer gestürzt wäre. Mit großen Augen sah der Reporter erst zu Christin und anschließend zu Haddock, welcher noch immer vor sich hin maulte und sich darüber ausließ, dass er Seemann sei und diese Gewässer besser als jeder andere kannte.

Der Kapitän bemerkte nicht einmal, dass er seine Tochter ausgeknockt hatte. Im Gegenteil. Er hatte weiter vor sich hin gepöbelt und bekam dabei auch nicht mit wie energisch er mit dem Ruder hantierte. Vermutlich hätte Tim es sogar irgendwie genossen, die Tochter des Kapitäns zu halten, doch nicht unter diesen Umständen.

Der Reporter war gerade dabei Christin halbwegs sicher und rücklings auf der Bank zu positionieren, als er einen gewaltigen Schlag auf den Hinterkopf spürte. Augenblicklich sackte er über Haddocks Tochter zusammen, landete der Länge nach auf ihr und fühlte, wie alles um ihn herum dumpf wurde. Wieder hatte der Kapitän so wild rumgefuchtelt, dass er Tim und sogar kurz darauf Struppi ins Reich der Träume schickte.

Erst als Haddock saß, konnte er das Ausmaß seines kleinen Wutausbruchs sehen, doch ahnte er offenbar nicht, dass er daran Schuld trug. „Pff, die Jugend hat heutzutage kein Stehvermögen mehr. Na, keine Sorge Tim, ich bringe euch sicher nach Bagghar.“ Die Worte des Kapitäns drangen noch an seine Ohren, ehe alles um ihm herum endgültig schwarz wurde.
 

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Nicht genug Platz


 

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Nur sehr langsam kam Tim wieder zu Bewusstsein und auch nur aus dem Grund, weil er den beißenden Geruch von Rauch in der Nase hatte. Kaum war er wieder halbwegs wach und hatte die Augen leicht geöffnet, als er auch schon das Feuer inmitten des Rettungsbootes erblickte. Mit einem Mal war er hellwach und weitete entsetzt Augen und Mund. Das durfte doch nicht wahr sein! Träumte er etwa noch? War das ein Albtraum?

Panisch erhob sich der Reporter von Haddocks Tochter und hörte Christin entsetzt hinter sich rufen: „Papa, was hast du getan?!“ Das fragte sich Tim auch, denn wie kam der Kapitän nur auf die Idee mitten im Ruderboot, dass komplett aus Holz bestand, ein Feuer zu machen und dann auch noch eines der Ruder als Brennholz zu benutzen?! Hatte er den Verstand verloren?

„Was haben Sie getan?“ Tim sah entgeistert zwischen dem Feuer und dem Kapitän hin und her, ehe er vollkommen ungläubig auf das Feuer vor sich starrte und darauf deutete. Haddock lachte vergnügt auf. „Oh, ihr Zwei müsst mir nicht danken. Ihr habt ein wenig gefröstelt, da habe ich ein Feuerchen für uns gemacht.“ Wie aus einem Mund kam es entsetzt von Tim und Christin: „In einem Boot?!“

Noch immer ganz vergnügt ignorierte er die Beiden und nahm das zweite Ruder zur Hand, woraufhin Tims Gesichtszüge vollständig entglitten „Was haben Sie damit vor? Nein, nicht. Wir brauchen die Ruder doch noch.“ Doch Haddock lachte nur herzlich auf und zerbrach das Ruder mit Hilfe seines Knies. „Ja, aber jetzt nicht mehr.“

„Hast du den Verstand verloren?“, ertönte die panische, erzürnte Stimme von Haddocks Tochter und Tim tat das einzige Vernünftige in diesem Moment. Er beugte sich über den Bootsrand und begann hektisch Wasser über das offene Feuer zu schaufeln, wobei er von Christin wortlos unterstützt wurde. „Hilf uns gefälligst, Papa! Sonst gehen wir unter!“ Tim hatte die naive Hoffnung die Ruder noch irgendwie retten zu können oder wenigstens nicht zu sinken.

Der Kapitän schien plötzlich wieder zur Vernunft gekommen zu sein, weshalb er nun realisierte, dass er einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. Die Erklärung, warum er so gehandelt hatte, hielt er kurz darauf in seinen Händen. Eine fast leere Flasche Whisky war schuld daran, dass Haddock auf eine solch verrückte Idee gekommen war. Noch bevor Tim ihn aufhalten konnte, hatte der Kapitän schon den letzten Rest der braunen Flüssigkeit ins Feuer gekippt. Fataler Fehler!

Das Feuer gab eine riesige Stichflamme frei und entlud sich mit einer Explosion. Die Flammen begannen das Boot einzunehmen, woraufhin allen nur eines übrig blieb. „Ins Wasser! Sofort!“, hatte der Reporter den Beiden zugerufen, sich Struppi geschnappt und war kurz darauf ins Meerwasser gesprungen.

Zurück an der Oberfläche atmete er tief durch, sah wie das Feuer nun schon den kompletten Innenraum des Bootes in Anspruch genommen hatte, und erblickte zu seiner Linken und Rechten den Kapitän und seine Tochter. Ihre Blicke waren genauso trostlos wie sein Eigener, denn ohne das Boot würden sie nicht nach Bagghar kommen und noch schlimmer war; Sie würden hier sterben. Alles schien verloren. Tims Herz wurde bleischwer, während er daran dachte, dass sie alle hier ertrinken würde.

Plötzlich ertönte die Stimme Christins zu seiner Rechten und sie klang dabei sehr entschlossen sowie vollen neuen Mutes. „Kommt, drehen wir das Boot um. Wenn wir Glück haben, ist der Boden noch nicht von den Flammen zerfressen und wir haben eine kleine Rettungsinsel.“ Zustimmend nickten Tim und Haddock in ihre Richtung, ehe sie gemeinsam auf das Ruderboot zu schwammen. Mit vereinten Kräften drückten sie gegen die Seite des Bootes und hievten es immer weiter mit den Flammen Richtung Meer.

Der Kraftaufwand war enorm, um es zum Kentern zu bringen, doch ihre Mühen machten sich schlussendlich bezahlt. Das Boot kenterte und zu ihrem Glück hatte das Feuer noch kein Loch in den Boden gefressen. So kletterten sie auf ihre Rettungsinsel und atmeten erstmal tief durch.
 

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Tim und Haddock hatten einige Zeit etwas diskutiert, wobei der Kapitän immer mehr in Selbstmitleid und Schuldgefühlen zerfloss. Er gab sogar seinem Vorfahr Ritter Franz, der die Einhorn Modelle für seine drei Söhne hatte bauen lassen, die Schuld an seinen Fehlern. Dem Reporter leuchtete überhaupt nicht ein, warum Haddock das tat und auch von Christin kam nur ein verächtliches Schnauben auf dessen Worte hin. Seine Erklärung, dass Ritter Franz ein wahrer Held war und dass niemand in seiner Familie je wieder, wie er sein würde, ließ es ihn nicht besser verstehen. Ehrlich gesagt verstand Tim gerade nur Bahnhof von dem, was Haddock da erzählte.

Sicher Ritter Franz hatte die Meere mit der Einhorn im Namen des Königs befahren, hatte drei wichtige Pergamente in den jeweiligen Einhorn Modellen für seine drei Söhne versteckt, schien ein reicher Mann gewesen zu sein und war daran schuld, dass Tim in dieses Abenteuer geschlittert war. Allerdings war Ritter Franz nicht der Schuldige, für die jetzige Situation. Dies war ausschließlich Haddocks Werk.

Der Kapitän erhob sich, schüttelte Tims Hand und sagte leidvoll zu ihm: „Leben Sie wohl.“ Was hatte er vor? Wo wollte er hin? Warum warf ihm dieser Mann, denn nur noch mehr Fragen vor die Füße? Tim beobachtete, wie er sich bereit zum Sprung ins Meer machte. „Ich werde mich jetzt in die Fluten stürzen. Der Tod erwartet mich. Wird Zeit sich in die Umarmung der kalten See zu begeben.“ Moment, wollte Haddock sich gerade wirklich umbringen? Der Reporter konnte ihm das jedoch nicht glauben und verzog daher skeptisch das Gesicht, als er so sprach.

Es waren nun allerdings Christin und Struppi die Tims Aufmerksamkeit plötzlich stark erregten, weswegen es ihm nicht mehr möglich war dem Gefasel von Haddock noch weiter folgen zu können. Beide blickten in den Himmel hinter ihm und Haddock, wobei Struppi ein wenig winselte. So wandte Tim sich nun ebenfalls um und streichelte seinem Hund liebevoll über den Kopf. „Was habt ihr gesehen?“, wollte er von Beiden wissen, doch bekam er keine Antwort auf sprachlicher Ebene.

Christin hob lediglich den Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Himmel und Tim folgte mit seinen Augen ihrem Fingerzeig. Etwas blitzte dort verräterisch im Sonnenlicht und als das Etwas näherkam, vernahm der Reporter Motorengeräusche. Je näher es kam, desto erkenntlicher wurde es und entpuppte sich als ein Wasserflugzeug.

„Das ist unsere Maschine!“, gab Haddocks Tochter erschrocken von sich, woraufhin der Kapitän erst jetzt die Motorengeräusche wahrnahm und ebenfalls in die Richtung sah. Freudig jauchzte er auf. „Wir sind gerettet! Ein Zeichen des Himmels!“ Ganz offensichtlich hatte er noch nicht bemerkt, dass es seine alte Crew war. Diese war mit Sicherheit nicht gekommen, um sie aus diesem Schlamassel zu retten. Tim hatte das ungute Gefühl, dass sie ihre Lage nur noch verschlimmern würden.

Kaum war das Flugzeug nah genug herangekommen, eröffneten sie das Feuer. Sofort duckten sich die Vier und Tim schickte ein Stoßgebet zum Himmel nicht getroffen zu werden. Zum Glück schienen die Schützen an Bord absolut miserabel zu sein, denn sie trafen tatsächlich niemanden. Doch nun war Tim an der Reihe.

Er zog die Pistole, die er noch immer bei sich hatte, aus seiner Hosentasche und setzte zum Schuss an. „Bitte sag mir, dass sie noch genug Munition hat, um etwas auszurichten.“ Christins hoffnungsvoller Blick galt in diesem Moment einzig und allein dem Reporter, woraufhin er für einige Herzschläge sein Blau mit ihrem Braun verschmelzen ließ. Im Anschluss öffnete er das Magazin und sein Blick verfinsterte sich. Es war nur eine Kugel übrig. „Schlechte Neuigkeiten. Wir haben nur eine Kugel.“ Der Kapitän unterbrach seine Hasstiraden, die er den Piloten entgegen brüllte. „Was sind die guten Neuigkeiten?“ Tim schloss das Magazin, sah entschlossen drein und legte die Waffe an. „Wir haben eine Kugel.“ Tief atmete er durch, brachte sich vollständig zur Ruhe und konzentrierte sich auf den Rumpf des Flugzeuges. Es kam bereits wieder auf sie zu und Tim musste sich beeilen, wenn er ihnen nicht noch eine Chance bieten wollte sie zu erschießen. Noch bevor das Flugzeug auch nur einen Schuss abgeben konnte, drückte er den Abzug und ließ die Kugel fliegen.

Mit dieser Kugel schien der Reporter einen wahren Glückstreffer gelandet zu haben, denn das Wasserflugzeug musste mit qualmendem Motor auf dem Meer notlanden. Sofort schwang sich Tim ins Wasser und sah Christin und den Kapitän zu gleichen Teilen an. „Ich schwimm rüber. Wartet hier auf mein Zeichen.“ Ein letztes Mal strich er Struppi über den Kopf und verschwand anschließend in den Fluten des Meeres.

Zum Glück war das Flugzeug nur wenige Meter entfernt gelandet, weshalb der Schwimmweg nicht sehr weit war. Tim hatte bereits einen Plan, wie er die zwei Piloten täuschen konnte. Diese werkelten am beschädigten Motor herum und schimpften über Tims Glückstreffer. Sie würden nicht wissen wie ihnen geschieht, denn er hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite.

Beim Wasserflugzeug angekommen, tauchte er aus dem Wasser auf, hielt die leere Waffe auf die Beiden gerichtet und sagte eiskalt: „Hände hoch. Sofort!“ Es war zu seinem Vorteil, dass sie nicht wussten, dass er keine Kugeln mehr besaß. Die zwei Piloten waren naiv genug ihm blind zu glauben und seinen Forderungen Folge zu leisten.

Behände kletterte er aus dem Wasser, ließ die Beiden zurück ins Flugzeug steigen und konnte ihnen dort mit absoluter Leichtigkeit die Hände auf dem Rücken festbinden. Sakharine hatte definitiv nicht seine klügsten oder mutigsten Leute geschickt. Ein weiterer Vorteil, wie Tim zufrieden feststellte.

Die Beiden gut gefesselt ging er zur Tür zurück und winkte dem Kapitän, dessen Tochter und auch Struppi zu. Der Reporter hoffte, dass sie es richtig deuten und sich auf dem Weg zu ihm machen würden. Mit einem zufriedenen Lächeln stellte Tim fest, dass sie sein Zeichen richtig gedeutet hatten und sie nun zum Wasserflugzeug schwammen. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie angekommen waren, wobei der Kapitän als Erstes ins Flugzeug stieg und dort Platz nahm, woraufhin Struppi ihm folgte.

Als Letzte kam Christin an und kletterte gerade aus dem Wasser, als der Reporter ihr seine Hand helfend entgegenstreckte. Kurz sah sie ihn skeptisch an, doch schließlich ergriff sie schmunzelnd seine Hand und ließ sich von ihm aus der Meeresströmung helfen. „Dankeschön. Du bist ja ein richtiger Gentleman.“, gab Christin ein wenig neckend von sich, richtete ihr pitschnasses Kleid und ließ dabei seine Hand nicht los. Wohlmöglich befürchtete sie ins Wasser zurückzufallen. Der Reporter zuckte dabei charmant mit einer Braue und sah in ihr Gesicht. „Man tut was man kann. Nun, nach dir.“

Mit diesen Worten sollte Haddocks Tochter einsteigen, doch das tat sie nicht. Im Gegenteil, sie besah sich ein wenig unglücklich den Innenraum. „Achje, da ist nicht genug Platz für uns alle.“ Tim trat nun dichter an sie heran und war dabei ihrem Körper mit Seinem sehr nah. Ihre Seite an seiner Brust zu spüren, bescherte ihm das Gefühl von Schmetterlingen in seinem Bauch und ein angenehm warmer Schauer floss über seinen Rücken. Es fühlte sich gut an ihr so nah zu sein, auch wenn der Reporter noch nicht sagen konnte, warum.

Ihr Blick in seine Richtung ließ ihn sich ertappt vorkommen und er spürte deutlich, wie sich seine Wangen begannen heiß anzufühlen. „Und nun?“, wollte sie von ihm wissen und schien auf einen Vorschlag von ihm zu hoffen. Mit voller Konzentration zurück im Hier und Jetzt besah Tim sich nun den Innenraum und stellte fest, dass nur noch der vorderste Sitz im Flugzeug frei war. Hinter diesem saß Haddock mit Struppi auf dem Schoß und direkt dahinter wäre etwas Platz für Fracht gewesen, doch dort waren die zwei Piloten gefesselt und gut verstaut. Der Reporter tauschte nun mit Christin einen ruhigen Blick und sah anschließend auf den Pilotensitz, woraufhin sein Herz begann ihm bis zum Hals zu schlagen.

Es blieb nur diese eine Möglichkeit. Haddocks Tochter würde keine Wahl haben und sich auf seinen Schoß setzen müssen. Diese Erkenntnis ließ ihm ganz heiß werden, denn er war noch nie einer Frau so nah gewesen. Und dann auch noch Christin so nah zu kommen. Sein ganzer Körper kribbelte ob dieser Aussicht.

Aus dem Augenwinkel linste er nun zu ihr und bemerkte ihre ganz rötlichen Wangen und die weit geöffneten Augen. Augenscheinlich machte diese Möglichkeit sie genauso nervös wie ihn. Langsam wandte Christin den Kopf in seine Richtung und fragte ihn kleinlaut: „Es gibt keine andere Möglichkeit, oder?“ Der Reporter drehte den Kopf zu ihr, sah wie verlegen sie das Ganze machte und musste gestehen, dass sie richtig niedlich dabei aussah.

Schließlich rief Tim sich zur Ordnung, damit er nicht ins Starren verfiel. So atmete er tief durch und schüttelte leicht den Kopf. „Die gibt es nicht.“ Haddocks Tochter nickte bedächtig auf seine Antwort hin und strich sich verlegen eine ihrer nassen Strähnen hinters Ohr. „Gut, aber bilde dir nichts drauf ein.“ Ihre neckenden Worte lockerten diese pikante Situation etwas auf, woraufhin der Reporter leise lachen musste. „Ich versuch es, Christin.“

Da er das Wasserflugzeug steuern würde, stieg er nun in dieses und ließ sich auf den Sitz nieder. Einen Moment zögerte Christin noch, atmete noch einmal tief durch und schien sich ebenfalls nun zur Ordnung zu rufen. Schlussendlich stieg sie ebenfalls in das Flugzeug ein, schloss die Tür und setzte sich vorsichtig und seitlich auf Tims Schoß. Den linken Arm hatte sie dabei um seine Schultern gelegt und er fühlte, wie ihr Becken seinen Lendenbereich wärmte.

Nicht nur dies, es bereitete ihm auch ein leichtes Ziehen in diesem. Deutlich spürte er wie ihm diese Position wärmer werden ließ. Neuerlich entfachte sich dieses wohlige Kribbeln in seinem Bauch und sein Herz schlug aufgeregter in seiner Brust. Seine blauen Augen ruhten auf ihrem hübschen Gesicht, wobei er ihre vollen Lippen einen kurzen Moment ausgiebig betrachtete.

Ein ganz neues Gefühl kam in ihm auf; Das Verlangen ihr einen Kuss zu stehlen. Seine Gedanken begannen mit einem Mal nur noch um sie zu kreisen, doch ihre Frage holte ihn schon wenige Atemzüge später aus seinen Vorstellungen zurück. „Geht das so, Tim?“ Ertappt starrte er sie für den Moment mit großen Augen an, ehe er begriff, was sie mit ihrer Frage meinte. Mit neugewonnener Fassung testete er, ob er alle Instrumente erreichen konnte, woraufhin er ihr fast schon scheu lächelnd zu nickte. „Ja, alles gut.“

„Wir fliegen nun nach Bagghar, oder?“ Der Kapitän klang recht ängstlich und man konnte deutlich heraushören, dass ihm das Fliegen offenbar alles andere als geheuer war. Zur Bestätigung seiner Frage nickte der Reporter und gab einen zustimmenden Laut von sich, wobei er nach dem Steuerungshandbuch griff. Während er in diesem blätterte, konnte er nicht anders als Christins Nähe zu genießen. Es fühlte sich gut und vor allem richtig an sie bei sich zu haben, aber das Warum hatte sich ihm noch nicht ganz erschlossen. Er ahnte es, aber er wollte es noch nicht so recht wahrhaben.

Der Reporter begann nun den Motor zu starten und richtete die Ruder des Flugzeugs aus, wobei Haddock hoffnungsvoll fragte: „Sie wissen, was Sie tun, oder, Tim?“ Er hingegen studierte das Handbuch, runzelte leicht die Stirn und überprüfte die Instrumente. „Hmmm… mehr oder weniger.“ Etwas panischer erkundigte sich der Kapitän im Anschluss: „Was nun? Mehr oder weniger?“

Tim ließ das Flugzeug sich in Bewegung setzen und versuchte Haddock zu beschwichtigen, in dem er zu ihm sagte: „Ganz ruhig. Ich habe mal einen Piloten interviewt.“ Nun blickte auch Christin ihn mit geweiteten Augen an, ehe sie kurz darauf ihre Fassung wiedererlangte und resigniert, murmelte: „Wahnsinnig beruhigend.“

Schließlich hob die Maschine ab und sie nahmen Kurs auf Bagghar, doch auf ihrem Weg dorthin lag eine riesige Gewitterfront vor ihnen, die sie passieren mussten. Tim wusste, dass es gefährlich werden würde, doch sie mussten die Zähne zusammenbeißen und dort durch. Sonst würde Sakharine ihnen zuvorkommen und das mussten sie um jeden Preis verhindern.
 

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Sahara


 

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Tim manövrierte das Flugzeug geschickter als erwartet durch das gewaltige Gewitter, was schon schwierig genug war. Zu allem Überfluss machte das Flugzeug plötzlich Mucken, da der Tank fast leer war. Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Sie mussten schleunigst etwas unternehmen, sonst würden sie abstürzen. So trug Tim dem Kapitän auf hinauszuklettern und den Tank mit dem medizinischen Alkohol aufzufüllen, der sich für Notfälle an Bord befand. Es kam jedoch anders, als Tim gehofft hatte.

Widerwillig hatte sich der Kapitän den Fallschirm umgeschnallt, der ihm als Absicherung dienen sollte. Kaum hatte dieser die Tür geöffnet, schloss er sie direkt wieder und sah zu dem Reporter und seiner Tochter. „Was für ein schreckliches Wetter da draußen herrscht. Es ist kalt und… und es regnet.“ Natürlich versuchte er sich irgendwie zu drücken, doch darauf konnte Tim keine Rücksicht nehmen. Hier standen Leben auf dem Spiel. Er wandte sich zu Haddock um, blickte ihn mit stechenden Augen an und fauchte etwas unwirsch: „Und Sie wollen ein Haddock sein?!“ Christin blickte ihren Vater ebenfalls mit strengem Gesichtsausdruck an und deutete mit einem Fingerzeig stillschweigend Richtung Tür, um Tims Worte zu unterstreichen.

Mit Tims Worten und der Geste seiner Tochter fand der Kapitän glücklicherweise seinen Mut wieder, kletterte hinaus und brachte sich schließlich behände auf den Rumpf der Maschine, wo der Tank saß. „Beeilen Sie sich, Kapitän. Wir fliegen nur noch mit Dämpfen.“ Der Reporter sah sich schon zusammen mit den anderen ins Meer stürzen. Dennoch hing seine ganze Hoffnung an dem Kapitän, der nun auf dem Rumpf saß. Christin machte Tim jedoch kurz darauf auf die leere Alkoholflasche aufmerksam, die am Fußboden rum kullerte. Tims Augen weiteten sich entsetzt und ihm wurde ganz flau in der Magengegend. Wie sollten sie denn jetzt das Flugzeug in der Luft halten?

Was der Kapitän dann tat, überraschte nicht nur den Reporter, sondern auch Christin. Mit erstaunten Gesichtsausdrücken beobachteten sie Haddock bei seinem Vorgehen, während Christin leise murmelte: „Bitte, lass das helfen. Was immer er da auch tut.“ Haddock nutzte die Tatsache, dass er eine extreme Alkohol Fahne hatte und rülpste beherzt in den Tank hinein, was zur Folge hatte, dass die Dämpfe darin das Flugzeug noch ein wenig länger in der Luft hielten.

Zum Absturz kam es trotz all seiner Mühen. Denn plötzlich tat sich die Wüste Sahara vor ihnen auf, die sie durch die dicken Gewitterwolken zuvor nicht für voll genommen hatten. Tim versuchte das Flugzeug mit aller Kraft herumzureißen und nicht gegen eine der Dünen prallen zu lassen. Es half jedoch alles nicht; Die Maschine sank immer tiefer und als wäre das noch nicht genug, brach der Steuerhebel ab. Entgeistert tauschten Tim und Christin einen Blick miteinander, ehe der Boden immer näherkam und beide sich eng umschlangen. Struppi hatte dabei Schutz auf Christins Schoß gesucht und ließ sich von Tim enger zu ihnen heranziehen. Diese Umarmung diente einzig und allein dem Schutz füreinander, da sie so hoffentlich nicht zu sehr durch das Flugzeug geschüttelt wurden.

Das Wasserflugzeug landete unsanft in einer Düne und warf die Drei durch das Glasfenster des Cockpits. Ab da wurde Tim schwarz vor Augen, da er durch den harten Aufprall kurzfristig das Bewusstsein verlor.
 

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Erst nach einigen Minuten kam der junge Reporter wieder zu sich, woraufhin er sich mühsam aufsetzte und seinen benommenen Blick schweifen ließ. Alle waren wohl auf, was ihn sehr beruhigte. Struppi drückte sich glücklich an ihn und ließ sich kurz darauf liebevoll von Tim murkeln.

Was ihm allerdings nach mehrmaligen Umschauen auffiel, war, dass ihre Gefangenen fort waren. Tim mutmaßte das diese sich irgendwie befreit hatten und vor dem Absturz aus dem Flugzeug gesprungen sein mussten. Anders konnte er sich ihr verschwinden nicht erklären, denn von der Absturzstelle führten keine Fußspuren fort.

Nach einer kurzen Verschnaufpause hatten sich die Drei zusammen mit Struppi auf den Weg durch die Wüste gemacht und hofften darauf Bagghar bald zu erreichen.
 

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„Das Land des Durstes… ich bin im Land des Durstes.“, drang es vom Kapitän immer wieder an Tims Ohren, während er ihn freundlicherweise gestützt hielt und sich mit ihm durch die schier endlosen Dünen der Sahara schleppte.

Es war unerträglich heiß, die Sonne knallte unerbittlich auf sie herab und die Worte des Kapitäns machten all das nicht besser, denn auch Tim plagte ein schrecklicher Durst. Seinen Pullover um die Hüfte gebunden und mit einem weißen Tuch seinen Kopf vor der Sonne geschützt, wanderte er schon gefühlte Wochen durch die Wüste. Obwohl sie erst ein paar Stunden unterwegs waren. Zu allem Überfluss war der Kapitän die ganze Zeit nur am Jammern und obendrein musste er diesen nicht nur stützen, sondern auch sein Jackett und seinen Pullover tragen. Manchmal, so wie jetzt, verfluchte Tim sein viel zu gutes Herz.

Haddocks Tochter hingegen trug ihre Pumps in der einen Hand und fächerte sich mit der anderen Hand etwas Luft zu, während sie ihrem Vater hin und wieder einen giftigen Blick zuwarf. Die rötliche Schleife, die sie üblicherweise als Gürtel um ihre Taille trug, hatte sie als schützende Kopfbedeckung verwendet, wobei ihr dennoch einige Strähnen ins Gesicht fielen und ihr langes Haar, ab den Schultern, der Saharasonne ausgesetzt war.

Für einen kurzen Moment beobachtete Tim wie sie sich neben Struppi, welcher einen riesigen Knochen im Maul trug, herschleppte. Doch schon im nächsten Moment war es wieder der Kapitän, der Tims ganze Aufmerksamkeit abverlangte. Haddock begann erneut vor Durst zu stöhnen und immer wieder zu sagen, dass er sich im Land des Durstes befand. Entnervt rollte Tim mit den Augen und sah ihn streng an. „Können Sie jetzt mal aufhören?“

Unerwartet ließ der Kapitän sich auf die Knie fallen, hielt sich noch halb an Tim fest und riss ihn dabei fast mit in den Sand.

„Ich sitz auf dem Trockenem. Ich sitz auf dem Trockenem. Sie wissen nicht, wie sich das anfühlt…“, wimmerte der Kapitän kindlich in die heiße Nachmittagsluft hinein und sah den Reporter dabei mit unglücklichem Blick an. Christin und Struppi waren daraufhin nähergekommen, wie Tim aus dem Augenwinkel festgestellt hatte. Wohlmöglich hatte sie vor zu helfen, sollte Hilfe von Nöten sein. „Stehen Sie auf Kapitän, wir müssen weiter. Ein Fuß vor dem anderen und wenn es sein muss, dann stützten Sie sich noch mehr auf mich.“, gab Tim bemüht beherrscht von sich, während er Haddock wieder auf die Beine half und mit diesem wieder einige Schritte vorwärts ging.

Das Jammern des Kapitäns hörte jedoch nicht auf, sondern fühlte sich an, als würde es sogar noch schlimmer werden. „Ein Mensch überlebt nur eine gewisse Zeit ohne Nahrung und Wasser.“ Ihrem Vater einen bitterbösen Blick über die Schulter zuwerfend, blieb Christin für den Augenblick stehen und ranzte Haddock an: „Papa, das reicht jetzt! Wir haben alle Durst und Hunger. Tu also nicht so, als wärst du allein mit deinem Elend.“

Auf diese Worte hin sah der Reporter zu Haddocks Tochter und beobachtete wie sie sich schnaubend abwandte und den Kopf schüttelnd ihren Weg fortsetzte. Recht hatte sie mit dem, was sie sagte. Tim hatte mindestens genauso Durst, sein Magen knurrte und die Hitze zerrte an seinem bereits sehr dünnen Nervenkostüm. Allerdings war er bemüht es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Nicht nur aus dem Grund, dass er dann perfekt hätte mit Haddock zusammen im Chor jammern können, sondern vielmehr, weil die Zeit drängte. Für solches Geheule hatte er schlichtweg einfach keine Zeit. „Sie hat Recht, Kapitän. Es gibt außerdem schlimmere Dinge, als ab und zu mal nüchtern zu sein.“, pflichtete der Reporter Haddocks Tochter bei, ehe sie sich weitere Meter durch die Sahara bewegten.

Plötzlich riss sich der Kapitän los, ging mit großen Schritten auf eine Düne zu und rief immer wieder, dass dort Wasser sei und sie gerettet wären. „Papa! Stopp! Da ist keine Oase!“ Die Rufe von Christin ignorierend lief der Kapitän zielstrebig weiter. „Warten Sie, Kapitän! Das ist nur eine Fatamorgana!“ Doch auch diese Aussage stoppte ihn nicht. Selbst die Tatsache, dass Struppi an seinen Hosenträgern zerrte, hielt ihn nicht auf. Schon im nächsten Augenblick fiel der Kapitän Kopf über die Düne hinunter und landete am Ende von dieser auf allen Vieren. Sofort machten sich Tim, Struppi und Christin auf dem Weg zu ihm und gesellten sich zu ihm.

