Zwischen den Welten von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 21: Erkenntnisse ------------------------ 21. Erkenntnisse Ich beobachtete das Szenario, das mir geboten wurde, zum Bersten angespannt. Was der Heiler mit diesem Vorgehen bezweckte war mir bekannt, hatte diese Prozedur jedoch nie zuvor miterlebt. Er war gerade dabei sein Yoki – seine dämonische Energie – in Amelia fließen zu lassen. Rin schien diesen Anblick am meisten zu schockieren. Sie wich ein, zwei Schritte zurück und hielt ihr Hände vor den Mund, so als hätte sie Angst auch nur einen Laut von sich zu geben. Ich konzentrierte mich vor allem auf Amelias Herzschlag, der unmenschlich schnell zu schlagen begann. Das Yoki sollte ihr die Fähigkeit geben ihre Verletzungen von innen heraus zu heilen. Hoshi hatte sowas ähnliches bereits bei ihr durchgeführt, kurz vor dem Treffen mit den Fürsten. Hier war die Dosis des Yokis jedoch viel geringer und wurde auch nicht direkt in ihre Hauptschlagader eingeflößt. Hoshis Gesichtszüge hatten sich wieder normalisiert, betrachtete kritisch die Frau, die zitternd vor ihm lag. Amelias Gesicht war angespannt und vor Schmerzen völlig verzerrt. Aber das war ein gutes Zeichen – sie lebte und ihr Körper fing an sich zu heilen. Ich atmete kaum merklich aus. Das war knapp gewesen. Wäre sie an ihren Verletzungen gestorben, dann wäre unser Vorhaben dahin gewesen. Den Gedanken, dass mich ihr Überleben noch aus einem anderen Grund erleichterte, schob ich schnell beiseite. „Und?“ Ryura trat jetzt nun etwas näher an Amelias Bett heran. Den besorgten Blick, den er im vorbei gehen Rin zugeworfen hatte, entging mir nicht. Der alte Mann, fing auf Ryuras Frage hin an, Amelia wieder zu untersuchen. Dass er nicht unmittelbar auf die Frage reagierte, machte mich ungewollt nervös. „Antworte!“, bluffte ich den Heiler an. „Der Prozess in ihrem Körper hat begonnen nachdem mein Yoki ihre Blutlaufbahn durchlaufen hatte. Mehr kann ich jetzt erstmal nicht tun.“ Hoshi machte eine übertrieben lange Pause, bevor er sein Wort wieder an mich richtete: „Ich kann Euch nicht versprechen, dass es funktionieren wird. Ich vollziehe diese radikale Methode das erste Mal an einem Menschen.“ Ich schnaubte verächtlich und wandte mich kurz ab. Seine Zweifel und Bedenken wollte ich nicht hören. „Sie ist stark, sie wird das schaffen“, sprach Ryura beruhigend mit fester Stimme aus. Diese Worte waren vor allem für Rin vorgesehen, die verzweifelt versuchte ihre Tränen zurück zu halten. Sie saß mittlerweile wieder auf dem Bett, neben Amelia, und hielt ihre Hand. Ich schaute aus dem Fenster und versuchte mich von dem Schlachtfeld in diesem Zimmer abzuwenden. Nur im Hintergrund bekam ich mit, wie sich Ryura und Hoshi sich über den Kampf unterhielten. Meine Aufmerksamkeit galt wieder einmal Amelias Herzschlag, der sich langsam wieder zu normalisieren schien. Budum budum… „Sie hat unnormal viele Schläge einstecken können“, stellte Ryura fest. Der Heiler reagierte auf Ryuras Feststellung gewohnt rational: „Sie hat aber trotzdem immer wieder Yomi attackieren können. Vielleicht waren seine Schläge anfangs nicht so hart, wie du glaubst.“ Das klang logisch. Budum budum… „Nein. Ich kenne Yomis Art zu kämpfen. Er ist genauso vorgegangen wie ich es erwartet und Amelia gelehrt hatte. Der Kampf hätte schon viel früher zu Ende gehen müssen. Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht.“ Ryura war genervt, das konnte ich ganz deutlich aus seiner Stimme heraushören. Ich kannte meinen Stellvertreter bereits seit mehreren hunderten Jahren und konnte daher genau sagen, dass es ihn wahnsinnig machte, nicht zu wissen was genau während des Kampfes geschehen ist. Auch mich nervte diese Tatsache. Mir passte es gar nicht, dass etwas hinter unserem Rücken im Gange war. Budum budum… „Vielleicht hat Lady Myung etwas damit zu tun? Ich habe beide gestern zusammen im Schlossgarten gesehen“, mischte sich Rin vorsichtig ein. Im Augenwinkel sah ich, wie sie Amelia das trockene Blut aus dem Gesicht und Händen mit einem Lappen behutsam entfernte. Dass sie den Namen der Hexe aussprach, ließ mich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch richten. „Was sollte sie denn damit zu tun haben?“ Ryura verschränkte sein Arme und schaute mich fragend an. Ich konnte mir auch nicht wirklich Reim daraus machen. Wie ich es hasste, im Dunkeln zu tippen. „Die Frage ist doch, was genau könnte Amelia genommen haben, das solch eine Wirkung hervorruft?“ Diese elementare Frage richtete ich an Hoshi. Der alte Mann stand mittlerweile unbeteiligt an der Balkontür und ließ Rin ihre Arbeit verrichten. Er schien zu überlegen. „Es müsste irgendetwas sein, was Amelia keine Schmerzen spüren ließ. Das würde letztendlich alles erklären. Aber ich wüsste nicht, welches Mittel so etwas bewirken könnte. Das grenzt an Zauberei“, stellte er resigniert fest. Diese Diskussion war sinnlos. Es war egal welche Art von Mittel Amelia zu sich genommen hatte. Wie war sie an dieses gekommen? Eine enorme Wut kochte in mir hoch. Derjenige, der hiermit etwas zu tun hatte, wusste auch über Amelias wahre Identität Bescheid und diese Tatsache gefiel mir ganz und gar nicht. Sollte Myung doch etwas damit zu tun haben, dann würde ich es in Erfahrung bringen. „Wird sie für heute Abend zum Fest wieder fit sein?“ Ich zeigte auf Amelia und erwartete eine zügige Antwort von Hoshi. Dieser riss seine Augen ungläubig auf. „Mein Herr, das kann ich Euch nicht garantieren. Auch wenn sie sich durch mein Yoki von ihren lebensgefährlichen Verletzungen erholt, kann ich Euch nicht zusagen, dass sie heute noch ihr Bewusstsein wieder erlangen wird.“ „Dann stell sicher, dass das der Fall sein wird. Sobald das Yoki sie vollständig geheilt hat, lass sie erwachen!“ „Sie braucht Erholung“, wandte Rin entsetzt ein. Ein Knurren entfuhr meine Kehle und wies sie damit an, sich aus dieser Angelegenheit raus zu halten. Ich blickte erwartungsvoll auf Hoshi und verlangte wortlos eine Bestätigung meines Auftrages. Der Heiler nickte mir einmal zu. In seiner Miene konnte ich sehen, dass er mit diesem Vorgehen nicht einverstanden war. Dies wiederum interessierte mich nicht im Geringsten - Amelia hatte irgendwie heute Abend auf dem Fest zu erscheinen. Ich ließ alle im Zimmer zurück und ging zielstrebig auf Myungs Gemächer zu. Ohne anzuklopfen betrat ich ihr Zimmer. Mehrere Diener waren gerade dabei, sie für die Festlichkeiten heute Abend zurecht zu machen. Als sie mich wahrnahmen, ließen sie von ihrer Arbeit ab, traten ehrfürchtig einen Schritt zurück und verbeugten sich vor mir. Ich beachtete sie kaum, hatte nur die Frau vor mir, lediglich in Unterwäsche bekleidet, im Fokus. „Lasst uns allein“, wies ich ihre Diener an und sie gehorchten. Myung grinste mich nach meinen Worten verführerisch an. Bedrohlich kam ich auf sie zu, blieb vor ihr stehen und schaute sie herablassend an. Sie saß auf einem Sessel, hatte ihre Beine überkreuzt und spielte mit einer Strähne ihres braunen Haares. Als ich vor ihr zum Stehen kam, erhob sie sich anmutig. Sie war ein wenig kleiner als ich, so musste sie einen Schritt zurückgehen, um mir in die Augen schauen zu können. „Wie kann ich Euch helfen, Sesshomaru?