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Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Guten Tag,

so heute habe ich meinen freien Tag mal vollkommen ausgenutzt und bin wesentlich besser vorangekommen als ich dachte.
Dann will ich euch auch nicht bis Freitag warten lassen ;)

Schöne Woche noch ;) Komplett anzeigen

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Von Bädern, Wäsche und Bieren

Ich fragte den Wirt, bei wem ich Ragnars und meine Kleidung abgeben konnte. Er war ein kleinerer und sehr beleibter Mann. Mit gepflegten, vollem grauen Bart. Er hatte eine Halbglatze und die Haare, welche er noch auf dem Kopf hatte, waren ebenso grau wie seine Haare im Gesicht. Er war bestens gelaunt und sehr höflich zu mir. Wundern tat es mich nicht, waren wir schließlich zahlende Kunden. Tatsächlich schien er ziemlich euphorisch. Ich konnte mir denken, woher die gute Laune kam. Heute würde er sehr guten Umsatz machen! Vielleicht waren die anderen Reisenden, eine andere Route gegangen. Sie waren fast doppelt so viele wie wir gewesen. Vielleicht gab es noch mehr Straßen und Wege, hoch in den Norden.

„Bei mir, Herrin“, sagte er und nahm mir den großen Beutel ab, „ich werde es gleich meiner Frau sagen, sie wird sich dann darum kümmern.“ Ich nickte, lächelte den Mann höflich an und reichte ihm das Geld was er haben wollte. Ich diskutierte nicht, über das Geld was er verlangte. Wieso sollte ich bei einer Dienstleistung auch handeln?

Ich drehte eine schimmernde Münze in den Fingern und nachdenklich fragte ich: „Könnte ich wohl heute Abend ein warmes Bad bekommen?“ Ich schob die verbleibende Münze über den Tisch und sofort, bekam ich meinen Wünsch erfüllt. Ich brauchte endlich ein Bad. Meine Muskeln mussten sich entspannen und ich wollte endlich den Geruch von Pferd und Schweiß von meinem Körper waschen. Ich sah mich in der Taverne um. Viel war nicht los. Ragnar wollte gemeinsam mit seinem Vater durch das Dorf gehen und von den anderen Mitreisenden hatte ich keinen mehr zu Gesicht bekommen.

Ich erblickte Lillie an einem Tisch, vor ihr ein großes Bier. Ein seltsamer Anblick für mich. Bier war immer eher ein Getränk für Männer, in meinen Augen. Ich ging zu ihr und setzte mich an ihre Seite. Immer noch trug sie die Kleidung von der Reise und blickt mit müden Augen in den Krug.

„Oh, Thalia“, grüßte sie mich freundlich und machte mir etwas Platz, „ist das nicht nett von Ragnar, dass er meint, wir sollen uns ausruhen?“ Ich nickte nur und betrachtete das Bier vor der jungen Frau. Ja, Ragnar war tatsächlich gerade sehr nett gewesen. Liebevoll, hatte er den Kuss erwidert und ohne viele Worte, war danach jeder seine Angelegenheiten regeln gegangen. Er zu seinen Freunden, ich die Sache mit der Wäsche. Ich versuchte die Gedanken an vorhin zu verdrängen und blickte mich stattdessen um und erblickte das Bier in dem Krug. Es schien dunkler, als ich es kannte und die Schaumkrone nicht so hoch. Ich konnte mir vorstellen, dass es sehr stark nach Hopfen schmecken würde.

„Ja“, ging ich auf ihre Aussage ein und sah hinein in die Augen der jungen Frau, „Das ist wirklich sehr nett von ihm. Ich habe gerade unsere Kleidung abgegeben, damit sie gewaschen wird.“ Ich wollte einfach etwas sagen und tatsächlich fiel mir nichts Besseres ein. Überrascht blickte Lillie hinauf. Was sie so verwirrte sollte ich im nächsten Augenblick hören. „Du wäscht nicht selber? Meine Mutter ist gerade am Fluss und versucht unsere Kleidung zu reinigen. Wegen dem ganzen Schlamm von gestern“, sagte sie und trank einen großen und erstaunlich kräftigen Schluck von dem Bier.

