Paul MacLain der Privatschnüffler von BlueGenie1974 (Ein ehemaliger SAS-Offizier als Privatdetektiv) ================================================================================ Kapitel 12: 12. Fall - Betrugsvorwürfe in der MotoGP ---------------------------------------------------- 12. Fall – Betrugsvorwürfe in der MotoGP Unser zweiter Fall im Jahr 2019 führte Jelena und mich nach Italien. Es war Februar geworden. Noch ahnten wir nicht, wer uns aufsuchen würde. Brit war schon im Büro, als Jelena und ich dort eintrafen. „War heute schon was besonderes Brit?“, fragte Jelena. „Nicht die Bohne. Langweilig wie immer.“ Wir hatten gerade begonnen, unsere Laptops hochzufahren, als es an der Tür klopfte. Brit öffnete und ließ unseren Besucher herein. Ich sah mir den Mann genauer an. Er war 1,82 m groß und hatte eine athletische Figur. In seinem runden Gesicht konnte ich grünbraune Augen entdecken, die einen eiskalten Blick, ähnlich dem eines Huskies, besaßen. Die braunen Haare hatte der Mann kurz geschoren und waren auf beiden Seiten vor den Ohren als Koteletten ausgeprägt. Am linken Ohr trug unser Besucher einen Ohrring. Bekleidet war er mit einer Jeans, einer schwarzen Lederjacke weißen Tennissocken und schwarzen Sportschuhen. Ich erkannte sofort, wer uns an diesem Mittwoch seine Aufwartung machte. Es war Valentino Rossi. Spitzname „The Doctor“. Den Moto GP-Piloten schien etwas zu beschäftigen, denn er kaute nervös auf seinen Fingernägeln. „Bin ich hier richtig bei Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte er. „Das sind Sie in der Tat. Bitte setzen Sie sich doch. Können wir Ihnen etwas zum Aufwärmen anbieten?“ „Mille Grazie.“ „Was darfs denn sein?“ „Ein Latte Macchiato.“ „Mach ich Ihnen sofort.“, sagte Brit und bediente unsere neue Kaffeemaschine. „Was können meine Partnerin und ich für Sie tun, Signore Rossi?“ „Seit Beginn des Jahres wird behauptet, ich hätte all meine Erfolge nur durch Manipulation und Betrug errungen.“, sagte der Motorradrennfahrer. „Haben Sie einen konkreten Verdacht?“ „Mir fällt nur einer ein. Danilo Batista. Ein Nachwuchsfahrer aus Portugal.“ „Was hat er davon, dass er Sie so verleumdet?“ „Er ist scharf auf einen Stammplatz. Sehen Sie, von der Performance her ist Danilo gut. Er hat eine gute Pace und auch einen schnellen, aber sauberen Fahrstil. Das Dumme ist nur, er ist ein Pay Driver.“ „Und die sind nicht gerne gesehen.“, vermutete Jelena. „Das ist korrekt.“ „Gestatten Sie mir eine Frage. Was muss ich unter dem Begriff Pay Driver verstehen? Ich bin Laie, was Motorsport angeht, deshalb frage ich.“ „Schon Okay. Ein Pay Driver ist ein Fahrer, der viele Sponsorengelder mitbringt. Ich möchte ein konkretes Beispiel nennen. Marcus Ericsson, der in der Formel 1 bei Sauber fährt, hat sein Cockpit nur wegen der Sponsorengelder seiner Förderer. Vom Talent her, ist er eher eine Lachnummer. Danilo Batista bringt auch einen fetten Millionenbetrag als Sponsorengeld mit. Aber er kann was. Aber diese Pay Driver sind wirklich nicht gerne gesehen.“ „Darf ich fragen warum?“ „Das ist ganz einfach. Die Pay Driver nehmen talentierten Nachwuchsfahrern die Cockpits, in unserem Fall sind es die Stammplätze in den Teams, weg und verhindern so, dass sich der Nachwuchs weiterentwickeln und für höhere Aufgaben empfehlen kann.“ „Aber was hat Danilo Batista davon, dass er Ihnen so schadet?“, fragte ich. „Wie ich schon sagte, er will einen Stammplatz. Mein Rennstall hat ihm einen Vertrag als Test- und Entwicklungsfahrer angeboten. Aber das war ihm zu wenig.