Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 25: Zarte Veränderungen ------------------------------- ♥ Taichi ♥ Von Anspannung durchzogen, saß Taichi am Tisch und konnte gar nicht in Worte fassen, wie unangenehm er diese Situation empfand. Es war das erste Mal seit langem, dass sie wieder als Familie gemeinsam zu Abend aßen. Normalerweise arbeitete seine Mutter durchgehend, während sein Vater seine Zeit entweder im Büro oder in der Bar mit Arbeitskollegen totschlug. Und Taichi konnte nicht behaupten, dass ihm diese Entwicklung sonderlich gut gefiel. Zwar schien die Firma sich wieder zu fangen, aber dennoch trank sein Vater ungeniert vor seinen Augen weiter und schürte seinen unbändigen Hass gegen ihn, den er versuchte gemeinsam mit den staubtrockenen Reisbällchen seiner Mutter hinunterzuschlucken. Aber immer, wenn er sah, wie er genüsslich den Mund an der Flasche ansetzte, verging ihm förmlich der Appetit. Er bemerkte, wie Kari ihn sorgenvoll musterte, da er begann lustlos in seinem Essen herumzustochern, während seine Mutter fast schon verzweifelt versuchte, ein Gespräch am Laufen zu halten. Natürlich versuchte sie nur das Beste, wollte den Familienalltag so gut es ging aufrechterhalten, aber Taichi sah, dass ihre Bemühungen qualvoll scheiterten. Kurz vor dem Abendessen hatte er einen Streit seiner Eltern mitbekommen, der immer noch an ihnen nagte und dass Trinkverhalten seines Vaters zusätzlich anheizte. Kari war zu diesem Zeitpunkt zum Glück noch nicht zu Hause gewesen und auch Taichi bekam es lediglich nur aus seinem Zimmer mit, da er sich nicht einmischen wollte. Nicht nachdem er wusste, was ihm blühen konnte. Daher hörte er nur bruchstückhaft mit, konnte sich aber viele Dinge zusammenreimen, da er sich denken konnte, dass die finanzielle Situation immer noch sehr angespannt war. Selbstverständlich waren sie noch nie im Geld geschwommen, aber sie hatten nie Probleme gehabt irgendwelche Rechnungen zu bezahlen, doch diesen Monat schien alles nur schief zu laufen. Neben einer Wassernachzahlung kam auch noch eine größere Reparatur am Wangen seines Vaters hinzu, mit der seine Eltern überhaupt nicht gerechnet hatten. Auch, dass sein Vater weiterhin so viel trank, riss ebenfalls ein gewaltiges Loch in die Haushaltskasse. Doch Taichi traute sich nicht diesbezüglich etwas zu sagen, auch wenn es ihm bereits auf der Zunge brannte. Er presste die Lippen fest aufeinander, als er hochsah und seinen Vater schon wieder dabei erwischte, wie er seine Bierflasche erneut ansetzte und den letzten Schluck in einem Zug austrank. Mit festem Blick beobachtete er ihn dabei, wie er die Flasche auf dem Holztisch abstellte und ihm plötzlich in die Augen sah. „Na Taichi, was macht die Schule? Wie läuft das Sportstipendium?“, fragte er steif und spielte an dem Etikett seiner Flasche. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe herum und hatte bereits eine Ahnung, warum er ihm ausgerechnet diese Frage stellte. Seit dem Vorfall hatte Taichi es bevorzugt ihn aus seinem Leben rauszuhalten und nur das Nötigste mit ihm zu sprechen, auch wenn er gerne seinen Vater an seiner Seite gewusst hätte. Generell jemanden, der ihn unterstützte. Doch bei seinem Vater war er deutlich fehl am Platz, was ihm schmerzvoll bewusstgeworden war. „Es läuft soweit“, antwortete er knapp und hoffte, dass ihm diese Antwort genügte. Kari schielte zu ihm rüber und warf ihm einen verärgerten Gesichtsausdruck zu, da sie es oftmals nicht verstehen konnte, warum er so abweisend gegenüber ihrem Vater war. Allerdings konnte er ihr die Wahrheit nicht erzählen, auch wenn er oft mit dem Gedanken gespielt hatte. „Okay, dann drücke ich dir mal die Daumen, dass alles klappt“, antwortete er versöhnlich, doch Taichi brachte nur ein schwerfälliges Nicken zu Stande, als sich sein Vater plötzlich an Kari wandte. „Holst du mir noch ein Bier, Schätzchen?