Ich schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich hab keine Lust. Wieso hilfst du nicht deiner Mutter?“ Sie grinste und trank noch einen Schluck, als sie fast schon frech erklärte: „Mein Vater sollte mich suchen und mir Bescheid geben, sagte er gerade. Aber er meinte, dass er mich gar nicht sehen könne…. Ich werde nach dem Bier mal hinunter gehen und schauen, wie weit meine Mutter ist. Bis dahin, genieße ich einfach mal die Ruhe.“ Ich lachte leise. Raik schien als Vater ebenso herzlich zu sein, wie als Schwiegervater. Er hatte immer nette Worte für einen übrig, suchte nicht nach Fehlern und schien einfach mit sich und seinem Leben zufrieden.

Ich schmunzelte nur und sagte nichts zudem, was mir Lillie berichtete. Ich hätte es vermutlich nicht anders gemacht. Ich betrachtete das gleichmäßige und freundliche Gesicht der jungen Frau. Der Staub auf ihrem Gesicht war leicht verschmiert und ihre langen Haare, waren immer noch wirr und ungekämmt. „Sollen wir heute Abend gemeinsam ein Bad nehmen?“, fragte ich und erklärte gleich weiter, „ich habe den Wirt gerade gebeten, mir nach dem Abendessen eines fertig machen zu lassen. Vermutlich passen wir gemeinsam in die Wanne.“ Überrascht sah Lillie zu mir doch sofort nickte sie begeistert. „Ja klar. Die Idee ist gut. Ich habe ein Bad durchaus nötig“, meinte sie fast schon begeistert. Wieso ich ihr dies anbot, konnte ich selbst nicht einmal richtig beantworten.

Seit wir unterwegs waren, wuchs mir Lillie von Tag zu Tag mehr ans Herz und ich war dankbar, in ihr eine so gute Freundin gefunden zu haben. Sie hatte ihr Versprechen gehalten und niemanden etwas von mir und Leif berichtete. Wie meine Schwiegermutter darauf wohl reagiert hätte? Vermutlich würde sie mich behandeln, wie eine Sklavin, als wäre ich Luft. Wir schwiegen einen Augenblick und jeder schien seine Gedanken kreisen zu lassen. Lillies Worte drangen in meinen Kopf. Sie wollte alleine sein. Auch sie hatte seit Wochen keinen ruhigen Moment mehr gehabt, schließlich war sie immer bei ihren Eltern gewesen.

„Ich glaub, ich zieh mich mal etwas zurück“, meinte ich nachdenklich und streckte meine Glieder. Immer noch schmerzen die Muskeln und nun, wo man nicht mehr auf einem Pferd saß und einfach nichts mehr zu tun hatte, kam eine bleierne Müdigkeit mit einem Schlag. „Schmeckt das eigentlich?“, wollte ich von der Rothaarigen wissen und nickte zu dem Getränk. Sie nickte und grinste leicht, während sie mir kommentarlos den Bierkrug entgegen schob.

Unschlüssig nahm ich den schweren Krug zur Hand und hob ihn an. Ich roch an dem dunklen Bier und wie zu erwarten war, roch es stark nach Hopfen. Den Krug an die Lippen setzten, trank ich einen Schluck des dunklen Getränkes.

Ich verzog leicht das Gesicht. Das war nicht mein Getränk, wie ich feststellte. Es schmeckte zu bitter. Ich schob Lillie den Krug zu und schüttelte den Kopf. „Das ist nicht meins“, sagte ich grinsend und strich mit den Handrücken über meine feuchten Lippen. Sie lachte leise und zuckte mit den Schultern, als sie sich kommentarlos einen weiteren Schuck des Getränkes genehmigte. Wie ich sie so beobachtete erinnerte sie mich in diesem Augenblick sehr an ihren Bruder.

Ich verabschiedete mich und ging hinauf in unser Zimmer. So wie Lillie, brauchte auch ich tatsächlich einfach einen Augenblick für mich. Ich brauchte und wollte etwas Ruhe haben. Seit wir unterwegs waren, hatte ich diese Ruhe sehr vermisst. Ich spürte, was es für ein Luxus war, einfach die Tür hinter sich zuzuziehen und die Welt einfach auszusperren. Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus und öffnete meine Weste und ließ sie auf der Betttruhe nieder.

