Paul MacLain der Privatschnüffler von BlueGenie1974 (Ein ehemaliger SAS-Offizier als Privatdetektiv) ================================================================================ Kapitel 4: 4. Fall - Die gestohlenen Nacktfotos ----------------------------------------------- 4. Fall – Die gestohlenen Nacktfotos Unser erster gemeinsamer Fall führte uns nach Belgien. Es war Juli geworden. Jelena war erst vor kurzem als Partnerin in mein Detektivbüro eingestiegen. An der Tür stand nun nicht mehr „Detektivbüro MacLain“ sondern „Detektivbüro MacLain – Romanova“. Es schien ein Tag wie jeder andere auch zu werden. Morgens gemeinsames Frühstück mit meiner Schwester Samantha, mit der Jelena bestens klar kam. Dann eine Runde joggen durch den nahegelegenen Park. Dann ab ins Büro und auf mögliche Klienten warten. Doch es tat sich einfach nichts. „Wollen wir für heute Schluss machen, Jelena?“ „An und für sich keine schlechte Idee. Aber lass uns noch 10 oder 15 Minuten warten. Nicht, dass jemand einen Auftrag für uns hat, und vor verschlossener Tür steht.“, sagte Jelena. „Okay. 15 Minuten. Aber nicht länger.“ Jelenas Idee noch ein bisschen zu warten zahlte sich aus. Denn um 13:35 Uhr klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief ich. Die Tür öffnete sich und eine gutaussehende Brünette trat ein. Vom Aussehen her erinnerte sie mich an Catherine Zeta-Jones. Das Alter schätzte ich auf 46 bis 48 Jahre. Unsere Klientin war 1,70 m groß, und hatte schulterlanges, brünettes Haar. Der wohl proportionierte Körper und die ebenso wohlgeformten Brüste rundeten den ersten Eindruck unserer Klientin ab. Aus ihrem runden Gesicht mit der hübschen Nase und den sinnlichen Lippen, schauten zwei schöne braune Augen. Bekleidet war die Unbekannte mit einer hellblauen Jeansshorts und einem roten Trägerhemd mit einem Muster, das ein bisschen an Pfauenfedern erinnerte. Dazu trug sie schwarze Sandaletten mit silbernen Zierelementen. „Bin ich hier richtig bei Paul MacLain?“, fragte sie unsicher. „Paul MacLain. Zu ihren Diensten. Die Lady ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Ich sehe, dass Sie etwas bedrückt. Wie können wir Ihnen helfen?“, sagte Jelena. „Ich werde erpresst.“ „Verstehe. Doch bevor wir weiter reden, würde ich doch gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe.“ „Mein Name ist Daniela van den Bergh.“ „Nun Miss van den Bergh. Würden Sie Miss Romanova und mir noch verraten, was Sie beruflich machen?“ „Ich bin die Assistentin der Filialleitung der Filiale der Argenta Spaarbank in meiner Geburtsstadt Antwerpen. Vor kurzem gab unser Chef bekannt, dass er vorhat Ende September in Rente zu gehen.“ „Hat er schon einen Nachfolger benannt?“ „Ja. Mich.“, sagte Daniela van den Bergh. „Und Ihre Beförderung kommt jemandem in die Quere, der selbst gerne den Posten einnehmen würde.“ „Richtig.“ „Haben Sie denn schon einen Verdacht, wer hinter der Erpressung steckt?“ „Da fällt mir nur einer ein. Bert Huybrechts. Der Mann geht über Leichen, wenn es seiner Sache dienlich ist. Und um Ihre unausgesprochene Frage zu beantworten: Ja, er ist derjenige, der gerne Filialleiter werden will.“ „Was hat er denn bis jetzt unternommen, um Sie zum Rücktritt zu zwingen?“ „Vor einer Woche kam dieser Umschlag bei mir an.