“ Kari drehte sich ihm zu, ehe er ihr bereits die Flasche entgegenhielt. Unsicher streckte sie die Hand aus als plötzlich seine Mutter dazwischen ging und ihm die Flasche abnahm. „Findest du nicht, dass es für heute mal gut ist?“, fragte sie behutsam nach, um ihn nicht sauer zu machen. „Was willst du mir denn damit sagen, Yuuko? Ich habe mir doch mein Feierabendbier nach dieser anstrengenden Woche verdient oder meinst du nicht“, hakte er nach und ein scharfer Unterton war aus seiner Stimme herauszuhören. „I-Ich mein ja nur. Heute hattest du doch schon…“ „Willst du mir etwa vorschreiben, wie viel ich trinken darf?“, fuhr er sie an und ließ sie zusammenfahren. Sein Ton klang bedrohlich und Tai spannte sofort seinen Körper an, nachdem er sein wutverzerrtes Gesicht erkannte. „Ich bin alt genug und weiß, wie viel ich trinken kann! Aber gut, wenn es mir keiner holen will, dann hol ich es mir eben selbst“, knirschte er erbost und stand wütend auf, um zum Kühlschrank zu gehen. Tai beobachtete seine Mutter dabei, wie sie verzweifelt ihre Unterarme auf dem Tisch aufstützte und ihr Gesicht hinter ihren Händen vergrub. „Da ist ja nichts mehr drinnen!“, polterte er und schlug die Tür des Kühlschranks unsanft zu. „Ich habe vergessen welches zu kaufen“, gab seine Mutter kleinlaut zu und seufzte resigniert. „Aber du wirst doch auch mal einen Abend ohne aushalten. Und jetzt setz‘ dich bitte wieder hin! Wir wollen in Ruhe essen.“ Doch sein Vater stand einfach teilnahmslos in der Küche und schien einen kurzen Moment zu überlegen, ehe er auf einmal im Flur verschwand und man nur die Wohnungstür zuknallen hörte. Taichi schüttelte nur den Kopf und lehnte sich gegen seinen Stuhl, während seine Mutter nur gegen die Wand starrte und geistesabwesend ihren Teller beiseiteschob. Erst danach bemerkte Taichi ein leises Wimmern, dass nur von seiner Schwester stammen konnte. Besorgt richtete er den Blick zu ihr und sah, wie sie sich unter ihrem Haarvorgang versteckte und ein bisschen Gemüse mit den Essstäbchen aufnahm, sie aber nicht zu ihrem Mund führte. Die reine Verzweiflung kroch in ihm hoch, als er Kari so hilflos vor sich sitzen sah. Sie war sehr sensibel und litt unter diesen Streitigkeiten, die ihren Familienalltag bestimmten. Doch was sollte er nur tun? Mit seinem Vater zu reden wäre aussichtlos und pure Zeitverschwendung! Dennoch überlegte er fieberhaft nach einer Lösung, die seine Schwester von diesen ganzen Umständen etwas ablenken konnte. Er wollte, dass sie wieder lächelte, egal was er auch dafür tun musste. _ Einen Tag später hatte er sie tatsächlich dazu überreden können mit ihm gemeinsam ins Kino zu gehen. Er wollte, dass sie wenigstens die zunehmenden Streitigkeiten ihrer Eltern nicht ständig mitbekam, auch wenn sie sich anfangs durchaus geweigert hatte. Zwar hatte Taichi immer noch den Kinogutschein, den der zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, aber