Zwischen den Welten von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Der Anfang --------------------- Stephen King hat einmal geschrieben: „Die Zeit nimmt alles, ob man will oder nicht! Die Zeit nimmt alles, die Zeit trägt es von Einem fort und am Ende ist es nichts als Finsternis. Manchmal treffen wir in dieser Finsternis andere Menschen und manchmal verlieren wir sie dort auch wieder.“ Diese Finsternis habe ich am eigenen Leib erfahren. Man kann es lediglich akzeptieren, man kann nichts dagegen tun – oder vielleicht doch? 1. Der Anfang Düsterer konnte der Tag nicht beginnen. Der Nebel stand tief und vermittelte mir das Gefühl von einer drohenden Macht verfolgt zu werden – von einem mächtigen bösen Geist. Wir hatten November, daher war dieses Wetter nichts Ungewöhnliches. Ich zog den Reißverschluss meiner Winterjacke höher und kuschelte mein Gesicht in den weichen Schal. Nicht weit meinem Zuhause befand sich die Bushaltestelle. Und hier hatte ich zum ersten Mal das Gefühl beobachtet zu werden. Ich blickte mich um, konnte aber niemanden entdeckten. Ich stand alleine an der Bushaltestelle. Der Nebel verdichtete sich immer mehr, dass mir die Sicht vollends genommen wurde. Kurz meinte ich, dass mich jemand an der Schulter streifte, aber als ich ruckartig meinen Kopf in die entsprechende Richtung drehte konnte ich wieder niemanden sehen. Mich fröstelte es und ich schlang meine Arme fester an meinen Körper. …Unheimlich… Umso erleichterter war ich, als der Bus ankam und ich diesem unangenehmen Gefühl entfliehen konnte. Ich entdeckte hinten im Bus Mike und setzte mich zu ihm. „Guten Morgen, aller liebste Amelia“, begrüßte er mich freudestrahlend. Er zog seinen Rucksack auf seinen Schoß, sodass ich mich neben ihn setzten konnte. „Guten Morgen.“ Ich lächelte ihn kurz an. „Ich hasse das triste Wetter!“, genervt ließ ich mich in den Sitz fallen. „Ich hasse unsere bevorstehende Klausur!“ „Ja, die auch“, ich winkte ab und ließ meinen Kopf auf seiner Schulter nieder. Mike war schon während unserer Schulzeit mein bester Freund. Das wir auch dieselbe Uni besuchten war eher Zufall, aber das kam uns ganz gelegen. Eigentlich wollte Mike an einer anderen Uni Medizin studieren, hatte aber die Aufnahmeprüfung nicht bestanden. Also beschloss er, wie ich, Geschichte an unserer Heimatuni zu studieren. Von Medizin zu Geschichte – der Abstieg war schon nicht schlecht und für mich noch heute nicht begreiflich. „Was hat dich heute Morgen denn schon so aus der Bahn geworfen?“ „Ach, ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Der Nebel da draußen ist natürlich nicht wirklich hilfreich gegen dieses Gefühl.“ Mike fing an zu lachen. „Wir leben aber auch echt in einer üblen Gegend“, mimte er ironisch den Verständnisvollen. Darauf bekam er erstmal einen Seitenhieb von mir. Als wir an der Uni kurz vor der ersten Stunde ankamen, beschlich mich erneut dieses seltsame Gefühl. Ein eiskalter Schauer lief mir über den ganzen Körper. Ich beobachtet meine Umgebung ganz genau, konnte allerdings nur das übliche Studententreiben wahrnehmen. Mike zog mich an meinem Arm, um mich zum Weitergehen zu animieren. „Hopp, die Klausur wartet nicht auf uns!“ Er zog mich quasi in den Hörsaal, der schon gut gefüllt war. Ich nahm an der Fensterreihe Platz. Das ungute Gefühl konnte ich immer noch nicht abschütteln. Selbst im Hörsaal war ich intensiv damit beschäftig mich ständig umzuschauen, ohne zu wissen nach was genau ich Ausschau hielt. Mike stupste mich von der Seite an. „Alles gut?“. Ich nickte ihm kurz zu. Was sollte ich ihm auch groß sagen, dass mich ein ungutes Gefühl verfolgte? Ich bekam nur nebenbei mit, dass unser Dozent den Raum betrat, uns begrüßte und die Klausuren austeilte. Ich hatte noch nicht einmal in die Arbeit geschaut. Mittlerweile ließ ich meinen Blick aus dem Fenster schweifen, um dort eventuell irgendetwas zu entdecken. Neben mir war Mike tief in seine Klausur vertieft, während mein Blick starr auf die belebte Grünfläche draußen gerichtet war. Und dann sah ich ihn das erste Mal. In Mitten mehrerer Studenten stand ein großer, befremdlicher Mann. Er hatte langes weißes Haar, einen Halbmond auf seiner Stirn und lila Steifen auf seinen Wangenknochen. Gekleidet war er in schwarz. Er bot einen seltsamen Anblick und passte so gar nicht in die Umgebung. Ich fixierte ihn und versuchte ihn genauer zu erkennen, was allerdings nicht wirklich funktionierte, da er irgendwie wirkte als sei er durchsichtig – wie bizarr. Die vielen Studenten direkt um ihn herum, schienen ihn überhaupt nicht wahrzunehmen, als würde er dort gar nicht stehen. Sein Blick war auf etwas Bestimmtes gerichtet, aber ich konnte nicht erkennen auf was. Da war nichts. Plötzlich traf sein Blick mich und ich schreckte auf. Goldene Augen, er hatte goldene Augen. Ohne jegliche Vorwarnung schritt er auf mich zu. Es machte mir den Anschein, als würde er durch die Wand in den Hörsaal gehen wollen, um zu mir zu gelangen. Als er vor der Fensterfront nicht Halt machte, stieß ich mich von dem Tisch ab und schreckte hoch. Mike neben mir zuckte zusammen und blickte zu mir hoch. Auch alle anderen starrten auf mich. Außer den Studenten und dem Dozenten war niemand sonst in dem Raum. Der Mann mit den goldenen Augen war verschwunden. „Kann ich Ihnen helfen?“ Mein Dozent riss mich aus meinem Schock. Mein Blick wanderte vom Fenster zu meinem Dozenten. „Entschuldigen Sie!“ Ich griff nach meiner Tasche und rannte aus dem Raum. Als ich die Tür hinter mir schloss, sank ich zu Boden. Was war das eben? Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Man musste mich für verrückt halten, die Blicke der vorbeigehenden Stundeten sprachen bände. Ich rappelte mich vorsichtig wieder auf und wollte das Gebäude verlassen, doch da war er wieder. Er stand in der Nähe des Ausgangs und fixierte mich. An seiner leichten Transparents hatte sich nichts geändert. Ich blickte mich um. Auch, dass ich anscheinend die Einzige war, die ihn sehen konnte hatte sich nicht geändert. Ich überlegte meinen nächsten Schritt als der Mann zielstrebig, in einer wahnsinnig schnellen Geschwindigkeit, auf mich zu raste. Er stand unmittelbar vor mir. Seine Präsenz jagte mir eine unsagbare Angst ein. Er hob seine Hand und packte nach meinem Hals, doch ich spürte nichts. Er griff durch mich hindurch. Erschrocken schaute ich zu ihm herauf. Auch ihn schien es mehr als zu irritieren. Und dann war er plötzlich wieder verschwunden und ich stand alleine im Gang. Ich hob meine Tasche vom Boden, die ich vor Schreck hatte fallen lassen, richtete meinen Blick wieder nach vorn und prallte gegen den Unbekannten, der sich erneut wieder aufgebaut hatte. Aber diesmal spürte ich den Zusammenprall. Ich fiel auf den Boden, mein ganzer Körper schmerzte. Ich musterte verängstigt seine goldenen Augen, die auf mich hinab sahen. Jetzt konnte ich ihn genau erkennt, er stand wie jeder andere übliche Mensch vor mir. Hass war in seinen Gesichtszügen zu erkennen. Er machte mir eine unfassbare Angst. Bevor ich mich auch nur Bewegen konnte, fletschte er seine Zähne und verwies mich damit an unten zu bleiben. Jetzt nahm ich meine Umgebung zum ersten Mal wieder richtig wahr und war fassungslos. Wo war ich denn hier gelandet? Kapitel 2: Zwischen den Welten ------------------------------ 2. Zwischen den Welten Meine Freunde würden mich als sehr vernünftig und verantwortungsbewusst beschreiben. Ich war nie jemand gewesen, der an andere Welten oder sowas wie dunkle Wesen geglaubt hatte. Solche Dinge waren für mich immer Produkte von Fernsehserien oder auch Büchern gewesen. Dass ich in solch einer Welt, in der solche Begebenheiten völlig normal waren und die Realität darstellten, mal gelangen würde, hätte ich mir nie vorstellen können. Und doch befand ich mich jetzt in einer der seltsamsten Situationen meines bisherigen Lebens. Statt im belebten, hellen Flur der Universität, befand ich mich auf einem kalten Steinboden in einem düsteren Raum. Dieser Raum schien eine Art Büro zu sein, an den gegenüberliegenden Wänden befanden sich Regale mit Schriftrollen und ein Schreibtisch stand vor dem einzigen Fenster. Die zwei Vorhänge, die fast zusammengezogen waren, ließen nicht viel Licht durch. Vor dem Schreibtisch stand der mir unbekannte, bedrohliche Mann, der mir bereits in der Uni mehrmals erschien. Diesmal war er jedoch mehr als deutlich zu erkennen. Er war wirklich groß, bestimmt ein Kopf größer als ich und ich war mit meinen 1,72 cm schon nicht klein. Durch seine enge, schwarze Lederkleidung waren seine Muskeln sehr gut zu erkennen. Seine langen weißen Haare hatte er zusammengebunden und fielen ihm fast bis zu seinen Hüften. Aber das faszinierendste an ihm war sein Gesicht. Er sah menschlich aus, wirkte aber durch seine Zeichen und vor allem seinen goldenen Augen so gar nicht menschlich. Seine Präsenz war mehr als beängstigend. „Wo bin ich?“, fragte ich ihn vorsichtig. Ich hatte Angst auch nur ein Wort zu viel an ihn zu richten. Mit zusammengekniffenen Augen setzte er sich in Bewegung und betrachtete mich von allen Seiten. „Wer bist du?“, war seine Gegenfrage ohne meine vorherige Frage überhaupt beachtet zu haben. Seine Stimme war tief und hasserfüllt. „Amelia.“ Kurz und knapp antwortete ich ihm. Auch ich fing an jede seiner Bewegungen zu studieren. Er erinnerte mich an ein Raubtier, das seiner Beute auflauerte. „Sesshomaru, mein Lieber, hast du…“ Hinter mir öffnete sich ruckartig eine Tür und eine Frau trat ein. Als sie mich auf dem Boden sitzen sah, unterbrach sie ihren Satz. Mein Blick ließ von dem Mann ab und richtete sich nun auf die eben eingetroffene Frau. Sie hatte ein eng anliegendes, schwarzes Lederkleid an, das ihr bis zu dem Boden ging. Auch sie hatte lange weiße Harre, einen Halbmond auf der Stirn, jeweils einen lila Streifen auf den Wangen und goldene Augen. Ob die beiden wohl miteinander verwandt waren? „Was ist das?“, fragte sie herablassend. „Dieses Wesen verfolgt mich bereits schon den ganzen Morgen“, war die kurze Antwort des ihr so ähnlich aussehenden Mannes. Nun umkreiste auch die junge Frau mich. Beiden war anzusehen, dass sie nicht wussten was hier vor sich ging. Da ging es ihnen nicht anders als mir. Ich war am Rande der Verzweiflung. Ich wusste immer noch nicht wo ich mich befand und wer genau hier vor mir stand. Das Einzige was mir völlig klar war, war dass ich mich in einer gefährlichen Lage befand. Dafür sprach eindeutig ihre beider Köpersprache.„Bitte, ich verspreche Ihnen, dass ich sofort von hier verschwinde und nie wieder zurückkommen werde, wenn Sie mir nur sagen könnten wo ich hier bin.“ Ich wollte so schnell wie möglich von diesem Ort verschwinden. Die Frau bewegte sich elegant zu mir runter und umfasste mein Kinn. Ihr Blick war fast noch eisiger als von dem Mann hinter ihr. „Nun, mein Kind, du befindest dich in den Räumlichkeiten des Erben der westlichen Ländereien, meinem Sohn.“ Ein leichtes und doch bedrohliches Lächeln umspielten ihre Lippen. Also tatsächlich verwandt. Aber, dass diese junge Frau wirklich seine Mutter sein sollte konnte ich mir nur schwer vorstellen. „Und vor dir befindet sich gerade die Herrin der westlichen Ländereien.“ Nach dieser Information ließ sie mein Kinn ruckartig los, stand wieder auf und stellte sich erhaben neben ihren Sohn. Leider konnte ich mit diesen Informationen nichts anfangen. Welche westlichen Ländereien? Erbe? Herrin? Ich konnte mir keinen Reim daraus machen. Ich wollte mehr Raum zwischen mir und den beiden dunklen Gestalten schaffen. Rückwärts robbte ich mich weiter von ihnen weg bis ich an die Tür an meinem Rücken spürte. „Das Wesen hier soll dich verfolgt haben, Sesshomaru?“ Die Herrin der westlichen Ländereien schaute mich belustigt an. „Sie wirkt eher verloren. Auch spüre ich keine größere Macht, die von ihr ausgehen soll.“ Sesshomaru hatte sich mittlerweile an seinen Schreibtisch angelehnt und seine Arme vor der Brust verschränkt. Er sah nicht so aus, als würde er seiner Mutter antworten wollen. „Woran denkst du?“ Seine Mutter schien bemerkt zu haben, dass ihm irgendetwas durch den Kopf ging. „Sie war mir als Geist heute den ganzen Tag erschienen. Das erste Mal als ich sie greifen wollte gingen meine Hände durch sie hindurch. Erst mein zweiter Versuch war erfolgreich. Seitdem befindet sie sich hier. Woran erinnert dich das?“ Sesshomarus Erklärung äußerte er sachlich und emotionslos. Die Herrin des Westens verhielt sich dagegen völlig gegenteilig, als ihr wohl bewusst wurde was seine Worte bedeuteten. Blitzartig blickte sie von ihm auf mich runter; ihre Augen waren weit aufgerissen. Ich konnte den beiden nicht folgen, wusste einfach nicht worüber sie sprachen. Anscheinend konnte sich Sesshomarus Mutter wieder aus ihrer Schockstarre lösen, sie kam erneut auf mich zu. Ihre Bewegungen waren anmutig, aber gleichzeitig auch voller Härte. Sie griff mich mit einer Hand am Kragen meiner Jacke und zog mich mit Leichtigkeit wieder auf meine Beine. Ich hatte das Gefühl direkt wieder zusammen sacken zu müssen, hätte sie mich nicht weiterhin fest in ihrem Griff. Wenn vorhin noch irgendwas Freundliches in ihrem Ausdruck zu finden war, war es nun nicht mehr vorhanden. „Was sind deine Fähigkeiten?“ Sie keifte mich regelrecht an. „Ich weiß nicht was Sie meinen“, antwortete ich ihr unsicher. Wie gern hätte ich ihr die Antwort gegeben, die sie sich erwünscht hatte. Mittlerweile befürchtete ich sogar, dass Beide dazu fähig waren mich umzubringen. Ihr Geduldsfaden schien zu reißen, ihr Griff um meinen Kragen wurde fester, sodass mir das Atmen schwer fiel. Sie rammte mich gegen die Tür, die durch den Zusammenprall leicht schepperte. „Ich lasse mich nur ungern an der Nase herum führen“, zischte sie durch ihre gefletschten Zähne. „Ich habe keine Fähigkeiten!“, schrie ich sie an und versuchte mich gleichzeitig aus ihrem Griff zu winden. Ich hatte keine Chance. Sesshomaru schaltete sich ein, legte eine Hand auf die Schulter seiner Mutter. „Das ist zwecklos, sie ist es nicht“, erkannte er kühl. „Dann beseitige sie, ich brauche den Abschaum hier nicht!“ Die Herrin des Westens lies mich unsanft los, schob mich bei Seite, sodass ich in Richtung des Regals stolperte und verließ wutentbrannt aus dem Raum. Zwei goldene Augen funkelten mich interessiert an. Nein, sein Interesse wollte ich sicherlich nicht auf mich ziehen. Kapitel 3: Die Überlieferung ---------------------------- 3. Die Überlieferung „Nun zu dir.“ Sesshomaru kam bedrohlich auf mich zu und baute sich vor mir auf. „Bitte, ich verspreche keinen Ärger zu machen.“ Ich ging immer wieder einige Schritte zurück, dicht gefolgt von ihm, bis ich das Regal in meinem Rücken spürte und ich zwangsweise stehen bleiben musste. Sesshomaru blieb erst stehen, als er so dicht an mir dran war, dass lediglich ein Blatt Papier zwischen uns passen würde. Ich musste hoch schauen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Ich hatte panische Angst, hielt aber seinem Blick stand. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Statt der Aufforderung seiner Mutter Folge zu leisten, entdeckte ich ein leichtes Grinsen bei ihm. Das passte so gar nicht zu ihm und der Situation, in der wir uns beide befanden. Er wendete sich von mir ab, ließ mich verwirrt stehen, ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich auf seinen Sessel. „Jaken“, sprach er aus und binnen Sekunden tauchte ein etwas kleinerer, älterer Mann auf. Er verbeugte sich vor Sesshomaru und wartete auf seinen Befehl. „Bring diese Frau in die Gästegemächer und gib Rin Bescheid, dass sie sie anständig kleiden soll.“ Jaken betrachtete mich verwundert, hatte mich bis dahin gar nicht bemerkt. Er verbeugte sich erneut, wendete sich wieder Richtung Tür und nickte mir zu. „Folgt mir.“ Fassungslos starrte ich Sesshomaru an. „Danke!“, ich hatte das Bedürfnis mich zu bedanken und aus irgendeinem Grund dachte ich, dass es wohl auch angebracht war mich ebenfalls vor ihm zu verbeugen. Sesshomaru reagiert hierauf allerdings nicht. Bloß nicht seine Gutmütigkeit strapazieren. Ich folgte Jaken durch verschiedene Gänge. Ich konnte mich nur wenig auf meine Umgebung konzentrieren. In meinem Kopf schwirrten zu viele Gedanken. Das Einzige was ich wahrnahm war, dass ich mich wohl in einer Art Schloss befinden musste. Der Mann vor mir war schlichter gekleidet, er schien definitiv ein Diener zu sein. Nach einer Weile kamen wir an eine Zimmertür, durch die Jaken mich hindurchführte. „Rin wird gleich bei Euch sein.“ Er drehte sich um, verließ zügig wieder den Raum um mich und meine Gedanken alleine zu lassen. Das Zimmer war groß und hatte einen offenen Kamin, der bereits brannte. Es war recht warm, daher zog ich mir meine Winterjacke aus und warf sie auf das große Himmelbett, welches direkt gegenüber des Kamins stand. Ich schaute mich in dem Zimmer genauer um. Es war modern und gemütlich eingerichtet. Die Wände und auch die Möbel waren hell, was den ganzen Rum leuchten ließ. So völlig gegensätzlich zu Sesshmarus Büro. Neben dem Kamin und dem Bett befanden sich auch noch eine Kommode und ein Spiegel, der darüber hing. Zwei bodentiefe Fenster, die sich links und rechts neben dem Bett befanden erhellten den Raum nochmal zusätzlich. Das rechte Fenster entpuppte sich als eine Glastür, die auf einen Balkon führte. Ich richtete mich auf, um auf den Balkon zu treten. Eine kühle, frische Brise kam mir entgegen. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. Sonnenstrahlen trafen auf Gesicht. Als ich meine Augen wieder öffnete sah ich auf Berge und Wälder. Das Bild was mir geboten wurde war atemberaubend. So etwas Schönes und beruhigendes hatte ich noch nie zuvor gesehen. Wo war ich hier nur? „Hallo?“ Eine sanfte, freundliche Frauenstimme ertönte hinter mir. Ich drehte mich um und erkannte eine junge hübsche Frau, die gerade das Zimmer betrat. Das musste Rin sein. Sie hatte lange schwarze Haare, die sie offen trug, und rehbraune Augen. Rin war etwas kleiner als ich und wirkte auch etwas jünger. Ihr bodenlanges, tiefblaues Kleid floss ihr sanft den Körper herunter. Sie sah wunderschön aus. Mein Instinkt verriet mir, dass ich vor der jungen Frau keine Angst haben musste. Ich lächelte sie freundlich an und trat wieder ins Zimmer. „Hallo, ich bin Amelia“, ich streckte ihr meine Hand entgegen, um sie zu begrüßen. Statt mir ebenfalls die Hand zu reichen, verbeugte sie sich nur kurz und ich zog meine Hand schnell wieder zurück. Die Hand jemanden als Begrüßung zu reichen war hier wohl keine übliche Geste. Ich tat es ihr gleich und verbeugte mich vor ihr. Sie lächelte mich belustigt an. Habe ich was falsch gemacht? „Ich bin Rin“, stellte sie sich freudestrahlend vor. „Ihr scheint mir ein Mensch zu sein.“ „Natürlich, was sollte ich denn sonst sein?“ Ich schaute Rin verwirrt an. „Nun, dann sind wir die einzigen Menschen hier auf dem Schloss.“ Sie schien sich über diese Erkenntnis zu freuen, ich hingegen war nur noch mehr verwirrt. „Und was sind dann alle anderen?“, fragte ich vorsichtig, nicht sicher ob ich die Antwort wirklich hören wollte. „Dämonen“, antworte Rin knapp und so gelassen, als wäre das das normalste auf der Welt. Völlig durcheinander über Rins Aussage ließ ich mir erneut auf dem Bett nieder. Vorsichtig setzte sie sich mich neben mich. „Hab ich was Falsches gesagt?“, besorgt schaute sie mich an. Dämonen also. Das war…nicht einleuchtend! „Entschuldigung, ich kann mir einfach nichts darunter vorstellen“, erklärte ich ihr. „Hmm, woher kommt Ihr denn?“ „Naja, aus einer Welt in der Dämonen nicht existieren“, ich zuckte mit den Schultern. Das war zu dem Moment auch der größte Unterschied, den ich feststellen konnte. „Oh, dann seid Ihr wohl die Frau aus der Überlieferung?“ Das war mehr eine Frage als eine Feststellung, die Rin in den Raum warf. „Welche Überlieferung?“ Ich musste mich wohl daran gewöhnen, dass alles hier nur noch mehr Fragen aufwerfen würde. „Nun, die Überlieferung sagt, dass jemand, der aus einer uns fremden Welt, erscheinen wird und alle vier Herrschaftsgebiete unter einem Herrscher vereint.“ Das muss wohl auch das gewesen sein, woran Sesshomaru und seine Mutter dachten. Deswegen hatte die Herrin des Westens auch nach meinen Fähigkeiten gefragt. Aber schnell war allen beiden bewusst gewesen, dass ich die Falsche war. „Nein, die bin ich nicht. Tut mir Leid. Ich besitze kein Macht mit der ich irgendwelche Herrschaftsgebiete vereinen könnte.“ Ich wusste nicht, ob Rin deswegen enttäuscht gewesen war, wenn ja, dann ließ sie sich nichts anmerken. Sie lächelte mich weiterhin an. „Das macht nichts. Lasst mich Euch umkleiden.“ Rin klatschte in ihre Hände und zog mich auf die Beine. Sie rannte zu einem Raum rechts neben dem Kamin, der keine Tür besaß. Als ich ihr nachging erkannte ich, dass es sich hierbei um ein Ankleidezimmer handelte. Prall gefüllt war der Raum nicht und das was hier an Kleidung hing waren hauptsächlich Kleider in dunklen Tönen. Ganz schön trist. Rin musterte mich und meine Kleidung. Jeans und Pullover waren wohl auch nicht gang und gäbe. Sie sagte aber nichts, half mir nur mich von meiner Kleidung zu entledigen. Während sie mir ein passendes Kleid raussuchte, ergriff ich die Chance um sie zu befragen. Eine Frage lag mir auf der Seele, die ich ihr unbedingt stellen musste. Allerdings wusste ich auch nicht, wie ich sie anzusprechen hatte. Die Höflichkeitsform hier schien ebenfalls anders auszufallen. Rin bemerkte, dass mich etwas zu quälen schien. „Fragt ruhig“, erlöste sie mich. Während ich versuchte meine Frage zu formulieren, hielt sie mir immer wieder verschieden Kleider an, um zu schauen, welches passen könnte. „Wie habe ich hier alle anzusprechen?“ Rin hielt in ihrer Bewegung inne und schmunzelte. „Also, bei mir braucht Ihr keine Höflichkeitsform anzuwenden. Bei allen anderen empfehle ich es jedoch. Besonders bei Sesshomaru und Serena! Dämonen sind schon sehr sensibel, was ihre Rangordnung betrifft. Und wir Menschen stehen da eben ganz weit unten.“ „Serena?“ „Die Herrin der westlichen Ländereien, Sesshomarus Mutter.“ Ich nickte. Bei den Beiden wollte ich mir wirklich keinen Fehltritt erlauben. „Also wenn ich dich normal ansprechen kann, dann bitte ich dich das ebenfalls bei mir zu tun. Wir sind ja schließlich beide Menschen.“ Ich zwinkerte ihr zu und sie kicherte. „Aber Ihr seid ein Gast Sesshomarus und demnach mir höher gestellt.“ „Ich bin sicherlich nicht einer seiner Gäste, glaub mir“, unterbrach ich sie. Rin schien darüber nach zu denken, nickte aber dann zustimmend. „Ich hab eins gefunden“, entschlossen hielt sie mir ein schwarzes bodenlanges Chiffonkleid mit langen Ärmeln entgegen. Ich zog es über und betrachtete mich im Spiegel, der mitten im Raum aufgestellt war. Mein Geschmack traf das Kleid nicht, es lag mir viel zu eng an. Es betonte zwar meine schlanke Figur, meine Kleidung war in der Regel aber eher weiter geschnitten. Mein schulterlanges blondes Haar und meine blauen Augen standen in einem starken Kontrast zu dem Schwarz. Rin reichte mir dazu noch passende Slipper. „Ihr tragt aber eine festliche Mode für den Alltag“, stellte ich skeptisch fest. Im Vergleich zu Serena sahen wir beide jedoch definitiv schlichter aus. Rin zuckte mit den Schultern und drehte sich in ihrem Kleid. „Mir gefällt’s und du siehst auch super aus!“ Als wir aus dem Ankleidezimmer traten stellte ich Rin die Frage, die mir vorhin schon auf der Zunge brannte: „ Wie kommt es, dass du als Mensch hier unter den ganzen Dämonen lebst?“ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie es freiwillig tat. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen lag ich jedoch falsch. „Als ich 8 Jahre alt war, rettete mir Sesshomaru das Leben. Er nahm mich auf und seitdem folge ich ihm.“ Die Tatsache, dass Sesshomaru jemanden das Leben retten würde, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Rin zeigte mir noch abschließend das Bad, das sich hinter der zweiten Tür in dem Zimmer befand, bevor sie sich wieder auf den Weg machen wollte. „Verlasse dein Zimmer nicht ohne mich oder Aufforderung. Jedenfalls so lange bis man dir was anderes erlaubt“, bat sie mich. Ich nickte ihr verständnisvoll zu. Als Rin das Zimmer verlassen hatte, stand ich alleine in mitten des Raums und kam mir völlig verloren vor. Meine einzigen Gedanken kreisten sich allein darum, wie ich hier schnellstmöglich unbeschadet wieder raus kommen konnte. Kapitel 4: Die rettende Idee ---------------------------- 4. Die rettende Idee Ich hatte keine Ahnung wie lange ich schon auf dem Bett saß, ins Leere starrte und verzweifelt nach einer Lösung für meine ganze Misere suchte. Ich musste unbedingt herausfinden wie ich wieder nach Hause kommen konnte und vor allem das hier überlebte. In meinem Zimmer wurde es langsam dunkler. Der Kamin brannte bereits aus. Mein Blick richtet sich nach draußen und sah, dass die Sonne allmählich unter ging. Ich war erschöpft und wollte mich nur noch in dem Bett verkriechen. Ich ging in das Ankleidezimmer, betätigte den Lichtschalter, um den Raum heller werden zu lassen und betrachtete die verschiedenen Kleider. Es befand sich tatsächlich nichts anderes an Kleidung in diesem Raum. Es war wohl als Frau nicht angebracht Hosen zu tragen. Das erinnerte mich an mittelalterliche Traditionen, ebenso die Art höhergestellte Personen anzusprechen. Beides stand allerdings im Gegensatz zu der modernen Einrichtung, der Elektrizität und dem fließenden Wasser. Meine Kleidung hatte Rin feinsäuberlich, gefaltet, auf einen Stuhl gelegt. Neben meiner Jeans und meinem Pullover hatte ich noch ein T-Shirt angehabt. Ich entschied mich dazu das T-Shirt als Schlafshirt zu nutzen. Ich zog die Slipper und das Kleid aus, hing es über den Stuhl und zog stattdessen mein altes T-Shirt an. Ich fühlte mich gleich viel wohler. Ich schaltete das Lichter wieder aus und kroch in mein Bett, versteckte mich unter der Bettdecke und fing an zu weinen. Ich konnte es einfach nicht mehr zurück halten. Irgendwann fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Es musste mitten in der Nacht gewesen sein, als ich aus meinem leichten Schlaf aufwachte. Lediglich der Mondschein erhellte das Zimmer leicht. Im ersten Moment wusste ich nicht wo ich mich befand, doch dann kam mir wieder die Erinnerung an den letzten Tag. Ich setzte mich seufzend auf und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Als ich wieder aufblickte hatte ich den Eindruck goldene Augen aufblitzen zu sehen, die mich anstarrten. Blitzartig und voller Panik tasteten meine Finger nach der Lampe auf meinem Nachttisch. Als ich den entsprechenden Schalter gefunden hatte und der Raum durch das Licht erhellt wurde, war niemand zu sehen – ich war völlig alleine in dem Zimmer. Mein Herzschlag und mein Atem beruhigten sich langsam, ich schaltete das Licht aus und verkroch mich wieder unter der Bettdeckte. Wie ein kleines Kind versteckte ich mich vor der Dunkelheit. Ich musste wieder eingeschlafen sein. Das nächste Mal als ich wieder meine Augen öffnete, blendeten mich die ersten Sonnenstrahlen. Ich krabbelte aus dem Bett und betrat das Badezimmer. Neben einem Waschbecken, einer Toilette und einer großen Dusche befand sich ein bodentiefes Fenster, welches nicht nur eine Menge Licht durchließ, sondern auch einen atemberaubenden Blick auf die malerische Waldlandschaft draußen eröffnete. Mit dem Rücken zum Fenster stehend betrachtete ich mich im Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Ich sah wirklich schrecklich aus. In der Hoffnung, dass ich danach frischer aussehen würde, warf ich mir eine Handvoll eiskaltes Wasser ins Gesicht. Im Zimmer neben an hörte ich, dass jemand herein kam. Ich trocknete mein Gesicht und schaute vorsichtig nach meinem Besucher. Sesshomaru stand an der Tür und schaute mich skeptisch an. Kein Wunder, ich stand ja nur in Unterhose und T-Shirt vor ihm. So vor dem Erben der westlichen Ländereien zu stehen war sicherlich ebenfalls nicht angebracht. Was machte er hier? Unsicher blickte ich ihn an. Er zeigte keinerlei Reaktion, stand nur da und schaute mich ungeniert an. Gefühlt verstrichen mehrere Minuten. Ein knurren seinerseits brachte mich in die Realität zurück. Ich ging zu meinem Bett, griff nach meiner Bettdecke und zog sie um mich. „Wie kann ich Euch helfen?“, fragte ich ihn vorsichtig. Mein Blick war gesenkt, um mich ihm unterwürfig zu zeigen. Ich wartete vergebens auf eine Antwort. Dann endlich agierte Sesshomaru plötzlich. Er ging, ohne mich weiter zu beachten in das Ankleidezimmer, griff nach meinem Kleid und warf es mir aufs Bett. „Zieh dich an. Ich erwarte dich gleich in meinem Büro!“ Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen verschwand er wieder. „Klar doch“, murmelte ich, als die Tür hinter ihm geschlossen war. Als ich mich fertig hergerichtet hatte verließ ich das erste Mal mein Zimmer. Vorsichtig streckte ich meinen Kopf hinter der Tür hervor und schaute nach links und nach rechts, um mich zu vergewissern, dass sich niemand auf dem Gang befand. Als niemand zu sehen war trat ich vollends vor die Tür und überlegte wie ich Sesshomarus Büro wieder finden würde. Ich stand gestern völlig neben mir, sodass ich den Weg nicht mal ansatzweise zusammen kriegen würde. Ich setzte mich in Bewegung und ging den Gang links nach unten, kam aber nicht weit. „Folgt mir!“ Ich zuckte zusammen, als der kleinere, ältere Mann von gestern mit dem Befehl an mir vorbei huschte. Jaken hieß er doch, wenn mich nicht alles täuschte. Gehorsam folgte ich ihm, dankbar, dass er mich ohne Umwege zu Sesshomarus Büro führte. Das Büro war wirklich nicht weit von meinem Zimmer entfernt. Die Richtung die ich zunächst eingeschlagen hatte war nicht verkehrt gewesen. Jaken hatte einen zügigen Gang drauf, ich hatte aber dennoch die Möglichkeit mir meine Umgebung genauer an zu schauen. Auch der Gang war, mit einen Marmorboden und den hellen Wänden, freundlich und edel hergerichtet. Wie auch in meinem Zimmer waren die Wände sehr kahl, lediglich Wandleuchten wurden hier angebracht. Wir kamen an mehreren Türen vorbei und ich fragte mich, wie viele Dämonen hier wohl lebten? Wir nahmen eine rechts Kurve und ich bemerkte, dass sich der Gang veränderte. Die hellen Wände wichen altes Steingemäuer und hierdurcht wurde alles um mich herum automatisch trister. Jaken blieb abrupt stehen. Beinahe wäre ich gegen ihn gelaufen, da ich zu sehr in die völlig veränderte Umgebung vertieft war. Jaken schaute grimmig zu mir auf, trat einen Schritt bei Seite, verbeugte sich kur zur Verabschiedung und verschwand. Nun stand ich vor Sesshomarus Büro und überlegte, ob ich anklopfen sollte. Ich zögerte, fasste aber all meinen Mut zusammen und wollte gerade anklopfen, als auch schon der Befehl „Komm rein“ von drinnen ertönte. Ich schaute nach oben und suchte nach einer Überwachungskamera, fand aber nichts. Er muss wohl ein gutes Gehör haben. Ich atmete tief durch und tat was mir befohlen wurde. Sesshomaru saß auf seinem Sessel hinter dem Schreibtisch und hielt eine Schriftrolle in der Hand, in die er vertieft war. Als ich eintrat blickte er kurz hoch und ich verbeugte mich vor ihm. „Amelia, so heißt du doch? Rin hat mir berichtet, dass ihr über die Überlieferung gesprochen habt.“ Ich nickte zustimmend. „Das Ziel des Westens ist die Herrschaft aller vier Herrschaftsgebiete. Das betrifft neben unserem Herrschaftsgebiet auch den Osten, den Norden und den Süden. Alle sollen dem Westen unterliegen!“ Überhaupt nicht größenwahnsinnig. „Jetzt kannst du dir sicherlich vorstellen was wir uns von dir ursprünglich erhofft hatten“, sprach er monoton weiter. Ein erneutes nicken meinerseits folgte. „Natürlich hoffen alle Herrscher auf das Wesen aus der anderen Welt zu treffen, alle verfolgen dasselbe Ziel.“ Diese Aussage Sesshomarus brachte mich auf eine Idee, die ich auch kundtun wollte. Ich machte nur den Fehler ihn zu unterbrechen. „Mir ko…“ „Du hast erst zu sprechen, wenn man es dir erlaubt.“ Sesshomaru stoß sich von seinem Sessel ab und richtete sich bedrohlich auf. Sein Tonfall war aggressiver als gewöhnlich, sodass ich ein Schritt nach hinten auswich. Ich wollte mich diesmal aber nicht einfach abspeisen lassen. Er sollte wissen, dass es eine Lösung geben könnte, die ihm bei seinem Vorhaben unterstützt und nebenbei mein Leben retten könnte. Kopf nach oben, präsentiere dich stark. „Wenn ich bitte sprechen dürfte“, rief ich aus und versuchte, dass meine Stimme nicht allzu sehr zitterte. Sesshomaru kam hinter dem Schreibtisch hervor und nickte mir kurz zu. Also sprach ich weiter: „ Ich nehme an, dass niemand weiß wie das Wesen auszusehen hat, noch sind irgendwelche Fähigkeiten beschrieben.“ Sesshomaru wirkte interessiert, ich hatte seine volle Aufmerksamkeit. „Warum lasst Ihr nicht einfach alle glauben, dass dieses Wesen an Eurer Seite steht.“ „Man wird Beweise sehen wollen“, stellt er gleichgültig fest. „Dann nehmt mich als Beweis, ich komme schließlich woanders her. Ich könnte diese Rolle spielen.“ Sesshomaru zog seine Augenbraue zusammen, er wirkte skeptisch, nicht wirklich überzeugt von meinem Plan. Ich musste ihn irgendwie überzeugen, ich befürchtete, dass mein Leben davon abhing. Wenn er endgültig merkte, dass ich für ihn nicht von Nutzen bin, würde er sich sicherlich meiner entledigen. Sesshomaru schüttelte den Kopf und schmunzelte herablassend. „Das sind alles hochrangige Dämonen, sie werden merken, dass von dir nur sehr wenig zu erwarten ist. Du bist lediglich ein schwächlicher Mensch!“ „Ich sage einfach, dass ich meine Kräfte unterdrücken kann und ja, vielleicht ist es auch von Nöten zu trainieren, um wenigstens den Eindruck zu erwecken, dass ich nicht schwach bin, es ist ein Versuch wert.“ Ich merkte selbst, dass sich das bescheuert anhörte. Sesshomaru schaute dagegen etwas optimistischer drein. Seine Miene zeigte nur selten irgendwelche Regung, aber diesmal war es anders, er lächelte. „Vielleicht funktioniert es, vielleicht aber auch nicht. Ich bin gewagt es auszuprobieren und habe da auch schon eine genaue Vorstellung.“ Er schmunzelte gefährlich zu mir rüber. Ich befürchtete, dass das nichts Gutes für mich bedeutete. Naja, wenigstens bleibe ich erst einmal am Leben. Kapitel 5: Training der Dämonen ------------------------------- 5. Training der Dämonen Sesshomarus Vorstellung entsprach nicht ganz meinem Geschmack. Er wollte nichts dem Zufall überlassen. Bedeutete, dass mein Gedanke zu trainieren, damit die Geschichte realistischer für die anderen Herrscher rüber kam, als erstes in die Tat umgesetzt wurde. Unter der Leitung von Ryura, Sesshomarus Stellvertretender Gewalthaber der westlichen Streitkräfte, wurden junge Dämonen für den Kampf ausgebildet. Seit Sesshomarus und meinem Gespräch befand auch ich mich unter den Rekruten. Ganz zur Freude meinerseits. Serena war zunächst nicht wirklich von diesem Plan überzeugt, war sogar wutentbrannt, da ihr Sohn ihren Befehl missachtete, mich zu töten. Dann faselte sie davon, dass so etwas Mickriges wie ich, mich niemals für ihre Zwecke beweisen könnte und ich wahrscheinlich nach einem Tag Training bereits das zeitliche segnen würde. Allerdings erschien ihr dieser Gedanke nicht verkehrt, daher ließ sie uns gewähren. Also begann mein Training bei Ryura – früh morgens. Keine Ahnung wie früh am Morgen es war, aber die Sonne war noch nicht aufgegangen als ich mich schlaftrunken neben die Anderen auf dem Schlossgelände einreihte. Im Gegensatz zu mir sahen sie frischer und motivierter aus. Rin hatte mich an diesem Morgen geweckt und mir Trainingskleidung mitgebracht. Sie war von der Idee nicht angetan. „Willst du das wirklich Amelia? Wenn die Geschichte auffliegt, dann könnte das dein Tod bedeuten“, versuchte sie mich noch umzustimmen. „Wenn ich es gar nicht erst versuche, würde das meinen Tod bedeuten. Sollte Sesshomaru keinen Zweck mehr in mir sehen, wird er sich meiner Entledigen und das möchte ich versuchen zu vermeiden.“ Ich nahm die Trainingsklamotten von ihr entgegen und zog mich um. Die Kleidung war elastisch, lag leicht und enganliegend auf meiner Haut und wirkte sehr robust. Meine Haare hatte ich mir noch zu einem kurzen Zopf nach hinten gebunden, damit sie mich beim Training nicht störten. In der eiskalten Morgenluft fror ich durch den Anzug nicht, im Gegenteil, er wärmte mich sogar. „Ihr werdet hier zu den stärksten Kriegern des Landes ausgebildet. Neben der körperlichen Stärke werden auch die Ausdauer und die mentale Stärke trainiert. Hierbei ist die mentale Stärke ebenso wichtig, wie die körperliche. Wir sind überzeugt davon, dass man Ängste durch Training überwinden und verschwinden lassen kann. Ängste hindern euch in Gefahrensituationen zu handeln und das würde nicht nur euren Tod bedeuten, sondern auch den eurer Kameraden.