Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 88: Einen Schritt des Kennenlernens ------------------------------------------- Auf dem Weg zur Villa gehen mir die Bilder von gestern noch einmal durch den Kopf. Wie Kaiba so schwach und hilflos wirkte. Die Tränen, die er vergossen hat. Die Narben auf seinem Rücken. Scheiße! Ja, dank Mokuba und dem Aufschreien in der Weihnachtsnacht war mir schon klar, dass seine Kindheit nicht die rosigste gewesen war, aber diese Narben... mit wie viel Gewalt und Gnadenlosigkeit muss man auf jemand einprügeln, dass dieser solche Narben zurück behält? Das Kaiba eine Maske trägt, hinter der er sich versteckt war uns allen klar. Aber zu sehen, wie er hinter dieser Maske wirklich ist - schwach, verletzt und völlig verängstigt - hätte ich niemals erwartet. Hätte mir Jou das erzählt, ich hätte es ihm nicht geglaubt. Der große Kaiba Seto ist nur eine Illusion. Eine Rolle, die gespielt wird. Sein wahres Selbst ist so völlig anders. Ich gehe den Kiesweg zum Haus langsam hoch. Die dicken, grauen Wolken fangen gerade an ihre Schleusen zu öffnen und ich bin recht froh das Vordach zu erreichen. Kaum bin ich die paar flachen Stufen zur Haustür hochgestiegen gießt es wie aus Kübeln. Ich klingel und erwarte eigentlich, dass das Hausmädchen mir öffnet, doch stattdessen blicken mich plötzlich grau-blaue Augen an. Mokuba begrüßt mich recht gedämpft. Der Kleine ist völlig am Boden zerstört und ich streich ihm eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und lächle ihn an, während ich rein komme. Ich frag ihn, wie es seinem Bruder geht. Er schaut mich mit seinen großen Augen überrascht an. Dann lässt er seinen Kopf hängen. Nachdem ich meine Schuhe ausgezogen habe führt er mich nach oben und den Gang zu unserer linken entlang. Schließlich kommen wir am Ende an die Tür, die zu Jous und Kaibas Zimmer führt. Die erste Tür öffnet Mokuba ohne Klopfen. Kaum sind wir im Durchgangszimmer hör ich auch schon Jous Stimme, wie sie beruhigend auf jemand einredet, während jemand anderes immer wieder murmelt, dass er nicht will. Ist das Kaiba? Kann das wirklich der sonst so selbstbewusste und mächtige Kaiba Seto sein, der da wimmert? Mokuba klopft an die zweite Tür und wartet ab. Er blickt zu mir auf und ich leg ihm nur eine Hand auf die Schulter. Er lächelt dankbar. Dann hören wir ein 'Herein' und Mokuba öffnet zaghaft die Tür zum Zimmer der beiden. Langsam schiebt er sich durch den Spalt und ich folge ihm. Scheiße! Jou sieht erbärmlich aus. Ist blass und abgespannt. Scheint seit Tagen nicht mehr geschlafen zu haben, wenn ich mir seine Ringe unter den Augen anschaue. Ich geh zu ihm und umarme ihn kurz, während Kaiba sich in seinem Bett im Halbschlaf hin und her wälzt. Er scheint zu träumen. Ich kann nicht sagen, ob die Schweißperlen auf seiner Stirn durch das Fieber oder durch den Albtraum, den er scheinbar gerade erlebt, kommen. Vorsichtig streck ich meine Hand aus und möchte nach seiner Stirn fühlen, doch Jou hält mich auf. Fragend blick ich ihn an. Er schüttelt den Kopf. Anfassen ist keine gute Idee, wenn sein Drachen – er nennt Kaiba wirklich 'Drache', wie süß – schläft und träumt. Besorgt frage ich meinen besten Freund, wann er das letzte Mal geschlafen hat. Von ihm kommt nur ein nichtssagendes 'Ist schon eine Weile her'. Ich schüttle ungläubig meinen Kopf. Er kann 'seinem' Drachen nicht