Wieso hatte ich Ragnar geküsst? Wieso? Vielleicht, war es einfach der Augenblick gewesen, der mich dazu bewogen hatte. Meine Gedanken kreisten und konnten diese Frage einfach nicht beantworten. Ich kannte das Gefühl von Liebe und Zuneigung und das was ich für Ragnar empfand war weder ehrliche und aufrichtige Zuneigung noch Liebe. Er war kein schlechter Mensch und ich hasste ihn auch nicht, doch Gefühle, wie man sie eigentlich für seinen Mann fühlen sollte, waren es nicht. Doch so sehr ich versuchte meine Gedanken zu sortieren, stellte ich fest, dass ich es nicht schaffte.

Es war mir gleich, dass meine Kleidung staubig war, als ich mich in das Bett legte. Es war einfach angenehm, diese Ruhe zu spüren. Tief atmete ich ein und aus, hörte die Menschen auf der Straße, die Geräusche von Karren, die über diese gezogen wurden drangen an meine Ohren. Meine Gedanken flogen durcheinander, brachten mich zu Leif, zu meinen Eltern, meinem Bruder, aber eigentlich wollte ich gar nicht denken. Und wie ich den Geräuschen des Dorfes lauschte, merkte ich gar nicht wie mein Geist sich von meinem Körper löste und mich die Dunkelheit mit ihren langen Armen einfing und hinab in ihre tiefen zog. Sie war so einladend. Tiefer und tiefer wurden meine Atemzüge und ich spürte, wie mein Puls immer ruhiger wurde.

Meine Gedanken formten sich zu Träumen. Ich träumte von meiner Heimat, träumte, dass ich in meinem Zimmer meinem Zimmer lag, erschöpft von meiner letzten Jagd. Ich war wieder im Kreise meiner Familie und meines alten Lebens.

Der Traum wandelte sich und plötzlich war ich bei Leif und wie er mir vorwarf, schwach zu sein. Wie wütend er war, dass ich mich benahm wie eine Hure. Wütend schrie er meinen Namen. Er wollte mich schlagen, mich die Frau die er liebte. Erschrocken fuhr ich auf, als mich eine Hand berührte. Ich keuchte und erschrocken setzte ich mich auf. „Thalia“, sagte Ragnars tiefe Stimme und ich erkannte ihn erst nicht. Verwirrt blinzelte ich ihn an und mein Blick glitt suchend durch den Raum. „Du scheint ja wirklich sehr fertig zu sein, Prinzessin“, kommentierte er und setzte sich zu mir. Verwirrt sah ich zum Bett. Ich war wirklich eingeschlafen, stellte ich fast schon verwundert fest. Die Decke hatte ich halb auf mich gelegt und das Kissen war zerdrückt.

Ich strich über meine Augen und nickte leicht. „Ja“, sagte ich mit erstaunlich kratziger Stimme, „ich wollte gar nicht einschlafen. Habe ich gar nicht gemerkt“ Ich hörte ihn lachen und als ich zu ihm blickte zuckte er mit den Schultern. Er strich mir eine meiner blonden Strähnen aus dem Gesicht und steckte sie mir hinter mein Ohr.

„Nicht schlimm, Prinzessin“, raunte er und ich sah, wie er seinen Bart begann zu flechten. Ich stöhnte leise und ein wenig gequält auf, während ich mir über die Augen strich. Erneut nannte er mich Prinzessin und tatsächlich, ließ es mich schmunzeln. Meine Augen betrachteten, dass markanten Gesicht und glitten an dem langen haarigen Gebilde entlang. „Muss der Bart eigentlich so lang sein?“, fragte ich leise und nachdenklich, während ich ihm dabei zusah, wie er den Bart vernünftig und ordentlich flocht.

Er nickte und stirnrunzelnd zu mir sehend sagte er: „Ist doch männlich.“ Er klang, als sei damit alles gesagt. Es schien ihm wahrlich viel an diesem haarigen Monstrum zu liegen. Ich nickte gedankenverloren und runzelte die Stirn. Ich hatte mitbekommen, dass alle Männer im Norden Bart trugen. Einfach so würde er ihn sicherlich nicht kürzen, oder gar abschneiden.

