Fliegende Schmetterlinge von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 1: Alleine ------------------ Endlich ist der Sommer da. In vollen Zügen genieße ich die wärmenden Strahlen der Sonne, die das ganze Land aufheizen. Während sich die meisten meiner Mitschüler beklagen, bin ich froh darüber, dass wir heute draußen Sport haben. "Malik, warum siehst du so glücklich aus? Das Wetter ist einfach nur eine Qual. Wenn es nach mir ginge, hätten wir schon längst Hitzefrei", beklagt sich Ryuji, der gerade seinen Sprint hinter sich hat und scheinbar nicht nur deswegen so schnauft. "Ist doch schön, dass es endlich wärmer ist." Nun macht sich wohl deutlich bemerkbar, dass ich eigentlich aus einem anderen, wesentlich heißerem Land komme. "Ich fand die Frühlingstemperaturen wirklich mehr als ausreichend. Ich hasse es, so zu schwitzen." Nachdem sich sein Atem endlich beruhigt hat, nimmt er einige Schlucke aus seiner Wasserflasche. Etwas Mitleid habe ich schon mit meinem Kumpel. "Zumindest haben wir heute viele Pausen", versuche ich ihn etwas aufzumuntern. Es werden Noten gegeben, so dass nur immer fünf Schüler gleichzeitig am Rennen sind. Die Anderen können sich in dieser Zeit erholen. "Toll. Etwas Schatten wäre mir lieber." Leider gibt es auf dem gesamten Sportplatz kein schattiges Fleckchen, so dass ich ihm dabei auch nicht weiterhelfen kann. Schließlich bin ich mit Rennen dran. Nach drei Durchläufen, wovon der Beste benotet wird, ist die Doppelstunde auch schon vorbei. Zusammen mit meinen klagenden Mitschülern begebe ich mich in die Umkleiden, wo sich ausnahmslos alle erst einmal eine kühle Dusche gönnen, mich eingeschlossen. "Wie läufts eigentlich mit Amane?" Wir sind gerade auf dem Weg zu unserem nächsten Unterrichtsraum, als Ryuji mir diese Frage stellt. Kurz überlege ich, ob ich überhaupt antworten, oder ihn einfach ignorieren soll. "Du weißt genau, dass ich darüber nicht mit dir reden will." Nicht, dass irgendwas nicht okay wäre. Ich weiß einfach nicht, was ich ihm da groß erzählen soll, ohne irgendwelche intimen Details preiszugeben. Würde er Amane nicht so gut kennen, hätte ich vielleicht kein Problem damit, so aber fühlt es sich falsch für mich an. "Ich meine mit Bakura", entgegnet der Schwarzhaarige, obwohl ich mir sicher bin, dass die eigentliche Intention seiner Frage eine andere war. "Soweit ganz gut. Allerdings glaube ich, dass er sich immer noch daran stört." Zwar machen wir wieder mehr zusammen und auch der kleine Streit ist längst vergessen, doch ein paar Feinheiten entgehen mir nun einmal nicht. "Hat er dir nichts erzählt?" Auf meine Frage zögert Ryuji kurz, so dass ich mir nicht sicher bin, ob er mir die Wahrheit sagt. "Darüber redet er nicht. Ich hab ihn mal gefragt, aber das fand er gar nicht so toll." Er zuckt kurz mit den Schultern. Ich weiß ja selbst, dass Bakura manchmal ein schwieriger Mensch ist. