Mein Chef und ich von BloodyRubin (oder: Nie wieder Ferienjobs!) ================================================================================ Kapitel 8: Mein Chef ist zu weit gegangen ----------------------------------------- Die Fahrt verlief ungewöhnlich glatt. Obwohl ich es nicht gerne zugab, Miyoshi-san war ein sehr guter Fahrer. Es dauerte nicht lange, bis wir vor meinem Haus angekommen waren. Ich ahnte, dass der Blonde meinen Wohnort höchstwahrscheinlich aus meinen Bewerbungsunterlagen hatte. „Danke.“ sagte ich und meinte es sogar fast komplett ernst. Ich nahm den Helm ab und Miyoshi-san stieg von seinem Fahrzeug. „Und wo kommst du her, junger Mann?“ In der Stimme, die hinter mir erklang, schwang etwas mit, das mich an einen blutrünstigen Tiger erinnerte. Langsam drehte ich mich um und stand meiner Mutter gegenüber, die ziemlich wütend aussah. „Tut mir leid, ich habe den Bus verpasst.“ antwortete ich kleinlaut. „Darüber sprechen wir noch.“ drohte sie, bevor ihr Blick auf meinen Chef fiel. „Vielen Dank, dass Sie ihn hierher gebracht haben. Ich hoffe, er hat Ihnen keine Umstände bereitet.“ „Nein, nein, machen Sie sich deswegen mal keine Sorgen.“ sagte der Blonde gelassen und nahm seinen Helm ab. „Er ist ein guter Junge.“ seufzte meine Mutter, ehe sie die Stirn runzelte. „Aber er kann teilweise so furchtbar schusselig sein.“ Dann hellte ihre Miene sich auf. „Ich kenne Sie. Sind Sie nicht Izana Miyoshi? Ich habe einige Bilder von Ihnen gesehen. Hätten Sie vielleicht Lust auf eine Tasse Tee? Ich würde mich sehr gerne ein wenig mit Ihnen unterhalten.“ Miyoshi-san blickte kurz auf sein Handy, ehe er meiner Mutter ein Lächeln schenkte. „Nun, etwas Zeit habe ich noch. Warum also nicht?“ „Dann folgen Sie mir bitte ins Wohnzimmer.“ Die beiden verschwanden im Inneren der Wohnung und ich blieb noch kurz dort, wo ich war und starrte entgeistert die Tür an. Das war gerade nicht passiert, richtig? Meine Mutter hatte nicht gerade wirklich diesen Trottel ins Haus gebeten, oder? „Komm endlich rein.“ hörte ich da auch schon ihre Stimme. „Und mach die Tür zu, es zieht.“ Wie in Trance tat ich, was sie wollte und betrat dann ebenfalls das Wohnzimmer. Es war zwar klein, aber durchaus gemütlich. Wäre mein Chef nicht gewesen, der inzwischen auf dem Sofa saß, wäre es perfekt. „Obi, kannst du mir mal helfen?“ fragte meine Mutter und ich ging in die Küche. „Hier, du kannst die Tassen und Teller auf den Tisch stellen.“ Leise seufzend gehorchte ich und kehrte in das Wohnzimmer zurück. „Hast du nicht vorhin noch gesagt, dass du morgen einen wichtigen Termin hast?“ giftete ich den Blonden an und dieser funkelte mich spöttisch an. „Habe ich auch. Aber wenn ich etwas später da bin, ist das nicht weiter tragisch. Außerdem konnte ich deiner Mutter doch ihre Bitte nicht einfach abschlagen, nicht wahr?“ „Ein falsches Wort und ich schmeiße dich eigenhändig raus.“ drohte ich, obwohl ich ahnte, dass ich gegen den Blonden wahrscheinlich keine großen Chancen hatte. Ein amüsierter Ausdruck erschien in den tiefblauen Augen von Miyoshi-san und er legte den Kopf schief. „Du und welche Armee? Wenn ich du wäre, würde ich Gäste freundlicher behandeln, Mondkalb.“ „Das kannst du vergessen, verdammter Schnösel.“ fauchte ich und setzte heftig das Geschirr ab. Blöderweise hatten wir nur dieses eine Sofa. Wenn ich also nicht auf dem Boden sitzen wollte, musste ich mich wohl neben meinen Chef setzen. Kurz zog ich ernsthaft in Erwägung, mich wirklich auf den Boden zu setzen, doch dann gab ich nur ein gereiztes Schnauben von mir und ließ mich neben dem anderen nieder. „Eure Wohnung ist ziemlich klein.“ stellte dieser fest und schaute sich um. Sofort wurde ich wütend. „Tut mir ja wirklich leid, dass es nicht deinen Erwartungen entspricht. Es kann sich eben nicht jeder eine Luxusvilla leisten. Wenn es dir nicht passt, da hinten ist die Tür.“ „Obi Kanagi!“ Ich zuckte zusammen und mein Blick ging zur Wohnzimmertür, wo meine Mutter stand und mich mit ihren Augen zu durchbohren schien. „Ich muss mich heute wirklich über dich wundern. Nicht nur, dass du die Zeit vertrödelt hast, nun bist du auch noch unhöflich zu dem jungen Mann, der so freundlich war, dich nach Hause zu bringen. Ich erwarte, dass du dich sofort entschuldigst.“ „Aber...“ „Kein Aber. Ich sagte sofort.“ Widerwillig stand ich auf und wandte mich Miyoshi-san zu. Ohne den Blonden anzusehen, verneigte ich mich tief. „Ich entschuldige mich für mein Verhalten. Es wird nicht noch einmal vorkommen.