Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 7: Erwachsen werden ist nicht leicht -------------------------------------------- ♥ Taichi ♥ Erschöpft drehte er sich zur Seite und blinzelte leicht, um sich an das Tageslicht zu gewöhnen, dass bereits durch sein Fenster schien. Schwerfällig öffnete er die Augen, kniff sie aber danach sofort wieder zusammen, da die Sonne ihn blendete. Er schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und spielte mit dem Gedanken, es einfach unter der Bettdecke zu vergraben als sich eine andere Erkenntnis in seinem Kopf ausbreitete. Er hatte heute Geburtstag. Es war kaum zu glauben, aber die letzten Wochen des Aprils waren einfach so an ihm vorbeigerauscht, die er meist mit hartem Training und Vorbereitungsstunden für die Universitäten verbracht hatte. Die Zeit flog einfach an ihm vorbei, so als hätte sie ihre Bedeutung verloren. Aus Minuten wurden Stunden, aus Stunden wurden Tage und aus Tagen wurden Wochen. Alles spielte sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit ab, so wie der Sand am Strand, der einfach so durch seine schmalen Finger rann und schneller wieder ein Teil des Ganzen wurde als ihm eigentlich lieb war. Lieber würde er jedes einzelne Sandkörnchen bewusst wahrnehmen, jede Facette aufsaugen und so lange festhalten, wie es ihm möglich war. Doch er wusste, dass es sich hier um eine Wunschvorstellung handelte. Das Abschlussjahr zehrte sehr an seinen Nerven und auch die Situation Zuhause bedrückte ihn zusehends. Erst gestern hatte er erfahren, dass seine Mutter für eine kranke Kollegin im Krankenhaus einspringen, und auch sein Vater den Abend über mit seinen Kollegen eine Präsentation für einen weiteren Investitionspartner vorbereiten musste. Mittlerweile sah es immer schlechter für die Firma aus, auch wenn sein Vater sein Bestmöglichstes gab. Manchmal war das leider jedoch nicht genug, weshalb Taichi mit allen Mitteln seine Eltern unterstützen wollte. Deswegen war auch das Stipendium so wichtig für ihn. Nicht weil er Sport studieren wollte und sich an einer renommierten Uni als talentierter Fußballspieler sah – nein, es ging schlicht und ergreifend ums Geld. Geld, das seine Familie nicht besaß. Deswegen würde er alles versuchen, die Zähne zusammenbeißen und hart arbeiten, um dieses verdammte Stipendium zu erhalten. Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt und wurde zu seinem inneren Antrieb, auch wenn er auf viele Dinge mittlerweile verzichten musste. Zwar bekam er nach wie vor Taschengeld, versuchte aber behutsamer mit seinem Geld umzugehen, einiges anzusparen und es nicht für sinnlosen Krempel auszugeben. Ihm war erst so wirklich bewusstgeworden, wie viel Geld man doch an einem Abend ausgeben konnte als er das Konzert von Matt letztens besucht hatte. Deshalb verbrachte er seinen Geburtstag auch gemütlich mit Kari zu Hause, auch wenn sie gefühlt tausendmal nachgefragt hatte, ob es wirklich für ihn okay sei. Natürlich wäre er lieber mit seinen Freunden feiern gegangen, aber auch die Golden Week stand mal wieder vor der Tür, wo viele ihre Familien besuchten und die Zeit lieber zuhause verbrachten. Und er hatte kein Problem etwas Zeit mit seiner Schwester zu verbringen. Er wusste, was sie durchmachte, weil er das Gleiche durchlitt. Gemeinsam hielten sie wie Pech und Schwefel zusammen. Sie redeten oft über die Situation zu Hause, eröffneten ihre Bedenken, wenn ihr Vater mal wieder zu tief ins Glas geschaut hatte oder ihre Mutter völlig überarbeitet zuhause ankam und nur noch erschöpft ins Bett fallen konnte. Taichi wusste, was er an seiner Familie hatte und wollte sie nicht im Stich lassen. Gemeinsam waren sie stark, egal welche Schwierigkeiten auch noch auf sie zukommen würden. Er setzte sich langsam auf, streckte sich