In the spider's web von Mizuki18 ================================================================================ Kapitel 1: New master, new beginning ------------------------------------ Die Erde fühlte sich rau an unter meinen Händen. Aber vielleicht waren es auch meine Hände, die rau waren. So genau konnte ich das nicht sagen. Der Duft von Rosen stieg mir in die Nase und er ließ mich das Brennen vergessen, das die Dornen hinterließen. Die Sonne hatte bereits an Kraft gewonnen und wärmte meinen Rücken. Meine Knie schmerzten ein wenig, da ich schon eine Weile auf dem steinigen Boden kniete und die neuen Rosen ins Beet pflanzte. So wie mein Herr es mir befohlen hatte. Eigentlich verabscheute er Rosen, aber seine neueste Liebhaberin mochte sie und so hatte er beschlossen die Lilien entfernen zu lassen. Mich störte das nicht, ich mochte Rosen ebenfalls und die Frau, die gut und gerne die Tochter meines Herrn hätte sein können, war freundlich zu mir. Immer, wenn sie mich sah, lächelte sie, nickte mir zu und ich nickte höflich zurück. Schließlich war sie eine Lady und ich...nun ja, laut meinem Herrn war ich weniger wert, als der Dreck in den Straßen Londons. Aber derartige Beleidigungen hatten mich noch nie gestört, ich war es gewohnt. Mein Leben hatte in den verdreckten Straßen von London begonnen und würde dort vermutlich auch irgendwann enden. Seit meiner Geburt kämpfte ich um mein Leben und hatte schon so einiges erdulden müssen. Da brach ich nicht gleich in Tränen aus, nur weil mich so ein alter, fetter Sack beleidigte. Manchmal wusste ich nicht mal, warum ich überhaupt für ihn arbeitete. So oft wie er mich anschrie und schlug, müsste man annehmen, dass er mich hasste. Und trotzdem ließ er mich bleiben. Vermutlich nur, um mir immer wieder vorhalten zu können, dass er mir ja angeblich das Leben gerettet hätte, wenn ich mal wieder etwas falsch machte. Zumindest in seinen Augen. Nachdem meine gesamte Familie bei einem Raubüberfall gestorben war, den ich nur überlebt hatte, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen war, hatte ich auf der Straße erlebt. Bis mich irgendwann die Pferde einer Kutsche fast zu Tode getrampelt hatten, mein jetziger Herr ausgestiegen und mich gemustert hatte. Ich musste an diesem Tag grauenvoll ausgesehen haben und dennoch hatte er seinem Kutscher befohlen mich mitzunehmen. In meiner kindlichen Naivität hatte ich natürlich angenommen er sei ein herzensguter Mensch, aber wie sich bald darauf herausgestellt hatte, war das eine Lüge. Mein Herr war ein alter, perverser und kranker Mann. Denn wenn er nicht gerade eine Liebhaberin hatte, der er die Welt zu Füßen legte, dann musste ich herhalten und seine Bedürfnisse befriedigen. Und das war nicht nur erniedrigend, sondern meistens auch schmerzhaft. Doch ich hatte gelernt mit diesem Schmerz zu leben, hatte mich daran gewöhnt und ließ alles über mich ergehen, was meinen Herrn glücklich machte. Man musste eben um sein Leben kämpfen und ich hatte nicht vor diesen Kampf zu verlieren. "Genevieve Delafontaine?" Ich blickte auf und wurde vom Licht der Sonne geblendet. Vor mir ragte eine hohe, schlanke Gestalt auf, ganz in schwarz gekleidet. "Sind sie Miss Delafontaine?", wiederholte mein Gegenüber seine Frage und ich blinzelte ein paar Mal. Jetzt erkannte ich einen großen Mann mit schwarzen, zurückgekämmten Haaren, der eine Brille trug, hinter denen zwei bernsteinfarbene Augen ruhten, die mich interessiert musterten. "Wer will das wissen?", fragte ich und runzelte die Stirn. "Ich.", antwortete der Mann. Ich verdrehte die Augen. "Und sie sind?" "Claude Faustus. Also, sind sie Genevieve Delafontaine?", wollte Claude wissen. "Ja, aber ich wüsste nicht was sie das angeht.", gab ich zurück. "Nun, es geht mich etwas an. Ich bin hier, um sie einzustellen.", erwiderte Claude. "Mich einstellen?" Mit einem Seufzen legte ich nun endgültig meine Arbeit nieder und stand auf. "Tut mir leid, aber ich habe bereits einen Herren.", sagte ich und nickte zu dem großen Anwesen, das keine zehn Meter von uns entfernt lag. "Das ist mir durchaus bewusst. Deswegen möchte ich sie auch fragen, ob sie ihren Dienst in diesem Haus niederlegen wollen und stattdessen Hausmädchen bei den Trancys werden möchten.", entgegnete Claude. "Trancy?", wiederholte ich und hob die Augenbrauen. "Es heißt der alte Earl bevorzuge Jünglinge. Ich glaube kaum, dass er seine Freude an mir hätte." "Der ehemalige Earl Trancy ist vor kurzem verstorben. Sein Sohn ist nun das Oberhaupt der Familie.", erklärte Claude. "Sein Sohn? Mir war nicht klar, dass er einen Erben hatte.", murmelte ich. "Miss Delafontaine, ich wiederhole mein Angebot. Wollen sie in die Dienste meines Herrn treten?" Claude wirkte ungeduldig, denn er trat leicht von einem Fuß auf den anderen. "Nein, ich bin meinem Herrn treu ergeben.", sagte ich. "Einem Herrn, der ihnen Wunden zufügt, die sie so verzweifelt versuchen zu verbergen?" Claude deutete auf den Bluterguss auf meinem Schlüsselbein. Ich räusperte mich und legte eine Hand über diese Stelle. "Wieso mich? Und woher wissen sie überhaupt wie ich heiße?" "Das brauch sie nicht zu interessieren. Ich kenne ihren Namen und habe sie ausgewählt. Jetzt müssen sie nur noch ja sagen, Miss Delafontaine.", erläuterte Claude und schenkte mir ein Lächeln. "Es sei denn sie möchten bleiben und weiterhin...eine Puppe sein, mit der man hin und wieder spielt. Solange bis sie irgendwann kaputt ist und auseinander fällt." Ich biss mir auf die Unterlippe. Die Art dieses Mannes ging mir jetzt schon gegen den Strich, allerdings...hatte er recht. So stark ich auch war, irgendwann würde ich an diesem Leben zerbrechen. "Na schön, ich komme mit ihnen." "Wundervoll, dann sollten wir keine Zeit verlieren." Claude machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon. Ich starrte im irritiert nach. "A-Aber müsste ich nicht eigentlich noch..." "Offiziell kündigen? Ich bitte sie, als ob ihr Herr das zulassen würde.", unterbrach Claude mich, während er auf das Pferd stieg, das vor dem Eingangstor wartete. Konnte dieser Mann Gedanken lesen? Das war ja unheimlich. "Miss Delafontaine, beeilen sie sich!", rief Claude und winkte mich zu sich. Ich hob mein Kleid ein Stück an und eilte zu ihm. "Mein Herr wird hoch erfreut sein.", meinte Claude, half mir aufs Pferd und gab dem Tier die Sporen. "Und was machen sie? Sind sie der Laufbursche von Earl Trancy?", wollte ich wissen und klammerte mich notgedrungen an Claude fest, um nicht vom Rücken des Pferdes zu fallen. "Nein, ich bin sein Butler.", antwortete Claude und sprach den Rest des Rittes kein Wort mehr. Je mehr Weg wir zurücklegten, desto mehr veränderte sich die Landschaft. Aus prächtigen Anwesen wurden normale Häuser, aus diesen wurden irgendwann Scheunen und Hütten und schließlich ging es eine ganze Weile durch einen Wald. Bis nach einer Weile zwischen den Bäumen ein großes, fast schon gewaltiges Gebäude auftauchte. Das musste dann wohl das Anwesen der Trancys sein. Vor dem Eingangstor brachte Claude das Pferd zum stehen, stieg ab und half mir herunter. Obwohl ich das auch sehr gut alleine gekonnt hätte, nur mal so als Randnotiz. "Bevor sie in die Dienste meines Herrn treten, Miss Delafontaine, gibt es da noch ein paar Dinge, die sie wissen sollten.", begann Claude und ging voraus. Ich musste mich beeilen mit ihm Schritt zu halten. "Die da wären?", hakte ich nach. "Sie werden den Earl nur mit 'Eure Hoheit' ansprechen. Sie werden nie etwas tun, das ihn verärgert oder etwas tun, was er ihnen nicht ausdrücklich befohlen hat. Was natürlich auch einschließt, dass sie selbstverständlich alles tun werden, was ihnen der junge Herr aufträgt. Egal was es ist.", sagte Claude und warf mir einen beängstigenden Blick zu, der mich zusammen zucken ließ. Hoffentlich kam ich jetzt nicht vom Regen in die Traufe. Mit gesenktem Kopf folgte ich Claude, kam aber nicht umhin zu bemerken, dass der gesamte Garten rund um das Anwesen mit Rosen bepflanzt war. Rosen in allen Farben. Rot, gelb, blau. Es sah einfach wunderschön aus und es roch betörend. "Miss Delafontaine, hier entlang." Claude hatte die große Flügeltür des Hauses geöffnet und wartete darauf, dass ich die Eingangshalle betrat. Dort war alles in Rot- und Goldtönen gehalten. Es gab so viel Schmuck und Prunk, dass es völlig überladen wirkte. Es war einfach...zu viel von allem. Zu viele kostbare Mingvasen, zu viele exquisite Möbelstücke, zu viele Blattgoldverzierungen. Und nicht zu vergessen der gigantische Kronleuchter, mit Lüstern aus Kristall und noch mehr Gold. Ein Wunder, dass das Ding nicht von der Decke krachte und den ellenlangen Tisch aus Eichenholz unter sich begrub. "Claude! Du bist wieder da!", ertönte da plötzlich eine sehr ausgelassen klingende Stimme. Ein Junge, etwa in meinem Alter, kam die Treppe herunter gerannt. Er hatte engelsblonde Haare, eisblaue Augen und strahlte über das ganze Gesicht. Wenn mich nicht alles täuschte, dann müsste das... "Euer Hoheit." Claude schaffte es gerade noch sich leicht zu verbeugen, bevor sein Herr sich an ihn schmiss und irgendetwas Unverständliches murmelte. "Was hat denn überhaupt so lange gedauert? Was...wer ist das denn?" Earl Trancy