“ „Geht doch.“ kam es von meiner Mutter und sie stellte ein Tablett mit einer Teekanne und drei Stück Kuchen auf dem Tisch vor dem Sofa ab. Während ich innerlich vor Wut kochte, setzte ich mich wieder hin und starrte stur die Wand an. Weder meine Mutter noch mein Chef schienen mich in ihr folgendes, angeregtes Gespräch mit einbinden zu wollen. Ich saß einfach nur schweigend da und betete, dass die beiden bald fertig sein würden. Erst als mein Name fiel, erwachte ich aus dem Dämmerzustand, in den ich verfallen war. „Ach, dann arbeitet Obi für Sie? Das hat er mir gar nicht erzählt. Wie macht er sich denn so?“ „Im Großen und Ganzen zufriedenstellend. Allerdings merkt man, dass er noch unerfahren ist, was die Arbeitswelt angeht. Aber ich denke, mit ein wenig Übung wird das auch werden.“ Ich biss mir auf die Lippe, um keine patzige Antwort zu geben. Hatte der Kerl mich gerade durch die Blume als dumm hingestellt? Dieser verdammte… „Das freut mich zu hören. Ich hatte mir ein wenig wegen seines Temperaments Sorgen gemacht.“ Miyoshi-san lachte leicht, ehe er antwortete. „Ja, sein Temperament geht manchmal mit ihm durch. Aber machen Sie sich deswegen keine Gedanken, ich hatte schon ähnliche Assistenten. Ich bin so etwas gewöhnt.“ „Sollte er zu sehr über die Stränge schlagen, geben Sie mir Bescheid, dann rede ich mit ihm.“ „In Ordnung.“ Nun war ich nicht nur wütend, sondern auch entsetzt. Warum stellte sich meine Mutter auf die Seite des Blonden? Diese Verräterin… Endlich warf Miyoshi-san einen Blick auf die Uhr und seufzte bedauernd. „So gerne ich unser Gespräch weiterführen würde, aber ich muss wirklich los. Es war mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ „Gleichfalls. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns mal wieder besuchen würden.“ „Gerne. Also dann, einen schönen Abend noch.“ „Gleichfalls. Obi, bring unseren Gast zur Tür.“ „Ja, ist gut.“ grummelte ich zurück. Im Flur blieb Miyoshi-san noch einmal stehen und warf einen Blick zurück zum Wohnzimmer. „Deine Mutter ist wirklich nett. Wie bedauerlich, dass sie mit einem Mondkalb wie dir gestraft ist.“ „Nenn.mich.nicht.Mondkalb!“ zischte ich gepresst zurück. „Und lass meine Mutter aus dem Spiel.“ „Stimmt, sie ist sehr viel umgänglicher als du. Das bedeutet wohl, dein unerträgliches Verhalten kommt von deinem Vater.“ „Genug.“ erwiderte ich durch zusammengebissene Zähne. Was meinen Vater anging, war ich sehr leicht reizbar. Vor allem, weil es erst vier Jahre her war, seit er gestorben war. „Warum ist dein Vater eigentlich nicht hier? Hat er es nicht mehr mit dir ausgehalten und euch deswegen verlassen?“ Ich reagierte, ohne nachzudenken. Ein roter Schleier schien sich vor meine Augen zu legen und unbändiger Hass überkam mich. Ehe ich es verhindern konnte, hatte ich ausgeholt und dem Blonden eine schallende Ohrfeige verpasst. Miyoshi-sans Kopf ruckte zur Seite und ein fassungsloser Ausdruck erschien in seinem Gesicht. „Wage es nie wieder, meinen Vater schlecht zu machen.“ rief ich und spürte, wie mir Tränen der Wut und der Trauer in die Augen schossen. Meine Mutter kam in den Flur gestürzt, durch mein Geschrei angelockt und auch ihre Miene nahm einen fassungslosen Zug an. „Was ist denn hier los?“ fragte sie, doch ich beachtete sie gar nicht. „Verschwinde! Du dämlicher Drecksack...“ Entschieden drehte ich meinem Chef den Rücken zu, während mein Körper unkontrolliert bebte und mir immer mehr Tränen über die Wangen liefen. Eine Weile blieb es totenstill, bevor ein Klicken ankündigte, dass Miyoshi-san gegangen war. „Obi? Was ist passiert? Was hast du getan? Du kannst doch nicht einfach deinen Vorgesetzten schlagen.“ „Er hat es verdient!“ schrie ich und meine Mutter zuckte aufgrund meines heftigen Tonfalls zusammen. „Obi...“ sagte sie dann gleichermaßen erschüttert wie sanft. Bevor ich ein weiteres Wort herausbrachte, hatte sie sich vor mich gestellt und fest in die Arme genommen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren weinte ich wieder richtig, dicht an meine Mutter geschmiegt und den blumigen Duft ihres Parfüms in der Nase. Wie lange es dauerte, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, konnte ich nicht sagen. „Komm, wir trinken zusammen noch einen Tee und reden, in Ordnung?“ fragte meine Mutter und strich mir dabei über den Kopf. Ich nickte nur und gemeinsam gingen wir wieder in das Wohnzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)