Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 18: (Un)Erwartete Gespräche ----------------------------------- Eine bleierne Stille erfasste den Raum und mit zitternden Händen griff ich nach dem zerstörten Bogen zu meinen Füßen. Ich wusste nicht, ob der Bogen zu retten war, doch ich glaubte nicht. Dieser Bogen war mir wichtig. Sehr wichtig sogar. Denn er war etwas gewesen, was ich an meine Familie und an schöne Zeiten erinnerte. Ich konnte nicht begreifen, was geschehen war. Wieso nur? Habe ich Ragnar tatsächlich so sehr gekrängt? Tränen flossen mir über die Wange, als ich das zerstörte Geschenk meiner Mutter in den Händen hielt. Wieso musste er das machen? Ich wollte ihn nicht so bloß stellen, es war nie meine Absicht gewesen. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn so sehr provoziere. Ich wollte doch keinen Streit. Das war nie etwas, was ich eigentlich gewollt hatte. Ich hatte nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet. Aber ich wollt auch nicht, dass er so mit mir sprach! Das konnte er nicht so machen, dass wollte ich einfach nicht. Ein leises Schluchzten drang aus meiner Kehle und am liebsten hätte ich mich sofort aus dem Haus entfernt. Doch ich hatte Angst. Wenn ich nun einfach ging und niemanden sagte wo ich war, würde ich Ragnar erneut bloß stellen. Nach dem wie ich heute das Dorf verlassen hatte, würden alle Augen wieder auf mich gerichtet sein, wenn ich nun erneut zu den Pferden ging. Schon jetzt sprach das ganze Dorf über mich, wie würden sie erst dann reden? Und wo sollte ich auch hin? Ob ich es alleine in meine Heimat schaffte, dass wusste ich nicht und es würde ewig dauern, bis ich dort wäre. Zudem wusste ich ja auch, dass die Wälder voller Gefahren steckten. Wie Ragnar dann reagieren würde, wollte ich mir nicht ausmalen. Ich strich mir leicht über die schmerzenden Oberarme und spürte, wie ich erzitterte. Immer noch brannten meine Arme als würde ich seine Hände noch spüren. Ein Gefühl erfasste mich und ich konnte es nicht beschreiben. Vielleicht fühlten sich so gefangene? Denn so empfand ich es. Es war, als sei ich eingesperrt in diesem Haus. Als versuchten die Wände mich zu erdrücken. Es war kein schönes Gefühl in diesem Augenblick und ich hatte kaum Worte um es zu beschreiben. Ich zog mich, wie versteinert ins Schlafzimmer zurück, verschloss die Tür hinter mir und setzte mich auf mein Bett. Dann weinte ich auf dem Bett. Es war einfach zu viel und ein Beben erschütterte meinen Körper. Meine Atmung ging nur noch stoßweise und Schmerzen zogen von meiner Brust aus durch meinen Körper. Meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt und ich wusste einfach nicht mehr, wie ich mich selbst beruhigt bekam. Auf das Ein- und Ausatmen zu konzentrieren half mir nur bedingt. Ich legte mich auf die Felle und kauerte mich zusammen. Immer noch liefen die Tränen ungehindert über meine Wange. Es war als würden Dämme brechen und ich weinte bittere Tränen. Es war nicht nur das zerstörte Geschenk. Es war auch Wut auf mich und meinen Mann. Ich wusste, wie wichtig ihm seine Ehre war und doch konnte ich einfach nicht verstehen, weswegen er meinen Fehltritt so wegstecken konnte und diesen verdammten erlegten Hasen nicht. Das Eine war doch wesentlich schlimmer gewesen! Doch vielleicht war der Grund ganz einfach. Mein Fehltritt hat ihn nicht in Erklärungsnot gebracht. Ihn nicht bloß gestellt. Alle im Dorf müssen ihn angesprochen haben. Ihn damit in eine Ecke gedrängt haben, aus der er sich nicht anders zu helfen wusste. Doch dieses Wissen beruhigte meinen Nerven nicht. Es ließ die Tränen nicht versiegen und es ließ den Schmerz nicht