“ Ich schaute links und nach rechts von mir. Die jungen Dämonen sahen alle verbissen, hoch konzentriert und voller Vorfreude auf den Kampf aus. Wie alt sie wohl waren? Sie mussten noch sehr jung sein. Aber wenn ich an Sesshomaru und seine Mutter dachte, war mir bewusst, dass man nicht ausschließlich durch das Aussehen der Dämonen auf ihr wirkliches Alter schließen konnte. Während Ryuras Ansprache stand Sesshomaru im Hintergrund und begutachtete mit finsterer Miene und verschränkten Armen seine Rekruten. Wir standen in einer Art Arena, in der verschiedene Hindernisse und Trainingsmöglichkeiten aufgebaut waren. Um die Arena herum war eine Holztribüne errichtet, die zu diesem Zeitpunkt, bis auf Einzelne, leer war. Unter den wenigen Zuschauern erkannte ich Rin, die ganz unten auf der Tribüne saß, um nah an dem Geschehen zu sein. Sie winkte mir besorgt zu als ich meinen Blick auf sie gerichtet hatte. Ich atmete einmal tief durch. Das wird schon werden! Als Ryura seine Ansprache beendet hatte und uns erst einmal zum Aufwärmen Runden laufen ließ, wendete sich Sesshomaru wieder ab und kam an Rin vorbei, als er die Arena verlassen wollte. Sie strahlte ihn freudestrahlend an und ich meinte erkennen zu können, dass er ihr als Begrüßung zunickte. Ich war überrascht, denn das war das erste Mal, dass ich ansatzweise etwas freundliches in seinem Wesen entdeckte. „Amelia, beweg dich!“, schrie mich Ryura an und riss mich aus meinen Gedanken. Sofort lief ich los und versuchte an den Anderen Anschluss zu finden. Vergebene Mühe. Ich war noch nie wirklich sportlich gewesen und Ausdauersport zählte erst recht nicht zu meinen Stärken. Ich versuchte verzweifelt nicht am ersten Tag schon aufgrund Atemnot vorzeitig den Lauf abzubrechen. Leider gelang mir das nicht. Bereits nach 30 Minuten brach ich förmlich zusammen. Ryura, der uns bei dieser Trainingseinheit beobachtete, kam mit langsamen Schritten auf mich zu. „Habe ich gesagt, dass der Lauf für dich beendet ist?“, fragte er mich ironisch. „Nein“, hauchte ich, völlig außer Atem. „Nein, Herr!“, korrigierte er mich zynisch. Ich hatte meine Arme auf meinen Knien abgestützt und schaute verzweifelt auf hin hinauf. In seiner Miene war kein Erbarmen zu erkennen, also richtete ich mich wieder auf und lief schleppend weiter. „Wie ich euch heute Morgen bereits erklärt habe, werdet ihr im Kämpfen trainiert“, verkündet Ryura, als wir uns nach weiteren qualvollen 30 Minuten wieder versammelten. Ich keuchte, hatte Seitenstechen und mir war furchtbar schwindelig. Vielleicht hatte Serena Recht, ich würde bereits nach dem ersten Trainingstag jämmerlich eingehen. Meine Mitstreiter belächelten mich. Sie selbst sahen von dem Lauf unbeeindruckt aus und steckten noch voller Energie. Wie konnte man körperlich nur so schwach sein? „Es ist wichtig, dass ihr so trainiert seid, dass ihr im entscheidenden Moment handeln könnt und, dass euer Körper fit für jegliche Bedrohungen und für den Kampf bereit ist“, erklärt er weiter. Für mich war es zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne überhaupt daran zu denken irgendwann mal einen Kampf zu bestreiten, geschweige denn zu überleben. „Heute werden wir verschiedene Kampftechniken trainieren und morgen werdet ihr gegen einander antreten. Wer also nicht schnell genug lernt, wird es spätestens morgen büßen.“ Natürlich. Ich hatte mich von dem Lauf immer noch nicht erholt, versuchte jedoch angestrengt zu verfolgen was Ryura gemeinsam mit einem anderen ausgebildeten Dämon an Kampftechniken demonstrierte. Dies sollten wir ihm dann an Sandsäcken gleichtun. Ich brauchte einige Anläufe, bis ich verstand, wie die verschiedenen Techniken anzuwenden waren, wie ich am besten zu stehen und ich mich zu bewegen hatte. Nach einer Weile waren meine Handknöchel bereits wund und meine Beine waren von den Tritten gegen die Sandsäcke schwer wie Blei. Um mich herum hörte ich, wie die Anderen ihre Fäuste gegen den unnachgiebigen Stoff knallten – sie waren so viel effektiver in ihren Schlägen. Ryura trat zwischen uns hin und her, um zu beobachten wie wir seine Übungen ausführten. Dann kam er auf mich zu, musterte mich von Kopf bis Fuß. Er sah mir kritisch zu, wie ich kraftlos gegen den Sandsack vor mir einschlug. „Du hast keinerlei Muskelatur“, stellt er fest. Ich hielt in meinen Ausführungen inne und schaute ihn an. Ryura war ein großer, breitschultriger Dämon mir kurzen schwarzen Haaren und tiefschwarzen Augen. Er war überaus muskulös und hatte eine attraktive Erscheinung. Aber auch er war, wie Sesshomaru, Angst einflößend. Seine Miene war meist finster und sein Umgangston war herrisch. In diesem Moment aber entdeckte ich noch etwas anderes an ihm. „Es ist effektiver, wenn du mehr deine Ellenbogen und Knie einsetzt, dahinter steckt dann mehr Kraft.“ Ich war verwundert über seinen Ratschlag. Ryura kam näher an mich heran und legte eine Hand auf meinen Bauch. „Du benötigt hier mehr Spannung. Die Kraft muss von hier raus kommen.“ Ohne ein weiteres Wort ließ er wieder von mir ab und ging weiter. Mit aufgerissenen Augen schaute ich ihm nach. Er versuchte mir tatsächlich zu helfen. So trainierten wir den ganzen Tag. Lediglich für das Mittagessen durften wir für eine Stunde pausieren. Alle verließen munter und gut gelaunt das Schlossgelände, wohin sie gingen wusste ich nicht. Rin wartete mit meinem Essen auf der Tribüne auf mich. „Du machst dich nicht schlecht“, versuchte sie mich aufzubauen. Wenn ich nicht bereits schon überall Muskelkater gehabt hätte, wäre ich in fürchterliches Gelächter ausgebrochen, aber selbst das Atmen tat schon höllisch weh. Ich legte mich vor Erschöpfung auf die Sitzbank. „Das werde ich niemals überleben. Was sind das nur für Unmenschen, die so mir nichts dir nichts solch ein Training wegstecken?“, jammerte ich. „Das sind Dämonen und die sind echt stark“, betonte Rin. „Iss was, du musst zu Kräften kommen.“ Vorsichtig richtete ich mich wieder auf. Sie reichte mir den Eintopf, den sie mir aus der Küche mitgebracht hatte. Das Essen fiel mir unsagbar schwer. Ich hatte das Gefühl, dass ich keinen einzigen Muskel mehr bewegen konnte. Trotz alledem schaffte ich es trotzdem irgendwie das Training den restlichen Tag noch durchzuhalten. Sesshomaru selbst hatte sich den ganzen Tag über nicht mehr blicken lassen. Wahrscheinlich auch besser so, dann hatte er das Elend wenigstens nicht mitbekommen. Wobei Ryura ihm sicherlich Bericht erstatten musste. Ohne Umwege schleppte ich mich auf mein Zimmer, ich wollte niemanden mehr sehen oder sprechen, ich wollte einfach nur schlafen. Und das tat ich auch, bis ich wieder, viel zu früh, am nächsten Morgen unsanft geweckt wurde. Kapitel 6: Ein dankbares Hilfsangebot ------------------------------------- 6. Ein dankbares Hilfsangebot Ich war gerade dabei langsam aus meinem erholsamen Schlaf aufzuwachen. Als ich mich leicht im Bett bewegte, spürte ich sofort meinen Muskelkater und dieser erinnerte mich an mein gestriges und das heute bevorstehende Training. Ich stöhnte kurz bei einer weiteren Bewegung auf und öffnete langsam meine Augen. In der Dunkelheit und noch im Halbschlaf befindend, erkannte ich nur Umrisse, aber es war offensichtlich, dass jemand in dem Sessel an der Balkontür saß. Vor Schreck schrie ich auf, rutschte ans andere Ende des Bettes, meine Schmerzen ignorierend. Dann erkannte ich wer vor mir saß und atmete genervt aus. „Herr Gott, Sesshomaru, was soll das? Wollt Ihr mich umbringen?“ Ich krabbelte zum Nachttisch und schaltete die Lampe an. Das Licht erhellt den Raum und ließ mich Sesshomaru genauer sehen. Ihn schien das ganze Szenario nicht aus der Ruhe gebracht zu haben. Er saß weiterhin auf dem Sessel und beobachte mich. „Macht Ihr das öfters?“, fragte ich ihn. „Was?“, stieß er hervor. „Na, mitten in der Nacht in ander´ Leuts Zimmer zu sitzen und sie beim Schlafen zu beobachten.“ Als einzige Reaktion auf meine Frage verschränkte er seine Arme vor seiner Brust. Schien eine beliebte Haltung für ihn zu sein. Da keine Antwort zu erwarten war, fragte ich ihn leicht genervt „Kann ich Euch irgendwie bei irgendwas behilflich sein?“ und rollte meine Augen. Ich wusste, dass ich vorsichtiger mit meinem Umgangston in seiner Gegenwart sein sollte, aber ich hatte für solche früh morgendliche, einseitige Unterhaltungen keine Geduld. Sesshomaru erhob sich aus dem Sessel und trat näher an mein Bett heran. „Ryura hat mir von deinem Training gestern berichtet. Meinst du wirklich, dass du so irgendwen überzeugen wirst, dass mit deiner Hilfe die alleinige Herrschaft über alle Ländereien zu erwarten ist?“ Seine Worte prallten herrisch über mich herein. „Wahrscheinlich nicht“, setzte ich zur Verteidigung an. „Aber ich hatte auch nie behauptet, dass ich in irgendeiner Form sportlich begabt wäre. Mir war von vornerein bewusst, dass das eine Menge Arbeit werden wird.“ „Ich warne dich Amelia, wenn der Westen sich wegen dir lächerlich macht, dann wirst du dir wünschen, dass ich dich bei unserer ersten Begegnung umgebracht hätte.“ Er sprach es wie eine Drohung aus, aber ich wusste, dass es ein Versprechen war. Mir war zum Heulen zu mute, jedoch versuchte ich ihm selbstbewusst entgegen zu blicken. Sesshomaru wandte sich nach seinem letzten Satz zur Tür, doch bevor er aus meinem Zimmer wieder verschwand warf ich ihm noch trotzig entgegen: „Sesshomaru, das nächste Mal, wenn du solche wichtigen Angelegenheiten mit mir zu klären hast, dann warte damit wenigstens bis die Sonne aufgegangen ist!“ Ich wollte unbedingt das letzte Wort haben. Er drehte sich nach meinen Worten nochmals zu mir um und schaute mir lange in die Augen, verzog dabei keine Miene. Ich hielt seinem Blick stand, bis er mir den Rücken kehrte und mein Zimmer verließ. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete ich tief durch. Bevor das Training für heute wieder begann, sprang ich unter die Dusche, um mir den Dreck von dem gestrigen Tag noch abzuwaschen. Vor lauter Erschöpfung war ich hierfür am Abend zuvor nicht mehr fähig gewesen. Ich betrachtete meine geschundenen Handknöchel, während mir das warme Wasser über meinen Körper lief. Die Wärme des Wassers tat meinen Muskeln gut und so schloss ich meinen Augen, um nochmal die Ruhe zu genießen. Meine Gedanken schweiften zu Sesshomarus Worten. Ich wusste, dass ich dringend einen anderen Plan brauchte, denn das, was man von mir erwartete, würde ich wohl nicht erfüllen können. Es blieb also nur noch die Flucht. Aber wohin? Zudem würde ich wohl nicht weit kommen, bevor man mich wieder fände und zurückbrachte. Es war jedoch ein Hintertürchen, welches ich mir offen lassen sollte, bevor alles um mich herum zusammenbrechen drohte. Ich musste dafür mir nur genügend Informationen über das Schloss, über Geheimgänge, Ausgänge und die direkte Umgebung außerhalb des Schlossgeländes, besorgen. Und das war auf jeden Fall machbar. Die entsprechenden Informationen würde ich sicherlich durch Rin erhalten können. Ob ich eine Flucht riskieren würde, würde ich dann spontan entscheiden. Auf dem Trainingsplatz angekommen, traf ich wieder auf höchst motivierte Dämonen. Meine Stimmung war jetzt bereits schlechter als gestern nach dem ersten Trainingstag. Ich befürchtete nichts Gutes. Sesshomaru war wieder nicht zu sehen, er hatte wohl besseres zu tun. Auch Rin war diesmal nicht dabei. Ob sie wohl nicht mitansehen konnte, wie ich verprügelt werden würde. Wir alle betrachteten meine Lage wohl realistisch, ich hatte null Chancen gegen einen dieser Muskelprotze anzukommen. Ryura trat auf den Platz und befahl uns zunächst uns wieder aufzuwärmen. Diesmal sollten wir Seilspringen. Die Technik konnte ich, aber auch hier mangelte es mir an Ausdauer. Wo andere problemlos 30 Minuten durchhielten, pfiff ich wieder aus dem letzten Loch. Aber ich brach das Aufwärmprogramm nicht vorzeitig ab. „Bevor wir zu den Kämpfen `Mann gegen Mann´ kommen, habt ihr folgende Regeln zu beachten. Es wird kein Erbarmen gezeigt. Aufgeben wird nicht akzeptiert, jedoch ist das Töten des Gegners im Training nicht erlaubt. Habt ihr mich verstanden?!“, betonte Ryura mit fester Stimme. Ich schluckte, während alle Dämonen um mich herum knurrten und zustimmend nickten. Ryura zählte die Gruppierungen auf. Ein Name nach dem anderen wurde genannt und zuletzt kam auch ich an die Reihe. „Amelia, du setzt heute aus“, ließ er beiläufig verlauten. Misstrauisch schaute ich zu ihm rüber. Ich hätte schwören können, dass einzelne Dämonen über diese Verkündung enttäuschte Laute von sich gaben. Natürlich war ich erleichtert, wusste aber nicht, ob sich dies zu meinem Vorteil oder Nachteil wenden werden würde. Während die einzelnen Kämpfe bestritten wurden, beobachteten wir anderen das Schauspiel von der Tribüne aus. Was ich dort zu sehen bekam war unfassbar. Mit was für einer Geschwindigkeit und Härte gekämpft wurde, ließ mich erblassen und in eine schockstarre verfallen. Wie in Trance schaute ich mir einen Kampf nach dem anderen an. Teilweise konnte ich bestimmte Abläufe gar nicht erkennen, so schnell wurden sie ausgeführt. Mir war sofort bewusst, dass ich selbst mit Jahre langem Training niemals nur ansatzweise eine Chance gegen einen dieser Dämonen hatte – und die hier waren noch in der Ausbildung. Mich beschlich langsam das Gefühl, dass Sesshomaru mit mir spielte. Das musste ihm doch von Anfang an klar gewesen sein, dass ich keinerlei Chance hatte nur ansatzweise hier mitzuhalten. Er machte sich einen Spaß aus meiner Situation. Ryura beendete das Training am späten Nachmittag. Ich wollte mich gerade auf dem Weg in meine Räumlichkeiten machen, als ich von Sesshomarus Stellvertreter angehalten wurde. „Amelia, bleib!“, forderte er mich auf. Ich verharrte in meiner Bewegung, gehorchte jedoch. Ryura kam auf mich zu und zog mich in eine abgelegene Stelle seitlich der Tribüne. „Wie sieht dein Plan aus?“, fragte er mich. Entsetzt schaute ich ihn an. Worauf wollte er hinaus? „Wie meint Ihr das?“, tastete ich mich vorsichtig an das Gespräch heran. „Sesshomaru hat mir von eurem Vorhaben berichtet. Mal abgesehen davon, dass absolut jeder riechen kann, dass du ein Mensch bist und keinerlei Fähigkeiten hast, wie willst du alle überzeugen die Auserwählte zu sein?“ Je öfter ich diese Frage gestellt bekam, desto mehr wurde mir klar wie lächerlich das Ganze klang. Aber ich wollte diese Erkenntnis nicht vor Ryura oder Sesshomaru eingestehen. Also blieb ich bei meiner Auffassung und versuchte mich zu erklären. „Muss man denn eine übermenschliche Kriegerin sein, um Kriege für sich zu entscheiden. Um Kriege zu gewinnen zählen doch auch andere Fähigkeiten. Es bedarf immer einer Strategie, jemand der die Zügel im Hintergrund hält“, versuchte ich glaubwürdig zu vermitteln. „Und du kennst Strategien, die zum Sieg führen?“, belächelte er mich. „Nein, aber das ist eine Fähigkeit, die man anderen vermitteln kann, ohne dafür in den Ring zu steigen.“ Ich versuchte selbstbewusst zu klingen. „Das mag sein, Amelia, aber Sesshomaru wird sich damit nicht zufrieden geben. Er erwartet mehr von dir.“ Der sonst so erbarmungslose und herrische Mann vor mir sprach diese Worte mit so viel Mitgefühl aus, die ein Dämon nur aufbringen konnte. Ryura zeigt eine völlig andere Seite von sich und dafür war ich dankbar. Er vermittelte mir das Gefühl, dass nicht nur Erbarmungslosigkeit in diesem Schloss vorherrschte. „Ich weiß“, antwortete ich ihm knapp. „Aber ich weiß nicht was ich noch tun kann“, gestand ich ihm. Ryura schüttelte den Kopf, schien gegen sich selbst zu kämpfen und zu verlieren. „Ich trainiere dich! Das heißt nach dem Gruppentraining, beginnt unser Einzeltraining. Ich werde dich nicht schonen, du wirst lernen Schmerzen einzustecken und ohne eine Miene zu verziehen zu ertragen. Man wird dir nicht anmerken, dass du Schmerzen hast. Hast du mich verstanden?“ Mit aufgerissen Augen blickte ich zu ihm auf, versuchte zu begreifen was er mir eben zu verstehen gegeben hatte. Ich war lediglich zu einem zustimmenden Nicken im standen. Mein Blick richtete sich auf den Boden, als ich wieder aufblickte hatte Ryura sich bereits von mir entfernt. Kapitel 7: Rin und ihre Dämonen ------------------------------- 7. Rin und ihre Dämonen „Echt, das tut er für dich?“ Rin und ich saßen beide wieder einmal auf meinem Bett als ich ihr von Ryuras Angebot erzählte. „Das ist sehr nett von ihm“, schwärmte sie weiter. Mit hochgezogenen Augengenbrauen musterte ich sie unglaubwürdig. „Du stehst auf ihn“, stellte ich amüsiert fest. „Wie meinst du das?“ „Na du bis in ihn verliebt, stimmt’s?“ Ich musste mir das Lachen verkneifen. Als stumme Bestätigung wurde Rin leicht rot und schaute verlegen zu Boden. „Ist er nicht viel zu alt für dich?“, fragte ich sie vorsichtig, versuchend diese Unterhaltung nicht noch unangenehmer für sie zu gestalten. „Aber nein, als Dämon ist er noch recht jung. Ich glaube so um die 400 Jahre.“ Ich setzte gerade meine Trinkflasche zum Trinken an, als Rin mir diese Information mitteilte. Vor entsetzten spuckte ich das Wasser geradewegs wieder aus. „Bitte wie alt?“, schrie ich sie förmlich an. Sie schaute mich überrascht an, als könnte sie nicht verstehen, dass mich ein so hohes Alter schockierte. „Das ist wirklich jung“, verteidigte sie sich. „Und wie alt ist Sesshomaru?“, erkundigte ich mich vorsichtig. Rin überlegte kurz. „Ich glaube, er ist so um die 600 Jahre.“ „Ist ja nur geringfügig älter“, stellte ich ironisch fest und winkte ab. Das Mädchen vor mir kicherte leise und strahlte mich liebevoll an. Mich sollte hier eigentlich nichts mehr wundern. „Wie alt werden Dämonen denn maximal?“, fragte ich Rin interessiert. „Keine Ahnung, dass ist schwer zu sagen, da sie selten eines natürlichen Todes sterben.“ Sie zuckte ihre Schultern. Aber diese Ansicht deckte sich mit meinen Erlebnissen beim Training in den letzten Tagen. Mich interessierte nun immer mehr das Verhältnis zwischen Rin und Ryura, daher versuchte ich dieses Thema doch wieder aufzugreifen. Vielleicht würde mir die Beziehung zwischen den Beiden noch zu Gute kommen. „Hast du denn viel mir Ryura zu tun?“, erkundigte ich mich bei ihr. Rin schien zu überlegen, was sie bezüglich ihrer Beziehung preisgeben wollte. „Ich sehe ihn hin und wieder mal beim gemeinsamen Abendessen mit Sesshomaru.“ Ich wusste zwar bereits, dass Sesshomaru Rins Leben vor Jahren gerettet hatte, aber nicht, dass die beiden ein so inniges Verhältnis hatten, dass sie gemeinsam Zeit miteinander verbrachten. Sie schien zudem ein fester Bestandteil Sesshomarus engeren Kreises eingenommen zu haben, wenn sie mit ihm und Ryura als Mensch an einem Tisch saß. Ob Serena auch dabei war? „Du scheinst ja auch ein gutes Verhältnis zu Sesshomaru zu haben. Es fällt mir nur sehr schwer mir vorzustellen, dass er ein guter „Freund“ ist“, stellte ich erstaunt fest. „Nun, ich bin aber auch schon seit 10 Jahren an seiner Seite. Er ist nicht einfach, aber wenn man sich an seine Regeln hält und ihm Folge leistet, dann ist er ganz in Ordnung“, erklärt sie mir. „Ich habe ihn auch schon gebeten, gnädig mit dir zu sein. Ich mag dich und außerdem bist du der einzige Mensch mit dem ich hier im Schloss Kontakt habe.“ Das überraschte mich. „Das ist lieb von dir“, bedankte ich mich sofort bei ihr. „Ich glaube aber nicht, dass du mit dieser Bitte Erfolg hattest.“ Ich erhob mich vom Bett und ging in Richtung Ankleidezimmer, um meine Trainingskleidung gegen etwas Gemütlicheres zu wechseln. Rin berichtete mir von meinem Bett aus weiter: „Naja, er hat mich auf jeden Fall angehört und vorgeschlagen, dass du ja zukünftig an unserem gemeinsamen Abendessen teilnehmen kannst.“ Ich hielt in meiner Bewegung, mein T-Shirt anzuziehen, inne und streckte meinen Kopf aus dem Ankleidezimmer. „Bitte was?“ Rin erzählte mir von diesem Angebot so beiläufig, als wäre es das Normalste auf der Welt. Sie nickte heftig, um mir verständlich zu machen, dass sie es ernst meinte. „Und wann soll ich mit euch zu Abend essen?“ „Gleich“, sprudelte es geradezu aus ihr heraus. Ich war fassungslos. „Und wann wolltest du mich darüber in Kenntnis setzten?“ Mein Kopf schwirrte. Mit Sesshomru gemeinsam an einem Tisch sitzen war wirklich das Letzte was ich wollte. „Hab ich doch gerade. Du solltest dir übrigens was Angemessenes anziehen und vielleicht vorher nochmal unter die Dusche springen.“ Rin rümpfte ihre Nase. „Ich möchte aber lieber alleine etwas essen. Ich bin gerne auf meinem Zimmer.“ Mit diesen Worten wendete ich mich wieder ins Ankleidezimmer. Ich hörte wie Rin sich von dem Bett bewegte und mir nachging. Sie schaute mich besorgt an. „Du solltest das Angebot von Sesshomaru annehmen. Er würde das nicht gut heißen, wenn du heute nicht erscheinst, was dir dein Leben hier nur noch mehr erschweren wird. Du möchtest doch eine bessere Beziehung zu ihm haben.“ „Ehrlich gesagt möchte ich gar keine Beziehung zu ihm haben“, unterbrach ich sie barsch. „Du hast aber keine Wahl, Amelia.“ Rin ging an mir vorbei, zog ein Kleid hervor und hielt es mir hin. „Zieh das an. Es wird schon gut gehen. Ich hole dich nachher ab und weiche dir auch nicht von deiner Seite“, versuchte sie mich zu beschwichtigen. Ich funkelte Rin böse an, als sie mich wieder alleine ließ und mein Zimmer verließ. Nach bevor sie die Tür hinter sich schloss, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Sie meinte es nur Gut, versuchte mir zu helfen und ich blaffte sie undankbar an. Ich seufzte, als ich mir das Kleid, welches mir Rin rausgesucht hatte, genauer anschaute. Schwarze Spitze war zunächst das Einzige was ich erkannte, aber das reichte schon, um das Kleid für zu übertrieben abzustempeln. Nach einer ausgiebigen Dusche betrachtete ich mich, das Kleid tragend, im Spiegel. Ich fühlte mich sichtlich overdressed. So ging doch keiner zu einem alltäglichen Abendessen. Das Spitzenkleid war langärmlig und, wie jedes andere Kleid in meinem Kleiderschrank, bodenlang. Am meisten unwohl fühlte ich mich mit dem tiefen Ausschnitt, der, für meinen Geschmack, zu viel preisgab. Ich war froh, dass keine hohen Schuhe üblicher Weise getragen worden. Ich suchte einfache, schwarze Slipper aus. Viel würde man durch das Kleid sowieso nicht erkennen. Mein Haar hatte ich mir, noch im halbtrockenen Zustand, zu einem kurzen Flechtzopf zusammen gebunden. Nur kurze Zeit später klopfte es an meiner Tür und Rin trat vorsichtig ein. Sie sah wieder einmal atemberaubend aus. Ihre schwarzen Haare trug sie offen und ihr Kleid umspielte ihre extrem schlanke Figur. Sie trug ein ähnliches wie ich. Ich lächelte sie entschuldigen an und sie verstand mich wortlos. Rin zog mich in ihre Arme und drückte mich fest an sich. „Du schaffst das“, versuchte sie erneut mich zu beruhigen. Als wir uns aus der Umarmung lösten, nickte ich ihr zu. Für den Abend nahm ich mir vor souverän aufzutreten und keine emotionale Schwäche zu zeigen. Sesshomaru würde sich sicherlich nicht beim Abendessen meiner entledigen. Wir gingen gemeinsam durch die Gänge des Schlosses, bis wir wieder in dem älter wirkenden Schlossbereich gelangen. Hier in der Nähe befand sich auch Sesshomarus Büro. Das Steingemäuer in diesem Teil des Schlosses ließ mich frösteln. Rin schien dies bemerkt zu haben. „Im Esszimmer brennt der Kamin, dort wird es wärmer sein.“ „Warum ist dieser Teil des Schlosses so gegenteilig zu dem Rest des Schlosses?“, erkundigte ich mich bei Rin, als wir den Gang zielstrebig entlang gingen. Sie würde hierauf sicherlich eine Antwort haben. „Dieser Teil des Schlosses ist der älteste. So sah das Schloss ursprünglich aus. Es ist älter als Sesshomaru selbst. Er mag keine Veränderungen in seinen Räumlichkeiten, deswegen wurde hier nichts geändert.“ Die Erklärung passte zu dem Bild was ich von Sesshomaru hatte: starrsinnig, dickköpfig und bloß keine Veränderungen. Als wir an unserem Ziel ankamen, traten wir durch eine hohe Flügeltür. Im Esszimmer erwartete man uns schon. Sesshomaru, Ryura, Jaken und ein alter Dämon namens Hoshi, der sich als Leibarzt des Schlosses herausstellte, saßen bereits an der langen Tafel, die sich mitten im Raum befand. Serena war nicht anwesend. „Entschuldigt die Verspätung“, bat Rin liebevoll um Verzeihung. Anfangs dachte ich, wir würden Ärger bekommen, aber dem war nicht so. Die Dämonen im Raum schauten zu uns und ich meinte zu erkennen, dass Sesshomaru kurz interessiert eine Augenbraue hochzog, als er mich erblickte. Auf diese Reaktion seinerseits musste ich schmunzeln. Interessant. Ryura strahlte Rin an, Jaken war schnell wieder mit Schriftrollen, die vor ihm lagen, beschäftigt und Sesshomaru hatte sich schnell wieder gefangen und ignorierte uns. Hoshi nickte uns zur Begrüßung zu, während sich Ryura von seinem Platz erhob und den Stuhl von Rin vorrückte, sodass sie sich besser setzten konnte. Danach tat er dasselbe bei mir, jedoch etwas verhaltener. Ich dankte ihm mit einem Lächeln. Es machte mir den Anschein, dass auch er Rin sehr mochte. „Wie war dein Tag Rin?“ Ich traute meinen Ohren nicht. Es war tatsächlich Sesshomaru der die Frage an Rin richtete. Er sprach diese emotionslos aus, aber er sprach sie aus. Rin reagierte auf seine Frage genauso wie ich sie kennengelernt hatte, überaus freundlich. Sie berichtete von ihrem Tag. Sie hatte wirklich viel zu erzählen. Meine Blicke wanderten währenddessen durch den Raum. Er war, wie der Gang draußen und Sesshomarus Büro, aus Steingemäuer, hatte eine hohe Decke und überall waren Kerzenleuchter aufgestellt, die den Raum erhellten. Es gab eine große Fensterfront, doch die Scheiben waren bereits so trüb, dass nur sehr wenig Licht einfallen konnte. Hinter Sesshomaru befand sich der Kamin, der den Raum angenehm wärmte. Als ich in seine Richtung blickte bemerkte ich, dass er mich fixierte und nur beiläufig Rin bei ihrer Ausführung zuhörte. Ryura und Hoshi waren hingegen interessierter und gingen auf ihre Erzählung ein. Ich hielt Sesshomarus Blick stand. Wir verzogen beide keine Miene, zeigten beide keinerlei Emotionen. Was du kannst, kann ich auch. Rin schien unser Spiel bemerkt zu haben und räusperte sich kurz. „Wie dem auch sei, ich werde morgen nochmal zu Kaede gehen, um mir die Heilkräuter geben zu lassen, die sie heute nicht vorrätig da hatte.“ Ich hörte bei Rins Bericht heraus, dass sie bei Hoshi in einer Art Ausbildung ist und für ihn heute Besorgungen erledigt hatte. „Mach das“, antwortete Sesshomaru ihr, mich weiterhin fixierend. Jaken war es, der mich aus unserem Duell heraus riss. „Unsere Boten sind in alle Länder verteilt ausgeschwärmt. Die Nachricht von Amelias Ankunft wird also bald überall weitergetragen sein“, verkündete er. Mit aufgerissenen Augen starrte ich von Sesshomaru auf Jaken. Ich hoffte inständig mich verhört zu haben. „Euer Ernst?“, richtete ich mein Wort an Sesshomaru. Dieser grinste mich gehässig an. „Du hast doch gesagt, dass du es schaffen wirst alle zu überzeugen. Du wirst deine Gelegenheit hierfür erhalten.“ Nicht nur ich war über seine Worte schockiert, auch Ryura und Rin schauten besorgt drein. Reine Schikane. Kapitel 8: Zwickmühle --------------------- 8. Zwickmühle Die Flügeltür öffnete sich und zwei Diener traten ein, um das Abendessen aufzutischen. Als sie fertig waren und uns wieder verließen, begannen alle, außer mir, mit dem Essen. Ich starrte immer noch auf Sesshomaru, da ich es nicht fassen konnte was er mir eben eröffnet hatte. Es brodelte regelrecht in mir, ich musste mich zusammenreißen nicht völlig vor allen Anwesenden auszurasten - ich war stocksauer. Rin bemerkte meinen Gemütszustand und legte ihre Hand auf mein Bein, um mich zu besänftigen. Es half nicht. Auch Ryura schien auf mich zu achten, denn er beobachtete mich immer wieder im Augenwinkel, während er aß. Sesshomaru schien das nicht zu interessieren, er konzentrierte sich auf sein Essen und sprach ab und an mal ein paar wenige Worte mit Hoshi oder Jaken. „Ich habe keinen Hunger, ich gehe zu Bett.“ Ich hielt es nicht mehr aus, wollte von hier weg und eine große Distanz zwischen mir und Sesshomaru schaffen. Ich stieß mich vom Tisch ab und war gerade dabei die Gruppe zu verlassen, als Sesshomaru mit herrischer Stimme reagierte: „Setz dich wieder hin, Amelia, und iss!“ Rin zuckte bei seinem Tonfall zusammen. Jaken und Hoshi hielten in ihren Essensbewegungen inne und Ryura schloss andächtig seine Augen, als würde er ahnen, dass die Situation eskalieren würde. Sesshomaru behandelte mich wie ein kleines Kind und das ließ ich nicht auf mir sitzen. „Weißt du, Sesshomaru, ich habe es satt!“ Ich verzichtete absichtlich auf die Höflichkeitsform. Er behandelte mich mit null Respekt, also wieso sollte ich es dann tun? „Dir scheint es Spaß zu machen andere zu schikanieren, rumzukommandieren und Drohungen auszusprechen. Aber soweit ich weiß, gehöre ich nicht zu deinem Volk oder zu deiner Spezies und deswegen hast du mir nichts zu sagen!“, schrie ich ihn gradewegs weiter an. Ich spielte mit dem Feuer, das war auch ganz deutlich in den Gesichtern der Anderen zu erkennen. Rin war kreidebleich, Jaken und Hoshi schauten mich mit weit aufgerissenen Augen an und Ryura wollte gerade ansetzten etwas zu sagen, als Sesshomaru auf meinen Ausraster reagierte. „Sofort raus hier, ALLE!“ Er fing seinen Satz ruhig und gefasst an, wurde jedoch gegen Ende immer aggressiver und lauter. Er saß weiterhin gelassen auf seinem Stuhl, als alle anderen aufstanden und sich schnell auf den Weg nach draußen machten. Auch ich war gerade dabei ihm den Rücken zu kehren, wurde jedoch von ihm bestimmt aufgehalten. „Du bleibst, Amelia!“. Ich stockte in meiner Bewegung, atmete tief durch und schaute zu Boden. Den Mut, den ich eben bei meinem Wutausbruch noch gehabt hatte, schien mich nun zu verlassen. Ich wusste genau, dass er mich diesen bereuen lassen würde. Als nur noch wir beide im Raum waren erhob sich Sesshomaru langsam und kam auf mich zu. „Du nimmst dir wirklich viel raus, Mensch. Zu viel!“, stellte er knurrend fest. „Und was willst du nun tun? Mich umbringen? Bitte, dann tu es doch!“, setzte ich ihm verbittert entgegen. Die Stimmung im Raum war eisig. Ich reizte Sesshomaru immer weiter, er blieb jedoch beherrscht. Diese Selbstbeherrschung war bewundernswert und gleichzeitig beängstigend. Er kam mir immer näher bis er direkt vor mir stand. Ich hielt seinem Blick entschlossen stand, bis sein Gemütszustand sich drehte. Ruckartig umschloss seine Hand meinen Hals, zog mich hoch und schoss nach vorne bis ich die Wand im meinem Rücken schmerzhaft spürte. Der Aufprall war so heftig, dass mir dies zusätzlich die Luft wegdrückte. Sesshomaru würgte mich weiterhin, während ich versuchte mich von seinem Griff zu befreien. Ich strampelte mit den Füßen und fuchtelte mit meinen Händen, wissend, dass ich keine Chance hatte mich zu befreien. Wieder einmal grinste er mich hämisch an und bevor ich mein Bewusstsein verlor und ließ er von mir ab. Ich fiel zu Boden. Ich hielt mir meine Hände schützend um den Hals, hustete kräftig und rang nach Luft. Langsam kehrte diese wieder zurück in meine Lungen. „Stelle meine Autorität nie wieder in Frage, hast du mich verstanden?!“ Herablassend schaute Sesshomaru zu mir runter. Als ich mich einiger maßen wieder gefangen hatte, rappelte ich mich auf. Er hätte mich ohne mit der Wimper zu zucken umbringen können, tat es aber nicht und da wurde es mir bewusst. „Du kannst mich nicht umbringen, damit würdest du dich selbst unglaubwürdig vor den anderen Herrschern erscheinen lassen. Immerhin sind es deine Boten, die die Kundschaft meiner Anwesenheit nach außen tragen.“ Mit dieser Erkenntnis fühlte ich mir sicherer. Auf meine Aussage hin schmunzelte Sesshomaru und wendete sich von mir ab. Er setzte sich wieder hin. So wie er auf dem Stuhl, vor dem brennenden Kamin, saß, wirkte er wieder erstaunlich gelassen. Nichts an ihm deutete auf seinen vorherigen Gewaltausbruch. Wie befanden uns beide in einer Zwickmühle, hatten uns beide ungewollt aneinander gebunden. Er brauchte mich für seine Zwecke und ich brauchte ihn zum Überleben. Diese neue Erkenntnis traf mich wie einen Schlag und prasselte auf mich ein. Mir war bewusst, dass ständige Auseinandersetzungen mit ihm, uns beiden nichts bringen würden – vor allem mir nicht. Ich atmete tief ein, nahm meine Vernunft zusammen und setzte mich auf den Stuhl neben ihn. Erstaunt blickte Sesshomaru auf mich. Er hatte wohl mit einer anderen Reaktion meinerseits gerechnet, vielleicht, dass ich eher vor Angst aus dem Zimmer geflohen wäre. Ich musste an Rins Worte vorhin in meinem Zimmer denken. „Er ist nicht einfach, aber wenn man sich an seine Regeln hält und ihm Folge leistet, dann ist er ganz in Ordnung.“ Das war wohl die beste Art, um mit Sesshomaru zurecht zu kommen, sich an seine Regeln zu halten. Dazu zählte auf jeden Fall, seine Autorität nicht zu untergraben - vor allem nicht vor seinen Untertanen. „Hör zu, es tut mir Leid“, begann ich meine Entschuldigung. „Ich weiß, dass es mir nicht zusteht deine Autorität zu untergraben. Es ist auch in meinem Sinne, dass ich die anderen Herrscher davon überzeugt bekomme, dass ich eure „Auserwählte“ bin. Ich hänge nämlich an meinem Leben und möchte hier unbeschadet wieder raus.“ Sesshomaru hörte mir stillschweigend zu, machte keine Anstalten mich zu unterbrechen, daher fuhr ich fort. „Du brauchst mich also nicht ständig zu schikanieren. Mir ist bewusst, dass einiges an Arbeit vor mir liegt, aber ich werde mein Bestes geben. Deine Art mit mir umzuspringen, ist dabei nicht hilfreich.“ Ich versuchte so ruhig wie möglich mit ihm zu sprechen. Ich wusste, dass ein Waffenstillstand zwischen uns für mich bedeutete, dass ich mich ihm zu unterwerfen hatte. „Du magst nicht zu meiner Spezies oder zu meinem Volk gehören, aber du befindest dich in meinem Reich und daher unterliegst du meinen Gesetzten“, erklärte er mir bestimmend. Ich nickte. Prinzipiell hatte er ja Recht. „Ich stimme dir auch zu, dass es mir, zum jetzigen Zeitpunkt, nicht in die Karten spielen würde, wenn ich mich deiner entledige. Aber glaube mir, ich werde dir Schmerzen zufügen, wenn du dich mir widersetzt und ich werde es genießen.“ Besonders seine letzten Worte sprach er genüsslich aus. Ich musste auf seine Drohung hin schlucken, natürlich würde er das. Erneute nickte ich, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich ihn verstanden hatte. Es war alles gesagt, also war ich im Begriff mich zu verabschieden. „Gute Nacht, Sesshomaru.“ Natürlich erhielt ich hierauf keine Reaktion. Ich wand mich ab und wollte zur Tür, als etwas äußerst Unerwartetes geschah. Ich spürte seine starke Hand an meinem Oberarm, die mich zu ihm herum zerrte, und dann auch schon seine Lippen auf meinen. Vor Schreck riss ich meine Augen weit auf. Auch Sesshomaru schaute während des Kusses auf mich herab, um meine Reaktion abzuschätzen. Aber er wollte keine Einwilligung oder Zustimmung. Nach einem kurzen Moment forderte er zielstrebig mit seiner Zunge Einlass. Ich wusste nicht warum, aber ich gewährte sie ihm und schloss zeitgleich meinen Augen. Sein Kuss spielgelte sein Wesen wieder, herrisch und besitzergreifend. Sesshomaru strich mit seiner Zunge über meine und ich antwortete ihm zögerlich. Ich war zurückhaltend und wachsam, aber auch neugierig, weswegen ich den Kuss zuließ. Ich kam ihm noch ein Stück näher, war trotzdem aufs äußerste angespannt, wollte auf keinen Fall die Kontrolle verlieren. Meine Hände krallten sich an seine muskulösen Oberarme, um nicht den Halt zu verlieren. So schnell wie der Kuss begonnen hatte, so schnell endete er auch wieder. Sesshomaru ließ von mir ab und schaute in mein entsetztes Gesicht. Er hingegen schien zufrieden zu sein, schmunzelte und kehrte mir den Rücken zu. Völlig verwirrt ging ich schnell zur Tür, um den Raum und Sesshomaru zu verlassen. Was war das? Kapitel 9: Gnadenlosigkeit von Dämonen -------------------------------------- 9. Gnadenlosigkeit von Dämonen „Du lebst ja noch“, stellte Ryura verwundert fest, als er mich auf dem Trainingsgelände antraf. Ich war schon sehr früh auf dem Schlossgelände gewesen und hatte bereits mehrere Runden gelaufen. Das hatte zweierlei Gründe. Zum einen, weil ich dringend aufholbedarf bezüglich meiner Kondition notwendig hatte und zum anderen, weil ich sowieso keinen Schlaf mehr gefunden hatte. Mir schwirrten zu viele Gedanken in meinem Kopf, als das ich hätte irgendwie Ruhe finden können. Leicht außer Atem blieb ich vor Ryura stehen und nutzte die Pause, um mich wieder etwas zu erholen. „Habt Ihr wirklich geglaubt, dass Sesshomaru mich umbringt?“, fragte ich ihn und wusch mir den Schweiß von der Stirn. Ryura musterte mich argwöhnisch. „Es sind schon viele wegen weitaus Weniger von ihm umgebracht worden.“ Er wollte von mir hierauf keine Reaktion, wechselte sofort das Thema. „Power dich nicht zu viel aus, nach dem offiziellen Training beginnt unser Einzeltraining. Dafür brauchst du noch ausreichend Energie“, tadelte er mich und kehrte mir den Rücken zu. Zeitgleich füllte sich langsam das Gelände. Ich ging zur Tribüne, wo ich was zu Trinken und mein Handtuch verstaut hatte. Ich griff nach dem Handtuch um mir das Gesicht zu trocken, als ich im Augenwinkel Sesshomaru am Eingang der Arena entdeckte. Er blickte auf mich, drehte sich aber sofort wieder weg und verschwand. Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich dachte ich, dass er einfach einzuschätzen war, aber nach dem gestrigen Vorfall betrachtete ich dies nun anders. Ich sollte mir dringend vornehmen nur den nötigsten Kontakt mit ihm zu halten. Ich trank noch etwas bevor das Training starten konnte. Der Nebel stand noch tief in der Arena, als die ersten Trainingskämpfe begannen. Dieses Mal jedoch waren Zuschauer nicht erwünscht. Wer keinen Kampf bestritt, sollte an den Sandsäcken seine Übungen fortführen. Ich tat was mir befohlen wurde, allerdings war es auch nicht zu vermeiden den bevorstehenden Kampf im Augenwinkel zu beobachten. Es traten zwei sehr ungleiche Dämonen gegen einander an. Einer von beiden war zierlicher in seiner Statur und kleiner. Er ist mir gestern bereits aufgefallen, da er nicht so angriffslustig und aggressiv wie die anderen rüber kam. Er war eher ein verhaltener Kämpfer, wirkte fast normal. Sein Gegner hingegen war das genaue Gegenteil. Er schien der Stärkste unter der Trainingstruppe zu sein. Seine Erscheinung war groß und mächtig. In seinen Augen spiegelte sich ein enormer Zorn und Hass wieder, die den Kampf herbeisehnten. Dementsprechend stand dem Zierlichen die Angst förmlich ins Gesicht geschrieben, als er vor sich ihm, krampfbereit, aufbaute. Er tat mir leid, denn ich hätte auch diejenige sein können, die an seiner Stelle dort steht. Der stämmige Dämon knackte mit den Fingerknöcheln. Sein Gegenüber schien nervös zu sein und doch war er derjenige, der den ersten Angriff startete. Er schnellte unglaublich rasant nach vorne und trat seinem Gegner kräftig in die Seite, so dass dieser kurz nach Luft schnappen musste. Doch sehr beeindruckt schien er dennoch nicht von diesem Angriff gewesen zu sein. Der stärkere von beiden fletschte seine Zähne, grinste und stürzte sich dann ohne Vorwarnung mit ausgestreckten Armen auf den schwächeren. Der Aufprall warf ihn zu Boden. Dies amüsierte den Angreifer und drückte den am Boden liegenden mit seinem Gewicht weiter nach unten. Dieser schlug um sich, versuchte sich verzweifelt zu befreien, doch sein Gegner war zu schwer und ließ sich nicht abschütteln. Dann prasselten die Schläge regelrecht auf ihn ein. Den ersten Schlag konnte er noch abwenden, aber die nächsten trafen ihn erbarmungslos im ganzen Gesicht. Blut rann aus seiner Nase und tropfte auf den Boden. Es sah grauenhaft aus und das Schlimmste war, dass der Ausführende regelrecht spaß hieran hatte. Ich musste aufpassen, dass der Kampf mich nicht völlig von meinen Übungen ablenkte, versuchte mich abzuwenden um mich nervös wieder auf den Sandsack vor mir zu konzentrieren. Ich wollte nicht Ryuras Zorn auf mich ziehen. Aber ein grauenhaftes Knacken ließ mich wieder den Blick auf den Kampf richten. Das ohrenbetäubende Geräusch war ein Arm, der brutal gebrochen wurde. Ich riss meine Augen weit auf, war fassungslos von dem Anblick. Auch alle anderen Dämonen um mich herum konzentrierten sich mittlerweile nicht mehr auf ihre Übungen sondern schauten sich den Kampf belustigt an. Ryura selbst beobachte den Kampf kritisch, aber emotionslos. Ich konnte nicht begreifen, dass niemand einschritt. Gestern hieß es doch noch, dass beim Training niemand den Tod finden sollte. Zum ersten Mal hoffte ich, dass jemand ohnmächtig wird, damit das ganze Szenario ein Ende findet. Die Handknöchel des angehenden Verlierers waren blutverschmiert und sein rechter Arm stand unnormal ab. Bei diesem Anblick verzog ich mein Gesicht. Schmerzverzerrt schrie er auf, als er verzweifelt versuchte von seinem Peiniger weg zu kriechen. Diese Aktion wurde von allen Zuschauern mit Verachtung gestraft. Er war dabei aufzugeben und das war jedoch keine Option in dieser Arena. Als der schwer verletzte einen gewissen Abstand zwischen sich beiden geschaffen hatte, presste er seinem unverletzten Arm gegen seine Rippen. „Aufhören!“, keuchte er, als ein erneuter Angriff auf ihn einschlug. Ich schloss meine Augen, mein Herz brannte regelrecht in meiner Brust, versuchte mich aber vor allen zusammen zu reißen. „Ich gebe auf!“ Bittend streckte er die Hand aus. Belustigt und triumphierend schaute der Gewinner zu uns. Alle lachten, außer mir. Ryura begab sich zwischen beide und verschränkte sein Arme. „Hab ich das richtig verstanden, du gibst auf?“ Verzweifelt schaute der Verlier auf Ryura hoch und nickte. „Steh auf!“ Ryuras Stimme war leise und sein Befehl knapp. Ich befürchtete das Schlimmste. Mittlerweile waren alle stumm und beobachten aufmerksam das Szenario. Schwer zugerichtete rappelte er sich vorsichtig und behutsam auf, um seine Wunden nicht noch weiter zu strapazieren. Was dann geschah, versetzte mich in einen Schockzustand. Ryura holte aus und riss dem Dämon vor ihm das Herz raus. Ich ging ein, zwei Schritte zurück, stolperte fast, als ich gegen jemanden hinter mir prallte. Ruckartig schaute ich hinter mich und erkannte Sesshomaru, der sich zu dieser Situation gesellte. Er war wie erwartet unbeeindruckt von dem eben Geschehenen. Normalerweise hätte ich sofort den Platz verlassen und wäre vor Panik weggerannt, aber ich wusste, dass das in den Augen aller hier schwach wirken würde. Also blieb ich. „Wir brauchen keine Schwächlinge oder Feiglinge in unserer Armee, merkt euch das. Aufgeben wird in keiner Situation, sei es Training oder Krieg, eine Option für euch sein!“, rechtfertigte Sesshomaru Ryuras Tat. Die Worte, die Ryura mir gestern entgegen brachte, dass ich lernen sollte Schmerzen einzustecken und ohne eine Miene zu verziehen zu ertragen habe, erschienen mir jetzt sinnvoll. So enden, wie das Opfer vor uns liegend, wollte ich niemals. Als wäre nichts gewesen wurde das Training fortgeführt. Während des restlichen Trainings beobachtete Sesshomaru alle seine angehenden Krieger aufs Genaueste. Mein Plus raste förmlich den ganzen Tag lang, ließ sich nicht beruhigen. Ich versuchte trotzdem mein Bestes zu geben, damit Sesshomaru meine Bemühungen erkannte. Seine Blickte verweilten jedoch nie lange auf mir. Am späten Nachmittag beendet Ryura das Training und alle verließen das Gelände bis auf mich. Ich versuchte mir noch eine kurze Erholung zu gönnen, während Ryura und Sesshomaru miteinander sprachen. Ich war von den Ereignissen am Vormittag noch so aufgewühlt, dass ich zitternd nach meiner Trinkflasche griff. Der Kriegsherr und sein Stellvertreter schienen sich in irgendetwas uneinig zu sein. Sie sprachen leise und gefasst, aber ihre Gesichter wirkten verbissen und angestrengt. Mittlerweile hatte ich große Angst vor dem Einzeltraining. Gestern dachte ich noch, dass Ryura nicht ausschließlich erbarmungslos agierte, so wie es Sesshomaru tat, aber an dieser Ansicht zweifelte ich seit heute Morgen wieder. Das stimmte mich traurig, war fast schon enttäuscht. Ob Rin diese Seite an ihm kannte? Das konnte ich mir bei weitem nicht vorstellen. Man sollte hier wohl niemanden provozieren. Kapitel 10: Einzeltraining -------------------------- 10. Einzeltraining „Wer furchtlos ist, ergibt sich nie!“ So lautete die wichtigste Regel bei Ryura. Er stand vor mir gab mir das Anzeichen, dass ich ihn angreifen sollte. Ohne Umschweife und weiteren Tipps wollte er mit dem Training beginnen. Ich sammelte mich nochmal kurz, rief mir verschiedene Techniken ins Gedächtnis und hob meine Fäuste vors Gesicht. Bevor ich jedoch einen Angriffsversuch startete, stoppte ich abrupt und hielt inne. „Gelten hier zwischen uns eigentlich dieselben Regeln wie bei den anderen Trainingskämpfen?“, fragte ich ihn vorsichtig. Ich wollte auf alles vorbereitet sein. Ryura zog eine Augenbraue nach oben und schüttelte verständnislos den Kopf. „Glaubst du denn wirklich, dass man Schmerzen einstecken und ertragen erlernt, ohne welche zu spüren? Das einzige worauf ich achten werde ist, dass ich meine dämonischen Kräfte nicht einsetzten werde. Bedeutet, dass wir beide ausschließlich menschlich gegeneinander antreten werden“, erklärte er mir. Ich nickte ihm zu. Diese Information beruhigte mich etwas, meine Nervosität konnte ich dennoch nicht vollends ablegen. Wieder einmal erhob ich meine Fäuste vors Gesicht, so wie Ryura es uns beigebracht hatte und machte mich zu allem bereit. Langsam umkreiste ich ihn, um meine nächsten Schritte zu planen. „Du denkst zu viel, greif mich an“; schrie er mich an und ich reagierte. Ich schnellte zu ihm vor und versuchte einen Schlag ins Gesicht, er wich aus, hatte diesen kommen sehen, also versuchte ich schnell einen Zweiten. Auch diesen konnte Ryura mit Leichtigkeit umgehen, dabei hatte er keinerlei Deckung. Zunächst einmal machte er keine Anstalten, dass er zurückschlagen würde, also versuchte ich es mit einem Tritt, der jedoch ebenfalls ins Leere ging. Es war zum Verzweifeln, ich hatte keine Chance irgendwie an ihn heran zu kommen und war jetzt bereits vor Anstrengung am schnaufen. Ich senkte genervt meine Hände um durchzuatmen, ließ meine Deckung fallen und bereute dies sofort. Augenblicklich traf mich ein harter Treffer am Kinn, so dass ich ins Wanken kam. „Regel Nummer eins, niemals die Deckung fallen lassen.“ Ich tastete nach meiner schmerzhaften Stelle am Kinn. Im Augenwinkel sah ich, dass sich Sesshomaru zu uns gesellte. Ein zweiter Treffer landete in meinem Gesicht, diesmal traf er meine Schläfe. Mir wurde kurz schwarz vor Augen und ich versuchte mich vehement auf den Beinen zu halten. „Regel Nummer zwei, lass dich niemals ablenken“, tadelte Ryura mich. Sesshomaru schien meine Fehler zu amüsieren, er grinste während er weiterhin unseren Kampf beobachtete. Mir tat bereits jetzt schon alles weh, keuchte, versuchte aber weiter zu kämpfen. Ich wollte beiden signalisieren, dass ich Kampfgeist besaß. Ich schob meine Fäuste erneut vors Gesicht, um meine Deckung wieder zu halten. „Gut so“, motivierte Ryura mich, landete aber zeitgleich einen erneuten Treffer am Kopf. Ich taumelte und presste eine Hand gegen mein Gesicht. Mit der anderen schaffte ich es jedoch einen weiteren Schlag zu parieren. Dies schmerzte allerdings genauso, wie ihn einzustecken. Ryura hakte seinen Fuß um mein Bein, riss ihn um und brachte mich damit blitzschnell zu Fall. Ich rappelte mich aber sofort wieder auf und behielt meine Deckung. Mir setzte der Kampf schwer zu, versuchte gleichmäßig ein und aus zu atmen, was mir jedoch nicht gelang. Mir war sehr wohl bewusst, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen konnte. Ein gut platzierter Treffer von Ryura und ich würde zu Boden gehen. Ryura setzte zum Schlag an, aber ich wich ihm aus. Mein ganzer Körper ist bereits schweißüberströmt. Einem weiteren Schlag konnte ich ausweichen, tippelte um ihn herum und trat ihm mit aller Kraft in die Seite. Tatsächlich zuckte Ryura kurz bei meinem Angriff, was mich mit Stolz erfüllte. Ryuras Augen verengten sich. „Halt mehr die Spannung!“, korrigierte er mich. Ich versuchte einen weiteren Treffer zu landen, aber dieser wurde problemlos pariert. Ruckartig griff er nach meinem Hals und würgte mich. Wie sollte ich mich aus diesem Griff bloß befreien? Sämtliche Spannung entwich aus meinem Körper und ich verdrehte die Augen. Ryura ließ mich los, woraufhin ich wie ein nasser Sack zu Boden ging. Für einen kurzen Moment musste ich wohl in die Bewusstlosigkeit gefallen sein. Das nächste was ich spürte waren Hände, die auf meine Wange klopften. Ich blinzelte benommen und erkannte Ryura, der über mich gebeugt stand. Er hielt mir eine Hand hin und half mir wieder auf die Beine. Mein Gleichgewicht konnte ich jedoch nicht halten, ich schwankte und bevor ich erneut zu Boden fiel, half Ryura mir mich auf den Boden zu setzten. Hier atmete ich tief durch. Mein Kopf dröhnte und mein ganzes Gesicht schmerzte fürchterlich. Als Ryura mir eine Hand auf die Schulter legen wollte, wisch ich vor ihm zurück. Ich wusste, dass er mich nicht töten wollte, dass es lediglich ein Trainingskampf war. Aber ich spürte noch seine sämtlichen Schläge auf meinem Körper, daher konnte ich keine Berührungen von ihm ertragen. Auch wenn diese wieder sanft waren. Er schien dies zu akzeptieren, zog sich wieder zurück und kniete vor mir. „Du bist recht fix beim Ausweichen, das solltest du weiter ausbauen. Gib deinem Gegner nicht die Möglichkeit dich mehrmals hintereinander zu treffen. An der Härte deiner Treffer musst du dringend arbeiten. Du braucht mehr Spannung, damit du die Kraft daraus in den Schlag setzten kannst. Und setze mehr deine Ellenbogen und Knie ein, so werden deine Schläge effektiver. Das habe ich dir übrigens bereits gestern geraten. Du musst lernen, dass du das, was man dir lehrt, sofort umsetzt. Du darfst dir nicht viele Fehler erlauben, die wirst du nicht kompensieren können“, reflektierte er unseren Kampf. Ich vernahm seine Worte nur gedämpft, nickte aber geistesabwesend. Mir kullerte eine Träne über die Wange, die ich sofort wegwischte. Wie lautete die oberste Regel, zeige keine Schwäche! Ich schaute mich nach Sesshomaru um, er war allerdings nirgends zu sehen. Er kam und ging wie es ihm gerade passte. Meine Kampffähigkeiten schienen ihn nicht sonderlich begeistern zu haben. Wie denn auch. Ich saß jämmerlich auf dem Boden, wie ein kleines Kind und versuchte krampfhaft nicht los zu flennen. „Geht’s wieder?“, erkundigte Ryura bei mir. Ich nickte und versuchte mich aufzurappeln, bekam dabei erneut Hilfe. Er griff vorsichtig nach meinem Kinn und begutachtete mein Gesicht. „Ich schicke dir Rin auf dein Zimmer, sie sollte sich deine Wunden anschauen.“ Trotzig befreite ich mich aus seinem Griff. In seinem Gesicht war zu erkennen, dass er von meiner Reaktion genervt war, aber das war mir egal. Am meisten hing mir sein Würgegriff nach. „Hast du noch Fragen?“, erkundigt sich Ryura. „Ja, wie kann ich mich aus einem Würgegriff befreien?“ „Du wahrscheinlich gar nicht. Du solltest am besten dich gar nicht erst in so eine Position manövrieren“, antwortete er mir ehrlich. Das hatte ich mir gedacht. Er sagte es als wäre es das einfachste auf der Welt. Ryura ließ tatsächlich Rin für mich rufen. Sie betrat behutsam mit einer Schüssel Wasser und einem Beutel mein Zimmer. Ich saß bereits seit meiner Ankunft regungslos im Sessel, war nicht im Stande gewesen mich umzuziehen oder zu duschen. Die Schmerzen an meinem Körper verstärkten sich von Minute zu Minute. Rin kniete sich vor mich hin und begutachtete, ohne ein Wort zu sagen, erst meine Hände und dann mein Gesicht. Sie reinigte zunächst meine Wunden und schmierte mir dann eine Paste auf diese. „Das sind Heilkräuter, die sollen deine Schmerzen lindern, Entzündungen vermeiden und eine schnelle Genesung herbeiführen“, beantwortete sie mir meine unausgesprochenen Frage. Sie schaute mich besorgt an und wieder einmal fragte ich mich, ob sie Ryura wirklich kannte. „Wie gut kennst du Ryura, Rin?“ Sie war gerade dabei ihre Utensilien wieder in ihren Beutel zu verstauen. „Ich denke, dass ich ihn sehr gute kenne, warum?“ „Kennst du auch seine erbarmungslose dämonische Seite?“, erkundigte ich mich bei ihr. Rin verzog keine Miene, blieb ruhig, als würde sie wissen worauf ich hinaus wollte. Sie erhob sich und ich sah zu ihr auf, wartete auf eine Reaktion ihrerseits. „Auch die kenne ich sehr gut“, bestätigte sie meinen Verdacht. Ich schaute sie unglaubwürdig an. „Du findest es also nicht beängstigend, wenn man jemand anderen das Herz heraus reißt?“ Auch auf diese Information reagierte Rin kaum. „Amelia, es sind Dämonen, das ist ihre Art und weiße zu leben. Und jeder, der sich auf sie einlässt, weiß darüber Bescheid. Es sind ihre Traditionen. Wir Menschen haben das auch. Natürlich wirken solche Methoden brutal in unseren Augen, aber für sie ist es Normalität“, erklärte sie mir behutsam. Sie lebte bereits schon viel zu lange unter Dämonen. „Ich danke dir, dass du meinen Verletzungen versorgt hast. Aber ich brauche jetzt erstmal Ruhe.“ Rin nickte auf meine Bitte hin verständnisvoll und verließ, ohne ein weiteres Wort, mein Zimmer und ließ mich allen. Ich verweilte noch eine ganze Weile in meinem Sessel. Meine Gedanken schweiften ab, doch am meisten stellte ich mir immer wieder die Frage, wie ich besser werden konnte, so dass ich auch etwas gegen meine Angreifer bewirken konnte. Kapitel 11: Verführung ---------------------- 11. Verführung Es klopfte an meiner Tür, aber ich wollte niemanden sehen, daher bat ich meinen Besucher nicht herein. Die Tür wurde dennoch, ohne meine Erlaubnis, geöffnet und Jaken trat ein. „Sesshomaru erwartet Euch in seinem Büro“, richtete er mir aus. Natürlich war mir klar, dass ich diesen Befehl nicht missachten konnte. „Richtet ihm aus, dass ich mich erst noch frisch machen werde“, versuchte ich noch Zeit rauszuschlagen. Jaken nickte und verschwand direkt wieder und ich starrte aus dem Fenster. Es war bereits schon dunkel und der Vollmond schien leuchtend in der Nacht. Irgendwann schaffte ich es dann doch, mich aufzurichten um mich ins Bad zu schleppen. Kurz betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel und erschrak für einen Moment. Meine Lippe war aufgeplatzt und unter meinem rechten Auge war meine Haut nicht nur aufgerissen, sondern wurde auch immer dicker. Vorsichtig entledigte ich mich meiner Kleidung. Im Gegensatz zu meinem Körper waren die Spuren des Kampfes bei dem Trainingsanzug nicht zu erkennen, der hatte keinen Kratzer abbekommen. Ich stieg in die offene Dusche und ließ das warme Wasser über meinen geschundenen Körper fließen. Mehrere blaue Flecken zeichneten sich auf meinem Oberschenkel, Bauch und Armen ab. Ich schloss meine Augen und sank zu Boden, zog meine Beine an meinen Körper und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. In dieser Position verharrte ich eine Zeit lang, genoss es wie sich meine Muskeln unter dem warmen Wasser entspannten. Die Badezimmertür öffnete sich und ich richtete meinen Blick ruckartig auf den Eindringling. Es war Sesshomaru, der angelehnt am Türrahmen stand und mich ungeniert begutachtete. Ich zog meine Beine noch enger an meinen Körper, um meine intimsten Stellen zu bedecken. Wütend schaute ich ihn an und wartete auf eine Erklärung seinerseits, warum er hier auftauchte. Er hielt meinem Blick stand und so verweilten wir mehrere Minuten. Konnte der Tag noch beschissener werden? „Hat dein Diener dir nicht ausgerichtet, dass ich deiner Aufforderung noch nachkommen wollte?“ Wieder einmal war ich es gewesen, die anfing das Gespräch zu suchen. Meine Frage war rhetorisch gemeint. Natürlich hatte Jaken seinem Meister dies mitgeteilt, aber Sesshomaru schien ungern auf jemanden warten zu müssen. „Du hast beim Essen gefehlt“, stellte er monoton fest. Ich zog meine Augenbrauen nach oben und beäugte ihn ungläubig. „Mir war nicht bewusst, dass ich nach dem gestrigen Vorfall in dieser Runde noch erwünscht bin.“ Das Wasser rann weiterhin über meinen Körper. Ich wollte es ausstellen, reckte meinen Arm vorsichtig in die Höhe um den entsprechenden Schalter hierfür zu betätigen, dabei bedacht mit meinem anderen Arm meine Brust zu bedecken. Allein diese Bewegung kostete mich enorm viel Kraft. Als ich mich wieder zu Sesshomaru wandte stand er direkt vor mir und hielt mir ein Handtuch hin. Vorsichtig nahm ich dieses dankend entgegen und wickelte es schnell um mich, fühlte mich direkt um einiges wohler. Dann bekam ich doch tatsächlich noch eine helfende Hand von ihm gereicht um mich aufzurichten. So viel Nettigkeit unmittelbar nacheinander war doch sehr ungewohnt. „Glänzt du nochmal mit Abwesenheit, wird dies bestraft.“ Da war er wieder, der selbstherrliche Lord, so wie ich ihn kenngelernt hatte. Ich rollte meine Augen und drang mich an ihm vorbei. Noch bevor ich ihn hinter mich lassen konnte, griff er nach meinem Oberarm und ich zuckte vor Schmerz zusammen, zog scharf die Luft ein. Er erwischte einen meiner blauen Flecken. „Hast du mich verstanden?“, fuhr er mich herrisch an. „Ja“, antwortete ich ihm genervt und befreite mich aus seinem Griff. Ich ging in Richtung meines Ankleidezimmers, wollte mich anziehen, doch Sesshomaru hielt mich erneut auf. Fragend schaute ich ihn an. „Wolltest du noch was anderes besprechen?“, erkundigte ich mich. „So würde ich das nicht bezeichnen“, er schmunzelte, zog mich näher an sich heran und legte erneut seine Lippen auf meine. Diesmal reagierte ich blitzartig und stieß ihn von mir. Was sollte das? Wütend blinzelte ich ihn an, ihn schien es jedoch zu amüsieren. „Fass mich nie wieder an!“, blaffte ich ihn an und schaffte Raum zwischen uns beiden. Was dachte er denn was er hier tat? „Gestern schien es dir noch zu gefallen.“ Ich wusste nicht was ich hierauf hätte antworten können. Hatte mir der Kuss gestern gefallen? Als gefühlvoll hätte ich ihn nicht beschrieben, aber als unangenehm auch nicht. Aber wollte ich ihn wiederholen? Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute ich Sesshomaru an, der mit seinem üblichen kalten Blick vor mir stand. Er strahlte eine extreme Ruhe aus, als er sich mir erneut näherte. Er fasste nach meinem nassen Haar, spielte mit einer meiner Haarsträhnen und musterte mich forschend. „Bist du sicher, dass ich wieder gehen soll?“ Ich konnte kaum atmen, war völlig überrascht von seinem Vorgehen. Weiterhin focht ich einen Kampf mit mir selbst. Wieder ein Stückchen näher. „Bitte geh“, flehte ich ihn mit zitternder Stimme an. Noch näher. Sesshomaru strich mit seinen Fingern über meinen nackten Oberarm entlang. Ich schauderte, jedoch vor Verlangen – verlangend nach seiner Berührung. „Ich möchte, dass du gehst.“ Ich sprach so leise, dass ich mich selbst kaum hören konnte. Mein Herz raste. „Nein, das willst du nicht.“ Und damit hob er mein Kinn an und küsste mich. Sein Kuss war wie gestern herrisch und fordernd und doch so sinnlich. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, wusste nicht mehr warum ich mich vorhin noch dagegen gesträubt hatte. Fast sanft drückte er mich gegen die nächstgelegene Wand, ohne den Kuss zu unterbrechen. Im Gegenteil der Kuss wurde lockender, fordernder, verführerischer. Nichts hatte mich hierauf vorbereiten können. Und niemals hätte ich gedacht, dass sich der gestrige Kuss jemals wiederholen würde. Doch jetzt war die Leidenschaft zwischen uns noch größer, die meine Sehnsucht nach ihm wachsen ließ. Nichts anderes als seine Lippen und seine streichelnden Händen existierten noch. Und auch wenn ich es wusste, dass ich es nicht sollte…ich begehrte ihn. Zunächst erwiderte ich seinen Kuss, wie gestern, zögernd und vorsichtig, unsicher ob ich mich wirklich darauf einlassen sollte, dann jedoch mit der gleichen Leidenschaft. Sesshomaru ermutigte mich zu den Zärtlichkeiten, die ich ihm zuteil kommen ließ. Meine Hände glitten zu seinem Nacken und zogen sein Gesicht, mit leichten Druck, noch näher zu meinem. Durch diese Bewegung rutschte mein Handtuch, was mich bis eben noch bedeckte, runter und ich stand völlig nackt vor ihm. Sesshomaru bemerkte dies, löste sich aus unserer Umarmung und begutachtete mich gierig. In seinen Augen erkannte ich in diesem Moment etwas anderes als Hass und Gleichgültigkeit, es war Verlangen…nach mir. Meine Blöße veranlasste ihn, sich ebenfalls seiner Kleidung zu entledigen und das mit einer überraschenden Schnelligkeit. Er war umwerfend attraktiv anzusehen, durchtrainiert und erhaben in seiner Gestalt. Seine Hände wanderten zu meinen Hüften, umfassten sie mit einem besitzergreifenden Griff. „Was tun wir hier?“, rauchte ich ihm entgegen, während er mich anhob und ich meine Beine um ihn schlug, um Halt zu finden. „Wir haben Spaß!“, entgegnete er mir verführerisch. Ich sah in sein Gesicht, in seine glühenden Augen. Ruckartig bettete er mich auf den Boden und legte sich auf mich, was mir ein leises Stöhnen entwichen ließ. Willig ließ ich zu, dass er sich zwischen meine Schenkel drängte und als ich spürte, dass er fordernd Einlass verlangte, erbebte ich unter ihm vor Verlangen, meine Trainingsverletzungen ignorierend. Sesshomaru beugte seinen Kopf und forderte mit seiner Zunge meine zu einem erotischen Tanz auf. Und dann drang er mit einem einzigen Stoß in mich hinein. Ich genoss das Gefühl als er sich ungehemmt in mir bewegte. Mein Blut begann schneller zu rauschen. Die Intensität des Gefühlt, was mich so plötzlich erfasste, erinnerte mich an mein erstes Mal Paragliding. Ich hatte den Sprung damals zum Schulabschluss geschenkt bekommen. Pures Adrenalin schoss damals meinen Körper. So wie jetzt. Sesshomaru war gefährlich, gefährlicher als ich jemals hätte ahnen können. Aber das war mir in diesem Moment völlig egal. Ich krallte meine Nägel in seinen Rücken, was ihm ein Stöhnen entlockte und ihn ungehaltener werden ließ. Eine unfassbare Spannung baute sich in mir auf, während er sich hemmungslos in mir bewegte. Seine Beherrschung riss und ließ mich innerlich explodieren. Mit geschlossenen Augen verharrte er eine Zeit lang. Dann holte uns die Wirklichkeit wieder ein. Sesshomaru löste sich von mir und richtete sich auf, schien die Kontrolle über sich zurück erlangt zu haben. Er blickte auf mich herab, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und fuhr behutsam über meine, vom Kampf, angeschwollene Wange. Sein Ausdruck war unergründlich, ließ nicht in seine Gedankenwelt blicken und mir wurde schnell bewusst, dass das eben sehr wahrscheinlich ein Fehler war. Mit dieser Erkenntnis richtete ich mich ebenfalls wieder auf und hielt nach meinem Handtuch Ausschau. Sesshomaru schien mit seiner Nacktheit keine Probleme zu haben. Unbekümmert stand er auf und zog sich langsam und ungeniert wieder an. Er schien mein Unbehagen bemerkt zu haben. „Stell dich nicht so an, Amelia. Ich hab bereits genügend nackte Frauen gesehen.“ Das konnte ich mir sehr gut vorstellen. „Und die Unschuld vom Lande scheinst du ja auch nicht gerade sein“, ergänzte er belustigt. Dass dies nicht der Fall war, bestritt ich nicht. Ich schmunzelte und stand lässig auf, ging auf ihn zu. Selbstbewusst schaute ich ihn kurz an, ging wieder an ihm vorbei, um mich dann vor ihm verführerisch runter zu beugen um nach dem Handtuch zu greifen. Er beobachtete mich begierig mit hochgezogener Augenbraue. „Das wiederholen wir!“, befahl er, bevor er sich auch wieder aus dem Zimmer verabschiedete. Ich grinste. Meinetwegen, gerne. Kapitel 12: Zwischen Kämpfen und Bettgeflüster ---------------------------------------------- 12. Zwischen Kämpfen und Bettgeflüster In dieser Nacht schlief ich besonders gut, so konnte ich mich erholt morgens auf dem Trainingsgelände einfinden. Wieder drehte ich einsam meine Runden, da noch niemand anwesend war. Ich beschloss dies von nun an immer zu tun, so konnte ich nochmal die Stille genießen bevor das hektische Treiben der Dämonen, während der Trainingszeit, vorherrschte. Es verging eine lange Zeit bevor ich meinen Lauf beendete und mich auf der Tribüne für eine Pause niederließ. Meine Kondition ist definitiv besser geworden, meine Anstrengungen schienen sich bereits jetzt auszuzahlen. Ich schloss meine Augen und atmete die frische Morgenluft ein. Es wurde immer kälter, der Winter schien endgültig eingekehrt zu sein. Ich öffnete meine Augen wieder als mich jemand an der Schulter berührte, es war Ryura. „Du riechst nach ihm.“ Ryura schaute mit einem angewiderten Blick auf mich herab. „Bitte was?“, fragte ich ihn verwirrt, wusste nicht was er meinte. „Der Geruch von Sesshomaru haftet an deinem ganzen Körper“, gab er mir zur Antwort. Ich weitete meine Augen, konnte es nicht fassen. „Sowas riecht Ihr?“ Entsetzt blickte ich zu ihm auf. „Nicht nur ich. Dämonen riechen so ziemlich alles“, verkündigte er mir. Super, diese Information hatte mir gefehlt. Ich schloss wieder meine Augen und atmete tief durch. „Sei vorsichtig, Amelia. Du lässt dich auf ein gefährliches Spiel ein“, belehrte er mich. Mir war das jedoch bereits sehr wohl bewusst. Aber was zwischen ihr und Sesshomaru lief, ging niemanden etwas an. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin gut im Spielen“, konterte ich kokett und zwinkerte ihm zu. Ryura hob seine Augenbrauen und starrte mich verärgert an. „Verbrenn dich nicht“, warnte er mich noch und ließ mich dann alleine zurück. Mich amüsierte die Unterhaltung, ließ mich aber auch nachdenklich werden. Mir war sehr wohl bewusst, dass sich auf Sesshomaru einzulassen riskant war, aber was sollte schon folgenschweres passieren? Das einzig Nervige hieran war, dass man es anscheinend riechen konnte. Somit war ich quasi ein offenes Buch für alle Dämonen hier. Sesshomaru schien dies nichts auszumachen. Wahrscheinlich stand er da drüber und das sollte ich auch. Wie bereits befürchtet, wurde ich während des ganzen Trainings merkwürdig angestarrt. So viel Aufmerksamkeit war mir mehr als unangenehm. Ich konzentrierte mich auf meine Kamptechniken, die ich wieder mal an einem Sandsack ausüben sollte. Ryura erhoffte sich, dass sich hierdurch meine Muskulatur sowie die Stärke meiner Schläge und Tritte verbesserten. Ich ignorierte meine Prellungen und Wunden von gestern, so wie es von mir erwartet wurde. Parallel dazu wurden Trainingskämpfe zwischen den Dämonen ausgeführt. Ich wurde weiterhin bei den Kämpfen nicht eingesetzt und so sollte es auch zunächst erstmal bleiben. Später am Nachmittag kümmerte sich dann wieder Ryura um mich. Er schonte mich keineswegs und fügte mir weiter Blessuren zu. Ich war nicht wirklich erfolgreicher als gestern, gab aber mein bestes und traf auch ab und an mal. Die Tage ähnelten sich fortwährend. Und so vergingen Wochen und Monate. Tagsüber wurde trainiert, ob in der Gruppe oder alleine mit Ryura. Ab und an gesellte sich Rin zu uns oder auch Sesshomaru, um meine Fortschritte zu beobachten. Und ich machte Fortschritte. Ich kam nicht an die Stärke oder Schnelligkeit eines Dämons heran, aber wenn auf menschlicher Ebene gekämpft wurde, konnte ich mehr als nur mithalten. Dies stellte nicht nur Ryura zur Zufriedenheit, sondern auch Sesshomaru. Auf die Verbreitung der Information meiner Ankunft reagierte noch kein Herrscher der anderen Ländereien. Dies stimmte jedoch weder Sesshomaru noch Serena verärgert, so gewannen wir mehr Zeit. Denn eins war sicher: Sie würden kommen! Serena ließ sich nur selten blicken. Rin erklärte mir einst, dass sie sich nicht mit dem niederen Volk abgeben würde. Ausschließlich hohe Würdenträger hatten das Privileg ihrer Gesellschaft. In den Monaten, die ich bereits schon auf dem Schloss verbrachte, hatte ich sie, neben meiner Ankunft, lediglich noch einmal kurz gesehen. Sie stürmte in Sesshomarus Büro als er gerade dabei war mich leidenschaftlich zu küssen. Ihre Reaktion hierauf war desaströs. Ihre Augen glühten rot und sie fletschte ihre Zähne, war bereit sich auf mich zu stürzen, was mir einen wahnsinnigen Schrecken einflößte. Reflexartig krallte ich damals meine Hände in Sesshomarus Oberarme. Er hingegen war unbeeindruckt, stellte sich schützend vor mich und gab mir wortlos die Anweisung, dass ich gehen sollte. Ich gehorchte augenblicklich. Sesshomaru verlor über diesen Vorfall kein Wort mehr. Trotz unseres Verhältnisses, verband uns nichts anderes als Sex. Sesshomaru behandelte mich weiterhin wie bisher, ich konnte jedoch mittlerweile damit besser umgehen. Ich akzeptierte es, dass er mich ab und an wie Dreck behandelte, insbesondere dann wenn andere dabei waren. Für ihn war ich seine Spielgefährtin und mir war es egal. Wenn wir zusammen waren, war es als seien wir in einer ganz anderen Welt, alles um uns herum schien nicht von Bedeutung. Es war egal, dass ich ein Mensch und er ein Dämon war. Und dann kam der Tag, der so vieles änderte. Ich war gerade aufgestanden und hatte mich für mein Training fertig gemacht. Ich erhaschte einen Blick in den Spiegel im Ankleidezimmer. Mein mittlerweile durchtrainierter Körper war die offensichtlichste Veränderung an mir und ich war stolz darauf. Ich schlüpfte in meine Trainingsschuhe, wollte das Zimmer verlassen als Sesshomaru mein Zimmer betrat und zielstrebig auf mich zukam. Er neigte seinen Kopf, seine Lippen waren nur wenige Millimeter von meinen entfernt. „Ich…“, ein leichter Kuss berührte meine Lippen, „…muss…“, mit der Zunge berührte er meinen Mundwinkel, „…zum…“, noch ein Kuss, diesmal drängender, „…Training…“, wieder seine Zunge, die meine Lippe liebkoste, „…Sesshomaru…“, er legte seine Hände an meine Hüfte und zog mich an sich heran, „…bitte!“ Aufreizend und langsam rieb er sein Becken an meines und ließ keine Zweifel an seiner Erregung. Ich würde wohl nicht zu meinem früh morgendlichen Training kommen. Das war nicht das erste Mal, dass mein Aufwärmprogram anderes ablief. Ich schmunzelte. Mit einem weiteren Kuss forderte er mich auf, meinen Mund zu öffnen und seiner Zunge Einlass zu gewähren, während er mit seinen Händen meine Hüfte fest an sich drängte. Wie jedes Mal reagierte mein Körper auf seine Nähe. Gegen so etwas Machtvolles konnte und wollte ich mich nicht wehren. Mit seiner Zunge erforschte er die sensibelsten Stellen meines Mundes. Unwillkürlich legte ich meine Arme um seinen Nacken und stellte mich auf Zehenspitzen, um das Spiel mit seiner Zunge zu intensivieren. Sesshomaru hob mich blitzartig hoch und trug mich zu meinem Bett, legte mich hier vorsichtig ab. Meine gesamte Aufmerksamkeit wurde jedoch von seinen Lippen in Anspruch genommen. Erst als er seine Lippen von meinen löste, öffnete ich meine Augen und ließ ein Stöhnen als Protest verlauten. Ich lag auf dem Rücken und schaute zu ihm auf, streichelte mit meinen Fingern seine Wange. Sein Ausdruck war voller Leidenschaft und Begierde. Mein Herz schlug wie wild und meine Lippen sehnten sich nach weiteren Küssen. Sesshomaru nutze die Pause um mich von meiner Kleidung zu befreien. Seine Handgriffe waren schnell und effektiv. Ich hingegen wirkte unbeholfen und hektisch. Es konnte nicht schnell genug gehen. Als wir uns unserer Kleidung entledigt hatten presste Sesshomaru meine Schenkel auseinander und drang hart, fast rücksichtslos in mich ein. Er stöhnte derart lustvoll auf, dass ich glaubte, dass wir über den ganzen Flur zu hören waren. Ich krallte mich ans Bettgestell, um noch besser seinem Rhythmus folgen zu können. Ich wollte ihn kraftvoll in mir spüren und alles um mich herum vergessen. Ein unglaublich süßer Schmerz brachte mich zur Verzweiflung und ich erlebte eine Ekstase, die mir meinen Verstand raubte. Ich griff nach seinen Hüften, um ihn noch heftiger auf mich zu pressen und wir uns völlig in unserer Lust verloren. Normalerweise zog sich Sesshomaru schnell wieder zurück, doch diesmal blieb er ungewohnt lange neben mir liegen. Ich drehte mich zur Seite, als ich meinen Atem wieder gefunden hatte und betrachtete ihn genau. Er hatte seine Augen noch geschlossen, wirkte vollkommen friedlich, was mich schmunzeln ließ. „Was ist denn so amüsant?“, fragte er barsch, als hätte ich ihn ausgelacht. „Nichts“, antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. Erneut streichelte ich ihm über seine Wange und zeichnete seine Male ich Gesicht nach. Als Reaktion öffnete er blitzartig seine Augen und schob meine Hand bei Seite und wich mir aus. Sesshomaru hasste es, wenn ich ihn grundlos anfasste. „Warum bist du der einzige, der solche Male hat?“, fragte ich ihn neugierig. Wir sprachen nie über belanglose Dinge. Unsere Gesprächsinhalte umfassten sonst immer nur das Training und das auch meist nur in Anwesenheit von anderen. Als hätte ich ihm mit dieser Frage den Startschuss gegeben, drehte er sich zur Seite und setzte sich auf. Sein langes weißes Haar lag leicht auf seinem Rücken. Mein Blick war immer noch auf ihn gerichtet, in der Hoffnung, dass ich eine Antwort von ihm erhielt und damit auch ein bisschen mehr von ihm erfuhr. Vor paar Wochen hätte ich mich nicht getraut solche Fragen zu stellen, aber wir waren schon so lange miteinander intim, dass ich mutiger und lockerer in seiner Gegenwart war. „Ich bin nicht der einzige“, antwortete er knapp. Sesshomaru erhob sich vom Bett und sammelte seine Anziehsachen ein. „Ausschließlich hochrangige Dämonen tragen solche Male. Sie markieren die jeweilige Fürstenfamilie des Landes“, erklärte er sachlich weiter. „Und wofür steht der Halbmond?“ Ich schaute ihm nach und beobachtete ihn, als er sich wieder bekleidete. „Das ist unsere Familienzeichen.