aufgrund des finanziellen Engpasses, lernte er auch, dass gerade solche Kleinigkeiten wie Kino oder Essen gehen, doch manchmal mehr kosteten als sein Geldbeutelt derzeit zuließ. Auch, dass er Mimi die Kette gekauft hatte, trug natürlich nicht zu einem gutgefüllten Portmonee bei. Aber er hatte sich dazu entschlossen von seinem Taschengeld seiner Schwester etwas Entspannung zu ermöglichen. Er würde es sicher hinbekommen, möglichst sparsam durch den Monat zu kommen, schließlich hatte er immer noch Ferien. „Und hast du schon einen Film entdeckt, der dir gefällt?“, fragte er Hikari, die genauestens die Filmplakate studierte. „Wie wäre es mit dem hier?“, sie deutete auf ein bestimmtes Plakat und Taichi verzog prompt das Gesicht, als er den Titel las. „Trennung mit Hindernissen? Och Kari, doch nicht so ein Weiberfilm“, jammerte er und verdrehte die Augen. „Wie wäre es mit dem neuen Superman Film? Der ist sicher voller Action!“ „Aber ich dachte, ich dürfte mir den Film aussuchen“, schmollte sie und zog die Unterlippe nach vorne. „Aber nicht noch ein Jennifer Aniston Film. Ich kann die langsam echt nicht mehr sehen, besonders nicht, nachdem du mich dazu gezwungen hast mit dir Friends zu gucken.“ „Die Serie ist doch voll lustig und charmant obendrein“, erwiderte Kari beleidigt und stemmte die Hände in ihre Hüfte. „Ja, dieses ganze Beziehungshickhack ist wirklich zum Schießen. Voll realistisch“, grummelte er und versuchte sie weiterhin von dem neuen Superman-Film zu überzeugen, auch wenn ihr trauriger Hundeblick es ihm sichtlich schwermachte. „Taichi…komm‘ bitte! Der wird sicher voll lustig“, quengelte sie und krallte sich an seinem Arm fest, während er die Augen zu Schlitzen verzog. Bevor er jedoch ein „Nein“ mit seinen Lippen formulieren konnte, wurde ihm plötzlich auf die Schulter getippt, was ihn völlig aus dem Konzept brachte und ihn herumschnellen ließ. „Sora?“, hakte er überrascht nach und blickte in das freudige Gesicht seiner besten Freundin. „Was macht ihr denn hier? Hätte ich das gewusst, hätten wir auch gleich zusammengehen können“, begrüßte sie ihn herzlich und wandte sich danach Hikari zu. Tai grinste leicht, da er heute überhaupt nicht damit gerechnet hatte Sora zu treffen. Sein Blick schweifte weiter und suchte nach seinem blonden Freund, der sonst immer an ihrem Rockzipfel hing. „Wo hast du denn Yamato gelassen?“, fragte er auf einmal, als sich Sora zu ihm umdrehte und ihn musterte. „Yamato ist heute nicht dabei. Ich bin mit Mimi hier! Sie ist gerade auf der Toilette“, informierte sie ihn knapp, während sein Herz einen gewaltigen Hüpfer machte. „U-Und in welchen Film wollt ihr gehen?“, stammelte er nervös. „In den neuen Jennifer Aniston Film und ihr?“, stellte sie die Gegenfrage. Taichi überlegte nicht lang und antwortete, bevor Kari es tun konnte. „Ach so ein Zufall, da wollten wir auch rein oder Kari?“ Verdutzt blickte seine Schwester ihn an und für eine Sekunde hatte es ihr gänzlich die Sprache verschlagen, als sich ein skeptisches und langgezogenes „Ja“ von ihren Lippen löste. „Wirklich? Vielleicht bekommen wir ja noch Plätze nebeneinander“, meinte Sora euphorisch. Tai lächelte leicht, ehe er bemerkte, wie Mimi auf sie zugesteuert kam. Er hatte sie seit ihrem Geburtstag kaum zu Gesicht bekommen und war gespannt, ob sie vielleicht sogar seine Kette tragen würde. Angespannt wippte er leicht mit den Füßen auf der