vergessen. Er wusste, dass ich aus einem anderen Land komme und die Sitten und Bräuche anders waren. Er war doch so viel gereist, wieso konnte er mich einfach nicht verstehen? Hatte er sich nicht bewusst für eine Frau aus einem fernen Land entschieden? Ich schrie in das Kissen und schrie meine Wut meine Verzweiflung einfach hinaus, schließlich war es nicht nur die Wut, sondern auch das Heimweh, welches mein Herz so erschwerte. Ich wünschte mir, dass die Tür aufging und mein Bruder dort stand. Er wusste, wie man mich beruhigte, er kannte mich schließlich so gut. Kalter Schweiß bedeckte meine Stirn und die Welt verschwamm immer wieder vor meinen Augen. Immer noch ging meine Atmung stoßweise und doch schaffte ich es, mich langsam zu beruhigen. Es dauerte lange bis ich mich unter Kontrolle hatte, wie lange genau das wusste ich nicht. Doch endlich ging meine Atmung wieder gleichmäßig und ich hatte keine Tränen mehr zum Weinen. Meine Augen brannten und schmerzten und vermutlich, waren sie ziemlich rot. Ich zwang mich, mich vom Bett zu erheben und wusch mir im Waschraum mein Gesicht. Auch meine Arme schmerzten und als ich über die Stelle strich die Ragnar mit seinen Pranken gequetscht hatte zuckte ich zusammen. Hatte er wirklich so feste in seiner Wut zugepackt? Morgen würden vermutlich blaue Flecken dort sein, wo seine Hände mich festgehalten hatten. Erneut wusch ich mir das Gesicht und wünschte ich konnte den Tag vergessen. Ihn noch einmal durchlaufen lassen, denn dann wäre ich nicht ohne Absprache mit ihm auf die Jagd gegangen. Dann wäre er nicht so überrascht gewesen. Tief atmete ich durch und versuchte die aufkommenden Kopfschmerzen zu ignorieren. Ich lehnte mich an die Wand und starrte ins Leere und versuchte meine Gedanken nicht zu zulassen. Immer noch war Ragnar nicht wieder gekommen und die Sonne war dabei unter zu gehen. Wie lange ich letztlich im Schlafzimmer war konnte ich nicht sagen. Ein Drang erfasste mich und zwang mich regelrecht dazu den Waschraum zu verlassen. Ich musste mich bewegen! Ich musste endlich gehen. Weiter in dem Zimmer hocken konnte ich einfach nicht! Ich musste einfach etwas tun, um diese schrecklichen Gedanken abzuschütteln. Ich kümmerte mich um den Hasen, nahm ihm hinter dem Haus aus und auch wenn ich es nicht schön fand, zog ich ihm das Fell ab. Doch es war gut, etwas zu machen und ich war dankbar, dass niemand draußen war. Die Schmiede war verwaist und ich vermutete, dass mein Schwiegervater sich in sein Haus zurückgezogen hatte. So konnte ich die Gedanken wenigstens für einige Augenblicke hinter mir lassen. Schwer atmete ich durch und als alles erledigt war spürte ich erst, dass die Nacht schon lange eingebrochen war. Stillschweigend betrat ich das leere und kalte Haus, zündete die Kerzen an und säuberte meine Hände. Ich wünschte Tal wäre da. Vielleicht sollte ich ihm schreiben. Doch als ich das leere Blatt anstarrte, war ich sprachlos und keine Worte wollten sich in meinem Kopf formen. Mit ihm hätte ich jetzt sprechen wollen und nicht schreiben. Die Hände auf die Stirn lehnend betrachtete ich das leere Blatt vor mir. Doch das was geschehen war, ließ sich nicht einfach zu Papier bringen. Ich vermutete, dass Ragnar später betrunken wieder kommen würde und ich hoffte, dass er mir dann nicht zu nah kommen wollte. Vielleicht beschwerte er sich auch gerade bei Sven über mich. Wie Inga darauf wohl reagieren würde? Vermutlich war sie sauer, dass ich ihren armen Sohn so einfach bloßgestellt habe. Ob sie irgendetwas zu den blauen Oberarmen sagen würde, konnte ich mir kaum vorstellen. Ich vermutete, dass es nach zehn Uhr war, als die Tür des Hauses sich