Zwischen den Welten von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 27: Alleingang ---------------------- 27. Alleingang Im Norden Ich starrte bereits seit mehreren Minuten ungläubig auf das Schauspiel, das mir in Yomis Esszimmer geboten wurde: Vertraute Zweisamkeit zwischen zwei Dämonen, und den einen davon sollte ich eigentlich verführen, um ihn zu töten. Ganz schlechte Voraussetzungen. Wir hatten uns zu dritt, Yomi, Aya und ich, zu einem gemeinsamen Abendessen zurückgezogen. Ich erfuhr auf dem Weg durch das nördliche Schloss, dass Aya Yomis Verlobte war. So wie sie ihn begrüßt hatte, konnte ich mir sowas in der Richtung schon denken. Nun saßen wir an einer langen Tafel, an der für noch so viele weitere Personen Platz gewesen wäre und aßen, während Yomi seiner Geliebten von unserem Zusammentreffen berichtete. „Amelia ist wirklich faszinierend. Du hättest ihre Selbstheilungskräfte miterleben müssen, Liebling.“ Ich schluckte, als er seine Erzählung enthusiastisch vortrug. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Wort von mir gegeben. Stumm nahm ich das köstliche Mahl, das man uns aufgetragen hatte, zu mir und hoffte inständig, aus diesem Alptraum aufzuwachen. Yomi hatte eine Verlobte. Diese Tatsache machte einfach alles zunichte. Die beiden schienen sehr verliebt zu sein. Aya konnte weder ihre Augen, noch ihre Hände, von dem Fürsten des Nordens lassen. Ab und an lächelte sie mir zu, als Yomi von unserem Kampf berichtete. Ich erwiderte ihre freundliche Geste nur knapp, war viel zu überrumpelt von den neuen Gegebenheiten. Aya war wirklich eine hübsche Erscheinung. Sie hatte kurzes, braunes Haar und grüne Augen. Der Kontrast war wirklich atemberaubend. Sie hatte feine Gesichtszüge, war überhaupt eine zierliche und kleine Gestalt. So freudig sie über Yomis Rückkehr war, so spiegelte sich dennoch ein Hauch von Traurigkeit in ihren grünen Augen wieder. Woher dies stammte, konnte ich mir nicht erklären. Ihr Gesicht war ohne Male und ich fragte mich, ob sich dies ändern würde, wenn sie den Fürsten ehelichen würde. Würde sie dann ebenfalls sein Familienzeichen, den Stern des Nordens, tragen? „Amelia, du hast ja noch gar nichts gesagt. Verzeih mir, ich bin ein wahres Plappermaul.“ „Ja, er ist manchmal kaum zu bremsen“, rissen mich beide aus meinen Gedanken. Aya hatte ihre Hand auf Yomis gelegt. Ich betrachtete diese Geste nachdenklich. „Ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht“, gestand ich. Ich entschied mich für die Taktik, so nah wie es nur ging an der Wahrheit zu bleiben und dass meine Worte ehrlich und überzeugend rüber kamen. „Mir war nicht bewusst, was mich hier auf dem Schloss erwarten würde.“ Ich legte mein Besteck neben meinen Teller und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab. „Euch war nicht bekannt, dass Yomi eine Frau zu Hause erwarten würde“, sprach Aya meinen Gedanken aus und funkelte mich das erste Mal misstrauisch an. Sie drückte die Hand ihres Liebsten besitzergreifend, so als wollte sie mit dieser Geste ihn als ihr Eigentum markieren. Ich schüttelte den Kopf. „Damit meinte ich eher, dass mir generell nichts bekannt war. Es ist nicht viel über den Norden bekannt“, erklärte ich mich. Und das entsprach der Wahrheit. Über den Fürsten des Nordens drangen keinerlei Informationen nach außen. Hoshi konnte mir, vor dem ersten Treffen mit dem Fürsten lediglich berichten, dass er jung war und nach dem Tod seines Vaters die Regentschaft übernommen hatte. Selbst der Tod des vorherigen Fürsten des Nordens war unbekannt. Yomi lächelte mich verständnisvoll an und streichelte nebenbei die Hand seiner Verlobten. „Liebes, lass uns bitte einen Moment alleine“, bat er Aya. Ohne Diskussion befolgte sie seine Bitte. Ich hatte mit einer anderen Reaktion ihrerseits gerechnet, umso verwunderter war ich, als Aya sich vom Tisch erhob, uns kurz zunickte und aus dem Esszimmer verschwand. „Du hättest sie nicht wegschicken müssen.