“ 143 Kurz darauf kam Brit mit dem Latte Macchiato zurück. „ Venligst meget.“, sagte sie. „Mille Grazie, Bella Donna.“ Mit dieser Erwiderung hauchte Valentino Rossi Brit Olson einen Handkuss auf die Hand. Jelena räusperte sich. „Entschuldigen Sie, Mr. Rossi Aber sind Sie nicht hier, um uns ihren Fall zu schildern, oder wollen Sie mit unserer Sekretärin nur Süßholz raspeln?“ „Scusi. Aber la Signorina ist sehr attraktiv.“ „Kommen wir nun zum Grund Ihres Besuchs zurück. Sie sagten, dass Ihr Rennstall diesem Bezahlfahrer einen Vertrag angeboten hat, der nicht seinen Erwartungen entsprochen hat. Hat Mr. Batista denn einen Rennstall gefunden, der ihm das gegeben hat, was er wollte?“ „Hat er. Er fährt eine Suzuki GSX-RR. Der Rennstall für den er in der MotoGP an den Start geht, heißt Largo GP. Das Team hat finanzielle Probleme. Und da kamen die Millionen von Batista sehr gelegen. Also hat man ihn mit Kusshand genommen.“ „Wir würden den Fall übernehmen. Wir müssten uns nur preislich einig werden.“ „Am Honorar soll es nicht scheitern. Ich wäre bereit, 2,5 Millionen Euro zu bezahlen, wenn diese Dreckratte aus dem Verkehr gezogen wird.“ „Das ist doch ein Wort. Wir machen den Job.“ „Ich danke Ihnen.“ „Keine Ursache.Können Sie uns noch sagen, wo die Testfahrten vor der Saison stattfinden?“, wollte Jelena wissen. „In Modena.“ „Können Sie uns ein gutes Hotel dort empfehlen?“. „Das „Le Ville“ ist ein exzellentes Hotel.“ „Wann starten die Testfahrten?“, wollte ich wissen. „In zwei Wochen. Warum fragen Sie, Mr. MacLain?“ „Ganz einfach. Bis dahin wollen wir einen gut ausgearbeiteten Plan haben, wie wir Danilo Batista hochnehmen. Sofern er denn wirklich der Urheber ist. Denn es kann auch sein, dass sein Manager hinter diesen üblen Verleumdungen steckt.“ „Verstehe. Wenn Sie wollen, werde ich für Sie beide einen Gesprächstermin mit dem Präsidenten des Dachverbandes arrangieren.“ „Das wäre sehr freundlich.“ Am Tag nach Valentino Rossis Besuch machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer am Schalter von Al Italia auf und gingen dann zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne große Schwierigkeiten hinter uns brachten. Um 8:10 Uhr startete unser Flieger Richtung Bologna, wo die Maschine nach einer Flugzeit von 1 h 20 Minuten um 9:30 Uhr auf dem Flughafen Gugielmo Marconi landete. Wir holten unsere Koffer und gingen zu einer Autovermietung. Bei Avis mieteten wir uns einen Fiat Tipo Lounge. Der Wagen hatte den 1,6 Liter Multijet Motor mit 120 PS und das 6-Gang-Schaltgetriebe. Lackiert war der Fiat in Amore Rot Metallic und hatte die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen sowie die Bi-Xenonscheinwerfer. Das Interieur war in hellen Farben gehalten. Der Wagen verfügte außerdem über das Sicherheitspaket Plus und das Komfortpaket. Als Sonderausstattung hatte die Autovermietung das U-Connect Live-System sowie 17-Zoll M+S-Reifen mitbestellt. Über die A1 fuhren wir 58 Minuten nach Modena, wo wir um 10:28 Uhr ankamen. Um 10:35 Uhr kamen wir an unserem Hotel an. Das Le Ville war eine Konstruktion aus Beton und Glas, die über einen weitläufigen Park verfügte. Als wir die weiträumige Lobby des Hotels betraten, blickte der Concierge von seinem Rechner auf und sah uns herablassend an. „Sie wünschen bitte?“, fragte er mit einem leicht 144 hochnäsigen Tonfall. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert. Auf Empfehlung von Valentino Rossi, der unser Klient ist.