öffnete. Ich zwang mich gerade, etwas Brot zu essen und mir blieb der Bissen im Hals stecken, als nicht Ragnar das Haus betrat, sondern Ulveig! Gelassen kam er auf mich zu, als gehörte ihm das Haus und langsam erhob ich mich vom Tisch. Ich wollte einfach nicht zu diesen Menschen aufblicken. Der lange dunkle Bart war von grau durchzogen und die Tätowierung in seinem Gesicht ließ ich schaurig wirken. Seine Erscheinung war trotz des Bauches gewaltig und seine breiten Oberarme ließen erkennen, dass er mehr Kraft hatte, als ich es vermutlich einschätzen konnte. Doch wichtiger als sein Äußeres war die Frage, weswegen er hier war? Was trieb ihn dazu, sich hier her zu verirren. Noch nie war er Gast in diesem Haus gewesen, seit ich hier lebte jedenfalls. „Du hast deinen Mann aber ganz schön blöd da stehen lassen“, meinte er kühl und blickte sich in dem Haus um. Was machte er hier?! Perplex sah ich ihn an und runzelte meine Stirn. „Weswegen sucht Ihr mich auf?“, wollte ich wissen und trat von dem Tisch zurück und dem Mann entgegen. Er musterte mich. Kalt sahen mich seine Augen an. „Weil ich weiß, dass dein Mann gerade bei Sven ist und ich gehört habe, was geschehen ist. Ist dir klar, dass du gerade in aller Munde bist?“, fragte er mit eisiger Stimme und dennoch ergab es für mich keinen Sinn. Wieso sollte der Clanführer mich aufsuchen, nur weil ich mit meinem Mann Streit hatte. Wenn er dies immer tat, hätte er nichts anderes mehr zu tun. Sein Blick glitt an mir hinab und mir war es unangenehm, wie er mich betrachtete. Ich schluckte und streckte mein Kinn nach oben, denn ich wolle alles andere als unsicher wirken. „Ich verstehe den Grund nicht, weswegen Ihr hier seit“, sagte ich mit lauter und klarer Stimme, „Aber ich möchte, dass Ihr das Haus verlasst. Ich sehe keinen Grund, weswegen Ihr euch hier aufhalten solltet.“ Die kalten Augen meines Gegenübers betrachteten mich und spöttisch lachte er auf. „Ach? Wirklich? Weißt du, du kannst noch so höflich und erhaben klingen, du bist und bleibst einfach nur eine Hure“, sagte er gelassen und erschrocken trat ich nach hinten, als der große Mann auf mich zukam. Verunsichert trat ich mit verwirrtem Blick zurück. Weswegen er mich beleidigte verstand ich nicht. „Sprecht nicht so mit mir“, verlangte ich lauter und erschauderte als ich die Wand in meinem Rücken spürte. Immer noch kam Ulveig auf mich zu und als er nach mir griff wusste ich nicht, wohin ich ausweichen solle. Wie Ragnar, griff er fest meine Oberarme und drückte mich hart an die Wand in meinem Rücken. Schmerzvoll stöhnte ich auf, denn ich glaubte, dass der Griff dieses Mannes noch fester war, als der meines Gatten. „Sei froh, dass du überhaupt hier sein darfst, Hure“, raunte er leise und mit tödlicher ruhiger Stimme. Er war mir viel zu nah und erneut forderte ich ihn auf, dass er wegtreten solle, doch meine Stimme schien jegliche Kraft verloren zu haben. Er ging nicht drauf ein und immer noch grinste er mich spöttisch an. „Nein, ich trete nicht weg von dir. Weißt du… du gefällst mir. Es ist ein Jammer, dass ich verheiratet bin… Aber weißt du was? Du solltest besser ruhig sein, wenn du nicht willst, dass ich deinem Mann sage, was du damals in der Scheune getrieben hast…“ Eine Eiseskälte erfasste meinen Körper. Er wusste es? Woher? Hatte Lillie ihm das gesagt? Sicher nicht! Er lachte spöttisch als er mein entsetztes Gesicht erblickte. „Einer meiner Männer hat dich gesehen und gehört, wie du es mit dem anderen Mann getrieben hast. Eigentlich hätte ich da schon das komplette Bündnis für nichtig erklären sollen. Aber ich dachte mir“, sagte er und ich war wie gelähmt, als er plötzlich über meine Wange streichelte, „Du bist jung, siehst gut aus, man muss dich einfach nur erziehen, wieso dich einfach umbringen?