helfen, wenn er selbst völlig übermüdet und kurz vor dem Zusammenklappen steht. Jou begehrt auf. Er kann seinen Drachen – ich schmunzle ein weiteres Mal – nicht alleine lassen. Wenn er träumt, dann wacht er auch mit einem Schrecken auf und dann muss jemand da sein, der ihn auffängt und ihm den Halt gibt, den er braucht. Jemand, der weiß, wann er warten muss und wann er aktiv werden muss. Was geht hier eigentlich ab? Da fragt mich Jou, ob ich mich noch an meine Frage am See erinnere, als wir am Weihnachtstag Schlittschuhfahren waren. Ich muss kurz überlegen. Dann erinnere ich mich wieder. Jou war mit einem violett farbenden Kiefer zum Frühstück gekommen und ich hab mir Sorgen gemacht. Er hat beteuert, dass Kaiba ihn nicht absichtlich geschlagen hatte, sondern einen Albtraum hatte. Ich hatte ihn gefragt, ob so etwas öfters vor kommt, doch damals hatte Jou mir nicht darauf antworten wollen. Ich nicke also. Dann erklärt mir Jou, dass sein 'Drache' eine schreckliche Kindheit hatte und die Erinnerungen daran ihn immer noch fest im Griff haben. Diese Erinnerungen suchen ihn in schlechten Zeiten fast nächtlich heim und lassen ihn panisch aufschrecken. Manchmal käme es vor, dass Kaiba wach wird, aber denkt er sei noch in seinem Traum. Dann schreit und schlägt er wild um sich, wenn ihm jemand zu nahe kommt. Langsam und zögerlich frage ich Jou, was er mit 'schrecklicher Kindheit' genau meint. Er wendet seinen Blick von mir auf Kaiba und scheint zu überlegen. Da schreckt Kaiba auf einmal auf und schreit. Ich springe vor Schreck fast anderthalb Meter vom Bett weg, während Jou sich vor seinen 'Drachen' kniet und auf ihn einredet. Kaiba ist völlig aufgelöst und Tränen laufen ihm über das Gesicht. Dann beginnt der Brünette zu blinzeln und Jou legt seine Hände vorsichtig an dessen Gesicht. Schließlich lässt sich Kaiba gegen die Brust des Blonden fallen und schluchzt auf. Mir wird klar, dass ich Kaiba kein Stück wirklich kenne. Das, was ich hier beobachte ist so gar nicht mit dem Geschäftsmann vereinbar. Dieser Mensch vor mir ist ein gebrochener, völlig verängstigter Junge und auf einmal spüre ich in mir das Bedürfnis diesen Jungen tröstend in den Arm zu nehmen. Also gehe ich zurück zum Bett und lege meine Hand auf Kaibas… auf Setos Rücken. Dieser schreckt hoch und blickt mich mit seinen blauen Augen völlig verwirrt an, während ihm immer noch Tränen über das Gesicht laufen. Jou flüstert ihm zu, dass alles okay sei. Dass sein 'Drache' mir vertrauen kann. Nur langsam gibt Seto seine Abwehrhaltung auf und schlägt sich eine Hand vors Gesicht. Ich setze mich auf die Bettkante und leg meine Hand in seinen Nacken, bevor ich ihn langsam zu mir ziehe. Was hat man ihm nur angetan? Mokuba kommt auch dazu und umarmt seinen Bruder von der anderen Seite. Dann erschlafft Setos Körper wieder und er versinkt wieder in einem fiebrigen Schlaf. Ganz vorsichtig bette ich ihn wieder in seinen Kissen. Dann meint Mokuba zu Jou, dass er und ich ihn jetzt ablösen und er sich ein paar Stunden aufs Ohr hauen soll. Fragend blickt er mich an und ich nicke nur. Noch einmal blickt er prüfend auf seinen 'Drachen' und mir kommt es so vor, als könnte er sich kaum von ihm lösen. Doch seine Augen sind so schwer, dass seh ich ihm an. Also sag ich ihm, dass er sich ins Nachbarzimmer legen soll. Wenn etwas sei würden wir ihn sofort holen. Er nickt nur müde, beugt sich noch