In the spider's web von Mizuki18 ================================================================================ Kapitel 25: In the streets of London ------------------------------------ Ich lag die ganze Nacht wach und starrte aus dem Fenster. Dass ich nicht schlafen konnte, lag zum einen daran, dass ich dabei zugesehen hatte, wie eine Frau bei lebendigem Leib verbrannt war und zum anderen war es Claude’s Schuld, denn der hockte die ganze Zeit neben meinem Bett und starrte mich an. Was nicht gerade förderlich ist, wenn man versucht Ruhe zu finden. Allerdings sagte ich auch nicht, dass es mich störte, wenn er mich ohne Pause mit seinen bernsteinfarbenen Augen fixierte. Er hätte es ja sowieso nicht gelassen und behauptet, dass er auf mich aufpassen müsse, damit ich nicht aus Versehen aus dem Fenster fiel oder so ein Blödsinn. Tatsache war, dass Claude einfach nur den gruseligsten Stalker der Welt mimte und zwar nicht, weil er sich Sorgen um mich machte oder dergleichen. Nein, er war einfach nur ein Teufel, der wusste wie unangenehm es war, wenn er mich beobachtete und der dabei wahrscheinlich einfach nur seinen dämonischen Neigungen nachging. „Wie lange willst du noch aus dem Fenster schauen, kleiner Schmetterling?“ Ich zuckte nicht einmal zusammen. „So lange, bis die Sonne aufgeht.“ Stille. „Wie lange bleiben wir noch in London?“ „Bis die Sonne wieder untergeht.“, antwortete Claude und ich verdrehte die Augen. Das machte er doch auf alle Fälle mit Absicht. „Na schön, vermutlich wirst du mir nicht sagen was du noch zu tun hast, daher...sollte es dich doch nicht stören, wenn ich London allein ein wenig erkunde oder?“ Ich setzte mich auf und schaute über meine Schulter zu Claude, der auf einem Hocker neben dem Bett saß und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Das geht leider nicht.“ Ich presste die Lippen aufeinander. „Warum geht es nicht?“ „Weil du dir die Flügel verletzen könntest, wenn du allein durch die Gegend fliegst, kleiner Schmetterling.“, sagte Claude und obwohl er seine bescheuerte Schmetterlingsmetapher benutzte, wirte er vollkommen ernst. „Du kannst unmöglich von mir erwarten, dass ich die ganze Zeit in diesem Zimmer hocke.“, erwiderte ich. „Wenn dir etwas zustößt, wird das den jungen Herrn erzürnen und das sollte unbedingt vermieden werden.“, entgegnete Claude. „Aha, es geht dir also nicht wirklich um meine Unversehrtheit.“, stellte ich fest, obwohl das total unnötig war, weil sowohl Claude, als auch ist wussten, dass es eine Tatsache war. „Wie dem auch sei, meinetwegen kannst du dieses Zimmer verlassen. Aber nicht weiter als ein paar Straßen, verstanden?“ Claude schaute mich an, wie es wohl ein strenges Elternteil getan hätte, das seinem Kind einbläuen wollte, wann es wieder Zuhause zu sein hatte. „Na schön, ich werde dir schon nicht verloren gehen.“, murmelte ich und wandte den Blick ab. Diese leidigen Diskussionen mit Claude waren wirklich extrem ermüdend. „Gut, ich habe zu tun. Wenn du mich nun bitte entschuldigst.“ Claude erhob sich und ging zur Tür. „Hey, du hast was vergessen...Teufel.“, sagte ich. Claude blieb stehen. „Geh nach unten und frag nach etwas zu essen. Du wirst es bekommen.“ Und mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Das würde ein sehr langer Aufenthalt werden. Ich fuhr mir durch die Haare und überlegte sie zusammen zu binden, ließ es dann aber doch bleiben. Dass ich tat, weil Alois vor geraumer Zeit einmal gesagt hatte ich sähe schöner aus, wenn ich meine Haare offen trug, ignorierte ich. Wenn ich jetzt anfing an Alois zu denken, würde das Claude’s Gegenwart nur noch unerträglicher machen. Ich stand auf, warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster und verließ das Zimmer. Unten am Tresen brauchte ich nicht einmal den Mund aufzumachen und schon schob mich der Mann in die kleine, verwinkelte Küche, wo ich etwas zu essen bekam. Vermutlich hatte Claude irgendetwas damit zu tun und noch wahrscheinlicher war, dass er dem armen Mann irgendwas Schreckliches angedroht hatte, sonst wäre der jetzt nicht so freundlich mir gegenüber. Nachdem ich das, zugegeben sehr peinliche, Frühstück hinter mich gebracht hatte, ging ich hinaus auf die Straße, wo der morgendliche Trubel bereits in vollem Gange war. Pferdekutschen ratterten über die gepflasterten Straßen, Menschen schoben sich durch enge Gassen, die kleinen Glöckchen an den Türen sämtlicher Geschäfte klingelte unablässig. Es war laut und undurchsichtig und fast ein bisschen zu viel für mich. Ich hatte die letzten Jahre stets hinter verschlossenen Türen verbracht und jetzt wieder mitten in dieser lebenden und atmenden Stadt zu stehen...es fühlte sich ein bisschen an wie Freiheit. Obwohl das natürlich eine Illusion war, denn ich war nicht frei und würde es auch niemals sein. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich mich mit meinem derzeitigen Gefängnis abgefunden und sogar angefangen hatte es auf eine verdrehte Art und Weise zu mögen. „Ey, steh hier nicht so rum, kleine Göre!“, pöbelte mich plötzlich jemand von der Seite an, doch ich nahm es kaum wahr und es kümmerte mich auch nicht. Ich wandte der Person den Rücken zu und ging den gleichen Weg, den ich gestern Abend gegangen war. An der Stelle, an der die bedauernswerte Frau in Flammen aufgegangen war, tummelte sich nun erneut eine Menschenmenge. Diesmal war sie jedoch viel größer und offenbar war die Polizei ebenfalls vor Ort. Beinahe unbemerkt drängelte ich mich zwischen den Leuten hindurch, bis ich ganz vorne stand und von einem Polizisten zurückgehalten wurde. Dennoch konnte ich die angesengte Hauswand sehen, die das einzige Indiz an diesem Tatort zu sein schien. „Haben die Leute recht, die sagen, dass sich die Opfer betrunken angezündet haben?“ Die Worte stammten von einem Mann in einem grauen Mantel und rotbraunem Haar, der mir den Rücken zugewandt hatte. „Achten sie nicht auf dummes Geschwätz! Suchen sie Beweise!“, kam es forsch von dem Mann, der neben ihm stand. Vermutlich sein Vorgesetzter, denn er trug einen dieser hässlichen Zylinder und hatte sein ergrautes Haar mit einer Burgunder farbenen Schleife zusammengebunden. „Ja Sir, verlasst euch auf mich!“ Der Rotschopf salutierte, als wäre das hier nicht Scotland Yard, sondern die Armee und machte auf dem Absatz kehrt. Einige Polizisten folgten ihm. Kaum waren sie fort, kniete sich der Mann wieder hin. Als ob ihm das Betrachten der von der Asche geschwärzten Hauswand irgendwie weiterhelfen würde. „Ihr scheint nicht so recht weiterzukommen, Sir Randall.“, ertönte es plötzlich direkt neben mir und ich drehte den Kopf. Ein Schock durchfuhr mich, als ich erkannte zu wem die Stimme gehörte. „Ciel Phantomhive.“ Diese Feststellung stammte nicht von mir, sondern von Sir Randall, doch das änderte nichts an der unumstößlichen Wahrheit. Kaum einen Meter von mir entfernt, stand der Earl Phantomhive, den ich das letzte Mal bewusstlos in einem Koffer hatte liegen sehen. Und er war nicht allein, sondern in Begleitung seines dämonischen Butlers. Ich traute mich nicht zu Sebastian hochzuschauen, denn im Gegensatz zu Ciel kannte er mein Gesicht und wusste wer ich war. Und um ehrlich zu sein, wollte ich lieber nicht von ihm erkannt werden. „Wie ist der augenblickliche Stand der Ermittlungen?“ Ciel hielt einen versiegelten Briefumschlag hoch. Ich wusste was das war. Ein Schreiben der Königin. Genau so einen Brief hatte ich auch in Alois‘ Arbeitszimmer entdeckt. Sir Randall richtete sich auf und seufzte. „Wir haben noch keine Fortschritte gemacht.“ Ciel schüttelte kaum merklich den Kopf. „Gibt es Unterschiede zu Fällen aus der Vergangenheit?“ Sowohl Sir Randall, als ich stutzten. Vergangenheit? „Es hat doch früher schon einmal ähnliche Fälle, wie diese gegeben. Hab ich recht?“, fragte Ciel und ich sah wie er triumphierend lächelte. Sir Randall wandte den Blick ab. „Ihr wisst also davon.“ „Vorher war es nur eine Vermutung, jetzt bin ich sicher.“, sagte Ciel und der überraschte und zugleich wütende Gesichtsausdruck von Sir Randall, brachte mich zum Schmunzeln. „Ich möchte mir die Berichte von damals ansehen.“ Ciel stemmte die Hände leicht in die Hüfte. „Hm, es ist nichts mehr vorhanden.“, erwiderte Sir Randall. „Wie bitte?“, fragte Ciel. „Und selbst wenn es noch Unterlagen geben würde, dürfte ich sie Euch nicht zeigen.“, antwortete Sir Randall und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was Ursache, Täter und Bezug zu damaligen Fällen betrifft, werden wir, Scotland Yard, die Ermittlungen übernehmen. Für Euch gibt es nichts zu tun.