löste sich von Claude und betrachtete mich missbilligend. In etwa so, als hätte ich ihn und seinen Butler gerade bei etwas sehr wichtigem gestört. "Euer Hoheit, ich habe sie extra für Euch ausgesucht. Gefällt sie Euch?", fragte Claude. Gefallen? Wie bitte? Ich war doch kein Gegenstand, den man einfach so... Ich wich erschrocken ein kleines Stück zurück, weil der Earl mir auf einmal sehr nahe war. "Hm, sie sieht so gewöhnlich aus.", meinte er, nahm eine Strähne meines kastanienbraunen Haares und ließ es durch seine Finger gleiten. Gewöhnlich? Hallo? Ich stand doch direkt vor ihm und konnte jedes Wort verstehen. "Auf den ersten Blick vielleicht. Aber wenn sie erst einmal gewaschen und herausgeputzt ist, wird sie ganz annehmbar aussehen.", kam es von Claude und ich verzog das Gesicht. Annehmbar? Oh Herr im Himmel, wo war ich da denn nur wieder rein geraten? "Und was soll sie hier machen? Einfach nur blöd herumstehen und hübsch aussehen?", fragte der Earl und hob das Kinn. "Natürlich nicht, Euer Hoheit. Sie wird Euch als Hausmädchen dienen.", erklärte Claude. "Aber ich hab doch schon Hannah.", warf der Earl ein und wandte sich von mir ab. "Das ist wahr, doch ich dachte ihr nun ja könntet vielleicht Euren Spaß mit ihr haben. Immerhin ist sie in Eurem Alter.", erwiderte Claude. "Willst du mir irgendwas damit sagen Claude?", zischte der Earl. "Selbstverständlich nicht, Euer Hoheit. Es liegt in Eurem Ermessen was ihr mit ihr machen wollt." Claude senkte demütig den Kopf und ich wünschte mich zurück zu meinem alten Herrn. "Wie heißt sie denn überhaupt?", wollte der Earl wissen. "Genevieve Delafontaine." Claude wandte sich an mich. "Und das ist Earl Alois Trancy." Und ich will hier bitte sofort weg, dachte ich. Allerdings befürchtete ich, dass es dafür jetzt zu spät war. "Ich bin sehr erfreut Euch kennen zu lernen, Euer Hoheit.", sagte ich, vollführte einen ziemlich unbeholfenen Knicks und rang mir ein Lächeln ab. "Jaja, schon gut. Stell sie den anderen vor und mach sie fertig. Vielleicht sieht sie nach einem Bad ja ganz...niedlich aus." Alois warf mir einen eher abfälligen Blick zu, drehte sich um und stieg die Treppe empört. Was für ein freches, verzogenes Kind. Da hatte ich ja mehr Manieren und ich entstammte keiner Adelsfamilie. "Kommen sie, Miss Delafontaine. Ich möchte ihnen das restliche Hauspersonal vorstellen.", mischte Claude's Stimme sich in meine Gedanken ein und bevor ich etwas erwidern konnte, zog er mich einfach mit sich. Etwas ungelenk stolperte ich vor mich hin und hätte mir am liebsten eine Ohrfeige nach der anderen verpasst. Wie hatte ich denn nur denken können, dass es in diesem Haus besser werden könnte? Im Grunde waren diese Adligen doch alle gleich. Und Alois, als Sohn seines Vaters erst recht. Kein Wunder, dass ich lediglich als sein Spielzeug herhalten sollte. Er war mit Sicherheit kein Stück besser als der ehemalige Earl Trancy. Plötzlich blieb Claude so abrupt stehen, dass ich gegen ihn stolperte, was mir einen mörderischen Blick und ein kaum wahrnehmbares Knurren einbrachte. Na toll, der Butler hasste mich offenbar schon mal. "Würdet ihr mir kurz eure Aufmerksamkeit schenken?", fragte Claude in den Raum hinein und klatschte in die Hände. Ich lugte vorsichtig hinter seinem Rücken hervor. In dem Zimmer, in dem wir jetzt standen, waren vier Personen gerade damit beschäftigt den Tisch für das heutige Abendessen zu decken. Drei junge Männer, von denen jeder so aussah wie der andere und eine junge Frau mit langen, hellen Haaren. "Ab heute haben wir ein neues Personalmitglied. Ihr Name ist Genevieve Delafontaine." Claude packte mich bei den Schultern und zerrte mich vor ihn hin. "Das da sind Timber, Canterbury und Thompson." Er nickte zu den Drillingen, die sich lediglich durch die leicht verschiedenen Frisuren unterscheiden ließen. "Und das da ist Hannah, sie wird sich ein wenig um dich kümmern. Solange bis du dich eingelebt hast." "H-Hallo.", stammelte ich verlegen und hob leicht die Hand. Die Drillinge begannen sofort zu tuscheln, Hannah hingegen warf Claude einen undefinierbaren Blick zu und trat vor. "Freut mich dich kennen zu lernen, Genevieve.", sagte sie und schenkte mir ein freundliches Lächeln. "Gen reicht völlig aus.", erwiderte ich. "Dann hätten wir das ja geklärt. Hannah, du wirst sie jetzt baden und ein wenig herrichten. Danach gibst du ihr eines von den leeren Zimmern. Zum Abendessen seid ihr beide wieder hier.", kommandierte Claude, der es offenbar ganz toll fand, dass er das Kommando hatte. "Na dann, gehen wir Gen." Hannah legte eine Hand an meinen Rücken und schob mich vorwärts. Ich ließ es mit mir machen. Eine andere Wahl hatte ich ja eh nicht. "Ich nehme an du hast den jungen Herrn schon kennen gelernt." Hannah dirigierte mich um die nächste Ecke und öffnete eine Tür. "Ja.", sagte ich und klang dabei genervter als beabsichtigt. "Ich weiß wie er im ersten Moment wirkt. Aber..." Hannah ließ den Satz unvollendet und stellte das Wasser an. Ich hob verwirrt eine Augenbraue. Wollte sie mir gerade weiß machen, dass Alois Trancy einen guten Kern besaß? Gut, sie kannte ihn immerhin deutlich länger, als ich, aber auf mich wirkte die 'Hoheit' eher wie ein arrogantes, verwöhntes Kind mit extremen Stimmungsschwankungen. "Solange du nichts tust was ihn verärgert, hast du nichts zu befürchten.", meinte Hannah und riss mir, ohne zu zögern, das Kleid herunter. Ich verschränkte automatisch die Arme vor der Brust. "Er kann manchmal schwierig sein. Sieh einfach zu, dass...du ihn nicht langweilst." Hannah griff nach meinem Arm und platzierte mich in der Badewanne. "Ihn nicht langweilen?", wiederholte ich und mein Herz begann schneller zu schlagen. Hannah biss sich auf die Unterlippe und legte schweigend beide Hände auf meine Schultern. "Luft anhalten." Ich gaffte sie irritiert an. "Luft anhalten?" Statt einer Antwort drückte Hannah mich unter Wasser und vor meinen Augen verschwamm alles zu einem einzigen bunten Wirrwarr. Mein Herz schlug so laut, dass ich es auch unter Wasser hörte. Kapitel 2: Keep your loving master happy ---------------------------------------- Mit allergrößter Sorgfalt bürstete Hannah meine braunen Haare und drapierte einzelne Strähnen über meine Schultern. Sie war offensichtlich sehr darum bemüht mich hübsch herzurichten. Damit ich Alois gefiel. Gott, wie blöd war ich eigentlich? Zu glauben, dass es besser werden würde. Ich war selbst jetzt noch ein dummes, naives Mädchen. "Du hast wirklich sehr schönes Haar. Dieser rote Schimmer..." Hannah klang leicht verträumt, als sie die Bürste weg legte und nach dem Kleid griff, welches ausgebreitet auf meinem Bett lag. Es war ganz in schwarz und weiß gehalten und meiner Meinung nach viel zu kurz. Aber ich konnte mich ja schlecht weigern es anzuziehen. "Arme hoch.", sagte Hannah und ich ließ mich bereitwillig von ihr einkleiden. Ein Blick nach unten und wollte mir das Ding sofort wieder vom Körper reißen. Was war das bitte für ein Ausschnitt? Man konnte ja bis sonst wohin glotzen. Wie geschmacklos. "Das ist äh...sehr hübsch.", krächzte ich, weil ich plötzlich einen Kloß im Hals hatte. "Ich weiß, dass es speziell ist. Aber es war der Wunsch des jungen Herrn und dem müssen wir nun mal nachkommen.", sagte Hannah, zupfte ein wenig an den weißen Rüschen herum und trat dann einen Schritt zurück. "Na bitte, jetzt wirst du ihm sicherlich gefallen." Ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten mit den Augen zu rollen. Ich wollte niemandem gefallen und Alois schon gar nicht. Ich wollte niemandes Spielzeug sein. Ich wollte einfach nur leben und nicht jeden Tag ums überleben kämpfen müssen. War das denn wirklich zu viel verlangt? "Oh, es ist schon spät. Das Abendessen wird gleich serviert und Claude wird bestimmt wütend, wenn wir nicht rechzeitig da sind.", meinte Hannah und scheuchte mich hinaus in den Flur. Meine Füße steckten in schwarzen Lederschuhen, die einen hohen Absatz hatten und weil ich noch nie in solchen Schuhen gelaufen war, knickte ich auf dem Weg zum Speisesaal mindestens fünfmal um. Als wir unser Ziel endlich erreicht hatten, saß Alois bereits an der gedeckten Tafel und stocherte lustlos in seinem Essen herum. Claude stand dicht neben ihm und funkelte Hannah und mich wütend an. Er hatte es offenbar mit der Pünktlichkeit. Direkt neben der Tür hatten sich die Drillinge versammelt. Sie musterten mich, begannen zu tuscheln und ich fühlte mich nackt. Nackter, als wenn ich tatsächlich nichts getragen hätte. "Ah Hannah, da bist du ja.", murmelte Alois gelangweilt und hob den Blick. Das Hausmädchen zog den Kopf ein, als erwarte sie jeden Moment eine Tracht Prügel. "Oh, Claude du hattest recht. Sie sieht wirklich ganz hübsch aus.", setzte Alois noch hinzu und ein dreckiges Grinsen stahl sich auf sein ach so unschuldiges Gesicht. "Das Kleid steht ihr wirklich toll." "Danke, Euer Hoheit.", presste ich mühsam hervor. Himmel, das war ja nicht zum aushalten, musste er mich denn so anstarren? "Komm her.", befahl Alois und ich tat wie mir geheißen. "Dreh dich." Mich drehen? Ich war hier doch nicht im Zirkus. Stumm erfüllte ich Alois' Wunsch und bemerkte wie selbst dieser feine Windhaus den Rock des Kleides leicht