“ Langsam glitt seine Hand meinen Hals hinunter und immer noch hatte ich das Gefühl, dass mein Körper nicht auf mich hören wollte! Erst, als ich eine seiner wiederwertigen Hände auf meinem Busen spürte löste ich mich aus meiner Starre und schubste ihn weg von mir. Zu plötzlich schien meine Gegenwehr zu kommen, denn tatsächlich, taumelte Ulveig zurück und starrte mich entsetzt an. „Ich bin weder deine Frau, noch bin ich dein Eigentum“, sagte ich und spürte, wie meine Stimme zitterte, „Du kannst mir damit nicht drohen oder mich erpressen. Ragnar ist mein Mann und weiß längst von dem Vorfall!“ Wütend verzog sich das Gesicht des Mannes vor mir und ich wusste, dass ich einen Trumpf ausgespielt hatte, denn er musste davon ausgehen, dass Ragnar nichts davon wusste, was geschehen war. Dass es ein Geheimnis war, was ich bei mir trug und niemanden je davon erzählt habe. „Natürlich“, meinte er äußerst sarkastisch. „Wenn er es eh schon weiß kann ich ihn ja fragen. Pass auf wie du mit mir redest, Weib“, zischte er eisig und wütend trat er zu mir, doch sofort wich ich aus nach links. Ich wollte nicht erneut in eine Starre verfallen und kniff die Augen wütend zusammen. Soll er doch glauben, dass ich bluffe. Flucht war mein einziger Gedanke und doch konnte ich nicht weg. Denn immer noch stand Ulveig im Weg. „Ich muss nicht aufpassen, das ist mein Haus und ich verlange sofort, dass du dich hier entfernst oder ich verspreche dir, ich brülle die ganzen umliegenden Häuser hier her!“, drohte ich mit kühler und distanzierter Stimme. Ich sah, wie er die Hand hob, doch ich war schneller. Ich trat nach hinten und wich dem Schlag aus. Entsetzt sah ich ihn an. Dass ich ihn mit meiner Gegenwehr so provozierte hatte ich nicht erwartet. Doch leider war ich nicht schnell genug. Denn die Hand die mein Handgelenk griff war zu schnell und kraftvoll zog er mich zu sich und schlug mir mit der flachen Hand schmerzvoll ins Gesicht. Meine Wange brannte und verzweifelt versuchte ich mich aus dem Griff zu befreien, doch er drehte schmerzvoll mein Handgelenk immer weiter herum. Die Schmerzen strahlten in meinem gesamten Körper aus und qualvoll stöhnte ich auf. „Hör auf“, brüllte ich verzweifelt. Kalt und emotionslos starrte er mich an. Schmerzlich verzog ich mein Gesicht und über mir schien sich Ulveig an meinem Anblick zu ergötzen. Selbstgefällig und zufrieden blickte er mich an. „Selbst, wenn dein Mann so dumm ist und dir verzeiht, kann ich auch immer noch die Dorfvorsteher fragen, was sie von dem Bündnis halten, wenn sie hören, was für eine Hure du bist. Du magst in deinem Land eine ach so wichtige Person gewesen sein, doch hier bist du nichts als das Weib eines Kriegers und selbst das bist du für mich nicht. Wärst du nur halb so hübsch wärst du längst nicht mehr am Leben!“ Er stieß mich weg von sich und ich umklammerte mein pochendes Handgelenk. Es tat unglaublich weh, doch ich hatte keine Tränen mehr die ich vergießen konnte. Immer noch sah mich der Mann aus seinen kalten Augen an und er ließ seinen Blick an meinen Körper entlang gleiten. „Unfälle passieren immer wieder. Du solltest besser aufpassen.