“, sagte Daniela und gab mir einen braunen Umschlag. Ich öffnete ihn und sah mir den Inhalt an. Da war zum einen ein Brief, und zum anderen ein Foto unserer Klientin. Der Brief war aus 54 verschiedenen Buchstabenfragmenten aus unterschiedlichen Tageszeitungen zusammen gesetzt. Der Wortlaut des Briefes lautete: „Zahlen Sie 3.500 € oder verzichten Sie auf den Posten der Filialleitung. Ansonsten wird das beiliegende Foto überall in Antwerpen veröffentlicht.“ Auf dem Foto war Daniela van den Bergh zu sehen. Mit nichts anderem bekleidet als einem Paar halterloser, schwarzer Nylonstrümpfe. Ein Bein hatte sie verführerisch über das andere geschlagen und ihren restlichen Körper so gedreht, dass man ihre Scham und ihre Brüste sehen konnte. „Gestatten Sie mir eine Frage, Miss van den Bergh. Wieso machen Sie solche Fotos und wozu?“, fragte ich. „Es soll ein Geschenk für meinen Mann werden. Ich hab mir gedacht, dass es vielleicht originell wäre, wenn ich ihm einen Kalender mit Nacktfotos von mir schenke.“ „Originell vielleicht. Aber auch mit einem hohen Risiko verbunden. Sie haben sich mit diesen Fotos nicht nur erpressbar, sondern auch angreifbar gemacht.“, sagte ich. Daniela van den Bergh verstand nicht ganz. „Was mein Partner damit sagen will, Miss van den Bergh, ist, dass falls Ihr Verdacht zutrifft, und Bert Huybrechts wirklich in den Besitz dieser Fotos gelangt ist, kann er Sie so sehr unter Druck setzen, bis Sie zu seinen Gunsten auf den Filialleitungsposten verzichten.“ „Ich nehme an, dass Sie die Fotos in einem Fotostudio gemacht haben.“ „Ja. Dieses Fotoatelier hat sich auf erotische Fotos spezialisiert. Auf Diskretion wird dort sehr großen Wert gelegt.“ In diesem Zusammenhang fiel mir ein Artikel aus der FNP ein, in dem von einem Einbruch in ein Antwerpener Fotostudio berichtet wurde. Zum Glück hatte ich den Artikel aufgehoben. Ich holte ihn aus der Schublade und gab ihn unserer Klientin. „War es dieses Atelier?“, hakte ich nach. „Ja genau. Das Kuriose ist, dass nur meine Fotos gestohlen wurden.“ „Der Einbruch hat sich also ereignet, nach dem Sie als Nachfolgerin für Ihren jetzigen Chef bestätigt wurden.“ „Das ist richtig. Deswegen habe ich ja auch Monsieur Huybrechts in Verdacht.“ „Würden Sie uns das bitte näher erläutern?“, bat Jelena. „Vor zwei Jahren ist der Chef der Vermögensberatung in den Ruhestand gegangen. Eigentlich sollte Elaine van Elst den Posten bekommen.“ „Wurde sie auch erpresst?“, fragte ich. „Ja. Aber nicht mit Nacktfotos, sondern mit Erotikvideos.“ „Was wurde gefordert?“ „Entweder die Zahlung von 2.000 € oder der Verzicht auf den Posten.“ „Also so wie bei Ihnen. Hat Miss van Elst auf die Forderung reagiert?“ „Nein. Aber danach fing der Ärger an. Im Internet ist ein Video von ihr aufgetaucht, in dem man sie in einem nackt in einem Schweinestall beim Sex mit einem männlichen Schwein sieht. Mein Chef hat sie gefeuert und Bert Huybrechts den Posten gegeben. An Elaines letztem Tag hat er in der Filiale großspurig rumgetönt: Elaine war nur das erste Opfer. Weitere werden folgen, wenn man mich nicht befördert.“ „In Ordnung. Wir übernehmen den Fall. Gehen Sie auf gar keinen Fall auf die Forderung ein. Weiß Ihr Chef schon Bescheid?“ „Er ist eingeweiht. Er stärkt mir den Rücken. Bert Huybrechts wurde bereits von der Führungsriege der Bank abgemahnt.“ „Wie hat er reagiert?“, fragte Jelena. „Er hat Gift und Galle gespuckt.“ Wir brachten Daniela van den Bergh noch zur Tür. 55 „Wann fahren Sie nach Antwerpen zurück?“ „Morgen früh.“ „Wir kommen in zwei Tagen nach. Sagen Sie niemandem, dass wir kommen. Außer Ihrem Vorgesetzten.“ „Einverstanden.