“ „Einen Moment bitte.“ Der Concierge sah im System nach ehe er sagte: „Ah Ja! Da haben wir es. Paul MacLain. Sie haben Zimmer Nummer 300. Jelena Romanova. Sie haben Zimmer 303.“ Nachdem uns der Concierge uns unsere Schlüssel ausgehändigt hatte, bezogen meine Partnerin und ich unsere Zimmer. Um 19:00 Uhr fanden Jelena und ich uns zum Abendessen im Restaurant unseres Hotels ein. Wir wollten es nicht allzu lang werden lassen, da wir am Folgetag zu einem Gespräch mit dem Präsidenten des Motorraddachverbandes FIM, Vito Ippolito, eingeladen waren, welches um 10:00 Uhr auf dem Gelände des Autodromo di Modena stattfinden sollte. Am nächsten Morgen machten Jelena und ich uns auf den Weg zur Rennstrecke. Vito Ippolito, der 66jährige Präsident, des Motorradweltverbands war ein Mann mit einem athletischen Körperbau. Sein rundes Gesicht mit den braunen Augen strahlte eine gewisse Warmherzigkeit aus. Das graue Haar auf dem Kopf des Venezolaners begann sich schon zu lichten. Vito Ippolito trug eine Brille mit einem viereckigen Aluminiumgestell. Bekleidet war er mit einem grauen Anzug, einem hellblauen Hemd, weißen Socken und schwarzen Wildlederschuhen. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Es freut mich, dass Sie beide meiner Einladung gefolgt sind.“ „Wir sind gerne hergekommen. Diese Betrugsvorwürfe von Mr. Batista gegen unseren Klienten dürften Ihnen ganz schön auf die Nerven gehen.“, sagte Jelena, als wir zu dritt die Boxengasse entlang gingen. „Das tun Sie in der Tat. Allerdings bringt nicht Danilo Batista die Vorwürfe vor, sondern sein Manager.“ „Was hat er davon?“, fragte ich. „Das Management erhofft sich, dass Valentino Rossi bei seinem Rennstall in Ungnade fällt. Sehen Sie, die Suzuki GSX-RR, die Danilo Batista in dieser Saison fahren wird, ist der Yamaha von Rossi unterlegen. Der Rückstand beträgt grob geschätzt 2,5 Sekunden.“ „Das ist schon eine Hausnummer.“ „Das heißt, Danilo Batista hätte unter regulären Bedingungen keine Chance auf einen Platz auf dem Podium.“, sagte Jelena. „So ist es. So wie es jetzt aussieht, kommt er noch nicht mal in die Top 10.“ „Wieso ist die Suzuki eigentlich so langsam, Mr. Ippolito?“, wollte Jelena wissen. „Es ist kein 2019er Modell. Dieses Bike ist von 2017.“ „Eines würde mich interessieren. Wieso stellt Suzuki Danilo Batista keine aktuelle Maschine zur Verfügung?“ „Weil er ein Pay Driver ist. Sie wissen, was gemeint ist, Mr. MacLain?“ „Mr. Rossi hat es uns erklärt.“ „Kein Hersteller hier in der MotoGP gibt einem Pay Driver freiwillig ein aktuelles Bike.“ „Warum denn dieses?“ „Das ist ganz einfach. Pay Driver sind in sämtlichen Rennserien unbeliebt und man versucht schnell, sie wieder loszuwerden. Und das schafft man nur, indem man solchen Fahrern nicht dasselbe Material an die Hand gibt, wie einem Superstar wie Valentino Rossi oder einem Marc Marquez.“ „Mr. Rossi sagte uns bei seinem Besuch in unserer Detektei, dass Danilo Batista durchaus das Talent und auch die Pace mitbringt.“ „Und damit hat er nicht ganz unrecht. Batista hat letztes Jahr bei den Tests gezeigt, dass er in der Lage ist, 145 um die Fahrer-WM mitzufahren, wenn man ihm ein 2019er Modell gibt. Der Knackpunkt sind die fetten Sponsorengelder, die er mitbringt.“ „Was müsste passieren, damit Danilo Batista bei einem Top Team einen Stammplatz bekommt?“ „Seine finanzielle Mitgift müsste wegfallen.“ Später am Tag trafen wir noch zufällig Danilo Batista. Der junge Portugiese war 1,91 m groß und besaß einen athletischen Körperbau. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und der mittelmäßigen Nase besaß noch einen leichten Drei-Tage-Bart. Die dunkelbraunen Haare hatte der Pay Driver kurz geschnitten, dass seine Segelohren deutlich zu sehen waren. Bekleidet war er mit einer schwarzen Winterjacke, einer blauen Jeans und dicken Winterstiefeln. Der Blick in seinen Augen verriet, dass Danilo Batista angesäuert war. „Stimmt irgendwas nicht?“, fragte ich. „So einiges. Mein Rennstall hat nur ein 2017er Modell der Suzuki GSX-RR für mich bekommen.“ „Und das wurmt sie, nehme ich an.“ „Na aber so was von glaub mir.“ „Wir haben uns mal umgehört. Und von daher wissen wir, dass Sie ein sogenannter Pay Driver sind.“, sagte ich. „Und wir wissen, dass Fahrer wie Sie nicht gerade beliebt im Motorsport sind.“ „Alles alte Hüte.“ „Mir scheint, es geht Ihnen auf die Nerven, dass die Sponsorengelder, die Sie mitbringen, Ihnen zum Verhängnis werden.“ „So gesehen, haben Sie recht, Mr...“ „MacLain. Paul MacLain. Die Lady ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Na sieh mal einer an. Die beiden härtesten Privatschnüffler Europas.“ „Nun aber mal zurück zum Business. Warum erheben Sie Betrugsvorwürfe gegen unseren Klienten Valentino Rossi?“ „Moment mal. Hab ich da eben richtig gelauscht? Valentino Rossi schiebt mir die Schuld in die Schuhe? Na der kann was erleben.“ „Immer sachte mit den jungen Pferden. Sie sagen, Sie waren es nicht. Wer aber war es dann?“ „Na mein Onkel. Er ist mein Manager und auch zugleich mein Geldgeber. Ihm gehört die größte Sardinenfabrik in ganz Portimao.“ „Sie scheinen Ihren Onkel ja nicht gerade sehr zu mögen.“ „Papa hat Recht. Onkel Joao ist ein echter Schwanzlutscher. Zugegeben, ohne seine finanzielle Hilfe hätte ich meine Motorsportkarriere abschreiben können, bevor sie überhaupt begonnen hätte. Aber jetzt ist mein Onkel für mich eher ein Hindernis, als das er mir nützt.“ „Können Sie ihren Oheim denn nicht als Manager und Sponsor absägen?“ „Sie kennen meinen Onkel nicht. Wenn ich ihn als meinen Manager und Finanzier raus schmeiße, kann ich einpacken. Es sei denn, ich finde einen finanzkräftigen Sponsor, der seriös ist.“ „Nehmen wir mal an, es würde meinem Partner und mir gelingen, einen solchen Sponsor ausfindig zu machen, wie würde Ihr Onkel da reagieren, Mr. Batista?“ „Er würde Gift und Galle spucken und alles daran setzen, den Deal zu verhindern.“ „Was für ein mieses Arschloch. Blockiert die MotoGP-Karriere seines Neffen. Ein absolutes No-Go.“ Später am Abend, Jelena und ich waren gerade mit dem Abendessen fertig geworden, trafen wir durch Zufall einen Mitarbeiter der Radisson Hotel-Kette. Wir erzählten ihm die Geschichte von Danilo Batista. „Wenn der Junge wirklich so gut ist, wie man behauptet, dann wird es uns eine Freude zu sein, ihn zu fördern.“, 146 sagte der Mann, der sich uns als Alf Holmquist vorgestellt hatte. „Wir könnten für morgen ein Treffen auf dem Autodromo di Modena arrangieren. Wenn unser Klient einverstanden ist, sollte es möglich sein, das Danilo Batista ein paar Runden auf der Maschine von Valentino Rossi drehen darf.“ Kaum hatte ich meinen Satz zu Ende gesprochen, kam der Yamaha-Pilot zu uns ins Hotel. „Wie laufen Ihre Ermittlungen?“, fragte er. „Wir machen Fortschritte. So wie die Dinge stehen, hatten wir mit unserer Vermutung Recht. Danilo Batista ist nicht der Urheber dieser ungeheuerlichen Vorwürfe. Sondern sein Onkel, der als Manager und als Sponsor zugleich fungiert.“ „Jetzt wird mir einiges klar.