Etwas vorgebeugt stand Christin ganz besorgt bei ihrem Vater, während Tim sich zu ihm gekniet hatte. „Ihr Verstand spielt Ihnen Tricks. Das macht die Hitze.“ Er wollte dem Kapitän begreiflich machen, dass die Hitze schuld daran war, dass er sich die Oase eingebildet hatte. Doch nun gab der Kapitän ganz merkwürdige Worte von sich, die Tim die Stirn furchen ließen. „Ich muss zurück in die Heimat… ich muss zurück aufs Meer.“

Auf diese Worte hin tauschten Tim und Christin einen verwirrten Blick miteinander, ehe sich der Kapitän langsam erhob und in die Richtung seiner Tochter deutete. „Haben Sie je etwas Schöneres und Anmutigeres gesehen?“, begann Haddock ganz entzückt von sich zu geben, woraufhin Tim ihm und seinen Bewegungen mit zweifelndem Blick folgte. Er begriff überhaupt nicht, was dieser gerade von ihm wollte. Geschweige denn was plötzlich in den Kapitän gefahren war. Als sein Blick dem Fingerzeig des Kapitäns folgte erblickte er Christin und die Frage vom Kapitän hallte in seinem Kopf wider. In diesem Augenblick musste Tim sich eingestehen, dass er wahrhaftig noch nie etwas Schöneres und Anmutigeres gesehen hatte.

„Sie dreht sich in den Wind…“, fuhr Haddock fort und wie aufs Stichwort zog ein Lufthauch über sie hinweg, wobei sich die Kleidung und das Haar von seiner Tochter zärtlich im Wind wogen. Tim verstand noch immer nicht, wovon der Kapitän sprach und doch war es gerade dessen Tochter, die seine volle Aufmerksamkeit genoss. Dabei wurde dem Reporter klar, wie bildschön und elegant Christin war. „… unter vollen Segeln.“, beendete Haddock seinen Satz und erntete damit wieder Tims Aufmerksamkeit, denn ihm dämmerte langsam, worum es bei seinen Worten ging.

Christin hingegen blickte rätselnd, man könnte meinen sie suchte das auf was ihr Vater gedeutet hatte, hinter sich, ehe sie ihren Vater wieder verwirrt und besorgt ansah. Haddock stand nun zu voller Größe aufgerichtet und mit etwas Abstand vor seiner Tochter. „Ein drei Master. Doppeldecks. Fünfzig Kanonen.“ In diesem Moment verstanden Tim und Christin endlich, wovon der Kapitän sprach.

Augenblicklich richtete sich der Reporter ebenfalls wieder zur vollen Größe auf, trat näher an Haddock heran und fragte vorsichtig, ob es die Einhorn war. Im nächsten Moment strahlte der Kapitän ihn an, nickte fast unmerklich und meinte ganz angetan zu ihm: „Ist sie nicht bildhübsch?“ Zustimmend nickte Tim ihm zu und antwortete lächelnd: „Ja. Ja, das ist sie…“ Für einen Bruchteil von Sekunden glitten bei seiner Antwort seine blauen Augen hinüber zu Christin, wobei er neuerlich feststellte, dass sie wirklich wunderschön war. Er rief sich allerdings einige Herzschläge später zur Ordnung und sah den Kapitän hoffnungsvoll an. „Erzählen Sie, was können Sie noch sehen?“

Natürlich kam Haddock seiner Bitte mit Begeisterung nach und erzählte Tim, Christin und sogar Struppi wie der Kurs der Einhorn war, was sie an Spezialitäten ferner Länder geladen hatte und dass deren Crew sich nach der Heimat sehnte. Er erzählte jedoch auch, dass ein Unwetter aufgezogen war und ein anderes, kleineres Schiff die Einhorn zum Kampf herausforderte. Es hatte nicht nur eine Piratenflagge gehisst, sondern auch den roten Wimpel. Ein Zeichen für jeden Seemann, dass ein Kampf auf Leben und Tod folgte.

Er beschrieb voller Elan den Kampf zwischen Ritter Franz von Hadoque und der Piratencrew, doch schlagartig schien er aus seiner Illusion zu erwachen, als er auf den Piratenkapitän zu sprechen kam. Dieser betrat in seiner Illusion gerade das Schiff und machte die Situation richtig spannend. „Es… es ist weg…“, gab Haddock ganz verwundert von sich und sah sich dabei suchend um, als hätte er etwas verloren.

„Wie meinen Sie das; Es ist weg? Was ist danach passiert?“, wollte Tim ein wenig verständnislos von dem Kapitän wissen. Er wusste nicht was plötzlich geschehen war, denn der Kapitän wirkte alles andere als wüsste er überhaupt noch, was er gerade erzählt hatte. Sakharine plante etwas Furchtbares und dafür würde er über Leichen gehen. Tim wusste, dass dies alles andere als sensibel war. Doch er würde den Kapitän dazu zwingen müssen sich zu erinnern, sonst wäre alles umsonst gewesen.

„Beim Jupiter, ich habe einen Bart. Seit wann habe ich denn einen Bart?!“, stellte Haddock vollkommen entsetzt fest und rieb sich dabei über seinen zerzausten Vollbart. Ohne darauf einzugehen, trat Tim an seine Seite und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Kapitän. Irgendetwas ist auf der Einhorn passiert. Das ist der Schlüssel, der uns alles eröffnet. Bitte, Sie müssen versuchen sich zu erinnern.“ Der Kapitän jedoch wandte sich mit verwundertem Blick von Tim ab, als hätte er nichts gehört und begann erneut vor Durst zu jammern.

„Papa! Jetzt reiß dich mal zusammen, Hagel und Granaten!“, fauchte Christin mit den Händen in die Seiten gestemmt ihren Vater an und blickte dabei tadelnd zu ihm. Voller Entsetzen wandte sich Haddock seiner Tochter zu und gab schockiert von sich: „Christin? Um Himmels Willen, seit wann bist du so groß? Du gingst mir gestern doch noch nicht mal bis zur Hüfte.“

Völlig aus der Fassung geworfen war es nun Christin, die ihren Vater schockiert ansah. Die Szenerie hätte Tim beinahe ein Schmunzeln abgerungen, wäre es nicht so bitterernst gewesen. Schließlich wandte sich der Kapitän ganz verzweifelt von Tim und Christin ab, hob die Arme zum Himmel und ging einige Schritte. „Was passiert nur mit mir?“ Zum Glück waren die Beiden und auch Struppi zu ihm geeilt, denn schon im nächsten Moment verlor er das Gleichgewicht und sackte in sich zusammen. Tim fing ihn gerade noch auf, doch auch er ging dabei zu Boden. Mit dem Kapitän in seinem Arm, dessen Tochter und Struppi neben sich sah er besorgt auf diesen nieder.

„Wer hätte das gedacht und das innerhalb eines Tages in der Sahara.“. Tim sah den Kapitän etwas erschöpft an. „Herzlichen Glückwunsch, Kapitän. Sie sind vollkommen nüchtern.“ Auf diese Worte hin sah dieser den Reporter aus dem Augenwinkel an, ehe er diese kurz darauf schloss.

Seine Tochter hingegen atmete tief durch, klopfte ihm die Schulter und sagte liebevoll zu ihrem Vater: „Keine Sorge, Papa. Das ist alles nichts, was wir nicht überstehen könnten.“ Bewunderung stieg in Tim auf, als er ihre Worte vernahm. Sie hatte einen starken Kämpfergeist und diesen strahlte sie auch mit jeder Faser ihres Körpers aus. Allerdings war sie mittlerweile genauso schwach wie Tim, Haddock und Struppi. Er konnte daher nicht sagen, ob dies ihr unermüdlicher Optimismus oder nur der Versuch eines Schönredens war.
 

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Feldwache von Afgha


 

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Es kam, wie es kommen musste. Auf ihrem beschwerlichen Weg durch die Sahara waren sie alle drei in der Nacht vor Erschöpfung zusammengebrochen. Was keiner der Drei wusste, war, dass Struppi die ganze Zeit nach Hilfe gebellt hatte. Unermüdlich hatte der weiße Fox Terrier an ihrer Seite gewacht und immer wieder hinaus in die kühle, sternenklare Nacht gebellt und gejault.

Fortuna war ihnen hold, denn sie wurden von einem Trupp Soldaten gefunden und zur Feldwache von Afgha gebracht. Dort wurden sie mit Wasser notversorgt und zu ihren Betten in der Krankenstation gebracht, damit sie sich dort erholen konnten.
 

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Am zweiten Morgen war Tim schon wieder putzmunter und fühlte sich kräftig genug, um das Bett zu verlassen. Was auch kein Wunder war, denn er hatte den letzten Tag komplett durchgeschlafen. Die ausgiebige Dusche im Anschluss empfand er als mehr als nur wohltuend, da sie nach dem Marsch durch die Sahara nicht nur den Sand wegspülte, sondern auch herrlich kühl war. Freundlicherweise hatte man sich um seine Kleidung gekümmert, die nun wieder frisch und sauber war. Als Übergang hatte man ihm ein Krankenhausleibchen zur Verfügung gestellt, damit er nicht gänzlich nackt war. Großzügig, wie Tim empfand. Die Soldaten und der hiesige Kommandant hatten sich wirklich gut um ihn gekümmert, was keine Selbstverständlichkeit war. Etwas das Tim nur zu genau wusste. Immerhin hatte er schon oft das unangenehme Vergnügen gehabt in Fremdenlegionen aufgenommen und dort schlussendlich, wie Abschaum behandelt worden zu sein.

Seinen treuen Struppi hatte er ebenfalls eine kühle und wohltuende Dusche zugutekommen lassen, denn sein strahlendweises Fell war sehr schmutzig geworden. Nun jedoch strahlte sein Hund und war sichtlich glücklich wieder sauber zu sein.

Schließlich hatte er sich seine frische Kleidung angezogen und das Frühstück verspeist, welches er sich in der Kantine geholt hatte. Suchend hatte er sich während des Frühstücks umgesehen und hoffte Haddock oder dessen Tochter zusehen. Am liebsten Beide, doch er erblickte keinen der Beiden. Er musste gestehen, dass er das Bett verlassen hatte, ohne nach ihr oder ihrem Vater gesehen zu haben, weshalb er eigentlich gar keine Ahnung hatte wie es ihnen ging. Ein egoistischer Zug, der sich durch seine einsamen Reisen, dessen einzige Begleitung Struppi war, bei ihm eingeschlichen hatte. Für diesen er sich in diesem Moment sogar ein bisschen schämte.

Tims Gedanken schweiften ab und er dachte über Haddocks Geschichte nach, wobei er zu hoffen begann, dass es ihm heute ebenfalls schon besser ging. Er musste unbedingt mit dem Kapitän darüber reden und herausfinden, wie die Geschichte von Ritter Franz von Hadoque auf der Einhorn weiterging. Seine Erinnerungen waren der Schlüssel zu dem ganzen Geheimnis und nur mit diesem Wissen würden sie in der Lage sein Sakharine aufzuhalten.
 

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Nach dem Frühstück hatte Tim zusammen mit Struppi die Kantine verlassen und machte sich auf den Weg zum Kapitän. Er hoffte, dass dieser bereits wach war und sie über seinen gestrigen Erinnerungsschub sprechen könnten. Plötzlich erschien vor seinem geistigen Auge das Antlitz dessen Tochter und Erinnerungen flackerten in ihm auf, wie sie in der Sahara stand und der heiße Wind lieblich ihr Haar und Kleid wog. Sein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen, während die Erinnerungen vom Traum, der letzten Nacht, zu ihm zurückkehrten.

Sie waren verschwommen und nicht klar zu deuten, doch an eines erinnerte er sich sehr genau, als hätte er es tatsächlich erlebt. Im Traum hatte er Christin eng in seinen Armen gehalten, während er von ihren vollen, rötlichen Lippen gekostet hatte. Ein kleines Schmunzeln zierte seine feinen Gesichtszüge, denn er musste sich eingestehen, dass die Vorstellung, ihre Lippen mit Seinen zu verschließen, wirklich schön war.

Tim fühlte wie ihm bei seinen Erinnerungen ein warmer und angenehmer Schauer über den Rücken floss und sein Herz kräftiger in seiner Brust schlug. Es war so eigenartig und vollkommen neu, dies zu fühlen. Nie zuvor hatte es eine Frau geschafft ihn dermaßen fühlen zu lassen und ihm zu imponieren. Christin jedoch schaffte dies ohne Weiteres. Ganz allein durch ihre Anwesenheit, ihrer anmutigen Schönheit und ihrem eigenwilligen, starken Charakter, war es ihr gelungen den Reporter für sich zu gewinnen. Vor allem innerhalb von nicht einmal 72 Stunden.

Schließlich blieb Tim stehen, sah sich auf dem großen Hof um und beobachtete, wie gerade eine Patrouille zurück zur Feldwache kam. Seine blauen Augen glitten suchend über das Feldlager hinweg, da er eine ganz bestimmte Person suchte. Doch anstatt seiner Priorität darauf zu legen Leutnant Delcour zu finden, um ihn zu fragen, wie es dem Kapitän ging, hoffte er vor allem darauf Christin zu entdecken.

Plötzlich bellte Struppi neben ihm auf und rannte davon. Erschrocken drehte Tim sich um und sah seinem Fox Terrier hinterher. Gerade wollte er ihn zur Ordnung rufen, doch schloss er seinen Mund wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Tim entspannte sich wieder, atmete auf und musste schließlich lächeln, als er Christin erblickte. Sie hatte gerade die Schleife ihres Hüftbandes gebunden, als Struppi bei ihr ankam.

Voller Freude und Zuneigung im Gesicht hockte sie sich zu dem fröhlichen, weißen Hund und streichelte liebevoll über seinen Kopf sowie dessen Rücken. Ganz offensichtlich hatte sein Hund sie bereits sehr ins Herz geschlossen und auch sie schien ihn lieb gewonnen zu haben. Ein Anblick, der ihm ganz warm ums Herz werden ließ. Für einige Herzschläge nahm er nichts weiter wahr, außer diese Beiden. Ihr Anblick strahlte so viel Sanftheit, inmitten dieser harten und militärischen Umgebung, aus.

Kurz nach dieser freudigen Begrüßung löste Struppi sich von Haddocks Tochter und rannte freudig bellend zu Tim zurück. Als Christin sich erhob und Tim ins Gesicht sah, schenkte sie ihm ein freundliches Lächeln und kam auf ihn zu. Tim musste dabei feststellen, dass sein Herz erneut begann schneller zu schlagen.

„Guten Morgen, Tim.“, begrüßte sie ihn in einem ungewohnt sanften Ton, blieb vor ihm stehen und strich sich eine ihrer widerspenstigen Strähnen hinters Ohr. Der Reporter erwiderte ihren sanften Gruß, musterte sie kurz von Kopf bis Fuß und fügte hinzu: „Es freut mich zusehen, dass du wieder bei Kräften bist.“ Sie konnte diesen Worten nur zustimmen und diese ebenso aufrichtig zurückgeben, woraufhin Tims Herz einen kleinen Hüpfer machte. Er hatte das Gefühl, dass ihr Verhältnis sich, seit der Flucht von der Karaboudjan, gebessert hatte. Hoffentlich täuschte er sich nicht.

Nun deutete er leicht hinter sich. „Ich war auf dem Weg, um nach Leutnant Delcour zu suchen. Ich hatte gehofft, dass er mir etwas über den Zustand deines Vaters sagen könnte. Möchtest du mitkommen?“ Auf seine Frage hin nickte Christin zustimmend. „Gerne, Papa wirkte heute Morgen sehr wunderlich. Es ist vermutlich nicht verkehrt einmal nachzufragen.“ Dies machte Tim nicht unbedingt Mut, da er eigentlich hoffte, dass Haddock wieder fit war. Dem Blick Haddocks Tochter nach zu urteilen, bereitete sein Zustand ihr jedoch Sorgen. Anschließend sah sie sich nun kurz um und deutete schließlich in eine Richtung. „Dort ist der Leutnant.“

Ohne auf Tim zu warten, lief sie los, bahnte sich einen Weg durch einige Soldatengruppen und erreichte ihn nach wenigen Momenten. Der Reporter war ihr zusammen mit Struppi rasch gefolgt und lief nun neben dem Leutnant her, welcher ziemlich geschäftig wirkte. Der große Mann hatte sich gerade seine Pfeife angezündet, als die Beiden und Struppi bei ihm ankamen. Nach einer kurzen Begrüßung und einem herzlichen Dank für die Rettung der Drei samt Struppi, fragte Tim ihn nun: „Wie geht es meinem Freund? Kapitän Haddock.“

Delcour lachte leise auf und winkte schließlich bei ihrer Danksagung ab. „Das war Ehrensache. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm, um nach ihm zusehen. Vielleicht möchten Sie Beide ja gern mitkommen?“ Wie aus einem Mund hatten Tim und Christin mit ‚Ja‘ geantwortet, woraufhin sie einen kurzen Blick tauschten. Im Anschluss gingen sie über das Gelände zur Krankenstation.

Bevor der Leutnant die Tür jedoch öffnete, klärte er die Beiden darüber auf das Haddock einen verwirrten Eindruck machte und der Arzt, der vor wenigen Minuten bei ihm war, davon ausging das er im Delirium war. Auf diese Auskunft hin hatten Tim und Christin nur einen weiteren, wenn auch weitaus besorgteren, Blick miteinander getauscht. Das klang gar nicht gut. Die Sahara musste Haddock mehr als gedacht zugesetzt haben.

Schlussendlich betrat Delcour mit den zwei Soldaten, die vor der Krankenstation Wache gehalten hatten, eben diese. Delcour sah Haddock fröhlich, geduscht und offensichtlich gut bei Kräften auf dem Bett sitzen und ein Glas mit klarer Flüssigkeit in der Hand haltend.

„Ah, Haddock. Sie sind wieder wach, sehr gut. Ich habe hier Zwei die Sie gerne sehen würden.“, verkündete der Leutnant freudig, paffte an seiner Pfeife und ließ Tim, Christin und auch Struppi in die Krankenstation eintreten. „Hallo Kapitän.“, begrüßte Tim diesen höflich, woraufhin dieser erst ihn, dann Christin und zu guter Letzt den Fox Terrier verwirrt musterte. Im Anschluss schüttelte Haddock bestimmend den Kopf und meinte höflich zu den Beiden: „Oh, ich glaube ihr Zwei habt euch in der Tür geirrt.“

Erneut tauschten Tim und Christin einen alarmierten Blick, ehe sie fragend zu Delcour schauten. Der Leutnant hingegen stand mit ruhigem Gesichtsausdruck daneben, strich sich durch seinen kurzen, kupferfarbenen Bart und zuckte etwas ratlos mit den Schultern.

Es half alles nichts, Tim musste mit ihm reden und versuchen die Wahrheit zu erfahren. Er machte sich dabei auf ein sehr langes Gespräch gefasst. Wobei er hauptsächlich dabei sein würde ihm zu erklären, wer er war und was sie bisher erlebt hatten. Keine rosigen Aussichten, doch da musste der Reporter nun durch. Vielleicht würde Christin ihm dabei eine große Hilfe sein. Immerhin war sie Haddocks Tochter und diese würde er ja wohl kaum vergessen haben, oder?

„Kapitän. Ich bin’s. Tim. Erinnern Sie sich nicht an unseren Flugzeugabsturz in der Sahara?“, erkundigte sich der Reporter ein wenig betrübt, während er zu Haddock ans Bett trat. Struppi, Christin und auch der Leutnant waren nähergetreten, während ihre Blicke auf dem Kapitän ruhten.

„Oh, nein. Nein. Sie müssen mich verwechseln, junger Mann. Ich bin Seemann und reise ausschließlich per Schiff.“, antwortete der Kapitän mit einem Schmunzeln im Gesicht und wandte seinen Blick seiner Tochter zu. Diese stand mit besorgtem Blick und vor den Brüsten verschränkten Armen vor dem Bett. „Und Sie sind… wer?“, wollte er nun höflich von Christin wissen. Tim bemerkte, wie ihr Gesichtsausdruck mürrischer wurde und sie leicht schnauben musste. Eindeutig war in ihrem Gesicht zu lesen, dass ihr die Situation schon jetzt auf die Nerven ging und seine augenscheinliche Amnesie sie sogar verletzte.

„Auch wenn du Tim vergessen hast, aber an mich wirst du dich doch wohl noch erinnern.“ Musternd und den Mund zu einer nachdenklichen Schnute verzogen ließ Haddock seine Iriden über ihr Gesicht und ihren Körper wandern. Kurz darauf lachte er peinlich berührt auf und schüttelte den Kopf. „Hmmm, nein. Tut mir leid, aber Sie kommen mir kein bisschen bekannt vor, Fräulein.“

„Ich bin deine Tochter; Christin. Hagel und Granaten.“ Diese Worte warf sie Haddock relativ schroff an den Kopf, wobei ihre Augenbraue sich gefährlich hob und sie ihn dabei mit erwartungsvollem Blick ansah. Hoffnung stieg in Tim auf, als der Kapitän sie plötzlich ansah, als würde er sich nun doch endlich erinnern. Er öffnete sogar leicht den Mund und schien sich gerade an sein einziges Kind und all die Erlebnisse zu erinnern. „Christin…“, gab er glücklich von sich und entlockte seiner Tochter damit nun ein hoffnungsvolles Lächeln und eifriges Nicken. Selbst ihre angespannte Körperhaltung lockerte sich daraufhin.

„Das ist jedoch völlig unmöglich, meine Dame. Da meine Tochter gerade erst fünf Jahre alt ist.“, korrigierte der Kapitän sie schließlich noch immer schmunzelnd und nahm im Anschluss einen Schluck aus dem Glas. Christin hingegen verlor sichtlich jede Hoffnung und das Lächeln wurde gänzlich aus ihrem Gesicht gewischt. Ihr Blick war starr geworden, während sich Entsetzen auf ihren feinen Gesichtszügen widerspiegelte. Einige Male blinzelte sie ihn wortlos an, ehe ihre Miene nur wenige Atemzüge später wieder puren Missmut ausstrahlte. Entnervt rieb sie sich mit der Hand über eine ihrer Gesichtshälften und murmelte mehr zu sich als zu den anderen: „Tausend jaulende Höllenhunde, ich bekomm noch einen Anfall mit ihm.“

Der Kapitän blendete offensichtlich nun seinen Besuch vollkommen aus, wandte sich stattdessen dem Leutnant zu und erkundigte sich voller Neugier bei ihm: „Sagen Sie, Leutnant. Was ist das für eine merkwürdige Flüssigkeit, so ganz ohne Bouquet und vollkommen transparent?“ Ein leises Lachen verließ des Leutnants Kehle und er antwortete ihm schließlich ein wenig irritiert: „Nun, das ist Wasser.“

„Woah, Sachen gibt’s, die gibt‘s gar nicht.“ Verblüfft sah Haddock auf das Glas in seiner Hand und nahm sofort noch einen Schluck aus diesem. Ein wenig peinlich berührt wandte sich Delcour nun an Tim und Christin und strich sich mit der Hand durch sein kurzes hellbraunes Haar. „Wir vermuten er hat eine Gehirnerschütterung… einen Hitzschlag. Auf jeden Fall ist er im Delirium.“

Wie verabredet sprachen Tim und Christin entnervt im Chor: „Er ist bloß nüchtern.“ Mit dieser Antwort hatte Delcour offenbar nicht gerechnet, denn sein Blick wurde ganz verwundert. Schließlich beäugte er den Kapitän prüfend und paffte ein wenig an seiner Pfeife.

Nun reichte es Tim jedoch. Sie hatten genug Zeit vergeudet und er ging davon aus, dass Sakharine ihnen nicht nur dicht auf den Fersen, sondern kurz vor Bagghar war. So nahm er dem Kapitän das Glas Wasser aus der Hand, stellte es zurück auf das Tablett, welches auf dem Nachtschränkchen stand, nahm sich einen Stuhl und setzte sich dicht zu ihm ans Bett. Mit fragendem Blick betrachtete Haddock den Reporter und schien ihm sogar aufmerksam zuzuhören, als dieser seine warme Stimme anhob. „Als wir in der Wüste, nach unserem Flugzeugabsturz, unterwegs waren, erzählten Sie uns von Ritter Franz. Sie sprachen davon, was damals auf der Einhorn passiert war und-“

Plötzlich unterbrach der Kapitän ihn, sah ein wenig grimmig drein und wiederholte ernst den Namen des Schiffes. Schlagartig änderte sich sein Gesichtsausdruck wieder und er wurde ganz träumerisch. „Einhorn. Das Wesen aus dem Märchenträume entsteht.“

„Nein, das Schiff. Oh, bitte versuchen Sie sich doch zu erinnern, Kapitän. Es sind Leben in Gefahr.“, kam es verzweifelt von Tim, als er versuchte den Kapitän dazu zu bringen sich zu erinnern. Aber offenbar brachte das überhaupt nichts, denn Haddock war in seiner Amnesie vollkommen gefangen. Vielleicht würde es Tage oder Wochen dauern, bis er sein Gedächtnis vollständig zurückhatte. Eine Zeitspanne, die ihnen nicht zur Verfügung stand. Sachte klopfte Christin dem Reporter die Schulter, als wollte sie ihm sagen, dass es auf diesem Wege nichts brachte.

Mit einem Mal griff sich der Kapitän an die Kehle, hustete entsetzlich und stellte eine kleine Flasche mit medizinischem Alkohol auf den Nachtschrank zurück. Tim war ganz erschrocken, erhob sich daraufhin und wollte Haddock irgendwie helfen, als er seinen Hund am Nachtschrank sah. Es dämmerte ihm schlagartig was Struppi getan hatte. Der Fox Terrier schien eine Flasche mit Alkohol und das Wasserglas vertauscht zu haben, indem er ihm diese hinhielt, als der Kapitän blind nach dem Glas greifen wollte.

„Wir sollten jetzt besser den Raum verlassen.“, sagte Christin freundlich lächelnd in die Runde und begann den Leutnant und die Soldaten in Richtung Nebenraum zu scheuchen. Diese blickten nur fragend zu der jungen Frau, doch nahmen sie den Rat von dieser anschließend anstandslos an. Mit Nachdruck pflichtete Tim Haddocks Tochter bei und hob seinen Fox Terrier auf die Arme, als der Kapitän sein Gesicht voller Wut verzerrte und zu schreien begann. In diesem Moment blickten die Soldaten und Delcour entgeistert auf und huschten in den angesteuerten Raum.

Sollte Haddock sich ruhig austoben. Dabei würde keiner zu Schaden kommen, da alle betreffenden Personen sich im Nebenraum eingefunden hatten. Es schien nämlich so, als könnte ihn im Moment absolut nichts beruhigen.

Gerade entließ Tim Struppi aus seinen Armen, als der Kapitän durch die dünne Holztür polterte und nach dem nächstbesten Säbel griff, den er finden konnte. Tim und Christin wurden bei Haddocks Aktion rücksichtslos zu Boden geschubst, wobei sie unsanft auf dem harten Dielenboden aufkamen. Der Reporter richtete sich überrumpelt auf, bot anschließend Christin seine Hand an und half ihr so auf die Beine. Ihre Hand haltend, wobei ihre Finger sich um seine Hand geschlossen hatten, und schockiert zu dem Kapitän blickend, stellte Tim fasziniert fest, dass der Alkohol der Schlüssel war, um seine Erinnerungen zurückzuholen. So etwas hatte er wahrlich noch nie erlebt.

Die beiden Soldaten richteten angespannt ihre Waffen auf ihn, doch Tim und der Leutnant schalteten schnell und hielten sie mit einer Handbewegung davon ab. Kurz tauschten die Zwei einen zweifelnden Blick miteinander und senkten schließlich widerwillig ihre Waffen. Der Kapitän schlug mit dem Säbel hin und her, zerdepperte dabei eine Lampe und schrie, wie ein Wilder: „Zeig dich, wenn du dich traust!“

Noch immer hatte Tim die Hand von Haddocks Tochter gehalten, doch sie zog diese nun langsam zurück. Ein sanftes Streicheln ihres Daumens über seinen Handrücken, diente als Entschuldigung für ihr Entziehen. Sofort sah der Reporter mit geweiteten Augen zu ihr. In ihrem ernsten Blick lag Ruhe und dennoch funkelten ihre rehbraunen Augen vor wilder Entschlossenheit. Verwirrt sah er ihr nach, als sie sich einige Schritte von ihm entfernte. Wortlos beobachtete Tim wie sie sich den Säbel eines der Soldaten bevollmächtigte und auf den Schreibtisch zuging, auf dem ihr Vater mittlerweile in Kampfhaltung stand.

„Hier bin ich.“ Erklang ihre sanfte Stimme, die mit einem Mal hart und unerbittlich klang, woraufhin Tim eine Gänsehaut bekam. Es war beeindruckend zuzusehen, wie sich Haddocks Tochter in eine entschlossene Kämpferin verwandelte und damit in diesem Moment jede Sanftheit ihres Wesens übertünchte.

„Kämpfe.“ Christin hob ihm in gefestigter Kampfhaltung den Säbel entgegen, woraufhin sie den hasserfüllten Blick ihres Vaters erntete. Dieser streckte ihr die Klinge entgegen, verengte die Augen zu Schlitzen und knurrte vernichtend: „Das ist dein Tod, Red Rackham.“ Auf diese Drohung hin deutete Christin eine Verbeugung an, hob währenddessen leicht die Seite ihres Rocksaums und schenkte ihrem Vater ein herausforderndes Lächeln.
 

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Es vergingen viele Minuten, welche Tim beinahe wie Stunden vor kamen in denen Vater und Tochter sich ein hitziges Schwertduell lieferten. Bewunderung und Faszination packte den Reporter, als er sah wie anmutig Christin die Schläge parierte und ab und zu selbst zum kräftigen Hieb ausholte. Ihr Rock und Haar peitschte dabei durch die kühle Luft des Raumes, während sie vollkommen konzentriert, darauf war ihn nicht zu verletzen.

Tim bemerkte rasch, dass sie nicht das erste Mal ein Schwertduell ausfochten, und er konnte es sich nur so erklären, dass sie solche Duelle schon früher mit ihrem Vater oft auf spielerischer Basis gehabt hatte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, jedoch nicht nur aus dem Grund, dass er in Sorge um Christin war sie könnte verletzt werden, sondern weil sie ihn mit all dem, was sie ausmachte so sehr fesselte.

Christin sprang nun elegant einen Schritt nach hinten, da der Kapitän so wild mit dem Säbel, als er wieder auf den Tisch gestiegen war, fuchtelte, dass der Deckenventilator von seiner Halterung getrennt wurde. Dieser stürzte auf ihn nieder und landete zusammen mit Haddock auf den Boden vor dem Schreibtisch.

Durch das Geschrei und Gepolter alarmiert stürmten nun mehrere bewaffnete Soldaten in das Zimmer und richteten, im Kreis um Haddock herum, die Waffen auf ihn. Aus seiner Starre vollkommen erwacht, zusammen mit Christin bahnte sich Tim schnell einen Weg durch die Soldaten.