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass Ryuji mehr weiß, als er behauptet. Ärgern tut mich dies keineswegs, immerhin sollte Bakura seinem Freund vertrauen können, und wie sollte er das, wenn dieser bei jeder Gelegenheit mir weiter erzählt, was er ihm anvertraut hat. "Na ja, ich werd schon noch mit ihm reden." Das will ich wirklich. Besser jetzt, als wenn irgendwann wieder die Bombe platzt. Nach der Schule treffe ich mich, wie fast jeden Tag, mit Amane am Schultor. "Und was habt ihr zwei so vor?" So wie Ryuji fragt, scheint er bereits selbst etwas geplant zu haben und möchte nur sicher gehen, dass sich unsere Wege hier wirklich trennen, bevor er sich verabschiedet. Heute liegt er mit seiner Frage richtig, denn wir haben tatsächlich etwas vor. "Malik gibt mir mal wieder Nachhilfe im Malen", erklärt Amane sogleich. Das hat trotz unserer Beziehung keineswegs nachgelassen, viel eher ist es noch mehr geworden. Würde ich Geld für diese Nachhilfestunden nehmen, wäre ich wohl schon längst reich. "Und was hast du vor?", stelle ich Ryuji die Gegenfrage. "Ich werde erst einmal Eis essen gehen und mir anschließend einen entspannten Tag in der Stadt machen." Das heißt bei Ryuji so viel wie, eine ausgiebige Shoppingtour. Ich bin mir fast sicher, dass Amane mitgehen würde, wenn sie nicht bereits etwas vorhätte. "Mit Bakura?", frage ich weiter, obwohl ich mir sicher bin, dass dies nicht der Fall ist. Bakura hasst shoppen, das durfte ich bereits oft genug feststellen. Im Vergleich zu dem Schwarzhaarigen dauert so etwas bei mir aber wirklich nicht lange. "Nein, ich brauch doch auch mal meine Freizeit." So kann man es natürlich auch ausdrücken. "Ich glaube er möchte heute mit Miho für eine Prüfung lernen", erklärt er weiter. Das klingt tatsächlich plausibel, da sich das Schuljahr dem Ende und somit der Klausurphase zuneigt. "Dann viel Spaß bei deinem Stadtbummel", wünscht Amane dem Jungen. "Und euch beim Malen." Etwas zu froh, dafür dass er vorhin noch wegen der Sonne rumgeheult hat, verabschiedet er sich von uns. "Zum Glück ist es hier so kühl", freut sich Amane, als sie mein Zimmer betritt. "Bei uns in der Wohnung ist es immer so warm im Sommer." "Habt ihr keine Klimaanlage?" Nachdem ich meinen Rucksack neben meinem Bett abgestellt habe, krame ich eine leere Leinwand, die Amane bereits am Wochenende hier deponiert hat, hervor. "Doch schon, aber die ist immer so teuer. Aber du magst sowieso die Wärme, nicht war?" Überrascht über ihre Frage schaue ich auf. Dass sie sich daran erinnert, freut mich tatsächlich etwas. "Genau, das erinnert mich immer an Zuhause", scherze ich. Immerhin habe ich dort nur meine ersten Lebensjahre und einige Urlaube verbracht. "Auch wenn die Hitze hier eine andere ist." Hier wird es gerne mal sehr schwül, was mir dann ebenfalls zu schaffen macht. "Also, wobei kann ich dir dieses Mal helfen?", wechsle ich schnell das Thema. Je schneller wir das hinter uns haben, desto eher haben wir wieder nur Zeit für uns. Auch wenn ich genau weiß, dass das nicht so schnell und vor allem nicht an einem Tag gehen wird. "Wieder Perspektive und dieses Mal Menschen." "Aber Menschen kannst du doch sehr gut malen und die Perspektive hast du letztes Mal doch auch super hinbekommen." Nicht dass ich ihr deswegen nicht helfen würde, ich freue mich sogar, wenn wir diese Zeit auch miteinander verbringen können, da Amane sonst lieber alleine zeichnet. Es wundert mich gerade deswegen, dass sie dann mit so etwas zu mir kommt. "Schon, aber bald steht die Prüfung an. Ich will nur sicher gehen, dass auch wirklich alles gut ist und jemanden mit Erfahrung drüber schauen lassen." Dagegen kann ich nichts einwenden. "Okay, dann fang mal mit der Skizze an." Am Abend haben wir