“ „Gestatten Sie uns eine Frage, Mr. Rossi?“, fragte Jelena. „Was immer Sie wollen.“ „Wäre es möglich, dass Danilo Batista morgen früh ein paar Runden auf Ihrer Maschine drehen kann, um sein wahres Potenzial unter Beweis zu stellen?“ „Der Grund warum wir fragen, ist, dass die Radisson Hotel Kette an einem Sponsoringvertrag mit Mr. Batista interessiert ist.“ „Jetzt verstehe ich. Sie wollen den Onkel aus der Reserve locken.“ „Genau. Der Onkel soll ruhig für seine Schandtaten bezahlen. Der Neffe hat damit nichts zu tun.“ „Hab nichts gegen, dass Danilo meine Maschine fährt. Ich würde sagen, wir treffen uns morgen früh um 10:30 Uhr auf er Rennstrecke.“ „Einverstanden.“ Am nächsten Morgen trafen wir uns zur verabredeten Zeit mit Alf Holmquist, Valentino Rossi und Danilo Batista. Der Teamchef von Yamaha Motor Racing war zunächst dagegen gewesen, dass ein Pay Driver die Maschine mit der Startnummer 46 fuhr, allerdings hatte er Jelenas Charme nichts entgegenzusetzen. Zuerst drehte „The Doctor“ einige Runden und brannte mit 1:20:183 seine schnellste Runde in den Asphalt. Als nächstes ging Danilo Batista auf die Strecke. Nach einer Aufwärmrunde und zwei langsameren um zum einen ein Gefühl für die Maschine zu bekommen, zum anderen um sich den Streckenverlauf einzuprägen, gab der junge Portugiese Gas und drehte eine schnelle Runde nach der anderen. Am Ende stand für ihn eine 1:20:180 zu Buche. Er war sogar drei tausendstel schneller als Valentino Rossi. Diese Leistung beeindruckte Alf Holmquist. Ein kurzer Anruf in der Firmenzentrale von Radisson in Brüssel genügte, und einem neuen Sponsorenvertrag für Danilo Batista stand nichts mehr im Weg. Am Abend unterschrieb Danilo den neuen Vertrag, der ihm pro Jahr 3,7 Millionen Euro einbringen würde. Um den Deal rechtlich abzusichern und um Danilo Batistas Familie vor etwaigen Racheakten von Seiten des Onkels zu schützen, wurde noch der Anwalt der Hotelkette hinzugezogen. Dieser hatte noch ein Kündigungsschreiben mitgebracht, das er dem jungen Nachwuchspiloten vorlas und ihm auch noch einmal genauer erläuterte. „Klingt gut. Und mir und meinen Eltern wird nichts passieren?“ „Garantiert. Wenn Ihr Onkel irgendetwas gegen Sie oder ihre Eltern und etwaige Geschwister unternimmt haben wir ihn am Kanthaken.“ Die Testfahrten für die MotoGP fanden dann am Freitag, den 15.02.2019 statt. Suzuki hatte aufgrund des neuen Sponsorenvertrags für Danilo Batista seine Meinung geändert und dem jungen Portugiesen doch noch ein 2019er Modell der GSX-RR anvertraut. Dessen Eltern und auch seine kleine Schwester waren extra aus Portimao angereist. Nur einer fehlte. Joao Goncalves, Danilo 147 Batistas Onkel. Ob er etwas von dem neuen Deal erfahren hatte? Die Antwort auf diese Frage sollten Jelena und ich bald erhalten. Denn um 10:45 Uhr rollte ein schwarzer BMW 760 iL auf das Gelände des Autodromo. Der Mann, der aus dem Fond der Limousine ausstieg, war 1,88 m groß und hatte einen kräftigen und athletischen Körper. Seine dunkelbraunen Haare, die das ovale Gesicht einrahmten, trug er offen. Über den gelbbraunen Augen thronten buschige Augenbrauen. Die Nase des Mannes war nicht zu breit und auch nicht zu dünn, was ihr ein elegantes Aussehen verlieh. Die Lippen, von mittlerer Länge wurden von einem dichten, schwarzen Bart eingerahmt. Bekleidet war der Neuankömmling mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd mit schwarzer Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. In seinem Mund steckte eine Zigarre. Das Motorrad seines Neffen war noch unter einer Stoffplane verborgen. „Was machst du denn hier Bruder?