„Lasst ihn… bitte.“, sagte sie freundlich an die Soldaten gewandt, übergab ihren Säbel an Delcour und hockte sich im Anschluss zu Tim und Haddock. Der Reporter sah aus dem Augenwinkel zu ihr und nahm sich vor sie irgendwann auf diese Szenerie anzusprechen. Er musste herausfinden, wie es dazu kam, dass sie so behände mit dem Schwert war. Nun musste er jedoch erstmal herausfinden welche Erinnerungen der Kapitän zurückerlangt hatte, denn er schien wieder ganz bei sich zu sein.

Ohne, dass Tim oder Christin etwas sagten, blickte der Kapitän Beide zu gleichen Teilen an, lächelte etwas und erzählte ihnen: „Ich kann mich wieder an alles erinnern. An alles, was Großvater mir erzählte. Die Einhorn ist gekapert worden. Die Piraten haben das Kommando übernommen, doch die Crew von Ritter Franz hatte sich nicht ergeben. Sie wurden regelrecht überrannt. Rackham hatte, laut Großvater, Ritter Franz des Königs Hund beschimpft, der die hart erkämpfte Beute zurück zum König bringen sollte.“

Der Kapitän erhob sich, richtete kurz seine Sachen und ging durch das Ärztebüro, während er fortfuhr: „Um seine Crew zu retten würde Ritter Franz alles aufgeben und Preis geben, sogar die geheimgelagerte Beute.“ Endlich erinnerte sich Haddock wieder an alles und erzählte ihnen wie schrecklich und dramatisch die Geschichte verlief.

Der Kapitän erzählte, dass Ritter Franz die Beute offenbarte und Rackham sein Wort brach, die Crew am Leben zu lassen. Ritter Franz würde als nächstes sterben, doch erst am nächsten Morgen, so erzählte Haddock. Der Ritter konnte sich in der Nacht befreien, legte mit einem Fass voller Schwarzpulver durch jedes Deck eine Spur, bis hin zum Schatz. Im Anschluss soll er die Lunte gezündet haben und von Rackham erwischt worden sein.

Beide lieferten sich vom obersten Deck bis hin zu den Unteren einen Kampf auf Leben und Tod, wobei Ritter Franz Rackham niederstach. Er konnte sich gerade noch aus dem Schiff retten, bevor es explodierte. Doch als er auf einem der treibenden Masten saß, hörte er Rackham vor Wut schreien und ihn, seinen Namen sowie seine Nachfahren verfluchen. Angeblich, so hatte sein Großvater erzählt, hatte er ihm geschworen, dass sie sich in einem anderen Leben und einer anderen Zeit wiedersehen würden. Jedes Detail und jedes Wort nahm der Reporter dabei wie ein Schwamm in sich auf, verinnerlichte die Geschichte und versuchte dabei die Puzzlestücke zusammenzufügen.

„Er ist hinter mir her.“, stellte Haddock dabei vollkommen schockiert fest und sah Christin und Tim zu gleichen Teilen mit Entsetzen in den hellblauen Augen an. „Nicht nur das, Kapitän, sondern auch hinter eurem Familienschatz. Diese drei Pergamente sind der Schlüssel dazu, um einen der größten Schätze zu bergen, die jemals in der Geschichte auf den Grund des Meeres sanken.“, schloss Tim am Ende der ganzen Geschichte und hatte somit jedes Puzzlestück zusammengefügt. Endlich ergab alles einen Sinn. Sakharine wollte den Schatz und dabei war es ihm sogar Recht über Leichen zu gehen.

In seinem Kopf ratterte es und er hoffte, dass Sakharine noch nicht in Bagghar angekommen war. Sie mussten um jeden Preis vor ihm da sein und irgendwie das Pergament aus der dritten Einhorn herausholen. Sie würden schon einen Weg finden und selbst wenn es darauf hinauslief, dass sie improvisieren mussten. Wäre für Tim reine Routine zu improvisieren, denn nur in seltenen Fällen legte er sich einen Plan zu Recht.

Schließlich streckte Tim seine Faust dem Kapitän und dessen Tochter entgegen und sah entschlossen zwischen den Beiden hin und her. „Auf nach Bagghar!“ Seine blauen Augen funkelten entschlossen und fingen dabei den Blick und das Lächeln von Christin auf. Diese nickte zustimmend, legte ihre Hand auf seinen Handrücken und sagte feierlich: „Nach Bagghar!“ Ein Grinsen zierte nun Tims Gesicht und sein Blick richtete sich im Anschluss auf Haddock, welcher seine Hand voller Entschlossenheit aufs Christins legte und laut beipflichtete: „Nach Bagghar!“
 

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Schulze und Schultze


 

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Am frühen Morgen, regelrecht bei Sonnenaufgang, waren die Vier endlich in Bagghar angekommen. Ihre Reise hatte, vom Feldlager von Afgha aus, beinahe eineinhalb Tage gedauert. Es war hierbei sehr freundlich von Leutnant Delcour gewesen ihnen drei Kamele, Wasser und Proviant zur Verfügung zu stellen. Dies war keine Selbstverständlichkeit, doch der Leutnant hatte darauf bestanden. Obwohl deren eigene Vorräte streng rationiert waren, da der Nachschub derzeit verzögert war.

Vor der Küste Bagghars hatten sie bereits die Karaboudjan ankern sehen, weshalb sie dadurch nur zu genau wussten, dass Sakharine bereits vor Ort war. Frustrierend und nervig, wie Tim empfand. Er hoffte hierbei nur, dass Sakharine noch nicht im Besitz des dritten Pergaments war.

Schließlich hatten sich die Vier in der Küstenstadt ein kostengünstiges Hotel gesucht. Die Rechnung für dieses, doch sehr günstige, Hotel trug der Kapitän, denn er war der Einzige, der Bargeld dabeihatte. Tims Geldbörse hatte er leider zu Hause an einen Taschendieb verloren.
 

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Zusammen mit dem Kapitän, dessen Tochter und Struppi ging der junge Reporter durch einige Gassen von Bagghar und sah sich dabei suchend um. Seine Sinne waren geschärft, da er hoffte Sakharine oder Crewmitglieder der Karaboudjan in den Straßen zu erblicken.

Ihr Weg endete vorläufig auf einem Basar. Je länger die Vier durch Bagghars Straßen und über den Basar liefen, desto mehr schwand Tims Hoffnung das letzte Einhorn Modell noch vor Sakharine zu erreichen. Einen richtigen Plan, wie sie an das Modell herankommen sollten, hatte der Reporter ebenfalls noch nicht vollständig erdacht. Im Moment improvisierte er einfach nur und das funktionierte bisher ganz gut.

„Das hat keinen Sinn, Tim. Er könnte überall sein.“, kam es ernüchtert vom Kapitän, welcher ein wenig außer Atem war. Tim hatte nämlich einen recht schnellen Schritt an den Tag gelegt, da er sein Ziel so schnell wie möglich erreichen wollte. Auf dessen Worte hin blieb der Reporter stehen, sah den Kapitän missmutig an und seufzte leise auf. So ungern Tim es zugab, aber der Kapitän hatte Recht. Sakharine könnte überall in dieser Stadt sein.

Plötzlich fielen dem jungen Mann zwei Gestalten auf, welche augenscheinlich ihm und seinen Freunden folgten. Langsam wandte er seinen Blick ab, drehte sich um und setzte seinen Weg fort. „Nicht umdrehen. Ich glaube wir werden verfolgt.“, gab Tim an die anderen Beiden im Flüsterton weiter.

Haddock lief neben Tim her, drehte sich einmal um sich selbst und tat dabei so als würde er sich den Basar anschauen. Christin hingegen blieb kurz bei einem Stand stehen, heuchelte Interesse an den Waren und sah sich dabei kurz in der Umgebung um. Schlussendlich heftete sie sich wieder an Tim und ihren Vater. „Tatsächlich, da folgen uns zwei ziemlich schlampig verkleidete Männer.“, flüsterte Haddocks Tochter ihnen ernst zu, woraufhin Tims Blick misstrauischer wurde.

Er ging sehr stark davon aus, dass es Leute von Sakharine waren, die ihnen folgen sollten. Wohlmöglich hatten sie den Auftrag Tim, Haddock, Christin und sogar Struppi festzunehmen oder gar zu ermorden.
 

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Hinter einem Torbogen versteckt lauerten Tim und Haddock jeweils auf einer Seite auf die Beiden, während Christin und Struppi ein kleines Stück entfernt von ihnen standen. Sie sollten die Lockvögel mimen, damit ihre Verfolger ihnen auch ja in die Falle gingen. Dabei hatte Christin sich zu Struppi gehockt und ihm liebevoll mit beiden Händen über das Köpfchen und hinter den Ohren gekrault, was das Schwänzchen des Fox Terriers fröhlich wedeln ließ. Tim beobachtete dies einen Moment lang und konnte bei deren Anblick nicht anders als selig zu lächeln, wobei ihm sogar ein warmes Kribbeln durch den Körper schlich. Die Beiden gaben ein sehr friedvolles und schönes Bild ab, was der Reporter nur zu gerne noch länger betrachtet hättet. Doch zwang er sich dazu sich nicht zu sehr in dieser lieblichen Szenerie zu verlieren, denn er hatte in Erfahrung zu bringen wer ihnen folgte.

Kaum hatten die zwei Verdächtigen den Torbogen passiert, stolperten sie über die Beine von Tim und dem Kapitän, welche sie ihnen gestellt hatten. Die Beiden fielen der Länge nach zu Boden und wandten sich rasch zu ihnen um, um in Erfahrung zu bringen, wer sie zu Fall gebracht hatte. Sofort hatte Tim seine Kampfhaltung eingenommen und war bereit sich zu verteidigen, sollten sie ihn jetzt angreifen. Sein unwirscher Blick ruhte auf den zwei Gestalten, während er sie anfauchte: „Wer seid ihr? Und warum verfolgt ihr uns?“ Sein Herz schlug dabei kräftig in seiner Brust, während sich bereits das Adrenalin durch seine Adern pumpte. Er war zu allem bereit und er würde kämpfen, wenn es nötig war.

Der Kapitän war jedoch ungehaltener als der junge Reporter und griff die Beiden am Kragen. Er hob sie leicht an und schlug sie, mit dem Rücken voran, anschließend mehrmals zurück auf den harten Steinboden. Bei dieser Prozedur rutschten den Beiden die Kapuzen von den Köpfen und enthüllten deren Gesichter.

Voller Schrecken, aber auch sehr erfreut, sah Tim in die Gesichter von Schultze und Schulze, den Detektiven von Interpol. Sofort hielt er Haddock an den Schultern fest, bewegte ihn damit zum Aufhören und sagte ganz verblüfft zu den zwei Detektiven: „Schultze und Schulze. Ihr habt also meine Nachricht von der Karaboudjan erhalten?“ Natürlich mussten sie seine Nachricht erhalten haben, sonst wären sie nicht hier. Oder?

Voller Interesse hatte er seinen zwei Freunden zugehört, welche ihm die lange Geschichte erzählten, wie sie nach Bagghar gekommen waren. Wie so oft sog er jedes Wort wie ein Schwamm in sich auf und nickte seinem Gegenüber immer wieder verstehend zu. Die Schulzes erzählten, dass sie gerade den Taschendieb, der seit mehreren Wochen seine Heimatstadt unsicher gemacht hatte, festgenommen hatten, als sie von Interpol Tims Nachricht erhielten. Sofort, so sagten die Beiden, hatten sie sich, natürlich mit Tims Geldbörse im Gepäck, auf den Weg nach Bagghar gemacht.

„Da wären wir nun und hier haben wir auch Ihre Brieftasche, Herr Tim.“, verkündete Schultze mit stolzgeschwellter Brust und überreichte Tim sein Hab und Gut. Der Reporter nahm seine Brieftasche an sich und durchsuchte sie direkt. „Oh, keine Sorge. Der Dieb hatte kein Geld gestohlen.“ Es ging Tim hierbei auch überhaupt nicht um das Geld, sondern um das kleine Stück Pergament, welches er in seiner Brieftasche verstaut hatte. Erleichtert holte er es schlussendlich hervor und begann freudig zu strahlen. „Ein Glück, es ist noch da.“ Sein Blick wandte sich den anderen zu. „Jetzt müssen wir nur noch die anderen zwei Pergamente finden, um das Rätsel zu lösen.“

Erst jetzt bemerkte er, wie nah Christin bei ihm stand. Sofort begann sein Herz schneller zu pochen, ein heißer Schauer floss über seinen Rücken und er drohte sich in der Schönheit ihres Antlitzes zu verlieren. Interessiert waren ihre großen, braunen Augen auf das Pergament in seiner Hand gerichtet und als sie seine Hand nahm und diese mehr in ihre Richtung zog, wohlmöglich weil sie die verschnörkelte Schrift besser erkennen wollte, durchzuckte ihn ein elektrisiertes Gefühl. Sogar eine Gänsehaut breitete sich über seinen Körper aus.

Schließlich wandte Christin fragend den Blick zu ihm und stellte offensichtlich nun selbst fest, wie nah sie dem Reporter war. Ganz deutlich erkannte Tim wie sich ein zärtlicher, rosa Hauch über ihre Wangen legte. Für den Augenblick konnte er einfach nicht die Augen von Haddocks Tochter nehmen und scheinbar ging es ihr umgekehrt genauso.

Wieder spürte Tim sehr deutlich das Verlangen in sich aufwallen seine Arme, um ihren schlanken Körper zu schlingen und sie innig zu küssen. Mittlerweile konnte er in Worte fassen und verstehen, was sie in ihm auslöste. Dieses Gefühl war ihm all diese Jahre so fremd und unvorstellbar gewesen, doch jetzt wo er Christin kennengelernt hatte, musste er gestehen, dass dies wirklich das schönste Gefühl der Welt war. Tim hatte sich Hals über in Christin verliebt.

Haddocks Tochter war eine so atemberaubende Frau mit einer solch interessanten und tollen Persönlichkeit, dass sein Herz einfach nicht anders konnte. Sie war nicht nur hübsch und elegant, sondern besaß auch ein feinfühliges Temperament, hatte keine Furcht vor Gefahren und trotzte bisher jeder schwierigen Situation mit ihrem eisernen Willen. Christin war eine Frau ganz nach seinem Geschmack. Jedoch hatte er vor ihr noch nie eine Frau kennengelernt, die ihm gefühlsmäßig oder sexuell gefallen hätte.

Ein wenig verwundert, ja sogar ein bisschen enttäuscht, war er schon, als sie sich von ihm abwandte und zu irgendetwas empor sah. So gern er ihr Gesicht noch eine ganze Weile angesehen hätte, so neugierig machte ihr erstaunter Gesichtsausdruck ihn. Daher konnte Tim gar nicht anders, als ihrem Blick zu folgen.

In diesem Moment hingen zwei Einheimische ein großes Plakat von einer blondhaarigen Mittvierzigerin auf, die mit ihren blauen Augen und einem zarten Lächeln Richtung Himmel blickte. Voller Verblüffung las er die Überschrift des Plakats und stellte fest, dass diese Dame, mit dem Namen Bianca Castafiore, die Mailänder Nachtigall war. Sie war also Sakharines Geheimwaffe.

Allerdings erschloss sich ihm dies dennoch nicht. Was sollte die Sängerin tun, damit Sakharine das letzte Einhorn Modell aus dem kugelsicheren Glaskasten bekam?

„Das Konzert von ihr findet morgen Mittag statt.“, hatte Schulze freundlich in die Runde gesagt, während Tim, noch immer mit dem Blick zum Plakat gerichtet, rätselte was Bianca Castafiore für eine wirkliche Rolle hierbei spielte.

„Tim, wir müssen dort hin.“, sagte Christin aufgeregt an Tim gewandt, woraufhin er die Stirn fragend furchte. Dieser sah nun wieder in ihr Puppengesicht, legte den Kopf etwas schief und wies sie leicht mürrisch zu Recht. „Für so etwas haben wir keine Zeit, Christin.“ Doch schon im nächsten Moment klapste sie ihm leicht und mit empörtem Blick auf seinen Safarihut, den er trug und welchen er von Leutnant Delcour geschenkt bekommen hatte.

„Darum geht es gar nicht, Tim. Streng deinen Kopf ein bisschen an. Oder willst du mir sagen, dass du die offensichtliche Eintrittskarte in Ben Salads Palast nicht siehst?“, schimpfte Christin ein bisschen mit ihm, woraufhin er mit angesäuert verzogenem Gesicht zurück zum Plakat sah.

Schlagartig fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Seine Iriden weiteten sich erstaunt, als er das Plakat neuerlich in Augenschein nahm. Christin hatte bereits erkannt was ihm noch nicht klar gewesen war. Für einen Augenblick bewunderte er schwärmend ihren scharfsinnigen Verstand, ehe er sich in Gedanken wieder zur Ordnung rief. Seinen Blick wandte er nun jedoch wieder Haddocks Tochter zu, die ihn mit einem wissenden Schmunzeln bedachte. Ganz offensichtlich hatte sie gesehen, wie ihre Aussage ihm ein Licht aufgehen ließ.

„Wir könnten so vollkommen unauffällig in den Palast kommen. Vielleicht gäbe es dann sogar eine Möglichkeit an das Einhorn Modell zu kommen.“ Tim bemerkte bei seinen Überlegungen nicht, wie Schulze und Schultze ihn fragend beäugten und im Anschluss einen ratlosen Blick miteinander tauschten.

Kapitän Haddock trat nun an seine Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben bis morgen Zeit einen gescheiten Plan zu schmieden. Ansonsten müssen wir es mit der Hauruck-Aktion versuchen.“ Ein kleines Grinsen schlich sich auf Tims Gesicht, als er den Kapitän so reden hörte. In der Tat hatten sie nun tatsächlich etwas Zeit, doch ob sich in dieser Zeit ein wirklich guter Plan basteln ließ, würde sich zeigen.
 

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Ich brauche ein Kleid


 

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Ein konkreter Plan stand noch nicht fest. Nur, dass Tim, Haddock, Christin und Struppi das Konzert der Castafiore besuchen würden. Die Karten dafür hatte der Kapitän von seinem Geld bezahlt und dabei festgestellt, dass er davon nicht mehr viel übrighatte. Im Anschluss liefen sie zusammen den Weg vom Palasteingang, wo Diener von Omar Ben Salad Karten des Konzerts an Interessierte verkauften, zurück. Der Weg zum Hotel führte sie erneut über den großen Basar, wo noch immer emsiges Treiben herrschte. Nun nahmen sie sich die Zeit die exotischen Waren der einheimischen Händler in Augenschein zu nehmen. Der Kapitän wollte sich gern einen exotischen Schnaps leisten, doch als er in seine Geldbörse sah verzog er unzufrieden das Gesicht.

„Hagel und Granaten. Die Karten für das Konzert waren unverschämt teuer gewesen. Ich habe kaum noch Geld.“ Damit ließ er seine Geldbörse in die Tasche seiner Hose zurückgleiten. „Eins steht fest, das ist eine Veranstaltung, die sich nur vermögende Leute leisten können. Wenn ich auf meinen Reisen nicht immer mehr Bargeld als nötig bei hätte, dann wüsste ich nicht wie wir die Karten hätten bezahlen sollen. Aber zum Glück brauchen wir keine Abendgarderobe.“, schimpfte der Kapitän wie ein Rohrspatz und hatte dabei nicht nur die Aufmerksamkeit von Tim und Christin auf sich gezogen, sondern auch die einiger Einheimischer.

Tim klopfte ihm freundschaftlich die Schulter, nahm seine Brieftasche zur Hand und bezahlte den exotischen Schnaps für den Kapitän. Er hatte zwar auch nicht mehr so viel Geld, aber für eine Flasche Schnaps reichte es gerade noch. Der Kapitän war ganz gerührt gewesen und hatte sich herzlich bei Tim dafür bedankt, wobei er versprach ihm die Flasche zu bezahlen, wenn sie zurück in Belgien waren.

Tim hatte nur abgewinkt und war schmunzelnd weiter gegangen. „Schon gut, Kapitän.“ Es machte ihm einfach Spaß jemanden eine Freude zu machen. Vor allem dann, wenn er die Person gut leiden konnte. Außerdem hatte der Kapitän gesagt, dass er die Flasche ganz in Ruhe Daheim genießen wollte. Dies glaubte Tim ihm auch, da der Kapitän ein Genießer war, was Schnaps anging. Schon auf der Karaboudjan, als sie bei der Flucht die Alkoholvorräte fanden, war dem Reporter aufgefallen, dass dort nur hochwertiges Gebräu gelagert hatte. Keine Billigmarken, soweit Tim das hatte im damaligen Augenblick erkennen können. Er kannte sich selbst zwar nicht gut mit Alkohol aus, da er keinen trank, doch hatte er durch Werbung und Bekannte gewusst welche alkoholischen Getränke gut und teuer waren und welche nicht.

Tim konnte sich für so etwas jedoch nicht begeistern, da er oft genug erlebt hatte, wie furchtbar sich Menschen benehmen konnten, wenn sie zu viel getrunken hatten. Beim Kapitän war es jedoch ganz anders gewesen. Dieser war durch und durch anständig, wenn auch öfter ziemlich temperamentvoll und regelrecht cholerisch. Aber das war definitiv nicht dem Alkohol geschuldet, das hatte Tim bereits ebenfalls feststellen dürfen.

Es war schließlich Christin die nun Tims Aufmerksamkeit erregte und gänzlich auf sich zog. Sie war stehengeblieben und hatte mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck zurück zum Palast gesehen. Besser gesagt, zum Plakat der Mailänder Nachtigall. Sie sagte kein Wort und stand einfach nur da. Der warme Wind Bagghars wog ihr wallendes Haar sachte hin und her, während er an ihrem Rock zärtlich zupfte. Einige Herzschläge lang verlor sich der Reporter in dem herrlichen Anblick Christins, ehe seine blauen Iriden den Weg zurück in ihr Puppengesicht fanden. Deutlich konnte Tim ihren nachdenklichen Blick erkennen, was ihn aus seiner Schwärmerei herausholte. Etwas beschäftigte sie, weshalb er sich nun straffte und sie höflich fragte: „Ist alles in Ordnung, Christin?“

Sofort wandte sie ihren Kopf in seine Richtung und sah ihm direkt in die Augen. Ein Schauer, der heiß und kalt zugleich war, floss beim Verschmelzen ihrer Blicke über seinen Rücken. Auch sein Herz schlug ihm dabei schneller in Brust. Hatte er sich vor wenigen Atemzügen in ihrer Gestalt verloren, so verlor er sich nun in dem Rehbraun ihrer Augen. Dabei stellte er neuerlich fest, dass sie eine bildhübsche, junge Frau war und sie ihn mit ihrem ganzen Wesen vollkommen in ihren Bann zog. Allein der Blick in ihre Iriden erschütterte jedes Mal seine Welt in ihren Grundmauern.

Erst als sie ihre vollen Lippen teilte, um zu antworten, rief Tim sich wieder in Gedanken zur Ordnung und hörte ihr anschließend aufmerksam zu. „Ich brauche ein Kleid.“ Ihre Aussage ließ den Reporter die Augenbrauen kräuseln, während Haddock sofort mit verständnislosem Blick zu ihr sah und einwarf: „Aber du hast doch eins an.“

Auf die Antwort ihres Vaters hin blickte sie ihn aus dem Augenwinkel dezent angesäuert an. „Wie scharfsinnig von dir, Papa.“ Ihr Blick wurde rasch wieder milder. Tim hätte Haddock beinahe zugestimmt, doch bevor er das tun konnte, hatte Christin schon weitergesprochen. „Aber ich meinte, dass ich eins für das Konzert brauche.“ Leider musste Tim gestehen, dass er ihre Aussage nicht ganz nachvollziehen konnte.

Langsam und prüfend ließ er seine blauen Augen über ihren anmutigen, schlanken Körper gleiten und musterte sie dabei sehr genau. Er fand, dass sie in dem weinroten, knielangen Kleid traumhaft aussah. Die dreiviertel langen Ärmel hatte sie, wegen der Hitze, etwas weiter hochgekrempelt und ihr weiter Kragen stellte ihren üppigen Vorbau dezent, aber deutlich, zur Schau. Aus diesem Grund konnte Tim nicht verstehen, warum sie für das Konzert ein neues Kleid wollte.

„Du siehst doch wundervoll in dem Kleid aus.“ Gänzlich unbedacht hatte Tim diese Worte gesagt, woraufhin Christin ihn augenblicklich wieder ansah, da sie ihren Blick kurzfristig hatte schweifen lassen. Ein zarter, jedoch deutlich erkennbarer, rosafarbener Hauch legte sich über ihre Wangen, während sie ihn nun ganz verlegen ansah und sich verschmitzt lächelnd eine ihrer braunen Strähne hinters Ohr strich. Selbst ihr leises 'Danke' war deutlich von Verlegenheit getränkt.

Auch auf Tims Wangen schlich sich nun eine sanfte Röte, wobei er sich scheu schmunzelnd am Hinterkopf kratzte. Verlegenheit in Bezug auf Verliebtheit war ihm bis gerade eben völlig fremd gewesen. Er war zwar schon oft in Verlegenheit gebracht worden, doch hatte das nie etwas mit einer Frau oder Verliebtheit zu tun gehabt.

Nun mischte sich Haddock wieder ein, welcher zuerst auf Tim deutete und während er sprach auf Christin. „Er hat vollkommen Recht. Du siehst sehr hübsch in deinem Kleid aus.“ Auf seine Worte hin sah sie ihren Vater sanftmütig an und lächelte lieb. Sie legte ihre Arme hinter ihren Rücken, verschränkte die Finger ineinander und atmete tief durch. „Das ist lieb von euch, das zu sagen.“ Verlegen lächelnd sah sie die Beiden zu gleichen Teilen an.

In den letzten Stunden hatte der Reporter Haddocks Tochter oft voller Bewunderung und Schwärmerei beobachtet. Häufig hatte er sich dabei gefragt, ob sie sich ihrer Schönheit überhaupt bewusst war und ob sie wusste, was sie in ihm auslöste. Selbst in diesem Moment, wo sie so unschuldig wirkte, konnte Tim nicht anders als innerlich ins Schwärmen zugeraten. Äußerlich hingegen bewahrte er seine Fassung und ließ sich seine Gefühle nicht anmerken.

Christin zog ihre Arme schließlich wieder hinter ihrem Rücken hervor, drehte sich um und deutete in die Richtung des Plakats der Castafiore. „Aber ich brauche für diesen Anlass ein Abendkleid. In meinem Kleid werden die Wachen mich nicht hineinlassen.“, erklärte sie nun ihr Anliegen, woraufhin Tim und Haddock einen skeptischen Blick miteinander tauschten.

„Aber Seesternchen, weder Tim noch ich haben die richtige Kleidung dafür.“, redete Kapitän seiner Tochter sanft zu und erntete für seine Aussage ihren unglücklichen Gesichtsausdruck. Für den Moment ließ sie die Schultern hängen und seufzte leise auf. „Ich werde euch wohl zeigen müssen, was ich genau meine.“

So wandte sie sich ihrem Vater gänzlich zu, nahm seine schwarze Kapitänsmütze vom Kopf und strich ihm das tiefbraune, beinahe schwarze, Haar zu Recht, ehe sie die Mütze wieder ordentlich auf seinen Kopf positionierte. Auch seinen schwarzen Vollbart brachte sie geschickt mit ihren filigranen Fingern in Form und richtete ihm anschließend den Kragen seines blauen Pullovers und seine schwarze Jacke. Dabei sprach sie die ganze Zeit ruhig, aber bestimmt mit ihrem Vater. „Wenn du dein Haar und deinen Bart etwas herrichtest und deine Sachen zu Recht rückst, dann siehst du wie ein gepflegter Mann aus. Außerdem bis du Kapitän und hast damit einen angesehenen Berufsstatus. Sogar deine Kleidung und deine Mütze lassen auf eine sehr schlichte Uniform schließen. Allein deswegen werden sie dich ohne weiteres zum Konzert lassen.“

Dem Kapitän schwellte bei ihren Worten die Brust, da er offensichtlich an seinen stolzen Berufsstatus erinnert wurde und seine Tochter ihn bei der Eitelkeit packte. Tim musste darüber schmunzeln und konnte Christin in den Punkten nur zustimmen. Haddock würde auf Grund dessen, dass er Kapitän war, ohne Schwierigkeiten in den Palast gelangen.

Kurz darauf wandte sie sich Tim zu, woraufhin er sich neuerlich etwas straffte und in ihr Gesicht sah. Sachte griff sie an den Kragen seines weißen Hemdes, schloss geschickt die offenen Knöpfe und widmete sich im Anschluss seinen Ärmeln. Fast schon zärtlich strich sie diese hinunter und berührte dabei ab und zu ganz hauchzart seine Haut mit ihren Fingern. Sein Blick wurde bei ihrem Tun sehr sanft und nur zu deutlich spürte er die Schmetterlinge in seinem Bauch angetan mit ihren Flügeln schlagen. Sogar bei diesen wenigen Handgriffen raubte sie ihm bereits seine Sinne und ließ das Verlangen erneut in ihm aufkeimen, sie an sich zu ziehen und ihr einen innigen Kuss zu stehlen.

Ihre Tätigkeit war geradezu zärtlich, aber präzise. Als sie mit den Ärmeln des Hemdes fertig war, zog sie ihm den Safarihut vorsichtig vom Kopf und strich leicht durch seinen, von Natur aus abstehenden, Pony. Eine Geste, die ihm eine wohlige Gänsehaut bereitete und ihm das Herz in die Halsgegend springen ließ. Nur zu gerne hätte er mehr davon gewollt.

Noch immer schwieg Haddocks Tochter vor sich hin. Anschließend ließ sie von dem Reporter ab und musterte ihn von Kopf bis Fuß und zurück. Ihr Gesicht zierte ein warmer Blick und ihre Mundwinkel umspielte ein kleines Lächeln. Ihre braunen Augen sahen wieder zurück in seine Blauen, wobei sie neckend zu ihm: „Selbst du kannst mit den einfachsten Handgriffen sehr adrett aussehen.“

Auf ihre Worte hin hob Tim lausbübisch eine Braue, grinselte sie an und antwortete ihr mehr charmant als keck: „Ohne deine Hilfe würde ich nicht ansatzweise so adrett aussehen.“ Mutig geworden zwinkerte er ihr sogar zu, woraufhin sie verschmitzter lächeln musste und er ihr damit tatsächlich auch ein leises Kichern entlockte. Sein Herz tanzte dabei in seiner Brust und das schöne Kribbeln in seinem Bauch wurde stärker. Er mochte es sehr sie zum Lächeln zu bringen und selbst ihre kleinen Sticheleien hatte er sehr liebgewonnen.

