Oh Shit. von m0nstellar ================================================================================ Kapitel 2: Wiedergutmachung --------------------------- Obwohl sie sich mit Dylan per Handschlag auf einen Waffenstillstand geeinigt hatte, hatte sie sich nicht dazu überwinden können, mit ihm zu Chris zurückzugehen. Ihr Schamgefühl war einfach zu groß, als dass sie sich noch einmal in die Nähe der Eisdiele wagte, von Chris’ Nähe ganz zu schweigen. Deshalb hatte sie sich von Dylan verabschiedet und war nach Hause gegangen.   Zu ihrer Erleichterung stellte sie zuhause fest, dass sie die Wohnung ganz für sich allein hatte. Moiras Kokosnuss-Parfum, das in der Wohnung in der Luft hing, verriet ihr, dass ihre Mitbewohnerin und beste Freundin kurz zuvor das Haus verlassen haben musste, denn ohne ein paar Spritzern davon verließ sie niemals das Haus.  Gott sei Dank. Nach „darüber reden“ war ihr jetzt nämlich wirklich nicht zumute. Lieblos ließ sie ihre Tasche im Flur zu Boden fallen, schlüpfte ohne die Schnürsenkel zu öffnen aus ihren Turnschuhen und zog bereits auf dem Weg ins Bad ihre Klamotten aus. Sie wollte das klebrige Gefühl in ihrem Dekolleté loswerden und endlich wieder sauber sein. Schnell legte sie sich noch ein frisches Handtuch parat, dann stellte sie sich in die Duschkabine und drehte den Wasserhahn auf. Wie schön eine heiße Dusche sein konnte … Regungslos und mit geschlossenen Augen stand sie unter dem Wasserstrahl, genoss den Dampf, das Prickeln auf der Haut und die Hitze, die in ihr aufstieg.  Jeder Muskel, auf den das Wasser traf, entspannte sich und schenkte ihr ein Gefühl von Leichtigkeit. Jeder Gedanke, der sie bis vor kurzem noch beherrscht und gequält hatte, wurde weggespült. Zurück blieb ein unendliches Meer aus Nichts. Ein Nichts, das ihr sogar für einen kurzen Moment den Hörsinn raubte und alles um sie herum in Schweigen hüllte. Kein Gurgeln vom Duschkopf war zu hören, kein Plätschern in der Duschwanne, kein Gluckern im Abfluss.  Erst, als sie die Augen wieder öffnete, kehrte der heutige Tag in ihr Bewusstsein zurück.  Ob es wirklich klug gewesen war, mit Dylan den Deal einzugehen? Jetzt, mit Ruhepuls und der Gelegenheit näher darüber nachzudenken, kamen ihr erste Zweifel auf.  Aus Erfahrung wusste sie, dass er sich kaum Mühe zu geben brauchte, um alles zu vermasseln. Allein, wenn sie an ihre erste Begegnung zurückdachte …   Schon als sie durch Chris’ Erzählungen zum ersten Mal von ihm gehört hatte, war er ihr irgendwie … suspekt vorgekommen. Jemand, der nach etlichen Jahren der Kontaktstille völlig überraschend vor der Tür seines Freundes stand und darum bat, eine Weile bei ihm unterkommen zu dürfen … Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dieser Typ entweder riesengroße Probleme oder böse Absichten hatte; im schlimmsten Fall sogar beides.  Chris aber hielt das für absurd. Er gab zu, dass Dylan „anders“ als andere war, aber auf keinen Fall ein schlechter Mensch. Zudem hätte sich seiner Meinung nach trotz der Kontaktstille nie etwas an ihrer Freundschaft geändert. Deshalb wäre es für ihn geradezu selbstverständlich, ihn so lange bei sich aufzunehmen, bis er etwas Eigenes gefunden hatte.  Stellar wusste nicht, was ihr dabei mehr imponierte: Chris’ aufopfernde Hilfsbereitschaft oder sein bedingungsloses Vertrauen in einen Menschen, den er seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen, geschweige denn gesprochen hatte.  Und als er sie dann auch noch darum bat, Dylan kennenzulernen … Es war Chris regelrecht anzusehen, wie viel es ihm bedeuten würde und wie sehr er ihr beweisen wollte, dass sie mit ihrem Bauchgefühl daneben lag.  