“, fragte Joao Goncalves Danilos Vater. „Darf mein Sohn etwa seine eigene Familie nicht einladen?“ „In diesem Fall nein. Als sein Manager kann ich das leider nicht dulden. Verschwinde. Und nimm deine Frau und deine Tochter mit.“ Danilo Batista kam dazu. „Sag mal Onkel, was soll der Scheiß?“ „Ich bin dein Manager und Sponsor, vergiss das nicht. Und da habe ich mir einige Rechte raus genommen. Unter anderem das Recht zu bestimmen, wer der Enthüllung deines neuen Arbeitsgeräts beiwohnen darf und wer nicht. Und deine Eltern und deine Schwester sind nicht erwünscht, Hab ich mich klar genug ausgedrückt?“ „Sie bleiben. Und damit wir uns klar verstehen, Onkel, Widerspruch dulde ich nicht.“ „Ich bin nach wie vor dein Manager. Und ich bestimme. Du tust was ich sage.“ „Wird Zeit, dass sich das ändert.“ „Es ändert sich nichts, ohne dass ich es erlaube.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher, Onkel. Eigentlich wollte ich dir den erst nächste Woche zuschicken, aber wo du schon mal hier bist, kann ich dir meinen Brief auch gleich persönlich geben.“ Mit diesen Worten händigte der junge Portugiese seinem Onkel den Brief mit der Kündigung aus. Dieser wollte den Umschlag öffnen, doch sein Neffe hielt ihn zurück. „Du kannst den Brief auch nach der Enthüllung noch lesen. Dann wirst du die Hintergründe auch besser verstehen.“ Joao Goncalves sah, wie alle anderen mit Spannung zur mit Stoff verhüllten Suzuki. Als Teamchef Giacomo Largo und Danilo Batista die Plane wegzogen, wurde der Onkel leichenblass. Die Maschine war blau und trug den Schriftzug der Radisson Hotelkette. Eigentlich hatte er ein pink-schwarzes Design mit Werbung für seine Sardinenfabrik erwartet. „Was zum Teufel geht hier vor?“, fragte er seinen Neffen. „Lies den Brief, den ich dir gegeben habe. Dann wirst du verstehen.“ Joao Goncalves öffnete den Umschlag und las den Brief. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, Danilo.“, sagte er fassungslos. „Doch. Unsere Wege trennen sich. Du bist als Manager und als Sponsor ausgebootet.“ „So sieht also dein Dank dafür aus, dass ich dich all die Jahre gefördert habe. Emilio!“ „Was ist, Bruder?“ „Dein Sohn hat mich abgesägt. Dafür lasse ich dich ausbluten. Du schuldest mir nach wie vor 1.740.555 €, für 148 die von dir verlangten 51% der Firmenanteile an der Sardinenfabrik. Ich habe dir diese Summe solange erlassen, wie dein Sohn nach meiner Pfeife getanzt hat. Mit seiner Kündigung hat sich das nun geändert. Ich will das Geld. Jetzt sofort und alles. Ist mir egal, ob du finanziell vor die Hunde gehst.“ Eine Frauenstimme kam dazu. „Dreh dich mal zu mir um Onkel.“ Joao Goncalves drehte sich in Richtung der Frau und erstarrte vor Schreck. Denn seine Nichte Joana stand nun vor ihm und hielt etwas rotes in ihren Händen. Ich wusste nur, dass es eine Schlange war. Doch was für eine Art, vermochte ich nicht zu sagen. Dafür hatte meine Partnerin Jelena sofort den Ernst der Lage erkannt. „EINE ROTE SPEIKOBRA!!!