entkräftet und blieb ein paar Minuten sitzen, bevor er noch ein wenig müde aus seinem Bett stieg und zu seiner Zimmertür tapste. Er rieb sich verschlafen die Augen als sie öffnete und plötzlich mehrere Stimmen ertönten. „Alles Gute zum Geburtstag“, beglückwünschten ihn seine Eltern und Kari herzlich. Seine Schwester drückte ihn sofort an sich, während seine Mutter einen Schokocupcake mit Kerze vor ihm präsentierte. „Danke“, antwortete er strahlend als sein Vater ihm liebevoll durch die Haare wuschelte und ihn aufforderte die Kerze auszupusten. „Vergiss nicht, dir etwas zu wünschen“, erinnerte Kari ihn, bevor er die Augen schloss und gedanklich einen Wunsch formulierte, der auf seinem Herzen lag. Mit einem Atemzug hatte er auch die Kerze bereits ausgeblasen. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen als er den gedeckten Frühstückstisch entdeckte. „Wir haben ein paar Leckereien besorgt. Und ich habe Miso-Suppe gemacht und sogar etwas Fisch besorgt, der im Angebot war“, informierte seine Mutter ihn stolz. Taichis Augen wurden immer größer und das Wasser lief ihm bereits im Mund zusammen. Miso-Suppe war das einzige, was seine Mutter wirklich gut hinbekam, auch wenn er ihr das besser nicht sagen wollte, um sie nicht zu verletzen. „Das riecht echt lecker, Mama“, lobte er sie stattdessen und setzte sich gemeinsam mit Kari und seinen Eltern an den Frühstückstisch. _ Nach einem hervorragenden Frühstück, schritt der Tag immer weiter vor. Er bekam viele Nachrichten von seinen Freunden und Klassenkammeraden, die ihm ebenfalls „Alles Gute“ wünschten. Gegen Nachmittag machte sich seine Mutter auf den Weg zur Arbeit, während sein Vater sich für das Treffen mit seinen Kollegen fertigmachte. Während Kari bereits einige Filme raussuchte, die sie gemeinsam gucken wollten, lehnte sich Taichi an die Wand des Flurs und beobachtete seinen Vater dabei, wie er in seine Schuhe schlüpfte. „Tut mir echt leid, dass ich jetzt nochmal weg muss, aber die Präsentation ist diesmal wirklich sehr wichtig“, versuchte er ihm nachdrücklich zu erklären, aber Tai verstand seine Situation auch so. Er würde sicherlich genauso handeln und es war ja nicht so als hätte er nächstes Jahr nicht wieder Geburtstag. „Ist schon in Ordnung. Ich verstehe das, wirklich“, versicherte er ihm und schenkte seinem Vater ein aufmunterndes Lächeln als er plötzlich mit seiner Hand zu seiner Hosentasche griff und sein Portmonee zückte. Er hielt ihm etwas Geld hin, mit der indirekten Aufforderung es anzunehmen. Erstaunt blickte Taichi zu ihm und ließ unsicher die Schultern hängen, unwissend, ob er es tatsächlich annehmen sollte oder nicht. „Was soll ich denn damit?“, fragte er ratlos nach, da er nicht vorhatte das Haus heute normal zu verlassen. „Na los, nimm‘ es schon. Kauf‘ deiner Schwester und dir ein paar Süßigkeiten oder holt euch für heute Abend eine Pizza. Du hast Geburtstag und ich möchte, dass du dir noch einen schönen Abend machst.“ „Danke, aber…“, noch immer hielt er sich zurück, auch wenn 2400 Yen nicht die Welt waren. Er hatte ein schlechtes Gewissen zusätzliches Geld von seinem Vater anzunehmen, da er genauestens über ihre finanzielle Situation Bescheid wusste. Letzten Monat hatten sie sogar Schwierigkeiten gehabt, die Stromnachzahlung zu begleichen, weshalb Tai die Misere nicht noch verschlimmern wollte. „Tai, komm‘ es sind nur 2400 Yen. Der Monat ist zu Ende und ich gebe es dir gern“, erwiderte er und drückte ihm die Geldscheine in die Hand, bevor er etwas erwidern konnte. „Ich weiß noch nicht, wann ich genau heimkommen werde, aber es wird wohl doch sehr spät werden“, kündigte er vorsichthalber an als sich ein müder Ausdruck über sein Gesicht legte. „Okay…“, antwortete er nur und sah, wie sein Vater in seine Jacke schlüpfte und sich zu seiner Aktentasche bückte. Tai presste die Lippen aufeinander als ihm etwas durch den Kopf schoss, das er schon viel länger ansprechen wollte. Nervös kaute er auf seiner Unterlippe und knautschte die Scheine in seinen Händen unruhig zusammen. „Bitte versuch heute nicht so viel zu trinken, wenn ihr nach der Arbeit noch einen Abstecher macht.