“ Zwei Tage nach dem Gespräch reisten Jelena und ich nach Antwerpen. Mit dem ICE ging es nach Brüssel Nord. Von dort mit dem Thalys nach Antwerpen. Dort angekommen, nahmen wir uns ein Taxi, das uns zu unserem Hotel brachte. Wir hatten uns für das Plaza Hotel entschieden. Das Hotel hatte zwar 4 Sterne, aber die Bank hatte entschieden, die Kosten für die Unterkunft zu übernehmen. Wir hatten uns gerade frisch gemacht und umgezogen, als es an der Tür klopfte. Jelena öffnete. „Ja bitte?“, fragte sie. „Bitte verzeihen Sie die Störung, Miss Romanova, aber ich würde gerne einen Augenblick Ihrer Zeit in Anspruch nehmen.“ „Darf ich fragen, wer Sie sind?“ „Mein Name ist Marc Lauwers. Ich bin der CEO der Argenta Spaarbank. Der Leiter der Filiale hier in Antwerpen hat uns informiert, dass seine Assistentin Sie und Mr. MacLain angeheuert hat, um den Erpresser zu fassen, der sie erpresst.“ „Das stimmt. Bitte kommen Sie.“ Marc Lauwers setzte sich auf einen Stuhl. Der CEO der Argenta Spaarbank war ein 1,80 m großer Mann mit kurzgeschnittenen Haaren, die eine Halbglatze bildeten. Er war schlank und hatte ein rundes Gesicht mit braunen Augen. Er trug eine Brille mit Plastikgestell. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug einem weißen Hemd, einer roten Krawatte schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Hat Daniela van den Bergh Ihnen von Elaine van Elst erzählt?“ „Sie meinen die Kollegin, die mit den Erotikvideos erpresst wurde?“ „Richtig. Hat Frau van den Bergh Ihnen auch von dem Video im Schweinestall berichtet?“, fragte der CEO. „Ja.“ „Das Video ist eine Fälschung. Deshalb haben wir Madame van Elst wieder rehabilitiert. Sie arbeitet in unserer Filiale in Brüssel.“ „Eine Frage, Mr. Lauwers. Woher wissen Sie, dass das Video gefälscht ist?“, fragte ich. „Wir haben das Video auf dem Laptop unseres IT-Spezialisten entdeckt. Ein PC-Spezialist hat mit Hilfe einer Spezialsoftware die Originalfassung wieder zum Vorschein gebracht. Dort sieht man eine belgische Pornodarstellerin.“ Nach dem Gespräch mit dem CEO der Argenta gingen Jelena und ich ins Restaurant etwas essen. Danach machten wir einen Stadtbummel durch Antwerpen. An einem Modegeschäft blieb Jelena stehen. Im Schaufenster war ein nachtblaues Abendkleid mit goldenen Stickereien ausgestellt. „Dieses Kleid würde perfekt zu unserer Tarnung passen.“, sagte meine Partnerin. „Was schwebt dir vor?“ „Wir spielen ein wohlhabendes Ehepaar aus der Investmentbranche.“ „Du überraschst mich immer wieder, Jelena.“ „Darin bin ich ein Naturtalent.“ Als wir den Laden betraten, witterte der Besitzer ein dickes Geschäft. „Kann ich dem werten Herrn und der werten Dame behilflich sein?“, fragte er. „Meine Ehefrau hat im Schaufenster dieses Kleid entdeckt.“ „Ah! Ich sehe, die Frau Gemahlin hat Geschmack. Dieses Kleid, passt sehr gut zu der Kette, die Ihre Holde um den Hals trägt. Dazu gehört aber noch der Seidenschal, der um den Hals der Schaufensterpuppe gelegt ist und die Schuhe.“ 56 „Und was kostet das alles?“ „5.500 Euro.“ „Ganz schön happig. Aber bevor ich die Geldbörse zücke, will ich meine Frau in dem Kleid bewundern dürfen.“ „Nichts lieber als das.“ 15 Minuten später kam ich aus dem dem Staunen nichts mehr heraus. Jelena war eine Augenweide. Dieser Anblick wäre mir sogar eine Million Pfund Sterling wert gewesen! Vor lauter Staunen bekam ich den Mund nicht mehr zu. „Mach den Mund zu, sonst gibt’s nen Kurzen, Schatz.“, sagte Jelena. „Haben Sie sich entschieden, Monsieur?“ „Ja, habe ich. Dieser Anblick meiner Frau ist mir die 5.500 € wert.