Nur … als es dann soweit war, war sich Stellar nicht sicher, ob ihm das wirklich gelingen sollte.    Dieser Typ, der dort breitbeinig auf Chris’ Couch fläzte und sich eine Hand voll Chips in den Rachen drückte, während er in den Fernseher starrte – Dassollte wirklich sein bester Freund sein? Dieses „anders“, mit dem Chris ihn beschrieben hatte, hatte sie sich jedenfalls so nicht vorgestellt ... Dennoch gab sich Stellar alle Mühe, die Abneigung, die sich in ihr auftat, zu ignorieren. Wer weiß, vielleicht hatte sie ihn nur zu einem etwas ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Trotz miesem Bauchgefühl marschierte sie also ins Wohnzimmer und streckte ihm zur Begrüßung die Hand entgegen. »Hi, ich bin Stellar.« Kaum hatte er den Blick vom Fernseher gelöst und sich zu ihr gewandt, erschrak sie innerlich vor seiner riesigen Narbe im Gesicht. Beklommenheit machte sich in ihr breit, doch sie zwang sich ihn freundlich anzulächeln anstatt ihn anzugaffen.  Er stand auf, wischte sich seine Fett verschmierte Hand an der zerfetzten Jeanshose ab und schüttelte die ihre. »Hi, ich bin Dylan. So ziemlich der älteste Freund von Chris.«  Stellar war sein prüfender und irgendwie auch wertender Blick überaus unangenehm, dennoch ermahnte sie sich im Stillen noch einmal: Sie durfte ihn nicht vorverurteilen.  Schließlich löste er den Händedruck, steckte beide Hände lässig in die Hosentaschen und grinste sie schief an. »Du bist dann also Chris’ kleine, neue Freundin, ja?« Kleine, neue Freundin? »Nein, ich … Ich bin eine Freundin, mehr nicht.« »So, so …« Wieder musterte er sie, diesmal aber mit hämischem Grinsen. »’N nettes Bienchen hat er sich da angelacht, muss ich schon sagen. Dich würde ich jedenfalls nicht von der Bettkante schubsen.«  Was zur … ?! Dunkel kichernd tätschelte er unsanft ihre Schulter. »Keine Sorge, ich mach nur Spaß.« Spätestens jetzt wollte sie nicht länger gegen ihr Bauchgefühl ankämpfen. Wer weniger als zehn Sätze brauchte, um sich wie ein Arsch zu präsentieren, der warauch ein Arsch. Da half auch jeder Wille fürs Gegenteil nichts.  Dylan aber schien sich über den Abend hinweg eine ähnliche Meinung über sie gebildet zu haben. Zwar schwieg er mehr, als dass er redete, doch seine eindeutigen, geringschätzigen Blicke in ihre Richtung machten Worte überflüssig.   Mittlerweile waren sie längst über derartigen Blickaustausch hinaus. Inzwischen sorgten sie mit lautstarken, verbalen Kämpfen, Provokationen und kindischen Aktionen regelmäßig dafür, dass keiner die Abneigung des anderen vergaß. Eben genauso wie heute Nachmittag. Für Stellar war das unglaublich Nerven aufreibend und Kräfte zehrend. Für Dylan aber schien es wie ein Spiel zu sein. Als duellierten sie sich darum, wer von ihnen der Schlagfertigere war, wer von ihnen mehr Macht besaß – und ihm gefiel dieses Spiel.   Oh, Mann. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen …  Fairerweise musste sie aber zugeben: Dylan hatte Chris weder Probleme beschert, noch war er ihm allzu lange auf der Tasche gesessen. Schon nach sehr kurzer Zeit hatte er – wahrscheinlich auch mit Chris’ Hilfe – eine eigene Bleibe gefunden und war bei ihm wieder ausgezogen. Die einzige, die jetzt wegen ihm Probleme hatte, war sie selbst.  Schwer seufzend schloss sie die Augen. Vielleicht brauchte sie erstmal einen Tee. Die Welt sah nach einem Tee immer anders aus. Einen Tee und einen Moment länger unter der Dusche, um all die schlechten Gedanken noch einmal wegzuwaschen.   