Stelle, wohlwissend, dass Kari ihn beobachtete. Bestimmt fand sie seine Reaktion mehr als merkwürdig und wenn er ehrlich war hatte er auch nicht sonderlich Lust auf diesen bescheuerten Jennifer Aniston Film, aber er wollte seine Chancen nutzen, die er sicherlich nicht ständig zugeworfen bekam. Gerade an Mimis Geburtstagsfeier hatte er durchaus gemerkt, dass noch lange nicht alles zwischen ihnen vorbei war. Warum fragte sie ihn auch sonst nach Schicksal und Bestimmung? Sie wollte ihm damit etwas mitteilen. Da war er sich sicher. „Wen hast du denn alles aufgegabelt?“, fragte Mimi amüsiert und kam direkt vor den Dreien zum Stehen. „Ach, ich habe noch nach ein paar Begleitpersonen gesucht, die uns unterstützen“, antwortete Sora spaßeshalber. „Ist das so? Und Taichi geht auch wirklich freiwillig mit oder hast du ihn mit Essen bestochen?“ „Hey, was soll das denn heißen? Vielleicht mag ich ja Jennifer Aniston!“, protestierte er sofort und brachte die Mädchen zum Kichern. „Also, das kauft dir wirklich keiner ab, aber ich glaube, dein plötzlicher Stimmungswechsel hat nicht unbedingt was mit dem Film zu tun“, stellte Hikari fest und grinste überlegen, als er prompt rot anlief. „W-Was? Ach, sei still Kari!“, murrte er nur verlegen und steuerte zielstrebig auf die Kartenausgabe zu. Nachdem sie tatsächlich vier Karten für den Film ergattern konnten, hatten sie sich an der Snackbar Popcorn und Nachos geholt, die sie untereinander aufteilen wollten. Mimi griff beherzt in Soras Popcorntüte und genehmigte sich eine halbvolle Hand der fluffigen Köstlichkeit, als sie abrupt als Gesicht verzog. „Man Sora, das ist ja salzig“, bemerkte sie angewidert. „Sonst holst du dir doch immer das süße Popcorn! Ich dachte das Gesalzene magst du gar nicht.“ „Keine Ahnung, aber ich hatte heute eben Lust drauf“, konterte sie direkt. „Vielleicht gibt dir Tai ja etwas ab. Er steht ja auf dieses süße Zeug“, mischte sich Kari ein und knapperte an einem Nacho, den sie sich genüsslich in den Mund schob. „Ähm…okay…“, stammelte MImi unsicher und huschte mit den Augen zu ihm, während er sich mit einer Hand unbeholfen am Kopf kratzte. „Wir werden sicher eine Lösung finden! Notgedrungen reichen wir meine Tüte einfach rum“, schlug Taichi friedlich vor, als ihm auffiel, dass ihr Kino endlich frei wurde. Gemeinsam schlenderten sie zu dem Eingang und kramten ihre Karten hervor, während Taichi neben Mimi stehen blieb und unbemerkt ihren Hals begutachtete. Sie trug ein hochgeschlossenes Kleid, weshalb er nicht sagen konnte, ob sie seine Kette trug oder nicht. Er fixierte sie angestrengt, wandte sich aber von ihr ab, als sie ihre Karten dem Kartenabreißer hinhielten und sich auf den Weg zu ihrem Kinosaal machten. _ Nervös fuhr er sich durch seine wilde Mähne und blickte unweigerlich zu ihr, weil er sich einfach nicht auf diesen dämlichen Film konzentrieren konnte. Unwohlsein breitete sich in seinem Körper aus, da er sich wie auf dem Präsentierteller fühlte. Er hatte nicht erwartet gehabt, dass er tatsächlich den Platz neben Mimi ergattern konnte, doch Karis durchschauende Blicke streiften seinen Körper. Immer wenn er sich bewegte oder Mimi etwas Popcorn anbot, traf ihn Karis spitzfindigen Blick, den er am liebsten abschütteln wollte. Bestimmt ahnte sie etwas. Nach seiner dämlichen Aktion war dies aber auch kein Wunder. Auffälliger ging es wohl kaum. Selbst Sora schien sofort gemerkt zu haben, dass