“ „Es ist gut, wenn ein Mann zu schätzen weiß, was er an einer Frau, wie der Ihren hat.“ „Miss Romanova ist nicht nur meine Ehefrau, sondern auch meine Partnerin.“ „Wie darf ich das verstehen?“, fragte der Ladenbesitzer. „Meine Frau und ich sind Privatermittler. Es gibt keinen Fall, den wir nicht lösen könnten. Meine Name ist übrigens Paul MacLain. Meine Ehefrau Jelena Romanova.“ „Ich habe von dem Fall mit den Steuerungsgeräten gehört. Raffiniert wie Sie beiden das gelöst haben. Ich würde, wenn es Ihnen Recht ist, einer Freundin von mir von Ihnen erzählen. Sagt Ihnen der Name Patricia O´Byrne etwas?“ „Sie meinen die Autorin?“ „Richtig. Wir sind wie gesagt, ziemlich dicke Freunde. Ich berate Pat ab und zu, wenn sie neue Kleider für diverse Veranstaltungen braucht. Dieses Kleid würde auch gut zu ihr passen.“ „Dann bestellen Sie doch neu.“ „Keine Sorge. Ich habe noch genug auf Lager.“ Am nächsten Tag gingen Jelena und ich in die Filiale der Argenta, in der unsere Klientin arbeitete. Daniela van den Bergh kam uns entgegen. Im Gegensatz zu unserer ersten Begegnung hatte sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und war mit einem schwarzen Nadelstreifenanzug und einer weißen Bluse bekleidet. Dazu trug sie schwarze High Heels. Jelena trug das nachtblaue Kleid mit den goldenen Stickereien. Dazu den Seidenschal und die blauen Schuhe mit den flachen Absätzen. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Bitte hier entlang. Mein Chef hätte Sie gerne gesprochen.“ Der Filialleiter war ein Mitsechziger mit grauen Haaren, einem runden Gesicht und stechenden blauen Augen. Der Körperbau des Mannes war eher durchschnittlich. Bekleidet war Daniela van den Berghs Vorgesetzter mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd, einer roten Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Monsieur MacLain, Madame Romanova. Bitte nehmen Sie Platz.“, sagte er. Als wir uns in die Sessel vor dem Schreibtisch gesetzt hatten, kam der Filialleiter gleich zur Sache. „Sie können sich sicher vorstellen, dass wir als renommiertes Finanzunternehmen daran interessiert sind, dass der Erpresser so schnell wie möglich gefasst wird.“ „Das verstehen wir.“ „Gut. Wie wollen Sie vorgehen?“ „Wir geben uns als wohlhabendes Ehepaar aus der Investmentbranche aus. Wir werden ein Auge auf Mr. Huybrechts haben, den wir noch heute kontaktieren wollen.“ „Und wie genau stellen Sie sich das vor?“, fragte der Leiter der Filiale. „Wenn die Information Ihrer Assistentin stimmt, dann hat Mr. Huybrechts vor Kurzem das Investmentressort noch zusätzlich zur Finanzberatung 57 übernommen.“ „Das stimmt. Der ehemalige Investmentberater ist in den Ruhestand gegangen.“ „War vorgesehen, dass Mr. Huybrechts auch diesen Posten übernimmt?“, fragte Jelena. „Nein. Den Posten sollte Katja Vandoorne bekommen. Aber dann sind im Internet Nacktfotos von ihr aufgetaucht. Es hat erst aufgehört, als Madame Vandoorne zugunsten von Herrn Huybrechts auf den Posten verzichtet hat.“ „Also so wie ich die Sache sehe, ist Bert Huybrechts unser Mann. Zeit ihm auf den Zahn zu fühlen, oder was meinst Du, Jelena?“ „Schaden kann´s nicht.“ Als Jelena und ich in den Arbeitsraum zurückkamen suchte ich gezielt nach Bert Huybrechts. „Falls Sie Bert Huybrechts suchen, er sitzt dort vorn, in dem Glasanbau.“, sagte Daniela van den Bergh. „Vielen Dank.