Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 8: Pizza, Liebesschnulzen und Kussjungfrauen ---------------------------------------------------- ♥ Mimi ♥ Die Golden Week und sämtliche Feiertage waren einfach nur so an ihr vorbeigezogen, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Mimi hatte bereits die ersten Schulwochen problemlos hinter sich gebracht, auch wenn neuerdings einige Ablenkungen ihr Leben versüßten. Mittlerweile waren die Streitigkeiten zwischen ihrer Mutter und Großmutter immer weiter in den Hintergrund gerückt, sodass Mimi auch keinen Anlass sah, es weiterhin zu verfolgen. Sie wusste ja, dass ihre Großeltern ein strenges Regime geführt hatten und ihre Mutter als Teenager sicher nichts zu lachen hatte. Dennoch gingen sie diese alten Kamellen nichts an, auch wenn irgendetwas sie nicht losließ. Doch sobald ihr Handy zu vibrieren begann, waren alle Zweifel und möglichen Vermutungen wie weggeblasen. Auch wenn sie mitten im Unterricht saß und lieber der Verteilung für die Sozialkundeprojekte zuhören sollte, ließ sie sich dazu hinreißen, ihrem Handy deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Okay, vielleicht lag es auch einfach am Empfänger, der mit ihr bereits unzählige Kurznachrichten ausgetaucht hatte. Schon seit knapp zwei Wochen schrieben Makoto und sie regelmäßig miteinander, auch wenn sich bisher noch nicht wirklich etwas entwickelt hatte. Er war viel mit der Band unterwegs, hatte unzählige Auftritte und verbrachte seine Pausen lieber mit seinen Freunden, auch wenn er in der letzten Zeit öfters mit Yamato und den anderen gegessen hatte. Für Mimi war die kurze Zeit, die sie mit Makoto verbringen durfte, etwas ganz besonders. Sie befanden sich auf der gleichen Wellenlänge, auch wenn Sora ihr ständig in den Ohren lag und ihr Misstrauen gegenüber ihm äußerte. Mimi hoffte inständig, dass sie sich bei dem Mädelsabend, den sie morgen bei ihr veranstalten wollten, zurückhielt. Sie mochte Makoto und wollte ihn ganz unverbindlich näher kennen lernen. Daher tippte sie unauffällig eine SMS an ihn zurück und versteckte ihr Handy wieder in ihrem Federmäppchen, das sie gut im Blick hatte. Sie sah kurz zu Izzy, der ganz gespannt den Worten ihrer Lehrerin folgte, die gerade verkündet hatte, dass sie die Pärchen per Zufall ziehen wollte. Sie hielt ein kleines Gefäß in die Höhe, dass Mimi wiederrum skeptisch begutachtete. „Okay, ich habe alle eure Namen auf Zettelchen geschrieben und werde nun nach und nach immer zwei Leute ziehen, die an einem Projekt zusammenarbeiten werden“, erklärte sie knapp und verschwand mit den Fingern in dem Gefäß. Er dauerte einen kurzen Moment bis sie zwei Zettel herausgefischt hatte und die ersten beiden Namen laut vorlas. Resigniert verdrehte Mimi nur die Augen und hoffte, dass sie wenigstens einen kompetenten Partner erhalten würde, auch wenn sie darauf keinen Einfluss hatte. Gelangweilt griff sie wieder zu ihrem Handy und drückte kurz auf die Sperrtaste, sodass ihr Display erleuchtet wurde. Makoto hatte ihr noch nicht genantwortet, was während des Unterrichts nicht ungewöhnlich war. Auch sie wollte nur ungern erwischt werden und versuchte sich, trotz Ablenkung, auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Koushiro Izumi und…“, Mimi schreckte zusammen als sie den Namen ihres besten Freundes wahrnahm. Anspannung machte sich in ihrem Körper breit und sie kreuzte die Finger, in der Hoffnung mit ihm ein Team bilden zu können. „Satsuki Hasegawa!