“ Überrascht blickte Susumu auf und musterte seinen Sohn kritisch. „Taichi, wir müssen unbedingt neue Investoren gewinnen. An Bier oder ähnliches ist da wirklich nicht zu denken“, rechtfertigte er sich sofort, auch wenn er bestimmt schon gemerkt hatte, dass er oftmals zu viel getrunken hatte. Doch Taichi wollte ihn nicht provozieren, da er sein zorniges Gesicht bereits erkannt hatte. Wahrscheinlich machte er sich auch zu viele Sorgen. Jeder trank doch mal etwas mehr, wenn er viel Stress hatte. Und sein Vater hatte großen Stress. Würde es diesmal wieder nicht klappen, stand die Firma sicher bald vor dem Ruin. Hunderte Arbeitsplätze standen auf dem Spiel und ruhten auf den gebrechlichen Schultern seines Vaters, der mit seinem Team versuchte, das Unmögliche wahr werden zu lassen. „Du machst dir zu viele Sorgen“, begann er auf einmal und legte ein überzeugtes Grinsen auf. „Ich werde das schon hinbekommen. Unser Konzept weist zwar noch einige Schwächen auf, aber wir sind ein eingespieltes Team und werden das gemeinsam schaffen. Hab nur etwas Vertrauen, ich regele das schon.“ _ „Und du bist dir sicher, dass du deinen Schlüssel nicht verloren hast?“, hakte Tai alarmierend nach als seine Schwester und er von ihrem Einkauf aus dem Supermarkt an der Ecke zurückkehrten. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihn nur nicht gefunden habe. Gestern hatte ich ihn noch“, rechtfertigte sich Kari ausweichend und blickte zufrieden in die volle Tüte mit Süßigkeiten, die sie sich gegönnt hatten. Taichi seufzte nur, da er sich seinen Geburtstag schon ein bisschen gemütlicher vorgestellt hatte. Über eine Stunde waren sie in dem Supermarkt gewesen, weil sich seine Schwester nicht entscheiden konnte, welche Schokolade sie lieber essen wollte. Traube-Nuss oder doch besser Vollmilch? Warum konnten sich Frauen nie gleich entscheiden und mussten immer so ein Fass aufmachen? Er verstand das andere Geschlecht einfach nicht. Große Worte um nichts. Langsam erreichten sie das Stockwerk ihrer Wohnung als Kari neben ihm immer unruhiger zu werden schien. „Ist alles klar bei dir, oder bist du bereits unterzuckert?“, fragte er grinsend, was Kari mit einem eindeutigen Kopfschütteln verneinte. „Schließ‘ einfach endlich die Tür auf“, kommandierte sie ihn als sie direkt davorstanden. „Ich möchte endlich meinen Liebesfilm sehen.“ Taichi verrollte nur die Augen als er den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür behutsam aufdrückte. „Den kannst du aber alleine…“ „ÜBERRASCHUNG!“, riefen alle wild durcheinander und Tai erstarrte für einen kurzen Augenblick. Vor ihm standen tatsächlich seine Freunde, die ihre Wohnung mit Luftschlagen dekoriert hatten. Auf dem Küchentisch standen bereits duftende Leckereien und verschiedene Getränke, mit denen die anstehende Party nur ein Erfolg werden konnte. „Aber wie…wie seid ihr hier reingekommen?“, fragte er sprachlos als ihm nach und nach zum Geburtstag gratuliert wurde. „Wir hatten einen kleinen Helfer“, antwortete Takeru lachend und hielt Karis Schlüsselbund in die Höhe. „Keine Sorge, die Tür mussten wir zum Glück nicht aufbrechen.“ Er warf seiner besten Freundin den Schlüssel zu, den sie etwas ungeschickt auffing. „Du hast das also geplant gehabt?“ Taichi richtete einen fragenden Blick zu seiner Schwester, die prompt eine Unschuldsmiene auflegte. „War eine spontane Idee gewesen“, erwiderte sie locker, während Taichi glücklich durch die kleine Runde wanderte. „Nanu, habt ihr Cody vergessen einzuladen?