“ Als wir den Glaskasten betraten sah ich mir den mutmaßlichen Erpresser genauer an. Bert Huybrechts war ein Mittfünfziger mit schwarzen, dauergewellten Haaren, die an einigen Stellen schon ergraut waren. Er hatte ein rundes Gesicht mit braunen Augen und einem Schnauzbart. Die Haut war gebräunt. Offenbar zog es den Finanz- und Investmentberater in wärmere Gefilde. Bert Huybrechts war 1,80 m groß und athletisch gebaut. Bekleidet war er mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Dazu trug er eine schwarze Krawatte mit weißen Punkten. „Monsieur, Madame. Bitte setzen Sie sich doch.“, sagte Bert Huybrechts freundlich. „Mit Vergnügen.“ „Nun Monsieur, dürfte ich, bevor wir uns mit Ihrem Anliegen näher befassen, nach Ihrem Namen fragen?“ „Mein Name ist Paul MacLain und das ist meine Ehefrau Jelena Romanova.“ „Sehr erfreut. Darf ich fragen, in welcher Branche Sie beide tätig sind?“ „Wir sind Investmentbanker.“ „Ah! Ein interessantes Geschäft nicht wahr? Vor allem mit viel Macht verbunden.“ „Was meinen Sie damit, Mr. Huybrechts?“, fragte ich. „Nun, lassen Sie es mich so ausdrücken. Sie spielen. Und zwar mit dem Geld anderer Leute. Und mal haben Sie Glück und mal haben Sie eben Pech.“ „Von Investmentgeschäften können Sie mir nichts erzählen, Mr. Huybrechts. Dafür habe ich eine Nase.“, gab Jelena zurück. „Es überrascht mich, dass ausgerechnet eine Frau solch eine Behauptung aufstellt. Sie sollten wissen, dass ich der Meinung bin, dass Frauen nichts in leitenden Positionen verloren haben. Das sollte doch lieber uns Männern vorbehalten bleiben. Im Vertrauen kann ich Ihnen sagen, dass ich schon sehr bald in dieser Filiale das Sagen haben werde.“ „Ach wirklich? Sie scheinen je sehr von Ihren Führungsqualitäten überzeugt zu sein, Mr. Huybrechts:“ Nachdem wir die Filiale der Argenta Spaarbank verlassen hatten, fragte ich Jelena: „Was meinst du, Jelena?“ „Ich würde sagen, dass Bert Huybrechts in die Erpressungsgeschichte verwickelt ist. Wahrscheinlich ist er sogar der Drahtzieher.“ „Deine Einschätzung deckt sich mit meiner. Wir müssen ihn beschatten.“ „Auf jeden Fall. Lass uns bei einer Autovermietung einen Mietwagen nehmen.“ „Keine schlechte Idee. Ich habe auf dem Weg hierher eine Niederlassung von Hertz gesehen.“ „Dann nichts wie hin.“ Wir entschieden uns für einen Alfa Romeo Giulia aus dem Jahr 2017. 58 Lackiert war der Wagen in Monza Rot Metallic und hatte die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen des Modells Elegante. Wir fuhren zur Filiale zurück und parkten auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dann sahen wir Bert Huybrechts die Filiale verlassen. Er verschwand auf dem Hinterhof und kam wenig später mit einem BMW 750Li aus dem Jahr 2016 zurück. Ganz vorsichtig fädelte sich Jelena in den Feierabendverkehr ein. Sie hielt eine Wagenlänge Abstand, damit wir nicht sofort auffielen. Die Fahrt dauerte eine Stunde, ehe Bert Huybrechts anhielt. Er betrat ein Restaurant. Jelena und ich folgten ihm unauffällig. Wir setzten uns an einen Tisch etwas weiter entfernt, aber nah genug um alles mitzukriegen, was gesprochen wurde. Bert Huybrechts hatte sich an den Tisch gesetzt und wartete offenbar. Schließlich kam jemand. Es war eine Frau. Sie hatte schulterlange blonde Haare und einen schlanken Körper. Ihr ovales Gesicht mit der hübschen Nase und den sinnlichen Lippen hatte zwei blaue Augen, aus denen eiskalte Berechnung herauszulesen war. Bekleidet war die Fremde mit einem rosa Kleid und Pumps mit hohen Absätzen in derselben Farbe wie das Kleid. Bert Huybrechts strahlte, als er die Frau sah. „Bernadette. Schön dich zu sehen. Nimm Platz.