“ Mehr Informationen bekam ich nicht und er verließ mein Zimmer. Ich ließ meinen Kopf ins Kissen fallen und atmete tief durch, mein Blick auf die Decke gerichtet. Zu meinem Pech kam ich aufgrund unserem kleinen Intermezzo zu spät zum Training. Was wiederum Ryuras Groll auf mich zog. Ihm war klar, was der Grund meiner Verspätung war. Missbilligend schaute er mich von der Seite an. „Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich reumütig. „Heute trittst du gegen Akira an“, verkündete er laut, sodass es alle auf dem Platz mitbekamen. Kaum merklich weiteten sich meine Augen. Akira war der stärkste unter den Rekruten. Sofort kam mir die Szene meines zweiten Trainingstages ins Gedächtnis, in der Ryura Akiras Gegner das Herz rausriss, da dieser aufgeben wollte. Alle drehten sich zu uns um, als sie Ryuras Worten vernahmen und Akira grinste mir gehässig zu, so als hätte er diesen Tag sehnsüchtig erwartet. Kapitel 13: Ein verhängnisvoller Kampf -------------------------------------- 13. Ein verhängnisvoller Kampf Ich war definitiv beunruhigt, versuchte aber so gelassen und selbstbewusst rüber zu kommen, wie es nur möglich war. Ich warf Ryura einen verärgerten Blick zu und wand mich dann von ihm ab. Dieser Kampf kam nur zustande, weil ihm meine Beziehung zu Sesshomaru nicht passte, warum auch immer. Ich ging zur Tribüne, wo bereits Rin saß, um meine Sachen abzulegen. Sie schaute mich schockiert an. „Meint Ryura das ernst? Er will doch nicht wirklich, dass du gegen Akira antrittst?“ Rin wirkte fassungslos. „Vielleicht kannst du ein paar Schläge einstecken und dann so tun als seist du ohnmächtig“, versuchte sie händeringend nach einer Lösung zu suchen. „Ja“, antwortete ich ihr. „Vielleicht.“ Rins Vorschlag zog ich in keiner Sekunde in Betracht, dafür war ich zu stolz. Ich hatte hart trainiert und auch wenn ich keinerlei Chance gegen Akira hatte, so würde ich niemals absichtlich aufgeben. Ich reichte Rin meine Sachen und trat dann in den Ring, wo bereits mein Gegner sehnsüchtig wartete. Meine Wangen glühten. Als ich vor Akira stehen blieb nahm meine Verärgerung ab und meine Nervosität zu. Ryura hatte mir stets geraten die Schwächen meines Gegners auszunutzen, aber abgesehen von Akiras extremen Mangel an Liebenswürdigkeit, hatte er keine Schwächen. Er war stark und schnell und hatte die Gabe die Achillesfersen seiner Gegner zu erkennen, er ist gemein und würde keinerlei Rücksicht nehmen. Ich konnte es mir nicht leisten zu schnell von ihm niedergestreckt zu werden, diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Mir wurde ganz flau, als Akira mit einem breiten Grinsen auf mich zukam. „Was ist los mit dir Mensch? Angst?“, fragte er gehässig. Ich ignorierte seine Stichelei. Im Augenwinkel sah ich, dass neben Ryura auch Sesshomaru stand. Er hatte seine Arme verschränkt und betrachtete uns emotionslos. Einen Augenblick lang standen Akira und ich nur da und starrten uns an. „Dieser Kampf unterliegt einer weiteren Regel“, meldete sich Sesshomaru zu Wort. Wir beide starrten ihn an. „Der Kampf wird ohne dämonische Kräfte bestritten.“ Akira fletschte missbillig seine Reißzähne. Auch Ryura begutachtete Sesshomaru verwundert von der Seite. Das war das erste Mal, dass er sich in Ryuras Training einmischte, sonst war er lediglich stiller Beobachter. Mich wunderte nicht, dass er diesen Einwand anbrachte, mich wunderte eher, dass Ryura nicht schon vorher hierauf bestand. Ryura nickte uns zu, gab uns das Zeichen, dass der Kampf begann. „Kein Problem, ich mach dich auch so fertig, Hure!“ Eine Anspielung auf meine Beziehung zu Sesshomaru, die mich verletzen oder verunsichern sollte? Das erzielte nicht die gewünschte Wirkung bei mir. Akira und ich nahmen gleichzeitig unsere Fäuste vors Gesicht und winkelten unsere Ellenbogen an. Akira ging in die Knie, war zum Absprung bereit. „Komm schon, Amelia“, sagte er und seine roten Augen funkelten. „Wenn du das Bett auch mit mir zukünftig teilst, verschone ich dich vielleicht.“ Bei dem bloßen Gedanke, Akira auf diese Art und Weise näher zu kommen, stieg mir die Galle hoch. Er nahm sich in Anwesenheit von Sesshomaru viel raus, denn die Beleidigungen, die er mir an den Kopf knallte, betrafen ebenso ihn. Seine Geduld schien am Seitenrand beinahe zu reißen. Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er kurz davor war seine Fassung zu verlieren, aber er verlor sie nicht. Ich agierte als erster und versetzte Akira einen Tritt in die Seite, oder besser gesagt, ich hätte ihn in die Seite getreten, wenn er nicht meinen Fuß gepackt und zu sich heran gezogen hätte. Ich fiel hart zu Boden, riss meinen Fuß aber schnell wieder los und sprang auf meine Beine. Ich wusste, dass ich aufrecht stehen bleiben musste, damit er mich nicht am Kopf treffen konnte. „Hör auf mit ihr Katz und Maus zu spielen. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit“, knurrte Ryura. Akiras hämischer Blick war schlagartig wie weggewischt. Sein Arm zuckte vor und ich spürte einen Schmerz am Kinn, der sich über mein ganzes Gesicht ausbreitete. In den Augenwinkeln verschwamm alles und meine Ohren dröhnten. Ich hatte seine Faust nicht kommen sehen, so schnell ging alles. Ich taumelte, war völlig aus dem Gleichgewicht. Ich wich zurück, aber er setzte blitzschnell nach und trat mir in den Magen. Die Wucht presste mir die Luft aus den Lungen. Die Atemnot schmerzte entsetzlich und ich klappte zusammen. Auf die Füße, Amelia! Ich richtete mich wieder auf, aber Akira war bereits über mir. Er zerrte mich an meinen Haaren hoch und schlug mir mit seiner Faust mitten ins Gesicht. Er schlug so hart zu, dass ich glaubte meine Nase brechen gehört zu haben. Ich wollte ihn wegschieben, boxte gegen seine Arme, doch er schlug erneut zu. Diesmal traf er meine Rippen. Mein Gesicht fühlte sich nass an, wahrscheinlich war es blutüberströmt. Meine Sicht verschwamm, als Akira mir erneut einen Stoß versetzte und ich zu Boden fiel. Dabei schürfte ich mir meine Hände auf. Hustend versuchte ich mich aufzurichten. Kurz dachte ich darüber nach einfach liegen zu bleiben, aber mein Stolz verbat es mir. Auf die Füße! Auf die Füße! Vor meinen Augen zeichneten sich Akiras Umrisse ab, ich schlug instinktiv zu und traf, schien ihn überrumpelt zu habe, schlug, wie in Trance, noch weitere Male zu. Die Schmerzen in meinen Händen, die durch meine Schläge hervorgerufen wurden, ignorierte ich. In seinem Gesicht erkannte ich Blut, ob es meins oder seins war konnte ich nicht beurteilen. Ich brachte mit meiner Attacke Akira in Rage. Seine roten Augen leuchteten vor Wut und er hatte keinerlei Selbstbeherrschung mehr. Mit seiner flachen Hand traf er mich am Ohr. Ich blinzelte, um das Flackern in meinen Augen loszuwerden. Nur am Rande nahm ich war, dass Sesshomaru dem Kampf den Rücken zukehrte. Anscheinend war dieser nicht spannend genug und ich hatte ihn damit enttäuscht. Meine Knie gaben nach. Der Boden fühlte sich kühl an. Irgendetwas knallte mir in die Seite und zum ersten Mal schrie ich auf. Wieder traf mich etwas in die Seite. Ich sah rein gar nichts mehr, auch nicht das, was unmittelbar vor mir geschah. Alles wurde schwarz. Jemand rief: „Es reicht!“ Ja, schon lange. Nein, noch lange nicht. Dumpf hörte ich Stimmen, die miteinander sprachen. Sie diskutierten, das hörte ich heraus, verstand aber kein Wort. Meinen ganzen Körper durchströmte ein entsetzlicher Schmerz, war zu keiner Bewegung fähig. Dann wurde wieder alles schwarz. Nur langsam erlangte ich wieder mein Bewusstsein. Achtsam öffnete ich meine Augen, blinzelte und erkannte verschwommen, dass ich mich in meinem Zimmer befand. Ich lag in meinem Bett. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah Rin, die sich mit einem Stuhl neben mein Bett gesetzt hatte. Sie starrte aus dem Fenster. Als sie bemerkte, dass ich wach war, drehte sie sich zu mir und lächelte mich an. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf meinen Arm. Ich nahm ihre Berührung nur flüchtig war, fühlte mich noch völlig benommen. „Wie geht’s dir?“ Ich konnte ihre Frage nicht beantworten, wusste es selbst nicht genau, also stellte ich ihr die Gegenfrage: „Wie lange war ich weg?“ „Drei Tage“, seufzte sie. „Akira hatte aber auch ganz schön was einzustecken, er sah jedenfalls nicht unversehrt aus“, versuchte sie mich zu trösten. Ich reagierte auf ihren Versuch nicht und drehte mich von ihr weg. „Sesshomaru war ganz schön sauer. Er und Ryura hatten eine riesige Auseinandersetzung.“ Ich schaute Rin neugierig an. „Ich hab nicht viel mitbekommen, aber Sesshomaru passte es nicht, dass Akira dich so zugerichtet hat. Er meinte, es sei fahrlässig zu riskieren, dass ein anderer Fürst dich so verletzt sehen könnte. Euer Plan wäre dadurch gefährdet“, erzählte sie weiter. Ich schnaufte verächtlich. Das war ja klar, dass ihm ausschließlich der Plan von Bedeutung war. „Es ist doch noch niemand aufgetaucht, oder?“, erkundigte ich mich. Rin schüttelte den Kopf. „Wir warten immer noch auf irgendeine Rückmeldung.“ Ich wünschte, man würde die Nachricht von meiner Ankunft ignorieren und niemals nach mir sehen. Nach einer Weile versuchte ich mich vorsichtig aufzurichten, was ich schnell bereute. Ein grauenhafter Schmerz durchzog meinen Körper. Rin schaute mitleidig auf mich herab. „Du brauchst noch Ruhe, Amelia. Akira hat dir mehrere Rippen und deine Nase gebrochen. Hoshi konnte alles wieder richten, aber dein menschlicher Körper benötigt dringend noch Zeit. Aber du wirst wieder“, ermutigte sie mich. Von mir aus. Es klopfte hektisch an der Tür. Rin hob ihren Kopf und schaute zur Tür, die ruckartig geöffnet wurde. „Verzeiht die Störung. Sesshomaru ruft nach Euch, Rin. Lady Myung ist gerade auf dem Schloss eingetroffen.“ Der Diener war völlig aufgebracht, auch Rins sonniges Gemüt veränderte sich schlagartig. Sie schien beunruhigt. Verwirrt schaute ich sie an. Als sie meinen besorgten Blick bemerkte, lächelte sie mich an. „Danke für die Auskunft, ich komme sofort“, antwortete sie freundlich dem Diener. Dieser verbeugte sich höflich und verließ das Zimmer. Rin stand auf und war dabei den Raum zu verlassen. „Ruh dich noch was aus. Ich schaue später nochmal nach dir“, verkündete sie mir. Ich nickte ihr zu. Wer wohl diese Lady Myung war? Ich würde es noch früh genug erfahren. Kapitel 14: Lady Myung ---------------------- 14. Lady Myung Es dauerte noch eine Woche bis ich relativ genesen war. Ich war wieder in der Lage aufzustehen, duschen zu gehen und mich einigermaßen zu bewegen. Als ich mich das erste Mal im Spiegel betrachtete, konnte ich das erschreckende Ausmaß meiner Verletzungen begutachten. Mein Gesicht und mein Brustkorb waren grün und blau, die Schwellungen, zum Glück, bereits etwas abgeklungen und zahlreiche Schürfwunden am ganzen Körper. Akira hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Nach fast zwei Wochen Trainingspause nahm ich mir vor, wieder am Training teil zu nehmen. Ich stand früh auf um für mich alleine meine ersten Bewegungsversuche auf dem Schlossgelände zu tätigen. Der Winter klang langsam wieder ab. Morgens war es zwar immer noch sehr kalt, aber tagsüber schien die Sonne und wärmte. Als ich einsam meine Runden drehte, schmerzten meine Gelenke, aber ich ignorierte dies. Ich war keineswegs in meiner gewohnten Verfassung. Ich setzte mich auf die Tribüne, um eine Pause einzulegen, bevor sich alle anderen ebenfalls auf dem Trainingsplatz einfinden würden. Ryura war der Erste, der sich zu mir gesellte. Vorsichtig trat er an mich heran. „Du bist wieder hier?“, fragte er sichtlich überrascht. Ich wisch seinem Blick aus, überlegte noch, ob ich sauer auf ihn sein sollte, oder ob ich so tun sollte, als wäre nie etwas gewesen. Schließlich hatte er Akira auf mich losgelassen. Bevor ich mit mir selbst einig war, sprach Ryura weiter: „Ich bin froh, dass du wieder fit bist. Ich schulde dir eine Entschuldigung.“ Das war unerwartet. Ich schaute überrascht zu ihm auf und sah, dass er mir eine Hand hinhielt. Erstaunt griff ich nach dieser und er lächelte mich dankend an. „Der Kampf war jedoch notwendig. Aufgrund deines Verhältnisses zu Sesshomaru zerrissen sich die Jungs bereits ihre Mäuler. Und deine Sonderbehandlung, dass du nicht an den Trainingskämpfen teilnehmen musstest, verstärkten ihre Wut auf dich noch mehr. Ich musste handeln“, erklärte er mir sachlich. Was Ryura mir erzählte, klang irgendwie logisch und ich nickte ihm verständnisvoll zu. „Warnt mich das nächste Mal nur bitte vor“, bat ich ihn und versuchte ihn ein Lächeln zu schenken. Er nickte. „Du hast dich aber gut geschlagen. Ich hatte eigentlich gehofft, dass du schon viel früher kampfunfähig wärst“, gestand er mir. „Du hast meinen vollen Respekt, wie du den ganzen Kampf gemeistert hast.“ Ein Hauch von Stolz war in seiner Stimme rauszuhören, was mich ebenfalls mit Stolz erfüllte. Ryura war mein Trainier und ich versuchte all die Monate, die ich mit ihm gearbeitete hatte, dass sich seine Arbeit mit mir lohnte und anscheinend tat sie das. „Wenn wir beide unter uns sind, dann lass das Höflichkeitsgeplänkel“, zwinkerte er mir zu. „Gerne“, lächelte ich ihn ehrlich erfreut an. Als sich alle Dämonen zum Training auf dem Gelände eingefunden hatten, wurde ich von allen Seiten angestarrt. Anscheinend wunderten sie sich ausnahmslos alle, dass ich bereits wieder am Training teilnahm, hatten sie doch was von einem einfachen Menschen etwas anderes erwartet. Allein das erfüllte mich mit Genugtuung. Insbesondere Akira staunte nicht schlecht. Ich meinte sogar, dass er mir respektvoll zunickte. Tapfer brachte ich den Tag in der Arena hinter mich. Ryura versuchte mich so oft wie es nur ging mit anderen Dämonen zu trainieren zu lassen, um mich nicht abzuschotten und erneut den Groll meiner Mitstreiter auf mich zu ziehen. Am Ende des Tages war ich völlig erschöpft, nahm mir aber vor, wieder an dem Abendessen in der kleinen Runde teilzunehmen. Ich wollte auch Sesshomaru zeigen, dass ich mich schnell wieder aufgerappelt hatte. Seit diese Lady Myung auf dem Schloss zu Gast war, sah ich Rin nur gelegentlich. Sie wurde viel von Sesshomaru eingebunden. Wer diese Frau war, wurde mir nach mehreren Nachfragen ebenfalls nicht wirklich beantwortet, was sie noch geheimnisvoller erscheinen ließ. Auch heute Abend besuchte mich Rin nicht und da sie nicht wusste, dass ich vor hatte an dem Abendessen teilzunehmen, wurde ich von ihr auch nicht abgeholt. Also machte ich mich selbstständig auf den Weg und versuchte den Weg zu Sesshomarus Speisezimmer zu finden. Ich hatte eigentlich einen recht guten Orientierungssinn, weswegen ich guter Dinge war. Kurz bevor ich mein Ziel erreichte, kam ich an Sesshomarus Büro vorbei. Seine Tür stand leicht offen und ich überlegte kurz, ob ich bei ihm vorbeischauen sollte. Ich zögerte, aber mich machten Geräusche, die von drinnen kamen, aufmerksam und ich trat vorsichtig näher. Den Anblick hätte ich mir jedoch sparen können. Als ich durch den offenen Spalt lugte, konnte ich kurz Sesshomaru erkennen, der gerade mit einer bildhübschen Frau zugange war. Ich konnte sie nur von hinten sehen, wusste nicht wer es war, er hingegen blickte mir genau in die Augen und funkelte mich böse an. Erschrocken wendete ich mich von diesem Anblick ab und presste mich, wie ein ertapptes Kind, verzweifelt an die kalte Steinmauer. Ich versuchte meinen Atem zu regulieren, um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen. Als ich mich langsam wieder gefangen hatte, ging ich so schnell wie möglich den Gang weiter entlang, bis ich beim Speisezimmer angekommen war. Hier angekommen traf ich auf Jaken und Rin, die beide mit irgendwelchen Schriftstücken beschäftigt waren. Rin reagierte als einzige, als sie bemerkte, dass ich den Raum, betrat. Jaken schaute lediglich kurz auf und las weiter als er mich erkannte. „Amelia“, rief sie freudestrahlend aus. „Schön, dass du da bist.“ Völlig apathisch von meiner Begegnung setzte ich mich neben sie. „Alles gut?“, erkundigte sich Rin direkt. „Ja“, antwortete ich knapp. „Was liest du?“, versuchte ich das Thema schnellstmöglich zu wechseln. Sie stieg darauf ein und erzählte mir von irgendwelchen Kräutermischungen, die sie und Hoshi für verschiedene Heilmittel suchen. Meine Gedanken trifteten während Rins Erzählungen immer wieder zu Sesshomaru und dieser Frau ab. Mir war klar, dass Seshomaru keine Gefühle für mich hegte, ich tat es schließlich auch nicht. Aber dennoch störte es mich, dass er jemanden anderen so nahe war. Viel hatte ich von dieser Frau nicht erkennen können und ich meinte, sie auch noch nie auf dem Schloss gesehen zu haben. Ob es diese mysteriöse Lady Myung war? Rin wurde von dem Eintreffen von Sesshomaru und einer Frau in ihrer Erzählung unterbrochen. Sesshomarus Begleitung war atemberaubend schön, hatte hüftlanges, braunes Haar, zarte Gesichtszüge und eine zierliche Gestalt. Elfengleich schritt sie in ihrem adretten, körperbetonten Kleid, hinter Sesshomaru her. Das Einzige, das nicht zu ihrem Erscheinungsbild passte, war der Ausdruck in ihren goldbraunen Augen. Dieser war so kalt und hasserfüllt, dass alles um sie herum gefrieren ließ. Es waren klar und deutlich die Augen eines Dämons. Lady Myung. Ich starrte beide ungewollt lange an, bis sie sich beide zu uns an die Tafel setzten. Rin stupste mich von der Seite an, um mich wieder in die Realität zurück zu holen. Es war sicherlich unhöflich zu lange beide anzustarren. Lady Myung würdigte mich keines Blickes, hatte lediglich Augen für Sesshomaru, der während des Abendessens immer wieder in irgendwelche politische Themen, die für mich nicht nachvollziehbar waren, mit ihr vertieft war. Auch Jaken beteiligte sich immer wieder an ihrem Gespräch. Ich versuchte mich auf mein Essen zu konzentrieren, merkte jedoch, dass Sesshomaru immer mal wieder zu mir rüber schaute. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er stinksauer auf mich war, in seine Privatsphäre eingedrungen zu sein. Neben Hoshi, fehlte auch Ryura beim Abendessen. Ich hatte mich bei Rin erkundigt, doch sie wusste auch nicht warum er fehlte. Dies kam aber durchaus mal vor, daher wunderte sie sich nicht. Nach dem Essen verabschiedeten Rin und ich uns ziemlich zügig und ließen die drei alleine. Ich begleitete Rin auf ihr Zimmer, sie wollte mir nochmal meine Schürfwunden mit einer Kräuterpaste behandeln. Ich nutzte die Gelegenheit, um sie über Sesshomarus neue Spielgefährtin auszufragen. „Das war Lady Myung, nicht wahr?“, begann ich meine Befragung. Rin, die gerade meinen Handknöchel betrachtete, schaute zu mir auf und nickte. „In welchem Verhältnis steht sie zu Sesshomaru?“ „Ihr Vater ist ein einflussreicher Diplomat des Landes. Er steht in einem engen Kontakt zu Serena und seine Tochter ist daher ebenfalls immer mal wieder auf dem Schloss. Sie ist wirklich unausstehlich, scheucht alle Bedienstete herum und ist nur selten zufrieden zu stellen…“ „…Sesshomaru scheint sie zufrieden zu stellen“, unterbrach ich sie vor mich hin murmelnd. Rin legte ein neuer Verband um meine Hand, nachdem sie mich fertig behandelt hatte. „Wie meinst du das?“, erkundigte sie sich bei mir. Ich winkte ab, wollte dieses Thema nicht weiter vertiefen. Aber eine Sache musste sich noch dringend in Erfahrung bringen: „Sind die beiden einander irgendwie versprochen?“ Rin riss ihre Augen auf und musste sich ihr Lachen sichtlich verkneifen. „Ganz bestimmt nicht. Sesshomaru kann Lady Myung auf den Tod nicht ausstehen.“ Das wagte ich zu bezweifeln. Ungläubig betrachtete ich das Mädchen vor mir. Sie schien wirklich unwissend zu sein. „Nimm dich vor ihr in Acht, Amelia. Sie ist eine wirklich sehr intrigante Person“, warnte sie mich. „Ich habe nicht vor, mich mit dieser Frau anzufreunden“, konterte ich und musste bei dem Gedanken schmunzeln. Nein, hieran hatte ich nun wirklich keinerlei Interesse. Ich erfuhr noch, dass auch Lady Myungs Vater sich auf dem Schloss befand. Er pflegte die Gesellschaft von Serena und weiteren Diplomaten, die sich derzeit ebenfalls auf dem Gelände aufhielten. Mein erster Gedanke war, dass sie alle wegen mir vor Ort waren. Anscheinend war die Anwesenheit mehrerer Diplomaten aber nicht ungewöhnlich und kam von Zeit zurzeit vor. Rin schloss meinen Gedanken jedoch nicht aus. Ich fühlte mich plötzlich so unvorbereitet. Sesshomaru hatte mit mir kein einziges Mal darüber gesprochen, wen sie in ihren Plan einweihen sollte und wen nicht. Und die Frage, die sich noch stellte: Wie hatte ich mich vor den nicht Eingeweihten zu verhalten? Als ich am späteren Abend in meinem Zimmer wieder ankam, traf ich hier auch Sesshomaru an, der wieder einmal in meinem Sessel auf mich wartete. In der Regel tat er dies nur, wenn er auf Sex aus war. „Ich bin nicht in Stimmung, Sesshomaru.“ Ich schaute genervt zu ihm rüber, begab mich dann direkt ins Ankleidezimmer ohne weiter auf ihn einzugehen. „Schade“, hörte ich ihn sarkastisch verlauten, während ich mich aus meinem Kleid pellte. Sesshomaru stand mittlerweile am Türrahmen und beobachtete mich beim Umziehen. Ich versuchte, ihn weitestgehend zu ignorieren. Als ich fertig war, drehte ich mich zu ihm und stellte ihm die Frage, die mich noch mal als sein Intermezzo mit Lady Myung interessierte: „Sind die Diplomaten wegen mir hier?“ Sesshomaru nickte entspannt. Nach einer kurzen Pause verkündete er dann noch: „Wir haben Antwort aus den anderen Ländern erhalten.“ Er sagte dies so ruhig und gelassen, als sei es nicht von Bedeutung. Mein Herz raste und meine Atmung ging schneller. Es war also so weit. Aber wie konnte Sesshomaru nur so gelassen bezüglich dieses Themas sein? Ihm lag doch auch alles daran, dass alles reibungslos über die Bühne lief. Kapitel 15: Der Plan -------------------- 15. Der Plan „Und, wie sieht der Plan aus?“, stellte ich ihm die Frage, als ich mich wieder gefangen hatte. „Das besprechen wir morgen früh in meinem Büro. Ryura, Hoshi, Jaken und meine Mutter werden ebenfalls unserem Gespräch beiwohnen“, erklärte Sesshomaru mir sachlich und kommt mir stückchenweise näher, fuhr mir verführerisch über meine Arme. Ich versuchte seine Berührung zu ignorieren und zwängte mich an ihm vorbei. Sesshomaru reagierte hierauf mit einem schelmischen grinsen. „Bist du eifersüchtig?“, erkundigte er sich amüsiert und kam mir in mein Zimmer nach. Nach seiner Frage konnte ich nicht anders und fing an zu lachen. Es war zu absurd. In diese Schublade wollte ich mich von ihm nicht stecken lassen. Selbstbewusst stellte ich mich ihm entgegen. „Ich steh‘ nicht so darauf mit jemanden ins Bett zu springen, der vor gefühlten fünf Minuten noch mit einer anderen zugange war“, warf ich ihm entgegen. Beherzt zeigte ich mit dem Finger in Richtung Tür, um ihn aufzufordern mein Zimmer zu verlassen. Eigentlich hatte ich mit Sesshomarus Reaktion rechnen müssen. Er schnellte ruckartig auf mich zu, krallte seine Hand um meinen Hals und nagelte mich an die nächst gelegene Wand. Es war jedoch nicht seine Absicht mir schwerwiegende Schmerzen zuzufügen. Sobald er anfing seine Zähne zu fletschen, ließ er schon von mir ab. Das war eine klare Warnung, ich ging zu weit. Hasserfüllt schaute ich ihm nach, als er endlich aus meinem Zimmer verschwand. An diesem Abend nahm ich mir vor nie wieder dem Erben des Westens noch einmal körperlich näher zu kommen. Sollte er es doch mit jeder anderen beliebigen Frau auf dem Schloss treiben. Ich wollte mich auf den Plan, der morgen festgelegt werden sollte, und auf mein Überleben an diesem absolut gewöhnungsbedürftigen Ort konzentrieren. Am nächsten Tag trafen wir uns in Sesshomarus Arbeitszimmer. Es war wirklich eine ungewöhnliche Runde. Da hatten wir zum einen Jaken, der unheimlich nervös wirkte, hektisch hin und her durch den Raum trottete. Hoshi, der mit einer unglaublichen Ruhe da saß und Ryura, der gelassen an der Steinmauer gelehnt darauf wartete, dass jemand das Wort ergriff. Und zum anderen Serena, deren wahnsinniger Hass auf mich durch ihre bloße Präsenz deutlich zu erkennen war und Sesshomaru, der mit einer unbeschreiblichen Arroganz auf seinem Sessel saß und mich anstarrte. Zum Schluss war dann noch ich, der einzige Mensch. Vor Monaten hätte ich in dieser Runde ängstlich an meinem Pullover gespielt, aber jetzt saß ich selbstbewusst gegenüber von Sesshomaru, hielt seinem Blick stand und ignorierte Serenas Hass auf mich. Ich hatte vor keinem anwesenden hier Angst. „Also wie sieht der sensationelle Plan aus?“ Serena war die erste, die das Wort ergriff. Sie stand erhaben am Fenster und schaute erwartungsvoll in die Runde. Sesshomaru schien sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, wendete seinen Blick von mir ab. „Als erstes ist zu sagen, dass ausschließlich die hier Anwesenden die ganze Wahrheit über Amelia kennen und das soll so bleiben“, begann ihr Sohn, wurde jedoch direkt von Serena unterbrochen. „Und was ist mit deinem anderen Menschlein, das in deiner Gunst steht. Sie weiß doch auch über alles Bescheid.“ Sie spielte auf Rin an. Es war Hoshi, der seiner Fürstin antwortete. „Rin wird keine Gefahr darstellen. Sie wird Schweigen, ich bürge für sie“, versprach er. Der ältere Dämon agierte so, wie ich mir einen weisen, rationalen Mann vorstellte. Ryura atmete daraufhin sichtlich beruhigt aus. Ich konnte mir ausmalen, dass es ihn entspannte, Rin aus Serenas Schusslinie zu wissen. Die Fürstin des Westens schien nicht ganz zufrieden zu sein, ging aber nicht weiter hierauf ein, also fuhr Sesshomaru mit seiner Ausführung fort: „Es ist wichtig, dass alle Fürsten der Länder glauben, Amelia sei das Wesen aus der Legende.“ Serena schnaubte verächtlich, doch ihr Sohn ignorierte dies. „Morgen werden die Fürsten eintreffen, ihre Botschafter haben bereits mit Serena gesprochen.“ Er blickte seine Mutter auffordernd an, also sprach sie weiter: „Man machte mich darauf Aufmerksam, dass die Fürsten natürlich einen Beweis einfordern“, berichtete sie von ihrem Zusammentreffen mit den Diplomaten aller Länder. Jaken wurde immer angespannter und hektischer in seinen Bewegungen. Er machte mich unheimlich nervös. Auch Ryura schien er zu nerven. Er knurrte Jaken an und wies ihn damit an Ruhe zu geben. Eingeschüchtert blieb dieser abrupt stehen und ring nach Worten. „Wie sollen wir denn beweisen, dass sie die Richtige ist?“ Der kleinere Diener zeigt mit dem Finger auf mich. „Ein Kampf“, warf Ryura sachlich in die Runde. Alle schauten auf ihn, inklusive mir. Wollte Ryura wirklich wieder, dass ich gegen einen für mich unrealistischen Gegner antrat. Hatte er nicht aus dem Kampf gegen Akira gelernt? Serena schien die Vorstellung zu amüsieren. „Was für einer wahnsinnig bescheuerte Idee“, kreischte sie. Jaken und ich zuckten bei dem Tonfall der Fürsten zusammen. Die drei anderen blieben gelassen. Ryura schien sich seiner Idee sicher und erklärte weiter: „Ich kenne jeden Kampfstiel der drei Fürsten bis ins kleinste Detail. Ich kann sie genauestens auf jeden potenziellen Kampf vorbereiten. Amelia wird für jeden als Nicht-Dämon identifiziert werden. Man wird davon ausgehen, dass ihre Kräfte andere Ursprünge als dämonische haben werden. Aufgrund dessen schlagen wir vor, dass ohne besondere Kräfte gekämpft wird, damit der Kampf gleichberechtigt von statten geht. Ich habe sie trainiert und darauf getrimmt, Schmerzen wegzustecken und nicht zu zeigen. Dass kann uns eine realistische Chance einbringen.“ Ryuras Beschreibung seines Plans bereitete mir Unbehagen. Mir war von Anfang an klar, dass es für mich nicht einfach werden würde, hatte aber gehofft, dass mir Gewalt erspart bleiben könnte. Dass er mich bestmöglich auf den Kampf vorbereiten würde, stimmte mich jedoch wieder etwas gelassener. „Und wie sollen wir die Vorbereitungszeit, die Ryura benötigt, um Amelia vorzubereiten, begründen?“ Jaken brachte einen berechtigten Einwand ein. „In einem Monat beginnen unsere Festlichkeiten zu unserem jährlichen Friedensabkommen mit allen Ländern, das wäre doch der perfekte Anlass für einen Kampf“, empfahl Ryura. Dieser Vorschlag wurde von allen mit einem Nicken stumm akzeptiert. Serena schien er allerdings nicht vollends überzeugt zu haben. „Ihre Verletzungen von ihrem letzten Kampf sind doch noch mehr als deutlich zu sehen.“ Sie kam auf mich zu, griff nach meinem Kinn und präsentierte meine noch wunde Verletzung auf der Wange. Ich zog bei ihrem Griff scharf die Luft ein, als sie unbarmherzig von mir abließ. „Hierfür gibt es eine Lösung“, warf Hoshi ein. „Ich habe ein Mittel, das all ihre Wunden schlagartig verschwinden lässt. Sie wird wie neu aussehen.“ Ich runzelte meine Stirn und schaute Hoshi ungläubig an. Diese Information hatte doch sicherlich einen Haken. „Und warum habe ich dieses Mittel nicht bereits schon früher erhalten?“, erkundigte ich mich vorsichtig bei ihm. Der ernste Blick des Heilers traf mich. „Weil diese Prozedur schmerzhaft sein wird. Dein Körper ist für ein solch schnellen Heilungsprozess nicht ausgelegt“, erklärte er mir. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, meldete sich Serena wieder zu Wort. „Das ist lächerlich“, wehrte sie den Plan erneut ab. Doch Sesshomaru war hier anderer Meinung. „Das wird funktionieren und deswegen auch genauso umgesetzt“, befahl er herrisch. Seine Mutter schaute ihn abwertend an, doch akzeptierte sie seinen Befehl. Wieder einmal wunderte ich mich wie einflussreich Sesshomaru auch gegenüber seiner Mutter war. Sie war immerhin offiziell die Fürstin des Westens und er dagegen lediglich der Erbe. Anscheinend brachte ihm seine Position als Gewalthaber der westlichen Streitkräfte in eine mächtige Position. Ich merkte sehr schnell, dass ich hierbei nicht nach meiner Meinung gefragt wurde oder, dass ich irgendein Mitspracherecht hatte. Also fügte ich mich meinem Schicksal, versuchte das Beste aus der Situation zu machen und spielte mit. „Ich denke es ist wichtig, dass ich den Vorschlag, eines Kampfes, den Fürsten unterbreite. Als das Wesen eurer Legende, sollte ich selbstbewusst auftreten und nicht als Person im Hintergrund, die in Eurem Schatten steht. Oder nicht?“ Ich schaute zu Sesshomaru und Serena und wusste, dass ich mit dieser Aussage wieder viel wagte. Ryura stimmte mir jedoch schnell zu. „Sie hat Recht. Wenn wir wollen, dass jeder unserer Angabe glaubt, brauchen wir Amelia, die unsere Geschichte auch glaubwürdig rüber bringt“, unterstützte er mich. Serena schüttelte ungläubig den Kopf, war fassungslos über die Entwicklung des Plans. „Wenn wir auffliegen, dann ist das der Untergang des Westens“, betonte sie bedrohlich sachlich. Alle im Raum waren sich dessen sehr wohl bewusst. Der Untergang des Westens würde gleichzeitig auch meinen Untergang bedeuten. Der Plan schien zu stehen. Morgen würde ich also vor die Fürsten treten und einen von ihnen zu einem Kampf auffordern. Ob das wohl gut gehen würde? Kapitel 16: Das Treffen der Fürsten ----------------------------------- 16. Das Treffen der Fürsten Hoshi und Rin suchten mich bereits früh am Morgen auf. Ich musste gestehen, dass ich ein wenig beunruhigt war. Das Ungewisse was mich erwarten würde verstärkte dieses Gefühl. Um die Zeit, die die beiden benötigten um das Mittel zuzubereiten, das alle meine alten Wunden verschwinden lassen sollte, rum zubekommen, fing ich an mir Informationen über das bevorstehende Treffen einzuholen. „Was muss ich über die Fürsten wissen?“, erkundigte ich mich nervös. „Prinzipiell nicht viel. Der Fürst des Nordens nennt sich Yomi. Er ist der jüngste. Nach dem Tod seines Vaters vor ungefähr einhundert Jahren trat er sein Erbe an. Viel ist über ihn nicht bekannt, man sieht ihn lediglich zu öffentlichen Pflichtterminen, die ein Fürst wahrzunehmen hat.“ Mit einer Handbewegung machte Hoshi Rin die Anweisung, ihm einen Beutel zu reichen. „Woran ist sein Vater gestorben?“, erkundigte ich mich bei ihm. Er fügte die Kräuter, die er aus dem Beutel zog, zu seinem Gemisch hinzu als er mir antwortete. „Das ist nicht bekannt. Laut Gerüchten war es ein Hinterhalt, ein Attentat, aber das wurde nie vom Norden bestätigt.“ Hoshi verrührte seine Mixtur und näherte sich mir. Erwartungsvoll schaute ich ihn an, wollte die Prozedur noch etwas herauszögern. „Und die anderen?“ Der alte Mann lächelte mich sanft an und legte einen Arm um mich, führte mich sorgsam zu meinem Bett. Wir setzten uns beide und Hoshi hielt mir ein Glas mit einer eklig aussehenden Flüssigkeit hin. Widerwillig griff ich nach dem Glas. Rin hielt sich im Hintergrund, wartete darauf weitere Anweisungen von ihrem Meister zu erhalten. Bevor ich das Getränk zu mir nahm, kam Hoshi meiner Frage nach: „Die beiden anderen Fürsten sind sehr alt und regieren ihr Land schon mehrere Jahrhunderte. Yura, der Fürst des Südens, ist einer der unbarmherzigsten Dämonen, die mir je begegnet sind. Selbst Sesshomarus Vater begegnete ihm stets mit großer Vorsicht.“ Es war das erste Mal, dass jemand Sesshomarus Vater in meiner Gegenwart erwähnte. Auch er musste wohl verstorben sein, weswegen seine Frau als Fürstin den Westen regierte. „Und Menoi, der Fürst des Ostens, wird als hinterlistig beschrieben. Er versteht sich besonders gut mit Yura, man sagt beiden nach sich gemeinsam gegen den Westen und Norden stellen zu wollen. Aber auch das sind nur Gerüchte.“ Hoshi sprach mit solch einer Ruhe über die gefährlichsten Dämonen, dass ich fast vergaß, dass sie auch mir gefährlich werden konnten. „Du hast Sesshomaru und Serena kennen gelernt. Prinzipiell befinden sich beide in bester Gesellschaft“, beendete er seine Erzählung schmunzelnd. Kurz gefasst: Alle drei Fürsten standen sehr wahrscheinlich Sesshomarus oder auch Serenas Grausamkeit und Unbarmherzigkeit in nichts nach. Ich musste mich also in ihrer Gegenwart genauso vorsichtig verhalten. Ich nickte Hoshi zu, bedankte mich für seine Informationen. Sie ließen mich etwas sicherer fühlen, so konnte ich mir wenigstens ein kleines Bild über die Dämonen machen, auf die ich heute Nachmittag treffen sollte. Der Heiler des Schlosses schenkte mir erneut ein besänftigendes Lächeln. „Und nun trink“, forderte er mich freundlich auf. Ich atmete tief ein und trank das Gebräu in einem Zug aus, so wie Hoshi es mir anfangs aufgetragen hatte. Er hatte mir auch versucht zu beschreiben was in meinem Körper vor sich gehen würde, wie das Mittel zu wirken hatte. Er erklärte mir, dass neu gebildete Zellen unter der intakten Haut hindurch auf die Wunde zusteuern. Dort würden sie von nachrückenden Zellen nach oben gedrückt. Gemessen an ihrer Größe legten die neuen Zellen dabei erstaunliche Entfernungen zurück. Dieser Prozess könne bei Menschen mehrere Wochen andauern. Hierbei käme es ganz auf die Größe der Wunde und der eventuellen Infektion an. Bei Dämonen hingegen verliefe dieser Prozess binnen Sekunden. Und genau das solle das Mittel von Hoshi bei mir bewirken. Das schnelle zusammenführen von neuen Zellen ist mein menschlicher Körper nicht gewohnt und deswegen würde ich den Vorgang als sehr schmerzhaft empfinden. Und Hoshi sollte Recht behalten. Sobald ich das Glas geleert hatte zog sich alles in mir zusammen. Ich spürte ein unheimlich schmerzhaftes Kribbeln in meiner Wange, an meinen Rippenbogen und meinen Oberarmen. Überall wo sich noch nicht geheilte Wunden befanden empfand ich große Qualen. Ich fühlte wie sich Schweiß vor Anspannung auf meinem Körper bildete. Eine große Übelkeit überkam mich und ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen, was ich glücklicherweise zurückhalten konnte. Mein Versuch nicht laut aufzuschreien gelang mir nur bedingt. Immer wieder hörte ich mich selbst, wie ich vor Schmerzen aufstöhnte. Ich lag mittlerweile auf meinem Bett, war seitlich zum Liegen gekommen und nahm nur nebenbei war, wie Rin mir beruhigend über meinen Rücken streichelte. So plötzlich wie der Schmerz mich übermannte, so plötzlich verschwand er auch. Hoshi leuchtete mir in die Augen. Das grelle Licht ließ mich meine Augen reflexartig wieder schließen. Meine Atmung ging noch unregelmäßig, als ich mich wieder aufrichtete. Dem Ausdruck des alten Mannes nach zu urteilen war er mit dem Ergebnis meines Zustandes zufrieden. „Wie geht’s dir?“, erkundigte er sich bei mir. Rin war gerade dabei meine schweißnasse Stirn mit einem kühlen Lappen abzutupfen. Ich sortierte mich kurz, versuchte meine derzeitige Empfindung zu definieren. „Es geht wieder“, stellte ich fest und tastete meine Arme und mein Gesicht ab. „Ich spüre keinen Schmerz mehr.“ Zudem fühlte ich, dass meine Haut, die von Verletzungen geschunden war, sich glatt und weich anfühlte. Ich stand auf und ging ins Bad um mich im Spiegel zu betrachten. Meine Wunden waren tatsächlich nicht mehr da und es waren auch keine Narben zu erkennen. Mein Gesicht sah aus, als sei nie etwas gewesen. Die Prozedur hatte sich also gelohnt. Zufrieden trat ich wieder ins Zimmer. „Unglaublich“, stellte Rin fasziniert fest und betatschte mein Gesicht. „So kannst du den Fürsten entgegen treten“, verkündete Hoshi stolz und war schon wieder dabei seine Sachen zusammen zu packen. „Wie erklären wir Lady Myung eigentlich diese rasante Heilung?