Christin machte einen Schritt hinter sich und besah sich Tim und ihren Vater einige Herzschläge lang. Schlussendlich gab sie Tim den Safarihut zurück und neigte den Kopf zur Seite. „Ihr habt es nun sehr leicht in den Palast zu kommen.“ Der Reporter beobachtete jede ihrer Gesten, sah zu wie sie an sich runter deutete, und hörte ihren unzufriedenen Worten zu. „In der Tat bin ich gut kleidet, aber dies ist nicht gut genug für eine Veranstaltung in so hohen Kreisen.“

Allmählich verstand Tim, worauf sie hinauswollte. Tatsächlich war sie für den Alltag sehr elegant gekleidet, doch es reichte nicht für einen Anlass in einem Palast aus. Zumal die Karten für das Konzert schon sehr teuer waren. Was recht deutlich machte für welche Kreise dieses Konzert eigentlich gedacht war. Er ließ die Erinnerungen vor dem Palasteingang noch einmal Revue passieren und stellte dabei fest, dass er dort sehr viele gut gekleidete Personen die Karten für das Konzert kaufen gesehen hatte. Teilweise waren diese Leute weitaus besser gekleidet als Tim, Christin oder der Kapitän. Daher verstand er nun ihr Dilemma recht gut, weswegen ihre Bitte nach einem neuen Kleid für ihn viel mehr Sinn ergab als zu Anfang dieses Gesprächs.

Leicht nickte er ihr nun zu und lächelte sie dabei warmherzig an. „Gut, dann lass uns versuchen einen Händler mit Abendkleidern zu finden.“ Der Kapitän blickte Tim, auf seine Einwilligung hin mit verdutztem Gesichtsausdruck an, doch als dieser in das Gesicht seines einzigen Kindes sah und das freudige Strahlen in diesem erblickte, wurde auch er weich. Zumindest erschien es Tim so, als würde die Haltung von Haddock ebenfalls sanfter werden.

So machten sie sich schlussendlich auf den Weg einen Händler zu finden, welcher etwas Passendes für Christin im Angebot hatte.
 

๑⊱☆⊰๑
 

Der frühe Abend war angebrochen und die Händler packten an ihren Ständen bereits die Waren zusammen oder schlossen ihre Läden. Die Drei liefen zusammen mit Struppi durch die immer leerer werdenden Straßen und hatten bisher keinen Erfolg gehabt. Auf dem Basar fanden sich zwar Händler mit feinen Stoffen, doch hatten sie einfach nicht die Zeit Christin das Kleid schneidern zu lassen. Tim sah sich bei dem Marsch nach wie vor sehr genau um, ob er einen Händler entdecken konnte, welcher das Gesuchte im Angebot hatte. Doch fündig wurde er leider nicht.

Plötzlich schlug Struppi Alarm, woraufhin Tim sofort stehenblieb und mit erschrockenem Blick hinter sich zu seinem Fox Terrier sah. Dieser war an Christins Seite stehengeblieben, welche vor einem Laden Halt gemacht hatte. Der dickliche, ältere Eigentümer des Ladens kam gerade zur Tür hinaus. Er war in Beduinenkleidung aus feinsten Stoffen gehüllt, während sein weißer Vollbart fein gestutzt und sein Kopf von einem großen Turban geschmückt war. Die Farben seiner Kleidung waren sandige Brauntöne, die allesamt herrlich harmonierten. Der Reporter beobachtete für einen Moment wie Haddocks Tochter den Eigentümer geschickt in ein Gespräch verwickelte.

Tim legte dem Kapitän die Hand auf die Schulter, deutete in Christins Richtung und sagte ruhig zu ihm: „Ich glaube sie hat etwas Passendes gefunden.“ Haddock hatte sich auf seine Geste hin umgewandt, nickte ihm beipflichtend zu und hatte sich mit dem Reporter auf den kurzen Weg zu ihr und dem Händler gemacht. So kamen sie in Reichweite und Tim konnte endlich hören, was die Beiden zueinander sagten. „Es tut mir leid, meine Dame. Aber ich habe bereits geschlossen.“ Das Bedauern in der warmen, tiefen Stimme des Händlers war deutlich herauszuhören, obwohl er diese Worte sehr bestimmt gesagt hatte. Tim fiel bei dessen Worten auf, dass der Händler ihre Sprache recht gut beherrschte. Was ihn einerseits erstaunte, jedoch nicht sonderlich verwunderte. Bagghar war ein Dreh- und Angelpunkt für Händler aus aller Welt, weswegen es nur logisch war, dass einige Händler sich die Sprachen ihrer Kundschaft, mehr oder minder gut, aneigneten.

Was Christin nun allerdings tat, ließ Tim sehr staunen, da sie ihre traurigste Miene aufsetzte, ihre Hände, wie vor einigen Stunden schon einmal, hinter dem Rücken faltete und den Händler geradezu flehentlich ansah. „Oh bitte, mein Herr. Ich muss Morgen unbedingt gut kleidet der Mailänder Nachtigall gegenübertreten. Sie wollen mir doch wohl nicht die Erfüllung meines großen Traumes verwehren, oder?“ Auf ihr jetziges Erscheinungsbild und die leidige Stimme begann der Eigentümer bedauernder dreinzublicken. „Ich bin ein großer Fan von Bianca Castafiore, aber noch viel wichtiger ist die Tatsache, dass ich eine aufstrebende Pianistin bin. Ich beabsichtige bei ihr vorstellig zu werden, da ich sie nur zu gern bei ihren Konzerten auf dem Flügel begleiten möchte. Bitte, Sie können mir doch nicht Ihre Hilfe verweigern. Sie sind der einzige Händler mit dem, was ich suche und brauche.“

Skepsis war bis zum letzten Moment ein großer Teil im Gesicht des Händlers gewesen, doch schlussendlich konnte ihre Maskerade sein Herz erweichen. Vollkommen verblüfft dreinblickend stand der Reporter neben Haddock und staunte dabei über ihr Geschick sich ihr Geschlecht, ohne kokett oder aufdringlich zu sein, zu nutzen zu machen. Nach dieser kleinen Vorstellung hatte der Kapitän sich zu dem Reporter gelehnt und ihm zu geflüstert: „Um Ammenmärchen und Schauspielerei war sie ja noch nie verlegen gewesen, wenn es darum ging bei Fremden ihren Willen durchzusetzen.“

In diesem Moment konnte er nicht anders, als sie erneut schwärmend zu betrachten. Ein kleines Schmunzeln umspielte dabei seine Lippen, während seine Augen auf ihr ruhten. Ihren Scharfsinn hatte er schon sehr früh bemerkt, auch dass sie sich vor Arbeit nicht scheute und auch jeder Gefahr trotzte, wusste er bereits. Doch diese Vorstellung ihres Schauspiels und ihre Kreativität, was Notlügen anging, ließ ihn sie noch mehr bewundern. Konnte diese Frau eigentlich noch perfekter für ihn werden?

Mit einer höflichen Handbewegung lud der Händler die Drei und auch Struppi in sein Geschäft ein, woraufhin sie dankend der Einladung Folge leisteten. Im Inneren des Hauses sahen sie sich um und begutachteten für einen Augenblick die Waren, wobei Tim feststellte, dass die Stoffe, Abend- und Brautkleider, sowie Schuhe und Anzüge in modernen Formen wie einheimischer Kultur gehalten nur vom Feinsten waren. Dies hier war definitiv ein Geschäft, das für die Vermögenden eingerichtet war. Durch den Basar, der in unmittelbarer Nähe stattfand, erhielt der Laden auch viel Laufkundschaft und einige Frauen, vermutlich auch genug Männer, konnten nicht drum herum kommen einen Blick hineinzuwerfen.

„Nun, meine Dame. Können Sie sich denn überhaupt eines meiner teuren Kleider leisten?“, wollte der Händler schlussendlich sehr interessiert von Haddocks Tochter wissen, woraufhin er auch Tims Aufmerksamkeit auf sich zog. Kurz tauschten Tim und der Kapitän einen unbehaglichen Blick miteinander, denn er war sich sicher, dass die Preise der Waren gesalzen waren. Anschließend wandten die Beiden ihre Gesichter wieder Christin zu. Diese biss sich beschämt auf die Unterlippe. „Also, wir haben nicht sehr viel-“ Der Händler jedoch unterbrach sie rasch, in dem er seine Hand hob und anschließend auf ihr schwarzes Samthalsband deutete. „Ich denke damit könnten wir ins Geschäft kommen.“, waren seine einzigen Worte gewesen, wobei er ganz klar durchblicken ließ, dass er ein professioneller Geschäftsmann war und sich nicht so leicht übers Ohr hauen ließ. Außerdem schien er Wertvolles mit nur einem Blick ausmachen zu können.

Haddock weitete entsetzt die Augen bei der Aussage des Mannes und auch Christin hob erschrocken ihre Hand zu ihrem Samthalsband und strich mit den Fingerkuppen über den, in Gold eingefassten, Saphir. Anschließend beobachtete der Reporter wie sie den Kopf schüttelte und ehrlich sowie bedauernd sagte: „Es tut mir leid, aber unser Familienerbstück ist unverkäuflich.“

Auf diese Worte hin sah der Händler ein wenig zerknirscht drein, doch bevor er etwas sagen konnte, sprach Christin bereits weiter. „Ich habe jedoch etwas anderes, womit wir ins Geschäft kommen werden.“ Dieses Mal klang ihre Stimme zuversichtlicher, wenn nicht sogar ernst, und auch ihr Gesichtsausdruck hatte nicht nur an Siegessicherheit gewonnen. Da lag auch etwas in ihrem Blick, dass Tim nur mit Schalk betiteln konnte. Ihre Augenbraue hatte sie dabei geradezu verspielt gehoben und auch ihre vollen Lippen umspielten nun ein vielversprechendes Lächeln.

Interessiert sah Tim zu ihr und fragte sich was sie eintauschen könnte. Sie machte auf ihn nicht gerade den Eindruck, als hätte sie ein Vermögen unter ihrem Rock versteckt. Auch der Kapitän beäugte seine Tochter mehr als zweifelnd, bei ihren Worten. Sogar Struppi sah sie fragend und mit schief gelegtem Kopf an.

Langsam hob sie ihre Hand, legte sie auf ihren großzügigen Ausschnitt und ließ sie in diesem verschwinden. Tim konnte nicht anders, als ihre großen Brüste in diesem Moment in Augenschein zu nehmen. Er hatte sich Christin zwar schon öfter genau angeschaut, doch so genau hatte er es bisher nie gewagt sie zu betrachten. Er musste gestehen, dass der Anblick ihres Vorbaus ihn wohlig erschaudern ließ. Sie war eine bildhübsche, kluge und attraktive junge Frau, die ihn nicht nur geistig, sondern auch sexuell sehr ansprach.

Was sie allerdings aus ihrem schönen Dekolleté hervorzauberte, ließ den Reporter, den Kapitän, den Händler und sogar Struppi stutzen. Bedächtig zog sie ein goldenes Armband, welches ringsum mit kleinen Brillanten und großen Rubinen besetzt war, hervor. Die Augen von Tim und Haddock weiteten sich vor Verwunderung und auch deren Münder standen ihnen offen. Der Händler hingegen bekam leuchtende Augen, streckte die Hand ehrfürchtig danach aus und fragte höflich: „Darf ich?“

Ohne die Miene zu verziehen, nickte sie ihm zu und entließ das Armband aus ihrer Hand in die Seine. Sofort nahm er es gründlich in Augenschein, wobei das Gold in seiner vollen Reinheit erstrahlte und die Juwelen bezaubernd glitzerten. „Hagel und Granaten, wo hast du das her, mein Delfinchen?“, wollte Haddock erstaunt von seiner Tochter wissen und lenkte ihr Gesicht sachte mit dem Zeigefinger an ihrem Kinn in seine Richtung. Die Verblüffung stand ihm noch immer mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben und auch Tim war neugierig näher an sie herangetreten. Immerhin hätte er nicht damit gerechnet, dass sie solch wertvollen Schmuck mit sich herumführte. Auf die Frage des Kapitäns hin hatte Christin die Arme vor der Brust verschränkt und die Beiden seelenruhig darüber aufgeklärt. „Ganz einfach; Sakharine schenkte es mir als Zeichen unserer Verlobung.“

Schlagartig verkrampfte sich Tims Magen. Verlobung? Hatte er richtig gehört? Christin und Sakharine waren verlobt? Eine ihm bis dato unbekannte lodernde Wut umschlang fest seinen Körper. Durch seine Adern pumpte sich ein eiskaltes Gefühl, welches ihm sogar die Kehle abschnürte. Wollte Christin diesen Mann etwa ernsthaft heiraten? Er konnte einfach nicht fassen, was er da hörte. Das musste ein Irrtum sein. Ein Streich seiner Fantasie, die ihm hier ein Worst-Case-Szenario vorsetzte. Niemand, absolut niemand, sollte Christins Herz erobern. Er wollte der Einzige sein, der sie ganz allein für sich gewann.

„Du wirst ihn heiraten?“, rutschte es dem jungen Reporter niedergeschlagen, vor allem jedoch ungläubig, heraus. Seine Worte bereute er sofort und hätte sie am liebsten zurückgenommen. Er wollte sich und seine Enttäuschung darüber nicht verraten, doch gesagt war eben gesagt, nicht wahr? Doch kaum hatte er ihr diese Frage gestellt, wandte sich Christin ihm gänzlich zu. Ihr Gesichtsausdruck war im ersten Augenblick verwirrt und doch als sie ihm in die Augen sah wurde ihr Blick wieder warmherziger. Ihrer Kehle entfloh sogar ein belustigtes Lachen, was er wiederum nun gar nicht verstand. Was war daran denn nun so komisch? „Sei nicht albern, Tim.“

Ihr Lachen verstummte kurz darauf, doch ihre Augen blieben auf Tims Iriden gerichtet. Sie blickte ihn nun liebreizend an, lächelte noch immer und fuhr aufrichtig fort: „Sakharine könnte vom Alter her mein Vater sein. Außerdem hat er mich eingesperrt und wie eine Gefangene behandelt. Glaubst du wirklich, dass ich so einen heirate?“ Nun sah sie etwas scheuer drein, strich sich eine ihrer widerspenstigen Strähnen hinters Ohr und gestand ihm: „Was noch viel wichtiger ist; Ich möchte von einem Mann erobert und nicht erkauft werden.“

Sah Tim richtig? Er konnte sich nicht täuschen, denn der rosa Hauch auf ihren Wangen war nur zu deutlich zu erkennen. Wollte sie etwa von ihm erobert werden? Sein Herz begann wieder schneller in seiner Brust zu schlagen und die Schmetterlinge in seinem Bauch flatterten nun aufgeregter herum. Wenn dem tatsächlich so war, dann würde dies bedeuten sie hätte ebenfalls Gefühle für ihn. Dieser Gedanke beflügelte ihn so sehr, dass er es nicht in Worte fassen konnte.

Obendrein entspannte sich Tim sichtlich bei ihren Worten und lächelte sie dabei an. Er musste gestehen, dass ihre Aussage ihn ungemein beruhigte. Er war bereits zu verliebt in Christin gewesen, um sie kampflos aufzugeben. Aber er konnte sich auch nicht wirklich vorstellen, dass sie sich tatsächlich Sakharine verschrieben hätte. Obwohl die Angst und der Schock ihn für den Augenblick eiskalt erwischt hatten.

Schließlich war es der Händler, welcher wieder die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zog. „Nun, denn meine Dame. Suchen Sie sich aus was Ihnen gefällt.“ Freudig jauchzte Christin auf, bedankte sich glücklich bei ihm und ging zielstrebig durch den Laden. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte. Beim Betreten des Ladens hatten sie ja bereits die Möglichkeit gehabt sich umzuschauen. Was Tim sehr schätzte, denn so würden sie hier keine weiteren Stunden mit Anprobieren vertrödeln.
 

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Es dauerte tatsächlich keine halbe Stunde, bis Christin ihre Auswahl anprobiert und sich das Kleid samt den passenden Pumps in Seide einwickeln lassen hatte. Dies war so schnell und heimlich passiert, dass Tim und Haddock nicht mal wussten welche Farbe die Schuhe oder das Kleid hatten. Viel zu beschäftigt waren die Beiden damit gewesen selbst die Waren zu durchstöbern. Abgesehen davon hätte Tim erwartet, dass Haddocks Tochter sich ihnen schon einmal in dem gewählten Kleid präsentieren würde. Doch dem war nicht so.

Auf dem Weg zum Hotel, die Sonne war schon zur Hälfte verschwunden, hatte der Kapitän seine Tochter hoffnungsvoll gefragt: „Zeigst du uns das Kleid im Hotel?“ Haddocks Tochter hatte belustigt gekichert und bejahend genickt. „Gewiss, Papa. Aber erst Morgen, bevor wir zum Konzert gehen.“ Christin war sichtlich sehr zufrieden mit dem Kleid und schien nun nicht mehr zu befürchten, auf Grund ihrer Kleidung, nicht in den Palast gelassen zu werden.

Im Nachhinein betrachtet war es sehr klug von Christin gewesen, dass sie auf ein Abendkleid gepocht hatte. So kamen sie wenigstens alle Drei ohne Schwierigkeiten in den Palast, würden sich problemlos unter die Gäste mischen können und konnten so versuchen das Modell der dritten Einhorn zu finden.

Dass Haddocks Tochter allerdings ein kleines Geheimnis aus dem Kleid machte verstand Tim noch nicht so ganz. Es war schließlich nur ein Abendkleid und doch beschlich ihn eine Ahnung, warum sie so handelte. Irgendwie wurde der Reporter das Gefühl nicht los, dass sie das Kleid noch geheim hielt, weil sie ihm damit imponieren wollte. Selbst wenn er sich das nur einbildete, so war es eine zuckersüße Illusion, die ihn noch mehr in die Verliebtheit zu Christin trieb.
 

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Unter Bagghars Sternenhimmel


 

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Den Weg zurück zum Hotel hatten sie die meiste Zeit geschwiegen. Lediglich die eine und andere Idee wurde besprochen, wie sie im Palast vorgehen würden, um das Modell zu finden. Erst als die Sonne vollständig untergegangen war, waren die Drei mit Fox Terrier Struppi im Hotelzimmer angekommen. Ihr Zimmer war groß, sauber, sehr geräumig und bot sogar einen separaten Raum für ihre drei Betten. Kaum waren sie im Hotelzimmer, hatte Tim beobachtet, wie Haddocks Tochter im Nebenraum verschwand und ihr Kleid im Kleiderschrank verstaute. Sie wollte es wohl unbedingt bis zum morgigen Tag unter Verschluss halten und sicher gehen, dass weder ihr Vater noch Tim schmulen.

Haddock hatte sich auf das etwas ältere Sofa gesetzt und seine Mütze vom Kopf gezogen. Es lastete ihm etwas auf der Seele, das sah der Reporter ihm nur zu deutlich an. Auch Christin schien das zu bemerken, weswegen sie an seine Seite trat, ihre Hand liebevoll an seine Schulter legte und ihn mit besorgter Miene bedachte. „Was ist los, Papa?“ Der Kapitän griff nach der Hand seiner Tochter, strich sanft über diese und sah ebenso besorgt in ihr Gesicht.

„Ich frage mich nur, warum der Sauertopf dich heiraten will, mein Seestern. Du hingegen scheinst das gar nicht zu wollen.“

Tim lehnte am Türrahmen zum Nebenraum, in welchem die Betten standen, und sah der Szenerie wortlos zu, wenn gleich sein Blick ernst geworden war. Er war froh, dass Haddock diese Frage offenlegte und er Christin darauf ansprach. Er fühlte, wie dieses kalte, scheußliche Gefühl der Eifersucht erneut begann durch seine Adern zu kriechen und ihm dabei ein unangenehmes Herzklopfen machte. Unbewusst blickte Tim dadurch angesäuerter drein und auch seine Körperhaltung wirkte viel angespannter als vorher. Er verabscheute den Gedanken, dass Christin und Sakharine verlobt waren.

Haddocks Tochter lächelte ihren Vater aufmunternd an, strich mit der anderen Hand über seine Wange und entgegnete lieb: „Natürlich möchte ich ihn nicht heiraten. Er ist ein furchtbarer Mann. Außerdem hat er mir das Warum nie genannt. Liebe seinerseits kann es kaum sein. Es muss auch irgendetwas mit Red Rackham und Ritter Franz zu tun haben. Mir erschließt sich nur nicht was.“

Der Kapitän nahm nun auch die andere Hand seiner Tochter, sah ihr fest ins Gesicht und sagte ernst zu ihr: „Egal, was es ist. Er wird dich nicht heiraten, Bomben und Granaten. Das schwöre ich dir, Christin.“

Auf seine Worte hin musste Christin leise lachen, beugte sich zu ihrem Vater vor und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Ich danke dir, Papa.“, hatte sie ihm zugeflüstert, ehe sie ihn herzlich umarmte und festdrückte. Einen kurzen Augenblick später löste sich seine Tochter wieder von ihm und schenkte ihm ein warmes Lächeln, was der Kapitän erwiderte.

Nur zu gut konnte Tim den Kapitän verstehen, denn auch er würde alles dafür tun, dass Sakharine sie nicht heiraten würde. Viel zu sehr hatte er sich in sie verliebt und würde alles daransetzen, sie nicht an ihn zu verlieren. Allerdings war es schwer vorstellbar, dass Christin sich von ihm tatsächlich ehelichen lassen würde, ohne sich mit aller Macht dagegen zur Wehr zu setzen.

Tims Gedanken kreisten im Moment sehr, wirklich sehr viel um Christin, Sakharine und die Angst sie doch an ihn verlieren zu können. Nicht dass sie freiwillig zu ihm gehen würde, sondern dass ihnen im Palast etwas Schreckliches passierte. Etwas das Sakharine die Chance geben könnte Christin zu verschleppen. Eine solche Angst hatte er früher immer nur um Struppi gehabt, da sein geliebter Hund sein Ein und Alles war. Es war für den Reporter vollkommen neu diese Angst nun einer Person gegenüber zu empfinden. So temperamentvoll und taff Christin auch war, so wirkte sie im selben Augenblick auch zart und zerbrechlich. Ein bislang unbekannter Beschützerinstinkt war in Tim erwacht. Aus diesem Grund schwor er sich, genau wie der Kapitän, sie zu beschützen. Der Reporter schwor sich dies allerdings für jede Gefahr, die auf Christin lauern könnte.

Tim hatte gar nicht bemerkt wie lange er seinen Gedanken nachgehangen und auf den Fußboden vor sich gestarrt hatte. Erst die verkündenden Worte von Haddock ließen ihn mit großen Augen wieder aufblicken und feststellen, dass Christin den Raum verlassen und auf den Balkon gegangen war. „Ich werde mich hinlegen, Schiffsjunge. Der Tag war lang und anstrengend. Zeit den verlorenen Schlaf etwas nachzuholen.“ Die Worte ließen den Reporter leise lachen. „Erholen Sie sich gut, Kapitän.“ Dankbar lächelnd hob der Kapitän die Hand und verschwand schließlich im Nebenraum, wo er sich auf eines der Betten setzte. Kurz hatte Tim ihn beobachtet und noch einen Moment am Türrahmen gelehnt. Seine Gedanken glitten jedoch rasch wieder zu Christin hinüber, wobei sein Kopf seinen Gedanken folgte.

Sie stand an der breiten Steinbrüstung des Balkons, hatte ihre Unterarme auf diese gelegt und blickte gen Himmel. Die seichte Nachtluft zupfte sanft an ihrem vollen Haar und dem weinroten Rock. Lautlos und verliebt seufzte der Reporter auf, als er sie dort so stehen sah und ihre Schönheit betrachtete. In seinem Bauch tanzten die Schmetterlinge herum, während ihm ein wohliger Schauer über dem Rücken floss. Das spärliche Licht der Deckenlampe erhellte nur wenig vom Balkon, doch leuchtete es ihre wohlgeformte Kehrseite genug an, um sie betrachten zu können.

Ein sachtes Drücken an seiner Wade ließ ihn kurz, erschrocken zusammenzucken, woraufhin er sofort ertappt neben sich sah. Seine blauen Augen sahen zu dem Kapitän, der bereits auf dem Bett lag und leise vor sich hin schnarchte. So blickte Tim an sich hinunter und entdeckte dort seinen Fox Terrier, welcher ihn mit seinen großen, braunen Augen ansah. „Was ist denn, Struppi?“, fragte er leise seinen Hund, wandte sich ihm nun gänzlich zu und legte den Kopf schief. Die Antwort war ein erneutes Drücken mit dem Kopf gegen sein Schienenbein und einem anschließenden Blick in Richtung Christin. Tim wurde augenblicklich klar was Struppi ihm damit sagen wollte. Ein sanfter Blick schlich sich nun auf seine feinen Gesichtszüge. Er hockte sich zu seinem Hund, streichelte liebevoll über seinen Kopf und flüsterte ihm zu: „Du hast Recht, Struppi. Ich sollte die Gelegenheit nutzen.“

Ein letztes Mal strich er ihm lieb über Kopf und Rücken, ehe er sich wiederaufrichtete und zu Haddocks Tochter blickte. Tief atmete Tim nun durch, rief sich innerlich zur Ruhe und versuchte nicht nervös zu werden oder zu wirken. Sein Herz klopfte bereits schneller in seiner Brust und er spürte, wie die ersten Schmetterlinge heftiger in seinem Bauch zu flattern begannen. Er straffte sich, ging zielstrebig auf die Balkontür zu und atmete ein letztes Mal tief durch. Dies erforderte Mut und er hoffte, dass Christin nicht auf dem Balkon war, um vor allem und jedem ihre Ruhe zu haben.

Langsam trat er hinaus auf den steinernen Balkon, von welchem man beinahe ganz Bagghar und das Meer überblicken konnte. Für den Bruchteil von Sekunden bestaunte er die herrliche Umgebung und die Tatsache, dass sie für so wenig Geld ein wirklich annehmliches Zimmer und einen so wundervollen Ausblick bekommen hatten. Doch schon wenige Sekunden später rief Tim sich wieder ins Gedächtnis, warum er auf den Balkon getreten war. Seine Augen erfassten die Frau seiner Begierde erneut und mit langsamen Schritten trat er näher an sie heran, um an der Brüstung neben ihr zu stoppen. Er versuchte dabei ganz locker zu wirken und so zu tun, als wolle er nur die Aussicht genießen.

Aus dem Augenwinkel sah er wie Christin den Kopf in seine Richtung drehte, woraufhin er nun ebenfalls zu ihr sah. Mit einem freundlichen Lächeln bedachte sie ihn und doch bemerkte Tim mühelos, dass es ihre Augen nicht im Geringsten erreichte. Er erkannte in ihren Iriden Besorgnis. Auch die Tatsache, dass sie nur ein paar Wimpernschläge später wieder zum Firmament aufblickte, ließ ihre Sorge deutlicher werden. „Was bedrückt dich, Christin?“ Tims Stimme klang freundlich, jedoch schwang auch Fürsorge darin mit. Er konnte zwar ahnen, dass ihr dieses Abenteuer Fragen aufwarf und sie vermutlich heftig aus der Bahn warf, doch wollte er gern die Antwort von ihr selbst hören. Mutmaßen konnte immerhin jeder.

Ein missmutiges Seufzen verließ ihre vollen Lippen, wobei sie den Kopf senkte und hinab auf die tiefblaue Stadt sah. Nur die Lichter in einigen Häusern und der Silberschein des Mondes ließen die Hafenstadt in der Nacht erstrahlen. „Dieses ganze Abenteuer bereitet mir Kopfzerbrechen. Sicher es macht Spaß Sakharine hinterher zu jagen, zu versuchen das letzte Pergament vor ihm zu bekommen und dadurch das Rätsel, um den Schatz der Einhorn zu lösen. Ich habe noch nie zuvor in meinem Leben ein solch aufregendes Abenteuer erlebt.“, begann sie mit einem Lächeln auf den Lippen zu erzählen, welches dieses Mal sogar ihre Augen erreichte. Tim konnte nicht anders, als bei ihren Worten zu schmunzeln. Er fühlte sich an sich selbst erinnert, bevor er Reporter wurde und dadurch in die haarsträubendsten Abenteuer geriet. Es war offensichtlich, dass Christin denselben Durst nach Abenteuern hatte wie er selbst. Etwas, das sie direkt noch anziehender für ihn machte.

Im nächsten Augenblick war dieses Lächeln jedoch wieder aus ihrem Gesicht gewischt und sie gestand ihm leiser: „Es ist aber auch sehr beängstigend, Tim, wenn ich ehrlich bin. Immerhin versucht er unser Familienerbe an sich zu reißen und würde dabei sogar über Leichen gehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ebenso lässt mich der Gedanke, der Zwangshochzeit mit ihm gerade so entkommen zu sein, immer wieder eisig schaudern.“

Gebannt hatte Tim an ihren Lippen gehangen und ihrer sanften Stimme fast schon genießend zugehört. Wovon sie sprach, ließ ihn allerdings noch besorgter dreinblicken. Wobei das giftige Gefühl der Eifersucht wieder begann in seinen Gedärmen zu brodeln. Dies versuchte er allerdings im Moment zu ignorieren, so gut es eben ging. „Er wollte dich hier in Bagghar heiraten?“ Bei seiner Frage musste Tim sich allerdings zusammenreißen nicht erneut in dem stärker werdenden Schwall von Eifersucht zu ertrinken.

Wieder sah Haddocks Tochter zu ihm und nickte zustimmend. „Ja, dadurch, dass hier Zwangsehen nichts Ungewöhnliches sind, hatte er die Chance nutzen wollen mich hier vor den Altar zu zerren.“ Mit einer Schulter zuckte Christin leicht, schloss kurz die Augen und fügte erleichterter hinzu: „Aber daraus wird nun nichts mehr.“ Ihren Kopf wandte sie wieder der Küstenstadt zu und Tim glaubte zu erkennen, wie ihr Gesichtsausdruck sanfter wurde. Oder täuschte er sich auf Grund der Lichtverhältnisse nur?