“ Irritiert betrachtete ich den Fürsten und nahm einen Schluck von meinem Wasser, um meine Unsicherheit zu verbergen. Seit dem Moment, als ich bekannt gegeben hatte dass ich mit Yomi den Westen verlassen würde, wendete er die Höflichkeitsform bei mir nicht mehr an, also tat ich es ihm gleich. „Ich halte meine privaten Angelegenheiten, vor allem außerhalb des Schlosses, geheim. Amelia, in unserer Welt machen Beziehungen, wie die zu Aya, verwundbar und angreifbar. Dadurch schütze ich sie und mein Reich. Ich hoffe, dass du das respektierst.“ So wie er seine Bitte aussprach, klang es eher nach einer Forderung. Er schien Sorge zu haben, mir nicht trauen zu können und, dass ich seine heile Welt zerstören würde. Er hatte damit Recht, er sollte mir nicht trauen. Ich hatte mit dieser Information eine neue Waffe, die ich gegen ihn verwenden konnte. Doch wollte ich wirklich diese gegen ihn verwenden? Wollte ich wirklich sein Glück, seine Familie zerstören? Für wen? Für den Westen? Für Sesshomaru? Nein, das konnte und wollte ich nicht. „Ich habt mein Versprechen. Ich trage keine Informationen aus den Norden in einen anderen Teil des Landes“, versicherte ich ihm. Yomis Gesichtszüge entspannten sich und er fand sein Lächeln wieder. „Gut, sonst hätte ich dich einsperren müssen“, gestand er ironisch. Wir lachten beide kurz auf, jedoch war ich mir ziemlich sicher, dass seine Worte kein Scherz waren. „Ich wusste, ich würde ein Risiko eingehen, wenn ich dich mitnehme. Aber ich meinte in dir sowas wie Ehrgefühl zu sehen – jemand, der zu wissen scheint, was richtig und was falsch ist. Schön, dass ich mich nicht getäuscht habe“, gab er zufrieden zu verlauten. „Du sagtest, dass du nichts über den Norden weißt. Was möchtest du wissen?“, erkundigte er sich bei mir. Sein Angebot und sein Vertrauen mir gegenüber waren ehrlich gemeint, das konnte ich deutlich aus seinem Blick erkennen. Seine braunen Augen ruhten auf meinen und ich erwiderte seinen Blick. Mir fiel erneut seine weiße Narbe an seiner rechten Augenbraue auf und ich stellte mir die Frage, woher diese stammte. Sie ließ ihn so viel bedrohlicher wirken, was eigentlich gar nicht der Realität entsprach. Aber da gab es eine Frage, die mir viel mehr auf der Zunge brannte. „Verrätst du mir auch, wie dein Vater verstarb?“ Ich war neugierig. Bereits bei Hoshis Erzählungen fand ich die Umstände mehr als mysteriös. Yomis freundliches Gesicht änderte sich nach meiner Frage schlagartig, wirkte extrem angespannt. Seine Reißzähne waren deutlich zu erkennen und seine Krallen bohrten sich in das Eichenholz des Tisches. Er war aufs Berste bemüht sich zusammen zu reißen, jedoch schien er seine Kontrolle zu verlieren. Ich schluckte und behielt die Kreatur vor mir genauestens unter Beobachtung. Ich überlegte, wie ich die Situation entschärfen konnte, hatte mit meiner Frage wohl einen wunden Punkt getroffen. Das war jedoch nicht meine Absicht. Vorsichtig erhob ich mich von meinem Platz und kam ihm, ohne nur eine Sekunde ihn aus den Augen zu lassen, näher. Yomi schien das nicht mitzubekommen, war viel zu sehr damit beschäftigt sich unter Kontrolle zu halten. Als ich bei ihm ankam, legte ich behutsam meine Hand auf seine Schulter. Ich versuchte, so viel Ruhe wie es nur ging auszustrahlen. Dies fiel mir allerdings unheimlich schwer, denn der Dämon in meiner unmittelbaren Gegenwart strömte eine unfassbare