sein Sinneswandel nur mit Mimi zu tun haben konnte. Doch was sollte er nur machen? Nach all dem, was sie erlebt hatten, war sein Mut gegenüber ihr ganz schön geschrumpft, auch wenn er sich deswegen gerne selbst in den Hintern beißen würde. Wie gerne würde er ihr zeigen, was er für sie empfand, ohne gleich in Vorwürfe oder neckende Sprüche zu verfallen, die als Schutzwall dienten. Es fiel ihm unglaublich schwer, sich einfach fallen zu lassen und die Anspannung, die seinen Körper durchzog, abzuschütteln. Was war überhaupt richtig? Was war falsch? Er wollte es nicht schon wieder ruinieren, indem er einfach den falschen Augenblick wählte. Sie war gerade frisch getrennt und wahrscheinlich noch gar nicht in der Stimmung etwas Neues in Erwägung zu ziehen. Wobei es sich bei ihnen wohl eher um etwas „Aufgewärmtes“ handelte. Seit ihrem Geburtstag gab sie ihm auch keinerlei Zeichen, dass sie für mehr überhaupt schon bereit wäre. Vielmehr machte es den Anschein, dass sie ihm aus dem Weg ging und selbst nicht so richtig wusste, was sie wollte. Er seufzte leise und schielte seinen Sitz hinab. Neben ihm stand immer noch die Popcorntüte, die er extra zwischen Mimi und sich platziert hatte, damit sie zugreifen konnte. Doch irgendwie war beiden der Appetit vergangen, seit sich ihre Hände zufällig in der Tüte berührt hatten. Sie hatte ruckartig die Hand weggezogen und sah ihn verlegen an, als sie sich auch wieder zu Sora wandte und mit ihr leise über den Film quatschte. Seit einer halben Stunde war ihr Blick starr auf die Leinwand gerichtet, während Taichi immer mehr in seinem Stuhl versank und sich am liebsten aus dem Kinosaal wünschte. Auch die unangenehmen Blicke seiner Schwester machten es nicht besser. Er hatte auch gar nicht wirklich aufgepasst und bekam nur kurz mit, wie Jennifer Aniston einmal nackt durchs Wohnzimmer lief, um ihren Noch-Ehemann zur Weißglut zu treiben. Er hätte doch den neuen Superman Film ansehen sollen. Der Film ging noch über eine halbe Stunde, ohne Aussicht auf einen treibenden Plottwist, der ihn irgendwie spannend erschienen ließ. Wieso standen Frauen nur auf solchen Kitsch? Sowas würde niemals im realen Leben passieren, auch wenn sich die meisten sowas von Herzen wünschten. Die Realität sah eben anders aus und zerbrach einem auch gnadenlos das Herz, ohne ein Happy End anzupreisen. Frustriert griff er in die Popcorntüte und stopfte sich eine Handvoll des süßen fluffigen Zeugs in den Mund. Lustlos kaute er darauf herum, als würde es sich um ein Stückchen Gummi handeln, bevor er seinen Arm achtlos zwischen die Sitze sinken ließ. Teilnahmslos saß er einen kurzen Augenblick da und beobachtete das leidenschaftlich streitende Paar vor ihm auf der Leinwand, ehe er plötzlich ihre zarten Fingerspitzen vernahm, die seine Hand leicht streiften und seine Aufmerksamkeit erregten. Er schluckte schwerfällig, als er nach unten blickte und sah, wie ihre Hand sich zwischen den Sitzen zu seiner schob. Zärtlich tastete sie sich zu seiner Hand vor und kitzelte seine Handfläche mit sanften Berührungen. Zuerst saß er völlig regungslos da und wusste gar nicht wie ihm geschah, da ihn schon so eine winzige Geste förmlich aus der Bahn warf. Sein Herz schlug schneller und sein Mund wurde staubtrocken, sodass er am liebsten nach seiner Cola gegriffen hätte, um seine Kehle zu befeuchten. Doch er konzentrierte sich voll und ganz auf ihre zarten