„Ich lasse mich nicht zur Hochzeit zwingen. Ich möchte gefragt werden und selbst entscheiden, ob ich den Mann heiraten möchte oder nicht.“ Ihre sanfte Stimme war nicht mehr als ein Flüstern in der angenehmen Nachtluft, während sie ihre Iriden dabei nicht von Bagghar genommen hatte. Die Schmetterlinge in Tims Bauch flatterten auf ihre Worte hin noch stärker und auch sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Ohne es beeinflussen zu können stellte er sich vor, wie er um ihre Hand anhielt und sie seinem Antrag glücklich zustimmte. Dies mochte zwar etwas überstürzt sein, doch er musste gestehen, dass ihm die Idee sehr gefiel.

Schließlich rief er sich gedanklich wieder zur Ordnung und lächelte Haddocks Tochter zuversichtlich an. „Mach dir darum keine Sorgen, Christin.“ Verwundert sah sie nun in seine Richtung, blickte ihm dabei in die Augen und legte den Kopf fragend schräg. „Er wird dich nicht heiraten und das Geheimnis der Einhorn werden wir vor ihm lösen. Damit du und dein Vater wieder in Ruhe leben könnt.“

Auf seine Worte hin wanderte eine ihrer Augenbrauen auf ihre Stirn. Christin lehnte sich anschließend mit ihrer Seite an die Steinbrüstung und fragte ihn leicht lächelnd: „Was macht dich da nur so sicher, Tim?“ Einen langen Moment sah er sie einfach nur an, betrachtete ihre Schönheit im silbrigen Mondschein und dem goldfarbenen Licht der Lampe aus dem Gästezimmer. Das Licht von Mond und Lampe vermischte sich herrlich zart auf ihrem Leib, weshalb er den Anblick einen kurzen Moment einfach nur auf sich wirken ließ.

Leise begann er kurzdarauf zu lachen, zuckte mit den Schultern und gestand ihr ehrlich: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht aufgeben werde dem Geheimnis nachzujagen und die Wahrheit herauszufinden. So wie ich es auf meinen Reisen immer getan habe. Außerdem werde ich es zu verhindern wissen, dass Sakharine dich zur Hochzeit zwingt. Zuerst muss er an mir und deinem Vater vorbei.“

Die Worte des Reporters schienen sie zu erheitern, denn er konnte ihr damit ein aufrichtiges Lächeln und sogar ein kleines Kichern entlocken. Jedoch hatte ihm sein letzter Satz Überwindung gekostet, da er wusste das dies als Wink mit dem Zaunpfahl wahrgenommen werden könnte. Abgesehen davon hatte er sich dabei kurz angespannt und gespürt, wie ein knallheißer Stromstoß durch seinen Körper ging. Ihr Lachen jedoch hatte Tim schnell wieder entspannen lassen.

Christin drehte sich nun mit ihrer Kehrseite an die Brüstung, stützte sich mit den Händen darauf ab und setzte sich kurzerhand auf diese. Ihren Blick ließ sie nach wie vor auf Tim ruhen. Sie lächelte ihn warmherzig an und meinte schließlich neckend zu ihm: „Weißt du, für einen Journalisten bist du gar nicht so übel, wie ich dachte.“

Ihre Aussage ließ ihn nun triumphierend grinsen, eine Augenbraue spielerisch heben und den Kopf interessiert zur Seite neigen. Weitere Schmetterlinge schienen die Flügel in seinem Bauch auszubreiten und fröhlich mit diesen zu schlagen, während sein Herz einen gewaltigen Hüpfer machte. Es schien so, als hätte er ihr bewiesen, dass er keiner dieser verlogenen Journalisten war, die sie vor ihm kennengelernt hatte. Doch um ganz sicher zu gehen, wollte er die Wahrheit von ihr wissen. „Ich habe dir also bewiesen, dass ich anders als die anderen Journalisten bin?“

Seine Augen hatte Tim dabei nicht von ihr genommen. Noch immer sah er in ihr hübsches Gesicht und er konnte deutlich erkennen, wie ihre Züge sanfter wurden. Auch ihre dunklen Augen blickten ihn noch ein wenig warmherziger als zuvor an. Ihre vollen Lippen umspielten dabei ein verschmitztes Lächeln. „Ja. Du hast mir aber nicht nur bewiesen, dass du anders bist als die anderen. Sondern auch besser.“

Erstaunt blickte Tim sie im ersten Moment an, wobei er noch immer lächelte, und fühlte wie ihm heiß und kalt zugleich wurde. Er war in ihren Augen sogar besser? Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Wusste Christin eigentlich, was sie damit in ihm auslöste? Er war in diesem Moment so beflügelt und konnte gar nicht aufhören vor sich hin zu grinsen. Sie streichelte damit sogar sein Journalistenego, doch in erster Linie war es eine sehr positive Aussage, die sie auf seinen Charakter bezogen hatte. Deutlich spürte er wie seine Wangen sich heiß anfühlten und er daher davon ausging, dass sich eine leichte Röte auf diese gelegt hatte.

Ihr Kompliment ging ihm runter wie Öl, weswegen er sich die Freiheit nahm dieses für den Augenblick ungeniert zu genießen.

Noch immer sah er sie erstaunt lächelnd an, doch so langsam begann sich ein glückliches Grinsen auf sein Gesicht zu stehlen. Seine blauen Augen waren auf Haddocks Tochter gerichtet, die ihn verlegen schmunzelnd, aber dennoch voller Warmherzigkeit, betrachtete. Nur allzu gut konnte auch er auf ihren Wangen diesen herrlichen, rosa Hauch der Verlegenheit entdecken, weshalb sein Herz einen weiteren Hüpfer machte und das Kribbeln in seinem Bauch noch wohliger wurde.

Einen Wimpernschlag später wandte Christin noch immer schmunzelnd den Blick von ihm ab. Vermutlich war sie so verlegen geworden, dass sie lieber woanders hinsah. Zu schade, dabei fand Tim ihren scheuen, verlegenen Blick jedes Mal zum Niederknien. Haddocks Tochter sah über ihre Schulter hinweg und besah sich dabei die Stadt, das Meer und den sternenklaren Himmel. Tim hingegen konnte von ihrem Anblick nicht genug bekommen. Aus diesem Grund besah er sie sich immer wieder von Kopf bis Fuß und verweilte am längsten stets bei ihrem Puppengesicht. Sie war eine wahre Augenweide und alles in ihm schrie nach ihr. Er wollte sie ganz allein für sich haben und sie nie wieder gehen lassen.

„Du hast gesagt, dass du viel herumgekommen bist, Tim.“ Auf ihre Aussage hin gab er nur einen bestätigenden Laut von sich, während sich seine Augen an ihren schlanken Beinen, ihrer gebärfreudigen Hüfte, ihren großen Brüsten und ihrem hübschen Antlitz labten. „Aber hast du jemals etwas so Schönes gesehen?“, fragte sie ihn einen Herzschlag später mit lieblicher Stimme und deutete dabei mit einer Handbewegung auf die nächtliche Szenerie. Für den Augenblick folgte er beiläufig ihrer Deutung, besah sich die erleuchtete Stadt, das Meer, auf dem sich der Silbermond spiegelte, und das Firmament mit all seinen funkelnden Sternen. Die Szenerie war wirklich wunderschön anzusehen und er verweilte länger mit dem Blick als er gewollt hatte. Dabei musste Tim gestehen, dass er selten eine solch schöne Szenerie gesehen hatte. Doch das Schönste, was er je gesehen hatte, saß auf der breiten Steinbrüstung neben ihm und blickte zum Firmament empor.

Der Reporter konnte Christin nicht länger nur aus der Ferne anhimmeln. Seine Iriden ruhten neuerlich auf ihr und er konnte das brennende Verlangen in sich brodeln spüren. Er wollte sie mit Leib und Seele. Also folgte er seinen Gefühlen. Mutig und beflügelt von ihrem Kompliment, ihren Signalen und der romantischen Atmosphäre dieser Nacht, stellte sich Tim nun direkt vor sie und damit zwischen ihre leicht geöffneten Beine. Sein Herz hämmerte ihm heftig in der Brust, er fühlte sich zittrig und ihm war die ganze Zeit unsäglich heiß. Er hoffte nur, dass er sich keinen Korb einfing, weil er ihre Signale falsch gedeutet hatte und sie nicht so empfand, wie er für sie. Zärtlich legte er nun seinen Zeigefinger unter ihr Kinn und zwang sie mit sanfter Gewalt dazu ihn anzusehen.

Ohne Weiteres ließ sich Christin lenken und sah ihn einen Moment lang verwundert in die Augen. Ihm schwindelte, als ihre Blicke sich verschmolzen und er fühlte das Verlangen nach ihr heftiger in sich aufbegehren. Tim konnte wenige Atemzüge später in ihrem Blick lesen, dass ihr sein Handeln mehr als recht war. Ihre großen, rehbraunen Augen blickten ihn treu und sanftmütig an, während er einfach nur zurücksah. Ihm wurde erneut heiß und kalt zu gleich. Sein Herz sprang ihm in die Halsgegend und schlug so laut, dass er sicher war, dass sie es hören konnte. Das Kribbeln, das die umherschwirrenden Schmetterlinge in seinem Bauch verursachten, wurde stärker und fühlte sich dabei unsagbar angenehm an. Er ließ seinen Gefühlen endlich freien Lauf und blendete alles um sie herum aus.

Tims Lippen umspielte nun ein ganz verliebtes Lächeln, während er ihr aufrichtig gestand: „Ja, habe ich. Doch es gibt etwas auf der Welt, dass alles, was ich bisher an Schönheit sah bei weitem übertrifft.“ Für den Moment ließ er seine gesagten Worte auf sie wirken und erkannte, dass ihre Augen neugieriger zu funkeln begannen und sie leicht ihre Stirn furchte. Noch bevor sie ihn fragen konnte, was er meinte, kam er ihrem Gesicht mit Seinem näher und flüsterte ihr hauchzart zu: „Dich.“

Tim nahm ein letztes Mal seinen ganzen Mut zusammen, um den kleinen Abstand zwischen ihren Lippen zu überwinden. Zärtlich, fast schon scheu, versiegelte er ihre weichen Lippen mit Seinen und wurde augenblicklich von einem elektrisierenden Gefühl durchzuckt. Auf dieses folgte ein heißer Schauer, welcher herrlich angenehm über seinen Rücken floss und auf seiner Haut eine prickelnde Gänsehaut hinterließ. Sein Herz tanzte Samba und die Schmetterlinge in seinem Bauch schienen zu einer Armada geworden zu sein, die nun schnell mit den Flügeln schlug, weshalb das wohlige Kribbeln in seiner Magengegend noch intensiver wurde.

Tim genoss ihre köstlichen Lippen auf Seinen, hielt die Augen voller Hochgenuss geschlossen und hatte das Gefühl, dass die Zeit für sie den Atem angehalten hatte. Etwas mutiger und dennoch sehr aufgeregt, legte er seine Arme um ihre Taille und ihren Rücken. So kam er ihrem Körper mit Seinem näher und spürte ihre weiche Front an Seiner. Sie fühlte sich in seinen Armen perfekt an. Als wäre sie nur für ihn gemacht worden.

Noch hatte Christin den Kuss nicht erwiderte, weshalb ihn ein leiser Zweifel beschlich, dass er die Zeichen unfassbar falsch gedeutet hatte. Angst hemmte nun seine aufkeimenden Glücksgefühle, doch noch bevor der Zweifel keimen und erblühen konnte, legte sie vorsichtig ihre Arme um seine Schultern und erwiderte seinen zärtlichen Kuss. Christin schmiegte sich sogar ein wenig mehr an ihn, woraufhin seine Glücksgefühle und seine Verliebtheit zu voller Blüte erstrahlten.

Ein Feuerwerk der Superlative brach in Tim los, als Christin seinen Kuss sanft erwiderte und sich sogar an ihn drängte. Beflügelt von all diesen wunderschönen Gefühlen, der Tatsache, dass sie sein Handeln guthieß und sogar erwiderte, wurde sein Kuss nun etwas inniger. Tim nahm ihre Lippen etwas mehr in Beschlag und drückte sich dabei an ihren Körper. Genießend aufbrummend nahm er ihr Tun an, als sie mit ihren Fingern durch sein Haar strich und mit der anderen Hand liebevoll über seine Schulterblätter streichelte.

Liebend strich nun auch er mit seinen Händen über ihren Rücken, während er seine Lippen inniglich gegen Ihre bewegte. Ihre Lippen hatten einen ganz süßlichen Geschmack, weshalb Tim es gar nicht erst in Erwägung zog den Kuss jetzt zu lösen. Schließlich hatte er zu oft davon fantasiert und verlor sich nun lieber gänzlich in dieser Herrlichkeit, als dass ihm in den Sinn käme ihre Lippen freizugeben. Ungeniert und in vollen Zügen genoss er es Christin in seinen Armen zu halten, sie zu berühren und vor allem endlich ihre Lippen zu kosten.

Am liebsten hätte er nie wieder damit aufgehört. Es begann ihm jedoch etwas unermesslich Wichtiges wie Feuer auf der Seele zu brennen. Das Verlangen, sie wissen zu lassen, wie er für sie fühlte, schürte sich mit jeder Sekunde, die dieser innige Kuss andauerte. Tim musste es ihr nun endlich sagen, sonst würde er vermutlich wahnsinnig werden. Daher ließ er den schönen Kuss ganz sachte abklingen und löste schließlich seine Lippen nur wenige Herzschläge später, mehr als widerwillig, von Ihren.

Er hörte Christin tief ausatmen und öffnete aus diesem Grund langsam seine Augen, woraufhin er zusah wie auch sie, wie aus einer Trance erwachend, ihre Augen öffnete, um ihn anzusehen. Schlagartig wurden ihre Wangen feuerrot, was Tim angetan schmunzeln ließ. Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihr Puppengesicht, welches dennoch Verlegenheit aufwies. Noch immer strichen seine Hände liebevoll über ihren Rücken und auch ihre Finger glitten nach wie vor sachte durch sein Haar, was er wirklich sehr gern hatte.

Für einen sehr langen Moment sahen Tim und Christin sich einfach nur in die Augen. Ein Moment, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Der Reporter genoss dabei ihre Nähe und ihr Streicheln unendlich. Er selbst konnte einfach nicht den Blick von ihr nehmen und schon gar nicht hörte er auf ihren Rücken mit seinen Händen zu liebkosen, da er deutlich spüren konnte, wie sehr sie seine Berührungen mochte. Wieder brodelte dieses Verlangen, ihr seine Gefühle zu gestehen, heftig in ihm auf, weswegen er sein Blau mit ihrem Rehbraun intensiv verschmelzen ließ. „Ich liebe dich.“ Nun war es seine Stimme, die nicht mehr als ein Hauch in der warmen Nachtluft war.

Die Veränderung in Christins Gesicht trat augenblicklich ein. Ihre dunklen Augen begannen zu funkeln und ein überglückliches Lachen zierte binnen weniger Wimpernschläge ihr Antlitz. Noch immer waren ihren Wangen ganz rötlich, doch die Glückseligkeit in ihrem Gesicht überwog nun die bis dato verbliebende Verlegenheit. Tim sah ihr nur zu deutlich an, dass sie über sein Geständnis mehr als erfreut war und er konnte an ihrer Körperspannung fühlen wie sie sich vollständig in seinen Armen zu entspannen begann.

„Ich liebe dich auch, Tim.“, hauchte sie ihm verliebt entgegen und schmiegte sich daraufhin fest in seine Arme. Ihren Kopf bettete sie dabei an seine Schulter, woraufhin er seinen Kopf an Ihren lehnte. Auf ihr Anschmiegen hin legte Tim seine Arme enger um ihren Körper und hielt sie fest in seinen Armen.

Noch nie zuvor war Tim so glücklich gewesen, wie in diesem Moment. Es war für ihn eine ganz neue Erfahrung, die er hier gerade machte. All diese wunderschönen Gefühle, diese herrliche Glückseligkeit, diese zuckersüßen Berührungen und diese starke Zuneigung zu Christin, fühlten sich unbeschreiblich gut an. Tiefe Verbundenheit knüpfte sich in diesem Augenblick zwischen ihnen und Tim schwor sich Christin nie wieder gehen zu lassen. Sie gehörte zu ihm und er würde alles dafür tun, um sie zur glücklichsten Frau der Welt zu machen. Es sollte ihr an nichts mangeln. Er hatte sich mit Christin nun in ein ganz neues und vollkommen unbekanntes Abenteuer gestürzt. Tim genoss dieses neue Abenteuer jedoch bereits jetzt schon und war fest in dem Glauben, dass dies sein größtes und schönstes Abenteuer werden würde, dass er je erlebt hatte.

Vorsichtig zog Christin nun ihren Kopf von seiner Schulter zurück und sah verliebt lächelnd in sein Gesicht, als er sie mit liebevoller Miene bedachte. Seine Freundin überraschte ihn einen Wimpernschlag später mit ihrer forschen Art. Dieses Mal war nämlich sie es, die den Abstand zwischen ihren Gesichtern überwand und ihre Lippen auf Seine presste. Glücklich ging der Reporter auf ihren lieblichen Kuss ein und ließ diesen rasch inniger werden. Sie ließ diesen schönen Kuss gern geschehen, blieb an ihn geschmiegt und schien diese Zweisamkeit, im Schein des Mondes, genauso zu genießen wie er.
 

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Noch eine ganze Weile hatten Tim und Christin auf dem Balkon zugebracht, sich immer wieder geküsst, Zärtlichkeiten ausgetauscht und sich aufrichtige Liebeschwüre zugeflüstert. Erst zu sehr später Stunde hatten sie Arm im Arm diesen verlassen und waren in den Nebenraum gegangen, um zu Bett zu gehen. Sie schliefen zwar in getrennten Betten, doch bis sie eingeschlafen waren, hatten sie sich einander zugewandt und verliebt Händchen gehalten.
 

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Anders als erwartet


 

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Am frühen Morgen waren alle, vor allem Tim und Struppi, schon recht früh auf den Beinen gewesen. Das Frühstück hatten sie im Zimmer eingenommen, nachdem Tim dieses geholt hatte, als er von seinem Spaziergang mit seinem Hund zurückkam. Im Anschluss hatten sie begonnen einen Plan zu schmieden, denn sie wollten wohl übergelegt vorgehen. Es ging immerhin um das letzte Pergament. Das letzte Einhorn Modell war auch noch das Prunkstück von Omar Ben Salads Sammlung und verdammt gut gesichert. Daher würde es alles andere als einfach werden, dieses zu erhaschen.

Das ältere, jedoch saubere und bequeme, Sofa des Hotelzimmers hatten Tim und Christin, nachdem Frühstück in Beschlag genommen, wobei Struppi es sich zwischen ihnen bequem gemacht hatte. Gegenüber von ihnen, im gemütlichen Korbsessel, thronte der Kapitän, der sich nachdenklich durch den schwarzen Vollbart strich.

Sie brauchten eine gute Strategie, wie sie im Palast vorgehen wollten, ohne verdächtig zu wirken. Es wäre mehr als auffällig gewesen, wenn sie als geschlossene Gruppe durch die Gänge geirrt wären. Damit hätten sie vermutlich Verdacht geschöpft und wären schneller aufgeflogen, als ihnen lieb gewesen wäre. Definitiv würden sie weniger auffällig sein, wenn sie sich verteilen würden. Ohne Weiteres könnten sich die Drei unbehelligt unter die Gäste mischen und so durch die Gänge schleichen. „Ich schlage vor, dass wir uns nach dem Konzert still und heimlich aufteilen.“, hatte Tim in die Runde gesagt und dafür Zustimmung von Haddock und dessen Tochter geerntet.

Liebevoll streichelte Tim über Struppis Kopf, sah auf seinen Fox Terrier nieder und fügte hinzu: „Wir sollten vor allem versuchen die Menschenmasse auszunutzen, um uns unbemerkt davonstehlen zu können.“ Wieder stimmten Christin und der Kapitän seinen Worten zu.

Insgeheim hoffte der Reporter, dass nicht zu viele Wachen postiert waren und der Scheich seine Sammlung somit zu gut bewachen ließ. Auch war es seine Hoffnung, dass sie nicht so lange nach dem Modell der Einhorn suchen müssten. Ihnen lief die Zeit davon und Tim schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Sakharine nicht schon im Besitz des dritten Pergaments war. Das würde alles nur noch schwieriger machen, als es eh schon war.

Es war Christin, die seine Aufmerksamkeit auf sich zog, als sie ihren weinroten Rock zurecht zupfte, da sie ihre Beine seitlich an ihren Körper gezogen hatte. Sein Blick ruhte für den Moment auf ihrem Rock und den darunter verborgenen Beinen. Diese Beine. Zu schade, dass sie diese zum großen Teil gerade unter dem Stoff versteckte. Lediglich ab der Hälfte ihrer Waden, bis zu ihren roten Pumps, lagen diese frei. Für einige Herzschläge verlor sich Tim in ihrem Anblick und musterte ihre Hüfte, ihre Schenkel und ihre nackten Waden. Erst als er nach einigen Augenblicken in ihr Gesicht sah bemerkte Tim, wie sie mit einer ganz leichten Kopfbewegung und den Augen in die Richtung ihres Vaters deutete.

Der Wink mit dem Zaunpfahl war mehr als eindeutig. In diesem Moment sprang ihm das Herz in die Halsgegend und er erinnerte sich an das Vorhaben, welches sie in der Nacht beschlossen hatten. Der Reporter hoffte sehr, dass der Kapitän ihre frische Beziehung wohlwollend aufnahm, wenn er ihm davon berichten würde. Er besaß schließlich ein gewaltiges Temperament und neigte dazu cholerisch zu werden, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Dennoch wollte er, dass Haddock über ihre Liebe im Bilde war. Er war Christins Vater, weshalb es nur fair war. Außerdem wollte Tim daraus kein Geheimnis machen, denn ihre Liebe war etwas Wunderschönes und nichts Verbotenes.

So nickte er Christin fast unmerklich zu, sah zu dem Kapitän und schluckte hart. Ein wenig fürchtete er sich davor, wie er diese Neuigkeit auffassen würde. Sie war sein einziges Kind und die Unberechenbarkeit Haddocks konnte durchaus gruselig sein. Doch Tim rief sich in Gedanken nun zur Ordnung, straffte sich leicht und atmete tief durch.

Struppi hatte ihn bei seiner mentalen Vorbereitung zugeschaut und seinen Kopf unterstützend an seine Seite gedrückt sowie die Pfote auf seinen Schenkel gelegt. Mit einem Seitenblick schenkte er seinem treuen Hund ein sanftmütiges Lächeln. Offensichtlich hatte nicht nur Struppi dies bemerkt, sondern auch seine Liebste. Diese griff nämlich sachte nach seiner Hand, sah ihm dabei zuversichtlich in die Augen und ließ ihre Finger zwischen Seine gleiten, woraufhin sie beruhigend seinen Handrücken mit dem Daumen rieb.

Schließlich sah er ruhig zu dem Kapitän, welcher mit verwirrter Miene und gehobener Augenbraue zu den Beiden schaute. Sein Gesichtsausdruck verriet nur zu deutlich, dass er Christins Geste gesehen hatte. Sofort wurde ihm ganz mulmig in der Magengegend, denn Haddocks Blick strahlte schon jetzt eine ungeheure Strenge aus. Trotz der Verwirrung, die in seinen Augen blitzte. Tims Stimme hob sich schlussendlich und klang in diesem Moment klar und fest. Was ihn wahrlich selbst erstaunte, so nervös wie er sich fühlte. „Kapitän, Ihre Tochter und ich würden Ihnen gern etwas mitteilen.“

Der Gesichtsausdruck des Kapitäns wurde skeptischer, doch dieses Mal blickte er nicht nur Tim an. Er wandte seinen Kopf nun auch zu seiner Tochter, legte den Kopf schief und erkundigte sich mit ernsterer Stimme: „Und das wäre?“

„Nichts Schlimmes, sondern etwas ganz Schönes.“, versicherte Christin ihm und lächelte ihren Vater dabei warm an, woraufhin dessen Blick nun sonderbar wurde. Der Reporter ließ zu, dass Christin etwas mehr zu ihm heranrutschte und Struppi dabei auf ihren Schoß nahm. Aus dem Augenwinkel und mit einem sanften Blick beobachtete Tim, wie sie Haddock glücklich anblickte. „Tim und ich sind seit letzter Nacht ein Paar, Papa.“

Die Beiden konnten in diesem Moment richtig dabei zusehen, wie Haddock die Gesichtszüge vollständig entglitten und er immer wieder zwischen ihnen hin und her sah. Seine Augen wanderten dabei über die Körper der Zwei und musterten ganz genau deren Haltung. Kurz darauf hob er die Hand und deutete mit dem Zeigefinger abwechselnd auf sie.

„Ihr zwei? Seid ineinander verliebt?“, kam es beinahe fassungslos von dem Kapitän, woraufhin dem Reporter nichts Gutes schwante. Er begann bereits damit zu rechnen, dass Haddock in den nächsten Wimpernschlägen einen cholerischen Anfall bekommen würde. Etwas das nicht untypisch für ihn gewesen wäre, wie er sich eingestehen musste. Tim sah vor seinem geistigen Auge bereits, wie Haddock ihn in die Mangel nahm und tobte. Dabei hallten ihm Sätze durch den Kopf wie; ‚Wie kannst du dich nur an ihr vergreifen?‘ und ‚Finger weg von meiner Tochter!‘

Noch immer war der Kapitän aus der Fassung gebracht, doch so langsam ließ er seine Hand wieder sinken. Zu Tims Verwunderung verwandelte sich der ungläubige Gesichtsausdruck von Haddock zu einem freudigen Lachen. Herzhaftes Gelächter verließ nun seine Kehle, wobei er sich sogar den Bauch hielt. Nun waren es Tim und Christin, die einen verwirrten Blick miteinander tauschten. Haddocks Tochter legte den Kopf schief, zuckte mit den Schultern und sah anschließend zurück zu dem Kapitän. Auch Tim sah wieder zu ihm und wartete geduldig, vor allem noch immer nervös, auf eine Antwort.

Nach einigen Augenblicken hatte sich Haddock wieder beruhigt, sah gütig zu den Beiden und sagte ehrlich: „Ich hatte mich schon die ganze Zeit gefragt, wie lange es dauern wird.“ Erstaunt blickten Tim und Christin auf diese Aussage hin nun mit geweiteten Augen und Mund drein. Nach einigen Lidschlägen und dem Wiedererlangen ihrer kurzfristig verloren gegangen Fassung, war es Christin, die schließlich kleinlaut nachfragte. „Was meinst du damit? Hast du es etwa schon geahnt?“

Wieder lachte der Kapitän herzlich auf und nickte ihr zu. „Natürlich. Ihr habt euch Beide von Anfang an diese eindeutigen Blicke zugeworfen und diese wurden immer offensichtlicher, ebenso euer Verhalten gegenübereinander.“ Noch immer nach Fassung ringend sah Tim ihn an, schwieg jedoch und hörte einfach nur zu. Er war mehr als überrascht darüber, denn er hätte nicht erwartet, dass Haddock es bereits eher erkannte als Tim und Christin.

Gerade wollte Christin etwas sagen, als ihr Vater sie mit einer seichten Handbewegung zum Schweigen brachte und freundlich meinte: „Ich weiß, was du sagen willst, Delfinchen. Du vergisst, dass auch ich mal jung und verliebt war. Ich mag Beides nicht mehr sein, aber ich erkenne die Liebe noch heute, wenn ich sie sehe.“ Bei seinen Worten grinselte er freudig vor sich hin und zwinkerte seiner Tochter neckisch zu.

Auch Tim musste nun wieder warm lächeln, als er diese Aussage vom Kapitän hörte. Es freute ihn immens, dass er die Liebschaft der Beiden offenbar guthieß. Haddocks Tochter lachte auf, nickte ihm zu und sagte lieb zu ihm: „Danke, dass du uns deinen Segen gibst.“

„Dafür musst du mir nicht danken, mein Seestern. Tim tut dir gut und du ihm, also warum sollte ich ihn euch verwehren?“, entgegnete der Kapitän schmunzelnd, sah die Beiden zu gleichen Teilen gütig lächelnd an und schien keine Antwort zu erwarten. Dennoch gab auch Tim ein erleichtertes und sehr ehrliches ‚Danke, Kapitän.‘ von sich, woraufhin Haddock vergnügt abwinkte.

Glücklich schlang Christin nun die Arme um Tims Schultern, schmiegte sich dabei an ihn und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Der Reporter legte seinen Arm um ihre Taille, strich sachte über ihren Rücken und war mehr als überglücklich, dass der Kapitän ihrer Liebschaft zustimmte. Liebevoll küsste er ihren Schopf, hielt sie an sich gedrückt und hörte Haddock sagen: „Wir sollten uns allerdings bald für das Konzert vorbereiten. Es ist bereits elf Uhr.“

Auf diese Aussage hin wurde Tims Blick wieder um Welten ernster und als er zur Uhr sah zog er kurz die Brauen kraus. Der Kapitän hatte vollkommen Recht. Sie mussten tatsächlich in einigen Minuten mit den Vorbereitungen beginnen und sich auf den Weg machen. Das Konzert der Mailänder Nachtigall würde um dreizehn Uhr beginnen.
 

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Das Konzert


 

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„Wo bleibt sie nur? Wir sollten längst unterwegs sein, Hagel und Granaten.“, murrte der Kapitän unwirsch vor sich hin, während er zusammen mit Tim und Struppi am Fuße der Treppe des Hotels stand und mit den Beiden auf Christin wartete. Tim beobachtete den Kapitän die ganze Zeit beim auf und ab Gehen und hoffte, dass seine Geliebte bald kommen würde. Der Kapitän hatte nämlich Recht. Sie waren etwas spät dran und Christin brauchte tatsächlich länger als geplant war. Etwas, dass ihm gerade ein wenig auf die Nerven ging. Tim war obendrein wie ein Flitzebogen auf das Kleid gespannt, welches Christin gestern erworben hatte. Sie hatte ihn, Struppi und ihren Vater sogar extra vor die Tür gescheucht. Alles nur, damit sie Christin nicht schon zuvor sehen würden. Dies war wiederrum etwas, dass er sehr niedlich an ihr gefunden hatte und was ihn noch immer, wenn er daran dachte, schmunzeln ließ.