“ Die pure Ernüchterung traf sie förmlich wie ein Schlag ins Gesicht als sich Izzy auch noch zu ihr herumdrehte und ihr einen entschuldigenden Blick zuwarf. Mimi zwang sich automatisch zum Lächeln, um ihrem Freund zu versichern, dass es in Ordnung war, auch wenn sie es anders empfand. Zwar hatte sie keine Probleme, auch mit jemand anderem das Projekt durchzuführen, aber auch Kaori war noch übrig und wartete darauf, einem Partner zugeteilt zu werden. Ihre Lehrerin las bereits die nächsten Paare vor, während sich Mimis Nervosität von Mal zu Mal steigerte, je weniger Namen sich in dem Gefäß befanden. Es waren nicht mehr viele Schüler übrig, als plötzlich Kaoris Namen fiel. „Kaori Nakamura, du bist in einem Team mit…“, sie machte eine kurze Pause und zog den zweiten Namen aus dem Behältnis. „Mimi Tachikawa.“ Ihre Gesichtszüge entglitten sofort als sie ihren Namen hörte und Kaori prompt zu ihr rüber schaute. Nein, das durfte nicht wahr sein. Alles, bloß das nicht, schoss ihr sofort durch den Kopf, während Kaori unbeholfen ihre Brille zurechtrückte und ein schüchternes Lächeln auflegte. Womit hatte sie das nur verdient? Jetzt musste sie tatsächlich mit einer Perfektionistin zusammenarbeiten, die ihr sicher die nächsten Wochen zur Hölle machen würde. _ „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich ausgerechnet mit IHR zusammenarbeiten muss“, murrte sie deprimiert und ließ den Kopf über ihrer Pizza hängen. Es war gerade mal einen Tag her seit die Projektpartner verkündet wurden. Mimi hatte immer noch nicht akzeptiert, dass Kaori und sie von nun an zusammenarbeiten mussten. Zwar hatten sie sich bereits kurz ausgetaucht und ein baldiges Treffen anvisiert, doch Mimi merkte sofort, dass es eine Bewährungsprobe für ihre Nerven werden würde. Auch wenn sie Kaori kaum kannte, wusste jeder aus der Klasse wie ehrgeizig sie war und mit allen Mitteln versuchte ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen. Schon während des Gesprächs war Mimi aufgefallen, dass sie sich nur mit dem Besten zufriedengab und Themenvorschläge präsentierte, von denen Mimi noch nie etwas gehört hatte. Deswegen fiel es ihr auch so unsagbar schwer den Mädelsabend mit Sora, Kari und Yolei zu genießen, obwohl sie sich darauf bereits sehr gefreut hatte. Auch Sora war das sofort aufgefallen, weshalb sie versuchte, die Stimmung ein wenig zu heben. „Mach‘ dir mal keine Gedanken. Triff‘ dich doch erstmal mit ihr. Vielleicht ist sie ja doch ganz nett und ihr stellt ein cooles Projekt auf die Beine“, erwiderte sie mit ihren weisen Ratschlägen, die sie für Mimi immer parat zu haben schien. Auch Kari stimmte sofort mit ein, während Yolei sich über ein Stück Pizza hermachte. „Lass‘ uns heute einfach ein paar Gesichtsmasken machen und viele Liebesschnulzen schauen. Ich konnte sogar ‚Schwer verliebt‘ mit Jack Black und Gwyneth Paltrow besorgen.