anhob. "Und jetzt knie dich hin." Ich schaute Alois verwirrt an, dieser sah vollkommen ernst zurück. "Bist du etwa schwerhörig? Ich sagte hinknien!", keifte er und Claude bedeutete mir mit einem dezenten Nicken zu tun, was der Herr verlangte. Ich kniete mich also hin und flüchtete mich in die Begutachtung des Teppichs. "Nach vorn beugen." Oh je, mir schwante Übles. Aber etwas noch übleres würde mir wohl drohen, wenn ich mich Alois widersetzte. Also stützte ich mich auf meinen Händen ab und beugte mich nach vorn. Bei der Kürze des Kleides, konnten Hannah und die Drillinge jetzt sicher ganz wunderbar meinen Hinter begutachten. Und Claude mir ungeniert in den Ausschnitt glotzen. So eine Frechheit. "Claude, dreh meinen Stuhl. Ich will meine neue Fußablage einweihen.", sagte Alois und das Kichern in seiner Stimme war unüberhörbar. "Jawohl, Euer Hoheit.", kam es von Claude. Die Beine des Stuhls schabten über den Boden und im nächsten Moment knallten Alois' Beine mit voller Wucht auf meinen Rücken. Ich gab jedoch keinen einzigen Laut von mir. In den letzten Jahren hatte ich gelernt wie man seinen Schmerz verbarg. Denn gegenüber seinem Herrn Schwäche zu zeigen, war schlimmer als jedes andere Vergehen. Das wusste ich aus Erfahrung. Der Rest des Essens verlief schweigend. Ich hörte nur hin und wieder das Besteck über den Teller kratzen, das war alles. Bis Alois irgendwann verkündete er sei fertig und Claude könne jetzt den Tisch abräumen. Der Butler schnipste mit den Fingern und sofort eilten die Drillinge heran, um die Teller und Gläser in die Küche zu schaffen. Natürlich, Claude selber machte sich die Hände selbstverständlich nicht schmutzig. Das war bestimmt unter seiner würde. Blöder Wichtigtuer. "Der Rest kann auch gehen. Ich will mit meinem neuen Hausmädchen ein wenig allein sein.", erklärte Alois. "Sehr wohl, Euer Hoheit." Eine Tür wurde geöffnet und schloss sich wieder, ich bewegte mich nicht einen Millimeter. Auch nicht, als Alois seine Beine von meinem Rücken nahm und aufstand. "Also, Claude hat dich irgendwo in London aufgegabelt, richtig?", fragte er und begann im Zimmer auf und ab zu laufen. "Ja.", antwortete ich. "Hm, er dachte wohl wirklich, dass er mir damit einen Gefallen tut.", murmelte Alois. "Hat er Euch denn einen getan, Euer Hoheit?", wollte ich wissen. "Nun..." Alois kam zu mir zurück, stellte sich direkt vor mich hin und drückte mein Kinn mit der Spitze seines Stiefels nach oben, sodass ich ihn ansehen musste. "Zuerst dachte ich du seiest nur so ein gewöhnliches, langweiliges Mädchen. Und ich hasse langweilige Leute. Aber..." Er kniete sich hin und kam meinem Gesicht verdammt nahe. So nahe, dass ich seinen Atem über meine Wangen streichen spürte. "Du scheinst doch etwas anders zu sein." Er nahm mein Gesicht in eine Hand und drehte es ein bisschen hin und her. "Außerdem siehst du ganz niedlich aus." Alois ließ mich los und stand wieder auf. "Solange du interessant für mich bist, kannst du bleiben." Ohne Vorwarnung holte er aus und trat mir ins Gesicht. Der Schmerz war unerträglich und ich schmeckte sofort Blut, doch ich schrie nicht. Ich wimmerte nicht mal. "Beeindruckend.", flüsterte Alois. "Aber du wirst schon noch schreien, vertrau mir." Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und ließ mich einfach liegen. Ich wartete noch kurz, bis das Pochen ein wenig nachgelassen hatte und zog mich dann an der Tischkante hoch. Vorsichtig betastete ich meine Lippe. Na toll, sie war innen aufgeplatzt. Einen kurzen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken die Tischdenken zu benutzen, um das Blut weg zu wischen, aber das würde Alois wohl eher weniger toll finden und Claude erst recht. Deswegen ließ ich es bleiben und machte mich stattdessen auf den Weg in mein Zimmer. Es war schon spät und ich brauchte dringend etwas Ruhe. Der Tag war echt anstrengend gewesen. Ich meine, erst tauchte da so ein Typ im schwarzen Frack auf, nahm mich einfach mit sich und verkaufte mich dann als Spielzeug an seinen Herren, der offenbar nicht alle Tassen im Schrank hatte. Offenbar war es mein Schicksal immer nur den Psychopathen zu dienen. "Genevieve." Ich war schon fast bei meinem Zimmer angekommen, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Mein Herz machte einen Satz und ich befürchtete schon es sei Alois, der gekommen war, um mich in seinen privaten Folterkeller zu schleifen, aber es war nur Hannah, die mich mitleidig anblickte und mir ein Taschentuch entgegen hielt. "Hier, es ist mit Kamillenextrakt getränkt. Das hilft gegen die Schmerzen und fördert die Heilung." "Danke.", sagte ich, griff nach dem Tuch und drückte es gegen meine pulsierende Unterlippe. "Der Herr findet offenbar Gefallen an dir.", erwiderte Hannah. "Ach ja? Na ja, was das betrifft bin ich mir nicht so sicher.", entgegnete ich. "Ich versteh dich. Wir haben alle unter seinen Launen zu leiden. Aber wenn du stark bleibst und nicht zerbrichst, dann wird es besser. Irgendwann.", erklärte Hannah und ich fragte mich stumm wann diesen irgendwann wohl eintreten würde. "Schlaf jetzt. Morgen gibt es viel zu tun." Hannah verneigte sich kurz, machte dann auf dem Absatz kehrt und lief den Flur hinunter. Vermutlich in Richtung ihres eigenen Zimmers. Ich betrat meines, schleppte mich zu meinem Bett und ließ mich auf die Matratze fallen. Meine Rücken schmerzte. Auch wenn Alois so aussah, war er nicht gerade ein Fliegengewicht und wahrscheinlich hatte er sich extra schwer gemacht. Er benahm sich einfach grauenhaft, weshalb ich nicht verstehen konnte, weshalb Hannah ihn in Schutz nahm. Sie fürchtete sich offenbar selbst vor ihm und trotzdem verteidigte sie ihn. Alois Trancy, der wie ein Engel aussah, sich aber wie ein Sadist verhielt. Irgendwas stimmt mit ihm ganz gewaltig nicht. Eben noch umarmte er freudestrahlend seinen Butler und im nächsten Moment erdolchte er mich mit Blicken. Gut, vielleicht lag es daran, dass Alois es nicht mochte, wenn Claude einfach so fremde Menschen ins Haus brachte, aber mich dann so zu demütigen und zu schikanieren, grenzte doch fast schon an Masochismus. Ihm gefiel es offensichtlich, wenn andere seinetwegen Schmerzen leiden mussten und ich war sozusagen Frischfleisch. Ein junges Ding, mit dem er machen konnte was er wollte. Weil Claude mich genau dafür eingestellt hatte. Ich sollte Alois' neues Püppchen sein, mit dem er nach Herzenslust spielen und es so lange misshandeln konnte, bis es kaputt ging. Aber nicht mit mir. Mich würde er nicht kaputt machen. Ich hatte viel zu viel erdulden müssen und hatte viel zu lange gekämpft, um jetzt an diesem Jungen zu zerbrechen. Mit einem Seufzen zog ich das Kleid aus, ließ es achtlos zu Boden fallen und krabbelte nackt ins Bett. Ich mochte nach außen hin zart und zerbrechlich erscheinen, aber das war ich nicht. Ich ließ nicht mit mir spielen. Zumindest nicht, wenn ich es wollte. "Alois Trancy..." Ich schloss die Augen und sofort tauchte ich sein Gesicht vor mir auf. Die das kühle Blau, das einem entgegenblitze, wenn man ihn ansah. Das hellblonde Haar. Das teuflische Grinsen, das seine perversen Gedanken verriet. Er war gerade Mal so alt wie ich und völlig wirr im Kopf. Entweder war es eine Krankheit oder er hatte etwas erlebt, das ihn so hatte werden lassen. Womöglich beides, aber ich würde es herausfinden. Wenn ich mein Dasein schon als Spielzeug fristen musste, dann würde ich zumindest alles über meinen neuen Herrn in Erfahrung bringen. Auf die eine oder die andere Weise. Alois mochte denken, dass ich ihm gehörte, dass ich mich nicht wehren und alles widerstandslos hinnehmen würde. Allerdings kannte er mich nicht. Er hatte keine Ahnung wer ich war und was ich bereit war zu tun, wenn es ums überleben ging. Nein, er würde mich nicht klein kriegen. Zumindest war das mein Vorsatz, doch ich begann bereits stark zu wanken, als Claude mich am nächsten Morgen weckte. Oh und wie er mich weckte. Er platzte einfach, ohne zu klopfen, zerrte mir die Bettdecke weg und starrte mich einfach nur an. Und ich lag dort, vollkommen nackt und noch im Halbschlaf. "Es wird Zeit aufzustehen, Miss Delafontaine.", sagte er nüchtern, anscheinend die Tatsache komplett ignorierend, dass ich nichts an hatte. "Normalerweise wäre es ihre Aufgabe zusammen mit Hannah das Frühstück des Herrn vorzubereiten, doch er verlangte gestern Abend ausdrücklich, dass sie ihn heute wecken und einkleiden.", fuhr Claude fort. Alois hatte persönlich nach mir verlangt? Das konnte unmöglich etwas Gutes bedeuten. "Miss Delafontaine, haben sie mir überhaupt zu gehört?", fragte Claude und er klang etwas ungehalten. Anscheinend konnte er es nicht leiden, wenn nicht sofort jeder nach seiner Pfeife tanzte. "Ja, ich hab sie gehört.", brummte ich, setzte mich auf und hielt mir das Kissen vor die Brust. "Wenn sie jetzt so freundlich wären und das Zimmer verlassen, damit ich mich in Ruhe anziehen kann?" "Natürlich.", sagte Claude, doch ich sah wie seine Kiefer mahlten. Wahrscheinlich bereute er seine Entscheidung, mich hierher gebracht zu haben, bereits. "Beeilen sie sich. Der junge Herr hat es nicht gern, wenn man ihn zu spät weckt." Claude rückte seine Brille zurecht, obwohl sie tadellos auf seiner