einmal nach vorne und platziert einen Kuss auf Setos Stirn. Dann steht er auf und geht langsam, schlurfend und zögerlich. An der Tür bleibt mein bester Freund noch einmal stehen und blickt zu Seto zurück. Mit einem scharfen 'RAUS JETZT' scheuch ich ihn raus. Es zerreißt mich fast, ihn so fertig zu sehen… noch viel schlimmer ist es Seto so zu sehen. Ich würde gerne sagen, dass ich das ganze cool wegstecke, aber wenn ich ehrlich bin, muss ich eingestehen, dass mir das alles mächtig Angst macht! Wie schafft Jou das nur? Wenn es wirklich Zeiten gibt, in denen Seto jede Nacht solche Träume hat, wo nimmt der Blonde dann die Kraft her das auszuhalten und am Tag dann seinen Alltag zu bewältigen? Es vergeht einige Stunde. Seto wälzt sich unruhig von einer Seite zur andere, murmelt immer wieder, dass er irgendetwas nicht will. Zuckt zusammen, als würde man ihn schlagen. Sein Atem geht schwer und abgehackt. Plötzlich sitzt er aufrecht im Bett. Sein Blick ist merkwürdig fern. Vorsichtig ruf ich seinen Namen. Er reagiert nicht. Schweiß läuft ihm von der Stirn. Er zittert. Sein Mund steht einen Spalt weit auf. Schließlich beginnt er zu blinzeln, schließt seinen Mund und versucht ruhig durch die Nase durch zu atmen. Dann fällt sein glasiger Blick auf mich. Leise fragt er mich, was ich hier tu. Langsam erklär ich ihm, dass ich Jou vertrete. Suchend blickt sich Seto um. Scheinbar realisiert er erst jetzt, dass der Blonde gar nicht da ist. Er spannt sich hektisch an. Dann musterte er mich noch einmal. Er steht noch immer deutlich neben sich. Sein Oberteil klebt regelrecht an ihm. Mokuba sitzt neben ihm und hält ihm die Tabletten hin, die er nehmen soll. Ebenso ein Glas Wasser. Seto blickt erst von Mokuba und den Tabletten weg bevor er resigniert die Medikamente in die eigene Hand nimmt und sie mit zittriger Hand dann nimmt. Mit großem Widerwillen führt er seine Medikamente zum Mund, bevor er sie auf seineZunge legt und mit einem kräftigen Schluck Wasser runterspült. Schau einer an, ganz ohne Kampf. Vorsichtig drückt Mokuba seinen Bruder wieder zurück ins Bett. Hält ihn sanft im Arm. Setos Blick ruht auf mir. Wachsam. Warnend. Dann sinken seine Lider immer tiefer, bis er schließlich wieder im Schlaf versinkt. Vorsichtig streich ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Das ist tatsächlich der wahre Kaiba Seto. Nach einer kleinen Weile meint Mokuba, dass er uns schnell was zum Trinken holt, steht auf und verlässt das Schlafzimmer. Ich sitze weiterhin vorne am Fußbrett des Bettes und blättere weiter das neue Bikes Today durch. Plötzlich zuckt Seto heftig zusammen. Sein Atem geht auf einmal abgehackt und die Schweißperlen sind wieder größer geworden. Prüfend blick ich zu ihm. Dann zuckt er noch einmal zusammen. Ich schließe das Magazin und leg es zur Seite. In diesem Moment wacht Jous Drache mit einem gellenden, langen Schrei auf. Tränen laufen ihm bereits über das Gesicht. Der Schrei erschüttert mich bis ins Mark. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn schreien höre. Doch es zu erleben... diese Verzweiflung förmlich angreifen zu können und die Angst, die einem entgegenschlägt. Was... was hat man ihm nur angetan? Sein Blick fällt auf mich und er reagiert panisch und hektisch, während er von mir zurückweicht und auf der anderen Seite aus dem Bett fällt. Ich spring auf und lauf um das Bett. Erschrocken krabbelt er - da er es scheinbar nicht schafft aufzustehen - in die nächste Ecke, zieht seine Beine an und hält sich schützend die Unterarme vor das Gesicht. Ich hör ihn schluchzen, auch wenn er wohl gerade eher versucht es zu unterdrücken. Aber es gelingt ihm einfach nicht. Immer wieder murmelt er, dass er nicht will. Vorsichtig knie ich mich vor ihn. Jou hat vorhin gesagt, dass Seto jemand braucht, der weiß, wann er warten muss und wann er aktiv werden muss. Er scheint mir nicht sehr zugänglich zu sein. Sein Zittern ist recht heftig. Wahrscheinlich wär es jetzt keine gute Idee ihn anzufassen. Also ruf ich ihn vorsichtig bei seinem Namen. Doch er krallt nur seine Finger in sein Haar. Zieht die Beine noch näher an sich. Schluchzt. Ich... wechsle von seinem Familiennamen auf den Vornamen. Plötzlich hält er inne. Doch sonst passiert nichts weiter. Also wiederhol ich meinen Ruf. Dann bildet sich ein Spalt zwischen den Unterarmen. Seto blickt mich mit unglaublich klarem Blick an. Leise und etwas heißer fragt er mich, was ich hier bei ihm und in seinem Schlafzimmer zu suchen hab. Ich sag ihm, dass ich schon eine Weile da bin und Jou vertrete, weil dieser sich - wenn auch nur widerwillig - dringend mal hinlegen musste. Er wirkt jetzt wieder mehr wie er selbst... zumindest das Selbst, dass ich aus der Schule kenne. Noch immer zittert er. Vorsichtig halt ich ihm meine Hand hin. Doch der Brünette blickt nur lange auf sie, bevor er sie dann ergreift und sich auf wacklige Beine helfen lässt. Wieder mustert er mich scharf. Was er wohl überlegt? Schließlich meint er, dass er duschen geht. Er löst sich von mir und stakst mit unsicherem Schritt Richtung Badezimmer. Okay, wenn Seto sich frisch macht, sollte ich die Gelegenheit nutzen und sein Bett frisch beziehen, sonst ist das Duschen völlig für die Katz. Ich bin gerade mittendrin, als die Tür aufgeht und Mokuba in Begleitung von Jou herein kommen. Überrascht blicken sie mich an. Mein bester Freund fragt mich, wo sein Drache ist. Ich nicke zum Badezimmer. Während Mokuba das Trinken abstellt und mir dann zur Hand geht, sucht Jou auch das Badezimmer auf. Es dauert verdächtig lange, bis Jou mit Seto wieder aus dem Badezimmer kommt. Wieder blickt mich der Brünette so bohrend an. Sie gehen durch das Schlafzimmer. Jou stützt Seto, der bereits wieder einen glasigen Blick bekommen hat. Sie verschwinden in dem Zimmer mit den Klamotten. Nach einer viertel Stunde kommen sie wieder und der Blonde bettet Seto wieder in seinem - frisch bezogenen - Bett, deckt ihn zu, küsst ihn sanft auf die Stirn. Der 'Drache' ist erschöpft. Nochmal legt er seinen Blick auf mich, doch Jou zieht seine Aufmerksamkeit auf sich. Küsst ihn. Dann fallen dem anderen wieder die Augen zu. Jou dankt mir für meine 'Wache'. Ich wink ab. Ist doch nicht der Rede wert. Doch der Blonde dankt mir mit Nachdruck. Wir setzen uns auf die Couch, die hier im Zimmer steht und Mokuba reicht mir was zum Trinken. Dann reden wir ein wenig. Bedächtig. Offen. Als ich mich auf den Heimweg mache, hab ich viel worüber ich nachdenken kann. Zuviel um alles auf einmal zu bewältigen. Ich werde eine Weile für all das, was ich erfahren habe, brauchen. Aber endlich ist etwas Licht auf diesen ansonsten so reservierten, distanzierten Geschäftsmann gefallen und warum er sich so gibt, wie wir ihn kennen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)