Amanes grobe Skizze ausgearbeitet, wobei ich wirklich nicht viel mehr als drübergeschaut habe. Sie ist wirklich talentiert und hat meine Tipps vom letzten Mal sehr gut umgesetzt. Manchmal bewundere ich ihre Leidenschaft fürs Malen wirklich, auch wenn diese bei Schulprojekten eher selten durchkommt. "Danke Malik, du bist mir wirklich eine große Hilfe." Sie lächelt mich so breit an, dass ich nicht anders kann, als sie zu mir zu ziehen und in einen innigen Kuss zu verwickeln. Wie immer beginnt mein Herz dabei wild zu schlagen und ein allzu schönes Gefühl breitet sich in meinem Inneren aus. "Wie wärs, wenn du heute Nacht hier bleibst?" Kaum dass ich mich von ihr gelöst habe, hauche ich ihr diese Frage ins Ohr. Obwohl wir uns fast jeden Tag auch nach der Schule sehen, ist es eher selten, dass wir auch zusammen schlafen. Was das anbelangt, vermisse ich wirklich unseren kurzen Urlaub. "Also, ich weiß nicht. Ich hab keine Sachen hier und Bakura..." Seufzend löse ich mich vollkommen von ihr. "Okay, lass mich dich aber noch zur Haltestelle bringen." Mir ist klar, dass sie gerne bei mir übernachten würde. Doch obwohl sie sonst so selbstständig ist, scheint sie irgendetwas an der momentanen Situation zu stören. Mir bleibt nichts anderes übrig, als endlich mit Bakura zu sprechen und diese unsichtbare Blockade endgültig zu beseitigen. Um meinen Plan, der nicht wirklich ein Plan ist, in die Tat umzusetzen, verabrede ich mich bereits am nächsten Tag mit meinem besten Kumpel. In nächster Zeit will ich möglichst viel Zeit mit Bakura verbringen, um unsere Beziehung noch etwas mehr zu stärken. Allerdings muss ich feststellen, dass das während der Prüfungszeit, beziehungsweise kurz davor, gar nicht so einfach ist. Glücklicherweise ist Bakura kein Mensch, der allzu viel auf die Schule gibt, so dass wir uns tatsächlich an diesem Tag schon treffen können. Wie in alten Zeiten habe ich dazu die kleine Pizzeria in der Stadt gewählt. „Wie laufen die Klausurvorbereitungen so?“, beginne ich ein Gespräch, kaum dass wir uns die Menükarten vom Tisch gegriffen haben. Dass dies nach wie vor ein leidliches Thema für Bakura ist, erkenne ich sofort an seinem Gesichtsausdruck. „Super“, entgegnet er mit deutlicher Ironie in der Stimme. „Warum kannst du dir eigentlich so viel Freizeit erlauben?“ „Bei uns werden die Theorieprüfungen nicht alle auf die letzten Monate geschrieben, ich hab den Großteil längst hinter mir. Jetzt stehen nur noch die Praxisprüfungen an und dafür muss ich nicht lernen.“ Eventuell klinge ich bei meinen Worten etwas hochnäsig, aber so ist es nun einmal. Was meine Zeichenkünste angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich dieses Schuljahr bestehen werde. „Vielleicht habe ich doch die falsche Schule gewählt“, grummelt Bakura, was mich breit grinsen lässt. „Ich bin mir sicher, dass du der neue Picasso werden würdest“, ziehe ich meinen Kumpel auf. Wir wissen beide nur zu gut, dass er keinen geraden Strich ziehen kann. „Sei doch froh, dass du nur Theorie vor dir hast. Unter Zeitdruck so viel zu malen ist auch nicht schön.