Finger in seiner Hand, die gefühlvoll zwischen seine wanderten. Er presste die Lippen aufeinander, als er ebenfalls seine Finger vorsichtig bewegte und mit dem Daumen liebevoll über ihren Handrücken strich. Genau in diesem Moment konnte er es sich nicht verkneifen sie anzusehen, da auch er nicht ganz begreifen konnte, was sie zu dieser Geste bewegt hatte. Vor ihm auf der Leinwand sah man ein ständig streitendes Paar, dessen Beziehung kurz vor dem Aus stand, aber sie schien ihm wohl etwas Anderes damit vermitteln zu wollen. Auch sie hob den Kopf an und drehte ihn unauffällig zur Seite, sodass er den Schmerz der Vergangenheit in ihren Augen erkennen konnte. Ihr Griff um seine Hand verfestigte sich und signalisierte ihm, dass sie ihn nicht loslassen wollte, weshalb auch er ihre Hand noch fester drückte, bevor sie sich wieder auf den Film konzentrierten. Doch er begriff in diesem Augenblick, dass er sie nicht ziehen lassen würde. Er würde kämpfen und ihr zeigen, dass sie eine zweite Chance miteinander verdienten. _ „Du grinst aber ganz schön vor dich hin“, stellte Kari skeptisch fest und ging neben Taichi her. Sein Lächeln verblasste augenblicklich und wich einer mürrischen Miene. „So ein Quatsch“, protestierte er sofort und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Was du dir wieder zusammenreimst.“ „Das war eine Feststellung und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht an dem Film lag. Du hattest wirklich nur Augen für eine Person! Das nächste Mal gehe ich lieber mit Takeru! Der schenkt mir wenigstens genug Aufmerksamkeit“, brüstete sie sich und sah beleidigt zu Taichi, der sie amüsiert anlächelte. „Ach, von welcher Art Aufmerksamkeit sprechen wir hier denn? Mund zu Mundbeatmung?“ „Mensch Taichi, ich habe dir doch schon hundert Mal erklärt, dass wir nur Freunde sind! Stell‘ dir vor: Jungs und Mädchen können auch befreundet sein! Obwohl das bei dir ganz sicher nicht zutrifft. Du stehst wirklich gewaltig auf Mimi“, erwiderte sie mit herausforderndem Blick, als er seine Arme sinken ließ und sie ganz blass anstarrte. Hatte sie etwas mitbekommen, dass sie die letzte halbe Stunde des Films Händchen gehalten hatten? „Wow, dein Gesicht spricht ja wahre Bände. Ich habe es gewusst! Schon die ganze Zeit und deswegen warst du auch so mies drauf gewesen. Weil sie mit diesem Makoto zusammen war“, schlussfolgerte sie spitzfindig, während sich Taichi ihrem Gehtempo anpasste. „Man Kari, du verstehst das nicht. Dafür bist du noch zu jung“, murrte er und wollte nicht zwangsläufig mit seiner kleinen Schwester über solche Themen sprechen. Es reichte ihm vollkommen, dass Yamato und Sora Bescheid wussten und ihm bereits im Nacken lagen. Karis klugen Ratschläge brauchte er wirklich nicht auch noch. „Zu jung? Ich bin alt genug, um zu verstehen, dass ihr zwei gehörig aneinander vorbeiredet! Weil sonst wärt ihr euch doch schon längst viel nähergekommen!“, untermauerte sie ihre Ansichten. Taichi schwieg. Er wollte ihr nicht unter die Nase reiben, dass sie eine Vergangenheit miteinander teilten, die alles andere als rosig aussah, wenn man zurückblickte. Sie war dornenreich und Taichi war des Öfteren kurz davor gewesen, sie aufzugeben. Doch manchmal waren die zarten Veränderungen, kleine Anzeichen dafür, dass ihre Zukunft nicht in Stein gemeißelt und von ihnen selbst abhängig war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)