“ Rin sprach hier etwas an worüber sich noch niemand Gedanken gemacht hatte. Sie hatte Recht, Lady Myung hatte mich beim letzten gemeinsamen Abendessen mit diesen Wunden gesehen. Aber nicht nur sie, sondern auch alle anderen Dämonen auf dem Schloss, hatten ihre Verwundbarkeit mehr als deutlich wahrgenommen. Hoshi horchte bei Rins Gedankengang auf. „Darüber wird sich wahrscheinlich keiner große Gedanken machen“, schüttelte er unsere Bedenken ab. Als Hoshi sich von uns verabschiedet hatte, kleidete Rin mich für das Treffen mit den Fürsten ein. Im Gegensatz zu der normalerweise sehr leichten und fließenden Kleidung, die ich hier trug, war das aktuelle Outfit aus einem steifen, ziemlich dicken Stoff und saß enganliegend. Es war allerdings in den gewohnt dunklen Tönen gehalten. Rin hatte mir außerdem noch eine wunderschöne Kette gegeben, die ich tragen sollte. Sie sah mich zufrieden an. Mein Aussehen verlieh mir eine zusätzliche Portion Selbstbewusstsein. So konnte ich vor die hochrangigen Dämonen treten. Gerade als wir fertig waren, betrat Jaken vorsichtig mein Zimmer. Er hatte den Auftrag mich zu dem vereinbarten Treffen zu führen. „Seid Ihr soweit?“, erkundigte er sich bei mir. Nervös schaute ich zu Rin. Ich war fürchterlich aufgeregt. Die junge Frau nickte mir aufmunternd zu, gab mir das Gefühl, dass alles gut werden würde. Ich atmete tief durch, wendete mich Jaken wieder zu und nickte. „Los geht’s!“, gab ich entschlossen von mir und verließ in Begleitung des Dieners mein Zimmer. Das Spiel kann beginnen. Jaken führte mich durch das Labyrinth des Schloss, bis er vor einer gigantischen, hohen Tür stehen blieb und dann zur Seite trat. Als sich die Flügeltüren zum Saal öffneten, schauten mich mehrere interessierte Augenpaare an. Der Empfangsraum war nicht sonderlich groß, dafür jedoch sehr prunkvoll. Die Einrichtung war edel und modern in schlichten Farbnuancen gehalten. Ein bodentiefes Fenster diente als ausreichende Lichtquelle. An einem ovalen Tisch in der Nähe des Eingangs saßen neben den drei Fürsten der anderen Ländereien auch Sesshomaru und Serena auf bequem aussehenden Ledersesseln. Ryura stand diskret an der Wand neben der Tür, er verließ den Raum mit einer Verbeugung als ich den Raum betrat und schloss hinter mir die Flügeltüren. Vorsichtig und respektvoll trat ich den mächtigsten Dämonen entgegen und versuchte dabei so selbstbewusst wie möglich aufzutreten. Ich deutete eine kurze Verbeugung an, um alle dem Stand entsprechend zu begrüßen. Meine Begrüßung wurde von einem anerkennenden Nicken seitens der Fürsten erwidert. Kurz darauf setzte ich mich neben Serena, so wie man es mir aufgetragen hatte. Sie war die Fürstin den Westens und ihrem Sohn höher gestellt, daher war es meine Pflicht sich zu ihr zu gesellen. Als erstes fiel mir der große, dunkelhaarige Dämon gegenüber von Sesshomaru auf. Er sah aus als sei er Mitte Dreißig, jedoch war mir durchaus bewusst, dass er wohl sehr viel älter war. Aus der Entfernung erinnerte er mich an ein geschmeidiges, dunkles Raubtier. Dieser Eindruck verstärkte sich durch die Art und Weise, wie er mich anschaute, wie seine grauen Augen mich fixierten. Jeder meiner Bewegungen wurde von ihm mit einer eigenartigen Mischung aus Achtsamkeit und Desinteresse verfolgt. Sesshomaru schien zu bemerken, dass ich den Dämon vor ihm besonders begutachtete und fing an mir die Fürsten vorzustellen, angefangen mit dem Angsteinflößenden vor ihm. „Amelia, darf ich Euch den Fürsten des Südens vorstellen: Jura.“ Sesshomaru sprach mich in der Höflichkeitsform an, um den Anschein meiner Stellung zu wahren. Ich nickte dem Dämon kurz zu. Neben ihm saß ein nicht weniger furchteinflößender Dämon, der mir als Fürst des Ostens, Menoi, vorgestellt wurde. Menoi war gutaussehend mit einem starken Kiefer und exotisch geformten Wangenknocken. Aber aus irgendeinem Grund stellten sich mir in seiner Gegenwart die Nackenhaare auf. Seine Haltung war täuschend ruhig und entspannt. Aber in seinen stahlblauen Augen erkannte ich noch etwas anderes. Hass, purer Hass. Ich konnte regelrecht spüren wie dieser aus ihm heraus strömte. Er hatte, wie auch all die anderen Fürsten in diesem Raum, Male im Gesicht und sein Familienzeichen auf der Stirn. Bei Sesshomaru und seiner Mutter war es der Halbmond. Bei Jura war es eine Dreieck, bei Menoi ein Kreis und bei dem letzten Fürsten in der Runde, Yomi, ein Stern. Wofür die Familienzeichen jeweils standen, war mir unbekannt. Yomi, der Fürst des Nordens, war mir der angenehmste Dämon in der Runde. Er sah nicht so verbissen wie die anderen aus, auch wenn sein muskelbepackter Körper oder auch die weiße Narbe, die seine rechte Augenbraue in zwei Hälften teilte, nicht für einen sanftmütigen Dämon sprach. Ich wusste, dass trotz seines sorgfältig kontrollierten Auftretens er ein ebenso tödlicher Krieger war wie die anderen Dämonen, die nur darauf warteten zu töten. Er war der erste, der das Wort an mich richtete: „Ihr seid also das wundersame Wesen von dem sich alle erhoffen die Herrschaft sämtlicher Ländereien zu erlangen.“ Kapitel 17: Uneinigkeiten ------------------------- 17. Uneinigkeiten Ich hielt mich weitestgehend aus dem Gespräch heraus, ließ vor allem Serena oder Sesshomaru sprechen. „Das ist sie in der Tat“, bestätigte die Fürstin des Westens beherzt. Sie schien vor Selbstvertrauen regelrecht zu protzen. Sesshomaru verhielt sich dagegen völlig gegenteilig zu seiner Mutter. Er war emotionslos, ließ sich nicht in seine Gedanken blicken lassen. Serena war leichter zu durchschauen. Mit ihrer Art war allen im Raum sofort bewusst, dass sie darauf bestehen würde, dass ich dem Westen zu dienen habe. Ob sie dies beabsichtigte? War das ihre Taktik? „Ihr scheint davon durchaus überzeugt zu sein“, reagierte Jura amüsiert auf Serenas Verhalten. „Wir sind es aber nicht. Da bedarf etwas mehr, als ausschließlich den Worten des Westens zu vertrauen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel“, sprach er ruhig weiter. Seine passive Aggressivität in seiner Stimme flößte mir eine wahnsinnige Angst ein. Ich versuchte, behutsam zu atmen, wollte in keinem Fall, dass man mir mein Unbehagen anmerkte. Der Blick, der Sesshomaru mir zuwarf, half mir hierbei jedoch nicht wirklich. Reiß dich zusammen, Amelia. „Und wenn sie es wirklich sein sollte, warum sollte sie denn dann dem Westen dienen? Haben wir nicht auch einen Anspruch?“ Es war Menois‘ gedämpfte Stimme, die den Raum erfüllte. „Sie ist zu uns gekommen, sie hat ihre Entscheidung damit wohl getroffen“, verteidigte die Fürstin ihren Anspruch an mir. Ihre Antwort schien weder den Fürsten des Südens noch des Ostens zufrieden zu stellen. In ihren Gesichtern war deutlich zu erkennen, dass ihnen die Situation missfiel, auch wenn auf völlig unterschiedliche Art und Weise. Jura fletschte die Zähne, war ungehalten. Menoi hingegen verhielt sich ruhig und gelassen, fast wie Sesshomaru, aber sein angespannter Kiefer verriet seinen Unmut. Meine Aufmerksamkeit richtete sich jedoch auf den Fürst des Nordens, Yomi. Während der ganzen Unterhaltung beobachtete er mich. Mir war klar, dass mein zurückhaltendes Verhalten doch sehr ungewöhnlich für meine Position war. Er war ganz anders als die anderen beiden Fürsten. Er schien sich nicht durch seine Besessenheit trügen zu lassen. Yomi war mit Vorsicht zu genießen. Er würde nicht leicht zu überzeugen zu sein. Ich musste handeln. „Mir ist durchaus bewusst, dass solche ehrfürchtigen Dämonen, wie Ihr es seid, sich nicht mit einfachen Worten zufrieden geben werden. Ich bin durchaus gewillt, meine Stärke zu präsentieren.“ Serena neben mir schien mein Eingreifen in das Gespräch nicht zu gefallen. Ich konnte sehen, wie sie ihre Krallen in ihrem Kleid versenkte, um ihre Wut zu unterdrücken. Auch bei Sesshomaru war mittlerweile die Anspannung zu sehen; sein dunkel werdender Blick verriet ihn. Ich atmete ruhig weiter. „Und wie soll das aussehen?“, erkundigte sich der Fürst des Nordens. Er schmunzelte bei seiner Frage, schien gespannt auf meine Antwort zu sein. Ich hielt seinem Blick selbstbewusst stand. „Ein Kampf soll entscheiden, ob Ihr meinen Worten Glauben schenken mögt.“ Ich sprach die Worte emotionslos aus. Dann ergriff Sesshomaru das Wort: „Ich werde gerne gegen Euch antreten.“ Er grinste mich verführerisch an. In seinem Gesichtsausdruck war eine deutliche Vorfreude zu erkennen. Ich hingegen war verwirrt über die Wendung. Sah der Plan nicht was anderes vor. Ich kniff meine Augen zusammen und starrte ihn an. Serena schien der ganze Ablauf des Gesprächs gänzlich zu missfallen. Es verlief nicht so, wie wir es im Voraus besprochen hatten. Jura fing lauthals an zu lachen und alle Blicke richteten sich nun auf ihn. „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass uns ein Kampf zwischen Euch uns Bestätigung geben würde. Einer von uns sollte den Kampf bestreiten.“ Jetzt schien der Gesprächsverlauf wieder auf die richtige Bahn zu gelangen. Aber Sesshomaru schien das nicht zu erfreuen, er fletschte die Zähne und ein Knurren seinerseits war zu hören. Was war los mit ihm? „Ich gebe dem Fürst des Südens recht“, respektvoll nickte ich ihm zu. „Es sollte jemand anderes gegen mich antreten“, fuhr ich fort. Meine Worte bezweckten vor allem, dass der Erbe des Westens mich hasserfüllt anfunkelte. Ich schien nicht in seinem Sinne zu handeln. Das war mir jedoch egal, wir hatten einen genauen Plan ausgearbeitet und an dem hielt ich fest. „Ich stelle mich zur Verfügung.“ Es war der Fürst des Nordens, der meine Herausforderung annahm. In den Gesichtern der anderen war zu erkennen, dass sie damit nicht wirklich einverstanden waren. Ich hatte den Eindruck, dass jeder von ihnen mein Gegner sein wollte, um sich ihren eigenen Eindruck zu verschaffen. Keiner äußerte diesen Wunsch jedoch offen, also war mein Gegner damit entschieden. „Wann soll der Kampf stattfinden?“, ein verführerisches Lächeln umspielte Yomis Lippen. Er schien voller Vorfreude auf den Kampf. Ich hoffte lediglich inständig, dass Ryura seine Kampftechniken genauso auswendig drauf hatte, wie die der anderen. Ich wusste, dass Yomi erst kürzlich zum Fürsten ernannt wurde und hatte Angst, dass mein Trainer sich mit ihm noch nicht intensiv beschäftigt hatte. „In einem Monat findet unsere Festlichkeiten zum Friedensabkommen in unserem Schloss statt. Dies sollte doch ein passender Anlass sein.“ Serena schien ihre Fassung wieder erlangt zu haben. Zufrieden und selbstgerecht schaute sie in die Runde. Zustimmend nickte man ihr zu. „Ich habe jedoch eine Bedingung“, ließ ich verlauten und hatte wieder sämtliche Aufmerksamkeit. „Die lautet?“ Yomi schaute mich streng an. „Wir kämpfen ohne unsere Fähigkeiten, ausschließlich die körperliche Stärke soll zum Einsatz kommen.“ Verzweifelt versuchte meine aufkommende Nervosität zu regulieren. Einatmen, Ausatmen. Das war mit der wichtigste Aspekt unseres Plans. Ich flehte innerlich darum, dass er keine Einwände hatte. Der Fürst des Nordens schaute mich misstrauisch an, blieb jedoch stumm. Menoi war es, der die Stille durchbrach. „Das könnte spannend werden.“ Amüsierte ließ er sich in seine Rückenlehne sinken und verschränkte seine Arme. Jura erschien mir dagegen mehr als verwundert, sprach sich jedoch nicht dagegen aus und Yomis verwunderter Blick wisch einem schelmischen Grinsen. „So soll es sein“, gab er sich einverstanden. Sie hatten den Köder geschluckt, jeder schien einverstanden sein. Jeder - außer Sesshomaru. Wir hatten nichts weiter zu besprechen. Die Fürsten verabschiedeten sich respektvoll und verließen den Raum. Sie würden auch das Schloss verlassen und erst vor den Festlichkeiten zurückkehren. Das beruhigte mich etwas und so atmete ich erleichtert aus. Es verlief alles so wie geplant. Fast alles. Als lediglich Sesshomaru, Serena und ich uns im Raum befanden, eskalierte die Stimmung. „Was zum Teufel sollte das eben?“ Die Fürstin stieß sich aggressiv von ihrem Sessel ab und krallte ihre Finger an die Tischkante. Ich konnte ihre Fingerknöchel weiß herausragen sehen, so sehr krallte sie sich fest. Sesshomaru entwich ein verächtliches Schnaufen. Er verschränkte seine Arme und machte keine Anstalten auf seine Mutter zu reagieren. Ich versuchte mich aus dieser Diskussion herauszuhalten, jedoch galt ihre Aufmerksamkeit auch mir. Als ich ihren Blick auf mir spürte, schaute ich sie verwundert an. „Was?“, stieß ich aus. „Ich habe mich an den Plan gehalten, im Gegensatz zu ihm.“ Wie ein trotziges Kleinkind zeigte ich auf Sesshomaru, der sich immer noch in seiner finsteren Miene hüllte. Serena stieß sich vom Tisch ab, als ihr klar wurde, dass sie von ihrem Sohn keine Antwort erhalten würde und verließ wutentbrannt den Raum. Mich interessierten Sesshomarus Beweggründe nicht und wollte auch nicht allein mit ihm im Raum sein. Also erhob ich mich und bewegte mich zur Tür hin. „Willst du dich umbringen?“, presste Sesshomaru diese Frage hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Verwunderte drehte ich mich zu ihm um. Er hatte seine emotionslose Miene abgelegt, jeder Muskel in einem Gesicht war angespannt und seine goldenen Augen verdunkelten sich. „Was willst du von mir? Ich hab mich an unseren Plan gehalten. Du warst derjenige, der angefangen hat zu improvisieren.“ Ich schrie ihn fast an, so sauer machte er mich. Auf meine Reaktion hin schnellte er ruckartig auf und trat dicht an mich heran. Mein Puls raste und ich verlor meine Fassung. Er stand so nah vor mir, dass ich die goldenen Schlieren in seinen Augen erkennen konnte, so nah bei mir, dass er mich berühren könnte. Und nur wenige Sekunden später tat er dies auch. Er hob seinen Arm, um mit seinem Handrücken mein Kinn zu streichen. Misstrauisch schaute ich zu ihm auf. Ich wollte meine Augen schließen, um mich von seinem stechenden Blick abzuwenden, aber ich konnte nicht. Nicht, ohne dass er merken würde, wie viel Angst er mir gerade machte. Anstatt meinem Bedürfnis nachzugeben vor ihm zu fliehen, betrachtete ich ihn ebenfalls und sah Zeichen von Erregung auf seinen starken Gesichtszügen. Sein Kiefer war angespannt und während er mich anblickte, pulsierte neben seinem rechten Ohr ein kleiner Muskel. Sesshomaru beugte seinen Kopf langsam zu mir herunter und nahm seinen Mund mit meinem in Besitz. Ich schnappte nach Luft, meine Lippen öffneten sich und er nutzte dies sofort aus, indem er den Kuss vertiefte. Sein Mund, der so hart wirkte, fühlte sich unheimlich weich an. Seine Lippen waren warm und glatt als seine Zunge hungrig mit meiner spielte. In diesem Kuss lag so viel Selbstsicherheit. Die Hitze, die in mir zu glühen begann, verstärkte sich noch mehr und die Anspannung in mir nahm zu. Und dann endete unseren Kuss abrupt und holte mich in die Realität zurück. Ich wich einen Schritt zurück. Sesshomaru blickte erhaben auf mich hinunter. Ich konnte die Leidenschaft immer noch in seinen Gesichtszügen erkennen, doch diese standen im kompletten Gegensatz zu dem, was er mir dann mitteilte: „Du hast heute dein Todesurteil unterschrieben, Amelia.“ Kapitel 18: Vorbereitungen auf das Unvermeidliche ------------------------------------------------- 18. Vorbereitungen auf das Unvermeidliche Am ersten Tag meines Sondertrainings führte mich Ryura in einen großen Raum im westlichen Bereich des Schlosses, nicht weit von Sesshomarus Büro entfernt. Dieser Raum diente normalerweise ausschließlich dem Erben des Westens für das Training. Aber da unser Vorhaben vor dem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollte, durften wir diesen für unsere Zecke benutzen. Der Raum war spärlich ausgestattet, lediglich Matten auf dem Boden und einige Sandsäcke, die ich auch von dem Trainingsgelände kannte. Die Rekruten, mit denen ich normalerweise immer trainierte wurden in dieser Zeit von einem ebenfalls guten Krieger Sesshomarus Armee ausgebildet. So verlief alles wie gewohnt weiter. Ryura war ein hervorragender Lehrer, fachkundig und geduldig. Wir trainierten jeden Tag und ich hatte in den vier Wochen nochmal mehr gelernt als in den Monaten zuvor. Ryura konzentrierte sich in dieser Zeit ausschließlich auf mich. Die anderen Dämonen, die für die westliche Armee trainierten, wurden durch einen erfahrenen Dämon aus Sesshomarus Streitkraft betreut. So stellte Sesshomaru sicher, dass seine Armee weiterhin aufgestockt werden konnte und ich das Training erhielt, das für meinen bevorstehenden Kampf von Nöten war. Ich war dankbar für diese Sonderbehandlung. Sesshomaru und Serena ging es vor allem darum, den Schein zu wahren und mich zu seinem Vorteil zu nutzen, ich hingegen kämpfte um mein Überleben. Wir konzentrierten uns ausschließlich auf Yomis Kampftechniken und seine Vorgehensweise gegen seine Gegner vorzugehen. Ziel war es, alle seine Schritte im Voraus zu erkennen, damit ich während dem Kampf blitzschnell auf seine Aktionen reagieren konnte. „Dein Ziel muss es sein stets vor Yomi zu agieren, ihm erst gar keine Chance zu geben an dich heran zu kommen“, wie er mich während einer unserer Nachmittagsstunden an. „Du besitzt weder die Größe, noch die Stärke, also kommt es bei dir auf Schnelligkeit, Reflexe und Entschiedenheit an. Du musst ihn unvorbereitet treffen und ihm standhalten, bevor er erkennt, dass er dir weit überlegen ist. Jeder Schlag muss sitzen, jede deiner Bewegungen zählen.“ „Was, wenn ich trotzdem keine Chance habe an ihn heran zu kommen?“, fragte ich meinen Trainer und schaute ihn erwartungsvoll an. „Das ist keine Option. Ich habe dich gelehrt nie aufzugeben und fokussiert an deinem Vorhaben zu arbeiten.“ Ich nickte, wusste jedoch nicht, ob ich dazu in der Lage war. Doch aufgeben würde ich niemals, dem war ich mir sicher. Als unser Training voran schritt, bemerkte ich, dass ich immer besser in den Bewegungsabläufen wurde. Mein Körper verwandelte sich in eine starke, schnelle Waffe. Einmal gelang es mir sogar Ryura die Nase blutig zu schlagen, als mein spitzer Ellenbogen schneller in seinem Gesicht landete, als er die Möglichkeit hatte, meine schnelle Bewegung abzublocken. Das war eine Leistung auf die ich stolz sein konnte, auch wenn ich zunächst Schuldgefühle hatte. Ich wollte ihn nicht verletzten. Mir war aber durchaus bewusst, dass ihn mein Treffer nicht schmerzen würde. Ryura lächelte erstaunt und rieb sich seinen Kiefer, um diesen nach dem Aufprall mit meinem Ellenbogen zu lockern. „Sehr gut“, ließ er bewundernd verlauten. „Du bist soweit. Mehr kann ich dir nicht mehr beibringen. Du kennst Yomis‘ Vorgehensweise jetzt bis in kleinste Detail. Jetzt liegt es an dir, deine Kenntnisse auch entsprechend umzusetzen.“ Wir hatten an unserem letzten Trainingstag schon mehrere Stunden im Trainingsraum verbracht und ich war noch nicht völlig erschöpft. Meine Kondition wurde durch das harte Training mit Ryura gesteigert, lediglich einzelne Schweißtropfen zeichneten sich auf meiner Stirn ab. Mein Lehrer war mehr aus zufrieden mit meiner Leistung. In den vier Wochen, die wir für die Vorbereitungen hatten, war ich ausschließlich mit Trainieren beschäftigt. Zeit für andere Dinge gab es nicht. Die einzigen sozialen Kontakte hatte ich, während dem Abendessen, mit Rin, Hoshi, Jaken und natürlich mit Ryura, mit dem ich die meiste Zeit verbrachte. Lady Myung war auch immer mal wieder mit von der Partie, doch hasste ich diese Abende am meisten. Ich konnte diese Frau einfach nicht leiden, sie war mir mehr als unsympathisch. Sesshomaru nahm nur gelegentlich an dem Abendessen teil, was ich als ungewöhnlich empfand, war er sonst immer regelmäßig anwesend. Bei den wenigen Abendessen, an denen er anwesend war, sprachen wir kein einziges Wort miteinander. Auch bei meinem Training hatte er sich nie blicken lassen. Eigentlich sollte mich das nicht stören, aber irgendwie tat es das. Ich tat alle diese Anstrengungen für den Westen, also für ihn, da konnte er mir doch ruhig ein wenig Anerkennung zeigen. Mir war aber sehr wohl bewusst, dass ich hierauf vergebens warten würde. Rin begründete sein abweisendes Verhalten damit, dass er sehr viel mit den unterschiedlichsten Botschaftern zu tun hatte. Ich hingegen hatte den Verdacht, dass seine Abwesenheit mit dem Geschehenen nach dem Treffen mit den Fürsten zu tun hatte. Er ging mir aus dem Weg. Fast jede Nacht hatte ich mir jene Szene immer und immer wieder in Gedanken wiederholt. Warum wollte Sesshmaru auf einmal, dass er mein Gegner sein sollte? Warum war er so verärgert darüber, dass sein Vorhaben von den anderen nicht angenommen wurde. Sein Verhalten war so untypisch für ihn. Er handelte nicht rational. Die Reaktion der Fürsten auf Sesshomarus Herausforderung war in meinen Augen selbsterklärend. Er wollte sie davon überzeugen, dass ich die Auserwählte sei. Es würde ihm doch in die Karten spielen, wenn er mein Gegner wäre. Es war zu offensichtlich, dass das ein abgekartetes Spiel zwischen uns sein würde. Aber darauf wollte ich mich nicht mehr weiter konzentrieren, wollte mich nicht ablenken lassen. An meinem letzten Abend schlenderte ich noch am frühen Abend im Schlossgarten gedankenlos umher. Ich war hier nur selten unterwegs, hatte dafür einfach keine Zeit. Vor meinem großen Kampf morgen, genoss ich jedoch nochmal die Ruhe, die der Garten ausstrahlte. Hier herrschte keine Hektik und keiner wollte was von mir – ich war alleine. Ich setzte mich auf eine Bank am See und atmete tief die kühle Abendluft ein. Morgen war es soweit, der Kampf mit Yomi stand bevor. Seit gestern waren die Fürsten wieder auf dem Schloss und mit ihnen alle ihre wichtigen Untertanen. Nach dem Kampf sollte ihr großes Fest bezüglich ihres Friedenabkommens stattfinden. Wie zynisch die ganze Situation doch war. Sie feierten wegen eines Abkommens, welchem keinen von ihnen eine Bedeutung zukommen ließ. Sie waren alle davon besessen, durch meine Hilfe, die Alleinherrschaft zu erlangen und jeder von ihnen war diese Tatsache sehr wohl bewusst. Ich schüttelte abwertend den Kopf, als sich jemand neben mir nieder ließ. Ich staunte nicht schlecht, als ich erkannte wer dies war. Lady Myung. „Kann Ich Euch helfen?“, erkundigte ich mich ungläubig bei ihr. Sie schaute starr nach vorne und verzog keine Miene. Im Schein des Sonnenuntergangs sah sie noch anmutiger aus, ihre Haut schien sogar zu leuchten. Dann wendete sie ihren Blick zu mir und grinste verführerisch. „Die Frage lautet doch eher, ob ich Euch helfen kann.“ Ich versuchte beherzt, dass meine Emotionen und Gedanken nicht gänzlich im meinem Gesicht abzulesen waren. „Das wage ich zu bezweifeln“, erwiderte ich ihr. Diesmal war ich diejenige, die herablassend grinste. Wie sollte sie mir schon helfen können. Soweit ich wusste, war sie zwar ein Dämon, jedoch keiner der der Kampfkünste mächtig war. Statt mir zu antworten hielt sie mir ein kleines Fläschchen hin. Stirnrunzelnd betrachtete ich den kleinen Gegenstand in ihrer Hand. Ich konnte eine klare Flüssigkeit erkennen, konnte mir aber nicht vorstellen wie mir das helfen sollte. „Wenn Ihr das zu Euch nehmt, dann werdet Ihr morgen während des Kampfes keine Schmerzen empfinden. Ihr werdet alle Angriffe von dem Fürsten problemlos wegstecken und das verschafft Euch Zeit“, beantwortete sie mir meine unausgesprochene Frage. Misstrauisch schaute ich sie an. Ich traute ihr nicht, die Sache musste doch einen Harken an. „Warum sollte ich sowas nötig haben?“ Auch vor ihr hatte ich meine Rolle zu spielen. Selbstbewusste konterte ich ihrem verwunderten Blick, der starr auf mich gerichtet war. Mit dieser Reaktion hatte sie wohl nicht gerechnet, doch dann fing sie an zu lachen. „Liebes, mir ist sehr wohl bewusst, dass Ihr keinerlei Fähigkeiten habt. Ich mag zwar keine Kriegerin sein, aber dafür funktioniert mein Verstand umso besser“, erklärte sie mir. Ich stockte kurz. War es denn so offensichtlich? Ich schluckte meinen Kloß im Hals herunter. „Keine Sorge, die Herrschaften sind viel zu sehr damit beschäftigt die Alleinherrschaft zu erlangen, dass sie ihren klaren Blick hierfür verlieren.“ Sie schmunzelte mich an, schien das zu amüsieren. Ich hingegen wurde immer unsicherer. Ich griff nach der Flasche und bewegte sie in meiner Hand hin und her. „Warum wurde mir sowas nicht von Hoshi oder Sesshomaru angeboten“, fragte mehr mich als sie, schien diesen Gedanken jedoch laut geäußert zu haben. „Lässt die Wirkung nach, werden die Schmerzen weitaus schlimmer sein.“ Sie sagte dies mit einer unheimlichen Stimme, so als würde sie dieser Gedanke gefallen. Sie wollte mir damit nichts Gutes tun, das war mir klar, aber ich dachte tatsächlich darüber nach, das Mittel in Anspruch zu nehmen. Ich hatte ein ungutes Gefühl, alles in mir sagte, dass ich mich von ihr und ihrer „Hilfe“ fern halten sollte. Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an und der Druck in meinem Burstkorb schien mich zerreißen zu wollen. So musste es sich anfühlen, wenn man dabei war, die Hilfe des Teufels anzunehmen. Kapitel 19: David gegen Goliath ------------------------------- 19. David gegen Goliath Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel. Es war ein schöner Tag, so friedlich. Und doch stand ich hier, inmitten einer Kampfarena. Um mich herum hatten sich mehrere hochrangige Dämonen aus den verschiedensten Teilen des Landes, dem Westen, Osten, Norden und Süden, versammelt. Alle waren sie hier, um sich den Kampf zwischen dem Fürsten des Nordens und mir anzuschauen. Mein Herz klopfte wie wild und meine Handflächen schwitzten. Ich war mir nicht sicher, ob mein Zustand dem Bevorstehenden geschuldet war, oder ob das Nebenwirkungen von Lady Myungs Trank waren. Ich hatte die vergangene Nacht immer wieder hin und her überlegt. Sollte ich es wagen und das Mittel trinken? Den Konsequenzen war ich mir bewusst, dachte ich zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall. Kurz bevor ich in die Arena trat, die sonst für das Training der westlichen Streitkraft genutzt wurde, schluckte ich die Flüssigkeit dann doch kurzer Hand. Ich ließ meinen Blick durch die Massen auf der Tribüne gleiten. Dieser Anblick erinnerte mich an einen Gladiatorenkampf in einem antiken römischen Amphitheater. Was für ein passender Vergleich, wenn man bedachte, was hier gleich folgen würde. Unmittelbar vor mir stand der Fürst des Nordens. Er war fokussiert und blickte starr auf mich. Ich schluckte, um meine trockene Kehle zu befeuchten. Yomi war, statt in einem Kampfanzug gekleidet, halbnackt und dies unterstrich seinen vor Kraft protzenden Körper. Während er langsam noch näher auf mich zukam, spannten sich seinen Muskeln an und traten definiert hervor. Seine Haltung war anmutig und gleichzeitig bedrohlich. Auch ich näherte mich ihm, kam ihm entgegen, bis wir direkt voreinander standen und ich hoch schauen musste, um ihm in die Augen zu schauen. Es war eine respektvolle Geste, die unmittelbar vor einem Kampf von den Kämpfern ausgeführt wurde. Die Fürstin des Westens trat an uns heran und sprach mit lauter Stimme, sodass sie jeder in der Arena verstehen konnte. Sobald sie ihre Stimmer erhob, verstummte der Geräuschpegel urplötzlich. „Amelia, Ihr habt Yomi zu einem Kampf herausgefordert. Ist das richtig?“ „Ja“, antwortete ich mit fester Stimme. „Und Ihr nehmt die Herausforderung an?“ Nun richtete sie das Wort an meinen Gegner. „Das habe ich“, bestätigte er. „Dann möge der Kampf beginnen.“ Serena verließ mit diesen Worten den Platz und Yomi hob direkt seine Arme. Das war das Zeichen, dass der Kampf begann. Auch ich hob meine Arme und klebte mit meinen Augen an den anmutigen Bewegungen meines Gegenübers. Ich umkreiste ihn und überlegte wie ich ihn bestmöglich angreifen konnte. Ich erinnerte mich an Ryuras Anweisung: „Dein Ziel muss es sein, stets vor Yomi zu agieren, ihm erst gar keine Chance zu geben an dich heran zu kommen.“ Mein Herz schlug schneller und mein Blut raste durch meine Adern. Trotz meiner bedrohlichen Situation war mein Kopf kristallklar und messerscharf. Ich konzentrierte mich ausschließlich auf meinen Gegner. Im Hinterkopf war mir jedoch auch bewusst, dass ich von Sesshomaru, Ryura und Rin beobachtet wurde. Ich konnte ihre Blicke auf meiner Haut regelrecht spüren. Diese Tatsache erhöhte mein Adrenalin und trieb mich an. Yomi reagierte, indem er sich ebenfalls in einem Kreis um mich bewegte. Seine Augen brannten auf mir und er lächelte mich spöttisch an. Er wollte mich hiermit reizen, mich zu einem übereilten Angriff verleiten. Bewahre einen kühlen Kopf, Amelia. Yomis Lächeln verschwand plötzlich. Sein Kiefer spannte sich an, der Muskel neben seinem Ohr zuckte und dann griff er an. Sein rechter Arm schlug zu, dabei waren seine Finger derart gekrümmt, dass sie eine tödliche Waffe darstellten. Doch ich war hierauf vorbereitet. Und die Tatsache, dass er so agierte, wie Ryura es vorhersagte, pushte meine Selbstsicherheit. Mit Leichtigkeit wich ich seinem Schlag aus, indem ich mich im letzten Moment wegdrehte. Dann reagierte ich so, wie Ryura es mir gelehrt hatte. Ich schnellte mein Fuß nach vorne und traf Yomis Knie mit einer solchen Wucht, dass ich meinte ihn zusammenzucken zu sehen. Ich atmete tief durch. Jetzt nicht übermütig werden. Meine Aufgabe war es eigentlich vor Yomi zu anzugreifen, doch schien ich mit der Taktik abzuwarten und dann zu agieren, besser zu fahren. Also wartete ich auf eine weitere Aktion seitens Yomi. Im Hintergrund hörte ich die Menge jubeln, ließ mich hiervon jedoch nicht ablenken. Mein Gegner schnellte nach vorne und ich wusste, dass er mich mit einem Schlag ins Gesicht treffen wollte, doch ich kam ihm zuvor. Ich schützte augenblicklich meinen Kopf, ballte gleichzeitig meine rechte Hand zu einer Faust und schwang sie mit voller Kraft nach oben, um ihm an der Unterseite seines Kinns zu treffen. Im selben Augenblick packte er nach meinem Hals und umklammerte diesen. Ich drehte mich ruckartig nach rechts, um mich aus seinem Griff am Hals zu lösen, duckte mich unter seinem ausgestreckten Arm hindurch, wirbelte um ihn herum und schlug ihm auf den Rücken. Genauso wie ich es beigebracht bekommen hatte. Aber Yomi war nicht mehr da. In der halben Sekunde, die ich benötigt hatte um mich zu drehen, hatte er sich bewegt – so schnell und tödlich wie ein Killer. Anstatt, dass ich ihn traf, traf sein Ellenbogen meine Wange und eine Schmerzwelle durchfuhr meinen Körper. Doch es schmerzte nicht so, wie es schmerzen sollte. Yomi funkelte mich misstrauisch an. „Du kennst meine genaue Bewegungsabfolge“, stelle er fasziniert fest. Er hatte mich durchschaut. Kurz umhüllte mich die aufkommende Angst, schien mich zu erdrücken, doch soweit kam es nicht. Yomis wütendes Fauchen wurde von einer blitzschnellen Bewegung begleitet. Bevor ich reagieren konnte, hatte er seine Arme um mich gelegt, meine Handgelenke vor meiner Brust überkreuzt und sein linkes Bein um mein Knie gelegt, damit ich ihn nicht treten konnte. Er hatte mich bewegungsunfähig gemacht. Meine Versuche meinen Kopf gegen sein Kinn zu schlagen waren erfolgslos, da er seinen Kopf außerhalb meiner Reichweite hielt. Er erhöhte seinen Druck um meinen Körper, sodass mir das Atmen schwer fiel. Ich versuchte die Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen. Er fing an, seine Vorgehensweise zu ändern. Trotz meines ganzen Trainings hatte er mich binnen weniger Minuten unterworfen. Frustration, gemischt mit Adrenalin verstärkte die kochende Wut in mir. Obwohl es sinnlos war, begann ich zu kämpfen, mich in Yomis eisernen Griff zu drehen und zu winden. Ich hatte nicht viel Platz, aber dadurch, dass er mich mit einem Bein festhielt, reichten schnelle und ruckartige Bewegungen aus, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mit einem lauten Fluch fiel er nach hinten, ohne jedoch seinen Griff um mich zu lockern. So fiel ich mit ihm. Sein Rücken fing den Aufprall ab und ließ mich kurzzeitig frei. Ich rollte mich sofort herum, um mich von ihm zu entfernen und Raum zwischen uns zu schaffen. Mein Atem ging schneller und unkontrolliert. Ich nutzte die Zeit, die Yomi benötigte um sich aufzurichten, um meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Mein Blick wandte sich zum Publikum und suchte verzweifelt nach Ryura. Ich fand ihn und er sah angespannt zu mir. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Neben ihm saß Sesshomaru, der mich mit kühler Miene beobachtete. Ich wusste, dass ich von ihnen keine Hilfe erwarten konnte. Als mein Blick sich wieder meinem Gegner zuwandte erkannte ich, dass ich mich zu sehr hab ablenken lassen. Yomis Faust krachte in mein Gesicht. Einmal. Noch einmal. Und dann noch einmal. Jeder seiner Bewegungen trafen mich mit Lichtgeschwindigkeit. Gleichzeitig schlug sein Knie in meine Seite und verletzte meine inneren Organe. Auch hier fiel mir erneut auf, dass ich zwar die Treffer spürte, jedoch seine Auswirkungen nicht. Lady Myungs Mittel schien offensichtlich zu wirken. Wenigstens entsprachen ihre Angaben der Wahrheit. Ein erneuter verwunderter Blick von Yomi traf mich. Auch er bemerkte, dass etwas nicht stimmte, dass seine Treffer keine Auswirkungen auf mich hatten. Sehr gut. Das wollte ich bezwecken. Auch wenn ich wusste, dass all der Schmerz, der jetzt ausblieb, mich nach gewisser Zeit einholen würde, versuchte ich meine Kräfte zu mobilisieren um einen neuen Angriff zu starten. Die Menge johlte, schien mit dem Kampf zufrieden. Bis hier hin konnte ich Yomi die Stirn bieten, doch ich wusste, dass es ab jetzt schwieriger werden würde. Mein Gegenüber kam verärgert auf mich zu und schlug abermals auf mich ein. Mehreren Schlägen konnte ich ausweichen oder parieren. Einige meiner Schläge und Tritte trafen sogar ihr Ziel, doch meine Situation entwickelte sich zu meinen Ungunsten. Ich konnte die Schläge von Yomis Faust spüren und mit ihnen den Schmerz. Mein Körper fing an unter diesen zu zittern. Langsam und schmerzhaft fielen sie über mich hinein. Dieses Gefühl war erschütternd, Übelkeit erregend, aber ich kämpfte gegen die Dunkelheit an, die mich zu überkommen drohte. Yomi wurde langsamer, vorsichtiger. „Du bist fertig, gib auf!“, wies er mich an. Es hörte sich fast wie eine Bitte an. Hierauf würde ich nur niemals eingehen. Ich spürte wie Flüssigkeit mein Gesicht herunter lief. Ob es sich hier um Blut oder Schweiß handelte, konnte ich nicht ausmachen. Yomi fuhr wieder mit seinen Bewegungen fort, verletzte meine Niere, zersplitterte meine Rippen und brach mir mein Schlüsselbein. Lediglich dank Lady Myungs Mittel konnte ich mich einigermaßen auf den Beinen halten. „Warum gibst du nicht auf?“, schrie er mich eindringlich an. Selbst wenn ich ihm hätte antworten wollen, wäre ich hierzu nicht in der Lage gewesen. Mein leerer Blick versuchte sich an seinen Umrissen zu orientieren. Dann hielt er inne und entfernte sich von mir. „Ich habe genug gesehen. Ich beende den Kampf“, rief er aus, sodass ihn jeder hören konnte. Ich schnaufte und schaute ihn verwirrt an. Warum tat er das? Er wusste ganz genau, dass er mich besiegen konnte. Warum beendet er also den Kampf? Yomi kam auf mich zu und hielt mir die Hand hin. Vorsichtig und unsicher ergriff ich sie und er zog mich unmittelbar zu sich. Die Menge tobte. Manche schienen mit dem Ausgang des Kampfes zufrieden, mache wiederum nicht. Ich bekam dies jedoch nur beiläufig mit. Ich musste mich zusammenreißen, nicht plötzlich vor ihm in Ohnmacht zu fallen. Das Mittel verlor langsam gänzlich seine Wirkung. Alle Schmerzen, durch die mir zugefügten Verletzungen, brachen regerecht schubweise über mich hinein. Verzweifelt widerstand ich dem Drang mich zu übergeben. Mein Körper zitterte wie Espenlaub. Nur in Trance nahm ich war, dass er mich mit seiner Hand zu stützen versuchte. „Geh!“, forderte Yomi mich auf. Er musste alles durchschaut haben. Ein Schleier legte sich über meine Augen, vernebelte meine Sicht. Unter tosendem Gebrüll verließ ich, so standhaft wie es nur ging, die Arena. Als ich die Menge hinter mir ließ, sank ich zu Boden. War ich schon weit genug von allen entfernt? Konnte mich jemand in diesem Zustand sehen? War ich aufgeflogen? „Was hast du zu dir genommen?“, schrie mich eine erschreckend raue Stimme an und riss mich aus meinen Gedanken. Sesshomaru war über mich gebeugt und hielt mein Gesicht in seinen Händen. Ich wollte ihm antworten – er sah so verzweifelt aus – aber ich konnte es nicht. Das einzige was ich in diesem Moment noch wahrnahm waren Schmerzen. Mein Körper bestand nur noch aus Schmerzen. Und dann wurde alles schwarz. Kapitel 20: Ungewissheit ------------------------ 20. Ungewissheit Das Bild, das mir geboten wurde, war erschreckend. Amelia lag vor mir, zusammengekrümmt und am ganzen Körper zitternd. Sie hatte sich mit letzter Kraft aus der Arena geschleppt und war hinter der Tribüne zusammengebrochen. Ich kniete mich zu ihr runter und nahm vorsichtig, aber auch beherzt, ihr sonst so sanft aussehendes Gesicht in meine Hände. „Was hast du zu dir genommen?