“ Ich selbst habe glücklicherweise keine Probleme damit, aber es gibt genug Schüler, die das nur gerade so und dann auch nur durch Leistungsabfall hinbekommen. Im ersten Schuljahr haben sogar viele deswegen die Schule wieder verlassen. Nachdem unsere Pizzen da sind, lassen wir das Thema Schule schnell wieder fallen. Erst einmal gehen wir in Schweigen über, während jeder damit beschäftigt ist, seine eigene Pizza auseinanderzunehmen. Ich habe wie immer meine geliebten Meeresfrüchte, während Bakura überraschenderweise eine Gemüsepizza genommen hat. Bereits bei der Bestellung war ich überrascht, nun aber, da ich das grüne Monster vor mir sehe, muss ich ihn darauf ansprechen. „Was ist denn mit dir los?“, frage ich den Jungen, kaum dass ich meine Pizza in viele kleine Stückchen geschnitten habe. Ich kann diese großen, unhandlichen Stücke nicht leiden und Bakura hat sich über die Jahre diese Technik irgendwann bei mir abgeschaut. „Was meinst du?“ Gerade steckt er sich eines der kleinen Stückchen, auf dem irgendetwas Grünes liegt, in den Mund. „Du isst doch sonst nicht freiwillig so viel Gemüse“, erkläre ich meine Verwunderung. Bakuras braune Augen durchbohren mich einen kurzen Augenblick, als müsste er abwiegen, ob er mir den Grund verraten will, ehe er dann doch antwortet. „Miho meinte mit mehr Gemüse könnte ich mich besser konzentrieren und lernen.“ Es fällt mir schwer, ein Auflachen zu unterdrücken. Zwar weiß ich nicht, ob diese Behauptung stimmt, aber alleine, dass Bakura sich wirklich daran hält, ist einfach nur zu komisch. „Und? Spürst du schon was?“, frage ich weiter und stecke mir dann schnell ebenfalls ein Pizzastück in den Mund, um nicht doch noch zu lachen. „Keine Ahnung“, entgegnet er Achselzuckend. „Ich bin nur froh, wenn dieses Schuljahr endlich rum ist.“ Und solange es ihm schmeckt, kann es bestimmt nicht schaden. Da mir im Verlauf des Tages klar wird, dass es in der nächsten Zeit schwierig werden dürfte, noch mehr Zeit mit Bakura zu verbringen, da ihm die Schule scheinbar doch nicht so egal ist, wie ich angenommen habe und er zudem wirklich ziemlich hinterm Lernen herzuhinken scheint, beschließe ich, ihn bereits heute auf Amane anzusprechen. Das mag vielleicht nicht sonderlich nett von mir sein, immerhin wird es vermutlich etwas sein, was ihm dann ebenfalls im Kopf herumschwirren wird, doch bis zum Ende der Prüfungsphase kann ich einfach nicht warten. Gerade verlassen wir die Pizzeria und machen uns auf den Weg zu Bakura nach Hause, als ich mich entscheide, dass nun der richtige Zeitpunkt ist, das Thema zu wechseln. „Bakura, ist eigentlich wieder alles gut bei uns?“ Zwar hat es bisher so gewirkt, doch wirklich angesprochen haben wir es nie. Zu Recht scheint Bakura über den plötzlichen Themenwechsel überrascht zu sein, zumindest dauert es einige Sekunden, bis er aufhört, mich einfach nur anzuschauen. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Seine Stimme klingt dabei so abwertend, dass ich mir meine nächsten Worte gut überlege. „Amane ist in letzter Zeit so zurückhaltend mir gegenüber und ich vermute, dass das deinetwegen ist“, lege ich die Karten auf den Tisch. Als Bakura sich nicht dazu äußert, spreche ich schließlich weiter. „Ich würde mich freuen, wenn sie mal wieder bei mir übernachten würde.“ „Wozu“, fragt er sofort und sein Misstrauen ist ihm nun deutlich anzumerken. „Wozu? So weit ich weiß, schläft Ryuji doch auch ständig bei dir. Es ist eben einfach schön, nachts jemanden bei sich zu haben, den man gern hat.