„Hm… kürzer wäre schöner… finde ich“, sagte ich nachdenklich und stand langsam von dem Bett auf. Er brauchte den Bart nicht, um männlicher zu wirken. Seine Größe ließ ihn alles andere, als unmännlich wirken. Die Tattoos und der breite Körper ließen daran sicher auch keinen zweifeln. Ich beobachtete, wie sich Ragnar über den Bart strich. Tatsächlich hatte es für einen Augenblick den Eindruck als dachte er darüber nach, sich den Bart abzuschneiden. Ob ich ihn dazu je würde bewegen können? Ich war mir unschlüssig. Er schüttelte den Kopf und raunte bestimmend: „Nein, der bleibt…. Los komm, wir wollen essen. Alle warten auf uns.“

Wir gingen hinunter in den Schankraum und der Wirt hatte eine lange Tafel aufbauen lassen. Drei Tische standen aneinander gerückt. Krüge waren verteilt und an einem leeren Stuhl konnte ich einen Bierkrug sehen. Vermutlich war dieser für meinen Mann gedacht. Alle unsere Mitreisenden sahen uns fast schon erleichtert an, als wir uns zu ihnen setzten. Ich konnte mir denken, dass ihnen der Magen in den Kniekehlen hing. Die anderen Gäste, vermutlich alles einheimische, saßen am Tresen und redeten untereinander. Ich bemerkte wie einige der Männer mir, mit ihren Blicken, durch den dunklen Schankraum folgten. Es war nie ungewöhnlich für mich gewesen und so fiel es mir auch jetzt nur kurz auf. Anders als die Menschen in unserer Runde trug ich weder Felle an meiner Kleidung noch waren die Stoffe dick, welche meinen Körper kleideten. Ob mir die Kleidung der Frauen im Norden zusagte würde vermutlich die Zeit zeigen.

Höflich grüßte ich in die Runde hinein und ließ meinen Blick über den Tisch schweifen. Das Essen war eine ruhige Angelegenheit. All schienen froh zu sein, endlich essen zu können. Viel geredet wurde nicht. Ich saß neben meinen Mann und zu meiner Linken saß Olaf, einer der Brüder von Gunnar. Mir gegenüber saß meine Schwiegermutter. Sie wirkte zornig. Ihre Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammen gepresst und missmutig aß sie den Schweinebraten, den es heute zum Essen gab. Das Brot und das Gemüse waren gut und ließen unsere Mägen schnell voll werden. Wie froh ich war, dass ich nicht kochen musste, konnte sich sicher keiner vorstellen.

Inga schluckte einen Bissen hinunter und prüfend betrachtete sie mein Gesicht. „Sag mal“, begann Inga mit einer schneidenden Stimme und blickte zu mir hinüber, „Wieso hast du deine Kleidung und die eines Sohnes nicht selber gewaschen? Ich hoffe, du sagst jetzt nicht, dass du nicht mal Kleidung waschen kannst! Alles, kann ich dir auch nicht beibringen.“ Verblüfft sah ich zu meiner Schwiegermutter und konnte nicht anders, als sie verwirrt anzustarren. War dies nicht meine Sache? Ich hatte sie weder gebeten, mir zu zeigen, wie man kochte, noch würde ich sie bitten, mir zu zeigen, wie ich meine Wäsche waschen sollte! Wir hatten zwar auch für so etwas Hausangestellte, doch war ich schließlich nicht dumm! Die Lippen leicht schürzend wollte ich gerade etwas sagen.

Doch auf einmal, spürte ich Ragnars Hand auf meinem Oberschenkel und automatisch glitten meine Augen zu ihm. Ich konnte den Blick Ragnars schlecht deuten. Ich hätte am ehesten als genervt beschrieben. Seine grünen Augen waren verengt und sein Mund hatte einen strengen Zug bekommen. „Mutter“, sagte er ernster und eindringlicher, als ich angenommen hatte, „das war mein Wunsch, dass sie die Kleidung abgibt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du hättest ja auch fragen können. Deine Kleidung wäre von ihnen sicher auch gereinigt worden.“ Ich sah, wie sie die Zähne aufeinander biss und sprachlos starrte ich hinauf in das Gesicht meines Mannes. Auf meinen Mann ließ sie nichts kommen, dass hatte ich schnell verstanden. Ob es daran lag, dass sie bereits ein Kind verloren hatte, oder ob sie es gar nicht mitbekam, dass wusste ich nicht. Doch etwas gänzlich anderes erweckte meine Aufmerksamkeit!