“, mahnte er mit tiefer und distanzierter Stimme und wandte sich um. Immer noch blieb mir die Stimme weg und ich schluckte, als ich diesem Monster nach sah. „Du solltest darüber nachdenken ob du beim nächsten Mal nicht etwas freundlicher bist“, sagte er als er mit schweren Schritten wieder zur Tür hinaus verschwand. Erst als die Tür geräuschvoll ins Schloss fiel, bemerkte ich, wie sehr ich zitterte. Ich hatte es nicht geschafft stärker zu sein, als Ulveig mir so nahe gekommen war. Seine Worte jagten mir eine Heidenangst ein und sie geisterten in meinem Kopf; Unfälle passieren. Ragnar sei noch mein Mann. Ich verstand eine Drohung wenn ich sie hörte und es war mir egal wie sehr wir uns gestritten hatten, ich würde nicht zulassen, dass man meinem Mann etwas antat. Ich musste ihn warnen. Und das schnell. Mit langen Schritten durchquerte ich den Raum, riss die Haustür auf und rannte in etwas Großes, Kräftiges. Aus Angst Ulveig erneut die die Arme gerannt zu sein, schrie ich erschrocken auf und blickte in die Augen Ragnars, welche in der Dunkelheit schwarz zu sein schienen. Der Streit war für mich gerade vergessen. Dass er meinen Bogen zerstört hatte war mir gerade nicht wichtig. Das Wichtigste war, ihm zu erzählen, was hier gerade passiert war. Die Drohung galt wahrscheinlich mehr meinem Mann als mir, denn Ulveig schien zu sehr an meinem Körper interessiert zu sein. Wieder überzog mich eine Gänsehaut. „Ragnar“, sagte ich überrascht und noch bevor ich weitersprechen konnte sprach er mit seiner tiefen Stimme: „Habe ich dich jetzt aufgehalten wegzulaufen, Thalia?“ Für mich war gerade unverständlich, wieso er dies sagte. Es dauerte einen Augenblick bis ich mich wieder daran erinnerte, weswegen er gegangen war. Es war schon unwirklich, noch vor nicht einmal einer Stunde gab es nichts Wichtigeres als meinen Bogen und den Streit und nun war er so verdammt unwichtig geworden wie die Wäsche im Schlafzimmer. Ich schüttelte den Kopf und trat beiseite und ließ meinen Mann ins Haus. „Wir müssen reden“, meinte ich und noch bevor ich weitersprechen konnte fiel mir mein Mann erneut ins Wort. „Ja, das müssen wir auch“, meinte er kühler und anders wie ich es vermutet hatte, war er nicht betrunken. Ich schüttelte den Kopf doch wie so oft, ließ mein Mann mich einfach nicht zu Wort kommen. „Ich habe keine Lust, dass du mich bloß stellst! Außerdem, Thalia“, raunte er zorniger als ich für mich gerade verstand, „Ist dieser verdammte Wald gefährlich. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie verängstigt du auf der Reise hier her warst wegen der Bären und Wölfe. Du gehst nicht alleine in den Wald! Haben wir uns verstanden, Frau?“ Verwirrt sahen meine blauen Augen ihn an und ich sprach verwirrt: „Ja?“ Doch da war sie wieder. Die Wut auf meinen Mann kam so plötzlich wieder, wie sie verschwunden war. Es war fast schon verwirrend, wie viele Gefühle man gleichzeitig spüren konnte. Tief atmete ich durch. Ich wollte und musste mich einfach beruhigen! „Zunächst mal“, raunte ich mit zusammengezogenen Brauen, „möchte ich, dass du mich gefälligst aussprechen lässt! Versteh endlich, dass ich dich nie bloßstellen wollte! Ich bin eben gerne auf der Jagd! Damit musst du leben! Du hast dich bewusst für eine Frau aus einem anderen Land entschieden und dort wo ich herkomme, ist es eben anders! Ich versuche mich hier anzupassen, aber im Gegenzug erwarte ich von dir auch, dass du mich in einigen Sachen so akzeptierst, wie ich nun einmal bin!“ Die grünen Augen des Mannes vor mir, welche im Schein der Kerzen gar nicht grün erschienen, verzogen sich wieder zu Schlitzen und es bedeutete nie etwas Gutes. „Ich habe mich dir schon angepasst! Verdammt noch mal, Thalia, ich helfe dir sogar beim verdammten Kochen!