“, erkundigte sie sich schmunzelnd und fuhr mir mit ihren langen, schmalen Fingern den Arm entlang. Wenn sie dachte, dass ich sie hier jetzt nehmen würde, lag sie falsch. Sie schuldete mir Antworten. Ich ignorierte ihre Berührung und hielt ihrem Blick stand. „Was hattet Ihr gestern mit Amelia zu besprechen“, erkundigte ich mich gerade heraus. Ein leises Lachen entwich ihrer Kehle. Myung ging um mich herum und berührte mich dabei weiterhin mit ihren Fingern. Genervt griff ich nach ihrem Handgelenk, sodass sie inne hielt und zog sie näher an mich heran. „Keine Spielchen“, knurrte ich sie an. „Nicht?“ Myung zog spielerisch ihre Augenbraue nach oben und leckte mit ihrer Zunge über ihre Lippen. Ich hatte immer gerne ihre Gesellschaft gesucht, auch wenn ich diese Frau zum Bersten nicht ausstehen konnte. Ihr würde ich die hinterhältigsten Dinge zutrauen. Vor Monaten hätte es meine ganze Willenskraft benötigt, um ihr zu wiederstehen, heute war es jedoch ein Kinderspiel. „Antworte“, fuhr ich sie an, anstatt auf ihre Verführungsversuche einzugehen. Myung zog kurz verwundert ihre Augenbrauen zusammen, hatte sich jedoch schnell wieder gefangen und trat von mir zurück. Dabei befreite sie sich von meinem Griff an ihrem Handgelenk. Nun hatte sie ihren selbstbewussten, agroganten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „War es mir nicht erlaubt mit deiner Spielgefährtin zu sprechen?“, erkundigte sie sich genervt. Ich funkelte sie böse an. Sie wusste genau, dass ich von ihr wissen wollte. Sie seufzte theatralisch, zuckte mit ihren Schultern und griff nach ihrem Umhang, um ihre Blöße zu verdecken. „Ich habe Euch einen Gefallen getan. Sie hätte gegen Yomi ohne das Mittel keine fünf Minuten durchgehalten“, begründete sie sachlich. Sie hatte also wirklich was damit zu tun. Ich musste mich beherrschen, ihr nicht an die Gurgel zu springen. Sie schien meine Gefühlsregung bemerkt zu haben, erklärte sich weiter: „Mit dem Mittel, das ich ihr gegeben habe, hatte sie eine geringe Chance gehabt bei den Fürsten Eindruck zu schinden. Ihr wolltet sie doch davon überzeugen, dass sie die Auserwählte ist.“ Myung schaute mich vorwurfsvoll an. Ich hatte keine Ahnung, woher sie von Amelias wahren Identität wusste, dem müsste ich dringend noch nachgehen. Aber das nahm ich mir für einen späteren Zeitpunkt vor. „Ihr hättet sie damit aber auch umbringen können und dann hätten wir unseren Trumpf verloren“, entgegnete ich ihr stattdessen scharf. Die verräterische Frau vor mir schnaubte verächtlich. „Wäre sie nicht auch tot gewesen und der Trumpf dahin, wenn sie während dem Kampf aufgeflogen wäre?!“ Tief im Inneren wusste ich, dass Myung Recht hatte, aber diese Genugtuung würde ich ihr niemals zuteil kommen lassen. „Solche Vorgehensweisen werden fortan stets mit mir abgesprochen, habt ihr mich verstanden?“, keifte ich sie herrisch an, sodass sie vor mir zurück wich. Genau solch eine Reaktion hatte ich von ihr erwatet. Sie musste wissen, wo ihr Platz war und wem sie Respekt zu zollen hatte. Mit meinen letzten Worten wandte ich mich von ihr ab, hatte ihr nicht mehr zu sagen. Sie hingegen schon: „Sesshomaru, hegt ihr etwa Gefühle für einen Menschen?“, säuselte sie. Kurz blickte ich über die Schulter zu ihr und verließ dann ihr Zimmer. Hierauf würde sie keine Antwort bekommen und das wusste sie auch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)