“, schrie ich sie regelrecht an. Amelia reagierte nicht, hatte ihre Augen geschlossen. Das einzige was mich in dieser Situation beruhigte, war der Klang ihres Herzschlages. Das Herz pulsierte in einem annähernd normalen Rhythmus. Als ich ihr Gesicht genauer betrachten konnte, zog ich scharf die Luft ein. Ihre Prellungen waren blau unterlaufen und Blut rann aus mehreren Platzwunden. Von ihrem zierlichen Gesicht war nichts mehr zu erkennen. Schon während des Kampfes bemerkte ich, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Die Schläge und Tritte, denen sie ausgesetzt war, erzielten nicht die üblichen Auswirkungen. Sie steckte sie ein, als sei sie kaum getroffen worden, fast schon wie ein Dämon. Aber ich wusste es besser. Amelia hatte sich in der Zeit bei uns um einiges gesteigert – physisch, als auch mental. Manchmal ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass sie vielleicht doch die Auserwählte sein könnte. Doch sie war lediglich ein Mensch. Und, dass ich sie so hier vorfand bestärkte diese Tatsache. „Was…“ Ryura, meine rechte Hand in der Armee, stieß gerade zu uns. Er stockte, als er Amelia auf dem Boden entdeckte und riss seine Augen weit auf. Er war von ihrem Anblick genauso erschrocken. Schnell hatte er sich jedoch wieder gefangen und das erwartete ich auch von ihm. Fokussiert blickte er auf mich und wartete auf eine Reaktion meinerseits. „Bring sie auf ihr Zimmer. Sei vorsichtig, mich würde es nicht wundern, wenn sie innere Verletzungen davon getragen hat. Ich gebe Hoshi Bescheid, er wird sich um sie kümmern“, waren meine klaren Anweisungen. Ryura nickte mir zu, nahm Amelia vorsichtig in seine Arme und trug sie davon. Langsam richtete ich mich wieder auf. Amelia benötigte dringend Hilfe und wenn ich nicht wollte, dass sie stirbt, musste unser Heiler schnell handeln. Das ganze Szenario warf so viele Fragen auf, aber mit diesen konnte ich mich jetzt noch nicht auseinander setzten. Niemand von unseren Gästen sollte was von dem Tumult mitbekommen, also wollte ich die Lage erst einmal entschärfen. Ich trat wieder in die Arena und glücklicherweise kam Hoshi bereits auf mich zu. Es bedarf lediglich eine kurze Bewegung mit meinem Kopf in Richtung des Schlosses und der alte Mann wusste Bescheid, befolgte meinen unausgesprochenen Befehl. Im Augenwinkel beobachtete ich wie er im Schloss verschwand. Ich atmete kaum merklich aus. Gut, diese Sache war nun erstmal geregelt. Die Tribüne leerte sich nach und nach. Der Kampf war ein gelungener Auftakt zu den Festlichkeiten gewesen. Ich blickte in viele zufriedene und euphorische Gesichter. Hier schien keiner etwas mitbekommen zu haben. Aber über das niedere Volk machte ich mir ehrlich gesagt auch keine großen Gedanken. Mein Blick suchte nach den Fürsten des Ostens und Südens. Sie standen bei Serena und unterhielten sich rege mit ihr über den Kampf. Ich konnte ihr Gespräch aus der Ferne bestens verstehen und dem Inhalt nach zu urteilen, waren auch sie alle drei über die bedenkliche Lage unwissend. Wie naiv sie doch alle waren. Lächerlich. Meine größte Sorge aber bereitete mir Yomi, Amelias Gegner. Der junge Dämon, der erst seit kurzem sein Land regierte, befand sich noch inmitten der Arena. Seine Diener hatten sich um ihn versammelt und kleideten ihn wieder ein. Mit finsterer Miene schritt ich auf ihn zu. Als der Fürst des Nordens mich erblickte, grinste er mich hämisch an. „Einen wahrer Rohdiamanten habt Ihr da, Sesshomaru“, begrüßte er mich. Misstrauisch musterte ich ihn. Amelia hatte gute Arbeit geleistet. Auf seinem Gesicht konnte ich mehrere Blutergüsse erkennen und seine Diener waren gerade dabei, seine Schürfwunden von seinem Blut zu säubern. Der einzige Unterschied war, dass seine Wunden bereits am Verheilen waren. Zum Abend hin würden keine Spuren vom Kampf bei ihm mehr zu sehen sein. „Ihr habt Euch aber auch gut geschlagen“, reagierte ich monoton auf seine Aussage. Die oberste Priorität war es, Amelias Identität zu wahren. „Ihr habt ziemlich früh den Kampf beendet, was war los? Hattet Ihr Sorge, dass man an Eurer Stärke zweifeln könnte, wenn ich verliert?“, provozierte ich ihn. Meine Absicht war es, in Erfahrung zu bringen, ob Yomi einen Verdacht über Amelias Verwundbarkeit schöpfte. Sein arroganter Gesichtsausdruck änderte sich auch nach meiner Provokation nicht. Wie ich diesen elenden Bastard verabscheute. „Nun, Sinn des Kampfes war es sicherlich nicht, dass einer von uns den Tod finden würde, sondern viel mehr ihre Fähigkeiten zu testen“, merkte er lächelnd an. Ich setzte eine unbeeindruckte Miene auf. „Ich bin beeindruckt von ihr. Ich erhebe Anspruch auf sie“, ließ er ganz beiläufig verlauten und schaute mich herausfordernd an. Ich musste mich schwer zusammenreißen ihm nicht die Kehle rauszureißen. Was fiel ihm ein zu meinen, dass er irgendeinen Anspruch auf Amelia aussprechen konnte. Bevor ich irgendetwas hierauf antworten konnte, gesellten sich auch die anderen Fürsten und meine Mutter zu uns. „Ach, das war unterhaltsam“, Menoi klopfte Yomi auf die Schulter, der auf diese Geste hin mit einem lauten Lachen reagierte. Jura verzog keine Miene, so wie man den Mistkerl eben kannte. Neben Yomi konnte ich den Fürsten des Südens am wenigsten leiden. Er hatte mit Schuld am Tode meines Vaters. Es kostete mich immer wieder aufs Neue eine enorme Anstrengung mit genügend Respekt ihm entgegen zu treten. Wenn ich zu gegebener Zeit Fürst des Westens sein würde, dann würde sich die Beziehung zu den anderen Ländern um einiges ändern. Serena war zu diplomatisch im Umgang mit ihnen. Ich bemerkte, wie meine Mutter sich neben mich stellte und zu mir aufschaute. Ihr Gesichtsausdruck verriet äußerlich nicht viel, doch ich wusste, dass sie sich bei mir stumm nach Amelia erkundigte. Ich schenkte ihr kurz Aufmerksamkeit, wendete mich dann aber wieder den Fürsten zu. Die Sache mit Amelia musste erstmal warten. „Nun, völlig überzeugt hat mich die Show nicht.“ Jura verschränkte seine Arme vor der Brust. „Mein Freund, seid doch nicht so misstrauisch. Wir konnten ihr Durchhaltevermögen und Stärke mit eigenen Augen bewundern. Und schaut Euch unseren Frischling hier an…“ Menoi deutete auf Yomi. „…Der sieht auch nicht mehr so frisch aus“, scherzte er weiter. Menoi tätschelte Jura enthusiastisch auf den Rücken. Dieser befreite sich ruckartig aus der Berührung und schaute den Fürsten verächtlich an. Ich beobachtete diese Unterhaltung genervt, nahm mir zudem vor, Jura weiter im Auge zu behalten. Sein Misstrauen musste mit Vorsicht genossen werden, auch wenn dieses lediglich aus Enttäuschung hervorgerufen wurde. Am meisten störte ihn nämlich, dass der Westen im Besitz einer solchen „bedeutenden Waffe“ war und nicht er. Innerlich grinste ich zufrieden über diese Entwicklung. „Nun meine Herren, der Kampf ist vorüber und unsere Festlichkeiten heute Abend sollten wieder im Fokus stehen.“ Serena versucht die Situation zu entschärfen, indem sie von dem Kampf abzulenken versuchte. Natürlich hatte sie damit Erfolg. Sie waren so einfach gestrickt, so durchschaubar. Die Fürstin wandte sich in Begleitung von Menoi und Jura zum Schloss und verließ mit beiden die Arena. Bevor ich es ihnen gleich tun konnte, richtete Yomi das Wort an mich. Er ergriff meinen Arm, um mich vom Gehen zu hindern. Mit finsterer Miene schaute ich zunächst auf seine Hand, die auf meinem Arm ruhte, dann auf ihn. Seiner Position geschuldet, musste ich mich zurück halten, aber innerlich kochte ich vor Wut. Wieder grinste mich der junge Fürst hämisch an. „Meine Aussage von eben war mein Ernst. Ich erhebe Anspruch auf Amelia.“ Die Bedeutung seiner Worte interessierte mich nicht im Geringsten. „Das habt Ihr nicht zu entscheiden“, antwortete ich ihm beherrscht und kehrte ihm den Rücken zu. Ich war der Erbe des Westens. Er befand sich in meinem Land und hatte somit keine Berechtigung Ansprüche zu stellen. Das Positive, was aus dem Gespräch mit den Fürsten resultierte, war die Tatsache, dass alle weiterhin der Lüge Glauben schenkten. Zunächst verlief also alles weiterhin nach Plan. Jetzt wollte ich nach Amelia sehen. Ich hoffte inständig, dass sie es überleben würde, sonst wären alle Bemühungen umsonst gewesen. Zielstrebig ging ich auf ihr Zimmer zu. In den letzten Monaten bin ich diesen Weg schon so oft abgegangen. Doch waren die Absichten, die hinter einem Besuch bei ihr standen, stets andere – angenehmere – gewesen. Als ich ihr Zimmer betrat, kamen dieselben Gefühle wie nach dem Kampf, nachdem ich sie zusammengebrochen vorgefunden hatte, erneut auf. Entsetzen. Amelia lag auf ihrem Bett. Ihre Bettlaken waren blutdurchdrängt. Unser sonst so ruhiger und gelassener Heiler wuselte hektisch an seiner Patientin herum, schrie immer wieder Anweisungen an seine Assistentin. Rin wiederum sah leichenblass aus und führte Hoshis Anweisungen lediglich benebelt aus. Ryura schien der einzige in diesem Raum zu sein, der sich einigermaßen unter Kontrolle hatte. Ich schaute meinen Stellvertreter auffordernd an. Er sollte mir berichten. „Es sieht nicht gut aus. Ihre inneren Organe sind verletzt worden, unter anderem ihre Niere, dazu kommen mehrere Rippenbrüche sowie ein Schlüsselbeinbuch. Von den äußeren Verletzungen mal abgesehen“, klärte er mich sachlich auf. Mir missfiel die Entwicklung der Lage und ich verzog verärgert mein Gesicht. Dann geschah etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich konnte deutlich vernehmen, dass Amelias Herzschlag unregelmäßiger wurde. Der alte Mann bemerkte diese Tatsache ebenfalls und sah verzweifelt zu mir rüber. „Rette sie!“, knurrte ich ihn an. Hoshi verzog sein Gesicht zu einer Fratze. Ich konnte seine Fangzähne erkennen und dann biss er Amelia in die Hauptschlagader an ihrem Handgelenk. Kapitel 21: Erkenntnisse ------------------------ 21. Erkenntnisse Ich beobachtete das Szenario, das mir geboten wurde, zum Bersten angespannt. Was der Heiler mit diesem Vorgehen bezweckte war mir bekannt, hatte diese Prozedur jedoch nie zuvor miterlebt. Er war gerade dabei sein Yoki – seine dämonische Energie – in Amelia fließen zu lassen. Rin schien diesen Anblick am meisten zu schockieren. Sie wich ein, zwei Schritte zurück und hielt ihr Hände vor den Mund, so als hätte sie Angst auch nur einen Laut von sich zu geben. Ich konzentrierte mich vor allem auf Amelias Herzschlag, der unmenschlich schnell zu schlagen begann. Das Yoki sollte ihr die Fähigkeit geben ihre Verletzungen von innen heraus zu heilen. Hoshi hatte sowas ähnliches bereits bei ihr durchgeführt, kurz vor dem Treffen mit den Fürsten. Hier war die Dosis des Yokis jedoch viel geringer und wurde auch nicht direkt in ihre Hauptschlagader eingeflößt. Hoshis Gesichtszüge hatten sich wieder normalisiert, betrachtete kritisch die Frau, die zitternd vor ihm lag. Amelias Gesicht war angespannt und vor Schmerzen völlig verzerrt. Aber das war ein gutes Zeichen – sie lebte und ihr Körper fing an sich zu heilen. Ich atmete kaum merklich aus. Das war knapp gewesen. Wäre sie an ihren Verletzungen gestorben, dann wäre unser Vorhaben dahin gewesen. Den Gedanken, dass mich ihr Überleben noch aus einem anderen Grund erleichterte, schob ich schnell beiseite. „Und?“ Ryura trat jetzt nun etwas näher an Amelias Bett heran. Den besorgten Blick, den er im vorbei gehen Rin zugeworfen hatte, entging mir nicht. Der alte Mann, fing auf Ryuras Frage hin an, Amelia wieder zu untersuchen. Dass er nicht unmittelbar auf die Frage reagierte, machte mich ungewollt nervös. „Antworte!“, bluffte ich den Heiler an. „Der Prozess in ihrem Körper hat begonnen nachdem mein Yoki ihre Blutlaufbahn durchlaufen hatte. Mehr kann ich jetzt erstmal nicht tun.“ Hoshi machte eine übertrieben lange Pause, bevor er sein Wort wieder an mich richtete: „Ich kann Euch nicht versprechen, dass es funktionieren wird. Ich vollziehe diese radikale Methode das erste Mal an einem Menschen.“ Ich schnaubte verächtlich und wandte mich kurz ab. Seine Zweifel und Bedenken wollte ich nicht hören. „Sie ist stark, sie wird das schaffen“, sprach Ryura beruhigend mit fester Stimme aus. Diese Worte waren vor allem für Rin vorgesehen, die verzweifelt versuchte ihre Tränen zurück zu halten. Sie saß mittlerweile wieder auf dem Bett, neben Amelia, und hielt ihre Hand. Ich schaute aus dem Fenster und versuchte mich von dem Schlachtfeld in diesem Zimmer abzuwenden. Nur im Hintergrund bekam ich mit, wie sich Ryura und Hoshi sich über den Kampf unterhielten. Meine Aufmerksamkeit galt wieder einmal Amelias Herzschlag, der sich langsam wieder zu normalisieren schien. Budum budum… „Sie hat unnormal viele Schläge einstecken können“, stellte Ryura fest. Der Heiler reagierte auf Ryuras Feststellung gewohnt rational: „Sie hat aber trotzdem immer wieder Yomi attackieren können. Vielleicht waren seine Schläge anfangs nicht so hart, wie du glaubst.“ Das klang logisch. Budum budum… „Nein. Ich kenne Yomis Art zu kämpfen. Er ist genauso vorgegangen wie ich es erwartet und Amelia gelehrt hatte. Der Kampf hätte schon viel früher zu Ende gehen müssen. Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht.“ Ryura war genervt, das konnte ich ganz deutlich aus seiner Stimme heraushören. Ich kannte meinen Stellvertreter bereits seit mehreren hunderten Jahren und konnte daher genau sagen, dass es ihn wahnsinnig machte, nicht zu wissen was genau während des Kampfes geschehen ist. Auch mich nervte diese Tatsache. Mir passte es gar nicht, dass etwas hinter unserem Rücken im Gange war. Budum budum… „Vielleicht hat Lady Myung etwas damit zu tun? Ich habe beide gestern zusammen im Schlossgarten gesehen“, mischte sich Rin vorsichtig ein. Im Augenwinkel sah ich, wie sie Amelia das trockene Blut aus dem Gesicht und Händen mit einem Lappen behutsam entfernte. Dass sie den Namen der Hexe aussprach, ließ mich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch richten. „Was sollte sie denn damit zu tun haben?“ Ryura verschränkte sein Arme und schaute mich fragend an. Ich konnte mir auch nicht wirklich Reim daraus machen. Wie ich es hasste, im Dunkeln zu tippen. „Die Frage ist doch, was genau könnte Amelia genommen haben, das solch eine Wirkung hervorruft?“ Diese elementare Frage richtete ich an Hoshi. Der alte Mann stand mittlerweile unbeteiligt an der Balkontür und ließ Rin ihre Arbeit verrichten. Er schien zu überlegen. „Es müsste irgendetwas sein, was Amelia keine Schmerzen spüren ließ. Das würde letztendlich alles erklären. Aber ich wüsste nicht, welches Mittel so etwas bewirken könnte. Das grenzt an Zauberei“, stellte er resigniert fest. Diese Diskussion war sinnlos. Es war egal welche Art von Mittel Amelia zu sich genommen hatte. Wie war sie an dieses gekommen? Eine enorme Wut kochte in mir hoch. Derjenige, der hiermit etwas zu tun hatte, wusste auch über Amelias wahre Identität Bescheid und diese Tatsache gefiel mir ganz und gar nicht. Sollte Myung doch etwas damit zu tun haben, dann würde ich es in Erfahrung bringen. „Wird sie für heute Abend zum Fest wieder fit sein?“ Ich zeigte auf Amelia und erwartete eine zügige Antwort von Hoshi. Dieser riss seine Augen ungläubig auf. „Mein Herr, das kann ich Euch nicht garantieren. Auch wenn sie sich durch mein Yoki von ihren lebensgefährlichen Verletzungen erholt, kann ich Euch nicht zusagen, dass sie heute noch ihr Bewusstsein wieder erlangen wird.“ „Dann stell sicher, dass das der Fall sein wird. Sobald das Yoki sie vollständig geheilt hat, lass sie erwachen!“ „Sie braucht Erholung“, wandte Rin entsetzt ein. Ein Knurren entfuhr meine Kehle und wies sie damit an, sich aus dieser Angelegenheit raus zu halten. Ich blickte erwartungsvoll auf Hoshi und verlangte wortlos eine Bestätigung meines Auftrages. Der Heiler nickte mir einmal zu. In seiner Miene konnte ich sehen, dass er mit diesem Vorgehen nicht einverstanden war. Dies wiederum interessierte mich nicht im Geringsten - Amelia hatte irgendwie heute Abend auf dem Fest zu erscheinen. Ich ließ alle im Zimmer zurück und ging zielstrebig auf Myungs Gemächer zu. Ohne anzuklopfen betrat ich ihr Zimmer. Mehrere Diener waren gerade dabei, sie für die Festlichkeiten heute Abend zurecht zu machen. Als sie mich wahrnahmen, ließen sie von ihrer Arbeit ab, traten ehrfürchtig einen Schritt zurück und verbeugten sich vor mir. Ich beachtete sie kaum, hatte nur die Frau vor mir, lediglich in Unterwäsche bekleidet, im Fokus. „Lasst uns allein“, wies ich ihre Diener an und sie gehorchten. Myung grinste mich nach meinen Worten verführerisch an. Bedrohlich kam ich auf sie zu, blieb vor ihr stehen und schaute sie herablassend an. Sie saß auf einem Sessel, hatte ihre Beine überkreuzt und spielte mit einer Strähne ihres braunen Haares. Als ich vor ihr zum Stehen kam, erhob sie sich anmutig. Sie war ein wenig kleiner als ich, so musste sie einen Schritt zurückgehen, um mir in die Augen schauen zu können. „Wie kann ich Euch helfen, Sesshomaru?“, erkundigte sie sich schmunzelnd und fuhr mir mit ihren langen, schmalen Fingern den Arm entlang. Wenn sie dachte, dass ich sie hier jetzt nehmen würde, lag sie falsch. Sie schuldete mir Antworten. Ich ignorierte ihre Berührung und hielt ihrem Blick stand. „Was hattet Ihr gestern mit Amelia zu besprechen“, erkundigte ich mich gerade heraus. Ein leises Lachen entwich ihrer Kehle. Myung ging um mich herum und berührte mich dabei weiterhin mit ihren Fingern. Genervt griff ich nach ihrem Handgelenk, sodass sie inne hielt und zog sie näher an mich heran. „Keine Spielchen“, knurrte ich sie an. „Nicht?“ Myung zog spielerisch ihre Augenbraue nach oben und leckte mit ihrer Zunge über ihre Lippen. Ich hatte immer gerne ihre Gesellschaft gesucht, auch wenn ich diese Frau zum Bersten nicht ausstehen konnte. Ihr würde ich die hinterhältigsten Dinge zutrauen. Vor Monaten hätte es meine ganze Willenskraft benötigt, um ihr zu wiederstehen, heute war es jedoch ein Kinderspiel. „Antworte“, fuhr ich sie an, anstatt auf ihre Verführungsversuche einzugehen. Myung zog kurz verwundert ihre Augenbrauen zusammen, hatte sich jedoch schnell wieder gefangen und trat von mir zurück. Dabei befreite sie sich von meinem Griff an ihrem Handgelenk. Nun hatte sie ihren selbstbewussten, agroganten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „War es mir nicht erlaubt mit deiner Spielgefährtin zu sprechen?“, erkundigte sie sich genervt. Ich funkelte sie böse an. Sie wusste genau, dass ich von ihr wissen wollte. Sie seufzte theatralisch, zuckte mit ihren Schultern und griff nach ihrem Umhang, um ihre Blöße zu verdecken. „Ich habe Euch einen Gefallen getan. Sie hätte gegen Yomi ohne das Mittel keine fünf Minuten durchgehalten“, begründete sie sachlich. Sie hatte also wirklich was damit zu tun. Ich musste mich beherrschen, ihr nicht an die Gurgel zu springen. Sie schien meine Gefühlsregung bemerkt zu haben, erklärte sich weiter: „Mit dem Mittel, das ich ihr gegeben habe, hatte sie eine geringe Chance gehabt bei den Fürsten Eindruck zu schinden. Ihr wolltet sie doch davon überzeugen, dass sie die Auserwählte ist.“ Myung schaute mich vorwurfsvoll an. Ich hatte keine Ahnung, woher sie von Amelias wahren Identität wusste, dem müsste ich dringend noch nachgehen. Aber das nahm ich mir für einen späteren Zeitpunkt vor. „Ihr hättet sie damit aber auch umbringen können und dann hätten wir unseren Trumpf verloren“, entgegnete ich ihr stattdessen scharf. Die verräterische Frau vor mir schnaubte verächtlich. „Wäre sie nicht auch tot gewesen und der Trumpf dahin, wenn sie während dem Kampf aufgeflogen wäre?!“ Tief im Inneren wusste ich, dass Myung Recht hatte, aber diese Genugtuung würde ich ihr niemals zuteil kommen lassen. „Solche Vorgehensweisen werden fortan stets mit mir abgesprochen, habt ihr mich verstanden?“, keifte ich sie herrisch an, sodass sie vor mir zurück wich. Genau solch eine Reaktion hatte ich von ihr erwatet. Sie musste wissen, wo ihr Platz war und wem sie Respekt zu zollen hatte. Mit meinen letzten Worten wandte ich mich von ihr ab, hatte ihr nicht mehr zu sagen. Sie hingegen schon: „Sesshomaru, hegt ihr etwa Gefühle für einen Menschen?“, säuselte sie. Kurz blickte ich über die Schulter zu ihr und verließ dann ihr Zimmer. Hierauf würde sie keine Antwort bekommen und das wusste sie auch. Kapitel 22: Gefährliche Leidenschaft ------------------------------------ 22. Gefährliche Leidenschaft Myungs Worte hallten für meinen Geschmack noch zu lange in meinen Ohren. „Sesshomaru, hegt ihr etwa Gefühle für einen Menschen?“ Meine Antwort hierauf war ganz klar: Nein! Ich würde niemals einen Menschen oder eine Frau so nahe an mich heran lassen. Amelia war ein Mittel zum Zweck. Am Abend fanden unsere jährlichen Festlichkeiten zu dem Pakt der vier Fürsten statt. Bereits seit Tagen waren zahlreiche hochrangige Dämonen auf unserem Schloss zu Besuch. Mich machte diese Tatsache nicht nervös, sondern aufmerksam. Ich sah in Allen einen potenziellen Feind, der einen Hinterhalt planen könnte. Die Sicherheitsvorkehrungen die ich im Voraus minuziös vorbereitete und an meine Männer delegierte, waren in den Augen der Fürstin paranoid, aber das interessierte mich nicht. Die Fürstin, meine Mutter, war lediglich symbolisch die Fürstin des Westens. Ich zog im Hintergrund die Fäden, auch wenn das ihr nicht wirklich bewusst war. Sie hatte lediglich ihre Macht und die damit verbunden Vorzüge im Blick. Nur beiläufig bekam ich die Begrüßung von Serena im Festsaal mit. Sie stand auf dem Podest am Ende des Saals und überblickte ihre Untertanen und Gäste. Ich stand gemeinsam mit Ryura an der Wand und beobachtete das ausgelassene Treiben der Dämonen, bis ich den Heiler entdeckte. Er nickte mir zu, gab mir stumm damit die Information, die ich wissen wollte. Amelia würde sich hier blicken lassen. Zufriedenheit machte sich in mir breit. Es lief wieder alles nach Plan. Ryuras Gesichtszüge waren hoch konzentriert, hatte alles im Blick. Ich konnte ihm blind vertrauen, er würde jede Auffälligkeit sofort erkennen und bereinigen. Aufgrund dieser Tatsache konnte ich ein wenig entspannter den Abend angehen, auch wenn ich solche Festlichkeiten verabscheute. Mein Blick wanderte zu der Empore auf der sich der Eingang zum Festsaal befand. Die Flügeltüren öffneten sich und zunächst trat Rin ein. Das Menschenmädchen, was ich vor einigen Jahren vor dem Tod bewahrt hatte, war zu einer Frau herangewachsen. Die Aufmerksamkeit, die Ryura ihr zuteil kommen ließ, missfiel mir, ich hatte jedoch nicht vor, schwerwiegende Vorkehrungen diesbezüglich zu treffen. Mein Interesse galt der jungen Frau hinter Rin, die vorsichtig hinter ihr in den Saal trat. Amelia. Man konnte nicht abstreiten, dass sie wunderschön war. Ihr blondes Haar war, seit ihrer Ankunft bei uns, bis über ihre Schultern gewachsen und sie trug sie heute Abend offen. Auf ihrem makelosen Gesicht war keine Spur des Kampfes mehr zu erkennen und ihre blauen Augen strahlten. Ihr Lächeln war aufgezwungen, das konnte ich eindeutig sehen – ich kannte ihr ehrliches Lächeln, hatte es oft genug gesehen. Amelia strahlte ein unglaubliches Selbstbewusstsein aus, war ganz in ihrer Rolle. Nur sie wusste welches Chaos in ihrem Inneren herrschte. Sie trug ein bodenlanges, blutrotes Kleid, das ihren Körper besonders in Szene setzte. Blutrotes Kleid – welch eine Ironie. Sie hatte plötzlich die ganze Aufmerksamkeit des Saals. Alle Dämonen schauten zu ihr auf. Sie behielt ihre selbstbewusste Miene bei. Braves Mädchen. Ich trat zur Treppe, um sie in Empfang zu nehmen. Rin schritt, mich ignorierend, an mir vorbei. So wütend auf mich hatte ich sie noch nie erlebt, das war fast schon belustigend. Amelia hielt neben mir inne und schaute auf mich hinauf. Ich konnte keine Gefühlsregung in ihrem Ausdruck erkennen, doch ihr Herzschlag verriet sie. Sie war verärgert. „Dein Herzschlag verrät dich“, teilte ich ihr mit als wir uns beide unter die Menge mischten. Genervt atmete sie neben mir durch. Bevor sie noch irgendetwas sagen konnte, gesellte sich der Fürst des Nordens zu uns. Er strahlte über beide Ohren und ich schob den Gedanken beiseite, ihm meine Krallen in sein Fleisch zu jagen. „Amelia, gut seht Ihr aus“, begrüßte er sie freudestrahlend. Sie nickte ihm zu und schenkte ihm ihr bezauberndes Lächeln. „Wie ich sehe, hat unser Kampf keine Spuren bei Euch hinterlassen.“ Beeindruckt musterte er sie von allen Seiten. Fast schien er überrascht, überraschter als die anderen beiden Fürsten, die sich in diesem Moment ebenfalls zu uns gesellten. Die Unterhaltung, die die Fürsten untereinander führten, interessierte mich kaum. Nachdem auch Serena dazu kam, überließ ich ihr die Höflichkeitsfloskeln. Auch Amelia schien nur flüchtig bei der Sache dabei zu sein, sie fühlte sichtlich unwohl. Körperliche Gründe hatte ihre Zurückhaltung nicht, das konnte ich problemlos feststellen. Wie es innerlich in ihr aussah, konnte ich dagegen nicht ausmachen. Als das Gespräch der Fürsten wieder einmal auf Amelias Verbleib richtete, schenkte ich ihnen wieder mehr Beachtung. „Ich sehe keinen Grund, warum Amelia ausgerechnet dem Westen dienen sollte.“ Es war Juras herrische Stimme, die meinen Zorn aufflammen ließ. „Warum sollten wir nicht ebenfalls einen Anspruch auf sie haben“, sprach er weiter. Yomi und Menoi äußerten sich hierzu nicht, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände; sie teilten Juras Auffassung. Amelia schien nervös zu werden, ihr gefiel die Entwicklung, die das Gespräch nahm, nicht. Ich schaute sie grimmig an, verwies sie, sich zusammen zu reißen. Sie zuckte unter meinem Blick kurz zusammen, ließ sich aber sonst nichts weiter anmerken. Mir gefiel die Entwicklung allerdings auch nicht. Bereits während meines Gesprächs mit Yomi nach dem Kampf, hatte er bereits solche Anwandlungen durchblicken lassen. Sie würden nicht locker lassen. Wir brauchten hierfür dringend eine Lösung. Serenas aufgesetzt freundliche Stimme riss mich aus meinen Überlegungen: „Meine Herren, ich sagte doch schon bereits, dass sie sich selbst für den Westen entschieden hatte, als sie eintraf“, verteidigte sie ihre Beute. Die Fürstin schlang einen Arm um Amelias Schulter, die unter dieser Berührung kaum merklich ihr Gesicht verzog. Dann tat sie etwas, was mich beeindruckte. Amelia befreite sich aus Serenas Berührung und trat entschlossen den Fürsten entgegen. „Ich denke, es ist mein gutes Recht selbst zu entscheiden, bei wem ich zu verweilen beliebe.“ Jura verzog auf ihre Aussage hin missbilligend sein Gesicht. Auch Menoi schien alles andere als erfreut zu sein, hielt seine Emotionen jedoch besser unter Verschluss. Beide befreundeten Fürsten wandten sich von uns ab und gingen zu ihren Leuten. Der Fürst des Nordens lächelte Amelia nur kurz an, trat näher an sie heran und küsste sie flüchtig auf ihre Wange. „Schade, aber vielleicht ändert Ihr ja noch Eure Meinung. Der Norden ist ein wunderschöner Ort zum Leben.“ Mit diesen Worten ließ auch er uns stehen. Serena atmete erleichtert aus und widmete sich ihrem Weinglas. Amelias Blick traf meinen und auch sie schien erleichtert. Ich hingegen traute dem vermeintlich glücklichen Ausgang nicht. Mein Weg führte mich zielstrebig zu Ryura, der weiterhin abseits den Saal im Blick hatte. Ich stellte mich neben ihm und sprach meine Anweisung so sachlich wie ich nur konnte aus. „Halte Yomi unter genauster Beobachtung, ich traue ihm nicht.“ Ohne mich anzuschauen, nickte mein Kommandant und verließ seine Position. Ich schmiedete währenddessen einen neuen Plan, wie ich mich von dem Fürsten des Nordens entledigen konnte. Das Fest war rauschend und für Serena ein voller Erfolg. Ab und an suchte ich den Saal nach Amelia ab, sah sie mal mit Rin und dann mal mit Hoshi im Gespräch. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder einmal nach ihr Ausschau hielt, konnte ich sie im Saal nicht mehr finden, sie schien die Feier verlassen zu haben. Ich wusste genau, wo ich Amelia finden würde, also betrat ich ihr Zimmer und fand sie am Fenster stehend vor. Sie schaute unmittelbar nach meinem Eintreffen über ihre Schulter zu mir rüber. Während ich auf ihren üblichen Gefühlsausbruch wartete, jetzt wo wir allein waren, schauten wir uns unverblümt an. Ihre erwartete Reaktion trat jedoch auch nach Minuten nicht ein. „Du hast dich schnell von den Feierlichkeiten verabschiedet“, stellte ich kühl fest. „Ich wollte allein sein. Ich denke, ich habe mich lange genug dort gezeigt, dass mich jeder Anwesende dort, nach dem Kampf, unversehrt zu Gesicht bekommen hat.“ Mit ihren Worten wand sie sich wieder von mir ab und richtete ihren Blick nach draußen. Sie sprach ruhig und emotionslos, was völlig konträr zu ihrem sonstigen Wesen stand. Auch noch nach ihrem traumatisierten Tag stand für sie ihre Aufgabe im Fokus. Ich hatte sie da, wo ich sie haben wollte, sie würde alles tun, was ich auftragen würde. Diese Erkenntnis ließ mich schmunzeln. Diese Tatsache würde meinem zukünftigen Vorhaben in die Karten spielen. Amelia wirkte müde und erschöpft als sie am Fenster stand. Ich trat zu ihr bis ich dicht hinter hier stehen blieb. So nah bei ihr zu stehen, ihren blumigen Duft zu riechen, steigerte mein Verlangen in diesem Moment nach ihr ins Unermessliche. Ich wollte sie und ich nahm sie mir, so wie ich es immer tat. Ich drehte sie zu mir um, küsste sie sanft, während ich gleichzeitig ihr Haar und ihren Rücken streichelte. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Bedürfnis so sanft wie möglich mit ihr umzugehen. Woher dieser Drang kam, konnte ich gar nicht so genau ausmachen. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie heute Mittag noch blutüberströmt in ihrem Bett lag, vielleicht war mir aber auch gerade danach. Sie schmeckte frisch und süß und ihr Geruch war vertraut und erregend. Ihre zarten Hände streckten sich nach oben und streichelten meinen Hals. Diese einfache Berührung reichte aus, um meine Lust unerträglich zu steigern. Ich löste mich von ihrem Mund um stattdessen meine Lippen zu ihrem Hals zu bewegen und kostete dort ihre Haut. Amelia stöhnte unter dieser Liebkosung sinnlich auf, warf ihren Kopf nach hinten und entblößte ihre Kehle für meinen Mund. Ich folgte dieser Einladung, küsste sie dort, musste aber dem Drang widerstehen, sie zu beißen. Während meine Küsse weiter zu ihrem Schlüsselbein wanderten, fing ich an, sie aus ihrem Kleid zu schälen, bis sie völlig nackt vor mir stand. Ihr Körper war wunderschön, schlank und muskulös, ihre Haut zart und einladend, sie zu berühren. Es waren keinerlei Spuren des Kampfes mehr zu sehen. Langsam ließ ich meine Hand über ihre Brüste und ihren flachen Bauch gleiten. Ich konnte hören, wie ihr Plus unter meinen Berührungen schneller schlug und riechen, wie erregt sie war. Diese Tatsache machte mich fast wahnsinnig. Ich musste aufpassen, nicht jegliche Beherrschung zu verlieren. Als ich meinen Kopf hob, ertappte ich sie dabei, wie sie mich beobachtete. Ihr Gesicht war leicht gerötet und ich musste über ihre Verlegenheit schmunzeln. „Eigentlich hast du das hier gar nicht verdient“, flüsterte sie kokett und zeigte dabei auf sich. „Ich brauche mir das nicht zu verdienen, ich nehme es mir einfach“, antwortete ich ihr und bevor sie protestieren konnte, drängte ich sie zu ihrem Bett. Von dem Chaos, das heute Mittag auf diesem Bett noch herrschte, war nichts mehr übrig geblieben. Aus ihren blauen Augen blickte sie fordernd zu mir hoch. Diese Einladung reichte aus, um mich von meiner Kleidung zu befreien und mich dann wieder auf ihr nieder zu lassen. Ich knabberte so lange an ihrem Hals und ihrer Schulter, bis ich ein leises Stöhnen von ihr vernahm. Dieses Geräusch war das einzige, das ich jetzt von ihr hören wollte. Ich liebkoste ihre Brüste, wanderte ihren Bauch entlang während sie ihre Finger in meinen Haaren festkrallte. Amelia stöhnte erneut und bog sich mir einladend entgegen. Von ihrem Stöhnen animiert, umspielte ich ihren Bauchnabel und spürte, wie sich ihre Bauchmuskeln anspannten, als ich mich weiter nach unten bewegte. Ihre Beine waren geschlossen, also spreizte ich sie, den Aussetzer ihrer Atmung ignorierend, um in sie einzudringen. Sie atmete scharf ein, krallte sich mit ihren Fingern in meine Schulter und blickte mich dabei an. Ihr Anblick ließ mich alles vergessen. Meinen ganzen Körper hatte ich jedoch unter strenger Kontrolle, als ich tiefer in sie glitt. Unser beider Atem ging bei jeder Bewegung schwerer. Ich stimulierte sie schneller und härter, konnte mich kaum noch zurückhalten. Amelia stöhnte daraufhin erneut und ihre Finger verstärkten ihren Griff an meiner Schulter, ihre scharfen Nägel gruben sich in meiner Haut. Die Hitze in mir stieg, forderte mehr von ihr und sie gab mehr. Ihre Bewegungen wurden noch schneller, schienen mir den Rhythmus vorzugeben. Ich hörte, wie sich ihre Atmung änderte sich und ich wusste, dass sie fast angekommen war. Das war der Ansporn, mich endlich gehen zu lassen und begann sie mit erhöhter Geschwindigkeit zu penetrieren bis jeder Muskel, aufgrund meiner Empfindungen, in meinem Körper zitterte. Plötzlich schrie sie auf und ihre Muskeln krampften sich um mich, brachten mich zum Explodieren und zum Stöhnen. Als wir beide wieder unsere Atmung wieder unter Kontrolle hatten, ließ ich von Amelia ab, rollte mich auf den Rücken und zog sie mit ihrem Kopf auf meine Brust. Ihr Körper war entspannt und schweißbedeckt und ihre Atmung hatte sie immer noch nicht völlig unter Kontrolle. Mir wurde bewusst, dass mir dieses Spiel zwischen uns fehlen würde, wenn es heute Mittag nicht so gut geendet hätte. Es war für mich unbegreiflich, wie ich jemals einen Menschen so begehren konnte. Das was wir hatten, war lediglich Sex, versuchte ich mir einzureden, aber warum sollte ich darauf verzichten, nur weil sie ein Mensch war. Als ich so bei ihr lag, kam mir mein Plan, der sich am Abend manifestiert hatte, falsch vor. Aber das änderte nichts daran, dass sie den Plan ausführen werden würde. Kapitel 23: Verzweiflung ------------------------ 23. Verzweiflung Mir war es egal, ob Sesshomaru blieb oder ging. Ich war völlig erschöpft von all den Ereignissen an diesem Tag. Mein Kopf war leer und mein Körper kraftlos. Ich war noch nicht mal im Stande, mich gegen Sesshomarus Berührungen zu wehren, wollte es ab einem gewissen Punkt auch nicht mehr. Die Tatsache, dass er meinen Kopf auf seiner Brust bettete, rückte ebenfalls in den Hintergrund. Ich schloss einfach meine Augen und fiel in einen tiefen Schlaf. Die Schmerzen waren unerträglich. Eine unglaubliche Hitze verbrannte mein Inneres, raubte mir die Luft zum Atmen. Ich wollte schreien, um Hilfe rufen, doch kein Laut verließ meine Lippen. Mein Körper verkrampfte sich und ich glaubte, meine Haut stände in Flammen. Verzweifelt presste ich meine Zähne zusammen, als mich das Gefühl überkam, dass mein Körper zu zerspringen drohte. Um mich herum nahm ich nichts und niemanden war. Warum half mir niemand? Schweißüberströmt wachte ich auf. Mein Atem ging unkontrolliert, schnell und mein Herz pochte noch unter den Nachwehen meines Alptraumes – nein, eher unter meinen Erinnerungen. Schmerzen, unsagbare Schmerzen. Ich hyperventilierte und zitterte am ganzen Körper. Mein Plus ging unheimlich schnell, ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Ich schaffe das. Einatmen. Ausatmen. Weitere dunkle Erinnerungen drangen an die Oberfläche, doch ich versuchte, sie zu ignorieren, sperrte sie in die hinterste Ecke meines Kopfes ein, schloss die Tür. Einatmen. Ausatmen. Ich schaffe das, ich bin stark. Wie ein Mantra rief ich diese Worte immer wieder ab, bis meine Atmung sich langsam wieder normalisierte. Ich versuchte mich im Hier und Jetzt wieder einzufinden und mir einzureden, dass die Schmerzen der Vergangenheit angehörten. Hoshi hatte mir, nach meinem Erwachen genau erklärt was geschehen war. Jeder einzelne Schritt seines Vorgehens beschrieb er mir detailliert und beantwortete jede meiner Fragen. Rin war auch bei mir gewesen, hatte mir immer wieder behutsam über das Haar gestreichelt. Sesshomaru war nicht da gewesen, genauso wenig wie er jetzt nicht mehr neben mir lag. Warum sollte er auch. Ich seufzte, schob meine Erinnerungen beiseite und richtete mich vorsichtig auf. Es war erstaunlich, dass mein Köper sich völlig gesund anfühlte. Ich hatte keinerlei Schmerzen mehr. Gedankenverloren fuhr ich mir mit meiner Hand durch mein Gesicht und fragte mich, wie es jetzt wohl weitere gehen würde. Die Fürsten der anderen Ländereien würden sich sicherlich wieder auf den Weg in ihre Heimat machen. Ich hatte also meinen Auftrag erfüllt – und überlebt. Aber wie ging es nun mit mir weiter? Entschlossen nahm ich mir vor, genau das von Sesshomaru in Erfahrung zu bringen. Als ich mich fertig hergerichtete hatte, und mich wieder wie ein Mensch fühlte, machte ich auf den Weg zu Sesshomarus Arbeitszimmer. Seine Stimme war angespannt, als er mich herein bat. Ryura befand sich ebenfalls da, stand Sesshomaru gegenüber, der in seinem Sessel am Schreibtisch saß. Ich lächelte meinen Trainer zurückhaltend an, sah ihn in diesem Moment das erste Mal, nach meinem Kampf gegen Yomi, wieder. Ich wusste nicht, ob er enttäuscht, sauer oder zufrieden war. Dieselbe Frage stellte sich auch bei seinem Vorgesetzten. Wie zufrieden oder nicht zufrieden war er mit meiner Leistung? In Ryuras Gesichtsausdruck war nichts zu erkennen, was meine Frage beantwortet hätte. „Das war sehr dumm von dir, Amelia“, bluffte er mich plötzlich an, sodass ich kurz vor Schreck zusammenzucken musste. „Du hättest sterben können. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“ Hier hatte ich meine Antwort: Ryura war sauer. Jeder Muskel in seinem Gesicht war angespannt, er kochte vor Wut. Nun, was hatte ich mir dabei gedacht? Vielleicht, dass ich ansatzweise eine Chance gegen den Fürsten des Nordens haben würde, dass ich den Schein dadurch wahren würde, dass der Westen weiterhin rentabel da stand?! Ich äußerte keinen dieser Gedanken laut. Ich war zu müde für so einen aussichtslosen verbalen Kampf. Sie wussten es ja sowieso besser, also zuckte ich resigniert mit den Schultern. Ryura schüttelte seinen Kopf, verzog sein Gesicht verächtlich. Enttäuschung war wohl auch eine Emotion, die meine Frage beantworten würde. Warum machte ich das alles überhaupt? „Es tut jetzt nichts mehr zur Sache, es ist also völlig irrelevant weiter darüber zu diskutieren“, sprach Sesshomaru unbeteiligt aus. Ich kniff meine Augen zusammen. Hinter seiner Aussage steckte ein Unterton, den ich nur zu gut kannte. Er heckte was Neues aus. Fragend schaute ich ihn an und wartete, dass er weiter sprach. „Ich hätte dich noch rufen lassen, Amelia, wir müssen etwas besprechen.“ Und da würde sie folgen, seine nächste Anweisung. Ich verschränkte meine Arme und schaute ihn so genervt an, wie es nur ging. Hier brauchte ich nicht meine Emotionen zurück halten, sie sollten beide sehr wohl sehen, dass ich genervt von ihren Vorhaben war. Ryura lehnte sich an die Schreibtischplatte zurück und sah über die neue Entwicklung ebenfalls nicht glücklich aus. Sesshomaru störte sich weder an meiner Gefühlslage, noch an der seines Stellvertreters. „Wir müssen etwas bezüglich Yomi unternehmen.“ „Weshalb? Er hat doch alles geschluckt“, unterbrach ich ihn barsch, was mir einen hasserfüllten Blick seinerseits einbrachte. Klare Anweisung: Ich hatte zu schweigen. „Ich trau ihm nicht, ich will, dass er stirbt.“ „Und was ist mit eurem Friedensabkommen?“ Ein weiterer Blick und ich stockte erneut. „Mir ist dieses Abkommen völlig egal! Er wird sterben“, stieß er hinter gefletschten Zähnen hervor. Sesshomaru war mittlerweile so aufgebracht, dasser sich von seinem Sessel erhob und seine Krallen er in die Tischplatte rammte. Ryura blieb unbeeindruckt an dieser angelehnt. „Du musst Yomi umbringen, so wäre der Westen fein raus. Offiziell gehörst du keinem der Länder an, sodass du allein für dich handeln würdest.“ Nach Ryuras weiteren Ausführung riss ich entsetzt meine Augen auf und starrte abwechselnd zwischen den beiden Dämonen hin und her. „Ich soll meinen Kopf für euch hinhalten?“, schrie ich beide an. Die Mine der beiden war unergründlich. „Vergisst es, ich bin raus!“ Ich war gerade dabei mich umzudrehen, um den Raum zu verlassen, als Ryura mich am Arm festhielt. Seine Hände bohrten sich so fest in mein Fleisch, dass ich keine Chance hatte mich aus seinem Griff zu befreien. Wütend drehte ich mich zu ihm um. In seinem Gesichtsausdruck war die stumme Bitte, ihnen nicht den Rücken zu kehren. „Ok, gehen wir mal davon aus, dass ich deiner Aufforderung Folge leiste, wie soll ich das anstellen?“ „Du wirst mit ihm schlafen.“ Ryura zuckte bei Sesshomarus Aussage zusammen. Er schien sich mit dieser Aufforderung unwohl zu fühlen. Wenigstens einer von beiden hatte so etwas wie Moral. Ich nutze Ryuras Unachtsamkeit, befreite mich mit einem Ruck aus seinem Griff und kam Sesshomaru gefährlich nahe. Ich grinste ihn gehässig an und schaute zu ihm auf. „So ist das also.“ Ich kochte innerlich vor Wut. Ich konnte es nicht fassen, was der Mann von mir verlangte. „Seit wann bringt Sex einen Mann um?“, fragte ich ironisch. Meine Hände hatte ich zu Fäusten geballt, um irgendwie ein Ventil für meinen Hass auf ihn zu finden. „Du wirst mit dem Fürsten des Nordens das Schloss verlassen, du wirst dich ihm nähern, ihn berühren, ihn verführen und dann wirst du ihn umbringen.“ Ich hörte ihm eigentlich gar nicht mehr wirklich zu, versuchte verzweifelt meine Atmung zu kontrollieren. Das konnte er nicht wirklich von mir verlangen. „Ryura, lass uns alleine“, verlangte Sesshomaru. Ich hörte nur dumpf im Hintergrund, dass mein Trainer dieser Aufforderung folgte und die Tür hinter sich zuzog. Sobald Ryura sich aus Sesshomarus Büro entfernt hatte, rastete ich völlig aus, konnte mich nicht mehr zurück halten. Wie viel sollte ich denn noch ertragen? Mir fiel es unheimlich schwer fort an rational zu denken, stattdessen herrschte in mir lediglich Zorn. Ich griff nach dem nächst gelegenen Objekt, irgendetwas Schweres, Metalliges, was ich nicht identifizieren konnte, und warf es quer durch den Raum. Mein Wurfgegenstand knallte gegen die Wand und ließ Gesteinsstückchen aus dieser herausbrechen. Ich vernahm dumpf im Hintergrund ein Schreien. Der kleine Teil meines Gehirns, der noch zu funktionieren schien, bemerkte, dass ich das war. Es war mein Geschrei und meine Flüche, die durch Sesshomarus Arbeitszimmer hallten. Der ganze Ärger und die Frustrationen der letzten Monate brachen aus mir heraus. Ich wusste nicht wie lange ich mich in diesem Zustand befand, als Arme aus Stahl sich von hinten um mich legten und mich in eine unbarmherzige Umarmung einsperrten. Ich trat um mich, schrie wie eine Furie, aber meine Gegenwehr war sinnlos. Sesshomaru war um einiges stärker als ich und nutzte dies, um mich zu unterwerfen, mich festzuhalten bis ich völlig erschöpft war und mich geschlagen gegen ihn fallen ließ. Ein Meer aus Tränen lief mir über mein Gesicht. „Bist du fertig?“, flüsterte er mir zornig in mein Ohr und ich konnte die mir so vertraute dunkle Note seiner Stimme heraushören. Auf seine Frage hin schüttelte ich meinen Kopf. Ja, ich bin fertig. Nein, ich bin noch lange nicht fertig. Ich fühlte mich so unglaublich leer und ausgelaugt, hatte das Gefühl in mich zusammen zu fallen. Sesshomaru drehte mich zu sich um. Ich sah durch meinen tränenverschwommenen Blick hilflos in seine emotionslose Maske. Dennoch hatte die Art und Weise wie er mich anschaute etwas Beruhigendes. Und da wurde es mir bewusst. Ich war nicht wütend, weil man mich wegschickte um jemanden das Leben zu nehmen. Nein, es steckte etwas viel tiefer Gehendes dahinter. Es war vielmehr die Tatsache, dass ich begonnen hatte, den unbarmherzigen Mann, der mich wie eine Hure behandelte, der mich nun wegschickte, um jemand anderem näher zu kommen nur um seinen verbissenen Plan der alleinigen Herrschaft in die Tat umzusetzen, zu lieben. Und ich hasste mich für dieses Gefühl. „Worüber regst du dich so auf?“ Sein Gesichtsausdruck war düster und seine Finger krallten sich in meine weiche Haut auf meinen Armen. Ich blieb stumm, weigerte mich, ihm zu antworten und hielt seinem besitzerreifenden Blick stand. „Sag es mir“, befahl er mir und seine Hand grub sich in mein Haar, zog meinen Kopf in den Nacken. „Sag es mir, sofort.“ „Ich hasse dich“, krächzte ich hervor. In meiner Stimme verbarg sich mein ganzer Schmerz. „Ich hasse dich.“ Seine Augen funkelten golden auf mich nieder. „Stimmt das?“, flüsterte er bedrohlich und kam meinem Gesicht immer näher. Er hielt mich immer noch hilflos an sich gedrückt. „Du hasst mich?“ Ich starrte ihn an, nahm mir vor, nicht einzusacken. „Ja“, fauchte ich, „ich hasse dich!“ Die Alternative war undenkbar. Die Blöße wollte ich mir nicht geben. Er würde meine wahren Gefühle für ihn niemals erfahren. Sesshomarus Gesicht wurde noch härter und verwandelte sich in Eis. Er fletschte seine Zähne, wollte mir Angst einjagen, doch er versagte. Diese Verhaltensweise war mir bereits mehr als bekannt. Sein heißer Atem, nahe meinem Gesicht, ließ mich erschaudern. Verzweifelt versuchte ich die wachsende Lust in mir zurückzuhalten. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass mein Körper was völlig anderes wollte als mein Verstand und diese Tatsache verwirrte mich umso mehr. Obwohl ich wusste, dass er ein herzloses Monster war, fühlte ich mich alles andere abgestoßen - nein, ich begehrte ihn. Sein Mund steifte langsam und genüsslich meine Wange entlang, hin zu meinem Ohr, während er mich gegen die Wand drückte. Meine Herzfrequenz erhöhte sich automatisch unter seinen Berührungen. „Tu das nicht“, flüsterte ich und meine Hände formten sich mit meinen Worten automatisch zu Fäusten. Ich spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging, auf meiner Haut. „Bitte, lass mich los“, bettelte ich ihn regelrecht an. Ich wollte ihm auf diese Art nicht wieder nahe sein, hatte es mir fest vorgenommen. Sessshomaru ignorierte mein Flehen und bewegte seine rechte Hand zu meiner Schulter und schob mit seinen Krallen das Riemchen meines Kleides herunter. Die frei gewordene Stelle benetzte er mit einem sanften Kuss. Mit seinem Mund wanderte er von dort zu meinem Hals, leckte und biss ihn sachte. Meine Erregung steigerte sich zunehmend als er mit seiner linken Hand das zweite Riemchen von meiner Schulter streifte und mein Kleid sich selbständig machte, mein Körper entlang auf den Boden fiel und mich, bis auf meine Unterhose, entblößte. Für meine Gefühlsregung hasste ich mich, wollte diese Gefühle nicht für ihn empfinden. Sesshomars Hand umfasste meine Brust, massierte sie mit leichtem Druck, während sein Mund wieder meinen fand. Ich wehrte mich nicht gegen ihn. Dann löste er sich von unserem Kuss, schaute mich an. In seinen goldenen Augen konnte ich nicht nur seine Lust erkennen, sondern auch etwas besitzergreifendes. „Nein“, murmelte er, ohne seine Hand von meiner Brust zu nehmen. „ich werde dich nicht gehen lassen.“ Bevor ich hierauf reagieren konnte, verschloss er erneut meinen Mund mit seinem. Seine linke Hand umfasste meinen Nacken und drückte mich noch näher an ihn heran. Sesshomaru, der immer noch meinen Mund liebkoste, drehte mich ruckartig um und schob mich vor sich her, bis ich die Kante seines Schreibtisches berührte. Und dann lag ich auch schon auf meinem Rücken, mit ihm über mich gebeugt. Bevor ich mich von unserem Kuss erholen konnte, entledigte er sich blitzschnell seiner Kleidung und mich meiner Unterhose. Die Lust in mir schlug nahezu brutal zu, ließ meine vergebenen Proteste von vorhin völlig vergessen. Mein ganzer Körper bäumte sich auf, verlangte regelrecht nach ihm. Während sich in mir eine unerträgliche Anspannung aufbaute, drangen seine Worte von vorhin wieder in mein Gedächtnis: „Du wirst mit dem Fürsten des Nordens das Schloss verlassen, du wirst dich ihm nähern, ihn berühren, ihn verführen und dann wirst du ihn umbringen.“ „Nein, halt!“ Ohne nachzudenken schoss ich nach oben, rollte mich zu Seite und entriss mich seinem Griff um meine Hüfte. Meine plötzliche Gegenwehr schien Sesshomaru tatsächlich zu überraschen und es gelang mir, mich von ihm zu entfernen. Ich krallte mir mein Kleid, rannte aus seinem Büro und den Flur entlang auf mein Zimmer zu. Währenddessen stülpte ich mir schnell mein Kleid über, um meinen Körper wieder zu bedecken, bevor mich jemand so sehen konnte. Als ich mein Ziel erreichte, knallte ich meine Zimmertür hinter mir zu und verschloss sie. Ich entfernte mich geschockt ein, zwei Schritte von der Tür und starrte sie an. Wie naiv zu glauben, dass ihn diese Tür aufhalten würde. Aber es tat sich nichts und von draußen war kein Laut zu hören. Verzweifelt sackte ich zusammen, hielt mir meinen Händen vors Gesicht und weinte bitterlich. Kapitel 24: Seitenwechsel ------------------------- 24. Seitenwechsel Ich wusste nicht, wie lange ich zusammengekauert auf dem Boden lag und weinte. Irgendwann schlief ich ein, völlig erschöpft von meiner derzeitigen Lage. Als ich wieder erwachte, lag ich in meinem Bett. Jemand musste mich hier hin getragen haben. Langsam öffnete ich meine Augen und der Jemand blickte mich direkt an. Sesshomaru saß in dem Sessel neben meinem Bett und beobachtete mich. Vor Schreck robbte ich auf die andere Seite meines Bettes. Jetzt würde wohl meine Bestrafung für mein Veralten in seinem Büro folgen. Als ich auf eine Reaktion seinerseits wartete, schaute er mich lediglich gelassen an. Nachdem mehrere Minuten bereits verstrichen waren und Sesshomaru mich nur weiterhin anstarrte, richtete ich behutsam das Wort an ihn: „Was machst du hier?“ Er sah aus, als würde er im Inneren mit sich selbst einen Kampf ausfechten. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“ Seine Worte hallten schneidend durch den Raum. Verwirrte blickte ich ihn an und kam langsam wieder ein Stückchen näher, blieb aber weiterhin wachsam. Ich traute ihm nicht. Die Minuten verstrichen und ich wusste nicht, was ich hätte sagen oder tun sollen, also saß ich neben ihm auf dem Bett und wartete. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhob Sesshomaru sich aus dem Sessel. „Die Fürsten befinden sich noch auf dem Schlossgelände, werden uns jedoch morgen früh verlassen. Du wirst heute Abend, beim gemeinsamen Abendessen, verkünden, dass du den Westen für den Norden verlassen wirst.“ Er sprach emotionslos und kühl mit mir. War ich ihm wirklich so egal? „Was soll meine Begründung für solch eine Entscheidung sein?“, erkundigte ich mich sachlich. „Denk dir was aus.“ Mit diesen Worten ließ er mich mal wieder alleine zurück. Am Nachmittag kam Rin zu mir und gab mir Bescheid, dass Ryura mich sehen wollte. Er erwartete mich in Sesshomarus Trainingsraum, also zog ich schnell meine Trainingssachen an und machte mich dann auf den Weg. Als ich den Raum betrat, fand ich Ryura an den Sandsäcken vor. Hier schien er sich bereits schon seit längerer Zeit zu verausgaben. „Du hast nach mir gerufen“, unterbrach ich ihn. Er ließ von dem Sandsack ab und schaute zu mir rüber. Dann griff er nach unten, nahm etwas auf, das ich nicht erkennen konnte und schleuderte es mir entgegen. Ruckartig schnellte ich zur Seite, wich dem Gegenstand aus, der sich als Dolch entpuppte. Er versenkte sich in die Holztür hinter mir. Überrumpelt starrte ich ihn an. „Willst du mich umbringen?“ „Ich werde dir jetzt genau zeigen, wie du mit diesem Dolch umzugehen hast“, preschte er heraus. Er war weiterhin wütend, doch war ich mir nicht ganz sicher, ob er wirklich auf mich wütend war. Bedrohlich kam er auf mich zu, ging an mir vorbei. Ich schaute ihm nach, während er den Dolch aus der Holztür rauszog und dann vor mir wieder stehen blieb. „Ich zeige dir alle Stellen, die zum sofortigen Tode führen, egal ob bei einem Mensch oder Dämon.“ Ich nickte entschlossen. Ryuras Stimmung blieb während unserer Trainingszeit unverändert. Ich merkte, dass er reizbar war, also versuchte ich so schnell wie möglich alle Informationen, die ich von ihm erhielt, aufzusaugen und umzusetzen. „Ein Stich in den Körper kann grundsätzlich fast überall tödlich sein. Es kommt lediglich drauf an, welcher sofort tödlich ist, damit der Dämon sich nicht wieder regenerieren kann. Ein sicherer Treffer ist die Kehle.“ Ryura fuhr mit seinem Messer meinen Hals entlang, was mich erschaudern ließ. „Dein Gegner stirbt an einem Hirnschlag, da das Blut nicht mehr ins Gehirn vordringen und es versorgen kann. Somit fallen alle Funktionen im Hirn augenblicklich aus, wenn die Halsschlagader durchtrennt wurde. Wenn aber nur die Luftröhre durchtrennt wird ohne eine größere Verletzung der Halsschlagader, läuft das Blut in die Lunge. Die Folge ist Ertrinken am eigenen Blut. Dauert aber wesentlich länger als wenn die Halsschlagader durchtrennt wird, also musst du zusehen, dass du den Schnitt tief setzt, damit du auf jeden Fall die Hauptschlagader erwischst.“ Seine nächste Bewegung führte sein Messer zu meinem Herzen. „ Ein weiteres sicheres Ziel ist das Herz, was in kürzester Zeit zum Tode führt“, erklärte er bestimmt. Von seiner nächsten Ausführung riet er jedoch ab: „Stichverletzungen in die Lunge und andere lebenswichtige Organe des Bauchraums sind zwar oft tödlich, wenn dabei große Arterien oder Venen verletzt werden; allerdings würde der Blutverlust, der zum Tode führt, zu lange für einen Dämon andauern. Die Wunde würde sich viel zu schnell wieder regenerieren.“ Aufmerksam sog ich alle Bewegungsabläufe mit den dazugehörigen Erklärungen auf. Wichtig war, entweder die Kehle zu durchtrennen und das Herz zu treffen. Ich bekam die Gelegenheit die Bewegungen mit dem Messer an Ryura zu trainieren. Es war für mich vor allem wichtig, dass mein Gegner völlig abgelenkt war, damit ich so nah wie möglich an diese Stellen heran kam. Und hier kam der Aspekt einer Verführung ins Spiel. Ich konnte Sesshomarus Gedankengang langsam nachvollziehen, auch wenn ich dieses Vorgehen als unerträglich empfand. Bei diesem Teil konnte Ryura mir nicht helfen. Brauchte er auch nicht, prinzipiell war mir durchaus bewusst, wie ich einen Mann zu verführen hatte. Auch wenn ich nie gedacht hätte, dass ich dies für einen Mord nutzten würde. „Danke!“ Ich hielt ihm seinen Dolch entgegen, als er das Training als beendet erklärte. Ryura schüttelte den Kopf. „Du wirst ihn brauchen, er gehört dir“, sagte er sanft. Ich betrachtete das kleine, aber durchaus tödliche Objekt. „Versteck es gut, dass niemand es sieht.“ Er ging auf die Knie und zog meine Hose ein Stück weiter nach oben, um meinen Knöchel frei zu legen. „Ich werde dir später noch eine Halterung geben, sodass der Dolch einen guten Halt hat, ohne dich zu verletzten.“ Ich nickte ihm dankend zu, während er sich wieder aufrichtete. Ryura blickte mich eindringlich an, fast schon sanft. Aber auch nur fast. Ich konnte immer noch erkennen, dass seine Muskeln zum Bersten angespannt waren. „Es tut mir leid wie sich alles entwickelt hat.“ Seine Worte schmerzten unheimlich, fühlten sich an wie ein Abschied für immer. Glaubte er, dass ich meinen Auftrag nicht überleben würde? Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es war eine Sache Yomi umzubringen, aber tatsächlich eine andere, dann zu fliehen ohne den Zorn seiner Armee auf mich zu ziehen. Sesshomarus Plan beinhalte keine Rettungsaktion nach Beendigung meines Auftrags. Die Erkenntnis schlug so hart auf mich ein, dass mir die Luft weg blieb. Das war ein Selbstmordkommando. Während einer erholsamen Dusche, machte ich mir Gedanken darüber, wie ich meine Meinungsänderung logisch begründen konnte. Mir fiel auf, dass ich eigentlich hierfür nicht groß lügen musste. So wie man mich hier behandelt hatte, würde sicherlich jeder einen Tapetenwechsel bevorzugen. Mich übermannte eine fürchterliche Verzweiflung und die Tränen flossen, gemischt mit dem Duschwasser, in Strömen über mein Gesicht. Nach der ausgiebigen Dusche stand ich nun im Ankleidezimmer und überlegte, was ich für das letzte Abendessen im Schloss des Westens anziehen sollte. Meiner Stimmung nach, hätte ich am liebsten die Jogginghose und ein Schlabberpulli gewählt. Natürlich fiel die Wahl jedoch auf ein super sexy, eng anliegendes, langärmeliges Kleid mit einem transparenten Ausschnitt und einem offenen Rücken. Meine blonden Haare trug ich offen, die zu einem interessanten Kontrast zu dem tiefblauen Kleid standen. Ich seufzte, als ich mich im Spiegel betrachtete. Ich strich mein Kleid noch mal glatt und begab mich dann auf den Weg zu Serenas Esszimmer. Als ich eintraf, saßen bereits alle am runden Esstisch und unterhielten sich angeregt. Das Esszimmer war völlig konträr zu Sesshomaru`s. Es war modern und elegant eingerichtet. Auch die Gesellschaft war eine andere. Außer Sesshomaru war niemand von den sonst Anwesenden beim Abendessen. Stattdessen saß ich hier mit Yomi, Jura, Menoi und Serena. Ich setzte mich gegenüber von Yomi und neben Sesshomaru. Die Platzwahl fand ich angemessen, so konnte ich genau Yomis Reaktion auf meinen Sinneswandel beobachten und gleichzeitig Sesshomarus Blicken ausweichen und ignorieren. Die Unterhaltungen wurden kurz unterbrochen, als ich Platz nahm und wurde stumm mit einem Nicken begrüßt, welches ich erwiderte. Ich war unheimlich nervös, spielte mehr mit meinem Essen vor mir, anstatt es tatsächlich zu mir zu nehmen. Mit meiner Gabel rollte ich eine Erbse von einer Seite auf die andere, hin und her. Von den Gesprächen der Fürsten bekam ich nichts mit. Irgendwann legte sich eine Hand auf meinen Oberschenkel und ich zuckte kurz zusammen. Ich wusste, wessen Hand mich berührte, es war Sesshomarus. Ich griff nach ihr und schob sie selbstsicher beiseite, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Beim Nachtisch nahm ich dann meinen ganzen Mut zusammen und begann mein Vorhaben Kund zu tun. „Yomi, wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne euer Angebot, mir den Norden mal anzuschauen, in Anspruch nehmen.“ Ich sprach nur ihn an, doch alle anderen bekamen meine Worte ebenfalls mit und hielten in ihrem Tun inne. Der Fürst des Nordens schaute mich überrascht, aber freundlich an. Er lächelte über beide Ohren. Als ich seine Reaktion analysierte, kam mir der Gedanke, dass er vielleicht ein viel freundlicher Fürst und Dämon war und, dass das Leben bei ihm wahrscheinlich bei weitem angenehmer sein würde. Vielleicht war er der Gute. Ich nahm mir vor, mir die Möglichkeit offen zu halten, dass meine Absichten nicht nur gespielt und Teil von Sesshomarus Plan waren. „Sehr gerne, meine Liebe. Ich halte das für eine hervorragende Entscheidung“, verkündete mein Gegenüber. Die anderen beiden Fürsten schienen sehr überrascht zu sein, tauschten ungläubige Blicke aus. Jedoch am meisten überraschte mich Serenas Reaktion, die völlig ausrastete. Als sie meine Worte realisiert hatte, sprang sie von ihrem Sessel auf, ihre Augen schienen rot zu glühen und ihre Zähne verwandelten sich in eine Art Reißzähne. „Du undankbares Miststück“, schrie sie wie eine Furie. Für was sollte ich denn dankbar sein, kam mir der Gedanke? Ungläubig schaute ich sie an. Sie wirkte wie eine Raubkatze, die bereit war für den Sprung auf ihr Opfer. So wie sie reagierte, schien sie von Sesshomarus neuem Plan keine Kenntnisse zu haben. Und mir kam die Vermutung, dass genau das Sesshomarus Absichten war. Glaubwürdiger konnte Serena ihre Entrüstung über meine Verkündung nicht rüber bringen und ihr Sohn konnte sich gelassen zurück lehnen und das Schauspiel genießen. Hatte er auch damit gerechnet, dass mich seine Mutter anfallen würde? Denn das war gerade das, was passierte. Serena sprang über den Tisch und stürzte sich auf mich, gelangte jedoch nicht zu mir. Ich blickte nach oben und erkannte, dass Yomi ebenfalls auf den Tisch vor mir gesprungen war und sich in Angriffsstellung vor der Fürstin des Westens aufgebaut hatte. Mit aufgerissenen Augen beobachtete ich das Szenario. Menoi hatte sein Teller vor der Auseinandersetzung gerettet, lehnte sich in seinem Sessel zurück und futterte weiter, während er belustigt auf die beiden auf dem Tisch blickte. Jura sah dagegen eher genervt aus und Sesshomaru verkniff sich ein Grinsen. Es schien also alles nach seiner Vorstellung abzulaufen. „Ich erinnere euch an eure eigenen Worte, Fürstin. Amelia darf selber entscheiden, wessen Land sie dient“, sprach er äußerst angespannt und behielt seine Angriffshaltung bei. Wie ein wildgewordenes Tier fletschte sie ihre Zähne. Ihr Gesicht war völlig verzerrt, nichts war von ihrer unglaublichen Schönheit übrig geblieben. Sie rang mit sich, war hin und her gerissen. Ich war mir sicher, dass sie mit dem Gedanken spielte Yomi vor allen Anwesenden den Kopf abzureißen. Sie entschied sich dagegen. Ihr Gesicht normalisierte sich augenblicklich, ihr rot verschwand aus ihren Augen und sie richtete sich wieder normal auf. „Setzt euch Mutter“, forderte Sesshomaru sie streng auf. Serena schaute ihren Sohn abfällig an, befolgte jedoch seine Anweisung. Auch Yomi entspannte sich nun wieder und sprang neben mich, legte mir eine Hand auf die Schulter. „ Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich bei mir, ohne den Blick von Serena zu lassen. Ich nickte und erholte mich wieder recht schnell von diesem unerwarteten Zwischenfall. Der Tisch sah, nach diesem Intermezzo, aus wie auf einem Schlachtfeld. Das Abendessen war damit wohl auch für beendet erklärt. „Vielleicht gewährt ihr auch uns mal die Ehre eines Besuchs“, verkündete Menoi amüsiert. „Nun, ich denke es ist nicht falsch, sich alle Länder genauer anzuschauen“, lächelte ich ihn freundlich an. Ich dachte mir, dass sie diese Information zufrieden stimmen würde und mein Vorhaben nicht unglaubwürdig wirken ließ. Sesshomarus entspannte Reaktion auf meinen Wandel schien niemanden zu wundern, er war schließlich ein Meister der Selbstbeherrschung. Keiner schöpfte Verdacht und so würde ich morgen problemlos mit dem Fürsten des Nordens den Westen verlassen können. Ich hätte Schauspielerin werden sollen… Kapitel 25: Der Abschied ------------------------ 25. Der Abschied Vor meinem Zimmer traf ich auf Rin, die verlegen vor meiner Zimmertür auf mich wartete. Sie nestelte an etwas, was ich nicht erkennen konnte, in ihren Händen und trat von einer Stelle auf die andere. Ihren Blick hielt sie gesenkt. „Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte ich mich besorgt. Rin blickte mir, nach meiner Frage, schüchtern in die Augen und nickte. „Ryura hat mir das hier für dich gegeben. Er meinte, du wüsstest wofür du es gebrauchen sollst.“ Sie reichte mir den Gegenstand in ihren Händen und übergab es mir. Es war die Haltung für meinen Dolch, die Ryura mir versprochen hatte. „Danke“, ich lächelte ihr liebevoll zu. Mir schien, als hätte Rin etwas auf dem Herzen, also bat ich sie in mein Zimmer. Außerdem wollte ich noch etwas Zeit mit ihr, an meinem letzten Abend auf dem Schloss, verbringen. Sie war in all der Zeit eine Freundin für mich geworden, die mir sehr fehlen würde. Im Zimmer verhielt sich Rin weiterhin seltsam. Sie stand vor dem Fenster, ihren Blick nach draußen gerichtet. „Ryura hat mir erzählt, dass du uns verlassen wirst. Dass du mit dem Fürsten des Nordens gehen wirst.“ Ihre Stimme klang traurig, was mir mein Herz zerriss. Ich wusste nicht wie viel sie von Ryura noch erfahren hatte, daher bestätigte ich lediglich ihre Aussage: „Das stimmt.“ Danach folgte langes Schweigen, bis sie sich endlich wieder zu mir drehte und mich anstrahlte. „Aber du kommst wieder, richtig?“ Voller Hoffnung schaute sie mich an. Ich versuchte so überzeugend wie ich nur konnte sie anzulächeln. „Natürlich.“ Lüge. So sicher wie ich ihre Frage bejahte, war es ganz klar eine Lüge. „Sesshomaru hat dir einen neuen Auftrag erteilt, richtig?“ Rin kam auf mich zu und streichelte meinen Arm. Geistesabwesend nickte ich und bestätigte ihre Vermutung. „Er ist wiedermal unmöglich. Man müsste ihm mal richtig die Meinung geigen.“ Ich verkniff mir mein Lachen bei ihren Worten. Als hätte ich mich nicht oft genug gegen ihn wehren wollen. Und wenn sie wüsste, was er mir aufgetragen hatte - ihr Entsetzen konnte ich mir wahrlich bestens vorstellen. „Ist schon in Ordnung. Ich mache es ihm dahingehend ganz bestimmt nicht leicht.“ Ich zwinkerte ihr zu, um sie wieder etwas aufzumuntern. Plötzlich fiel sie mir in die Arme und hielt mich fest. Tränen kullerten ihr über ihr Gesicht und landeten auf meinem Kleid. Erschrocken über ihre ruckartige Bewegung hielt ich kurz inne, bevor ich ihre Umarmung erwiderte. Sie würde mir wirklich fehlen. „Weißt du, Amelia, Ryura ist nicht immer derselben Meinung wie Sesshomaru. Er schien auf jeden Fall über sein aktuelles Vorhaben nicht begeistert zu sein“, berichtete sie mir, als wir uns aus der Umarmung lösten. „Das hat er dir erzählt?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich meine Freundin, die bestätigend nickte. „Du hast ja wirklich viel mit Ryura zu besprechen gehabt“, stellte ich belustigt fest. Als wäre sie ertappt worden, blickte Rin ruckartig auf ihre Füße. Sie war sichtlich nervös. „Was ist zwischen dir und Ryura vorgefallen?“ Ihr Verhalten machte mich neugierig. Ihr klarer Blick traf mich und sie fuhr sich mit ihrer Hand durch ihr Haar. „Wir haben miteinander geschlafen.“ „Wie bitte?“ Bis vor fünf Sekunden hatte ich noch gedacht, dass lediglich eine Schwärmerei zwischen beiden herrschte. Sie ließ ihre schmalen Hände sinken. „ Ja, unglaublich, was?“ Ich blinzelte. „Ja, das ist wirklich unglaublich.“ „Ich hab sowas noch nie vorher getan. Aber ich mag ihn und er sieht gut aus.“ Rin begann auf und ab zu gehen. „Ich weiß, dass er auch was für mich empfindet. Zumindest glaube ich das. Aber wir haben es beide uns nie zugestanden. Und dann ist da auch noch Sesshomaru, er wird ganz und gar nicht begeistert sein. Aber Ryura war so aufgebracht, als wir uns zufällig trafen. Naja, dann ist es eben einfach passiert.“ Wow, das klang ja super romantisch. „Und, wie wars?“ Rin wurde rot. „Es war…es war gut.“ „Gut?“ Sie stand wieder vor mir und verknotete ihre Finger. „Es war mehr als gut. Am Anfang war ich etwas unbeholfen – okay, ziemlich unbeholfen, aber dann…hat es funktioniert.“ Ich lauschte ihrer Erzählung aufmerksam. Ich wusste nicht, ob ich mich für sie freuen sollte, oder nicht. „Und was bedeutet das jetzt?“ „Ich weiß es nicht. Das ist das Problem. Ich mag ihn. Aber ich weiß nicht, ob ich ihn liebe.“ Lieben? Herrje, ging das nicht etwas zu schnell? Sie sah wirklich verzweifelt aus. Bevor ich ihr jedoch irgendetwas Beruhigendes sagen konnte, fuhr sie mit ihrem Redefluss fort. „Ich weiß nicht mal was Liebe ist. Als wir es getan haben, dachte ich, dass ich ihn liebe, Aber jetzt? Ich habe keine Ahnung.“ Völlig schockiert von Rins Geständnis starrte ich sie geistesabwesend an. Ich konnte es immer noch nicht fassen, was sie mir gerade eben gestanden hatte. „Mensch Rin, es freut mich, dass es…gut war.“ „Es war großartig.“ Sie seuftze. „Willst du wissen wie großartig es war?“ Rin schien noch nicht fertig mit ihrem Redefluss. Ihre Worte prasselten regelrecht aus ihr heraus. „Es war so großartig, dass ich es wieder tun würde.“ Ich lachte. „ Aber jetzt muss ich die ganze Zeit an ihn denken und frage mich, ob es ihm genauso geht.“ Bei der Vorstellung, dass Ryura sehnsüchtig an Rin dachte und aufgrund dessen nachts kein Auge zu bekam, wurde mein Lachen noch lauter. Rin schaute mich verwundert an, schien über meine Reaktion beleidigt zu sein. Ich räusperte mich und fragte sie: „ Hast du denn mal versucht mit ihm darüber zu sprechen?“ „Nein, sollte ich?“ „Naja, immerhin hast du mit ihm geschlafen. Wahrscheinlich solltest du ihn fragen.“ Rin sah mich mit ihren großen, rehbraunen Augen an. „Was ist, wenn er nicht so empfindet wie ich?“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er gleich empfindet.“ Ich hoffte es zumindest. Sie schien nicht überzeugt zu sein. Ich seufzte. „Geh zu ihm, rede mit ihm.“ Ich hatte den Eindruck, dass sie schnellstmöglich zu ihm wollte, bevor sie der Mut verlieren würde. „Los, wir sehen uns morgen“, feuerte ich sie an. Rin lief los und ließ mich amüsiert zurück. Auch nachdem sie fort war, ließ mich der Gedanke nicht los, dass Rin Sex gehabt hatte. Es war ein so großer Schritt für sie gewesen. Ich hoffte dringlichst, dass Ryura nicht so ein Arsch war wie Sesshomaru. Ich würde es sicherlich noch vor meiner Abreise erfahren. Die Unterhaltung mit Rin stimmte mich wieder etwas besser gelaunt und mir kam ein Gedanke, der mein Herz schneller schlagen ließ. Sie hatte recht gehabt, als sie meinte, dass man Sesshomaru mal so richtig die Meinung geigen sollte. Ich betrachtet kritisch die Halterung für den Dolch, die ich immer noch in meinen Händen hielt. Nur wenige Minuten später fand ich mich vor Sesshomarus Zimmer wieder. Bevor ich anklopfen konnte, drang eine laute, herrische Stimme an mein Ohr. „Komm rein.“ Mich wunderte es, dass er mich wirklich in seine privaten Gemächer hinein bat. Ich war noch nie zuvor hier gewesen. Sein Zimmer war, wie nicht anders zu erwarten, sehr altertümlich und spärlich eingerichtet. Sesshomaru stand am Fenster und betrachtete mich argwöhnisch, als ich den Raum betrat. „Ich wollte mich von dir noch persönlich verabschieden“, erklärte ich meine Anwesenheit. Auf meine Worte hin, schmunzelte er verführerisch. Zielstrebig ging ich auf ihn zu und blieb kurz vor ihm stehen. Ich betrachtete Sesshomaru, während das Licht des Mondes durch seine bodentiefen Fenster auf ihn fiel. Neben meinem konkreten Vorhaben, wollte ich auch gleichzeitig die Gelegenheit nutzen, alles an ihm mir einzuprägen. Er war wirklich atemberaubend. Langsam öffnete ich die Knöpfe seines schwarzen Hemdes, streifte dieses von seinen Schultern, legte seinen Oberkörper und seine starke Brust frei. Er war perfekt proportioniert. Als er Anstalten machte sich zu bewegen, mich zu berühren, griff ich nach seinen Händen und hielt ihn instinktiv auf. Ein Knurren seinerseits war zu hören, doch ich ignorierte seinen Widerstand. „Halt still! Ich bin dran“, betonte ich bestimmt. Angespannt beobachtete Sesshomaru jede meiner Bewegungen, während ich genüsslich mit meinen Fingern seine Bauchmuskeln nachfuhr und mit ihnen immer weiter nach unten wanderte. Meine Augen blieben starr auf sein Gesicht gerichtet. Es war deutlich zu erkennen, dass es Sesshomaru unheimlich schwer fiel die Kontrolle abzugeben, aber ich meinte in seinen Gesichtszügen Erregung zu erkennen – er genoss es. Verführerisch schmunzelte ich ihn an, öffnete seine Hose, zog sie runter und ging dabei auf die Knie. Als er nackt vor mir stand, erfreute ich mich an der Macht, die ich in diesem Moment über ihn hatte. Langsam kam ich wieder zu ihm hoch und stieß ihn zu seinem Bett, bis er auf der Kante zum Sitzen kam. Erneut kniete ich mich vor ihm, presste seine Beine auseinander. „Was tust du da?“, preschte er verwundert hervor. Ich verschloss mit meinem Zeigefinger seinen Mund. „Schscht!“ Ich wies ihn an Ruhe zu halten. Ich bewegte mich zwischen seine Beine, küsste seine Brust und larbeitete mich Zentimeter für Zentimeter seinen Körper hinunter, legte Spuren aus Küssen, schmeckte seine Haut. Ein weiteres Knurren entwich Sesshomaru, diesmal ber vor Erregung. Ich glitt über seine Hüften, griff nach seinem Geschlecht und nahm ihn in den Mund. Ohne Vorspiel, schob ich ihn einfach tief in mich hinein. Seine Hand verkrallte sich in meinem Haar, zog kurz daran und verweilte in diesem Griff. Ich hob meinen Kopf nicht, sondern saugte einfach entspannt weiter, ließ die Zunge mit ihm spielen. Mit der freien Hand streichelte ich über seine Oberschenkel, spürte wie diese angespannt zuckten. Ich wollte ihn völlig um den Verstand bringen. Sesshomaru stöhnte unter meinem Tun. Als ich das Gefühlt hatte, dass er um sich herum, vor Ekstase, nichts mehr mitbekam, ließ meine rechte Hand von seinem Oberschenkel ab, bewegte sich zu meinem Fußknöchel, an dem ich meinen Dolch eben noch verstaut hatte und zog ihn hervor. Ich ließ langsam von ihm ab, was ihn seinen Kopf in den Nacken fallen ließ. Lüstern blickte er mit halb offenen Augen auf mich, während ich mich rittlings auf seinen Schoß nieder ließ, meine Hand mit dem Dolch hinter meinem Rücken versteckt. Bevor Sesshomaru seine Fassung wieder erlangen konnte, küsste ich ihn forsch. Dann war der Moment gekommen: Blitzschnell hielt ich den Dolch an seine Kehle, drückte ihn in sein Fleisch, dass wenige Bluttropfen aus dem leichten Schnitt hervorquollen. Wenn ich es gewollt hätte, hätte ich in dieser Sekunde ihm die Kehle durchschneiden können und er hätte es nicht bemerkt. Ich konnte in seinem Gesicht genau lesen, dass ihm diese Tatsache sehr wohl bewusst war. Es war genau das, was er von mir verlangte Yomi anzutun. Und mit diesem Wissen würde ich ihn jetzt zurück lassen. Sesshomaru starrte mich bösartig an und fletschte seine Zähne. Selbstbewusst ließ ich von ihm an und erhob mich. „Auf Wiedersehen, Sesshomaru.“ Kapitel 26: Abwesenheit ----------------------- 26. Abwesenheit Das westliche Schloss zu verlassen war, so merkwürdig es sich anhörte, dass Schwierigste was ich in all meiner Zeit hier tun musste. Ich hatte das Gefühl mein Zuhause hinter mir zu lassen. Bereits früh morgens wurde ich von einem rundlichen Diener des Nordens in meinen Räumlichkeiten abgeholt. Er verhielt sich sehr freundlich mir gegenüber, was mich angenehm überraschte. Der Diener stellte sich als Soku vor und meinte, dass er auch dem Schloss im Norden mein Ansprechpartner sein würde. Automatisch verglich ich ihn mit Jaken, der sich so viel unfreundlicher verhielt. Ich erhaschte nochmal einen letzten Blick meines Zimmers und folgte dem Diener durch das Schloss nach draußen, hin zur Stallung. Dort angekommen entdeckte ich im Hintergrund Rin, die vorsichtig und verlegen auf mich wartete. Es war ihr Zuhause und doch sah sie so fehl am Platz aus. Ich rannte auf sie zu und fiel ihr in die Arme. „Du wirst mir wirklich fehlen“, verabschiedete ich mich von ihr. Rin trat einen Schritt zurück, wusch sich eine Träne aus dem Gesicht und lächelte mich an. „Du mir auch!“ „Hast du mit Ryura sprechen können?“ Sie nickte bestätigend, behielt ihr Lächeln bei. Das war wohl ein gutes Zeichen. „Wir werden sehen, wo es uns hinführen wird“, berichtete sie mir. „Das ist gut.“ Ich tätschelte aufbauend ihren Oberarm. „Amelia.“ Yomi war bei der Stallung eingetroffen und stand bei seinen Dienern, die unsere Pferde fertig gesattelt hatten. Ich drehte mich zu ihm und gab ihm ein Zeichen, dass ich kommen würde. „Pass auf dich auf Rin.