Ohne, dass ich es wollte, ergriff Ragnar Partei für mich. Ich war tatsächlich sehr überrascht. Leicht zuckten meine Mundwinkel, doch konnte ich mich jetzt schlecht bei ihm bedanken. Ich fand, dass dies zu auffällig sei. Schließlich hatte er gerade gesagt, dass er die Sachen reinigen lassen wollte. Da wäre ein Danke, sehr auffällig gewesen, in meinen Augen.

Unsere Blicke trafen sich und als ich ihm kurz anlächelte neigte er sein Haupt leicht und auch seine Mundwinkel verzogen sich zu einer freundlichen Linie. Doch ein Blick in die Augen meiner Schwiegermutter reichte aus um zu wissen, dass sie damit vollkommen unzufrieden war. Doch wieso eigentlich? War es nicht unsere Entscheidung, wie wir was machten? Reichte es nicht schon aus, dass sie mich dazu nötigte kochen zu lernen? Anscheinend nicht. Ich hoffte, es würde nicht so anstrengend werden, wenn wir endlich in Ragnars Dorf ankamen.

Allerdings schaffte es meine Schwiegermutter nicht, die Stimmung am Tisch zunichte zu machen. Gunnar und Sven schienen es gar nicht mitbekommen zu haben. Tatsächlich wurde die Stimmung erstaunlich ausgelassen. Gunnar und seine Bruder erzählten lustige Geschichten, die fast alle damit endeten, dass einer von ihnen, Schläge auf den Hintern bekommen habe. Ich kicherte, als ich dies hörte. Dagegen waren mein Bruder und ich wahre Engel gewesen. Nur unsere alten Lehrer würden etwas anderes behaupten.

Ich bemerkte, wie ein Krug Bier nach dem anderen geleert wurde und leise fragte ich Ragnar: „Wieso trinkst du so viel?“ So viel Bier, wie er in sich hineinkippte, fand ich es erstaunlich, dass er noch klar sprechen konnte. Er grinste mich leicht an. Es wirkte, als habe er diesen Spruch schon sehr häufig gehört und als er sprach, konnte ich das Bier an ihm riechen. „Das ist doch nur ein kleiner Nachttrunk. Nichts Schlimmes. Solltest du vielleicht auch mal versuchen“, sagte er mit deutlicherer Stimme, als ich ihm zugetraut hätte. Ich schüttelte den Kopf. Einen Kater war das Letzte was ich bei so eine Reise brauchte.

„Ich werde gleich Baden“, meinte ich und nickte zu Lillie, „wir ziehen uns gleich zurück.“ Zu seiner Schwester blickend nickte er und meinte lachen: „Die gehört ja auch eigentlich schon ins Bett!“ Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, wie ich ihn hörte. Schon während der Reise war mir aufgefallen, wie gut, Bruder und Schwester miteinander auskamen. Sie verstanden sich wirklich gut und schienen ein enges Verhältnis zu haben. Ich fragte den Wirt, als er erneut volle Bierkrüge bracht, ob das Bad fertig sei. Er blickte hinüber zu seiner Frau und meinte, dass er nachfragen wolle.

Ich zwinkerte zu Lillie und scherzte: „Ob er es wohl vergessen hat?“ Auch sie schmunzelte und zuckte mit ihren schmalen Schultern.
 

Tatsächlich hatte es noch fast eine dreiviertel Stunde gedauert, bis der Wirt wieder kam und erklärte, dass das Bad nun fertig sei. Gemeinsam mit Lillie folgte ich dem Mann in einen anderen Raum. Neben der Treppe, welche hinauf in die Schlafräume führte, war eine Tür durch welche wir hindurch gehen konnten. Es war ein schmaler und dunkler Gang. Kerzen ließen ihn erstrahlen, doch ich blickte mich nicht um. Ich spähte über die Schulter des Mannes, als er eine weitere Tür öffnete und stöhnte zufrieden innerlich auf. Der Fußboden des Waschraums war mit Steinen ausgelegt und hatte einen Abfluss, vermutlich floss das Wasser hinter das Haus. Er schien etwas tiefer als der Fußboden des Flures zu sein, sodass Wasser leicht abfließen konnte. Grau waren die Steine und gemeinsam mit Lillie betraten wir den Raum. Vermutlich war dieses Bad ein wahrer Luxus in diesem Dorf. Vielleicht verdiente er hiermit auch Geld, in dem er Dorfbewohner und Reisenden dies zur Verfügung stellte.