Mit verschränkten Armen beobachtete Tim weiterhin den Kapitän, musterte ihn immer wieder und meinte schließlich besonnen: „Immer mit der Ruhe, Kapitän. Noch liegen wir gut in der Zeit.“ Er hoffte, dass dies auch so bleiben würde. Wenn sie innerhalb der nächsten Augenblicke die Treppe hinunterkommen würde, würden sie auf jeden Fall pünktlich sein. Tim hätte zwar gerne noch ein paar Minuten vor dem Konzert gehabt, aber sei es drum.

„Keine Sorge. Ich bin schon da, Papa.“, ertönte die sanfte Stimme von Christin und ließ so Tim, Struppi und auch Haddock mit großen Augen zu ihr aufblicken. Dort auf der obersten Stufe stand seine Angebetete und sah einfach nur zum Niederknien in ihrem Abendkleid aus. Das Herz sprang ihm freudig tanzend in die Halsgegend und die Schmetterlinge in seinem Bauch ließen es dort herrlich kribbeln. Überwältigt von Christins Schönheit musterten seine blauen Augen sie in ihrem dunkelgrünen, knöchellangen Abendkleid.

Gänzlich entblößt waren ihre Schultern und nur ein mintgrüner Seidenschal war um ihre nackten Oberarme gelegt. Eine mit Goldstickereien verzierte Korsage betonte ihre schöne, schlanke Taille und brachte ihre vollen Brüste perfekt zur Geltung. Wobei er schon jetzt auf all die anderen Männer, die seine Christin in diesem Kleid zu Gesicht bekamen, neidisch war. Am liebsten hätte er diesen Anblick nämlich mit niemanden geteilt.

Ihre zierlichen Füße steckten in ebenso dunkelgrünen Pumps, während ihre hüftlangen, braunen Haare zu einer schlichten Hochsteckfrisur gebunden waren. Make-up trug sie keines und dies brauchte sie in Tims Augen auch absolut nicht, da sie für ihn eine wahre Naturschönheit war.

Angetan sah Tim dabei zu, wie seine Liebste mit geschmeidigen Bewegungen die Treppe hinunter schritt und dabei alle Drei zu gleichen Teilen glücklich anlächelte. Ganz der Gentleman, der Tim nun einmal war, deutete er eine Verbeugung an und streckte Christin anschließend die Hand entgegen, als diese auf der vorletzten Stufe zum Stehen kam. Verliebt lächelnd ergriff sie seine Hand und lachte verlegen auf, als Tim ihren Handrücken zärtlich küsste. „Mylady. Ihr seht umwerfend aus.“ Sein Blau verschmolz dabei mit ihrem Braun und seine feinen Gesichtszüge zierte dabei ein charmantes Lächeln.

Deutlich erkannte Tim den rötlichen Schimmer, der sich nach seiner Aussage auf ihre Wangen geschlichen hatte. Freudig lachte er sie daraufhin an und hörte sie beinahe schon scheu zu ihm sagen: „Du Charmeur.“

Auch Haddock war ganz begeistert von seiner bildhübschen Tochter, was ihm deutlich anzusehen war. Strahlend sah er sein einziges Kind an, seufzte auf und nickte ihr anerkennend zu. „Du siehst wirklich atemberaubend aus, mein Delfinchen.“, gab der Kapitän ganz ergriffen von sich, woraufhin er sie noch einmal ausgiebig in Augenschein nahm. Warmherzig sah sie daraufhin zu ihm, lächelte überglücklich und gab ein freudiges ‚Dankeschön, Papa.‘ von sich. Auch Struppi bekundete seine Begeisterung mit einem lauten Bellen, woraufhin Christin ihm liebevoll über das Köpfchen streichelte. „Auch dir danke ich, Struppichen.“

„Es wird Zeit, wir müssen los.“, hatte Tim lieb zu Christin gesagt und dabei einen ruhigen Blick von ihr geerntet, ehe sie zustimmend nickte. Auch der Kapitän richtete noch einmal seine schwarze Kapitänsmütze und meinte feierlich in die Runde: „Na dann, auf in die Höhle des Löwen.“

So hatten sie sich anschließend gemeinsam auf den Weg zum Palast gemacht. Während des kleinen Marsches, hatte Tim immer mal wieder verliebt zu Christin geblickt und ihre Hand gehalten. Ihre Schönheit raubte ihm den Atem und ihre wohltuende Nähe war Balsam für seine aufgewühlte Seele, denn das Bevorstehende würde definitiv alles andere als leicht werden.
 

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Während des Konzerts hatte Tim sich genau umgesehen, aber er konnte nirgendwo in der Menge Sakharine oder ein Mitglied dessen Crew erblicken. Es gab nur eine Person, die stets und ständig die Aufmerksamkeit von Tim auf sich zog; Der Kapitän. Seitdem die berühmte Opernsängerin Bianca Castafiore angefangen hatte ihre Juwelenarie zu singen, hatte er gejammert, dass seine Ohren wegen dem Geträller bluten würden. Auch beschwerte er sich über den Lärm, womit er den Gesang der Castafiore meinte. Immer wieder hatte Christin ihren Vater mit mahnenden Worten wie ‚Reiß dich zusammen, Papa!‘ und ‚Papa!‘ versucht zur Ordnung zu rufen. Das war, wie Tim feststellen musste, vergebene Liebesmühe. Er selbst hatte es nämlich auch schon versucht, es jedoch nach wenigen Versuchen aufgegeben.

Vollkommen überhastet war der Kapitän schlussendlich davongeeilt, als ihm der Gesang zu viel wurde. Er floh regelrecht aus dem hellen, mit Marmor bestückten und prunkvollen Palast, wobei Tim ihm kurz irritiert nachblickte und zu sah, wie er durch die großen, weißen Marmorsäulen hinaus in den wunderschönen, blumigen Garten trat. Dort war ein Buffet aufgebaut, an dass es nach der Vorstellung gehen würde. Tim seufzte schließlich resigniert auf und tauschte im Anschluss einen Blick mit Christin, ehe er mit den Schultern zuckte, als diese ihn fragend ansah. Was sollte er dazu auch sagen? Haddock war halt, wie er war. Und ganz offenbar war er auch kein Freund von Opernmusik.

Allerdings war Struppi nicht unbedingt ruhiger. Er winselte die ganze Zeit vor sich hin und verkroch sich sogar Schutz suchend unter Tims Stuhl. Ein wenig unangenehm war dem Reporter das Benehmen von Struppi und dem Kapitän schon gewesen. Die Gäste hatten sich nämlich währenddessen öfter zu ihnen umgeschaut und ihnen dabei verständnislose Blicke zugeworfen. Zum Glück kümmerten sich die anderen Gäste, nach dem der Kapitän das Weite gesucht hatte, nicht weiter um ihn, Struppi und Christin. Daher nahm Tim sich die Zeit sich ein weiteres Mal genau umzusehen und erblickte, auf dem Balkon hinter sich, Sakharine mit seinem Falken auf dem Arm. Mit einem Mal fiel es Tim wie Schuppen von den Augen. Bianca Castafiore war seine Geheimwaffe aus einem sehr, sehr speziellen Grund. Sie war eine Opernsängerin und konnte ihre Stimme mehrere Oktaven nach oben verlagern, so dass ein Ton entstand, der Glas zum Schwingen brachte. Rasch hob er das Mini-Fernglas an seine Augen, wandte seinen Blick nach vorne und erspähte durch dieses das Modell der Einhorn. Zu seinem Schrecken stellte Tim fest, dass das Glas bereits vibrierte. Kurz darauf setzte die Castafiore zum großen Finale ihres Liedes an, wobei sie immer höher und höher sang.

Voller Zorn richtete Tim den Blick empor zu Sakharine, erhob sich langsam von seinem Stuhl und würde sofort Struppi los jagen lassen das Modell zu holen, ehe er selbst hinterher sprinten würde. Es würde nicht mehr lange dauern und jedes Glas im Raum, sogar das des Schaukastens der Einhorn, würde in tausend Splitter zerspringen. Wie hatte er nur so blind sein können? Wie konnte ihm entgehen, was Sakharine mit der Opernsängerin geplant hatte? Er ärgerte sich zutiefst darüber, dass ihm dies nicht schon vorher bewusst geworden war. Allerdings brachte es nun auch nichts mehr über verschüttete Milch zu weinen. Jetzt würde nur noch Schadensbegrenzung möglich sein.

„Was ist los, mein Herz?“, ertönte Christins Stimme leise und ganz nah an seinem Ohr, woraufhin er sich ihr mit ernstem Gesichtsausdruck zuwandte. Mit dem Kopf deutete er in die Richtung des Balkons. „Er ist hier.“ Er konnte beobachteten, wie Christin etwas blass um die Nasenspitze wurde, ehe sie nun ebenfalls zum Balkon empor sah. Doch lange blickte sie nicht zu ihm auf, da sie rasch ihren Kopf wieder senkte. „Er schaut zu uns, Tim.“ Sachte und ganz automatisch nahm er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, zwang sie so mit sanfter Gewalt in sein Gesicht zu sehen und flüsterte: „Küss mich.“

Er wollte nicht, dass Sakharine mitbekam, dass Beide zu ihm hinaufgeblickt hatten. Tim wollte viel mehr, dass er sich sicher fühlte und glaubte seinen Plan unbeirrt durchführen zu können. Es sollte daher wie ein Zufall aussehen, dass er mit Christin hier war. Ein sehr naives Vorhaben, aber er hoffte, dass es klappen würde. Außerdem konnte er Sakharine so ganz deutlich zeigen, dass Christin fortan an seine Seite gehörte. Es schwirrte ihm schließlich immer noch im Hinterkopf herum, dass er Christin heiraten wollte. Daher war es für ihn ein wenig Genugtuung sie vor seinen Augen zu küssen.

Ohne ihre Antwort abzuwarten hatte Tim seine Lippen auf Ihre gelegt und hauchte ihr so einen sanften Kuss auf diese. Zufrieden bemerkte er, dass sie den Kuss liebevoll erwiderte und ihre Hände an seine Schultern legte. Sein Herz machte dabei einen Hüpfer und ein wohliger, prickelnder Schauer floss über seinen Rücken, während er genießend seine Augen schloss. Nur am Rande bekam Tim mit, wie sämtliches Glas um sie herum in tausend Scherben zersprang und das Klirren eine ganz eigene Musik von sich gab. Viel zu sehr hatte er sich in den innigen Kuss mit seiner Christin fallen lassen.

„Tim! Christin!“, holte ihn der Ruf von dem Kapitän zurück ins Hier und Jetzt, woraufhin er den Kuss abrupt löste und gemeinsam mit Christin erschrocken zu dem Kapitän hinübersah. Doch bevor dieser etwas zu den Beiden sagen konnte, rief Sakharine aufgebracht zu dem Scheich: „Das sind sie! Sie wollen Ihr Schiff stehlen!“ Geistesgegenwärtig reagierte der Scheich und zeigte auf Tim, Christin und auch auf Haddock. „Nehmt sie fest! Und den Hässlichen da auch!“

Nur flüchtig bekam Tim mit wie Sakharine seinen Falken zum freigewordenen Schiff aussandte. Augenblicklich sah er auffordernd zu Struppi und zeigte in die Richtung des Schiffes. „Hinterher, Struppi!“ Bellend sprang der Hund auf und rannte so schnell er nur konnte zum Modell der Einhorn. Allerdings sah Tim, dass es bereits zu spät war, woraufhin er leise fluchte und das Gesicht angesäuert verzog. Der Falke hatte das Röhrchen mit dem Pergament aus dem Mast herausgezogen und war zurück zu seinem Herrn geflogen. Alles Bellen und nach dem Falken Springen sowie Schnappen, half gar nichts.

Das laute Fluchen und Beschweren, dass er ‚hässlich‘ genannt wurde, vom Kapitän, drang nur dumpf an Tims Ohren, da dieser in diesem Augenblick bereits fieberhaft überlegte, wie er nun an die zwei Pergamente herankommen sollte. Ein Pergament war in Kapitän Haddocks Besitz, da er es ihm anvertraut hatte, kurz bevor sie das Konzert besuchten. Sakharine war damit also noch nicht am Ziel und für Tim und seine Freunde noch nicht alles verloren. Das war gut. Damit konnte Tim arbeiten.

Tim erwachte erst wieder aus seinen Gedanken, als auch er und Christin nun von den Wachen des Scheichs umringt und kurz darauf von ihnen unsanft gepackt wurden. Verdammt, für einige Herzschläge war er dermaßen in Gedanken gewesen, dass seine Umgebung vollkommen nebensächlich für ihn geworden war. Doch mit geschickten Handgriffen war Tim schnell wieder frei, schlug die Wachen gekonnt zu Boden und blickte zu seiner Liebsten. Beeindruckt hatte Tim zugesehen wie diese mit einem raschen Tritt in den Bauch und einen festen Kinnhaken die zwei Wachen, die sie festgehalten hatten, außer Gefecht setzte. Im Anschluss strich sie sich ihren Rock zurecht und empörte sich: „So geht man doch nicht mit einer Lady um.“

Ihre rehbraunen Augen wandten sich Tim zu, welcher sie bei ihren Worten neckisch angrinsen musste. Ein weiteres Mal war er unsagbar stolz und glücklich, dass Christin seine feste Freundin war. Sie war schlagfertig, hatte Mut und schaffte es auch ohne seine Hilfe mit Gefahren fertig zu werden. Sie war in seinen Augen perfekt und er war sich sicher, dass sie ihn noch so manches Mal mit ihrem Mut beeindrucken würde. Rasch griff er nun nach ihrer Hand, hauchte ihr einen kleinen Kuss auf den Handrücken und lief mit ihr anschließend hinüber zum Kapitän.

„Kommen Sie, Kapitän. Wir müssen hier weg.“ Gemeinsam huschten die Drei in einen leeren, unscheinbaren Gang des Palasts, während der Kapitän den Beiden davon erzählte, dass er von Alan im Garten überrumpelt wurde und dieser nun das Pergament an sich genommen hatte. Wut flackerte in Tims sonst so besonnenen Augen auf. Sein Herz schlug kräftig in seiner Brust und der brodelnde Zorn ließ ihn wortlos zum Haupteingang laufen.

Er war enttäuscht vom Kapitän, denn er hatte ihm das Pergament anvertraut und nun hatte er es sich so mir nichts, dir nichts abnehmen lassen. So wie der Kapitän nach Alkohol roch, schien es für Alan ein Leichtes gewesen zu sein ihn zu überraschen und das Pergament an sich zu nehmen. So schnell wie diese Wut auf Haddock aufkam, so rasch war diese jedoch auch schon wieder verschwunden. Immerhin hatte der Kapitän geglaubt im Garten seine Ruhe zu haben und bis vor einigen Minuten hatte auch Tim geglaubt, dass die Crew und Sakharine nicht im Palast sein würden. Daher verzieh er dem Kapitän in Gedanken rasch wieder, doch seine grenzenlose Wut auf Sakharine und dessen Crew war geblieben.

Mit erzürntem Blick musste Tim mitansehen wie Sakharine, Alan und Tom in den Jeep, der neben einem Motorrad vor dem Eingang des Palasts parkte, stiegen und in Richtung Hafen davonfuhren. Geschickt hatte Tim sich den Weg frei gekämpft, krempelte sich die Ärmel hoch und ging auf das Motorrad zu, welches einen Beifahrerwagen besaß. „Tim, was haben Sie vor?“, drang die Stimme von Haddock zu ihm durch, während er das Motorrad kurz in Augenschein nahm und zufrieden feststelle, dass der Schlüssel steckte. Das sparte Zeit. Er setzte sich sogleich auf dieses, während Christin voller Selbstverständlichkeit hinter ihm Platz nahm und ihre Arme um seine Brust legte. „Sakharine hinterherjagen natürlich. Das ist unsere einzige Chance die Pergamente zurückzubekommen, Kapitän.“ Der Kapitän und Struppi hingegen hatten sich auf Tims Worte hin im Beifahrerwagen niedergelassen.

Sofort startete Tim das Gefährt und fuhr, so schnell das Motorrad es zuließ, hinter dem Jeep her. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie Haddock mit erstauntem Gesichtsausdruck eine Bazooka aus dem Beifahrerwagen zog und kurz darauf versuchte mit dieser auf den Jeep zu zielen. Eigentlich war Tim kein Freund von Gewalt, aber manchmal musste er Prioritäten setzen. Haddock gab nur wenige Lidschläger später einen Schuss ab, doch die entsetzten Laute von ihm und Christin ließen Tim nichts Gutes ahnen. „Was haben Sie getroffen?“, erkundigte sich Tim bei dem Kapitän, beschleunigte jedoch das Motorrad und fieberte dem Moment entgegen, in dem sie dem Jeep nah genug sein würden.

„Eine der Pumpen vom Staudamm.“, sagte Christin für ihren Vater bemüht ruhig, obwohl Tim in ihrer Stimme deutlich die Fassungslosigkeit hören konnte. Schließlich wandte er seinen Blick kurz neben sich und sah die Wassermassen im künstlich angelegten Flussbett durch die Stadt rauschen. Kurz stand auch ihm der Schrecken ins Gesicht geschrieben, doch schon im nächsten Moment bot sich die Gelegenheit die Pergamente Sakharine aus der Hand zu nehmen.

Dadurch, dass Struppi todesmutig auf den Jeep gesprungen war und somit die drei Männer überrascht hatte, brauchte Tim das Motorrad nur noch ganz nah an den Jeep bringen. Sie waren vom Tempo her gleich auf und so nah beieinander, dass Tim die Pergamente mühelos greifen konnte. Kaum hatte er die Pergamente in der Hand und seinen treuen Struppi wieder sicher im Beifahrerwagen, gab er noch einmal richtig Gas und sauste an dem Jeep vorbei Richtung Hafen.

Die Jagd war eröffnet!
 

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Aufgeben kommt nicht in Frage


 

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Es war eine wilde Verfolgung gewesen, bei der sich der Beifahrerwagen gelöst hatte und der Kapitän dabei mutig auf den Kühler des Jeeps gesprungen war. Struppi hingegen versuchte dem Falken, der sich in einem unachtsamen Moment von Tim die Pergamente schnappen konnte, hinterher zu jagen. Gekonnt hatte Struppi dem Falken diese wieder abnehmen können, weswegen er rasch zu Tim und Christin aufschloss. Diese waren ein kurzes Stück den Weg Richtung Hafen weitergefahren und hatten an einer Kreuzung auf den Fox Terrier gewartet.

Mit Struppi im Arm ging es weiter zu den Docks. Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle, doch als der Jeep um eine der Ecken geschossen kam, riss Tim geistesgegenwertig den Lenker herum und wich so einer Kollision aus. Allerdings rutschte das Motorrad weg, woraufhin die Drei zu Boden stürzten. Unsanft knallte Tim mit dem Rücken gegen eine der Hauswände, seufzte unter Schmerzen auf und öffnete benommen seine Augen. Sakharines Falke sammelte indes die herumfliegenden Pergamente aus der Luft zusammen, während Struppi sich gerade aufrichtete und bellend nach diesem zu schnappen begann. Seine blauen Augen glitten zu Christin, die gerade fluchend und sich heftig wehrend von Alan und Tom in den Jeep gezerrt wurde. Tims Augen weiteten sich entsetzt, sein Herz raste in seiner Brust und seine Eingeweide zogen sich unangenehm zusammen. Sie entführten Christin. Ihm wurde regelrecht schlecht und doch war er mit einem Schlag wieder so fit, dass er sich sofort aufrappelte und zu ihr rennen wollte. Sakharine durfte sie nicht haben. Christin war sein Mädchen und er würde alles daran setzen sie zurückzubekommen. „Kümmer dich um den Falken!“ Ihre auffordernde Stimme ließ ihn abrupt stehenbleiben, ein paar Mal verständnislos blinzeln und anschließend zu dem Falken schauen, der in diesem Augenblick im Sturzflug an ihm vorbeisauste.

Alles in ihm widersetzte sich dem Falken zu folgen, denn er wollte lieber Christin in Sicherheit wissen. Gleichzeitig vertraute er in ihre Fähigkeiten und wusste, dass sie sich nicht von Sakharine und den anderen Beiden kleinkriegen lassen würde. Also jagte Tim widerwillig diesem zu Fuß hinterher, wobei Struppi ihm bellend folgte.

Der Falke hätte emporfliegen können, doch er tat es einfach nicht. Stattdessen flog er durch die Straßen und Gassen der Stadt und schien völlig planlos ohne seinen Herrn in der Nähe zu sein. Tim versuchte immer wieder fieberhaft einen Moment abzupassen, um den Falken zu erwischen. Er musste den Raubvogel fangen und diesem die Pergamente abnehmen. Um jeden Preis!

Am Hafen angekommen erhielt Tim endlich die ersehnte Möglichkeit und war von der Veranda einer der dortigen Tavernen gesprungen, um den Falken im Sinkflug zu erwischen. Sein Plan ging auch perfekt auf, denn er bekam das Tier an den Beinen zu fassen.

Er hatte jedoch die Fallhöhe dabei völlig außer Acht gelassen und auch gar nicht darauf geachtet, wohin er eigentlich sprang. Wichtig war nur, dass er den Falken zu packen bekam.

So stürzte Tim direkt ins Hafenbecken, doch zu seinem Glück landete er bäuchlings auf einer der dort schwimmenden Holzplattformen, dessen Zweck er im ersten Moment nicht bestimmen konnte. Alles, was er wusste, war, dass diese Plattform ihn davor bewahrt hatte unterzugehen. Dabei hätten die Pergamente zerstört werden können, denn die Wasserfestigkeit derer wollte Tim ungern auf die Probe stellen.

Sich auf den Rücken drehend, versuchte Tim das Tier festzuhalten und die wertvollen Pergamente an sich zu nehmen. Zu seinem Bedauern war der Falke nicht gewillt gewesen diese loszulassen, sondern versuchte sich durch wildes Flattern aus dem eisernen Griff des Reporters zu befreien. Voller Erstaunen weiteten sich plötzlich Augen und Mund Tims, als er einen Blick auf die Pergamente warf. Unter den Gedichten waren Markierungen, die in diesem Augenblick einen Sinn ergaben. Nur übereinandergelegt und gegen das Licht gehalten, ergaben diese versteckte Nummern. Auf die Schnelle konnte Tim nicht genau sagen, was diese bedeuteten und die Chance es herauszufinden bekam er auch nicht.

„Lass den Falken los oder die Drei sterben!“, drang Sakharines Stimme warnend zu Tim durch. Rasch wandte er seinen Kopf in dessen Richtung und fühlte erneut, wie sich seine Eingeweide unangenehm zusammenzogen.

Tom und Alan hielten den Kapitän am Saum dessen Jacke fest, da dieser bereits am Rand des Docks stand und ohne Halt zusammen mit Struppi ins Wasser gestürzt wäre. Sein treuer Hund hing nämlich mit zusammengebundenen Beinchen kopfüber an den Fesseln des Kapitäns. Knurrend, bellend und sich windend versuchte er sich von den Fesseln zu befreien, was jedoch völlig vergebens war. Dieser Anblick ließ Tims Herz vor Wut rasen, denn er hasste es, wenn man sich an seine Freunde vergriff. Struppi allen voran. Seine Augen wanderten zum Gesicht des Kapitäns, dem er ansehen konnte wie gern er Tom und Alan für ihre Taten hätte büßen lassen wollen.

Tims blaue Iriden wandten sich nun seiner Christin zu, woraufhin ihm vor Wut beinahe schwindelte. Ihr hübsches Abendkleid war schmutzig und am Rocksaum völlig zerschlissen, den Seidenschal hatte sie eingebüßt und ihre Hochsteckfrisur war vollkommen in sich zusammengefallen. Ihr dunkelbraunes Haar floss ungebändigt über ihre Schultern und ihren Rücken, während sie mit eisigem Zorn in den sonst so warmen, braunen Augen zu Sakharine sah.

Für den Moment erinnerte Christin ihn an eine erhabene Königin, die über all dies stand und sich nicht geschlagen geben wollte. Ein Hauch von Bewunderung stieg für den Bruchteil von Sekunden in ihm auf, jedoch nur, bis ihm wieder bewusstwurde in welcher Situation sie sich alle gerade befanden. „Was ist dir wichtiger, Junge? Die Pergamente oder deren Leben?“, erklang die Stimme von Sakharine erneut, woraufhin Tim wieder zu ihm sah. Leicht schüttelte er den Kopf und gab ein verzweifeltes ‚Nein, warten Sie!‘ von sich. Er hätte das nur zu gern irgendwie mit Worten geklärt, doch er musste feststellen, dass er in einer Zwickmühle war und wohl nur Taten sprechen lassen konnte.

Die Pergamente würden sie zum Erbe der Haddocks führen und nicht nur das. Das Ganze wäre auch noch eine fantastische Geschichte für einen neuen Artikel gewesen. Doch nun musste Tim sich zwischen dem Schatz von Ritter Franz und dem Leben der Drei entscheiden. Die Entscheidung war jedoch schon längst gefallen. Bevor er diese jedoch verkünden konnte, hörte er Haddock beschwichtigend zu ihm sagen: „Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Tim. Uns geht es prima.“ Wie zur Bestätigung bellte Struppi auf, als wollte er sein Herrchen dazu ermutigen die Pergamente auf keinen Fall loszulassen.

„Egal was du versuchst, Iwan. Wir werden am Ende siegen.“, erklang Christins beherrschte, selbstsichere Stimme, woraufhin sie nun die volle Aufmerksamkeit von Sakharine besaß. Langsam und Unheil verkündend ging dieser auf sie zu, stand nun dicht vor ihr und sah süffisant lächelnd in ihr Gesicht. „Mein Täubchen. Dich würde ich am Leben lassen, wenn du brav mit mir kommst und meine Frau wirst. Ich könnte dir sogar die Liaison mit diesem Bengel verzeihen.“ Sakharine strich nun noch immer lächelnd mit dem Zeigefinger über ihre Wange, was Tim vor Eifersucht rasant machte. Einen Herzschlag später erdreistete sich Sakharine sogar ihr einen Kuss zu rauben und blickte dabei für wenige Herzschläge zu ihm hinunter.

Todbringende Wut stieg in dem Reporter auf und begann ihn wie eine Würgeschlange zu umschlingen. Am liebsten hätte er den Falken losgelassen und sich auf Sakharine gestürzt, um diesen zu maßregeln. Denn er maßte sich tatsächlich an seiner Geliebten ein solches Angebot zu machen und ihr dann auch noch einen Kuss zu stehlen. Zu allem Überfluss hatte er Tim auch noch einen Blick dabei zugeworfen, ehe er die Augen genussvoll geschlossen hatte. In Gedanken beschimpfte Tim ihn wüst und verfluchte dessen Leben aufs Übelste. Nur dumpf nahm er die angewiderten Proteste von Haddock und auch Struppis Bellen wahr. Sein rauschendes Blut dröhnte in seinen Ohren und sein Zorn war so gewaltig, dass er drohte die Beherrschung zu verlieren.

Zum Glück löste Sakharine den Kuss vorzeitig wieder, während Tim mit seiner heftigen Wut und der schwindenden Selbstbeherrschung rang. Doch all dieser Zorn verflog schlagartig, als er Christins Lächeln im Anschluss sah. Blanke Fassungslosigkeit stand Tim nun ins Gesicht geschrieben und sein Herz wurde schwer wie Blei, denn sie lächelte Sakharine nach dem Kuss tatsächlich warmherzig an. Was sollte das? Seine Innereien zogen sich unsagbar schmerzhaft zusammen, als seine Liebste amüsiert zu kichern begann und schließlich schnurrend von sich gab: „Aber, aber Iwan. Tim und ich haben doch keine Liaison. Wo denkst du nur hin?“

Was?! Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Der Reporter war nun sehr bemüht gegen die aufsteigenden Tränen zu kämpfen, denn er hatte geglaubt, dass sie ihn liebte. Er war offenbar tatsächlich so naiv gewesen zu glauben, dass sich Haddocks Tochter in ihn verliebt hatte. War all das nur gespielt gewesen? Hatte sie Tim und ihren Vater die ganze Zeit ausspioniert und arbeitete im Geheimen mit Sakharine zusammen?

Er konnte den todunglücklichen Blick nicht von ihr nehmen. Das war allerdings auch sein Glück, denn so konnte er sehr genau beobachten, wie ihr sanftmütiger Blick und das Lächeln komplett aus ihrem Gesicht gewischt wurden. Ein wildes Funkeln blitzte in ihren Augen auf und ein abgrundtiefböser Blick zierte nun ihr Puppengesicht. Tim wusste in diesem Augenblick nicht was er fühlen oder gar darüber denken sollte. Er konnte Christin gerade überhaupt nicht einschätzen oder erahnen was kommen würde.

Als ihre eiskalte Stimme durch die warme Luft schnitt, erfüllte schlagartig Erleichterung und Stolz den Körper des Reporters. „Ich liebe ihn, Iwan. Mehr als alles andere auf dieser Welt. Genau deswegen habe ich keine Liaison mit ihm. Was Tim und ich haben ist weitaus mehr als ein kleines Geplänkel. Sei daher froh, dass ich gefesselt bin, sonst würdest du deine Worte und den Kuss bitter bereuen.“

Ihre Worte machten Tim in diesem Augenblick mehr als nur glücklich. Sie liebte ihn wirklich und stand für ihre Liebe gerade sogar ein. Sein Herz machte daraufhin einen freudigen Hüpfer und verliebte Schmetterlinge schlugen in seinem Bauch mit den Flügeln. Dennoch überkam ihn auch ein schlechtes Gewissen, da er für einige Lidschläge so mies von Christin gedacht hatte. Der unterkühlte Blick von Sakharine ließ Tim nun jedoch nichts Gutes erahnen. „Wird Zeit herauszufinden was deinem Liebsten wichtiger ist.“ Mit diesen Worten gab er Christin einen Schubs und beförderte sie somit rücklings ins Wasser. Tom und Alan taten es dem Beispiel ihres Bosses gleich und ließen Haddock und Struppi ihr folgen.

Voller Entsetzen sah Tim der Szenerie zu und fühlte sich wenige Herzschläge lang wie betäubt, während die Drei wie Steine zum Grund sanken. Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ er den Falken samt den Pergamenten los, sprang ins Wasser und eilte seinen Freunden zur Hilfe.
 

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Tims Rettungsversuch glückte, weswegen die Vier kurz darauf an der Hafenpromenade saßen und sich von den Strapazen erholten. Vollkommen in sich gekehrt saß der Reporter in einem der Sonnenstühle und seufzte resigniert auf, während er in der Ferne die Karaboudjan Richtung Horizont fahren sah.