“, rief sie entsetzt und wollte ihre Makarow ziehen. Doch es war zu spät. Die Kobra bäumte sich auf und warf den Kopf nach hinten. Ein untrügliches Zeichen, das sie bald Gift spucken würde, Das Reptil ließ seinen Kopf vorschnellen und spie aus der Bewegung heraus eine ordentliche Ladung Gift in die Augen des Sardinenfabrikanten. Das Gift griff sofort die Netzhaut des Onkels von Danilo Batista an. Schon nach kurzer Zeit konnte er nichts mehr sehen. Joao Goncalves wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo man verzweifelt versuchte, sein Augenlicht zu retten. Doch es war hoffnungslos. Das Gift der Speikobra hatte nicht nur die Netzhaut irreparabel zerstört, sondern auch das Gewebe und die Nerven. Als man dem Hauptanteilseigner der Sardinenfabrik mitteilte, dass er nie wieder würde sehen können, bat er die Ärzte um eine kleine Pillendose. Auf seine Anweisung hin wurde sie geöffnet. In der Dose befand sich eine Kapsel, die Joao Goncalves in den Mund gesteckt wurde. Anschließend gab der Portugiese den Ärzten mit einer gebieterischen Geste zu verstehen, dass sie ihn alleine lassen sollten. Als eine Schwester eine Stunde später nach dem Patienten sah, fand sie ihn leblos vor. Der Arzt, den man gerufen hatte, konnte nur noch den Tod feststellen. Joao Goncalves hatte eine Zyankali-Kapsel eingenommen. Später am Abend saßen Jelena und ich noch in der Cocktailbar unseres Hotels und tranken eine Kleinigkeit. Valentino Rossi kam dazu. „Wissen Sie beide schon das neueste?“, fragte er geradeheraus. „Sie werden es uns sicher gleich erzählen.“ „Diese Giftnatter von Onkel hat den Löffel abgegeben.“ „Um den ist es sicher nicht schade.“ „Wie ist er gestorben?“, wollte ich wissen. „Das kann Ihnen nur Danilo Batista beantworten. Aber vieles deutet auf einen Suizid hin.“ „Das ist jetzt aber ein verfrühter Aprilscherz.“ „Genaueres weiß man noch nicht.“ „Mich würde vor allem aber eines interessieren.“, sagte Jelena. „Nämlich wie Joana Batista in den Besitz einer roten Speikobra gelangen konnte.“ „Warum interessiert Sie das, Miss Romanova?“ „Weil man eine Speikobra mal nicht gerade im Zoogeschäft kaufen kann.“ „Ich fürchte, auf diese Frage habe selbst ich keine Antwort. Aber dennoch, Sie beide haben gute Arbeit geleistet. Sie sind jeden Cent ihres Honorars wert.“ Nachdem Valentino Rossi gegangen war, kamen Danilo Batista und seine kleine Schwester Joana. „Wir haben erfahren, dass Ihr Onkel verstorben ist. Wir 149 möchten Ihnen an dieser Stelle unser Mitgefühl aussprechen.“, sagte Jelena. „Tun Sies lieber nicht. Mein Bruder und ich sind froh, dass Onkel Joao tot ist.“ „Wie ist er gestorben?“ „Er hat eine Zyankalikapsel genommen.“ „Also doch Selbstmord.“ „Dito.“ „Ich will nicht unhöflich sein. Aber dennoch muss ich Ihnen die Frage stellen, wie Sie in den Besitz einer roten Speikobra gelangen konnten.“ „Ich bin die Leiterin einer Quarantänestation in Portimao. Dort kommen sämtliche Arten von Tieren an, die von den Zoos aus aller Welt für ihre Zucht ausgesucht wurden. Dieses Exemplar ist für den Zoo von Benidorm bestimmt. Und es wird auch seinen Weg dorthin finden, allerdings mit einem kleinen Umweg über Italien.“ „Sie müssen ihren Onkel ja sehr gehasst haben, wenn Sie ihm so ein Andenken mitgeben.“, sagte Jelena. „Wie würden Sie empfinden, wenn man Sie seit Ihrer Einschulung sexuell missbraucht hätte?“ „Ich denke, ich würde ebensolchen Hass empfinden.“ „Na sehen Sie. Es gab Nächte da bin ich aus dem Schlaf hochgeschreckt und saß schweißgebadet senkrecht im Bett.“ „Ihnen ist schon klar, dass man Sie wegen mutwilliger Körperverletzung belangen kann, Miss Batista?“ „Ich bin mir dessen sehr wohl bewusst, Mr. MacLain. Aber es musste sein. Ich hätte sonst keine ruhige Minute mehr gehabt.“ „Letzten Endes ist doch eh alles Makulatur. Es wird kein Verfahren gegen meine Schwester eröffnet. Aufgrund der Vorgeschichte von Joana verzichtet die Staatsanwaltschaft auf eine Anklage.