Der hölzerne Waschtrog war groß genug für einen Mann. Doch ich vermutete, dass Ragnar mit seiner Größe Probleme hätte, hier seine Beine auszustrecken. Für Lillie und mich sollte es vollkommen ausreichen. Auch, wenn es dann doch enger werden würde, als ich annahm. Das Wasser im Waschtrog dampfte und ich sah lächelnd hinein, denn ich freute mich schon auf das Bad. Ich hatte keine Probleme, mich vor Lillie zu entblößen und so stieg ich schnell aus meiner Kleidung, hinein in das sehr warme, fast noch heiße Wasser.

„Uh“, sagte ich und eine Gänsehaut zog sich über meinen Körper, „Das Wasser ist sehr heiß!“ Ich keuchte leise auf, als ich mich gänzlich in das heiße Wasser gleiten ließ. Lillie grinste zufrieden und ich konnte mir denken, dass sie sich auf das warme Wasser freuen würde. Vermutlich wie ich selbst! Ich atmete durch und zwang mich, meinen Körper unter Wasser zu drücken. So lange, ich noch alleine war wollte ich meine Haare und mein Gesicht in dem Wasser reinigen. Ich konnte es regelrecht fühlen, wie der Schmutz, der Staub von meinem Körper hinuntergespült wurde. Schnell durchbrach mein Kopf die Wasseroberfläche und zufrieden seufzte ich auf. „Das tut gut“, meinte ich und zog die Beine ein, damit Lillie in dem Waschtrog Platz hatte. Es war ein fast schon berauschendes Gefühl, endlich wieder richtig sauber zu werden. Auch Lillie keuchte leise auf, als sie sich langsam in das Wasser gleiten ließ. „Uh… du hast echt Recht“, meinte sie schmunzelnd, „Wirklich warm!“ Auch sie wusch sich gleich das Gesicht und als ich in das Wasser sah bemerkte ich: „Schau dir an, wie trüb das durch uns beide geworden ist… Das ist nicht schön zu wissen, dass der ganze Dreck auf unseren beiden Körper war!“ Auch Lillie verzog das Gesicht. Sie strich mit der Hand durch das warme Wasser und ließ es aus ihrer Hand hinunter in das Becken fließen.

„Ja, so dreckig war das Badewasser sonst immer, wenn ich als Kind draußen im Dreck gespielt hatte“, stellte sie lächelnd fest und ausversehen trat sie mich am Bein. Es war nicht schlimm, denn die Wanne war einfach beengt und irgendwie, fand ich es lustig mich mit ihr in diesen Trog zu quetschen. Ich lehnte meinen Kopf an das Holz hinter mir und seufzte zufrieden auf. „Wieso müssen die Männer eigentlich immer trinken, als ob es kein Morgen gibt?“, fragte ich ruhig, während ich die dunkle Holzdecke betrachtete. Ich konnte mir denken, dass über diesen Waschraum die privaten Gemächer des Wirtes und seiner Familie waren. Auch ich ließ meine Hände durch das Wasser gleiten und berührte dabei versehentlich Lillies Knie.

„Weil sie in ihrem Magen ein Fass ohne Boden haben, wenn es um Bier geht“, scherzte sie herum und als wir einander ins Gesicht sahen, konnte ich sehen wie sich ihre Lippen zu einem frechen Grinsen verzogen. Grübchen erschienen in den Wangen der jungen Frau. Ich mochte ihre Art einfach von Tag zu Tag mehr. „Das erklärt vieles“, griff ich ihren Scherz auf und strich mir mit einer Hand über meinen Arm.

Wir schwiegen kurz und schienen beide die Ruhe zu genießen. Ich betrachtete Lillie und sah auf ihren Arm das schwarze Tattoo. Die Stirnrunzelnd fragte ich: „Tat es eigentlich weh, sich dieses Muster in die Haut malen zu lassen“ Lillie folgte meinen Blick und strich sich über das Muster auf ihren Oberarm. Den Kopf schüttelnd verneinte sie. „Ich fand nicht. Willst du dir auch so etwas machen lassen? Wir haben viele in unserem Dorf die diese Kunst beherrschen. Und es wird gestochen und nicht gemalt“, erklärte sie und setzte sich auf.