“ Ich bin fast etwas verzweifelt darüber, dass mein Kumpel nach wie vor so stur in dieser Hinsicht ist. Scheinbar haben ihm meine Worte zumindest etwas den Wind aus den Segeln genommen, denn er antwortet nichts darauf. „Ich habe es dir doch schon mal gesagt. Irgendwann wird deine Schwester nun mal einen Freund finden und diese Wahl ist eben auf mich gefallen. Amane kann nichts dafür, genauso wenig wie ich, du müsstest das doch am besten wissen. Aber anstatt froh darüber zu sein, dass es nicht irgendein wildfremder Kerl ist, über den du nichts weißt und der dich womöglich nicht leiden kann, machst du mir auch noch das Leben schwer. Ich weiß wirklich nicht, was dich so sehr an mir stört, aber du kannst dir sicher sein, dass ich nur das Beste für Amane will.“ Nach meiner langen Anrede streiche ich mir die Haare zurück, ehe ich weiterspreche. „Wenn du mir nicht sagst, was dich stört, dann kann ich auch nicht versuchen, etwas daran zu ändern. Und so sehr ich dich auch mag und gewiss keinen Streit mit dir will, ich werde Amane nicht loslassen, solange sie das nicht will. Aber ich fände es wirklich schade, wenn unsere Freundschaft deswegen leiden würde.“ Beziehungsweise noch mehr leiden würde. Doch das äußere ich nicht laut und schaue stattdessen gespannt zu meinem Freund, was er dazu zu sagen hat. Doch wie letztes Mal schon, ist er auch heute nicht sonderlich gesprächig. „Vielleicht hast du Recht, aber so einfach ist es nicht.“ Das ist immerhin schon mal ein kleiner Anfang, wirkt der Junge auf einmal zumindest etwas einsichtig. „Und warum?“, frage ich geduldig nach, als Bakura nicht weiterspricht. Ich kenne meinen Kumpel gut genug, um zu wissen, dass man ihm bei solchen Themen wie Gefühlen alles aus der Nase ziehen muss. Doch anstatt mir zu antworten, geht Bakura einfach schweigend neben mir her. Mit einem leisen Seufzer starte ich einen neuen Versuch. „Ich weiß wirklich nicht, was so schwer ist, dass du es mir nicht einmal anvertrauen kannst. Aber vielleicht fällt es dir bei Miho oder Ryuji ja einfacher. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir dieses Problem irgendwie aus der Welt schaffen können, und wenn wir dazu unsere Freunde zu Rate ziehen müssen ist mir das auch recht.“ Während wir weiterlaufen, schaue ich Bakura von der Seite an. Scheinbar haben ihn meine Worte wirklich aufgewühlt. Zum Teil tut es mir wirklich leid, dass ich ihn damit nun aus der Bahn geworfen habe. Bis zu ihm nach Hause reden wir kein Wort mehr, doch ich weiß genau, dass es in seinem Kopf nun arbeitet und dass er einfach etwas Zeit für sich alleine braucht, die ich ihm nur allzu gerne geben mag. „Also dann bis demnächst“, verabschiede ich mich von dem Jungen, wobei ich ihm kurz meine Hand auf die Schulter lege. Anschließend mache ich mich auf den Heimweg, wo ich selbst noch genug für die Schule zu erledigen habe. Fürs Erste werde ich abwarten, ob sich etwas seitens Bakura tut. Ich kann es nur hoffen. Tatsächlich muss ich nur eine halbe Woche warten, ehe Miho bei mir vor der Tür steht. Vollkommen ohne Ankündigung bin ich doch etwas überrascht, da dies nicht gerade Mihos übliches Verhalten ist. „Miho, komm doch rein“, begrüße ich sie und trete zur Seite, so dass das Mädchen ins Haus kommen kann. „Tut mir leid, falls ich etwas ungelegen komme“, entschuldigt sie sich, kaum dass ich die Tür hinter ihr geschlossen habe. Wir umarmen uns kurz und gehen dann auf mein Zimmer. „Du störst nicht, wirklich“, versichere ich ihr. Sie hat Glück, dass ich gerade an einem Kunstprojekt arbeite, da sie mich an einem Sonntag sonst wohl eher nicht zu Hause angetroffen hätte. „Was gibt’s denn?