schmalen Nase saß und ging. Pah, sollte die Hoheit doch selber zusehen wie sie aus dem Bett kam. Oder sich einen Wecker anschaffen, mir doch egal. Hauptsache ich musste nicht schon wieder dieses verzogene Gör ertragen. Nur leider hatte ich keine andere Wahl, weswegen ich mich langsam anzog und dann seelisch auf das Folgende vorbereitete. Das würde bestimmt lustig werden. Kapitel 3: Good morning, your highness! --------------------------------------- Beladen mit einem Teetablett und einer genauen Anweisung im Kopf wie ich diesen Tee aufzubrühen hatte, stand ich vor der Tür zu Alois' Schlafzimmer und fragte mich, warum er mich als Weckdienst eingeteilt hatte. Vermutlich wollte er mir den kochend heißen Tee überschütten oder hatte sich eine andere perfide Methode ausgedacht, um mich zu quälen. Ich atmete ein letztes Mal tief durch, dann öffnete ich die Tür und betrat das halbdunkle Zimmer. Die schweren Vorhänge waren noch zugezogen und so gelangte nur wenig Sonnelicht hindurch, welches den Raum erhellte. Das Tablett mit dem Teeservice stellte ich auf dem Nachttisch ab und trat dann an das Bett heran. Inmitten der aufgebauschten Decke und der vielen Kissen lag er. Und blöderweise kam ich nicht umhin zu bemerken, dass er im Schlaf vollkommen unschuldig aussah. Die engelsblonden Haare, die sein friedlich wirkendes Gesicht umrandeten, die dichten, schwarzen Wimpern und die leicht geöffneten Lippen. Er sah wirklich niedlich aus. Niedlich? Ach herrje, ich musste aufhören so naives Zeug zu denken. Alois war mein Herr, er war ein kleiner Psychopath und ich hatte als sein Hausmädchen weder das Recht solche Dinge zu denken, noch sollte ich mich selbst belügen. Alois mochte im Schlaf wie ein Engel aussehen, aber sobald er aufwachte, würde er wieder zum Sadisten mutieren und alles tun, um mich schreien zu hören. "Euer Hoheit." Ich legte eine Hand auf Alois' Schulter und rüttelte zaghaft an ihr. Keine Reaktion, natürlich nicht. "Euer Hoheit, es ist Zeit aufzustehen.", flüsterte ich und rüttelte etwas kräftiger. Alois gab ein unverständliches Brummen von sich und drehte sich auf den Bauch. Ich seufzte. Na toll, ein Morgenmuffel war er offenbar auch noch. Ich trat einen Schritt zurück, musterte die roten Vorhänge mit den goldenen Troddeln und beschloss erstmal die Sonne reinzulassen. Vielleicht würde Alois ja dann aufwachen. Beim Öffnen der Vorhänge wirbelte ich eine kleine Staubwolke auf, unterdrückte das Husten und blinzelte ein paar mal, wegen der plötzlich Helligkeit. Wundervoll, von hier aus hatte man einen tollen Ausblick in den Garten. Alle Rosen standen in voller Blüte, es war ein Meer aus Farben. Und wenn ich das Fenster öffnen könnte, würde man sich von den verschiedenen Düften geradezu erschlagen fühlen. "Gefallen sie dir?", ertönte es mit einem Mal hinter mir und ich fuhr herum. Alois saß aufrecht im Bett und gähnte. Er war also doch wach gewesen. "Ihr seid wach.", sagte ich und lief zum Nachttisch, um den Tee aufzubrühen. "Du hast meine Frage nicht beantwortet.", erwiderte Alois scharf. "Oh, verzeiht. Ja, mir gefallen die Rosen sehr, Euer Hoheit.", entgegnete ich und goss das heiße Wasser über die getrockneten Teeblätter. "Was ist das für ein Tee?", wollte Alois wissen und ich stutzte. Verdammt, weil ich so damit beschäftigt war mir zu merken wie man den Tee aufbrühte, hatte ich den Namen der Sorte völlig vergessen. "Ähm...das ist ein...", begann ich zögernd, als Alois plötzlich laut auflachte und eine wegwerfende Geste machte. "Völlig egal welche Sorte. Es interessiert mich eh nicht." "Oh. Na dann.", sagte ich und ärgerte mich insgeheim. Alois hatte mich nur wieder in Verlegenheit bringen wollen, war ja klar. Ich nahm das kleine Sieb von der Tasse, in dem sich die nassen Teeblätter befanden, legte es auf das Tablett und reichte Alois die dampfende Tasse. Er nahm sie stumm entgegen und begann zu pusten. Hoffentlich verbrannte er sich seine vorlaute Zunge und konnte die nächsten Tage nur noch in Zeichensprache seine Bediensteten schikanieren. Wortlos ging ich zu dem großen Kleiderschrank und suchte alles nötige heraus. Ein weißes Hemd, eine Weste, Strümpfe, Schuhe und Hosen. Obwohl man diese Hosen wohl eher als Höschen bezeichnen müsste, da sie wirklich extrem kurz waren. Das Klappern der Teetasse verriet mir, dass Alois fertig war und jetzt darauf wartete, dass ich ihn anzog. Nun gut, der Anblick seines nackten Körpers wäre bestimmt wesentlich besser zu ertragen, als der meines alten Herrn. Ich drehte mich um und lief dem Kleiderstapel auf meinen Armen zurück zum Bett. Dort saß bereits Alois, ließ seine Beine über die Kante baumeln und hatte die Unterlippe leicht nach vorn geschoben. Das Hemd, das er zum schlafen trug war ihm mindestens drei Nummern zu groß und er wirkte fast verloren darin. Oh je, ich musste aufhören solche Dinge über jemanden zu denken, der...der so war wie Alois. "Du trägst das Haar anders.", bemerkte Alois, während ich die obersten Knöpfe seines Nachthemdes öffnete und es ihm über den Kopf zog. "Ja.", erwiderte ich. Dabei war die Verändern meiner Frisur jetzt nicht gerade weltbewegend. Ich hatte sie lediglich zurückgebunden, damit sie mir nicht ständig ins Gesicht fielen. "Es gefällt mir nicht. Trag sie offen.", entgegnete Alois, als ich gerade nach dem neuen Hemd hatte greifen wollen. "Euer Hoheit?" Ich hatte die Anweisung natürlich ganz genau verstanden, aber war dennoch etwas irritiert. "Trag sie offen!", wiederholte Alois, griff nach meinem Handgelenk und zerrte mich zu sich herunter. "Oder willst du deinen Meister etwa unglücklich machen?", raunte er und ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, wie sich seine Lippen zu einem fast schon grotesken Grinsen verzogen. "Natürlich nicht, Euer Hoheit.", antwortete ich, tastete mir der anderen Hand nach dem Band, welches meine Haare zusammen hielt und löste es. "Gut." Alois ließ mich wieder los. "Jetzt zieh mich weiter an." Ich nickte, stülpte Alois das Hemd über und knöpfte es zu. Er schien jede meiner Bewegungen zu verfolgen und genauestens zu analysieren. Ich versuchte seinen wachsamen Blick so gut wie möglich zu ignorieren. Das Anziehen der Weste und der Hose und das Binden der Schleife verliefen ohne weitere Zwischenfälle, aber die Socken lösten in Alois wohl wieder einen Anflug von mutwilliger Demütigung aus, denn er beugte sich nach vorn und umfasste mein Kinn mit zwei Fingern. "Zieh sie mir mit den Zähnen an." Mit den Zähnen? Bei dem war doch hundertpro ne Schraube locker. "Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit." Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, nahm ich einen Teil des Strumpfes in den Mund, spannte mit dem linken Zeigefinger die Öffnung und legte meine rechte Hand unter Alois nacktes Bein, um es ein wenig anzuheben. Ich kam nur langsam voran, denn es war nicht so einfach den Strumpf mit den Zähnen festzuhalten und ihn nicht gleichzeitig voll zu sabbern. Das Schlimmste an der ganzen Sache war aber, dass der Strumpf bis knapp unter das Hosenbein reichte und mein Kopf Alois' Schritt somit gefährlich nahe kam. Beim ersten Strumpf schien er das noch zu ignorieren, doch beim zweiten, packte er mich bei den Haaren, zerrte meinen Kopf hoch, sodass mein Kinn gegen seinen Bauch gedrückt wurde. "Willst du gar nichts sagen? Gar nichts?", grinste Alois und die Hand in meinen Haaren wurde etwas sanfter. "Wenn Ihr einen Wunsch habt, müsst Ihr ihn einfach nur aussprechen, Euer Hoheit.", sagte ich und hoffte so sehr, dass Alois mein Angebot nicht sofort in die Tat umsetzen würde. Was er glücklicherweise auch nicht machte, sondern stattdessen das Gesicht verzog und mich von sich stieß. "Zieh mir die Schuhe an und verschwinde.", brummte Alois und wirkte irgendwie bockig. Ganz so, als hätte sein perfider Plan nicht ganz so funktioniert, wie er sich das vorgestellt hatte. "Jawohl, Euer Hoheit." Ich nahm die Schuhe und zuckte nicht mal mit der Wimper, als Alois sein Bein über meine Schulter legte, damit ich ihm die Stiefel zu schnürte. Dann stand er vom Bett auf, verließ hocherhobenen Hauptes das Zimmer und knallte die Tür zu. Ich blieb zurück, legte sein Nachthemd zusammen und richtete die Decke, sowie die Kissen. Danach machte ich mich auf den Weg in den Speisesaal, wo bereits Hannah und die Drillinge warteten. Das Hausmädchen schenkte mir ein kaum wahrnehmbares Lächeln, von Timber, Canterbury und Thompson wurde ich nur stillschweigend gemustert. Der Tisch war gedeckt und wartete nur noch darauf, dass sich das verzogene Gör auf seinen Stuhl setzte und anfing im Essen herum zu stochern. Etwas unsicher stellte ich mich neben Hannah, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wartete. Es dauerte auch nicht lange, bis man draußen im Flur Alois' aufgeweckte Stimme vernahm und er in Begleitung von Claude ins Zimmer tanzte. "Hört zu!", rief er, schnappte sich die weiße Tischdecke und zog daran. Alles was sich auf dem Tisch befand, Teller, Gläser, eine Vase, kippte um, fiel auf den Boden und zersprang in tausend Teile. Es erklang ein ziemlich lautes Scheppern, das fast Alois' Lachen übertönte. "Ich hasse das ganze Rot und Gold, wir dekorieren um!", stellte er klar, ließ die Tischdecke