“ Mit diesen Worten wandte ich mich von ihr ab und bewegte mich auf die kleine Gruppe zu, mit der ich nun fort reisen würde. Die Gruppe, mit der Yomi zum westlichen Schloss gereist war bestand neben dem Fürsten aus fünf weiteren Reisenden. Einer davon war Suko und die anderen vier schienen Krieger zu sein, da sie entsprechend gekleidet und bewaffnet waren. Als ich zu der Gruppe hinzustieß waren sie alle bereits auf ihren Pferden. Ich betrachtete das Pferd, welches für mich bestimmt war kritisch und überlegte, wie ich am besten vermitteln konnte, dass ich nie in meinem Leben zuvor auf einem Pferd gesessen hatte – geschweige denn geritten bin. Yomi schien mein Zögern zu bemerken und grinste mich schelmisch an. „Du kannst nicht reiten, richtig?!“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Peinlich berührt zuckte ich mit den Schultern. Yomi kam mit seinem Pferd näher und hielt mir seine Hand hin. Verwundert blickte ich zu ihm hoch, griff nach ihm und er zog mich schwungvoll hinter sich nach oben. Sofort klammerte ich mich an ihm fest, was ihn zum Lachen brachte. „Sag mir jetzt aber bitte nicht, dass zu Angst vor Pferden hast.“ „Ich habe vor allem eine Menge Respekt vor diesen Tieren“, erklärte ich ihm. „Halt dich fest. Das Reiten bringen wir dir schon noch bei.“ Er zwinkerte mir über seine Schulter zu, wandte sich dann wieder nach vorne und gab das Kommando loszureiten. Kurz blickte ich nochmal über meine Schulter und konnte einen letzten Blick auf das Schloss des Westens werfen. Wir ritten bis spät in den Nachmittag bis wir unser Ziel erreichten. Während unserer Reise ließ mich der Gedanke nicht los, warum Dämonen sich mit Pferden fortbewegten – waren sie nicht allein schneller unterwegs? Auf der anderen Seite war es so für mich wahrscheinlich sichtlich einfacher und bequemer. Wir machten lediglich mittags eine kurze Rast, um etwas zu essen. Ansonsten wurde vorwiegend geschwiegen. Die Stille war mir durchaus unangenehm gewesen, wusste aber auch nicht was ich hätte sagen sollen, also schwieg ich ebenfalls. Vor uns erstreckte sich ein gigantisches Schloss, das dem des Westens in nichts nachstand. „Wow“, gab ich mich beeindruckt. „Willkommen bei mir zu Hause“, äußerte Yomi süffisant. Er stieg vom seinem Pferd ab und half mir dann runter. Ich konnte den Blick nicht von den erhabenen alten Mauern abwenden. So stellte man sich ein typisches altes, mittelalterliches Schloss vor. Und doch wirkte es, als wäre es gestern erst errichtet worden. Wir wurden von zwei Stallburschen vor den Schlossmauern in Empfang genommen, die unsere Pferde an sich nahmen und fortführten. Mein Staunen ließ auch auf dem Schlossgelände nicht nach. Es sah alles so viel freundlicher aus. Der Innenhof glich einem Marktplatz und es herrschte reges Treiben. Ich sah Kinder, die mit einem Ball spielten, in dem sie sich diesen hin und her kickten, Frauen, die Körbe mit Lebensmittel vor sich her trugen und ältere Männer, die miteinander lachten. Das Szenario hätte nicht menschlicher sein können, doch es waren alles Dämonen und ich war mir durchaus bewusst zu was sie alle in der Lage waren. Diese Tatsache wurde nochmals durch einen Trainingsplatz im hinteren Bereich des Schlossgeländes, auf dem gerade Dämonen miteinander trainierten, unterstrichen. Jeder Dämon, der an uns vorbei kam, verbeugte sich zur Begrüßung, bis auf eine Frau. Ich sah sie nur kurz an mir vorbei huschen, als sie sich in Yomis Arme warf. Verwundert starrte ich die beiden an und erschrak, als besagte Frau Yomis Kopf zwischen ihre zarten Hände nahm und zu sich zog. Sie küsste ihn. Leidenschaftlich. Und lange. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich die beiden, zwang mich dann aber schnell meinen Blick von ihnen abzuwenden. Das verhieß nichts Gutes. Im Westen „Du hättest deine Meinung ändern können, das weißt du?“ Ryura war immer noch dabei mir ein schlechtes Gewissen wegen Amelia einzureden. Genervt von seinen kläglichen Versuchen knurrte ich ihn an. Ich konnte sein Gelaber im Moment nicht gebrauchen. „Ich wüsste keinen Grund, der eine Meinungsänderung gerechtfertigt hätte. Es läuft alles nach Plan.“ Ich beobachte Ryura vor mir wie er seine Bahnen in meinem Arbeitszimmer zog. Er wirkte ungewöhnlich nervös und ich konnte mir gut vorstellen warum das so war – es war mehr als deutlich zu riechen. Ich rümpfte die Nase und schüttelte den Gedanken ab. Ich würde sicherlich nicht das entsprechende Gespräch beginnen. Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück und schloss die Augen. „Du hast sie gut trainiert, sie wird ihren Auftrag erfolgreich ausführen“, fuhr ich ruhig fort und musste an meine letzte Nacht mit Amelia zurück denken. Ich hatte mich von ihr vorführen lassen und das machte mich innerlich rasend, doch zeigte es mir auch, dass sie Yomi zu Händeln wissen würde. Fast schon beeindruckte mich ihre Tat, was auch der einzige Grund war, weswegen sie sich noch ihres Lebens erfreuen konnte - sie war durchaus zu einiges in der Lage. Letztendlich musste ich mir eingestehen, dass ich sie unterschätzt hatte. Ryura stoppte in seinem Gehen und schaute mich wütend an. Ich zog meine Augenbrauen nach oben und wartete auf seinen Einwand. „Habe ich sie bestens für den Auftrag ausgebildet, oder du?“, fragte er mich ironisch. Diese Frage ließ mich schmunzeln. Mir war sehr wohl bewusst, dass jeder hier auf dem Schloss es riechen konnte, dass Amelia und ich uns hin und wieder nahe kamen, da war Ryura natürlich keine Ausnahme. Es ging ihn jedoch nichts an, weswegen ich seiner Anmerkung keine Beachtung schenkte. Er winkte ab und ging erneut seine Bahnen. „Jetzt entspann dich mal, du nervst“, forderte ich ihn harsch auf. Ryura verzog sein Gesicht und ließ sich auf den Sessel vor meinem Schreibtisch nieder. „Ich will sie nur wieder lebendig daraus bekommen, wenn sie es getan hat. Das sind wir ihr schuldig“, forderte er. „Wir sind ihr gar nichts schuldig, sie wusste worauf sie sich einlässt.“ „Sicher? Du hast ihr doch keine Wahl gelassen“, schnaubte er verächtlich. Auf diese Art von Diskussion wollte ich mich mit Ryura gar nicht erst einlassen. Um das Thema endlich zu beenden entschied ich mich dafür, ihm seiner Bitte entgegen zu kommen. „Amelia mag gut in dieser Art von Beziehung sein, dennoch wird sie Zeit benötigen, um ihm näher zu kommen. Wenn wir einen Plan ausgearbeitet haben, werden wir sie kontaktieren und ihr diesen mitteilen.“ Zufrieden über meine Aussage ließ sich mein Stellvertreter in seinen Sessel zurückfallen. Tatsächlich hatte ich mir bereits schon Gedanken gemacht, auf welche Art und Weise wir mit Amelia kommunizieren könnten, um über ihr Vorgehen stets im Bilde zu sein, ohne Aufsehen zu erregen. In diesem Plan würde Rin eine Rolle spielen. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich ihre Sicherheit im Norden ausreichend gewährleisten konnte, würde es dennoch darauf hinaus laufen, dass ich Rin ebenfalls in den Norden schicken würde. Wie gut, dass sich die beiden Menschen so gut verstanden. Ryura saß immer noch vor mir und starrte ins Leere. Ich räusperte mich, um seine Aufmerksamkeit wieder zu erhalten. „Ist sonst noch was?“, erkundigte ich mich ungeduldig. Ich hatte weiß Gott noch mehr Dinge zu erledigen, als meine Zeit mit Ryura und seinem Mitgefühl für Menschen hinzugeben. „Da ist in der Tat noch etwas“, begann er vorsichtig. „Ich wollte dich um die Hand von Rin bitten.“ Er hielt, während er die Worte aussprach meinem Blick stand. Er wusste ganz genau, dass mir diese Art von Unterhaltung zuwider war. Verächtlich schaute ich ihn an. „Kommt deine Bitte nicht etwas zu spät?“ Ich verzog mein Gesicht, als mir wieder einmal der Geruch von Rin entgegen kam, als Ryura sich auf dem Sessel zurecht rückte. „Das mag sein, aber ich weiß, dass dir viel an ihr liegt und ich möchte es durchaus vermeiden, deinen Zorn auf mich zu lenken.“ Wie weise von ihm. Ich kannte Ryura schon sehr lange. Er war gerissen, mein bester Krieger und dem einzigen dem er Ehrfurcht zollte war mir. Er würde alles für mich tun, ob er es gut hieß oder auch nicht. In Bezug auf Rin war ich mir seiner Loyalität jedoch nicht zu hundert Prozent sicher. Wenn ich ihm seine Bitte verwehren würde, würde er sicherlich dennoch nicht davon absehen Rin zu seiner Frau zu machen. Er fragte mich lediglich aus einem Grund - mir den entsprechenden Respekt entgegen zu bringen. Er war mein bester Mann, weswegen ich ihn sicherlich nicht wegen eines Menschen töten würde, also sollte er meinen Segen erhalten, wenn ihm dieser so wichtig war. „Wenn es auch Rins Wunsch sein sollte, soll euch nichts im Wege stehen“, beendete ich unser Gespräch und wendete mich meinem Schreiben zu, dass vor mir auf dem Schreibtisch lag. Ryura stand auf und verneigte sich respektvoll, bevor er mein Zimmer verließ. Nach diesem Gespräch war mir durchaus bewusst, dass Ryura meinen Plan, Rin in den Norden zu schicken, missachten würde. Doch das war mir egal. Diesbezüglich würde ich ihm keine Zugeständnisse machen. Der Gedanke daran ließ mich schmunzeln. So würde er noch seine Strafe für seine Beziehung mit Rin erhalten. Kapitel 27: Alleingang ---------------------- 27. Alleingang Im Norden Ich starrte bereits seit mehreren Minuten ungläubig auf das Schauspiel, das mir in Yomis Esszimmer geboten wurde: Vertraute Zweisamkeit zwischen zwei Dämonen, und den einen davon sollte ich eigentlich verführen, um ihn zu töten. Ganz schlechte Voraussetzungen. Wir hatten uns zu dritt, Yomi, Aya und ich, zu einem gemeinsamen Abendessen zurückgezogen. Ich erfuhr auf dem Weg durch das nördliche Schloss, dass Aya Yomis Verlobte war. So wie sie ihn begrüßt hatte, konnte ich mir sowas in der Richtung schon denken. Nun saßen wir an einer langen Tafel, an der für noch so viele weitere Personen Platz gewesen wäre und aßen, während Yomi seiner Geliebten von unserem Zusammentreffen berichtete. „Amelia ist wirklich faszinierend. Du hättest ihre Selbstheilungskräfte miterleben müssen, Liebling.“ Ich schluckte, als er seine Erzählung enthusiastisch vortrug. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Wort von mir gegeben. Stumm nahm ich das köstliche Mahl, das man uns aufgetragen hatte, zu mir und hoffte inständig, aus diesem Alptraum aufzuwachen. Yomi hatte eine Verlobte. Diese Tatsache machte einfach alles zunichte. Die beiden schienen sehr verliebt zu sein. Aya konnte weder ihre Augen, noch ihre Hände, von dem Fürsten des Nordens lassen. Ab und an lächelte sie mir zu, als Yomi von unserem Kampf berichtete. Ich erwiderte ihre freundliche Geste nur knapp, war viel zu überrumpelt von den neuen Gegebenheiten. Aya war wirklich eine hübsche Erscheinung. Sie hatte kurzes, braunes Haar und grüne Augen. Der Kontrast war wirklich atemberaubend. Sie hatte feine Gesichtszüge, war überhaupt eine zierliche und kleine Gestalt. So freudig sie über Yomis Rückkehr war, so spiegelte sich dennoch ein Hauch von Traurigkeit in ihren grünen Augen wieder. Woher dies stammte, konnte ich mir nicht erklären. Ihr Gesicht war ohne Male und ich fragte mich, ob sich dies ändern würde, wenn sie den Fürsten ehelichen würde. Würde sie dann ebenfalls sein Familienzeichen, den Stern des Nordens, tragen? „Amelia, du hast ja noch gar nichts gesagt. Verzeih mir, ich bin ein wahres Plappermaul.“ „Ja, er ist manchmal kaum zu bremsen“, rissen mich beide aus meinen Gedanken. Aya hatte ihre Hand auf Yomis gelegt. Ich betrachtete diese Geste nachdenklich. „Ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht“, gestand ich. Ich entschied mich für die Taktik, so nah wie es nur ging an der Wahrheit zu bleiben und dass meine Worte ehrlich und überzeugend rüber kamen. „Mir war nicht bewusst, was mich hier auf dem Schloss erwarten würde.“ Ich legte mein Besteck neben meinen Teller und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab. „Euch war nicht bekannt, dass Yomi eine Frau zu Hause erwarten würde“, sprach Aya meinen Gedanken aus und funkelte mich das erste Mal misstrauisch an. Sie drückte die Hand ihres Liebsten besitzergreifend, so als wollte sie mit dieser Geste ihn als ihr Eigentum markieren. Ich schüttelte den Kopf. „Damit meinte ich eher, dass mir generell nichts bekannt war. Es ist nicht viel über den Norden bekannt“, erklärte ich mich. Und das entsprach der Wahrheit. Über den Fürsten des Nordens drangen keinerlei Informationen nach außen. Hoshi konnte mir, vor dem ersten Treffen mit dem Fürsten lediglich berichten, dass er jung war und nach dem Tod seines Vaters die Regentschaft übernommen hatte. Selbst der Tod des vorherigen Fürsten des Nordens war unbekannt. Yomi lächelte mich verständnisvoll an und streichelte nebenbei die Hand seiner Verlobten. „Liebes, lass uns bitte einen Moment alleine“, bat er Aya. Ohne Diskussion befolgte sie seine Bitte. Ich hatte mit einer anderen Reaktion ihrerseits gerechnet, umso verwunderter war ich, als Aya sich vom Tisch erhob, uns kurz zunickte und aus dem Esszimmer verschwand. „Du hättest sie nicht wegschicken müssen.“ Irritiert betrachtete ich den Fürsten und nahm einen Schluck von meinem Wasser, um meine Unsicherheit zu verbergen. Seit dem Moment, als ich bekannt gegeben hatte dass ich mit Yomi den Westen verlassen würde, wendete er die Höflichkeitsform bei mir nicht mehr an, also tat ich es ihm gleich. „Ich halte meine privaten Angelegenheiten, vor allem außerhalb des Schlosses, geheim. Amelia, in unserer Welt machen Beziehungen, wie die zu Aya, verwundbar und angreifbar. Dadurch schütze ich sie und mein Reich. Ich hoffe, dass du das respektierst.“ So wie er seine Bitte aussprach, klang es eher nach einer Forderung. Er schien Sorge zu haben, mir nicht trauen zu können und, dass ich seine heile Welt zerstören würde. Er hatte damit Recht, er sollte mir nicht trauen. Ich hatte mit dieser Information eine neue Waffe, die ich gegen ihn verwenden konnte. Doch wollte ich wirklich diese gegen ihn verwenden? Wollte ich wirklich sein Glück, seine Familie zerstören? Für wen? Für den Westen? Für Sesshomaru? Nein, das konnte und wollte ich nicht. „Ich habt mein Versprechen. Ich trage keine Informationen aus den Norden in einen anderen Teil des Landes“, versicherte ich ihm. Yomis Gesichtszüge entspannten sich und er fand sein Lächeln wieder. „Gut, sonst hätte ich dich einsperren müssen“, gestand er ironisch. Wir lachten beide kurz auf, jedoch war ich mir ziemlich sicher, dass seine Worte kein Scherz waren. „Ich wusste, ich würde ein Risiko eingehen, wenn ich dich mitnehme. Aber ich meinte in dir sowas wie Ehrgefühl zu sehen – jemand, der zu wissen scheint, was richtig und was falsch ist. Schön, dass ich mich nicht getäuscht habe“, gab er zufrieden zu verlauten. „Du sagtest, dass du nichts über den Norden weißt. Was möchtest du wissen?“, erkundigte er sich bei mir. Sein Angebot und sein Vertrauen mir gegenüber waren ehrlich gemeint, das konnte ich deutlich aus seinem Blick erkennen. Seine braunen Augen ruhten auf meinen und ich erwiderte seinen Blick. Mir fiel erneut seine weiße Narbe an seiner rechten Augenbraue auf und ich stellte mir die Frage, woher diese stammte. Sie ließ ihn so viel bedrohlicher wirken, was eigentlich gar nicht der Realität entsprach. Aber da gab es eine Frage, die mir viel mehr auf der Zunge brannte. „Verrätst du mir auch, wie dein Vater verstarb?“ Ich war neugierig. Bereits bei Hoshis Erzählungen fand ich die Umstände mehr als mysteriös. Yomis freundliches Gesicht änderte sich nach meiner Frage schlagartig, wirkte extrem angespannt. Seine Reißzähne waren deutlich zu erkennen und seine Krallen bohrten sich in das Eichenholz des Tisches. Er war aufs Berste bemüht sich zusammen zu reißen, jedoch schien er seine Kontrolle zu verlieren. Ich schluckte und behielt die Kreatur vor mir genauestens unter Beobachtung. Ich überlegte, wie ich die Situation entschärfen konnte, hatte mit meiner Frage wohl einen wunden Punkt getroffen. Das war jedoch nicht meine Absicht. Vorsichtig erhob ich mich von meinem Platz und kam ihm, ohne nur eine Sekunde ihn aus den Augen zu lassen, näher. Yomi schien das nicht mitzubekommen, war viel zu sehr damit beschäftigt sich unter Kontrolle zu halten. Als ich bei ihm ankam, legte ich behutsam meine Hand auf seine Schulter. Ich versuchte, so viel Ruhe wie es nur ging auszustrahlen. Dies fiel mir allerdings unheimlich schwer, denn der Dämon in meiner unmittelbaren Gegenwart strömte eine unfassbare elektrisierende und unkontrollierte Macht aus. Seine Präsenz war voll und ganz die eines Dämons. Ich zwang mich dazu, meine Atmung zu regulieren, wollte mich nicht von meiner Angst überwältigen lassen. So plötzlich wie Yomis Unbehagen aufkam, so schnell versiegte dieses auch wieder. Ich spürte, wie seine Atmung ruhiger wurde und seine Muskeln sich entspannten. Er schaute zu mir auf, sein Blick war leer aber auch gelassen. Er hatte sich wieder gefangen. „Sei mir nicht böse, aber ich denke, dass ich die Frage ein anderes Mal beantworten werde“, erkläre er mir mit einem wütenden Gesichtsausdruck. Diese Wut galt nicht mir, dem war ich mir sicher. Ich nickte ihm zustimmend zu. Auf diese Erklärung war ich mehr als gespannt. Im Westen Ich verbrachte den ganzen Nachmittag in meinem Arbeitszimmer und arbeitete verschiedene Dokumente über die feindlichen Ländereien durch. Ich hatte unseren Botschafter schon immer befohlen ihre Augen und Ohren, während ihren Reisen durch die verschiedenen Länder, offen zu halten und mir nach ihrer Rückkehr einen Bericht vorzulegen. Manche würden dies als Paranoia bezeichnen, ich bezeichnete es als Vorsichtsmaßnahme. Was mich am meisten störte war, dass aus dem Norden die wenigsten Informationen durchdrangen. Yomi hielt wirklich alles unter Verschluss, er traute niemanden, der nicht aus seinem eigenen Reich stammte. Dieser misstrauische Bastard. Ich erhoffte mir von Amelia natürlich auch nützliche Informationen, die ich, für den Fall eines Versagens ihrerseits, gegen den Norden verwenden könnte. Was mir bei meinen Recherchen ebenfalls negativ aufstieß, war die Tatsache, dass Myung ungewöhnlich oft im Süden gesichtet wurde. Mir war durchaus bekannt, dass sie oft mit ihrem Vater reiste und leider wurde aus den Unterlagen nicht ersichtlich, ob sie alleine dort unterwegs war oder in Begleitung ihres Vaters. Ich hatte Wohl oder Übel einiges mit dieser Frau zu besprechen. Fakt war auch, dass sie von vornerein über Amelias Identität Bescheid wusste und das war mir ebenfalls auch noch ein Rätsel. An diesem Abend forderte meine Mutter, die Fürstin, meine Anwesenheit beim Abendessen in ihren Räumlichkeiten. Ich konnte mir ihren Grund hierfür gut vorstellen und mich langweilte die aufkommende Diskussion bereits jetzt schon. Wir waren an diesem Abend lediglich zu zweit, kein weiterer Diplomat wohnte dem Essen bei. Serena saß bereits auf ihrem Platz, als ich den Raum betrat. Zornig schaute sie auf mich, als ich mich ihr gegenüber niederließ. Sie hatte den Raum, so wie alles andere vom Schloss, modernisieren lassen und ich verabscheute es. Noch ein Grund warum ich nur in den dringlichsten Angelegenheiten mich in ihren Räumen aufhielt. Angewidert erwiderte ich ihren forschen Blick. Ihr war mehr als deutlich anzusehen, wie ihr mein Handeln bezüglich Amelia missfiel. Was für eine erbärmliche Angewohnheit, sie war so offensichtlich zu deuten. Noch ein Grund sie nicht in all meine Pläne einzuweihen. Ich ignorierte sie und widmete mich stattdessen meinem Essen. Durch meine Gleichgültigkeit, die ich ihr entgegen brachte, riss ihr Geduldsfaden, der lächerlich dünn war. „Mir missfällt deine Vorgehensweise, Sesshomaru“, eröffnete sie die zwecklose Diskussion. Ich ließ von meinem Essen ab, lehnte mich in den Ledersessel zurück und musterte meine Mutter gelangweilt. Der Vollmond schien durch die bodentiefe Fensterreihe und erleuchtete die Fürstin vor mir aus dem Hintergrund. Serena ballte ihre Hände zu Fäusten, so dass ich ihre weißen Knöchel deutlich erkennen konnte und ihr Gesicht war aufs Berste angespannt. „Mir scheint, dass du vergisst, dass ich die Herrscherin über den Westen bin“, stieß sie zwischen ihren gefletschten Zähnen hervor. Dieser Aussage konnte ich nur ein abfälliges Grinsen widmen. „Wir wissen beide, dass ich nach Vaters Tod besser seinen Platz eingenommen hätte“, erwiderte ich barsch. Die Fürstin erhob sich blitzschnell und schlug mit ihren Fäusten auf den Tisch. Sollte mich diese Reaktion einschüchtern? Belustigt zog ich meine Augenbraue nach oben und hörte mir weiter ihren Wutausbruch an: „Ich bin die Fürstin des Westens und ich gebe dir die Befehle, nicht anders herum“, schrie sie aufgebracht. „Und wenn du planst unseren Trumpf wegzuschicken, um ein Friedensabkommen zu brechen, dann will ich darüber vorher in Kenntnis gesetzt werden. Haben wir uns verstanden?!“ Serena hatte wirklich keinerlei Selbstbeherrschung. In dieser Eigenschaft ähnelte sie mehr einem Menschen als einem Dämon. Ich ignorierte ihre glühenden Augen und hielt ihrem starren Blick stand. Meine Zeit würde noch früh genug kommen. „Ich werde mir deine Bitte zu Herzen nehmen“, beantwortete ich ihre Frage ironisch. „Das war keine Bitte, sondern ein Befehl“, knurrte sie mich an. Nach diesem Ausbruch setzte sie sich wieder hin und widmete sich wieder ihrem Essen. Sie hatte sich wieder gefangen… „Erläutere mir deinen Plan.“ …und sie war mehr als interessiert an meiner Vorgehensweise. Ich schmunzelte Serena gehässig an, während ich mir ein Stück Fleisch in den Mund schob und genüsslich zerkaute, mein Blick immer auf sie gerichtet. Ich reizte sie hiermit bis auf Blut und ich hatte durchaus meinen Spaß hieran. „Amelia wird Yomi töten“, ließ ich sie kurz und knapp wissen. Genervt rollte sie ihre Augen und funkelte mich dann wieder hasserfüllt an. „Und wie soll sie das anstellen`“ „Das ist doch irrelevant, dich interessiert doch vor allem das Warum“, durchschaute ich sie. Die Fürstin zog ihre Augenbrauen kritisch zusammen und nickte mir zu, um mir zu signalisieren fortzufahren. „Ich traue ihm nicht, so einfach ist das.“ Fragend blickte sie mich an. Natürlich verstand sie meine Bedenken nicht. Sie interessierte nie was in den anderen Ländern geschah, wenn keine offensichtliche Bedrohung gegen den Westen bekannt war. Das war der Unterschied zwischen uns – Ich kümmerte mich bereits vor einem potentiellen Angriff um unsere Feinde. „Betrachte es von der Seite, wir wollen die alleinige Herrschaft. Ist Amelia erfolgreich, haben wir einen Herrscher bereits weniger, der uns im Weg steht.“ Serena schien weiterhin misstrauisch gegenüber dieser Ausführung zu sein, aber das tat nun nichts zur Sache. Sie würde meine Beweggründe noch früh genug nachvollziehen und mir danken. „Ich werde übrigens Rin ebenfalls in den Norden schicken, sie wird Amelia Instruktionen übermitteln. Du wolltest ja über alle Schritte informiert werden“, ließ ich sie beiläufig wissen. Serena winkte bei dieser Nachricht gelangweilt ab. „Soll mir nur recht sein. Rin ist dein Spielzeug, mach mit ihr was du beliebst.“ Ich grinste hämisch. Menschen waren in ihren Serenas Augen Unnütz, womit ich ihr prinzipiell recht gab. Das Menschenmädchen, das ich einst von den Toden zurückholte, war jedoch auf irgendeine Art und Weise eine Ausnahme. Ich brachte unsere gezwungene Zweisamkeit hinter mich und verschwand bei der erst besten Gelegenheit. Es war schon recht spät und mein Bedarf an arroganten und herrschsüchtigen Frauen war gedeckt, also beschloss ich mich um Myung morgen zu kümmern. Die Bedenken, die ich ihretwegen hatte, würden am nächsten Tag noch bestehen und wahrscheinlich, so wie ich dieses Miststück einschätzte, auch noch viel länger – länger als mir lieb war. Wie Recht ich doch behalten sollte. Kapitel 28: Enttarnte Gesichter ------------------------------- 28. Enttarnte Gesichter Im Norden Der Fürst des Nordens ließ mich durch Soku, dem Diener, der für mich auf dem Schloss zuständig war, auf das Trainingsgelände geleiten. Als ich dort morgens nach dem Frühstück, das ich in meinem Zimmer zu mir nahm, ankam, war bereits ein Kampf zwischen zwei Dämonen im vollen Gange. Im Gegensatz zu dem Trainingsgelände des Westens befand sich um das Gelände hier keine Tribüne. Der Bereich wurde lediglich von einem Holzzaun abgetrennt, an dem mehrere Zuschauer standen und dem Kampf beiwohnten. Darunter auch der Fürst selbst. Ich gesellte mich neben ihn und stützte mich mit den Unterarmen auf dem Holzgeländer ab. Yomi nickte mir zur Begrüßung zu und ich tat es ihm gleich, bevor wir beide unseren Blick auf den Trainingskampf richteten. Es war ein sonniger, wolkenloser Morgen – so friedlich, so ruhig; und völlig konträr zu dem Schauspiel, das uns in der Kampfarena geboten wurde. Dass beide Dämonen auf einen Sieg aus waren, konnte niemand bezweifeln. Der Kampf zwischen beiden war gnadenlos. Immer wieder verliehen die Zuschauer, rund um den Trainingsbereich ihrer Bewunderung Ausdruck. Ich beobachtete den Trainingskampf kritisch. Keine Ahnung was ich erwartet hatte, ob ich damit gerechnet hatte, dass im Norden die Dämonen anders trainieren würden; doch dem war nicht so. Der Norden stand diesbezüglich dem Westen in Nichts nach. Ein kleiner Dämon stand breitbeinig und mir verschränkten Armen etwas abseits von den Kämpfenden und beobachtete sie mit finsterer Miene. Er schien ihr Ausbilder zu sein. Automatisch verglich ich ihn mit Ryura, doch bis auf die bedrohliche Ausstrahlung, fand ich zwischen beiden keine Gemeinsamkeiten. Der Trainer vor mir war klein, jedoch breitschultrig und extrem muskulös. Beides passte irgendwie nicht zusammen und so wirkte seine Erscheinung eher skuril. Er hatte lange Haare, die ihm ungepflegt offen über seinen breiten Rücken fielen. „Das ist Magnus, der oberste Befehlshaber meiner Streitkräfte“, ließ Yomi stolz verlauten. Er schien bemerkt zu haben, dass ich meinen Blick nicht von seinem Befehlshaber abwenden konnte. „Und die beiden, die gerade dort kämpfen, sind Akim und Syrii“, er zeigte abwechselnd auf die Kämpfenden. Ich konnte Akims schweren Atem hören, er schien völlig aus der Puste zu sein. Beeindruckt konnte ich beobachten, wie Syrii Akim, in einer unheimlichen Geschwindigkeit zu Boden warf. Akim zog dabei jedoch sein Knie an, zielte mit seiner Faust auf Syriis Gesicht und traf somit mit seinem Knie den Oberschenkel und mit der Faust das Kinn seines Gegners. „Die beiden sind gut, nicht wahr?“ Yomi betrachtete mich von der Seite, während ich nur Augen für den Kampf hatte. „Gibt es hier Regeln bei euren Trainingskämpfen?“, erkundigte ich mich bei dem Fürsten, meinen Blick weiterhin auf den Kampf gerichtete. Bevor Akim irgendetwas anderes noch versuchen konnte, als er auf dem Boden lag, begraben von Syriis muskulösen Körpers, nagelte ihn Syrii mit seinem vollen Gewicht fest, benutzte seine Beine, um ihn zu kontrollieren und packte seine Handgelenke, um seine Arme seitlich seines Kopfes zu fixieren. Akim schien außer Gefecht zu sein und registrierte dies mit einem bedrohlichen Knurren, während Syrii ihn gehässig von oben herab angrinste. „Es ist so ziemlich alles erlaubt, bis auf das Töten. Im Westen sollte dies nicht anders vonstattengehen, richtig?“, beantwortete Yomi meine Frage. Ich nickte und beobachte wie Magnus auf seine Schüler zuging und mit ihnen den Kampf zu analysieren begann, als sie wieder beide zum Stehen kamen. Beide sahen von weitem soweit unverletzt aus, auch wenn Akim verärgert und unzufrieden wirkte. „Warum ist Magnus so aufgebracht?“, erkundigte ich mich, als ich erkannte, dass eine hitzige Diskussion zwischen Akim und seinem Ausbilder entstand. „Akim hat immer so seine Schwierigkeiten seine körperlichen Grenzen zu erkennen. Er ignoriert diese und kämpft unkontrolliert weiter“, erklärte mir Yomi. „Kommt dir das nicht bekannt vor?“ Stutzig hob ich meinen Kopf und drehte mich zu dem Dämon neben mir. „Du hast dasselbe bei unserem Kampf getan.“ Mein Herz fing an zu rasen, als mir klar wurde, worauf er aus war, und meine Augen weiteten sich kaum merklich bei seiner Feststellung. Yomi lächelte triumphierend, als er meine Reaktion hierauf bemerkte. Ich schluckte meinen Kloß im Hals herunter und versuchte mich wieder zu fangen. „Ist es nicht genau das, was einen guten Kämpfer ausmacht – Grenzen zu ignorieren und bis zum letzten weiter zu machen?“ Das war jedenfalls das, was Ryura und Sesshomaru stets predigten. Ich versuchte meine Fassung zu bewahren, ruhig zu bleiben und hielt Yomis festen Blick stand. „Nein Amelia, da liegst du völlig falsch.“ Er schüttelte resigniert seinen Kopf und legte seine Hand auf meine, mit der ich mich am Holzgeländer festkrallte. „Du willst doch im Kampf nützlich sein und das bist du nicht, wenn du stirbst.“ „Das mag sein, aber im Kampf Mann gegen Mann, gibt es eben nur einen Sieger“, widersprach ich ihm. Hierauf nickte er mir zustimmend zu. „Aber im Trainingskampf geht es nicht um Leben und Tod. Hier geht es darum, deine Grenzen kennenzulernen und daran zu arbeiten, diese auszuweiten.“ „Unser Kampf war aber kein Trainingskampf“, stellte ich klar. Ich beobachtete mein Gegenüber kritisch, während im Hintergrund ein weiterer Kampf begann. Yomi runzelte die Stirn und sprach seine nächsten Worte mit Bedacht aus: „Amelia, ich bin nicht dumm. Während unseres Kampfes lief einiges nicht so, wie es sonst üblich ist.“ Ich wich, während der Fürst sprach, automatisch einige Schritte zurück, um Abstand zwischen ihm und mir zu schaffen. Er sprach nicht weiter um den heißen Brei, sondern kam auf das zu sprechen, was ihm anscheinend seit unserem Kampf beschäftigte: „Meine Attacken, die dich allesamt trafen, hätten Auswirkungen auf dich haben müssen. Aber du hast, ohne dir was anmerken zu lassen, wie ein tollwütiger Hund weiter gemacht. Ich hätte dich wirklich töten können, wenn ich den Kampf nicht selbst beendet hätte.“ Wie Recht er mit seinen Worten hatte war ihm gar nicht bewusst. Es hatte nicht viel gefehlt und selbst Hoshi hätte mir nicht mehr helfen können. „Worauf willst du denn hinaus, Yomi“, fragte ich ihn mit fester Stimme. „So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen.“ Er fuhr sich gedankenverloren mit seiner Hand durch sein braunes, kurzes Haar. Seine braunen Augen funkelten im Licht der Sonne, während sie besorgt in meine blickten. „Diese Standhaftigkeit ist keine außergewöhnliche Fähigkeit. Ich hatte dich verletzt, aber irgendwas hielt die Auswirkungen zurück, bis sie dann über dich einbrachen.“ Ich biss mir auf die Unterlippe bis ich den metallischen Geschmack meines Blutes in meinem Mund schmeckte. Ich erkannte, dass ich seinen Worten nichts entgegen setzten konnte. „Was war es? Und warum?“ Mein Herz raste wie wild. Ich war aufgeflogen, dem war ich mir in diesem Moment mehr als sicher. Was sollte ich ihm darauf antworten? Was könnte ich ihm jetzt noch sagen, das den Schein wahren würde? Im Westen Mein unliebsames Gespräch mit Myung zog ich, so lang wie es ging, an diesem Tag hinaus. Doch das Unvermeidbare konnte nicht gänzlich umgangen werden. Da ich am Abend mein Gespräch mit Ryura, über das weitere Vorgehen im Norden hatte, ging ich am Nachmittag dann doch zu der mir undurchschaubaren Frau. Ich traf sie in ihren Gemächern an, als sie und ihre Diener gerade dabei waren, ihre Sachen zusammen zu packen. Lady Myung und ihr Vater planten das Schloss am Abend zu verlassen und weiter zu reisen. Mir war bekannt, dass Serena ihrem Botschafter einen neuen Auftrag im Norden zugeteilt hatte. Hierbei ging es um die Verhandlung bezüglich der Lieferung verschiedener Rohstoffe. Für mich völlig uninteressant. Als Myung meine Präsenz wahrnahm, hob sie ihre Hand, machte mit dieser eine bestimmte Bewegung und schickte somit ihre Diener aus dem Zimmer. Diese reagierten schlagartig auf den unausgesprochenen Befehl ihrer Herrin, packten ihre Sachen und verschwanden mit einer Verbeugung aus den Gemächern. „Es sieht so aus, als seien nur noch wir übrig“, bemerkte Myung und lächelte mich verführerisch, vom anderen Ende des Zimmers aus, an. Genervt von ihrem Verhalten verzog ich meinen Mund und unterdrückte ein bedrohliches Knurren. Myung erwiderte meinen starren Blick, schob bedächtig ihre Daumen unter die Träger ihres Kleides und ließ sie über ihre Schulter fallen. „Huch“, flüsterte sie. „Es sieht so aus, als würde ich es nicht alleine ausziehen können. Ich könnte eventuell Eure Hilfe benötigen“, bemerkte sie gespielt unschuldig. Das war ihre, mir allzu gut bekannte Masche, ihrer Verführung. Und sie war gut darin. Meine Nasenlöscher blähten sich auf und meine Muskeln spannten sich an. Mein eigentlicher Grund meiner Anwesenheit trat von nun an erstmal in den Hintergrund; dem würde ich mich noch früh genug widmen. „Komm her“, knurrte ich. Myung schüttelte ihren Kopf. „Nein, Ihr kommt her.“ Sie wusste genau, was sie wollte. Meine Augen verengten sich wie bei einem wilden Raubtier - und das war ich auch. Gefährlich und unberechenbar. Ich hörte, wie ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Komm“, wiederholte sie und krümmte ihren Finger, um mich zu sich zu locken. Sie wollte spielen, dann spielen wir. Ich lächelte sie hämisch an und machte einen Satz, um die Distanz zwischen uns aufzuheben. Binnen Sekunden war ich unmittelbar vor ihr und drückte sie gegen die Wand. „Ihr braucht also Hilfe mit dem Kleid, ja?“ Meine Finger zogen an den dünnen Trägern und zerissen das dünne Material mit meinen Krallen. „Ja“, hauchte die berechnende Dämonin vor mir und sah zu mir hoch. Ihr Kleid fiel ihren schlanken Körper herunter und sie stand nackt vor mir. Ich widmete mich ihrem Körper keine allzu lange Aufmerksamkeit, hatte daran kein Interesse; ich war auf anderes aus: „Legt Euch auf das Bett“, befahl ich herrisch. Ich gab hier den Ton an. Ihr Herz schlug so hart, dass es sich anhörte, als würde es gleich explodieren. Sie tat, was ich befohlen hatte. Während ich ihr folgte, entledigte ich mich ebenfalls meiner Kleidung. „Erklärt Ihr mir, woher Ihr von Amelias Identität wusstet?“, erkundigte ich mich bei ihr, als ich mich langsam zu ihr hinunter beugte, um mit meiner Zunge ihren Hals entlang zu fahren. Ich beschloss, das Angenehme mit dem mir Nützlichen zu verbinden, denn ich wollte von ihr in Erfahrung bringen, was sie für ein Spiel spielte. „Dass Amelia lediglich ein nutzloser Mensch ist? Das war offensichtlich“, hauchte sie in mein Ohr. „Habt Ihr jemanden davon erzählt?“ Während ich meine Frage aussprach, wanderte meine Zunge ihr Schlüsselbein entlang runter zu ihren Brüsten bis hin zu ihrem Bauchnabel. Myung stöhnte unter meinen Liebkosungen lustvoll auf. „Natürlich nicht“, beantwortete sie, in meinen Berührungen völlig versunken, meine Frage. Gut, diese Tatsache stimmte mich zufrieden. In ihrem Sinne hoffe ich nur, dass sie die Wahrheit sprach. Bevor ich noch irgendetwas tun konnte, drehte sie mich auf den Rücken, kletterte auf mich und spreizte ihre Beine, bis meine Erektion sich nur wenige Zentimeter von ihrer Öffnung entfernt befand. Sie beugte sich nach unten, stützte sich auf meiner Brust ab und flüsterte mir ins Ohr: „Seid Ihr jetzt fertig mit der Befragung?“ Ich versuchte in dieser Position, in der wir uns befanden, meine Kontrolle zu wahren. „Nein, eins würde mich noch brennend interessieren“, gestand ich. „Erklärt Ihr mir auch, was Eure häufige Anwesenheit im Süden begründen würde.“ Als Myung meine Worte vernahm, riss sie ihre Augen weit auf und zog scharf die Luft ein. Augenblicklich ließ sie von mir ab, schaffte Raum zwischen uns und griff nach einem neuen Kleid, welches über dem Stuhl vor ihrer Kommode hing. „Was wird das, Sesshomaru? Wollt Ihr mich für irgendetwas beschuldigen?“ Ihre Frage stieß sie hasserfüllt zwischen ihren gefletschten Zähnen hervor. Ich richtete mich auf, saß auf der Bettkante und beobachtete ihr hektisches Ankleiden mit einem hämischen Lächeln. Ihre Reaktion gab so viel über die Wahrheit preis; das war mir die Aktion wert, auch wenn ich es ein wenig bereute die Befragung nicht nach dem Sex vorgenommen zu haben. „Sollte ich Euch für irgendetwas beschuldigen?“, fragte ich sie rhetorisch und fuhr mir mit dem Finger mein Kinn entlang, während ich die Dämonin nicht aus den Augen ließ. Myung kniff ihre Augen zusammen und verzog ihr Gesicht. „Nein“, zischte sie aufgebracht. „Solche Anschuldigungen lass ich nicht auf mir sitzen, das habe ich nicht nötig!“ „Nein?“, ließ ich misstrauisch verlauten. „Dann erklärt mit doch einfach Eure häufige Präsenz im Süden.“ Myung erblich, bekam sich aber schnell wieder in den Griff. „Auf Wiedersehen, Sesshomaru. Vielen Dank für Eure Gastfreundlichkeit“, verabschiedete sie sich aufgesetzt höflich und ließ mich in ihrem Zimmer alleine und nackt zurück. Ich grinste über ihren Abgang. Sie hatte was zu verbergen, dem war ich mir spätestens nach diesem Schauspiel sicher. Ich würde schon noch herausfinden, was es war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)