Die Pergamente waren nun in Sakharines Besitz und es gab nichts das er hätte dagegen tun können. Er war dem Ziel so nah gewesen. Beinahe hätten sie das Geheimnis der Einhorn gelüftet, doch seine Priorität waren nun einmal seine Freunde gewesen. Also hatte er den Falken mit den Pergamenten ziehen lassen. Am liebsten hätte er Beides gehabt; Die Pergamente und seine Freunde. Doch Sakharine hatte ihn zu einer Entscheidung gezwungen und Tim würde sich jedes Mal für Christin, Struppi und den Kapitän entscheiden.

Gedankenverloren strich er mit seinen Fingerkuppen über die weichen Unterarme seiner Liebsten, da sie hinter ihm stand und die Arme um ihn gelegt hatte. Christin hatte ihren Kopf an Seinen gelehnt und starrte gemeinsam mit Tim in Schweigen gehüllt der Karaboudjan hinterher. Ihre Nähe tat ihm in diesem Moment unendlich gut und gab ihm ein tröstliches Gefühl. An dem unglücklichen Seufzer konnte er jedoch heraushören, dass auch sie ziemlich niedergeschlagen über diese Wendung war.

„Niemand stiehlt mir mein Schiff, tausend jaulende Höllenhunde!“, fluchte der Kapitän voller Zorn, während er wütend auf die Karaboudjan zeigte. Kurz schenkte Tim dem Kapitän einen Seitenblick, ehe sich seine Augen der Karaboudjan wieder zuwandten und er beinahe schon beiläufig zu ihm meinte: „Das haben sie doch schon längst, Kapitän.“ Immerhin hatte Tim den Kapitän und dessen Tochter auf der Karaboudjan als Gefangene Sakharines kennengelernt.

„Aber nicht zwei Mal!“, bellte dieser noch erzürnter, stemmte die Hände in die Seiten und wandte sich schlussendlich zu ihm und dessen Tochter um. Der sanfte Kuss, den Christin ihm auf sein Haupt gab, ließ Tim schwach lächeln und zu ihr aufblicken. Sanftmütig sah sie ihm in die Augen und strich mit den Fingerspitzen tröstend über seine Wange. Ihre Sanftmut konnte jedoch nicht über die Traurigkeit in ihrem Blick hinwegtäuschen, was ihm beinahe das Herz zerriss. Seine Christin so mutlos zu sehen, gefiel dem Reporter ganz und gar nicht. Am liebsten hätte er sie getröstet, sie fest in seine Arme geschlossen und ihr gesagt, dass er einen Plan hatte, wie sie die Pergamente wieder an sich bringen konnten. Aber er konnte es nicht. Wie hätte er ihr Zuversicht schenken sollen, wenn er selbst keine besaß? Tim wusste in diesem Moment nicht einmal, wie sie wieder von Bagghar wegkommen sollten.

Langsam löste sich Christin von ihm, hockte sich anschließend neben den Sonnenstuhl zu Struppi und streichelte ihm liebevoll über Kopf und Rücken. Tims Iriden ruhten einen langen Augenblick auf den Beiden, wobei er die Sanftheit des Anblicks einfach nur in sich aufnahm. Struppi und Christin so lieb miteinander umgehen zu sehen war in diesem Augenblick Balsam für seine Seele und erlaubte es ihm für ein paar Lidschläge der Realität zu entfliehen.

Es war das tiefe, lange Durchatmen von Haddock, dass den Reporter ins Hier und Jetzt zurückholte. Der Kapitän versuchte sich in diesem Moment offenbar selbst zu beruhigen. Tim fing anschließend dessen Blick ein und stellte fest, dass dieser sehr erwartungsvoll war. „Nun Tim, was gedenken Sie zu tun? Wie sieht der Plan aus?“ Plan? Der Kapitän hatte augenscheinlich großes Vertrauen in Tims Erfindungsreichtum, was ihn durchaus schmeichelte. Allerdings musste er ihn schwer enttäuschen, denn er hatte keinen Plan parat. Bedauernd dreinblickend strich sich Tim über den Kopf und schüttelte diesen anschließend leicht. „Es tut mir leid, aber ich habe keinen Plan.“ In diesem Fall wollte ihm einfach nichts Gescheites einfallen, dass auch nur irgendwie hilfreich sein könnte. Und das, wo er doch sonst immer für alles eine Lösung besaß. Dieses Mal schien ihn die Muse ebenfalls verlassen zu haben.

Ungläubig sah Haddock nun über die Schulter zu ihm und neigte den Kopf leicht zur Seite. „Wie? Ach was, Sie haben doch immer einen Plan.“ Mit einem ruhigen Blick sah Tim zu dem Kapitän. Gerne hätte er ihm gesagt, dass er einen Geistesblitz hätte und er nun genau wüsste was nun zu tun sei, doch dem war einfach nicht so. „Nein, dieses Mal nicht.“ Tief atmete der Reporter aus und sah nun trübsinniger zum Meer. „Sakharine hat die Pergamente, diese führen ihn geradewegs zum Schatz und dieser könnte überall auf der Welt sein. Es ist also vorbei.“, erklärte Tim sachlich und blickte dabei Richtung Horizont, an dem das Schiff immer kleiner wurde. Ein wenig zuckte dieser jedoch zusammen, als ein etwas vorwurfsvolles ‚Tim.‘ von Christin kam. Auch der Kapitän schüttelte unwirsch dreinblickend den Kopf und meinte fast schon herausfordernd zu ihm: „Ach und ich dachte Sie wären ein Optimist.“ Langsam erhob sich Tim aus den Sonnenstuhl, ging mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf den Kapitän zu und antwortete ihm ehrlich: „Tut mir leid Sie zu enttäuschen, aber ich bin ein Realist.“ Mit verschränkten Armen vor der Brust und abschätzigen Blick sah Haddock ihn an. „Pff, das ist doch nur ein anderes Wort für ‚Drückeberger‘.“

Mit einer Schulter zuckte Tim auf diese Worte hin und sah ernst in Haddocks Augen. „Sie können mich nennen, wie es Ihnen beliebt. Aber verstehen Sie doch, Kapitän. Wir haben versagt.“

In diesem Moment entglitten dem Kapitän die Gesichtszüge. Nur einen Herzschlag später begann er voller Selbstsicherheit dem Reporter einen Vortrag zum Thema ‚Versagen‘ zu halten. Ob Tim das nun wollte oder nicht. „Es wird immer jemanden geben, der Sie für einen Versager oder Verlierer hält. Aber niemals dürfen Sie das selbst von sich denken, Tim. Sie senden das falsche Signal und das ist es was bei den Leuten ankommt. Wenn Sie vor einer Mauer stehen, dann dürfen Sie nicht umdrehen und gehen, sondern müssen durch sie hindurch preschen.“ Der Blick des Kapitäns wurde nun milder, ehe er sich abwandte und der Karaboudjan wieder hinterher sah. „Sie müssen noch sehr viel lernen, was das Thema ‚Versagen‘ angeht, Herr Tim.“

Ein wenig überrascht war der Reporter über diesen Vortrag schon. Er hätte dem Kapitän niemals zu getraut, dass er solch weise Dinge äußern könnte. Immerhin traf er selbst nie die besten Entscheidungen oder setzte diese Worte für sich selbst in die Tat um. Offenbar gehörte Haddock zu den Menschen, die anderen gute Ratschläge und Weisheiten mit dem auf dem Weg geben konnte, aber nicht in der Lage war diese für sich selbst anzuwenden. Abgesehen davon stand ihm dabei auch seine cholerische und impulsive Art ein wenig im Weg.

Im Anschluss tauschte Tim einen Blick mit Christin und stellte dabei fest, dass auch diese ebenfalls verwundert über diesen Vortrag schien. Doch schon einen Wimpernschlag später erhob sie sich mit nachdenklich gerunzelter Stirn. Mit Struppi im Arm trat sie auf ihren Vater zu und forderte im liebevollen Ton von ihm: „Sag das bitte nochmal, Papa.“

Inbrünstig wiederholte der Kapitän seine Worte für seine Tochter und sah dabei wieder voller Selbstsicherheit drein. „Wenn du vor einer Mauer stehst, dann dreh nicht um. Sondern presch hindurch.“ Christin schüttelte daraufhin jedoch den Kopf, was Tim ein Licht aufgehen ließ. Er begriff worauf seine Liebste hinaus wollte und ging nachdenkend an den Beiden vorbei an den Rand des Docks. „Nein, nein, Kapitän. Sie sagten etwas über das Senden eines Signals.“ Tief atmete er die frische Meeresbrise ein und hatte kurz darauf den entscheidenden Geistesblitz.

Freudig klatschte er in die Hände und wandte sich strahlend Christin, Struppi und Haddock zu. „Ich sandte von der Karaboudjan ein Signal an Interpol.“ Der Kapitän deutete hinter Tim und hob eine Braue. „Ah, da kommt Interpol auch schon.“ Verdutzt sah der Reporter hinter sich und sah Schultze und Schulze winkend und nach Tim rufend zu ihnen eilen. Sein Lächeln wurde noch strahlender, da der Plan sich in seinen Gedanken mehr und mehr festigte.

„Großartig. Das Signal und die Schultzes werden uns helfen herauszufinden wann und wo die Karaboudjan eintreffen wird.“, gab Tim freudig von sich und schöpfte aus dieser Tatsache endlich wieder neuen Mut.

Fröhlich fiel Christin ihrem Freund in die Arme, wobei sie glücklich auflachte. „Natürlich! Oh Tim, du bist der Beste! Durch diese Informationen können wir sogar noch vor Sakharine an Ort und Stelle sein.“ Ihre Augen leuchteten voller Enthusiasmus und auch seine funkelten regelrecht, als er sie um die Taille herum in seinen Armen hielt und ihr eifrig zu nickte.

Tim gestattete es ihr nur zu gern ihn kurz darauf euphorisch zu küssen, während Struppi freudig bellend um sie herumsprang und der Kapitän mit neuer Hoffnung laut lachen musste.
 

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Des Rätsels Lösung


 

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Zuhause hatten Tim und seine Freunde sowie die Schultzes und auch die Polizei Sakharine eine raffinierte Falle am Hafen gestellt. Er sollte von Nestor, seinem Butler, wie üblich abgeholt werden und in seinen Wagen steigen, doch ein Kran würde diesen anheben und genau zu Tim und der Polizei auf das Dach einer der Lagerhallen hieven. So wollten sie Sakharine dingfest machen.

Haddock saß am Steuer des Krans und betätigte ihn souverän, während Tim von seiner Position aus beobachtete wie Sakharine sich in Sicherheit fühlend im Auto niederließ. Kaum war die Tür zu, hob Haddock den Wagen an und beförderte ihn zum Dach. Nach seinen Lakaien, Tom und Alan, schreiend versuchte Sakharine Hilfe von diesen anzufordern.

Zu ihrem aller Bedauern war dieser Ganove wahrlich gewiefter als sie gedacht hatten, denn anstatt auf dem Rücksitz seinem Schicksal zu begegnen, hatte sich Sakharine auf den Vordersitz begeben. Als die Schultzes und Tim die hintere Tür öffneten und auf den Rücksitz sahen, setzte dieser sich mit einer Pistole auf die Polizei, Tim und die Schultzes gerichtet auf. Dadurch war dieser nun im Vorteil und hatte durch die Pistole alle im Griff. Kein Polizist traute sich seine Waffe zu ziehen, da Sakharine nicht gerade den Anschein machte, als würde er nur bluffen.

Tims Augen waren düster auf den Ganoven gerichtet, der sie vom Fahrersitz aus mit der Pistole in Schacht hielt. Er hätte es ahnen müssen, dass er sich versuchen würde einen Vorteil zu verschaffen. Wie naiv sie doch alle gewesen waren. Aussteigen tat Sakharine dennoch nicht und Tim begann sich zu fragen warum. Doch eine Antwort sollte er nie auf seine Gedankengänge erhalten. Denn mit einem Mal wankte der Kran und begann sich wieder in Bewegung zu setzen, wobei das Auto ziemlich heftig ins Schleudern kam. Alarmiert sah Tim zum Kran empor und erkannte im Schein der Lampe des Führerhauses, dass jemand versuchte den Kapitän zu überwältigen.

Ohne zu zögern, setzte sich der Reporter in Bewegung, rannte die äußere Eisentreppe der Lagerhalle hinunter und hoffte noch rechtzeitig zum Kapitän zu gelangen. Sein Ziel sollte er jedoch niemals erreichen, da plötzlich Tom vor ihm stand, die Faust in seine Handinnenfläche schlug und gehässig grinsend von sich gab: „Jetzt bist du fällig, Kleiner.“ Zerknirscht sah Tim diesen an und machte sich auf ein Duell Mann gegen Mann gefasst. Ein dumpfer, metallähnlicher Schlag erfüllte die lauwarme Luft, woraufhin Tim verwundert zusah, wie Tom in sich zusammensank und bewusstlos am Boden liegen blieb. Seine Iriden wandten sich der Person zu, die hinter Tom zum Vorschein gekommen war. Es war Christin, die diesem eins mit einem Kohleeimer übergezogen hatte. „Was würdest du nur ohne mich machen?“ Ihre Stimme klang neckisch und ein Schmunzeln zierte ihre vollen Lippen, woraufhin auch Tim ein wenig grinseln musste. Diese Frau war einfach sagenhaft und schaffte es ihn immer wieder zu begeistern.

Rasch stieg er nun über Tom hinweg und hörte den Wagen keine zehn Meter von ihnen entfernt auf den Boden schlagen. Die Halterung des Krans hatte sich gelöst und war samt der Last hinabgestürzt. Eilig rannten Tim und Christin daraufhin zu dem Auto und spähten ins Innere. Zu Tims Überraschung war Sakharine nicht mehr hier, woraufhin die Stimme seiner Liebsten an sein Ohr drang: „Dieser Schuft muss irgendwo da oben sein.“ Auf ihre Worte hin sah er hinauf zu dem Kran und sah aus dem Augenwinkel eine in bordeauxrot gekleidete Gestalt über das Dach der Lagerhalle huschen. Tim wandte sich mit ruhigem Blick um und konnte gerade noch sehen wie Sakharine auf die Treppe des zweiten Krans sprang und diese hinaufstieg. Seine Augen gingen zwischen den zwei Hafenkränen hin und her, wobei er erleichtert feststellte, dass der Kapitän wohl auf und bereits wieder an den Hebeln des Krans zugange war. Was hatte er allerdings vor? Das Auto lag am Boden und seine Aufgabe war damit im Grunde erfüllt.

Entsetzt weiteten sich Tims Augen, als ihm bewusstwurde was hier gleich geschehen würde. Beide Kräne fuhren nämlich aufeinander zu und begannen mit ihren Armen auszuholen. „Weg hier!“, rief Tim seiner Freundin zu, griff geistesgegenwärtig nach ihrer Hand und zerrte sie unsanft hinter sich her. Schutz suchte er für den Augenblick zwischen zwei Lagerhallen, wobei er sie fest in seinen Armen hielt und diese sich an ihn drängte. Glassplitter und Metallteile wirbelten durch die Luft, als sich die Kräne einen erbitterten schwertähnlichen Kampf lieferten.

„Wir müssen hier verschwinden, Tim.“ Christins besorgte Stimme drang zu ihm durch, während er fassungslos dem Schauspiel zugesehen hatte. Der Hass von Sakharine schien unendlich tief zu sitzen, denn er prügelte mit dem Kranarm immer wieder wuchtig gegen das Führerhäuschen. Angst stieg in dem Reporter auf und er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es dem Kapitän trotz allem gut ging.

Es war nun Christin, die sich von ihm löste, seine Hand in Ihre nahm und ihn bei dieser aus dem Versteck herauszerrte. Schnellen Schrittes und den umherliegenden Trümmern geschickt ausweichend liefen die Beiden vom Ort des Geschehens weg. Rasch fand Tim seine Konzentration wieder und übernahm anschließend wieder die Führung. Er zog seine Liebste mit sich und wollte sie Beide gerade so schnell es ging in Sicherheit bringen, als er unheilverkündende Geräusche hinter sich hörte. Abrupt blieben die Beiden stehen, woraufhin sie sich umdrehten und zusahen, wie der Kran von Haddock umkippte und auf das Deck der Karaboudjan knallte.

„Papa!“, entfuhr es ihr voller Fassungslosigkeit, wobei sie eine Hand vor den Mund schlug und mit angsterfüllten Augen zu dem Unglück sah. „Komm, wir müssen zu ihm.“ Tim konnte Haddock in diesem Moment nicht zurücklassen und Christin schien derselben Ansicht zu sein, da sie ihm auf seine Worte nur ein knappes Nicken schenkte. So schnell ihre Füße es zuließen rannten sie zu der Karaboudjan und strebten ins Innere. Hier übernahm wieder Christin die Führung, da sie das Schiff wie ihre Westentasche kannte. Es dauerte daher auch nicht lange, bis sie auf dem Deck ankamen und ihren Vater zusammen mit Sakharine erblickten.

Dieser Schuft hatte tatsächlich vor die Pergamente zu verbrennen, so dicht wie er das Feuerzeug unter diese hielt. „Das darf er nicht. Wenn er sie zerstört, dann war alles umsonst.“ Zustimmend nickte Tim auf Christins Aussage hin, blickte sich an Deck um und versuchte fieberhaft etwas zu finden, dass ihm eine Möglichkeit bot, Sakharine die Pergamente abzunehmen. Er betrachtete einen Moment lang den Kran von Sakharine, der noch ein wenig in Takt war, auch wenn der Arm gelitten hatte. Doch das war gut so. Er hatte somit die perfekte Höhe. Tim sah berechnend zu ihm, machte den Haken aus und stellte zufrieden fest, dass der Arm in einem Winkel über Haddock und Sakharine hinweg führte, der ihm sehr dienlich sein würde. „Du wartest hier.“ Mehr sagte er nicht zu Christin, sondern ließ ihre Hand los und rannte hinüber zu dem Kran. Rasch kletterte er das Metallgerüst von Haddocks Kranarm hoch und sprang mit Schwung gegen den Haken des anderen. Mit seinem Eigengewicht setzte er diesen mit Leichtigkeit in Bewegung. Dank der ramponierten Halterung war es auch sehr einfach nun geschwind hinabzusausen und auf Sakharine zuzuhalten. Dieser durfte sich jetzt nur nicht bewegen, denn Tim hatte nur diesen einen Versuch.

Entschlossen streckte der Reporter seine Hand aus, griff zu und entriss erfolgreich Sakharine die Pergamente. Geschickt landete Tim auf seinen Füßen, ließ den Haken los und wandte sich mit einem siegessicheren Blick Haddock und Sakharine zu. Das fröhliche Jubeln seiner Freundin drang an seine Ohren, während Sakharine perplex zu Tim sah und offenbar gar nicht fassen konnte, dass er ihm die Schriftstücke abgeluchst hatte. „Tausend jaulende Höllenhunde. Niemand stiehlt mein Schiff.“, waren des Kapitäns feierliche Worte, ehe er Sakharine einen kräftigen Kinnhaken verpasste und dieser durch die Wucht des Schlags zur beschädigten Reling taumelte. Neuerlich verpasste Haddock ihm einen Kinnhaken und beförderte ihn somit ins Hafenbecken.

Fröhlich lachend stand der Kapitän nun da, stemmte die Hände in die Seiten und war sichtlich glücklich. Zufrieden sah Tim zu den Pergamenten in seiner Hand, atmete erleichtert auf und verstaute diese anschließend in seiner Brieftasche, ehe er auch diese wieder in seine Hosentasche gleiten ließ. Es hatte sich nun alles zum Guten gewendet und er würde aus diesem langwierigen, gefährlichen Abenteuer einen tollen Artikel machen, nachdem sich die Leser die Finger lecken würden.

Sein Blick hob sich in dem Augenblick, als er das Weinrot von Christins Kleid näherkommen sah. Überglücklich warf sie sich Tim in die Arme, lachte herzlich und schmiegte sich an ihn. „Wir haben es geschafft!“ Auf ihre Worte hin musste auch Tim glücklich auflachen, ehe er einen zustimmenden Laut von sich gab. Nur einen Wimpernschlag später drückte Christin ihm einen überschwänglichen Kuss auf die Lippen, den Tim nur zu gern erwiderte. Liebevoll hielt er sie dabei in seinen Armen und gab sich für einen Moment mit ihr dem herrlichen Kuss hin.

Erst das Bellen von Struppi ließ die Beiden den Kuss lösen. Lachend sah Tim nun zu seinem treuen Hund, ehe er sich von seiner Liebsten löste und diesen in seine Arme schloss. Auch Haddock kam zu den Beiden gelaufen und ließ sich nur zu gern von seiner Tochter fröhlich umarmen.
 

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Die Schultzes hatten Sakharine in Gewahrsam genommen, ebenso die ehemalige Crew von Haddock. Sie würden bald schon ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, dass hatten die Schultzes Tim versichert. Auch Haddock und Christin waren darüber sehr zufrieden gewesen, da diese Menschen ihnen das Leben in den letzten Tagen sehr, sehr schwer gemacht hatten. Und das, wo sie doch über so viele Jahre ein eingeschworenes Team gewesen waren. Ein trauriger wie erleichternder Moment für die Beiden, bei dem Tim ihnen nur sein Mitgefühl aussprechen konnte.

Der Morgen graute bereits und die aufgehende Sonne begann den heimatlichen Hafen nach und nach in ihr warmes, gleißendes Licht zu tauchen. Gelb, blau und orange mischten sich harmonisch am Firmament, während die Strahlen das Wasser glitzern ließen. Seine Christin bei den Hüften haltend und ihren Kopf auf seiner Schulter spürend sah er mit ihr gemeinsam zum malerischen Sonnenaufgang. Es war wie der Neustart in ein neues Leben. Sowohl für Tim und Struppi als auch für Christin und ihren Vater. Ihre weichen Arme hatte sie liebend um seine Schultern gelegt, wobei sie mit ihren zarten Fingern verliebt über seinen Nacken streichelte. Dies genoss Tim ungemein und seufzte dabei sogar wohlig auf.

„Jetzt können wir uns an das Geheimnis der Pergamente machen. Und das ganz in Ruhe.“ Die säuselnde Stimme seiner Liebsten ließ Tim aus seinen Gedanken erwachen. Für den Moment hatte er einfach nur die Nähe Christins genossen und sich etwas Ruhe von der Aufregung der letzten Tage gegönnt. Nun furchte er jedoch die Stirn, als sie die Pergamente erwähnte.

„Da fällt mir was ein.“ Seine Hand zog er sogleich von ihrer Hüfte weg und ließ sie in seine Gesäßtasche gleiten, aus der er seine Brieftasche holte. Verwundert sah Christin zu ihm auf, da sie seinen Gedankengang definitiv nicht nachvollziehen konnte. Wie hätte sie auch? Sie hatte nicht dasselbe gesehen wie er, als er den Falken an den Beinen festgehalten hatte. „Hol bitte deinen Vater. Ich muss euch etwas zeigen.“ Seine blauen Iriden ruhten für einige Herzschläge lang eindringlich auf ihrem Braun, woraufhin sie nun die Stirn in Falten legte. Kurz darauf nickte sie schweigend und löste sich, wenn auch widerwillig, von Tim.

Einen kurzen Moment sah er Christin hinterher und ließ seine Augen über ihre hübsche Kehrseite gleiten. Ihre Hüften schwangen anmutig von einer Seite zur anderen, während Rock und Haar sich gleichsam im Takt ihres Schrittes wogen. Unweigerlich keimte in ihm das Verlangen sie wieder in seine Arme zuziehen und seine Hände erkundend über ihren Leib streicheln zu lassen. Schmetterlinge bescherten ihm in seiner Bauchgegend ein herrliches Kribbeln, während ein prickelnder Schauer über seinen Rücken floss. Tim konnte es kaum erwarten dieses Abenteuer zu einem würdigen Abschluss zu bringen und endlich mit seiner Christin Zeit zu weit zu verbringen. Zu dritt, um genauer zu sein. Struppi durfte nicht vergessen werden.

Der Reporter wandte seinen Blick seiner Brieftasche wieder zu. Anschließend friemelte er die drei Pergamente hervor und steckte sein Portemonnaie wieder ein. Für einen langen Moment ruhten seine Augen auf diesen und er erinnerte sich genau an die versteckten Zahlen. Was diese wohl zu bedeuten hatten? Waren das vielleicht Koordinaten, die zu dem Schatz führten? Oder war es die Nummer eines Schließfaches bei einer Bank? Seine Gedanken begannen zu rotieren, während er die Schriftstücke einfach nur stoisch anstarrte.

„Was gibt es denn, kleiner Maat?“ Die neugierige Frage des Kapitäns ließ Tim aus seinen Gedanken hochschrecken, ehe er sich zu ihm und dessen Tochter umwandte. Dennoch begann der Reporter zu lächeln, hob die Hand mit den Pergamenten und antwortete feierlich: „Das Geheimnis der Einhorn ist so gut wie gelüftet.“ Mit einem interessierten Blick sah Haddock zu ihm und ließ sich kurz darauf von Tim heranwinken. Auch Christin trat neugierig näher, woraufhin Tim die Beiden rechts und links neben sich zu stehen hatte. „Schaut euch das an.“ So hob er die Pergamente gen Himmel und hielt diese dabei der Sonne entgegen. Die Markierungen wurden eins und brachten wieder die versteckten Zahlen zum Vorschein, welche er nun eingehender studierte.

„Oh mein…“, entfuhr es Christin ganz verblüfft, woraufhin Tim fragend aus dem Augenwinkel zu ihr linste. Ihre braunen Augen funkelten vor Faszination und ein wissender Blick zeichnete sich auf ihren Gesichtszügen ab. Offenbar wusste sie genau, was die Drei hier vor sich hatten. Etwas das ihn erstaunte, denn er selbst hatte bisher keine Erleuchtung gehabt. „Papa, das sind doch-“

Ein zustimmendes Brummen erklang sogleich aus Haddocks Kehle. „Längen- und Breitengrade, ja.“, antwortete der Kapitän noch bevor Christin ihre Frage hätte stellen können. Auch diesen bedachte Tim einige Lidschläge lang erstaunt aus dem Augenwinkel und sah wie dieser fröhlich übers ganze Gesicht zu strahlen begann. Unweigerlich begann nun auch Tim zu lächeln und sah wieder auf die Nummern. Es waren also Längen- und Breitengrade. So etwas hatte der Reporter bereits geahnt, denn viele Möglichkeiten gab es nicht, was diese hätten bedeuten können. „Jetzt müssen wir nur noch die genaue Position bestimmen.“ Haddocks Stimme war voller Tatendrang, woraufhin Christin den Blick zu ihrem Vater wandte und ihm mit einem zustimmenden Laut beipflichtete. Auch Tim nickte auf diese Aussage hin, sah dem Kapitän in die Augen und meinte schmunzelnd zu ihm: „Das überlasse ich ganz Ihnen.“ Immerhin war er der erfahrene Seemann und Tim war sich nur zu sicher, dass er sie zum Schatz von Ritter Franz bringen würde. „Ihr Beide könnt euch ganz auf mich verlassen.“

Der Kapitän ließ seine Brust stolz anschwellen und lachte dabei voller Glückseligkeit, ehe er Tim freundschaftlich umarmte. „Ohne Sie, mein Junge, hätten wir das niemals geschafft.“ Gerne ließ sich Tim in diese herzliche Umarmung ziehen und erwiderte diese ebenfalls. Es machte ihn doch sehr verlegen so viel Lob von dem Kapitän zubekommen, denn im Grunde hatte Tim nur wie immer seinem Spürsinn gefolgt. Natürlich erst nachdem er in eine missliche Lage geraten war.

Kaum hatte Haddock ihn losgelassen, zog Christin ihren Liebsten ihn ihre Arme und küsste liebevoll seine Lippen. „Ich danke dir, mein Herz.“ Neuerlich küsste sie ihn, woraufhin er den Kuss innig erwiderte und sie dabei fest in seine Arme schloss. So viel Dank und Lob war Tim zwar gewohnt, doch noch nie hatte es ihm so viel bedeutet wie von Christin und ihrem Vater.

Das Abenteuer hatte ihm Nerven gekostet, schien oft aussichtslos und doch hatte er auf diesem so viel mehr erreicht als nur eine tolle Geschichte für einen Artikel zu ergattern. Er hatte hierbei die Liebe seines Lebens gefunden und eine Familie dazu bekommen. Noch nie war Tim so dankbar gewesen in ein gefährliches Abenteuer geschlittert zu sein, wie in diesem Moment.
 

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Schloss Mühlenhof


 

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Noch am selben Tag wollten die Drei herausfinden, wohin die Koordinaten sie führen würden. Also hatten sie sich gemeinsam zu Tims Wohnung in der Labradorstraße 26 begeben. Dort hatte Tim sich die Freiheit genommen eine ausgiebige Dusche zu nehmen. Dadurch, dass die Wohnung der Beiden im nördlichen Außenbezirk lag, während Tims zuhause sehr zentral und nah am Hafen gelegen war, war es einfacher gewesen direkt zu ihm aufzubrechen. Immerhin wollte jeder von ihnen schnellstmöglich wissen, wohin die Koordinaten sie führen würden.
 

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Während Christin in einem von Tims roten Sessel vor dem leeren Kamin saß und durch das weiche Fell Struppis streichelte, berechnete Haddock hingegen die exakte Position des Schatzes und murmelte dabei immer wieder ‚Das kann doch nicht stimmen.‘ vor sich hin.