“ „Das überrascht mich.“, sagte ich. „Es ist aber verständlich Paul. Diese Frau ist mehr oder minder durch die Hölle gegangen. Sie wurde von ihrem Onkel sexuell missbraucht und wird vermutlich nie ein normales Leben führen können. Joana Batista wird wahrscheinlich nie heiraten, geschweige denn Kinder haben.“ „Ich bin in psychologischer Behandlung. Vielleicht ist die Hoffnung auf ein normales Leben für mich doch noch nicht verloren.“, sagte Joana. „Mein Partner und ich drücken Ihnen die Daumen. Und sollten Sie ihrem Prince Charming begegnen, seien Sie ehrlich zu ihm. Erzählen Sie ihm ihre Geschichte so, wie Sie sie uns erzählt haben.“ Unser Auftrag in Italien war beendet. Wir packten unsere Koffer, bezahlten die Rechnung und checkten aus. Wir fuhren zum Flughafen von Bologna zurück, wo wir unseren gemieteten Fiat bei der Autovermietung zurückgaben. Wir gaben unsere Koffer am Schalter von Ryan Air auf und machten uns dann auf den Weg zur Sicherheitsschleuse. Wie bisher schlug der Scanner bei uns nicht an. Um 11:25 Uhr startete unser Flieger nach Frankfurt, wo wir nach einer Flugzeit von 1 h 20 Minuten, um 12:45 Uhr auf dem RheinMain-Flughafen landeten. Meine jüngere Schwester Samantha holte uns ab. Später am Abend saßen Samantha und ich zusammen mit Camille und Kelly beim Abendessen im Wohnzimmer von Samanthas Apartment. Wir hatten uns bei einem Italiener eine Pizza bestellt. „Warum hat die Schwester von diesem Motorradfahrer dem bösen Onkel die Speikobra vor die Nase gehalten?“, fragte Camille. „Der „böse Onkel“ hat ihr sehr weh getan. Er hat bekommen, was er verdient.“ „Warum wird er nicht vor Gericht gestellt und verurteilt?“ „Weil man einen Toten nicht 150 mehr verurteilen kann. Der Mann hat eine Zyankali-Kapsel genommen. So hat er sich dem Gesetz entzogen.“ „Dieser Feigling! Er hätte sich vor Gericht für seine Verbrechen verantworten sollen!“, rief Camille aufgebracht. „Seine Nichte muss es jedenfalls nicht. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Anklage.“ „Das ist etwas ungewöhnlich.“ „Bei der Vorgeschichte von Joana Batista, kein Wunder.“, sagte ich. „Ich habe kein Mitleid mit dem Kerl. Er soll in der Hölle schmoren.“ Kelly hatte diese Worte ausgesprochen. „Du scheinst ja nicht viel für den bösen Onkel übrig zu haben, Tante Kelly.“, sagte Camille. „Wer seine eigene Nichte vergewaltigt und obendrein noch den eigenen Neffen als Faustpfand im Streit mit dem eignen Bruder missbraucht, der hat es nicht besser verdient.“ „Leute, ich finde wir könnten auch mal das Thema wechseln.“ „Finde ich auch. Was gibt’s denn so neues in Frankfurt?“ „Sie haben den Brandstifter geschnappt, der 2017 den Wasserpavillon im chinesischen Garten vom Bethmann-Park abgefackelt hat.“, sagte Camille. „Das wurde auch mal langsam Zeit. Wie haben Sie ihn erwischt?“ „Er wollte eines der Fahrgastschiffe der Primus-Linie, die Maria Sybilla Merian, in Brand stecken. Ein Mitarbeiter der Reederei hat ihn beobachtet und die Polizei alarmiert. Der Mann wollte gerade einen Molotowcocktail werfen, als ihn die Beamten überwältigt haben.“, sagte Samantha. „Wer war er?“ „Ein 34jähriger Deutsch-Türke. Wohnhaft gemeldet ist er in Offenbach.“ „Weiß man denn schon, warum er den Feuerteufel gespielt hat?“ „Auf der Wache hat er ausgesagt, dass er Frankfurt hasst und dass die Wahrzeichen eigentlich den Offenbachern gehören.“ „Der hat ja wohl nicht mehr alle Latten am Zaun.“ 151 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)