elektrisierende und unkontrollierte Macht aus. Seine Präsenz war voll und ganz die eines Dämons. Ich zwang mich dazu, meine Atmung zu regulieren, wollte mich nicht von meiner Angst überwältigen lassen. So plötzlich wie Yomis Unbehagen aufkam, so schnell versiegte dieses auch wieder. Ich spürte, wie seine Atmung ruhiger wurde und seine Muskeln sich entspannten. Er schaute zu mir auf, sein Blick war leer aber auch gelassen. Er hatte sich wieder gefangen. „Sei mir nicht böse, aber ich denke, dass ich die Frage ein anderes Mal beantworten werde“, erkläre er mir mit einem wütenden Gesichtsausdruck. Diese Wut galt nicht mir, dem war ich mir sicher. Ich nickte ihm zustimmend zu. Auf diese Erklärung war ich mehr als gespannt. Im Westen Ich verbrachte den ganzen Nachmittag in meinem Arbeitszimmer und arbeitete verschiedene Dokumente über die feindlichen Ländereien durch. Ich hatte unseren Botschafter schon immer befohlen ihre Augen und Ohren, während ihren Reisen durch die verschiedenen Länder, offen zu halten und mir nach ihrer Rückkehr einen Bericht vorzulegen. Manche würden dies als Paranoia bezeichnen, ich bezeichnete es als Vorsichtsmaßnahme. Was mich am meisten störte war, dass aus dem Norden die wenigsten Informationen durchdrangen. Yomi hielt wirklich alles unter Verschluss, er traute niemanden, der nicht aus seinem eigenen Reich stammte. Dieser misstrauische Bastard. Ich erhoffte mir von Amelia natürlich auch nützliche Informationen, die ich, für den Fall eines Versagens ihrerseits, gegen den Norden verwenden könnte. Was mir bei meinen Recherchen ebenfalls negativ aufstieß, war die Tatsache, dass Myung ungewöhnlich oft im Süden gesichtet wurde. Mir war durchaus bekannt, dass sie oft mit ihrem Vater reiste und leider wurde aus den Unterlagen nicht ersichtlich, ob sie alleine dort unterwegs war oder in Begleitung ihres Vaters. Ich hatte Wohl oder Übel einiges mit dieser Frau zu besprechen. Fakt war auch, dass sie von vornerein über Amelias Identität Bescheid wusste und das war mir ebenfalls auch noch ein Rätsel. An diesem Abend forderte meine Mutter, die Fürstin, meine Anwesenheit beim Abendessen in ihren Räumlichkeiten. Ich konnte mir ihren Grund hierfür gut vorstellen und mich langweilte die aufkommende Diskussion bereits jetzt schon. Wir waren an diesem Abend lediglich zu zweit, kein weiterer Diplomat wohnte dem Essen bei. Serena saß bereits auf ihrem Platz, als ich den Raum betrat. Zornig schaute sie auf mich, als ich mich ihr gegenüber niederließ. Sie hatte den Raum, so wie alles andere vom Schloss, modernisieren lassen und ich verabscheute es. Noch ein Grund warum ich nur in den dringlichsten Angelegenheiten mich in ihren Räumen aufhielt. Angewidert erwiderte ich ihren forschen Blick. Ihr war mehr als deutlich anzusehen, wie ihr mein Handeln bezüglich Amelia missfiel. Was für eine erbärmliche Angewohnheit, sie war so offensichtlich zu deuten. Noch ein Grund sie nicht in all meine Pläne einzuweihen. Ich ignorierte sie und widmete mich stattdessen meinem Essen. Durch meine Gleichgültigkeit, die ich ihr entgegen brachte, riss ihr Geduldsfaden, der lächerlich dünn war. „Mir missfällt deine Vorgehensweise, Sesshomaru“, eröffnete sie die zwecklose Diskussion. Ich ließ von meinem Essen ab, lehnte mich in den Ledersessel zurück und musterte meine Mutter gelangweilt. Der Vollmond schien durch die bodentiefe Fensterreihe und erleuchtete die Fürstin vor mir aus dem Hintergrund. Serena ballte ihre Hände zu Fäusten, so dass ich ihre weißen Knöchel deutlich erkennen konnte und ihr Gesicht war aufs Berste angespannt. „Mir scheint, dass du vergisst, dass ich die Herrscherin über den Westen bin“, stieß