“, fuhr er mich wütend an und er wurde lauter als ich dachte. Ich musste mich zwingen, tiefer ein und auszuatmen und nickte leicht. Es gab wichtigeres zu bereden, dass wusste ich. Doch natürlich war es für Ragnar wichtiger den Streit wegen des verdammten Hasen anzugehen. Den Drang ihn anzuschreien versuchte ich zu unterdrücken und es kostete mich sehr viel Selbstbeherrschung. Denn Ulveig und seine Drohung waren doch so viel wichtiger… „Du hast Recht. Ja Ragnar“, meinte ich und war erstaunt, wie ruhig und besonnen ich tatsächlich sprechen konnte, „Trotzdem möchte ich mich nicht so von dir verändern lassen. Ich bin immer noch ich! Und soll ich dir was sagen? Ich mag mich wie ich bin. Kannst du das nicht verstehen? Dass du mir bei so vielen Sachen hilfst finde ich sehr aufmerksam und sehr nett, dennoch möchte ich nicht, dass du dies als Argument verwendest, damit ich mich ändere. Wie oft, habe ich dich schon gebeten, dass du dich rasierst? Und nie hast du es gemacht.“ „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, meinte er eisern und sofort schüttelte ich den Kopf. „Doch“, erwiderte ich energischer als beabsichtigt, „Natürlich hat es was damit zu tun. Du verlangst, dass ich mich anpasse und verweigerst dich, wenn ich möchte, dass du dich mir anpasst.“ Stur schien er mich zu mustern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ragnar“, sprach ich energischer auf ihn ein, „Ich bitte dich. Vielleicht… finden alle hier mich wahnsinnig exotisch und verstehen einfach nicht, weswegen ich mich so verhalte. Aber du bist doch so viel gereist, wieso fällt es dir dann schwer zu verstehen, dass ich mich nicht allem anpassen kann. Abgesehen davon, dass ich mich auch nicht in allem anpassen möchte, kann ich es gar nicht. Ich kann meine Stellung nicht immer vergessen mit welcher ich aufgewachsen bin, noch kann ich alles andere was ich durfte einfach vergessen. Es ist als verlangst du, dass ich alle meine Erfahrungen und Erinnerungen hinter mir lasse. Das kann ich einfach nicht. Denn die haben mich zu der Frau gemacht, die ich bin.“ Stur sah er mich an und wie er die Arme verschränkte wusste ich, dass er gerade nicht so einfach nachgeben würde. Er war so stur wie ich. Erneut drangen Ulveigs Worte in meinen Kopf und mir fiel ein, dass es gerade so dumm war, darüber zu streiten. Ich trat auf meinen Mann zu und griff nach den verschränkten Armen. Er ließ es zu, dass ich sie auseinander zog und sanft strich ich über seine kräftigen Unterarme. „Es tut mir leid, wenn dich die Menschen hier in die Ecke getrieben haben. Oder dir so etwas Dummes unterstellt haben, dass du mich nicht versorgen kannst. Es war nie, aber auch wirklich nie meine Absicht gewesen. Ich fand es so toll, wie es gerade zwischen uns lief, lass diesen Bogenschuss außen vor und ich bitte dich einfach: Versuch mich so zu nehmen, wie ich bin… Bitte“, beendete ich meinen Monolog und hoffte einfach, dass er langsam verstand, was ich eigentlich wollte. Das es mir nie darum ging ihn bloß zu stellen. Ich hoffte, dass dies endlich in seinen Dickschädel reindrang. Immer noch sah er mich an und musterte mich. „Bitte Ragnar… Es tut mir wirklich leid, wenn dich andere beleidigt haben, oder meinten du seist ein schlechter Mann… Aber ist es nicht wichtiger, dass ich das nicht so finde? Ich finde du bist kein schlechter Ehemann. Du bist freundlich, führsorglich, du hilfst mir und bist hast du mich so kennen gelernt wie ich eigentlich bin. Ich mag deine Art und wie du dich benimmst. Kann es dann nicht egal sein, was die anderen sagen, so lange wir beide miteinander zufrieden sind?