„Nun, Kapitän? Wohin führen uns die Längen- und Breitengrade?“, erkundigte sich Tim, als dieser aus seinem Schlafzimmer trat und gerade seine gelbe Weste über dem weißen Hemd zuknöpfte. Sein Haar war noch etwas feucht, doch sein Pony begann bereits wieder seine natürliche Form anzunehmen. Interessiert blickte er den Kapitän an, neigte den Kopf zur Seite und sah auf das Notizblöckchen, auf dem mehrmals derselbe Ort geschrieben stand. „Schloss Mühlenhof? Also liegt der Schatz nicht im Meer?“ Der Kapitän schüttelte den Kopf und deutete mit dem Finger auf ihre Heimat, ehe er diesen ein kleines Stück aus der Stadt hinausgleiten ließ. „Nach mehrmaligem Nachprüfen steht fest, dass die Koordinaten uns tatsächlich dorthin führen.“

Christin drehte ihren Kopf nun in die Richtung der Beiden, streichelte weiterhin Struppi durchs Fell und erkundigte sich bei ihrem Vater: „Mühlenhof gehörte doch mal Urgroßvater, oder?“ Tims Blick richtete sich auf seine Liebste und auf seinen treuen Hund, mit dem er gerade nur zu gern den Platz getauscht hätte. Zugern hätte er seinen Kopf auf ihren warmen Schoß gebetet und sich so liebevoll durchs Haar streichen lassen. Seine Sehnsucht nach Zeit allein mit ihr wuchs stetig an und das Verlangen danach ihren schönen Körper mit seinen Lippen und Fingern zu erkunden keimte neuerlich in ihm auf. Tim rief sich daher in Gedanken zur Ordnung und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch. „Als ich vor einigen Tagen dort war, fiel mir das Wappen Ihrer Familie über der Haustür auf, Kapitän. Es muss also seine Richtigkeit haben, dass die Koordinaten uns dorthin führen. Wir sollten zumindest hinfahren und uns einen Überblick verschaffen.“

Der Kapitän sah von der Landkarte auf, legte den Kopf etwas zur Seite und nickte schlussendlich bedächtig. „Ja, das sollten wir wirklich machen.“ Tim lächelte ihn zuversichtlich an, nahm die Enden seiner Krawatte in die Hände und wollte sie gerade anfangen zu binden. „Wir können gerne direkt los.“, sagte Tim in die Runde und hatte für den Augenblick nur Augen für seine Handgriffe.

Mit Struppi im Arm hatte Christin sich aus dem Sessel erhoben und war auf die Beiden am Esstisch, der unter dem Fenster im Wohnzimmer seinen Platz hatte, zugegangen. Tim hatte dies im Augenwinkel registriert und hielt in seinem Tun inne, als seine Freundin neben ihm zum Stehen kam. „Dann sollten wir keine weitere Zeit vertrödeln.“, waren ihre aufrichtigen Worte gewesen, während sie dabei warmherzig in Tims Iriden schaute. Zustimmend nickte er auf ihre Aussage hin und auch Haddock brummte daraufhin beipflichtend, während Christin ihn kurz musterte. Unweigerlich straffte sich Tim dabei und genoss es obendrein von ihr so in Augenschein genommen zu werden. Sein Körper kribbelte dabei angenehm und er fühlte, wie ein warmer Schauer über seinen Rücken floss.

Tims Blick ruhte unentwegt auf Christin, wobei er völlig vergaß seine Krawatte weiterzubinden. Langsam hockte sich Christin hin und entließ Struppi sanft aus ihren Armen, ehe sie sich wiederaufrichtete und Tim die beiden Enden seiner schwarzen Krawatte sachte aus den Händen nahm. Gerne ließ er es geschehen und fühlte, wie ihm das Herz bis zum Halse schlug, während Schmetterlinge in seinem Bauch verliebt mit den Flügeln schlugen. Sorgsam begann sie ihm diese zu binden, wobei er sie mit einem liebevollen Gesichtsausdruck bedachte. Wie sehr er seine Christin doch liebte und diese kleinen, lieblichen Gesten von ihr genoss.

Ihre Handgriffe waren geschickt, weswegen die Krawatte wenige Lidschläge später gebunden war. Abschließend drückte sie Tim einen zärtlichen Kuss auf die Lippen und blickte ihn daraufhin verschmitzt lächelnd an. „So, nun können wir gehen.“ Verliebt lächelte Tim sie an, nickte zustimmend und sah anschließend zum Kapitän. Dieser hatte die Beiden bei diesem liebevollen Moment beobachtet und musste nun schmunzeln, ehe er nun feierlich zu ihnen sagte: „Dann auf ins Gefecht!“
 

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Mit Tims Wagen fuhren sie nun hinaus aus der Stadt, wobei Christin mit Struppi auf dem Rücksitz des grünen Flitzers saß und sich den Wind um die Nase wehen ließ. Struppi streckte dabei ganz begeistert seine Zunge heraus, was er bei Fahrten mit dem offenen Verdeck immer tat. Tim fuhr dabei mit einem raschen Tempo über die Landstraße, weswegen es gar nicht lange dauerte, bis Schloss Mühlenhof in Sicht kam.

Es war ein prachtvolles Schloss im modernen Barockstil mit drei Stockwerken, einer gelblichen Fassade und dunkelblauen Dachschindeln. Der weitläufige Vorgarten sah ein wenig verwildert aus, was jedoch mit ein wenig Liebe und Hingabe zum Garten- und Landschaftsbau wieder in Ordnung zu bringen wäre. Hinter dem Schloss erstreckte sich ein großer Park mit eigenem Bach und vielen, herrlichen Wiesen sowie haushohen Bäumen. Es war ein idyllisches Plätzchen, wie Tim fand. Dennoch konnte er sich immer noch nicht vorstellen, wo sie hier den Schatz finden sollten.

Geschickt parkte Tim den Wagen nun vor dem Eingang des Schlosses, schaltete den Motor ab und sah sich dieses einen Moment lang genau an. Es hatte schon in der Nacht, als er vor einigen Tagen hier war, sehr imposant gewirkt. Jetzt am Tage besaß es sogar noch mehr Flair und diesen herrlichen, altmodischen Charme. „Und hier soll der Schatz sein?“, erklang Christins ungläubige Stimme vom Rücksitz, woraufhin Tim über die Schulter zu ihr blickte und kurz darauf mit dieser ratlos zuckte. Der Kapitän stieg anschließend aus dem Wagen und sah seine Tochter hoffnungsvoll an. „Die Koordinaten bringen uns zweifellos an diesen Ort, mein Seestern.“ Auch Tim stieg nun aus dem Wagen und hielt kurz darauf seiner Liebsten die Hand hin, um ihr aus dem Auto zu helfen. Sein Auto hatte nur zwei Türen, weswegen Christin über den umgeklappten Vordersitz steigen musste.

Ihre Hand anschließend in Seiner haltend, sah er in ihre Augen und fing ihr liebes Lächeln dabei ein. „Nun, daran könnte ich mich glatt gewöhnen.“, gab sie angetan von sich und zwinkerte Tim verschmitzt zu, womit sie seine Hilfe beim Aussteigen meinte. Charmant in ihre rehbraunen Iriden blickend hob Tim ihre Hand an seine Lippen und pflanzte einen hauchzarten Kuss auf ihren Handrücken, ehe er ihr zu raunte: „Ich habe nicht vor damit aufzuhören.“ Das war ein Versprechen an Christin, da sie für ihn die Welt bedeutete und er keinen Moment auslassen wollte ihr dies auch zu zeigen. Unweigerlich begann sie übers ganze Gesicht zu strahlen und seufzte sogar verliebt auf. Ein Anblick der Tims Herz fröhlich hüpfen ließ und ihm ein wohliges Kribbeln in seiner Bauchgegend bescherte.

„Monsieur Tim. Kapitän Haddock. Fräulein Haddock. Ich habe Sie erwartet. Willkommen auf Schloss Mühlenhof.“ Die freundliche Stimme des Butler Nestors zog die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Tims blaue Augen musterten den hochgewachsenen, älteren Mann mit den dunkelbraunen Haaren und der mächtigen Halbglatze, wobei auch sein gelbschwarz gestreiftes Jackett mit den schwarzen Ärmeln, das weiße Hemd mit der weißen Fliege, die schwarzen Schuhe und auch die pechschwarze Anzughose zu seinem Augenmerk wurden. Das letzte Mal hatten die Drei mit Nestor gesprochen, als sie den Plan austüftelten Sakharine in eine Falle zu locken.

„Guten Tag, Nestor. Schön Sie wiederzusehen.“, flötete Christin fröhlich und schenkte diesem einen warmen Blick, woraufhin auch Tim und Haddock ihn freundlich lächelnd begrüßten. Nestor war durch reinen Zufall in diese Misere mit Sakharine hineingeraten, weswegen ihm nichts vorzuwerfen war. Mit einer einladenden Geste bedeutete er den Dreien sowie Struppi das Schloss zu betreten, woraufhin diese seine Einladung gern annahmen.

Die Eingangshalle war riesig und durch die hohen Fenster über der Haustür herrlich hell. Alles war mit weißem Marmor und edelstem Mahagoniholz versehen. Eine große, breite, weiße Marmortreppe führte in den oberen Stock, von dem zwei weitere, kleinere, ebenfalls weiße Marmortreppen an den Seiten ins letzte Stockwerk führten. Zwei große Flure gingen rechts und links zu den weiteren Räumen der unteren Etage ab. „Oh, es hat sich überhaupt nicht verändert.“, lachte der Kapitän ganz begeistert auf und war, wie auch Tim und Christin über den guten Zustand des Schlosses sehr fasziniert. Nestor hatte offenbar alles dafür getan, damit es hier stets bezugsfertig war. Tim hatte über Nestor in Erfahrung bringen können, dass das Schloss bis vor dem Kauf von Sakharine im Besitz des Landes gewesen war. Nestors Familie diente der Familie Haddock schon seit so vielen Jahrzehnten und über Generationen hinweg, so dass das Land zugestimmt hatte seine Familie als Verwalter des Schlosses einzusetzen. Beim Kauf von Mühlenhof stünde Nestor daher jedem neuen Besitzer als Butler zur Verfügung.

Haddock lief, wie ein Kind an dessen Geburtstag, strahlend durch die Eingangshalle und sah dabei zu den uralten Gemälden an der Wand, auf denen die Einhorn und auch Ritter Franz von Hadoque zu sehen waren. „Ich erinnere mich an Zeiten, da bin ich hier als kleiner Steppke rumgerannt.“ Mit einem warmen Blick sah Tim zu dem Kapitän, als er diese Worte sagte und drückte sachte die Hand Christins, während diese leise lachen musste. Sein Blick heftete sich für den Moment auf sie, wobei er ihren sanftmütigen Blick ihrem Vater gegenüber bemerkte und anschließend selbst mit leuchtenden Augen in der Eingangshalle umher sah. Dieser Ort bedeutete für die Beiden so viel und Tim wünschte sich von Herzen, dass sie einiges Tages Schloss Mühlenhof wieder ihr Zuhause nennen konnten. Er war sich sicher, wenn sie den Schatz hier finden sollten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Familie Haddock wieder auf dem Schloss residierte.

„Es ist schön wieder einem Haddock dienen zu können.“, sagte der Butler schließlich aufrichtig an den Kapitän gewandt, nachdem er den Anwesenden einen Moment gab die Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Dieser schüttelte jedoch bedauernd den Kopf und konnte doch nicht aufhören vor nostalgischer Faszination zu lächeln. „Darauf können Sie lange warten, Nestor. Das kann ich mir doch nie im Leben leisten.“ Der Blick des Butlers wurde betrübter, wie Tim feststellte. Ebenso entging ihm nicht das schwere Seufzen seiner Christin, die ebenfalls wusste, wie fern diese Tatsache war.

Wieder dachte der Reporter an den Schatz und hoffte neuerlich inständig, dass sie diesen hier finden würden. Er konnte sich zwar noch immer nicht vorstellen, dass er auf Schloss Mühlenhof sein sollte, doch neugierig dies herauszufinden war er allemal. „Nun, Kapitän? Wo fangen wir an zu suchen?“ Dieser wandte sich mit fragendem Blick zu ihm und verstand nur einen Augenblick später, worauf Tim hinauswollte. Augenblicklich sah er wieder zu Nestor und wollte von ihm voller Tatendrang wissen: „Gibt es hier noch immer einen Keller?“

Der Butler nickte schmunzelnd, deutete zur Tür hinaus und neigte dabei den Kopf zur Seite. „Sicher. Ich bringe Sie dorthin.“
 

๑⊱☆⊰๑
 

Der Weg in den Keller lag hinter dem Schloss und unter der großen, hellgrauen Terrasse, von der rechts und links zwei geschwungene, ebenfalls hellgraue Marmortreppen zum Schlossgarten führten. Es dauerte nicht lang, bis sie die kleine, beinahe unscheinbare, dunkelbraune Holztür passiert hatten. Als sie die Rundtreppe hinabgestiegen waren, erstreckte sich ein großer, leerer Raum vor ihnen, der durch die kleinen, schmalen Fenster knapp unterhalb der Decke mit Licht versorgt wurde. Lediglich einige Utensilien wie Schaufeln, Harken und Besen sowie einige große Holzpfähle ließen sich hier finden. Jedoch nichts, dass auf einen Schatz hindeuten würde.

Frustriert stemmte Tim die Hände in die Seiten und schenkte Struppi sowie Nestors Rotweiler Hektor, der Wachhund auf Mühlenhof war, nicht sonderlich viel Beachtung, da diese gerade nur herumtollten. Er selbst hing seinen Gedanken hinterher und überlegte, ob es nicht vielleicht auch einen Dachboden gab. Oder einen versteckten Raum, den man über einen Geheimgang erreichte. Zu Ritter Franz‘ Zeiten waren solche Geheimgänge noch relativ modern.

„Nicht dieser Keller. Ich mein den anderen Keller.“, sagte Haddock ein wenig unzufrieden, als auch dieser feststellte, dass es hier keinen Anhaltspunkt für einen Schatz gab. Nestor jedoch zuckte mit den Schultern und schüttelte entschuldigend dreinblickend mit dem Kopf. „Tut mir, aber es gibt keinen anderen Keller.“ Der Kapitän jedoch verschränkte die Arme vor der Brust, strich sich nachdenklich mit den Fingern durch seinen Vollbart und entgegnete: „Das kann nicht sein. Ich erinnere mich an einen viel größeren Keller mit jede Menge Plunder darin.“ Tims Augen hatten sich stoisch auf den Mauerfußboden gerichtet, während er Haddock und Nestor nur beiläufig zuhörte. Seine Gedanken rotierten fieberhaft, während er darüber nachsann, wo Ritter Franz in Mühlenhof den Schatz versteckt haben könnte. Das Anwesen war riesig und hätte im schlimmsten Fall mehrere Monate bedurft, um es zu durchsuchen.

„Struppi? Wo bist du, Schnäuzelchen?“ Nur dumpf drang die Stimme Christins zu Tim durch, die seinen treuen Fox Terrier in dem leeren Raum offenbar aus den Augen verloren hatte. Kurz runzelte er über diese Möglichkeit die Stirn. Wie konnte man etwas in einem leeren Raum aus den Augen verlieren? Das ergab hinten und vorne keinen Sinn. Erst das gedämpfte Bellen von seinem Hund riss Tim endgültig aus seinen Gedanken heraus und ließ ihn sich ruckartig in dessen Richtung umdrehen. „Da bist du ja, Struppichen. Aber…“ Den perplexen Blick seiner Freundin teilte Tim sogleich, als er sah, dass Struppi durch ein kleines Loch in der Mauer in einen Nebenraum zu ihnen blickte.

Seine Augen weiteten sich erkennend, als ihm bewusstwurde, dass der Keller tatsächlich nie wirklich an Größe eingebüßt hatte. Jemand hatte nur einen Teil von diesem durch eine Mauer abgetrennt. „Kapitän. Helfen Sie mir.“, forderte er einen Wimpernschlag später in einem ruhigen Ton, als er sich den herumliegenden Holzpfählen näherte und einen davon anhob. Der Kapitän war auch sofort zur Stelle, um mitanzupacken, woraufhin sie sich vor dem Loch positionierten. Christin hatte Struppi hinaus gelockt, als ihr Vater und Tim sich daran machten die Mauer mit dem massiven Pfahl einreißen zu wollen.

Es bedurfte ein paar kräftiger Hiebe, ehe die Mauer durchbrochen war und ein ganzer Raum mit alten Gemälden, antiken Mobiliar, Ritterrüstungen, prachtvollen Spiegeln, Statuen und anderen wertvollen Gegenständen zum Vorschein kam. Ebenso hell durch das Tageslicht erleuchtet, wie der andere Keller, war auch dieser. Daher konnte man alles ganz ohne Taschenlampe erkennen, wofür Tim sehr dankbar war.

„Großvater muss den Teil zugemauert haben, als er Mühlenhof verlor.“, mutmaße der Kapitän, als er sich in dem Raum mit erstauntem Blick umsah, doch Tim hatte dafür gerade keine Gedanken übrig. Sein Hauptaugenmerk fiel in diesem Moment nämlich auf die Statue von St. Johannes. „Und das Licht wird leuchten des Adlers Kreuz.“, rezitierte er das Gedicht der Pergamente ein wenig atemlos und ging schnurstracks auf die Statue zu. Fasziniert sah Tim diese für einige Herzschläge lang an, während er das Gedicht noch einmal in Gänze in seinen Gedanken wiederholte. „Nun, ich sehe das Kreuz. Aber wo ist der Adler?“ Als der Kapitän mit seiner Tochter nähergekommen war, hatte der Reporter seinen Blick schließlich den Beiden zugewandt.

Gerade wollte er auf die Frage von Haddock antworten, als ihm seine Liebste zuvorkam. „Er ist der Adler, Papa.“ Ihre Augen leuchteten von der Erkenntnis erfüllt und ihre Gesichtszüge spiegelten Hoffnung wider, während der Kapitän seine Tochter nur fragend betrachtete. Diese sah ihren Vater nun an und lächelte nur noch mehr, als sie den ratlosen Blick ihres Vaters bemerkte. So deutete sie mit der Hand auf die Statue und erklärte ihm: „St. Johannes wird auch der Adler von Patmos genannt.“ Nun weiteten sich auch Haddocks hellblaue Augen vor Erstaunen, woraufhin er zu der Statue blickte und diese gründlich in Augenschein nahm. Tims eigene Faszination galt in diesem Moment weniger St. Johannes, sondern eher Christin. Noch immer war er ganz angetan davon, dass sie einen so scharfen Verstand hatte und ihm im Punkt Bildung offenbar in nichts nachstand. Für einige Herzschläge konnte Tim gar nicht anders als sie schwärmend zu betrachten.

Liebevoll sah er in ihr Puppengesicht, als sie mit einem neugierigen Blick näher zu ihm trat. „Was denkst du, Tim? Was will uns St. Johannes sagen?“ Auf ihre Aussage hin rief sich Tim in Gedanken zur Ordnung und schaute wieder zur Statue empor. Leicht zuckte er mit den Schultern und beobachtete kurz nachdenklich Haddock, der sich dem Globus aus Stein genähert hatte, der unter St. Johannes stand. „Ich weiß es nicht, Christin. Hier enden die Hinweise des Gedichts.“ Ein unzufriedenes Schnauben entfloh seiner Liebsten, die ihrer Frustration darüber Luft verschaffte, während Tim diese nicht zur Schau trug. Irgendetwas übersah er. Nur was?

„Ha! Die kleine Insel hier existiert gar nicht.“ Mit gefurchter Stirn sah Tim zu Christins Vater und neigte den Kopf etwas zur Seite. Kurz tauschte er mit ihr einen Blick und ging anschließend mit ihr zu Haddock und dem Globus hinüber. „Wie meinen Sie das?“, wollte der Reporter interessiert wissen und blickte auf den Globus, der für ihn ganz gewöhnlich aussah. Allerdings war er auch kein Seemann und hatte daher keine Ahnung von den genauen Positionen der verschiedenen Inseln, die rings um die Kontinente verstreut lagen.

Der Kapitän deutete auf eine sehr kleine Insel inmitten einer größeren Inselgruppe, während er schmunzelnd sagte: „Diese kleine Insel hier gibt es überhaupt nicht. Das ist ein Fehler.“

Mit einem Mal fiel es Tim wie Schuppen von den Augen. Deswegen musste es ein echter Haddock sein, der das Rätsel löste. Endlich begriff Tim das Ganze und begann fröhlich zu lachen. „Was ist, wenn nicht, Kapitän?“ Augenblicklich hefteten sich Haddocks und Christins Augen auf ihn, woraufhin er Beide zu gleichen Teilen anlächelte. „Ritter Franz sprach davon, dass nur ein echter Haddock das Geheimnis der Einhorn lösen kann. Jemand, der die sieben Weltmeere wie seine Westentasche kennt.“ Deutlich konnte er sehen, wie seine Worte Eindruck schindeten und der Kapitän mit ernster Miene auf die kleine Insel hinabsah.

Einige Lidschläge verstrichen und dennoch sah er die Insel einfach nur an. Es war seine Tochter, die ihn ermunternd mit der Schulter gegen die Seine stupste und schmunzelnd zu ihm sagte: „Na los, Papa. Drück schon drauf.“ Christin mit einem warmen Gesichtsausdruck bedenkend, nickte Haddock ihr schließlich zu. Deutlich war ein Schnaufen des Globus‘ zuhören, ehe seine Kuppel geradezu aufsprang und den Anwesenden beinahe gegen die Köpfe geschlagen hätte. Der jahrzehntealte Staub legte sich rasch, woraufhin alle Drei nun neugierig ins Innere des Globus blickten. Voller Überwältigung schlug Christin die Hand vor den Mund und auch Haddock gab ein verblüfftes ‚Hagel und Granaten‘ von sich. Tims Iriden hatten sich erstaunt geweitet, als er auf die vielen Goldstücke und Juwelen, aufbewahrt in einem Hut, im Inneren des Globus sah. Das war er. Das war der große Schatz von Ritter Franz von Hadoque.

Ehrfürchtig nahm der Kapitän ein paar Juwelen und Goldstücke in die Hand, ehe er diese zurück in den Globus rieseln ließ. Überglücklich lachte er auf, woraufhin Christin miteinstimmte und sich mit ihrem Vater in die Arme fiel. Freudiges Lachen und Jubel erfüllte den Raum, woraufhin Struppi und Hektor ebenfalls begeistert bellend einstimmten. Tim besah sich die Beiden und freute sich sehr für den Kapitän und dessen Tochter. Das Geheimnis war gelüftet und bald schon würde Schloss Mühlenhof wieder von den Haddocks bewohnt werden.

Haddock entließ seine Tochter wieder aus den Armen und klopfte Tim freundschaftlich die Schulter, woraufhin dieser ihn warmherzig anlachte. „Endlich. Wir haben es geschafft.“ Zustimmend nickte Tim und beobachtete kurz darauf, wie der Kapitän in den Globus griff. Dieser zog nun den Hut an der Krempe heraus, in dem der Schatz gelagert war. Anschließend kippte er die Juwelen und das Gold in eine große Messingschale neben dem Globus und betrachtete einen Moment lang den Hut seines Vorfahren. Im Anschluss setzte sich der Kapitän diesen vorsichtig auf und sah für den Augenblick genau wie Ritter Franz von Hadoque aus. Eindeutig war der Kapitän sein Nachfahre. Eine Tatsache, die ihn belustigt grinseln ließ.

„Schau mal.“ Es war Christin, die Tim aus seinen Gedanken riss und seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Irritiert furchte der Reporter die Stirn und sein Lächeln wischte sich aus dem Gesicht, als seine Freundin ihm mit ernsterem Blick eine weitere Pergamentrolle hinhielt. Für einen langen Moment sah Tim einfach nur auf das Schriftstück in ihrer Hand, ehe er in ihre rehbraunen Iriden blickte. Vorsichtig streckte er die Hand nach dem Pergament aus und nahm es an sich, woraufhin er es öffnete und einen genauen Blick darauf warf. Kaum hatte er es aufgerollt, stand Christin auch schon ganz nah bei ihm und ließ ihre Augen ebenfalls über die offengelegte Weltkarte gleiten. „Tim, das ist die Stelle, wo die Einhorn gesunken ist.“ Ihre Stimme war aufgeregt und ihre Augen leuchteten voller Abenteuerlust, als sie Tim anschließend ansah. Auch Tims Augen funkelten vor Tatendrang, während er Christin nickend zustimmte und dabei einen beipflichtenden Laut von sich gab.

„Ich hole Champagner zum Anstoßen.“, verkündete Nestor gut gelaunt und verließ im Anschluss den Keller, woraufhin die Drei mit den zwei Hunden für den Moment allein blieben. Kurzerhand zog Christin ihrem Freund das Pergament aus der Hand, versteckte es hinter ihrem Rücken und trat an ihren Vater heran, der sich gerade in einem Spiegel bewunderte. Den Hut trug er nämlich noch immer. Tim musste über seine Freundin schmunzeln, da sie es offensichtlich kaum erwarten konnte ihrem Vater davon zu erzählen. „Sag mal, Papa. Was wäre, wenn Tim und ich wüssten, wo die Einhorn liegt?“ Ihre Stimme klang ganz unschuldig, was ihm eine Gänsehaut machte. Diese Frau konnte so rasant von einer Femme fatal zu einem unschuldigen Mädchen wechseln, dass es ihm erregt schaudern ließ.

Der Kapitän drehte sich zu seiner Tochter herum und bedachte sie mit eingehendem Blick. „Sag bloß ihr Beide wisst das tatsächlich.“ Es war nun Tim, der zu den Beiden hinüber ging und Haddock mit einem wissenden Schmunzeln ansah. „Ritter Franz hat auf jeden Fall einen Hinweis darauf im Globus versteckt.“ Die Augen von Christins Vater wurden groß und für den Moment entglitten ihm sogar die Gesichtszüge. „Also, Papa. Wie steht es mit deinem Durst nach Abenteuern?“, erkundigte sich Christin neckisch grinselnd, während sie das Pergament hinter ihrem Rücken hervorzauberte und ihrem Vater in die Hand legte. Für einen längeren Augenblick betrachtete er einfach nur die Karte mit der markierten Stelle, ehe er mit einem Grinsen zu seiner Tochter aufsah. „Unstillbar, mein Delfinchen.“ Fröhlich lachte Christin auf und auch Tim begann vergnügt, leise zu lachen. Damit stand also fest, dass sie nach der Einhorn am Grund des Meeres suchen würden.

In diesem Moment kam Nestor mit einem Tablett wieder, auf dem fünf gefüllte Champagnergläser standen. Lächelnd reichte er jedem eines davon und nahm sich selbst das Letzte. „Trinken wir auf Ritter Franz, die Einhorn und auf uns, die das Rätsel lösten und nun Schloss Mühlenhof wieder in den Besitz der Haddocks bringen.“, sprach der Kapitän mit stolz geschwellter Brust einen Tost aus, woraufhin sich alle Anwesenden anlächelten und anschließend gemeinsam anstießen.

Das Abenteuer um das Geheimnis der Einhorn war gelüftet, doch den größten Schatz aller Zeiten zu finden und zu bergen würde erst noch beginnen. Dafür würden sie sich jedoch mehr Planungszeit nehmen müssen, denn dieses Unterfangen würde mehr Zeit und Vorbereitung brauchen. Außerdem hoffte der Reporter, dass dieses Abenteuer weitaus weniger chaotisch und nervenaufreibend zugehen würde als das Jetzige.
 

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Abenteuer Liebe


 

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„Ich liebe dich, Tim.“, schnurrte Christin ganz verliebt und sah dabei zu Tim auf, während sie halb auf seiner nackten Brust lag und kleine, unsichtbare Muster mit ihren Fingerspitzen auf seine Haut zeichnete. Liebevoll ließ der Reporter ihre braunen, weichen Haarsträhnen immer wieder durch seine Finger gleiten, betrachtete dabei ihr Puppengesicht und lächelte sie überglücklich an. „Ich liebe dich auch, Christin.“

Das frühe Sonnenlicht tauchte Tims Schlafzimmer in dessen warmes Licht, während eine milde Brise durch das offene Fenster hereinkam und die Geräusche der belebten Straße mit sich brachte. Es war ihre dritte gemeinsame Nacht gewesen, seitdem sie den Schatz auf Schloss Mühlenhof gefunden hatten.

Der Kapitän hatte eine Firma beauftragt den Umzug von der kleinen Wohnung aus dem Außenbezirk zu übernehmen, während er selbst mithalf den Vorgarten wieder zu einem hübschen Ansehen zu verhelfen. Tim und Christin hatten ihm ihre Hilfe ebenfalls angeboten, doch Haddock hatte darauf bestanden, dass die Beiden sich ein paar ruhige, gemeinsame Tage gönnen sollten. Darüber waren sie sehr dankbar gewesen und wussten es sehr von ihm zu schätzen, dass er ihre Liebe so tatkräftig unterstützte. Haddock hatte den Reporter als Freund seiner Tochter vollkommen akzeptiert und selbstverständlich auch als Freund ins Herz geschlossen. Schließlich war auch der Kapitän ein sehr guter und wertvoller Freund für Tim geworden, den er nicht mehr in seinem Leben missen wollte.

Die sanften Küsse seiner Liebsten, die sie auf seinen Hals und seine Schulter verteilte, ließen ihn aus seinen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt gelangen. Außerdem bescherte sie ihm damit ein wohliges Kribbeln im gesamten Körper und ließ seinen Blick ihr gegenüber noch sanfter werden. Mit ihren zarten Lippen bahnte sie sich einen Weg zu Seinen und stahl ihm anschließend den einen und anderen innigen Kuss. „Nun, da es noch etwas dauern wird, bis wir in See stechen und die Einhorn suchen werden… wie heißt unser nächstes Abenteuer, mein Käuzchen?“

Wie sehr er seine Christin doch liebte und es obendrein schätzte, dass sie genauso abenteuerlustig war wie er. Allerdings hatte er nicht vor sich bis zum Auslaufen in ein weiteres Abenteuer zu stürzen. Ihm schwebte etwas anderes vor und so wie er seine Liebste die letzten Tage erlebt hatte, würde sie dies durchaus begrüßen. Ein schelmisches Grinsen zierte nun Tims Gesicht, woraufhin er ihre Hände in Seine nahm und sich geschickt mit ihr in seinem Bett rollte. So lag sie nun unter ihm in die weichen Kissen gedrückt, wobei er ungeniert zwischen ihren Schenkeln seinen Platz fand und ihr dabei tief in die Augen sah. Ihren nackten, warmen Leib an seinem ebenfalls entblößten Körper zu spüren, machte ihm eine prickelnde Gänsehaut.

„Liebe, meine Nixe. Es heißt Liebe.“, flüsterte er ihr angetan zu und verschloss, ohne eine Antwort ihrerseits abzuwarten, ihre vollen Lippen mit Seinen. Genießerisch schloss er dabei seine Augen, schmiegte sich an sie und ließ seine Hände begehrend über ihre Arme und Seiten gleiten. Christin lächelte merklich in den Kuss hinein, legte ihre Arme liebevoll um seinen Nacken und ließ den Kuss sogleich leidenschaftlicher werden.

Tim war sich sicher, dass dieses gemeinsame Abenteuer mit Christin das Bedeutsamste und Schönste war, dass er je erleben würde.
 

๑⊱☆⊰๑

ENDE

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