los und schritt über das zerstörte Geschirr hinweg. "Und welche Farben wären Euch genehm, Euer Hoheit?", fragte Claude, der in Türnähe stehen geblieben war. Alois drehte sich schwungvoll um. "Blau, mitternachtsblau.", antwortete er und ein melancholischer Unterton schwang in seiner Stimme mit. "Wie Ihr befiehlt, Euer Hoheit." Claude verbeugte sich leicht. "Und was gedenkt Ihr zu frühstücken?" Alois warf einen kurzen Blick auf das am Boden liegende Essen. "Mir egal, du wirst das schon hinkriegen. Ich möchte heute im Garten Essen." "Natürlich, Euer Hoheit.", erwiderte Claude. Alois verließ den Raum und ich hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Wenn ich mal das Geld hätte, um einfach so ein teures Porzellanservice zu zerdeppern. "Ihr habt den jungen Herrn gehört. Räumt das weg und bereitet ein neues Frühstück im Garten. Ich kümmere mich dann um die Umdekorierung des Anwesens.", sagte Claude. Die Drillinge nickten und Hannah knickste. Ich schaute ihn ungerührt an und fing mir deswegen gleich ein missbilligendes Schnauben ein. Claude schob die Brille ein Stück seinen Nasenrücken hinauf und stolzierte davon. Ich sammelte mit den anderen das Essen und die Scherben auf und brachte es in die Küche. Ein neues Frühstück zuzubreiten war kein Problem. Es gab Essen im Überfluss. Allerdings war es mir schleierhaft wie Claude sich völlig allein um die komplette Umgestaltung des Hauses kümmern wollte. Das Rot durch mitternachtsblau zu ersetzen? Wie sollte das denn gehen? Aber warum machte ich mir darüber Gedanken? Er hatte gesagt er würde das machen, also würde er auch zusehen müssen, wie er das hinbekam. Alois hatte es sich indes im Garten bequem gemacht und genoss die wärmende Sonne. In der zarten Brise wiegten sich die Rosen leicht hin und her und der Saum meines Kleides flatterte verdächtig weit nach oben. Alois nahm es mit dem Zucken seines rechten Mundwinkels zur Kenntnis. "Wo ist Claude?", fragte er und fuhr mit dem Finger über den Rand seines Glas, das mit Pflaumensaft gefüllt war. "Er kümmert sich um Euren Wunsch bezüglich der Umdekorierung, Euer Hoheit.", antwortete Hannah. "Gut, ich nehme an ich hab heute nichts weiter zu tun?", wollte Alois wissen. Das Glas geriet in eine gefährliche Schieflage. "Nein, nichts.", murmelte Hannah. "Wundervoll." Alois spießte eine Tomate auf, betrachtete sie und steckte sie sich in den Mund. "Wie war noch mal dein Name?" Er deutete mit der Gabel auf mich. Mit vollem Mund spricht man nicht, dachte ich, trat aber gehorsam einen Schritt vor. "Genevieve." "Genevieve, weil dir meine Rosen so sehr gefallen, darfst du einen Kranz daraus flechten.", sagte Alois. Aha, ich musste also einen Kranz flechten. Vermutlich jetzt sofort. Alois' Gesichtsaudruck nach zu urteilen, lag ich mit diesem Gedanken genau richtig, weshalb ich um den Tisch herum ging und nun vor die Qual das Wahl gestellt wurde. Es gab so unendlich viele Rosen in diesem Garten, in so vielen Farben. Eigentlich war es ja egal welche Farbe, aber es wäre sicherlich nicht schlecht zufällig die Lieblingsfarbe meines Herrn zu erwischen. Vielleicht war es ja... "Eins noch!" Ich drehte mich halb zu Alois um. "Die Dornen bleiben selbstverständlich dran." War ja klar, dass der Befehl einen Kranz aus Rosen zu flechten noch ein kleines Extra bekam. Alois' grinste und bedeutete mir mit einer scheuchenden Handbewegung endlich anzufangen. Und mir blieb ja auch nichts anderes übrig, weshalb ich mich hinhockte, mir eine von den blauen Rosen aussuchte und sie mit bloßen Händen aus der Erde riss. Natürlich bohrten sich die Dornen sofort in meine Haut und Blut quoll aus den kleinen Wunden hervor, doch ich machte weiter. Ich zog dasselbe mit noch vier weiteren Rosen durch, ließ mich dann einfach auf meinen Hintern fallen und begann zu flechten. Meine Finger und Handflächen taten höllisch weh, das Blut tropfte auf die Rosen, aber ich machte weiter. Bis der Kranz fertig war. Kapitel 4: A crown of blue roses -------------------------------- "Hübsch." Alois stand von seinem Stuhl auf, ging vor mir in die Hocke und betrachtete meine geschundenen Hände. "Setz ihn auf.", befahl er und ohne zu zögern platzierte ich den Rosenkranz auf meinem Kopf. Ein Blutstropfen löste sich von einem Blütenblatt und landete auf meiner Wange. Alois hob eine Augenbraue, schob die Unterlippe leicht vor und verschmierte das Blut mit dem Daumen. "Hannah, du kannst das Frühstück wegräumen. Ich bin satt.", sagte er, ohne das Hausmädchen dabei anzuschauen. "Jawohl, Euer Hoheit.", erwiderte Hannah und as Geklapper von Geschirr ertönte. Ich traute mich nicht hinzusehen, der Blick von Alois' eisblauen Augen hielt mich gefangen. "Ich hab heute nichts zu tun, kleine Rose. Was hältst du davon, wenn wir zwei uns ein wenig die Zeit vertreiben, hm?", fragte er. Nein. Alles nur das nicht. Wer weiß auf was für kranke Ideen dieser Junge noch kam. "Eine hervorragende Idee, Euer Hoheit.", antwortete ich. "Großartig." Alois stand wieder auf und marschierte davon, ich beeilte mich ihm zu folgen. Als wir das Anwesen betraten, blieben wir beide wie angewurzelt stehen. Das satte Rot und das protzige Gold waren verschwunden. Stattdessen zierte mitternachtsblau die Wände. Alles wirkte viel leichter, nicht so überladen und...es passte zu Alois. Aber das war nicht, das einzige was mich dazu veranlasste wie blöd durch die Gegend zu starren. Wie um alles in der Welt hatte Claude das geschafft?! Das war doch vollkommen unmöglich! Das Frühstück im Garten hatte allerhöchstens eine halbe Stunde gedauert und jetzt war er schon mit der Umdekorierung fertig? Das konnte doch keinesfalls mit rechten Dingen zu gehen. "Ist alles wie gewünscht. Euer Hoheit?", ertönte plötzlich die Stimme des besagten Butlers und Alois und ich fuhren herum. "Ja, es sieht so viel besser aus.", meinte Alois, der sich offenbar schneller gefangen hatte, als ich. "Gut gemacht." Er tänzelte auf Claude zu, tätschelte seine Wange und drehte sich dann wieder um. "Guck nicht so blöd. Los, komm mit." Alois winkte mich zu sich und ich setzte mich wieder in Bewegung. Dennoch bedachte ich Claude mit einem äußerst misstrauischen Blick und...nein! Hatte ich mir das gerade eingebildet oder hatten seine Augen für einen kurzen Moment rot aufgeleuchtet?! "Wo bleibst du denn?!", fauchte Alois, der bereits am Fuß der Treppe stand und ungeduldig mit den Finger auf dem Gelände trommelte. "Verzeiht, ich komme.", nuschelte ich, kehrte Claude den Rücken zu und folgte meinem Herrn. Wie zu erwarten, führte er mich in sein Schlafgemach, wo er sich mit einem lauten Seufzen auf sein Bett fallen ließ. "Kann es sein, dass du meinen Butler interessanter findest, als mich?", wollte Alois plötzlich wissen und ich blinzelte verwirrt. "I-Ich fürchte ich verstehe nicht, Euer Hoheit.", stammelte ich. "Du konntest dich doch gerade kaum von seinem Anblick lösen. Also, sag schon. Findest du Claude interessanter als mich?", wiederholte Alois seine Frage, stützte sich auf seinen Unterarmen ab und musterte mich durchdringend. "Natürlich nicht, Euer Hoheit. Ich war nur so verblüfft, dass er Euren Wunsch in so kurzer Zeit umsetzen konnte.", erklärte ich. "Also findest du mich interessant.", erwiderte Alois. "Selbstverständlich.", entgegnete ich. "Gut...das ist gut.", murmelte Alois, sprang auf und begann in seinem Zimmer auf und ab zu laufen. "Du musst wissen, ich dulde nur Leute in meinem Haus, die ich interessant finde oder die nützlich für mich sind." Er machte eine kleine Pause, blieb stehen und sah mich an. "Du bist glücklicherweise beides." "Vielen Dank, Euer Hoheit.", sagte ich und senkte den Kopf. "Jaja, pass nur auf, dass du nicht langweilig wirst. Ich hasse Langeweile.", meinte Alois und klatsche in die Hände. "So, haben wir ein bisschen Spaß!" Oh lieber Gott, bitte nicht. "Los, zieh dich aus." Na klar. Warum konnte Alois nicht normal sein und mit mir Schach spielen oder Verstecken oder Fangen? "Ich hab gesagt du sollst dich ausziehen!", rief Alois und gehorsam wie ich war, tat ich was mein junger Herr verlangte. Da ich unter dem kurzen Kleid nichts trug (offenbar hatte mir eine nicht näher genannte Person die gesamte Unterwäsche geklaut), stand ich sofort nackt vor Alois. Mal abgesehen von den Schuhen, die ich auf ein Kopfnicken hin aber auch auszog. Tja und jetzt stand ich hier. Splitterfasernackt und ließ mich von Alois begutachten. Ich hatte keine Ahnung was er mit mir vorhatte. Ob er auch spezielle Vorlieben hatte, mich einfach nur anschauen wollte oder es ihm einfach nur darum ging mich zu demütigen. Ich wusste es nicht. Aber es war mir auch egal. Ich würde jeden seiner Befehle widerstandslos befolgen. "Ist dir das nicht unangenehm? Ich kann schließlich alles sehen. Alles." Alois trat näher an mich heran und begann mich zum umkreisen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, Euer Hoheit." "Nein?" Alois' Fingerspitzen glitten über meinen nackten Rücken, Arme und Bauch. Dann blieb er direkt vor mir stehen und schaute mir in die Augen. "Du wirst schon noch schreien, keine Sorge. Du hast vielleicht Dornen, aber Rosen sind dennoch schrecklich schwach und zerbrechlich. Und du bist meine Rose." Ohne, dass ich es