„Und das soll wirklich nicht weh tun?“ fragte ich entsetzt und Lillie schüttelte sogleich den Kopf. „Nein“, meinte sie und grinste mich an, „überhaupt nicht. Eine Nadel wird in die Farbe getunkt. Die ist an einem langen Holzstück befestigt. Die Nadel wird dann unter Klopfen unter die Haut gebracht.“ Entsetzten zeichnete sich auf meinem Gesicht wieder, als ich ihre Worte lauschte. Das konnte doch nicht ihr ernst sein! „Du kannst mir nicht weis machen, dass dies nicht weh tut“, sagte ich Kopfschüttelnd und ich erschauderte, als ich mir diese Prozedur vorstellte. Sie lachte und schüttelte nur den Kopf.

Meine Augen glitten an ihrem Körper entlang und ich stellte fest, dass sie in spätestens einem Jahr eine wahrlich schöne Frau sein würde. Ihre Brüste waren noch recht klein und ließen sie doch fraulich wirken. Erneut glitt mein Bick zu ihrem Arm und langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich glaube ich will so etwas nicht haben“, sagte ich und doch etwas zögerlich. Mir gefielen diese Zeichnungen wesentlich besser, als ich es eigentlich zugeben wollte. Doch zu schmerzvoll klang die Prozedur. Sie grinste leicht und es war sicherlich keine Kunst, meine Unsicherheit aus meiner Stimme zu eruieren. Doch sie ging nicht weiter darauf ein, zuckte nur mit ihren schmalen Schultern und meinte: „Wenn du es dir irgendwann anders überlegen solltest, gibt es jedenfalls genug Menschen in unserer Heimat, die dir sicher helfen können.“ Ich nickte und strich mir meine Haare über meine Seite.

Ich sah, wie Lillie ihren Kopf unter das Wasser drückte. Vermutlich wollte sie auch endlich den restlichen Dreck von ihrem Körper waschen. Ihre langen, durch das Wasser, nun glatten Haare schienen einige Nuancen dunkler, als noch zuvor. „Sag mal“, begann Lillie und zwirbelte fast schon nachdenklich eine lange rote Mähne zwischen den Händen hin und her, „wie ist mein Bruder eigentlich so… Also als Ehemann.“ Wachsam wurde mein Blick. Ja, Lillie war mir eine Freundin geworden und doch war dieses Pflänzchen noch sehr zart und die Wurzeln konnten sich noch nicht tief verankern. Ich wusste nicht genau, wie ich diese Frage deuten sollte.

Ich wollte nichts Falsches sagen, nicht lügen und ihr aber auch gleichzeitig nicht vor den Kopf stoßen. Eine komische Ambivalenz in meinem Inneren. Ich zog nachdenklich meine Brauen zusammen und strich mir mit den Fingern durch die Haare.

Sie war Ragnars Schwester, meine Schwägerin und doch, wie ich über die Frage nachdachte formte sich langsam eine ehrliche und doch fast schon neutrale Antwort in meinem Kopf: „Hm, wie ist er, als Ehemann…. Meistens eigentlich sehr nett und auch erstaunlich hilfsbereit und ab und zu…. Na ja ab und zu habe ich einfach das Gefühl, dass wir sehr unterschiedliche Meinung von all dem haben… Ich glaube, dass er mich nicht einfach so zur Jagd lassen will, als Beispiel… Ich will auch nicht, dass er mich sieht, als gehöre ich ihm.“ Nachdenklich nickte meine Schwägerin und auch ihre Hand entwirrte ihre langen roten Haare.

„Hm… früher war Ragnar anders, als heute. Die Arbeit verändert die meisten Krieger“, meinte Lillie nachdenklich und langsam nickte ich. Ja, dies war mir nicht fremd. Auch unsere Krieger hatte das Geschehen verändert. Ich hatte gehört, dass viele nicht mehr schlafen konnten und dass es vielen schwer fiel, das Geschehene zu vergessen. Ich hatte Ragnar nie darauf angesprochen, was er gesehen hatte und was er in seinem Leben alles erleben musste. Irgendwie hatte ich das Gefühl als stünde mir dies einfach nicht zu.

„Wie war er den früher?“, fragte ich nach einem Moment der Stille. Lillies Augen blitzen in meine Richtung und nur kurz sah sie in die Meinen. Sie seufzte schwer, als tat sie sich schwer eine passende Antwort zu formulieren.