“, fiel ihm direkt auf als er den Jüngsten der Gruppe nirgends entdeckte. „Cody ist mit seiner Mutter bereits gestern zu seinen Großeltern gefahren. Leider konnten sie das nicht mehr umlegen, aber er wünscht dir natürlich auch alles Gute“, fasste Yolei kurz zusammen und lächelte milde. Taichi nickte nur als Mimi direkt das Wort ergriff und sich ein Glas schnappte. „Okay, jetzt sollten wir aber mal alle unser Glas erheben und auf unser Geburtstagskind anstoßen.“ Sie hob ihr Glas, wartete kurz bis jeder etwas zu trinken hatte und sprach einen knappen Trost auf Taichi aus, bevor sie in einen gemütlichen Abend starteten. _ Sie lachten herzlich als sie sich alle an dem ausgezogenen Küchentisch niedergelassen hatten. Gemeinsam aßen die mitgebrachten Köstlichkeiten, schwelgten in Kindheitserinnerungen und überreichten Taichi bereits die ersten Geschenke. Gespannt riss er ein bunt verpacktes Päckchen nach dem anderen auf und freute sich über jede Kleinigkeit, die sich seine Freunde für ihn überlegt hatten. Von Kari und seinen Eltern hatte er, aufgrund der angespannten finanziellen Situation, einen Kinogutschein bekommen, obwohl er ihnen gesagt hatte, dass sie ihm gar nichts schenken brauchten. Dennoch hatte er sich über die kleine Geste sehr gefreut und öffnete gespannt das Geschenk, das ihm Davis überreicht hatte. Zügig öffnete er das Papier und er konnte bereits erkennen, dass es sich um ein Buch handeln musste. Davis huschte ein Grinsen über die Lippen als Tai es verwundert herumdrehte und den Buchdeckel betrachtete. „Ein Kochbuch für Nudelsuppen?“, hakte er irritiert nach und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Davis nickte nur bestätigend und lehnte sich zu ihm rüber. „Das sind hundert verschiedene Rezepte, wenn nicht sogar mehr“, antwortete er begeistert, während ein betretendes Schweigen einkehrte. „Sicher, dass du es nicht doch für dich gekauft hast?“ hinterfragte Takeru skeptisch. „Was? Wie kommst du denn auf so einen Unsinn? Kari meinte, dass er einfachere Rezepte braucht, um als Student später nicht zu verhungern. Und eine gute Nudelsuppe ist schnell gemacht. Ich brauche achteinhalb Minuten“, brüstete er sich mit erhobener Brust. „Okay, das nächste Geschenk, bitte “, pfiff Yolei gelangweilt und kassierte von Davis einen eindeutigen Blick. Tai grinste nur amüsiert und nahm das Geschenk von Matt und Sora entgegen, die direkt neben ihm saßen. Es war sehr klein und äußerst dünn, weshalb Taichi auch gleich einen Gutschein oder etwas Ähnliches vermutete. Tatsächlich hatten sie ihm einen Geschenkgutschein für ein Sportgeschäft geholt, indem sich Taichi ein Paar neue Fußballschuhe kaufen wollte. Er hatte zwar schon daraufhin gespart, aber so war es selbstverständlich einfacher. „So und jetzt kommt mein Geschenk“, bestimmte Mimi mit schriller Stimme und reichte die pink eingehüllte Verpackung an Taichi weiter. Mit einem etwas angewiderten Gesicht betrachtete er das quietsch-pinke Geschenkpapier, auf dem weiße Schleifchen abgebildet waren. „Ein noch mädchenhafteres Papier hast du wohl nicht gefunden“, meinte er und machte es behutsam an den Seiten auf. „Genau genommen hatte ich noch welches mit Prinzessinnenkrönchen. Wusste ja nicht, dass du auf sowas stehst“, witzelte sie schulterzuckend und legte eine Unschuldsmiene auf, während sich ein leises Kichern durch den Raum zog. Doch davon ließ er sich nicht beirren und zog den viereckigen Gegenstand hervor. Etwas enttäuscht darüber, dass auch Mimi ihm ein dämliches Buch geschenkt hatte, versuchte es sich trotzdem vor ihren Augen zu freuen. „Danke, ich…“, er hielt inne als er es auf die Vorderseite drehte. „Ein Vergissmeinnicht?