“ Diese Frage hebe ich mir auf, bis wir wirklich in meinem Zimmer sind und unsere Ruhe vor meinen Geschwistern haben. „Es ist wegen Bakura“, rückt das Mädchen schließlich zögerlich heraus. Also hat er endlich geredet. Doch meine Freude über diesen Gedanken hält nur kurz an. „Ich sollte das vermutlich niemanden erzählen, aber es belastet mich mittlerweile so sehr und...“ Ich sehe ihr deutlich an, dass sie im Zwiespalt mit sich selbst steht. „Er hat dir etwas anvertraut, was du niemanden weitersagen sollst“, vermute ich, worauf ich ein Kopfnicken erhalte. Dann hat er wohl doch nicht geredet, zumindest nicht mit der Absicht, dass es zu mir gerät. „Du musst es mir nicht sagen, wenn du dir unsicher bist.“ Versichere ich ihr, damit sie sich bloß nicht dazu gezwungen fühlt, etwas auszusprechen, was möglicherweise für noch mehr Konflikte sorgt. „Ich will mit irgendjemandem reden, weil das eigentlich kein Grund ist, Streit deswegen zu haben. Und da irgendwie alle damit zu tun haben, dachte ich es wäre am besten, wenn ich gleich zu dir gehe. Immerhin geht es ja auch um dich.“ So wie Miho spricht hat sie sich scheinbar wirklich viele Gedanken darum gemacht. Ich bin mir auch fast sicher, dass sie mit Bakura darüber gesprochen hat, um eine Lösung zu finden. Sonst würde sie wohl kaum einfach so etwas weitererzählen, was sie im Vertrauen erfahren hat. Trotzdem fühle ich mich fast etwas unwohl, so etwas dann erzählt zu bekommen. Allerdings steigt gleichzeitig auch meine Neugierde, um was es sich nun eigentlich handelt. "Na gut, aber wie wäre es, wenn wir das auf morgen verschieben?" Mihos verwunderter Gesichtsausdruck spiegelt meine Gedanken wieder. Was spricht dagegen, es jetzt zu erfahren? So brauche ich auch einige Sekunden, ehe ich ihren fragenden Blick beantworten kann. "Ich möchte mein Bild heute noch fertig bekommen, das funktioniert nicht mehr wenn mir etwas im Kopf herumschwirrt." Ich weiß selbst, was für eine lächerliche Ausrede das ist, immerhin werde ich mir jetzt genauso viele Gedanken darum machen, um was es sich dabei nun handeln kann. Jedoch kann ich dem Mädchen nicht einfach sagen, dass ich etwas Bammel davor habe, von ihr jetzt zu erfahren worum es geht, wenn das gegen Bakuras Einverständnis geschieht. Daran wird sich bis morgen zwar nicht viel ändern, doch vielleicht ändert Miho ja ihren Entschluss. Wenn nicht weiß ich schon, dass meine Neugierde gewinnen wird. "Na gut", nimmt Miho meine Worte einfach hin, ohne weiter nachzufragen oder mich anzuklagen. Dies ist eine wirklich angenehme Seite an dem Mädchen. "Wir treffen uns morgen Nachmittag am Bahnhof?", schlage ich vor. Miho stimmt zu und wir verabschieden uns wieder. Ich bin mir fast sicher, dass sie ebenso unsicher ist, wie ich mich fühle. Ginge es um jemanden anderes würde ich solche Informationen vermutlich sofort annehmen. Doch bei Bakura fühlt es sich eher an, als würde ich ihn hintergehen. Mit diesen Gedanken im Kopf wende ich mich wieder meinem Bild zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)