hätte kommen sehen können, beugte Alois sich vor und leckte das Blut von meiner Wange, das vorhin von dem Blumenkranz getropft war. Ich zuckte zusammen und merkte schon wie sich ein erschreckter Laut meine Kehle empor kämpfen wollte, aber ich ließ es nicht zu. Sollte Alois sich doch auf den Kopf stellen, ich würde nicht schreien. Er schien wohl denselben Gedanken zu haben, denn er schnaufte beleidigt und trat einen guten Meter von mir zurück. "Zieh dich wieder an und lass dir von Claude ein anderes Kleid geben.", murrte er und wirkte wie ein beleidigtes Kind, das eingeschnappt war, weil es seinen Willen nicht bekommen hatte. "Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit." Ich zog mir das Kleid wieder an und wollte schon das Zimmer verlassen, als Alois noch einmal das Wort ergriff. "Heute Abend wirst du mich bettfertig machen, verstanden?" "Ja, Euer Hoheit." Ich drückte die Türklinke nach unten und rang förmlich nach Atem, als ich ihm Flur stand. Himmel, das war ja richtig unheimlich gewesen, wie er jeden Zentimeter meines Körper gemustert hatte. Gerade so, als wollte er herausfinden wer ich wirklich war. Ohne das ganze Zeug, das den Eindruck möglicherweise trüben könnte. Als wolle er entscheiden was für eine Art Mensch ich war, ob er mir vertrauen konnte, ob ich sein Interesse wirklich wert war. Hm, Alois Trancy. Vielleicht doch mehr, als nur ein verzogenes, arrogantes und sadistisches Kind? Vielleicht. Ich würde es sicherlich noch herausfinden. Jetzt musste ich erst einmal Claude finden. Was erstaunlich gut funktioniert, denn als ich um die nächste Ecke bog, rannte ich ihn beinahe über den Haufen, was der Butler mit einem mörderischen Knurren quittierte. "Der Herr wünscht, das ich ein anderes Kleid trage.", sagte ich und versuchte so neutral wie möglich klingen. Ich wollte mich auf keinen Fall dazu herablassen müssen Claude wegen irgendwas anbetteln zu müssen. "Ein anderes Kleid?", hakte Claude nach. "Ja, und Unterwäsche.", ergänzte ich. Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber ich würde mich deutlich wohler fühlen, als wenn ich nur einen Hauch von Nichts trug. "Wenn es der Wunsch des jungen Herrn ist.", meinte Claude, rückte seine Brille zurecht (war das ein Tick oder so?!) und ging voraus. "Ach ja und ich soll ihn heute Abend ins Bett bringen.", fiel es mir dann wieder ein und Claude blieb abrupt stehen. "Sie? Ganz sicher, dass sie sich nicht verhört haben, Miss Delafontaine?" Es klang fast schon wie eine Drohung. Beinahe so, als würde es Claude missfallen, dass er heute Abend nicht derjenige sein würde, der die Ehre hatte Alois' miese Zubettgehlaune ertragen musste. "Nein, ich habe mich nicht verhört.", sagte ich und Claude's Kiefer mahlten. Er sprach dann auch kein einziges Wort mehr. Nicht, als er im Ankleidezimmer nach etwas Passendem für mich suchte und auch nicht, als ich mich direkt vor seinen Augen umziehen musste. Offenbar war er eingeschnappt. Und da ich es nicht als meine Pflicht ansah, mich für irgendwas bei Claude zu entschuldigen, beschloss ich ins Bad zu gehen und erstmal die Wunden an meinen Händen zu reinigen. Das kalte Wasser tat gut und zum Glück waren die vielen, kleinen Schnitte nicht sonderlich tief. Es brannte nur sehr stark und es würde dauern, bis alles verheilt war. Mit einem Seufzen stützte ich mich auf dem Rand des Waschbeckens ab und blickte in den Spiegel. Der Kranz aus blauen, mit Blut besudelten Rosen saß noch immer auf meinem Kopf. Meine braunen Haare waren etwas unordentlich und einige Strähnen hingen mir wirr ins Gesicht. Aber immerhin das Kleid saß tadellos und warf keine einzige Falte. Es hatte mich nicht gewundert, dass Claude eines in dunkelblau ausgewählt hatte. Anscheinend war blau Alois' Lieblingsfarbe und er hatte mir ja bereits am ersten Tag erklärt, dass man als Bediensteter in diesem Haus nur Dinge tat, die den jungen Herrn auch erfreuten. "Gen! Hier bist du! Ich hab dich schon überall gesucht!" Ich zuckte zusammen und riss den Kopf hoch. Hannah stand, etwas außer Atem, im Türrahmen. "Mich gesucht? Warum denn?", fragte ich und hätte mir eigentlich selbst antworten können. "Der junge Herr verlangt nach dir. Er will beschäftigt werden, in der Zeit, in der wir das Mittagessen zubereiten.", erklärte Hannah. Ich atmete tief durch und ließ die Schultern hängen. "Verstehe. Wo ist er?" "In der Eingangshalle. Er erwartet dich bereits." Hannah trat beiseite, sodass ich an ihr vorbei konnte. "Du musst stark bleiben. Es zahlt sich irgendwann aus.", rief sie mir noch hinterher. Allerdings bezweifelte ich das. Laut Alois lag sein Bestreben ja darin mich zu brechen. Meine Stärke und mein Durchhaltevermögen würde mein Leiden also nur wesentlich verlängern. Dennoch würde ich nicht aufgeben. Diese Genugtuung würde Alois nicht von mir bekommen. "Ah, da bist du ja. Oh, ich sehe Claude hat getan, worum du ihn gebeten hast." Alois stand in der Mitte der großen Eingangshalle, breitbeinig und mit vor der Brust verschränkten Armen. "Gefällt es Euch, Euer Hoheit?", wollte ich wissen und überlegte noch einen Knicks oben drauf zu setzen. "Hm, es geht schon. Jetzt stell dich hier hin." Er deutete neben sich und mich meinem Schicksal ergebend, trottete ich auf ihn zu. "Wundervoll. Hannah und die anderen sind gerade in die Küche und mir war langweilig. Aber dann ist mir ja eingefallen, dass ich jetzt ein neues Spielzeug habe." Alois tippte mit seinem Zeigefinger meine Nasenspitze an, hopste dann zu einer Kommode, die an der Wand stand und holte etwas von ihr herunter. Und dieses etwas ließ mein Herz schneller schlagen. "Ich muss üben, sagt Claude. Er ist der Meinung, das jeder Junge von Adel wissen muss wie man mit einem Schwert umgeht.", deklamierte Alois und richtete das spitze Ende der stählernen Waffe in meine Richtung. "Keine Sorge, du wirst nicht gegen mich kämpfen müssen, kleine Rose. Aber du wirst als...na ja Übungsobjekt herhalten. Verstanden?" Ich nickte. Oh Gott, hoffentlich war Alois halbwegs talentiert mit diesem Ding. Sonst war mein Leben schneller vorbei, als gedacht. "Gut, fangen wir an!" Ziemlich übermütig rannte Alois auf mich zu, ich schloss die Augen und hielt den Atem an. Aber der Schmerz blieb aus. Zum Glück. Und als ich mich dann traute durch meine dichten Wimpern zu gucken, erkannte ich, dass Alois lediglich ausholte, mit aber nicht mit dem Schwert berührte. Er übte tatsächlich nur bestimmte Handgriffe. Zwar stoppte die Schwertscheide das ein oder andere Mal nur knapp vor meinem Hals oder meiner Brust, doch er verletzte mich nicht. Außerdem schien er das hier tatsächlich ernst zu nehmen, denn er sagte nichts, lachte nicht, schaute nur etwas verbissen drein und schien sich zu konzentrieren. Dabei drängte sich mir jedoch der Gedanke auf, warum er so hart trainierte? Bereitete er sich auf einen Kampf vor? Oder ging es nur darum im Falle des Falles gewappnet zu sein? Oder war es doch nur etwas, das er tat, weil die Etikette es so verlangte? Nun, durch fragen oder bloßes Nachdenken würde ich die Antwort sicher nicht erhalten, aber vielleicht fand Alois irgendwann so großen Gefallen an seinem Spielzeug, dass er ihm auch seine Ängste und seine düstersten Geheimnisse und Wünsche anvertraute. "Aufgepasst!" Bevor ich reagieren konnte, zog Alois mir ein Bein weg und ich verlor den Halt. Sofort war er über mir, drückte die flache Seite der Schwertscheide gegen meinen Hals und fixierte mich. "Du musst aufpassen, kleine Rose. Sonst ist der Kopf ab." Kapitel 5: Use your tounge -------------------------- "Euer Hoheit, das Mittagessen wartet auf Euch.", ertönte Claude's Stimme von oben herab. Alois entfernte die scharfe Klinge von meinem Hals und ich merkte, dass ich unwissentlich den Atem angehalten hatte. "Gut, räum das hier weg.", befahl Alois, warf Claude das Schwert vor die Füße und erhob sich. "War das Training denn zufrieden stellend, Euer Hoheit?", wollte Claude wissen und bückte sich. "Hm, nicht so langweilig wie sonst.", meinte Alois und wandte sich an mich. "Los, steh auf, kleine Rose. Ich brauch doch Gesellschaft beim Mittagessen." Ich nickte stumm, rappelte mich auf und folgte Alois wie ein gehorsames Hündchen in den Speisesaal. Mein Herz hämmerte und es machte auch nicht den Anschein, als wolle es sich demnächst wieder beruhigen. Was war nur mit mir los? Hatte mich dieses Training gerade eben wirklich so sehr aus der Bahn geworfen? Das konnte doch gar nicht sein, es war doch gar nichts passiert. Außer natürlich, dass Alois mir wieder unglaublich nahe gekommen und mich aus diesen eisblauen Augen angesehen hatte. Gott, was war das nur mit diesem Jungen?! "Hey, nicht einschlafen!", ermahnte Alois mich, da ich stehen geblieben war und mich jetzt beeilen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Im Speisesaal warteten bereits Hannah und die Drillinge. Alois nahm, überdurchschnittlich gelangweilt aussehend, am Tisch Platz und begutachtete das Essen. Wie auch sonst stocherte er lustlos darin herum und schien darauf zu warten, dass das Fleisch aufsprang und über den Teller tanzte, nur um ihn zu unterhalten. Offenbar brauchte er wirklich stets und ständig etwas, das ihn beschäftigte. Sonst wurde ihm langweilig und