“ Als die Dame sich gesetzt hatte kam sie gleich zur Sache. „Bert, wann reichst du endlich die Scheidung ein?“, fragte sie knallhart. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, Bernadette. Ich habe immer noch Gefühle für Emilia.“ „Du solltest langsam mal eine Entscheidung treffen, Bert. Der Privatdetektiv, den ich angeheuert habe, hat dir doch die Fotos übergeben, oder etwa nicht?“ „Doch. Ich habe Emilia zur Rede gestellt. Aber sie hat alles abgestritten. Sie hat mir sogar gedroht, im Falle einer Scheidung mir nicht nur das Sorgerecht für unsere gemeinsame Tochter zu entziehen, sondern mir auch das Besuchsrecht zu verweigern.“ „Ach so ist das. Wegen deiner Tochter zögerst du das unvermeidliche immer wieder hinaus.“ „Camille ist erst 5 Jahre alt. Wenn es zu einem Scheidungskrieg zwischen Emilia und mir kommt, dann wird dieser auf Camilles Rücken ausgetragen. Es reicht, wenn ich das durchmachen musste. Und deshalb will ich meiner Tochter dieses Schicksal ersparen.“ Später am Abend verließ Bert Huybrechts das Restaurant wieder. Wir folgten ihm unauffällig. Der mutmaßliche Erpresser stieg wieder in seinen BMW und fuhr weiter. Jelena und ich folgten ihm in unserem Alfa. Am historischen Rathaus hielt er an. Auf einem Parkplatz in der Nähe konnte ich einen Mercedes S600 erkennen. Aus diesem Wagen stieg jemand aus. Es war ein junger Man im Alter von 35 Jahren mit dunkelbraunen gelockten Haaren und blauen Augen. Er war athletisch gebaut. Gekleidet war er mit Jeans und Turnschuhen und einem grauen Kapuzenpulli. Jelena hatte eine Kamera gezückt und machte nun Fotos von den beiden. „Wie sieht es aus?“, fragte Bert Huybrechts den anderen. „Nicht gut. Wir müssen vorsichtig sein. Ich habe ein neues Foto mitgebracht. Den Brief müssen dieses Mal Sie verfassen. Sonst fliegen wir womöglich noch auf.“ Wir folgten dem Komplizen weiter, bis zu dessen Haus in einem der 59 Vororte von Antwerpen. Dort stellten wir den Mann. Als er ausstieg packte ich ihn von hinten und drehte ihm den Arm auf den Rücken. „So Freundchen. Jetzt bist du dran. Du hast die Wahl. Entweder du redest, oder wir prügeln die Antworten aus dir raus. Und weder Jelena noch ich sind zimperlich.“, sagte ich. „Okay, okay. Ich werde auspacken.“ Im Haus händigte uns Bert Huybrechts Komplize dann die restlichen Fotos von Daniela van den Bergh und die Negative dazu aus. „Na also. Geht doch. So und jetzt raus mit der Sprache.“ „Wie meinen?“ Als Antwort rammte ihm Jelena ihren rechten Ellenbogen in die Magengrube. „Du wolltest doch auspacken. Also was ist? Ich warne dich, wenn du versucht hast uns zu verkohlen, dann nehmen wir dich solange in die Mangel, bis du redest.“ Diese Androhung meiner Partnerin löste die Zunge von Bert Huybrechts Helfer. Wie er uns berichtete, hatte Bert Huybrechts ihn für den Diebstahl angeheuert. Auch das Video hatte er auf Wunsch des Mannes gefälscht und dem IT-Spezialisten untergeschoben, damit der Verdacht auf diesen fiel. Doch das war nicht alles. Wie sich herausstellte, war er früher Investmentbanker bei Argenta gewesen. Doch er hatte sich an der Börse verzockt und einen Rentner um dessen gesamte Ersparnisse gebracht. Argenta hatte den Kopf dafür hinhalten müssen und eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 65.000 € zu leisten. Die Bank hatte entsprechend reagiert und den Pleitebanker entlassen und ihm nur einen halben Monatslohn ausgezahlt. Den Lohn für die restlichen anderthalb Monate hatte Argenta als Wiedergutmachung einbehalten. Das Zeugnis, das dem ehemaligen Banker ausgestellt worden war, war derart schlecht, dass er nirgendwo mehr einen Job fand. „Danke für Ihre Kooperation. Aber erwarten Sie kein Mitleid von uns. Das kriegen die Opfer, die Sie und Mr. Huybrechts mit ihren schmutzigen Gaunereien erpresst haben.