sie zwischen ihren gefletschten Zähnen hervor. Dieser Aussage konnte ich nur ein abfälliges Grinsen widmen. „Wir wissen beide, dass ich nach Vaters Tod besser seinen Platz eingenommen hätte“, erwiderte ich barsch. Die Fürstin erhob sich blitzschnell und schlug mit ihren Fäusten auf den Tisch. Sollte mich diese Reaktion einschüchtern? Belustigt zog ich meine Augenbraue nach oben und hörte mir weiter ihren Wutausbruch an: „Ich bin die Fürstin des Westens und ich gebe dir die Befehle, nicht anders herum“, schrie sie aufgebracht. „Und wenn du planst unseren Trumpf wegzuschicken, um ein Friedensabkommen zu brechen, dann will ich darüber vorher in Kenntnis gesetzt werden. Haben wir uns verstanden?!“ Serena hatte wirklich keinerlei Selbstbeherrschung. In dieser Eigenschaft ähnelte sie mehr einem Menschen als einem Dämon. Ich ignorierte ihre glühenden Augen und hielt ihrem starren Blick stand. Meine Zeit würde noch früh genug kommen. „Ich werde mir deine Bitte zu Herzen nehmen“, beantwortete ich ihre Frage ironisch. „Das war keine Bitte, sondern ein Befehl“, knurrte sie mich an. Nach diesem Ausbruch setzte sie sich wieder hin und widmete sich wieder ihrem Essen. Sie hatte sich wieder gefangen… „Erläutere mir deinen Plan.“ …und sie war mehr als interessiert an meiner Vorgehensweise. Ich schmunzelte Serena gehässig an, während ich mir ein Stück Fleisch in den Mund schob und genüsslich zerkaute, mein Blick immer auf sie gerichtet. Ich reizte sie hiermit bis auf Blut und ich hatte durchaus meinen Spaß hieran. „Amelia wird Yomi töten“, ließ ich sie kurz und knapp wissen. Genervt rollte sie ihre Augen und funkelte mich dann wieder hasserfüllt an. „Und wie soll sie das anstellen`“ „Das ist doch irrelevant, dich interessiert doch vor allem das Warum“, durchschaute ich sie. Die Fürstin zog ihre Augenbrauen kritisch zusammen und nickte mir zu, um mir zu signalisieren fortzufahren. „Ich traue ihm nicht, so einfach ist das.“ Fragend blickte sie mich an. Natürlich verstand sie meine Bedenken nicht. Sie interessierte nie was in den anderen Ländern geschah, wenn keine offensichtliche Bedrohung gegen den Westen bekannt war. Das war der Unterschied zwischen uns – Ich kümmerte mich bereits vor einem potentiellen Angriff um unsere Feinde. „Betrachte es von der Seite, wir wollen die alleinige Herrschaft. Ist Amelia erfolgreich, haben wir einen Herrscher bereits weniger, der uns im Weg steht.“ Serena schien weiterhin misstrauisch gegenüber dieser Ausführung zu sein, aber das tat nun nichts zur Sache. Sie würde meine Beweggründe noch früh genug nachvollziehen und mir danken. „Ich werde übrigens Rin ebenfalls in den Norden schicken, sie wird Amelia Instruktionen übermitteln. Du wolltest ja über alle Schritte informiert werden“, ließ ich sie beiläufig wissen. Serena winkte bei dieser Nachricht gelangweilt ab. „Soll mir nur recht sein. Rin ist dein Spielzeug, mach mit ihr was du beliebst.“ Ich grinste hämisch. Menschen waren in ihren Serenas Augen Unnütz, womit ich ihr prinzipiell recht gab. Das Menschenmädchen, das ich einst von den Toden zurückholte, war jedoch auf irgendeine Art und Weise eine Ausnahme. Ich brachte unsere gezwungene Zweisamkeit hinter mich und verschwand bei der erst besten Gelegenheit. Es war schon recht spät und mein Bedarf an arroganten und herrschsüchtigen Frauen war gedeckt, also beschloss ich mich um Myung morgen zu kümmern. Die Bedenken, die ich ihretwegen hatte, würden am nächsten Tag noch bestehen und wahrscheinlich, so wie ich dieses Miststück einschätzte, auch noch viel länger – länger als mir lieb war. Wie Recht ich doch behalten sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)