Langeweile konnte Alois ja überhaupt nicht leiden. "Genevieve?", murrte er, stach mit dem Messer in das Steak und faltete die Hände unter dem Kinn. Ich hob den Kopf und straffte die Schultern. "Ja, Euer Hoheit?" "Ich hab keine Lust selber zu essen. Füttere mich.", verlangte Alois, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Miese, kleine... "Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit.", sagte ich, ging zum Tisch und begann das Fleisch in kleine Stücke zu schneiden. Unfassbar. Was Demütigungen anging, war er wirklich unglaublich kreativ. Und er würde sicherlich nicht locker lassen, bis er bekam was er wollte. Einen Schrei. Ich spießte eines der Fleischstücken auf und eine Weile lief das auch ganz gut so. Alois machte brav den Mund auf, kaute und schluckte es herunter. Doch ich wäre naiv, wenn ich gedacht hätte, dass nicht noch irgendwas passieren würde, das diese Situation noch unangenehmer für mich machte, als sie es sowieso schon war. Irgendwann landete ein kleiner Tropfen Soße nämlich ungefähr einen halben Millimeter neben Alois' Mundwinkel und statt es einfach weg zu lecken, wie jeder andere normale Mensch auch, wies er mich an diese Unreinheit aus seinem Gesicht zu entfernen. Frechheit. Ich griff nach der Serviette, tunkte die Spitze in das nebenstehende Wasserglas und wollte mich Alois gerade nähern, als er tadelnd den Zeigefinger hob. "Ah, doch nicht so, kleine Rose. Benutz deine Zunge." Ich blinzelte verwirrt. Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein?! "M-Meine was?", fragte ich. "Du hast schon verstanden. Jetzt mach endlich.", antwortete Alois, drehte mir besagte Gesichtshälfte zu und schloss die Augen. Fast so, als würde er das Folgende genießen. Ich hingegen vermied es einen der anderen Bediensteten anzuschauen. Sonst würde ich womöglich noch rot werden. Allerdings hatte ich, wie so oft in letzter Zeit, keine Wahl, weshalb ich mich nach vorn beugte und mit der Zunge über Alois' Mundwinkel leckte. Wie zu erwarten, nutzte die Hoheit diese Gelegenheit schamlos aus und ließ ein genussvolles Stöhnen vernehmen. Ein Zittern durchfuhr mich und ich zuckte zurück. Alois grinste. Dann aß er einfach weiter, als wäre nichts gewesen und ich stand da wie der letzte Trottel. Ob Claude solche Sachen auch schon hatte machen müssen? Vermutlich nicht. Alois schien zwar sehr an seinem Butler zu hängen, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass er trotz allem eine Art Respekt vor ihm hatte. Warum auch immer. "Wie gedenkt Ihr den Rest des Tages zu verbringen, Euer Hoheit?", fragte Claude, während Alois sich den Mund mit der Serviette säuberte. "Ich werde ein bisschen außerhalb des Anwesens spazieren gehen.", antwortete er, schob den Stuhl zurück und stand auf. "Allein oder in Begleitung?", wollte Claude wissen und es klang fast so, als würde er darauf hoffen, dass Alois ihn mit in die Wälder rund um das Haus nahm. Letzterer schien das ebenfalls zu bemerken, schob die Unterlippe leicht vor und klimperte mit den Wimpern. "Awww, möchtest du etwa mitkommen?" "Ich mache mir nur Gedanken wegen Eurer Sicherheit, Euer Hoheit. Es wäre besser, wenn Euch jemand begleitet.", erklärte Claude nüchtern. Alois schnaufte beleidigt. "Genevieve wird mitkommen. Du kannst indes mit den anderen alles für das Abendessen vorbereiten." Er machte eine wegwerfende Geste. Claude verbeugte sich. "Jawohl, Euer Hoheit." Alois warf ihm einen mörderischen Blick zu und schnippte mit den Fingern. "Komm, kleine Rose. Wir gehen spazieren." Ich trottete hinterher. Der Kies knirschte unter meinen Füße, als wir das Anwesen verließen und ein kleines Stück liefen, ehe wir das Waldstück erreichten und Alois es betrat, als wäre er hier schon hundertmal gewesen. Ich traute mich nicht zu fragen, ob er auch die Absicht hatte irgendwann stehen zu bleiben oder etwas zu sagen, als plötzlich abrupt anhielt und ich fast in ihn hinein gelaufen wäre. "Euer Hoheit?", erkundigte ich mich. Alois gab mir keine Antwort. Er legte sich stattdessen flach auf den Rücken und faltete die Hände über dem Bauch. "Leg dich zu mir.", verlangte er, doch da der sonst so harsche Unterton fehlte, hörte es sich mehr nach einer Bitte an. Eine Bitte, die ich meinem Herrn natürlich nicht abschlagen konnte. "Ich weiß eigentlich gar nicht wer du bist.", murmelte Alois, nachdem ich mich (mit einem gebührendem Abstand) neben ihn gelegt hatte. "Ich bin Euer Hausmädchen. Mehr müsst Ihr nicht wissen, Euer Hoheit.", erwiderte ich. "Ich will aber mehr wissen.", entgegnete Alois, drehte mir den Kopf zu und schaute mich entschlossen an. "Na schön, wir Ihr wollt. Meinen Namen kennt ihr ja bereits. Ich wurde in den Straßen Londons geboren. Meine Familie hatte nicht einmal annähernd so viel, wie die Eure, aber sie liebte mich. Ich hatte eine Mutter namens Eleanora und einen Vater namens Nicolas. Eine große Schwester, hatte ich auch. Sie hieß Lucienne. Und einen kleinen Bruder mit Namen Tristan. Sie starben alle bei einem Raubüberfall. Ich weiß bis heute nicht, was die Räuber gehofft hatten uns stehlen zu können. Wir besaßen so gut wie nichts." Ich stoppte, merkte wie mein Innerstes sich zusammen krampfte, als die Bilder sich gewaltsam zurück in meinen Kopf kämpften. "Erzähl weiter.", sagte Alois. "Ich lebte auf der Straße. Bis mich schließlich ein Mann auflas. Er war ein Lord, ein wohlhabender Mann und ich dachte er würde mich retten, weil er ein gutes Herz hatte.", fuhr ich fort. "Aber das hatte er nicht. Er war...krank, pervers und grobschlächtig. Ich arbeitet für ihn. Führte jeden Befehl aus. Musste mir alles gefallen lassen. Und...oft wurde ich nachts in sein Schlafzimmer gerufen, um ihm auch dort zu Diensten zu sein." "Er hat dich missbraucht?", fragte Alois mit einer unglaublichen Leere in der Stimme. Ich nickte. "Ja." "Und bist du bei mir glücklicher, als bei ihm?", wollte Alois wissen. "Natürlich, Euer Hoheit.", antwortete ich, ohne zu zögern. "Nein, ich will, dass du mir die Wahrheit sagst." Alois drehte sich auf die Seite und stützte sich mit seinem Ellenbogen im Gras ab. "Das ist die Wahrheit.", beteuerte ich, obwohl es natürlich eine Lüge war. Ich war nicht wirklich glücklicher. Um ehrlich zu sein, hatte ich verlernt wie es sich anfühlte tatsächlich glücklich zu sein. "Glaubst du ich weiß nicht, was du wirklich denkst? Ich weiß was in deinem Kopf vorgeht. Ich weiß, dass du all das nicht ernst meinst. Dieses ganze Getue, wie du das brave Hausmädchen spielst. Ich weiß, dass du Dornen hast.", flüsterte Alois und rutschte an mich heran. Ich rührte mich nicht einen Millimeter von der Stelle. "Du musst die Wahrheit nicht aussprechen, kleine Rose. Ich kenne sie auch so." "Dessen bin ich mir sicher, Euer Hoheit.", murmelte ich leise. "Trotzdem. Ich bekomme immer was ich will. Ich gebe nicht auf, bevor es mir gehört.", stellte Alois klar und fixierte mich. Ich wich dem Blick seiner eisblauen Augen bewusst aus. "Und was ist es, das ihr wollt, Euer Hoheit?" "Du bist mein Hausmädchen. Du musst wissen was ich will." Alois rückte noch näher an mich heran, leckte mir über die Ohrmuschel und verpasste mir eine Gänsehaut. Dann drehte er sich wieder auf den Rücken, schloss die Augen und genoss das dumpfe Sonnenlicht, dass durch die Blätterkronen bis zum Boden drang. Ich blieb neben ihm liegen. Was war das nur mit ihm? Gerade eben hatte er sich tatsächlich für mich interessiert? Für mein Leben, meine Geschichte. Und jetzt war er wieder Alois Trancy. Ein psychopathisches, arrogantes und verzogenes Kind. Was immer dafür gesorgt hatte, dass er so geworden war, es musste ein einschneidendes Erlebnis in seinem Leben gewesen sein. Wir blieben noch eine Weile liegen. Alois gab keinen Ton mehr von sich und kurz dachte ich sogar er sei eingeschlafen. Weshalb ich mich auch traute ihn anzusehen und wieder einmal konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass er in diesem Zustand absolut unschuldig und friedlich aussah. "Du solltest mich nicht so anstarren." Ich erschreckte mich fast zu Tode. "Tu ich nicht." Schnell suchte ich mir etwas anderes, das ich angucken konnte, fand auf die Schnelle jedoch nichts, weswegen mein Blick ziellos umher irrte. "Oder findest du mich etwa so faszinierend, dass du deine Augen nicht von mir lassen kannst?", stichelte Alois, setzte sich auf und schlug die Beine übereinander. Herrgott, diese Hosen! "Sorgt Euch nicht, Euer Hoheit. Es wird nie jemanden geben, den ich interessanter finde, als Euch.", erklärte ich, da ich genau wusste, dass es Alois stets um Langeweile und Interesse ging. So viel hatte ich immerhin schon gelernt. "Hm, du musst lernen meine Fragen konkreter zu beantworten, kleine Rose.", brummte Alois und stand auf. "Los, wir gehen zurück." Er schaute von oben auf mich herab und gerade als ich mich ebenfalls erheben wollte, stellte Alois einen Fuß auf meine Brust und der Absatz seines Stiefel bohrte sich zwischen meine Rippen. "Du trägst den Blumenkranz immer noch.", bemerkte er. "Ihr habt mir nicht befohlen ihn abzunehmen, Euer Hoheit.", gab ich zurück und bemühte mich normal zu klingen, auch wenn das Atem gerade sehr schmerzhaft war. "Kluges Mädchen.", lächelte Alois, nahm den Fuß weg und stolzierte