“ Am nächsten Tag fuhren wir wieder in die Filiale. Der Filialleiter kam uns entgegen. „Kommen Sie bitte mit in mein Büro. Ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“ Im Büro kam er gleich zur Sache. „Ich hoffe, Sie haben gute Neuigkeiten. Denn die Situation droht außer Kontrolle zu geraten.“, sagte er. „Was ist passiert?“ „Madame van den Bergh hat einen neuen Brief erhalten. Dieses Mal wird kein Geld verlangt, sondern der Verzicht auf den Posten des Filialleiters zugunsten von Monsieur Huybrechts.“ „Wir können mit definitiver Sicherheit sagen, dass Bert Huybrechts der Erpresser ist. Diese Fotos sind der Beweis.“ sagte Jelena und legte die Fotos auf den Schreibtisch. Der Filialleiter sah sich die Bilder an. „Kennen Sie diesen Mann?“ „Oh ja. Das ist Gert van Basten. Er ist Holländer, lebt aber in Belgien.“ „Er war mal bei Argenta als Investmentbanker tätig. Stimmt das?“ „Ja. Aber wir haben ihn gefeuert, nachdem wir eine Schadenersatzklage am Hals hatten.“ „Es sieht so aus, als ob Bert Huybrechts ihn zur Mithilfe gezwungen hat.“ „Was meinen Sie, was ich jetzt tun soll?“, fragte der Leiter. „Verkünden Sie über das schwarze Brett, dass Daniela van den Bergh weiterhin Ihr Vertrauen genießt und Ihnen als Leiterin dieser Filiale nachfolgen wird. Das müsste Bert Huybrechts zu einer unbedachten Handlung verleiten.“ Nur eine Woche später hing eine entsprechende Meldung in der Filiale 60 am schwarzen Brett. Als Bert Huybrechts dies las, drehte er vollends durch. Er stürmte in das Büro unserer Klientin und zückte ein Messer. Er packte Daniela an den Haaren und hielt ihr das Messer an den Hals. Wir kamen gerade an der Filiale an, als er mit seiner Geisel die Filiale verließ. Jelena und ich zückten unsere Waffen und richteten sie auf Bert Huybrechts. „Bleiben Sie stehen Huybrechts! Das Spiel ist aus!“, rief ich. „Halts Maul, Scheiß Tommy! Werft eure Waffen weg, oder Frau van den Bergh leistet den Engeln bald Gesellschaft!“ Jelena tat so als würde sie die Waffe senken. Doch dann riss sie ihre Makarow PMM wieder nach oben und gab einen Schuss ab. Die Kugel traf Bert Huybrechts an der Schulter. Vor lauter Schmerzen ließ er das Messer fallen. Danach überwältigte ich ihn und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Unsanft riss ich Bert Huybrechts nach oben und drückte ihn gegen unseren Mietwagen. „So Arschloch, wenn ich sage, das Spiel ist aus, dann meine das auch. Du hast hoch gepokert, du mieser Pisser, aber Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall.“ Im Gefängnis übernahm Jelena das Verhör. „Also Durak, jetzt hör mir mal gut zu. Wenn du das Maul nicht aufmachst, dann werde ich dich so zurichten, dass man dich in Gips nachformen lassen muss, damit man dich im Gericht erkennt.“ „Ich sage nichts.“, sagte Bert Huybrechts. Als Antwort schlug ihm meine Partnerin mit dem Handrücken ins Gesicht. „Wenn du dir weitere Qualen ersparen willst, dann solltest besser den Mund aufmachen. Ich kenne keine Gnade mit so miesen kleinen Drecksäcken wie dir.“, sagte Jelena und packte Mr. Huybrechts am Kinn. „Von mir erfährst du nichts, du miese, kleine Russenschlampe.“ Jelenas nächster Schlag ging ans Kinn und zertrümmerte Bert Huybrechts Unterkiefer. „Beim nächsten mal bearbeite ich dein Krankenkassengebiss mit dem Presslufthammer.