“ „Wirklich? Oh, ich liebe diesen Film“, schwärmte Mimi und biss in das Stück Pizza als sich ihr Gaumen schmerzvoll zu Wort meldete. Sie verzog sofort das Gesicht und ließ die Pizza auf ihren Teller sinken als sie mit der Zunge über die verbrannte Stelle fuhr, die sich etwas rau anfühlte. Sie wartete einen kurzen Moment, bis ihre Pizza abgekühlt war und biss erneut ein großzügiges Stück ab. Der saftige Käse zerlief in ihrem Mund und der Geschmack von herzhafter Salami breitete sich auf ihrer Zunge aus. Genüsslich schloss sie die Augen und genoss den kurzen Moment des Wohlbefindens. „Ach, wenn man nicht so dick dadurch werden würde, könnte ich echt jeden Tag Pizza essen“, eröffnete sie ihren Freundinnen, die prompt zu Lachen anfingen. „Nur Pizza wäre wirklich etwas ungesund“, kommentierte Sora sofort, da sie nur sehr selten dieses fettige Zeug zu sich nahm, während Mimi sich in den USA regelrecht daran gewöhnt hatte. Selbst ihr Kantinenessen hatte oftmals aus Burger und Fritten bestanden. Nur gelegentlich war etwas Nahrhaftes auf ihrem Teller gelandet, was sie deutlich an ihrem Hüftumfang bemerkt hatte. Stolze fünf Kilo hatte sie zugenommen, nachdem sie aus den USA zurückkehrt war. Leider bekam sie sie auch nur sehr schwer wieder runter, weil sie einfach kein Sportfan war, sondern lieber hinter einem Herd stand und neue Rezepte ausprobierte, die aufgrund ihrer Nascherei während des Kochens sicherlich nicht förderlich für ihre Figur waren. Auch wenn sie sich wohlfühlte, fiel ihr oftmals auf, dass sie viel fülliger war und mehr Kurven als die Mädchen in ihrer Schule hatte. Zwar schenkten ihr oftmals die Jungs dadurch mehr Aufmerksamkeit, aber sie war sich gar nicht mal so sicher, ob sie diese Art von Aufmerksamkeit überhaupt haben wollte. Ständig auf Brüste und Hinten reduziert zu werden, konnte auf Dauer echt anstrengend werden – selbst für eine Mimi Tachikawa, die ganz sicher nicht auf den Mund gefallen war. _ „Ach ist das romantisch“, schwärmte Yolei seufzend und richtete gebannt den Blick auf den kleinen Fernseher, der sich in Mimis Zimmer befand. Sie hatten mehrere Futons hervorgeholt, auf denen ihre Freundinnen übernachten wollten. Mimi hatte sich schon auf ihrem Bett bequem gemacht und kuschelte sich in ihre flauschige rosane Decke, die sie einmal um sich selbst geschlungen hatte. Ihre Eltern waren seit Ewigkeiten mal wieder ausgegangen und hatten ihr die Wohnung für die nächsten Stunden überlassen. Sie wusste gar nicht, wann sie genau nach Hause kamen, aber sie genoss die Zeit mit ihren Freundinnen, die nicht von Schule, Zukunftsperspektiven und anstehenden Entscheidungen belastet wurde. Wenn es nach ihrem Vater ging, wäre es ihm am liebsten, dass sie das Praktikum in der Firma annehmen würde und sich später für ein BWL-Studium entschied, um einen sicheren Arbeitsplatz zu erhalten. Doch sie hatte noch keine Lust sich zu entscheiden, sondern wollte ihre Jugend genießen, mit allem was dazu gehörte. „Es ist wirklich ein Jammer, dass so viele Typen nur auf dein Äußeres schauen, statt auf den Charakter“, meldete sich nun auch Kari zu Wort, die ihre Beine gegen ihren Körper gepresst hatte. „Ja, nur leider ist das ebenso. Die meisten suchen eine Freundin, mit der sie angeben können“, murmelte Yolei unzufrieden und betrachtete nachdenklich ihre langen Haarspitzen. „Ich glaube, ich werde niemals zu solchen Mädchen zählen. Deswegen bin ich wohl auch immer noch ungeküsst.