“ Verwundert betrachtete er das seichte blau und konnte sich keinen Reim darauf bilden, was sie ständig mit diesen Blumen hatte. Hatten sie etwa eine tiefere Bedeutung für sie? Langsam fuhr er mit den Fingern die raue Kante des Buches nach und öffnete es zaghaft. Mit den Augen huschte er über die alten Fotos und Sprüche, die sie mühevoll eingeklebt und rausgesucht hatte. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie es selbst gemacht hatte und sehr viel Mühe in dem kleinen Fotoalbum steckte. „Oh mein Gott, da sind ja Koushiro, Mimi, Tai und ich drauf“, fiel Sora sofort auf und nahm es Taichi prompt aus der Hand, um es Matt zu zeigen. „Da waren wir doch auf dem Sommerfest, wo Tai die Kletterwand runtergefallen ist“, erinnerte sie sich als auch die Aufmerksamkeit der anderen voll und ganz auf das kleine Fotobuch gerichtet war. „Ja genau, aber vorher hat er noch Izzy hochgejagt, der sogar ganz oben drauf gesessen hat“, berichtete Mimi weiter und schenkte ihrem besten Freund ein anerkennendes Lächeln, das ihn sofort verlegen machte. „Ach, das waren noch Zeiten“, seufzte Sora und reichte das Buch weiter, ohne es Taichi zurückzugeben. Etwas beleidigt blies er die Wangen auf, sah aber sofort, wie seine kleine Schwester ausgelassen und fröhlich ihren Freunden alte Bilder von sich präsentierte. Früher waren sie wirklich ein eingeschweißtes Team gewesen, das sich nicht mit Erwachsenen-Problemen beschäftigen musste. Sie waren Kinder, die jede Minute ihres unbeschwerten Lebens genossen und keine Zeit an morgen verschwendeten. Doch Taichi war erwachsen geworden. Machte sich Gedanken um seine Zukunft und wie er all das nur schaffen sollte. Er war kein kleiner Junge mehr, der einfach mit dem Kopf durch die Wand wollte – egal wie sehr es auch wehtun würde. Mittlerweile hatte er sich verändert. Er war vorsichtiger geworden, wollte lieber den sicheren Weg wählen, um keinem zur Last zu fallen. Die Vergangenheit war nur noch ein Schatten einer bunten Seifenblase, die bei der nächsten Berührung zu platzen drohte. _ Nachdem er seine Geschenke fertig ausgepackt hatte, verteilten sich seine Gäste in der kleinen Wohnung. Im Hintergrund spielte Musik, während er sich ein kühles Bier genehmigte, dass Yamatos Vater ihnen gesponsert hatte. Er stand eine Zeitlang bei Joe und unterhielt sich angeregt über seine jetzigen Unierfahrungen, die er bereits machen durfte. Er besuchte zurzeit noch eine Vorbereitungsuniversität und würde erst im nächsten Semester auf die reguläre Medizinhochschule wechseln, die bereits sein Vater besucht hatte. Er hatte eine sehr klare Vorstellung, was er von seinem Leben erwartete, auch wenn Taichi wusste, dass er anfangs kein Arzt werden wollte. Manchmal fragte er sich, ob er von sich aus zu dieser Entscheidung gekommen war oder ob andere, vielleicht auch familiäre Gründe, eine Rolle gespielt hatten. Doch soweit wollte er heute Abend nicht gehen. Erschöpft ließ er sich deswegen auf der Couch nieder und wanderte mit einem aufmerksamen Blick durch die Wohnung. Während sich Sora, Yamato und Mimi auf dem Balkon befanden und die Sterne bewunderten, saß die jüngere Generation gemeinsam mit Joe und Izzy in seiner Nähe und unterhielten sich angeregt. Er beobachtete Davis, der seiner Schwester mal wieder einen verstohlenen Blick zuwarf, während sich diese locker mit Ken unterhielt und mit einer ausschweifenden Handbewegung ihre Erzählungen scheinbar untermauern wollte. Tai grinste leicht als er wieder zu seinen Geschenken sah, die sie auf dem Couchtisch platziert hatten. Nachdenklich fischte er nach dem Fotoalbum, das er sich noch gar nicht richtig angesehen hatte. Sofort schlug er eine beliebige Seite auf und stöberte durch die Bilderlandschaft, die sich vor ihm erstreckte. Manche Erinnerungen waren bereits verblasst und schienen durch das Fotoalbum wieder allmählich in sein Gedächtnis zu treten. Er schmunzelte leicht als er die alten Kindergartenbilder vor sich sah, wo die Jungs noch bequeme Latzhosen und die Mädchen seltsame Zöpfe trugen, die wild zu Berge standen. Auch die kurzen Sprüche und Erklärungen, die Mimi mühevoll aufgeschrieben hatte, ließen die Vergangenheit lebendig werden. „Na, gefällt es dir?