“, sagte Jelena kalt. Die Drohung meiner Partnerin wirkte. Denn Bert Huybrechts fing an zu singen wie ein Vögelchen. Seit einiger Zeit hatte Bert Huybrechts mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Sein Gehalt bei Argenta reichte gerade so aus, um seine Familie nicht an den Rand der Existenz zu bringen. Nur eine Beförderung zum Filialleiter hätte ihm aus der Klemme geholfen. Wie sich herausstellte, hatte Emilia, seine Frau mit dem Geld ihren Geliebten bei Laune gehalten und sich dessen Loyalität erkauft. Doch das rechtfertigte in meinen Augen keine schmutzigen Erpressungen mit Nacktfotos und gefälschten Sex-Videos. Bert Huybrechts wurde vor Gericht gestellt und wegen Erpressung in drei Fällen zu einer Haftstrafe von 4 Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine Ehefrau Emilia wurde in einem gesonderten Prozess der Untreue und des Ehebruchs schuldig gesprochen. Außerdem verlor sie das Sorgerecht für das gemeinsame Kind. Der Richter wollte das Sorgerecht für Camille Huybrechts Jelena und mir zusprechen. Doch da wir wegen unserer Arbeit selten zu Hause sein würden, wurde meiner Schwester Samantha das alleinige Sorgerecht für das Mädchen zugesprochen. Das Ehepaar Huybrechts wollte gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Doch der Richter wies diese mit der Begründung ab, dass Camille bei solch 61 kriminellen Eltern schnell auf die schiefe Bahn geraten könnte. Ferner fügte er an, dass eine fünfjährige ein stabiles soziales Umfeld benötigte und Bert und Emilia Huybrechts ihrer Tochter dieses nicht geboten hätten. So wurde Samantha unfreiwillig Mutter. Zwei Tage nach der Verhandlung kehrten Jelena und ich mit Camille nach Frankfurt am Main zurück. Meine Schwester erwartete uns am Flughafen. „Willkommen zu Hause, Bruderherz.“, sagte Sam und drückte mich. Danach war Jelena dran. „Und wen habt Ihr beide mitgebracht?“, fragte Samantha, als sie Camille entdeckt hatte. „Deine Tochter. Ein Gericht in Belgien hat dir das alleinige Sorgerecht für das Kind zugesprochen.“ „Und die Eltern?“ „Wandern beide in den Bau. Der Richter meinte, dass das Mädchen bei Jelena und mir besser aufgehoben wäre. Aber wir sind wegen unserer Fälle immer weg. Deshalb hat der Richter angeordnet, dass du die Erziehung von Camille Huybrechts übernimmst.“ „Na wunderbar. Als ob ich mit meiner Anwaltskanzlei nicht schon genug um die Ohren hätte.“ Später am Abend saßen wir in Samanthas Apartment. „Warum wurden meine Eltern ins Gefängnis gesteckt?“ „Weil deine Eltern schlechte Dinge getan haben. Dein Papa hat die neue Filialleiterin Daniela van den Bergh mit Fotos erpresst um den Posten zu bekommen, den sie antreten wird.“ „Das war nicht nett von Papa.“ „Dein Papa hat nicht nur unsere Klientin erpresst. Sondern noch mindestens zwei weitere Mitarbeiterinnen der Bank.“ „Warum hat er das gemacht?“, wollte Camille wissen. „Hätte deine Mutter das Geld, dass dein Papa bei der Bank verdient hat, nicht ihrem Lover in den Rachen geschmissen, dann wäre dein Papa nicht kriminell geworden.“ „Hätte, hätte, Fahrradkette. Fakt ist, deine Mutter hat deinen Vater betrogen und hat ihrem Geliebten fast das ganze Vermögen gegeben. Und dich hat sie als Druckmittel benutzt, damit dein Vater ihre Eskapaden und Demütigungen weiter klaglos erduldet.“ „Dann soll Mama bleiben wo der Pfeffer wächst.“, sagte Camille. 62 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)