Knapp eine halbe Stunde später war sie fertig, hatte sich einen frischen Schlafanzug angezogen und stellte gerade den Wasserkocher an, als ihr Handy im Flur kurz aufschrillte. Schon krampfte sich ihr Magen zusammen. Das war bestimmt eine SMS von Chris. Sicher wollte er sie fragen, wo sie war und ob es ihr gut ging.  Jetzt brauchte sie wirklich einen Tee. Jeden Handgriff tätigte sie bewusst langsamer, um das Lesen der Nachricht so lange wie möglich hinauszuzögern. Erst, als der Tee trinkfertig war und es nichts mehr gab, womit sie noch mehr Zeit schinden konnte, ging sie in den Flur zu ihrer Tasche, holte ihr Handy heraus und verschwand mitsamt der Tasse in ihrem Zimmer. Vorsichtig setzte sie sich aufs Bett und schlürfte den ersten Schluck, dann löste sie mit größter Anspannung die Tastensperre. Von dem, was dort auf ihrem Bildschirm aufblinkte, war sie allerdings verwirrt. SMS von Unbekannt?     N’Abend Püppchen. ;) Morgen schon was vor? Dylan      Dylan schrieb ihr? Widerwillig speicherte sie seine Nummer ab und tippte eine Antwort:   Hi. Erstens: woher hast du meine Nummer? Zweitens: Was willst du von mir? Stellar     Lange brauchte sie nicht auf eine Antwort zu warten.     Chris hat sie mir gegeben, damit ich mich bei dir „entschuldigen“ kann. Hab eine Shopping-Tour geplant. Ein paar neue Klamotten für dich und einen neuen BH, auf meine Kosten. Na was sagst du? ;)     Von Chris? Super. Warum hing er nicht gleich Flyer mit ihrer Nummer in der ganzen Stadt aus? Darüber musste sie unbedingt mit ihm reden. Aber noch vielmehr verwirrte sie Dylans Angebot. Freiwillig shoppen gehen und alles bezahlen?      Aha. Und was hast du davon?     Die Antwort folgte prompt:     Hab doch gesagt, dass ich die Sache von heute wieder gut machen will. Außerdem sollten wir dafür sorgen, dass so etwas nicht nochmal passiert.     Okay, das hatte sie nicht erwartet. Vorsichtig schlürfte sie noch einmal am Tee, las dabei immer wieder den SMS-Verlauf. Eigentlich konnte sie neue Klamotten wirklich gut gebrauchen.    Neben einem inzwischen zu klein geratenen Bikini hatte sie auch noch zwei oder drei andere BHs, die ihre besten Tage längst hinter sich hatten. Und wenn sie es sich genauer überlegte, könnte sie eigentlich auch noch das ein oder andere Paar Schuhe oder Shirt gut gebrauchen. Da passte das Angebot von Dylan eigentlich ganz gut …     Also, was ist? Bist du dabei?     Konnte er nicht fünf Minuten warten, bis sie sich das in Ruhe überlegt hatte?     Was willst du dafür?     Ein „Danke“ wäre ein guter Anfang … Sonst will ich gar nichts. Sieh es dann als beglichene Schuld an.      Na ja. Im Grunde wäre sie blöd, wenn sie das Angebot nicht annehmen würde. Trotzdem schadete es nicht, noch einmal nachzufragen:     Damit ich das richtig verstehe: Du und ich gehen morgen einkaufen und alles, was ich kaufen will, zahlst du. Habe ich das richtig verstanden?     Japp.  Es wäre übrigens sehr nett von dir, wenn du mir ein bisschen was vom Geld übriglässt. Muss ja schließlich noch von irgendetwas leben. Also, abgemacht?     Klang doch eigentlich nicht verkehrt.     Gut, abgemacht.      Nachdem sie sich für den morgigen Nachmittag verabredet hatten, legte Stellar ihr Handy beiseite und trank von ihrem Tee.  Irgendwie fühlte es sich komisch an. So entspannt hatten sie noch nie miteinander geredet … Bestimmt war das nur Zufall oder dem heutigen Tag geschuldet. Auf jeden Fall war sie gespannt, was sie morgen erwarten würde – und ob er sein Wort hielt.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)