“, ertönte eine liebliche Stimme und ließ ihn kurz zusammenschrecken. Vor ihm stand tatsächlich die Geschenkegeberin höchstpersönlich und lächelte ihn freudig an, bevor sie sich auf der Couch neben ihm niederließ. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dir für meinen Geburtstag so viel Mühe gibst“, stichelte er und ging nicht wirklich auf ihre Frage ein. „Ich gebe mir für all meine Freunde Mühe“, plusterte sie sich empört auf. „Bild‘ dir darauf ja nichts ein.“ „Schon klar“, lachte er, konnte aber nicht verbergen, dass ihr Geschenk ihn sehr freute, auch wenn er noch nicht ganz verstand, was sie schon wieder mit diesem Vergissmeinnicht sagen wollte. Er wusste zwar, dass es ihre Lieblingsblumen waren, allerdings hatte sie ihm nie verraten warum. „Danke…“, flüsterte er ihr mit rauer Stimme zu. Sie hob den Kopf sachte an und wirkte etwas verlegen auf ihn. „Gern geschehen“, antwortete sie bedacht als sie einen intensiven Blick mit ihm wechselte, den er nicht genau deuten konnte. Dennoch legte sich eine seltsame Stimmung über die beiden, die ihn wahnsinnig machte und ihm jeden klaren Gedanken raubte. Sie war die einzige, die ihm bereits schon mal ein selbstgemachtes Geschenk überreicht hatte. Damals war er gerade fünfzehn geworden und sie lebte immer noch in den USA. Dennoch standen sie sich in dieser Zeit sehr nah, schrieben oft Mails miteinander und hielten die Verbindung zueinander immer aufrecht, die sich allmählich zu verändern schien. Zarte Gefühle schlichen sich unter das tiefe Band der Freundschaft, dass schon seit Kindheitsbeinen bestand, aber keiner der beiden gefährden wollte. Zumal auch damals schlicht und ergreifend die Entfernung hinzukam. Auch wenn sie mittlerweile wieder ein fester Teil seines Lebens geworden war, konnten sie nicht die Fehler der Vergangenheit rückgängig machen, die sie einst beide begangen hatten. Schwerfällig versuchte Taichi seine Zweifel hinunter zu schlucken und sich einmal nicht hinter den ganzen Sticheleien und ständigen Bestreitungsversuchen zu verstecken. Er wollte wieder ganz normal mit ihr umgehen, auch wenn es schwer für ihn war. Gerade als er sich überwinden wollte, das Gespräch mit ihr zu suchen, wurde er von dem lauten Vibrieren ihres Handys aus dem Konzept gebracht. Hektisch kramte sie es aus ihrer Hosentasche hervor als sich ein Lächeln auf ihren Lippen abzeichnete, während sie gebannt auf das Display starrte. „Wer hat dir denn geschrieben?“, hakte Taichi angespannt nach, nachdem sich ihr Grinsen einfach nicht verflüchtigte. „Niemand wichtiges“, antwortete sie sofort, tippte aber seelenruhig eine Nachricht, was Taichi misstrauisch werden ließ. In einem unbeobachteten Augenblick, schielte er auf das Display, konnte aber nicht viel davon erkennen, weil sie es absichtlich so hielt, dass er nichts sehen konnte. Frustriert knabberte er an seiner Unterlippe und schloss, wegen Mimis eindeutigem Gesichtsausdruck, dass nur ein Kerl dahinterstecken konnte. In ihm begann es augenblicklich zu brodeln, auch wenn er streng genommen gar kein Recht dazu hatte eifersüchtig zu werden. Dennoch war er es. Mehr als er jemals bei ihr zugeben würde. Verbittert schaute er auf seinen Schoss, indem immer noch das Fotoalbum ruhte. Schlagartig wurde ihm bewusst, was sie ihm damit sagen wollte. Es ging nicht darum, die Erinnerungen festzuhalten. Sie war bereit sie loszulassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)