“ Überrascht weiteten sich Mimis Augen und sie setzte sich auf. „Das redest du dir doch hoffentlich nicht ein! Es gibt da doch keine Regeln oder ein Mindestdatum“, entgegnete Mimi. „Genau, du solltest dich da echt nicht unter Druck setzen“, stimmte Sora mit ein als Yolei sich aus ihrer Bauchlage aufrichtete und sich zu den Mädchen herumdrehte. „Aber ich bin bald sechszehn und selbst Kari hat es schon hinter sich gebracht“, klagte sie mit einem jammernden Unterton in der Stimme. Karis Wangen verfärbten sich augenblicklich tiefrot und sie riss, aufgrund von Yoleis Aussage, die Augen weit auf. „Yolei…sei still!“ Doch es hatte keinen Zweck mehr. Sowohl Mimi als auch Sora hatten es bereits gehört. „Wie? Du bist keine Kussjungfrau mehr?“, hakte Mimi belustig nach und legte den Kopf schief. Kari versteckte daraufhin ihr Gesicht hinter ihrem Kissen und drückte es mit den flachen Händen dicht dagegen. „Na los, erzähl! Wer war der Glückliche?“ Mimi biss gespannt auf ihre Unterlippe und zog sie mit den Schneidezähnen nach hinten als Kari hinter den Kissen hervorkam und mit geröteten Wangen Yolei einen vernichtenden Blick zuwarf. „Manchmal hasse ich dich echt“, flüsterte sie ihr feindselig zu als sich ihre Freundin unbeholfen am Kopf tätschelte. „Tut mir leid, ich wusste ja nicht, dass es ein Geheimnis bleiben soll“, rechtfertigte sie sich unschuldig, während Sora und Mimi gespannt Kari beäugten. „Okay…gut! Es war Takeru! Wir haben es nur gemacht, um es mal gemacht zu haben! Fertig!“, offenbarte sie ohne Umschweife. „Uhlala“, antwortete Mimi verschwörerisch grinsend. „Und wie war’s?“ „Ungewohnt“, antwortete Kari peinlich berührt. „Wir wussten nicht so richtig, ob wir mit oder ohne Zunge probieren sollten.“ „Na, ich hoffe ihr habt mit, ansonsten ist es doch kein richtiger Kuss, sondern nur ein harmloser Schmatzer“, erwiderte Mimi und machte einen Kussmund. „So ein Quatsch“, warf Sora sofort ein und blickte zu Mimi. „Mit vierzehn hatten Matt und ich auch noch nicht richtig geknutscht. War alles sehr harmlos gewesen.“ „Natürlich, aber auch nur solange bis ihr sechszehn wurdet und dann viel versautere Dinge mit euren Zungen gemacht habt“, konterte Mimi triumphierend. „Mimi!“, quietschte sie schrill und zog ihren kurzen Namen in die Länge. „Du bist echt unmöglich.“ „Ist doch wahr! Für mich ist ein richtiger Kuss eben mit Zunge. Ist doch dann auch alles viel intensiver als ohne“, meinte sie überzeugend. „Ach wirklich? Sprichst du etwa aus Erfahrung? Wer war denn dein erster? Michael?“, hakte Yolei wissbegierig nach und schielte über ihre Brille, bevor sie sie zurechtrückte. Mimis Herz setzte unvermittelt aus und eine Gänsehaut überkam sie als sie an ihren ersten Kuss unweigerlich zurückdenken musste. „Ja natürlich war es Michael gewesen. Schließlich waren wir ja auch eine Zeitlang zusammen“, antwortete sie unwirsch und war bedacht darauf, es überzeugend rüber zu bringen, wohlwissend, dass es nicht stimmte. Auch Soras bohrender Blick auf ihrer Haut, blieb ihr nicht unbemerkt, doch sie wollte sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Warum war sie auch nur so dumm gewesen und hatte das Thema extra darauf gelenkt? Sie wollte doch die Vergangenheit endlich ruhen lassen… _ Sie schlich sich nach draußen als ihr eine kühle Brise entgegenkam und sie ihn an der Mauer lehnend vorfand, den Blick zu den Sternen gerichtet. Mimi befand sich im Hinterhof des Probenraums, indem sich Matts Band dreimal die Woche zum Üben traf. Sie war extra kurz nach Weihnachten nach Japan gereist, um gemeinsam mit ihren Freunden Silvester zu feiern. Auch wenn eine ausgelassene Stimmung