“ „Huh, das würde mich wundern.“, lächelte Ciel. „Wurden alle Zeugen befragt, die letzte Nacht hier waren?“ Sir Randall nickte. „Ja, alles protokolliert. Obwohl einige angaben sie hätten ein junges Mädchen gesehen, das aufgetaucht und dann sofort wieder verschwunden wäre.“ Ich zuckte zusammen. Verdammt. „Eine Zeugin fehlt also. Und ihr habt sie nicht finden können?“, hakte Ciel nach. Sir Randall knirschte mit den Zähnen. „Nein, wir haben keinerlei Angaben über sie.“ Oh Gott, ich sollte hier so schnell wie möglich verschwinden. Scotland Yard war kein Problem. Diese unfähigen Dilettanten kannten weder mein Gesicht, noch meinen Namen. Aber für den Wachhund der Königin, der einen Dämon befehligte, war es sicher ein leichtes mich ausfindig zu machen. Vorsichtig machte ich einen Schritt nach hinten und stieß glücklicherweise mit niemandem zusammen. Sebastian, der nach wie vor neben seinem jungen Herrn stand, würdigte mich keines Blickes. So unauffällig wie möglich, drehte ich mich um und entfernte mich langsam vom Tatort. Tatsächlich rechnete ich damit, dass sich jeden Moment eine Hand auf meine Schulter legen und mich festhalten würde, doch das geschah nicht. Niemand hielt mich auf und als ich um die nächste Ecke bog, lehnte ich mich erleichtert gegen die Wand eines Backsteinhauses. Hoffentlich stempelte Ciel mich als einen unwichtigen Teil dieser Ermittlungen ab und befahl Sebastian nicht mich zu suchen. Dann hätte ich nicht nur ziemlich große Probleme mit einem Adligen, der Aufträge der Königin höchst selbst erledigte, nein ich hätte auch noch einen zweiten Dämon am Hals und Claude würde es bestimmt überhaupt nicht gutheißen, wenn ich jetzt auch noch in polizeiliche Ermittlungen verwickelt werden würde. Ich fuhr mir seufzend durch die Haare. Meine verdammte Neugier würde mich nochmal ins Grab bringen. Aber egal, jetzt war es sowieso zu spät. Ich schaute mich um. Zurück in diese widerliche Absteige wollte ich nicht. Dort würde sich im Endeffekt doch nur dieser alte Zausel an mir vergreifen. Doch ich wollte auch nicht wieder am Tatort vorbeimüssen, denn die Gefahr, dass mich dort irgendwer erkannte, war zwar verschwindend gering, aber dennoch vorhanden. Also was jetzt? Was konnte ich tun, in einer Stadt, die eigentlich nur ein Rattenloch voller Mörder und Verrückter war? Ich überlegte kurz, dann hielt ich die nächstbeste Person an, die an mir vorbeilief. „Entschuldigen sie Sir, wie komme ich zum Friedhof?“ „Zum Friedhof?“ Ich erschauderte. Die Stimme klang ein wenig so, als würde man mit einer Gabel über einen Teller kratzen. Ohne aufzuschauen, nickte ich. „Aber du bist doch noch gar nicht tot. Oder wärst du es gerne?“ Was war das denn für ein Typ? „K-Können sie mir nicht einfach sagen wie ich zum Friedhof komme?“, wollte ich wissen. „Am schnellsten in einem Sarg, meine Liebe.“, antwortete mir die Stimme und ich schaute nun doch auf. Mein Gegenüber war mindestens zwei Köpfe größer, als ich und sah äußerst...absonderlich aus. Es war ein Mann mit langen, grauen Haaren, die ebenfalls sein Gesicht bedeckte. Trotzdem war deutlich zu erkennen, dass sich eine markante Narbe quer darüber zog. Es war ganz in schwarz gehüllt und irgendwie erweckte es den Anschein, als würde ich gerade mit dem Tod in Person sprechen. „Ich ähm...ich würde aber lieber lebend dort ankommen.“, sagte ich. „Auf dem Friedhof wandeln aber nur die Toten, mein Kind.“ Der Fremde beugte sich zu mir herunter und umfasste mit einer Hand mein Kinn. Himmel, was waren das für lange Fingernägel? „Ich bin auch lieber in Gesellschaft der Toten.“, erwiderte ich. „Reizend, ich empfinde das Schweigen eines Grabes auch als sehr angenehm.“, lachte der Mann. „Zum Friedhof geht es dort entlang.“ Er nickte in die Richtung, aus der er wahrscheinlich gekommen war. „D-Danke...“, sagte ich und befreite mich aus seinem Griff. „Solltest du doch noch Interesse daran haben dich zur ewigen Ruhe zu betten, stehe ich gerne zur Verfügung.“, lächelte der Mann und winkte mir grinsend, eher er davonging. Ich schüttelte den Kopf. London, ein Sammelsurium von Verrückten und Mördern. Genau wie ich es gesagt hatte. Ich drehte mich um und hielt den Blick gesengt. Das Kopfsteinpflaster war mehr als genug für mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)