Sie biss sich leicht auf ihre Lippen und runzelte ihre glatte Stirn. „H…Er hatte…“, stammelte sie etwas und erst nach wenigen Augenblicken schien sie ihre Stimme wiedergefunden zu haben. „Er war anders“, erklärte sie mit ruhiger, aber leiserer Stimme als vorhin, „er war immer ein toller Geschichtenerzähler und das macht er auch heute noch. Alle Kinder lieben es, wenn er Geschichten erzählt. Doch damals erzählte er Zuhause auch andere Geschichten. Du weißt selber, dass Krieg nichts Schönes ist… Und du weißt auch, dass im Krieg Sachen geschehen, die unmenschlich und verwerflich sind. Ich weiß, dass Ragnar selbst einige Taten vollbracht hat… na ja, für die er sicher belangt worden wäre. Doch irgendwann, ganz plötzlich hat er sich gewandelt. Er hatte immer gerne geprahlt mit seinen Taten, ob gut oder schlecht. Doch plötzlich ist er einfach anders geworden. Er wurde viel achtsamer… Doch seine erste Geliebte… na ja, sie hat ihm nicht alle seine Taten verziehen.“

Stille legte sich über unser Gespräch und ich war sprachlos. Was sollte ich darauf auch erwidern? Ich wusste es einfach nicht. Sie hatte ihm seine Taten nicht verziehen? Was sollte ich dazu sagen? Was sollte dies bedeuten? Hatte er sie geschlagen? Ich erinnerte mich an unseren Streit und ich erinnerte mich deutlich, wie sein Arm gezuckt hatte. Damals schon, hatte ich mich gefragt, ob er dies tun würde. Doch ich erinnerte mich auch an den Satz aus seinem Mund: ich würde nicht wissen, wie sich eine Vergewaltigung anfühlen würde. Hatte er diese schreckliche Tat bei seiner ersten Geliebten gemacht? Doch Lillie hatte mir doch gesagt, dass er ein netter Kerl sei.

Ein Schauer zog sich meinen Rücken hinunter. Nie, hatte er auf mein Unbehagen Rücksicht genommen. Er hatte sich genommen, was er sollte. Doch nicht, mit physischer Gewalt. Ich atmete schwer durch und strich mir durch das Gesicht.

„Mein Bruder hat sich geändert, er ist ja auch nicht mehr so jung“, meinte Lillie und ernster sagte sie, „er hatte mir gesagt, dass er sich für eure Ehe Mühe geben will. Oder hat er das nicht?“ Ich nickte und war doch in Gedanken versunken. Wollte ich wissen, was er alles früher gemacht hatte? Oder war es sinnvoller nicht über alles Bescheid zu wissen?

Es dauerte einen Augenblick, bis ich meine Stimme wiedergefunden hatte. „Doch Lillie“, antwortete ich nach einem Moment, „das hat er. Nur… er tut sich ab und zu schwer ein ´Nein` zu akzeptieren. Versteh mich nicht falsch… er tut mir nicht weh, oder so. Doch trotzdem ist nein, nicht immer nein, für ihn. Er meint kennenlernen und vertragen kann man am besten im Bett…“

Ich hörte, wie sie schwer seufzte und ich war überrascht, als sie meinem Blick auswich. Verlegen klang ihre Stimme, als sie leise sagte: „Das meinen bei uns die meisten Männer. Vielleicht ist mein Bruder doch nicht so toll… wie ich immer meine… Thalia... Ich glaube kaum, dass er dir wehtun will, oder wird und wenn doch, lese ich ihm mal gewaltig die Leviten.“

Überrascht, ja fast schon schockiert sah ich Lillie in die Augen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie nicht einfach so auf seiner Seite war. Immerhin hatten sie doch Augenscheinlich ein so gutes Verhältnis zueinander. Blut war schließlich immer dicker, als Wasser. Doch vielleicht vertat ich mich auch. Lillie schien einen ehrlichen Blick auf meinen Mann zu haben. Einen ehrlicheren, als meine Schwiegermutter. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie so etwas ihrem Sohn zutrauen würde.

„Du bist echt toll, Lillie“, sagte ich mit erstaunlich sanfter und liebevoller Stimme. Sie als wahre Freundin zu haben, was ein gutes und schönes Gefühl.



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