herrschte, spürte sie, dass er immer noch der Vergangenheit hinterher trauerte. Er hatte seine beste Freundin ziehen lassen, damit sie mit Yamato ihr Glück versuchen konnte, obwohl er selbst für ihre rothaarige Freundin schwärmte. Dass hatte Mimi bereits all die Jahre vermutet gehabt, auch wenn wohl anfangs nur eine kindliche Schwärmerei dahintersteckte. Es waren die liebevollen Blicke, die er ihr zuwarf. Wie sich sein Gesicht erhellte, wenn er mit ihr sprach oder herumalberte. All das hatte ihn verraten, auch wenn sie nur Momentaufnahmen mitbekam, waren seine Gefühle offensichtlich. Jedenfalls für Mimi. „Na, was machst du denn hier draußen so alleine? Willst du nicht wieder reinkommen? Gleich beginnt das Feuerwerk“, informierte sie ihn mit sanfter Stimme. Er zuckte kurz zusammen, da er sie nicht sofort bemerkt hatte. Doch ein mattes Lächeln zog sich über seine Lippen hinweg und versuchte die Traurigkeit, die sie in seinen Augen lesen konnte, zu verdecken. Doch sie hatte ihn bereits durchschaut. „Ich denke von hier aus, kann man alles viel besser erkennen…“, murmelte er mit verhangener Stimme, ohne sie direkt anzusehen. Mit langsamen Schritten näherte sie sich und stellte sich dicht neben ihn. Sie drückte ihren Rücken gegen die Hauswand und betrachtete lautlos die funkelnden Sterne, die wie kleine Laternen das dunkle Himmelszelt erleuchteten. „Es ist hart mitanzusehen, oder?“, wisperte sie fast schon ein wenig ehrfürchtig, da sie seine Reaktion schlecht einschätzen konnte. Ein undefinierbarer Laut löste sich von seinen Lippen als er den Kopf senkte und seine leere Colaflasche in der Hand drehte. „Wie schaffst du es nur, mich immer zu durchschauen? Da gibt es sicher einen Trick.“ „Wir kennen uns schon eine halbe Ewigkeit, Taichi“, antwortete sie ihm behutsam. „Ich weiß also wie ich deine Blicke zu deuten habe, auch wenn ich mittlerweile nur noch zu Besuch komme.“ Verbittert presste er die Lippen aufeinander und übte sich im Schweigen, was Mimi schon immer wahnsinnig werden ließ. Sie war eine Person, die oftmals mit ihren unüberlegten Worten und ihrer spitzen Zunge aneckte. Doch ihre Aufrichtigkeit war ein Teil von ihr, den sie sich nicht nehmen lassen wollte. „Möchtest du darüber reden? Manchmal macht es das leichter“, startete sie einen erneuten Versuch. Jedoch schüttelte er sofort den Kopf und stellte seine Flasche auf der kleinen Mauer neben sich ab. „Ich brauche einfach noch ein bisschen Zeit, um mich daran zu gewöhnen. Ich möchte, dass sie glücklich wird und ich denke, dass Yamato genau das schaffen könnte. Ich mein, guck‘ sie dir doch mal an! Sie strahlt bis über beide Ohren und ich…“ Er hielt inne. Die Worte schienen in seinem Hals festzusitzen und formten einen Kloß, der ihm das Schlucken erschwerte. Fieberhaft rang Mimi nach schlauen Ratschlägen, die sie ihm geben könnte, doch zusagen, dass es irgendwann besser werden würde, schien ihr als wenig hilfreich. Er brauchte jemanden, der ihm einfach nur zuhörte. Ihn vielleicht sogar etwas von der tristen Trostlosigkeit ablenkte. Ihm einen Hoffnungsschimmer schenkte, denn er wohl schon länger verloren hatte und den er in der Dunkelheit seines Herzens auch nicht mehr finden würde. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass das neue Jahr keine fünf Minuten mehr von ihnen entfernt war. „Es tut mir echt leid, wie das alles gelaufen ist“, sagte sie leise und berührte zaghaft seinen Arm. In solchen Momenten waren einfache Worte manchmal sogar schon zu viel, weshalb sie sich ein Herz fasste und ihre Arme um seinen angespannten Körper legte. Sie drückte ihr Gesicht in seine Jacke und roch diesen typischen Tai-Duft, der in ihrer Nase kritzelte. Nur sehr schwach begann er ihre liebevolle Geste zu erwidern, doch das machte nichts. Sie standen einige Minuten Arm in Arm beieinander als er plötzlich ihren Kopf anhob und sein markanter werdendes Gesicht im fahlen Mondlicht erhellt wurde. „Danke“, raunte er mit gedämpfter Stimme und Mimi stellte sich bereits wehmütig darauf ein, dass er sie jeden Augenblick loslassen würde. Doch sie verharrten in genau dieser Position, tauschten intensive Blicke miteinander, ohne ein weiteres Wort über ihre Lippen zu lassen. Sanft führ er ihr zartes Gesicht entlang als sich etwas zwischen ihnen veränderte. Es war nur ein winziger Moment, der sich einfach nur magisch anfühlte und ihr Herz zum Höherschlagen brachte. Mit ihren schmalen Fingern glitt sie über den weichen Stoff seiner Jacke und vergrub ihre Nägel darin. Alles schien auf einmal still zu stehen als er sich langsam zu ihr hinunter beugte. Mit großen Augen betrachtete sie seine gezielten Bewegungen. Spürte wie er mit beiden Händen ihr Kinn anhob und langsam seine Augen schloss. Ihre Atmung wurde immer unkontrollierter als sie realisierte was er vorhatte. Es würde also geschehen. Hier und jetzt. Ihr erster Kuss. Mit einem Jungen, der sie meist an den Rand des Wahnsinns trieb. Der, der im Kindergarten ihren Puppenwagen vor ihren Augen zerbrochen hatte, weil er einfach zu schwer für das Plastikgestell war. Der, der sie immer vor den größeren Jungs in Schutz genommen hatte, die einfach grob an ihren Zöpfen gezogen hatten. Der, der sie als kleines Mädchen schon so verzaubert hatte und in ihr Gefühle auslöste, die sie bisher noch nicht kannte. Ungeduldig wartete sie darauf, dass sich ihre Lippen endlich berührten. Sie schloss ebenfalls die Augen, blinzelte jedoch hin und wieder, um zu erkennen, wie nah er ihr bereits gekommen war. Mimi reckte sich ihm etwas entgegen, stellte sich auf ihre Zehenspitzen als sie seine rauen Lippen das erste Mal auf Ihren spürte. Ein wildes Durcheinander breitete sich in ihr aus und erweckte tausende Schmetterlinge, die in ihrem Bauch feurig umhertanzten. Sie hatte erwartet, dass es nur ein kurzer Kuss werden würde, doch im Hintergrund hörte sie bereits das schallende Feuerwerk, dass das neue Jahr einläutete. Statt von ihr abzulassen, wurde ihr unschuldiger Kuss von Minute zu Minute leidenschaftlicher. Sie berührte zärtlich seine Lippen als sie plötzlich seine warme Zunge wahrnahm, die flehend um Einlass bettelte. Verlangend schlang sie die Arme um seinen Nacken und zog ihn bestimmend näher heran. Ohne groß darüber nachzudenken, öffnete sie ihren Mund leicht und ließ ihn gewähren. Stürmisch drang er in ihren Mundraum ein und streichelte fordernd ihre Zunge, die sich zu einem wilden Duell mit Seiner breit machte. Wieder und wieder musste sie unterdrückt keuchen als ihr bewusst wurde, dass dieser Kuss wohl mehr als eine einfache Geste für das Neujahrsglück darstellte. Er war leidenschaftlich, gefühlvoll und setzte Empfindungen in ihr frei, die sie bisher noch nicht kannte. Eine tiefe Sehnsucht breitete sich in ihrem Herzen aus, während beide engumschlugen das neue Jahr auf ihre Weise einläuteten. _ „Wieso hast du ihnen nicht gesagt, dass Tai dein erster Kuss war?