“, fragte ich ihn und strich ihm sanft über den Handrücken. Langsam, so glaube ich, verschwand der hart Zug aus seinem Gesicht, als er mich betrachtete. Überrascht war ich, als mich Ragnar plötzlich in seine Arme zog. „Du raubst mir die letzten Nerven“, raunte er und strich über meinen Rücken, sanfter als ich es erwartet hatte. Sein Geruch stieg in meine Nase und ich merkte wie ich begann mich zu entspannen. „Du mir auch meine“, murmelte ich und legte meine Arme um seine Mitte. Schweigen erfüllte den Raum und es war angenehm. Nach einem Augenblick meinte Ragnar: „Ich schaue, ob man den Bogen reparieren kann, sonst besorge ich dir einen Neuen. Dennoch gehst du nicht alleine jagen. Wenn es denn schon sein muss, dann komme ich mit. Ich meine es ernst, Thalia. Der Wald ist gefährlich… Vielleicht hatte Jari gar nicht so unrecht, was Frauen aus anderen Ländern anging.“ Ich konnte mir kaum vorstellen, wie schwer ihm dieser Kompromiss gefallen sein musste und was es mit seinem verstorbenen Bruder auf sich hatte verstand ich ebenfalls nicht. Ich wollte gerade nicht nachfragen, denn die Toten mussten warten, wenn es noch wichtigeres gab, was man bereden musste. Dennoch war mir bewusst, dass es ihm mehr abverlangte, als man vermutlich annehmen konnte. Nach einem Augenblick drückte ich den kräftigen Mann weg von mir und seufzte schwer. Wir mussten endlich über die wichtigen Dinge sprechen! Nun wo Ragnar nicht mehr tobte wie ein wild gewordener Eber. Fragend blickte mich Ragnar an und nach einem Augenblick, begann ich zu sprechen: „Ulveig war gerade da. Und… Er hat uns bedroht, Ragnar.“ Verwirrung zeichnete sich auf dem Gesicht meines Mannes ab. Vermutlich hatte er erwartet, dass das Gespräch auf etwas anderes herabzielte. „Wie kommst du darauf? Und wann?“, wollte er wissen und sofort gab ich die Worte dieses Mannes wieder. „Er war hier bevor du gekommen bist. Ich lüge nicht! Wirklich Ragnar, ich meine es ernst!“, sagte ich eindringlich zu dem Mann vor mir, „Er hat gesagt Unfälle geschehen!“ Immer noch sah mich mein Mann unschlüssig an und verzweifelt fragte ich: „Willst du mir etwa nicht glauben? Ragnar, er hat mich an die Wand gedrückt und mir an die Brust gefasst! Er weiß, dass ich dich betrogen habe…“ Ich beobachtete, wie er sich auf die Lippen biss und ich wünschte ich hätte in diesem Augenblick seine Gedanken lesen können. „Thalia“, sagte er nach einem Augenblick, „ Es fällt mir schwer dir zu glauben… Das klingt… das ist nicht logisch für mich. Du bist eigentlich überhaupt nicht sein Typ Frau. Soweit ich weiß, steht er mehr auf Beleibte. Hattest du vielleicht einen Alptraum?“ Es konnte einfach nicht sein Ernst sein! Dass durfte einfach nicht sein Ernst sein! „Nein hatte ich nicht? Und davon, dass er nicht auf mich steht, habe ich gerade nicht viel bemerkt“, erwiderte ich fast schon pampig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist, wenn er mich erpressen will. Wenn er das mit Leif herumposaunt…. Was glaubst du, wie die anderen das finden werden?“ Ich spürte die Panik und nie zuvor, hatte ich es so sehr bereut, dass ich in jenen Augenblick schwach gewesen war. Ich wusste doch wie wichtig das Bündnis und alles war. Ich spürte Ragnars Blick auf meinen Körper, doch zu sehr war ich Gedanken versunken, um den Blick zu erwidern. „Thalia, ich werde ein Auge auf ihn haben, wenn er dir so Angst macht, aber verstehe auch, dass ich diesen Mann schon ewig kenne…und ich bin mir nicht sicher, ob deine Fantasie dir da nicht gerade einen Streich gespielt hat.“, meinte er mit ruhiger jedoch auch ernster Stimme. Meine blauen Augen suchten seinen Blick und zustimmend nickte ich. Ich hatte gewünscht, dass er mir ohne Vorbehalte geglaubt hätte. Doch anscheinend war der vorausgegangene Streit nicht spurlos an meinen Mann vorbeigegangen. Ich musste versuchen ihn so schnell es ging davon zu überzeugen, dass es nicht meine Fantasie war, welche gerade aus mir sprach! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)