“, hinterfragte Sora skeptisch als sich die beiden Mädchen nach dem Film dazu entschlossen hatten, gemeinsam die Spülmaschine auszuräumen und eine weitere Schüssel Popcorn für alle zuzubereiten. „Pscht…nicht so laut“, flüsterte Mimi ihr zu und legte automatisch den Zeigefinger auf ihre Lippen. Ein kurzer Blick huschte zu ihrer Zimmertür, die ein Spalt geöffnet war. Yolei und Kari durchstöberten gerade ihr DVD-Regal, um einen neuen Film auszusuchen. „Was denn? Ist dir das etwa peinlich?“ Sora nahm die Teller aus der Spülmaschine und verstaute sie im Schrank. „Nein, ist es mir nicht“, beteuerte sie immer noch im Flüsterton. „Aber seine Schwester muss wirklich nicht wissen, dass ich mit ihrem Bruder rumgemacht habe. Wir waren damals noch so jung gewesen und trotzdem war es sehr…intensiv.“ Sie errötete dabei, wenn sie an das wilde Zungengefecht von damals zurückdachte. Sora hatte sie damals nur davon erzählt, weil sie es selbst verwirrt hatte und sie unbedingt jemanden zum Reden brauchte. Natürlich hatte sie nicht verraten, dass sie kurz davor noch über ihre Beziehung zu Matt gesprochen hatten und Mimi eigentlich nur zu Tai gekommen war, um ihn zu trösten. „Tja, bei euch beiden knallt eben öfters Mal eine Sicherung durch. So leidenschaftlich wie ihr euch streitet, ist es kein Wunder, dass da Gefühle entstehen, die keiner mehr zuordnen kann“, meinte Sora augenverdrehend und wirkte etwas genervt auf sie. „Da sind keine Gefühle im Spiel! Nicht mehr…“, korrigierte Mimi sie sofort. „Es gibt außerdem jemand anderen, den ich mag und der mich ebenfalls sehr gern zu haben scheint.“ „Du meinst Makoto? Der spielt doch nur mit dir!“, erwiderte Sora alarmierend. „Das weißt du doch gar nicht!“ „Oh doch! Auf Matt hat er auch einen schlechten Einfluss und ich kann mir nicht vorstellen, dass zu einer monogamen Beziehung überhaupt fähig ist!“ „Das sind doch alles Unterstellungen“, raunzte sie empört und konnte nicht fassen, was ihre beste Freundin da von sich gab. Sie kannte ihn doch kaum und sah nur das Negative, nur, weil Matt versuchte seinen Traum zu leben, der Sora einfach nicht in den Kram passte. „Ich mache mir eben nur Sorgen um dich, okay?“, versucht sie einen ruhigeren Ton einzuschlagen. „Ich weiß, dass dich damals diese Sache mit Taichi sehr verletzt haben muss, aber ihr wart nicht zusammen und…“ „Davon möchte ich nichts mehr hören“, murmelte sie unterkühlt als ein kalter Griff ihr Herz umfasste und es schmerzvoll zusammendrückte. „Ich bin bereit für etwas Neues! Und mir ist egal, was du darüber denkst.“ Ihre Worte hallten in der kleinen Küche nach als sie den Besteckhalter leerräumte, eine Schublade aufzog und in den jeweiligen Fächern, die Messer und die Gabeln stur verteilte. „Okay, wenn du meinst“, antwortete Sora kleinbeigebend und schüttelte zweifelhaft ihre rote Mähne. „Pass‘ aber auf, dass du deine Gefühle auch richtig deutest und nicht nach einer Ablenkung von deinem Schmerz suchst!“ Mimi seufzte nur herzzerreißend, blieb Sora aber eine Antwort schuldig. Sie wusste nicht, was sie darauf noch erwidern sollte. Es war doch schließlich ihr Leben. Und sie wollte wieder glücklich werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)