davon. Ich rang nach Luft, rappelte mich auf und folgte ihm. Gott, wenn er so weiter machte würde ich irgendwann die Beherrschung verlieren und ihm eine runter hauen. Auch wenn mich das vermutlich meinen Kopf kosten würde. Alois selbst würde ihn mir abschlagen. "Nicht so langsam, Genevieve!", rief Alois und ich lief schneller. Blöde Rotznase! Als wir das Anwesen erreichten, steuerte Alois sofort den Speisesaal an, wo schon das Essen aufgetischt war. Hannah und die Drillinge, standen an der Wand, Claude hingegen direkt neben dem Stuhl, auf dem Alois gleich Platz nehmen würde. "Hattet Ihr einen angenehmen Spaziergang, Euer Hoheit?" "Hm, er war ganz nett.", meinte Alois und ließ sich auf den Stuhl plumpsen. Ganz nett? Ich hatte ihm meine komplette Lebensgeschichte anvertraut, er hatte mein Ohr abgeleckt und mir seinen Absatz in die Brust gerammt. Wenn das nur nett war, was war dann hervorragend oder wundervoll? "Das freut mich zu hören.", sagte Claude. Das Essen verlief ohne Zwischenfälle. Das wunderte mich, denn ich hätte darauf gewettet, dass Alois mir jetzt befahl ihm das Essen vorzukauen oder sonst irgendwas, aber dann fiel mir ein, dass ich ihn ja heute ins Bett bringen musste und was immer in seinem kranken Kopf vor sich ging, hob er sich für nachher auf. "Nur, dass ihr es wisst. Ab jetzt wird mich keiner von euch mehr stören, verstanden? Ihr könnt gehen und sonst was machen. Ist mir egal. Genevieve wird sich um mich kümmern.", verkündete Alois und schenkte mir ein dreckiges Grinsen. Ich ignorierte es, verschränkte meine Finger ineinander und drückte den Rücken durch. Bloß keine Schwäche zeigen. Das spornte Alois zwar noch mehr an, aber es war besser, als ihm zu geben was er wollte. Denn wenn er seinen Schrei erstmal hatte, dann wäre ich nicht mehr interessant und dann würde Alois nichts davon abhalten sein Spielzeug einfach wegzuwerfen. Kapitel 6: A spark of light in the dark --------------------------------------- "So, wir sind allein. Zeit zum spielen, nur für uns zwei.", jauchzte Alois, stand vom Tisch auf und legte mir ganz unverfroren eine Hand auf den Hintern. Ich versuchte es zu ignorieren. "Komm. Ich will ein Bad nehmen, bevor ich ins Bett gehe. Du hilfst mir doch oder?" Alois stellte sich auf die Zehenspitzen, sodass er mich um ein paar Zentimeter überragte. "Natürlich helfe ich Euch, Euer Hoheit.", sagte ich und hätte nur einmal kräftig nicken brauchen und Alois hätte aufgrund der Kopfnuss das Bewusstsein verloren und endlich mal seine vorlaute Klappe gehalten. Aber so etwas ziemte sich für ein Dienstmädchen leider ganz und gar nicht. "Los komm, lass mir das Badewasser ein. Und wehe es ist zu heiß.", zischte Alois, hob drohend den Zeigefinger und ging davon. Ich atmete geräuschvoll aus. Wenn er so weiter machte würde ich das Wasser zum kochen bringen und in darin ertränken. Bester Laune und total motiviert, machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer, breitete ein weißes Handtuch vor der Badewanne aus und begann Wasser einzulassen. Nein, nicht so heiß, dass es einem das Fleisch von den Knochen lösen würde, sondern angenehm. Ich wollte nicht riskieren von Alois später mit dem Bettlaken erdrosselt zu werden. "Bist du soweit, kleine Rose?", ertönte es hinter mir. Ich saß am Wannenrand und wenn ich nicht damit gerechnet hätte, dass Alois irgendwann wie aus dem Nichts hinter mir auftauchte, wäre ich jetzt mit dem Gesicht voran im Badewasser gelandet. "Ja, ich hoffe es ist alles wie gewünscht, Euer Hoheit.", murmelte ich, trat beiseite und senkte demütig den Kopf. "Nah, das war's doch noch nicht. Hophop, zieh mich aus." Alois schnippte mit den Finger und streckte die Arme vom Körper weg. Kleines Miststück. Ich zog Alois den pflaumenfarbenen Mantel aus, löste die schwarze Schleife und knöpfte die dunkelgrüne Nadelstreifenweste auf. "Gefällt es dir?", fragte Alois plötzlich, als ich mich kniete und seine Stiefel aufschnürte. "Wie bitte?" Ich schaute hoch und wurde vom Licht der Deckenlampe geblendet. "Hm, ich hab die Frage falsch formuliert.", überlegte Alois. "Lass es mich anders sagen. Gefalle ich dir?" "Ähm..." Ich schluckte. Entweder war das jetzt ein Test und Alois wollte herausfinden, ob ich die Rolle des unterwürfigen Hausmädchens perfekt beherrschte und meine Zunge zu beherrschen wusste oder er wollte tatsächlich die Wahrheit hören. Gott, warum war es so schwer herauszufinden was dieser Junge tatsächlich dachte? "Das hier, gefällt es dir?" Alois riss die Knöpfe des weißen Hemdes auf und entblößte seinen Oberkörper. Ich zerrte an den Schnüren seiner Stiefel. "Wollt ihr die Wahrheit oder eine Lüge?", flüsterte ich und machte weiter. "Die Wahrheit...selbstverständlich." Alois riss das Knie hoch, sodass es voll gegen mein Kinn prallte und ich mir auf die Zunge biss. Sofort schmeckte ich Blut, schluckte es aber herunter und erwiderte Alois' stechenden Blick, mit dem er mich fixierte. "Na schön, wenn Ihr die Wahrheit wollt." Ich rupfte meinem Herrn unsanft den Stiefel vom Fuß. "Es lässt sich nicht abstreiten, dass ihr hübsch seid. Die blauen Augen, kalt wie Eis. Das blonde Engelshaar. Und euer Körper..." Ich schaute flüchtig auf Alois' nackte Brust, bevor ich fortfuhr. "Aber innerlich...seid ihr hässlich. Entstellt, verbrannt, verunstaltet. Ihr seid nicht besser als all die anderen Menschen. Ihr seid grausam, egoistisch, wahnsinnig. Ihr seid kein netter Mensch. Aber das kann ja keiner sehen, nicht wahr? Alles was man sieht ist Euer unschuldiges, hübsches Gesicht. Nicht die Wunden, an denen Ihr leidet. Nicht den Schmerz, mit dem ihr zu kämpfen habt." Alois starrte mich an, fassungslos. Ich hatte soeben vermutlich mein Todesurteil unterschrieben, aber das war mir egal. Er hatte die Wahrheit verlangt und ich hatte sie ihm gegeben. Nicht mehr und nicht weniger. Weshalb es mich auf nicht überraschte, dass Alois mich im nächsten Moment bei den Haaren packte und mein Kopf mit voller Wucht gegen den Rand der Badewanne schlug. Ein stechender Schmerz zuckte durch meine Stirn und kaum war dieser abgeflaut, verspürte ich ein unangenehmes Pochen. "Behalt die Wahrheit in Zukunft für dich, verstanden?! Sag so etwas nie wieder oder ich werde dich eigenhändig umbringen, ausweiden und deine sterblichen Überreste den Wölfen zum Fraß vorwerfen, kapiert?!", schrie Alois, schüttelte meinen Kopf hin und her, bis mir davon schwindelig wurde. "Kapiert?!" "Ja, Euer Hoheit.", hauchte ich und wurde losgelassen. "Sehr gut, dann mach jetzt weiter. Bevor das Wasser kalt wird.", wies Alois mich an und gehorsam leistete ich seinem Befehl folge. Allerdings hatten meine Worte ihn nicht einfach nur dazu gebracht mal wieder die Fassung zu verlieren. Er sagte nämlich während des gesamten Bades kein einziges Wort mehr. Nicht, als ich ihm die Hose auszog oder ihn wusch oder ihn abtrocknete. Er war still. Und um ehrlich zu sein, machte mir das noch mehr Angst, als wenn er mich angeschrieen hätte. In ein Handtuch gewickelt, tapste Alois barfuss durch die Flure seines Anwesens. Ich, mit angemessenem Abstand, hinterher. In seinem Zimmer angekommen, kleidete ich ihn in sein Nachthemd, zog die Vorhänge zu und richtete das Bett her. Alois stand schweigend daneben, beobachtete lediglich jede meiner Bewegungen. Es war schlimmer, als nackt von ihm gemustert zu werden. "Es ist alles bereit, Euer Hoheit." Ich klopfte noch einmal das Kissen zurecht und machte dann einen großen Schritt nach rechts, um Alois nicht im Weg zu stehen. "Hm...", machte er, kletterte ins Bett und rollte sich wie eine Katze zusammen. Herrgott, warum wirkte er jetzt auf einmal so zerbrechlich? Das war ja nicht zum aushalten. Ich zog die Bettdecke hoch bis zu Alois' zierlichen Schultern und wollte schon die Kerze auspusten, die auf dem Nachttisch stand, als Alois meine Hand ergriff. "Nicht, lass das Licht an. Bitte." "Habt Ihr Angst im Dunkeln?", fragte ich, einfach weil es die erste logische Begründung war, die mir in den Sinn kam. "Ja, ich fürchte die Dunkelheit.", antwortete Alois, drückte meine Hand fester und warf mich somit komplett aus der Bahn. Er hatte Angst im Dunkeln? Alois Trancy hatte Angst vor der Dunkelheit? Das war das Letzte womit ich gerechnet hatte. Aber der unsichere Ausdruck in den eisblauen Augen log nicht. Dafür klammerte sich der kleine Earl viel zu sehr an mich. "Soll ich..." Ich räusperte mich. "Soll ich bleiben bis Ihr eingeschlafen seid, Euer Hoheit?" Alois sah mich an, als würde er gleich anfangen zu weinen. Mein Herz krampfte sich kurz schmerzhaft zusammen. "Kannst du mir etwas vorsingen, Genevieve?" Ich nickte abgehackt. "S-Sicher, ich...ähm..." Streng dich an Mädchen, du wirst ja wohl ein Schlaflied kennen. Alois schloss die Augen. "Bleib einfach bei mir und lass mich nicht allein.", bat er und verschränkte seine Finger mit meinen. Ich schluckte und spürte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Wie war es möglich, dass er von einem auf den anderen Moment eine komplett andere Person wurde? Erst herrisch, aufbrausend und psychopatisch und jetzt? Unschuldig, zerbrechlich, hilflos. Ich würde ihn jetzt liebend gern in den Arm nehmen, hin und her wiegen und ihn vor der Dunkelheit beschützen. Allerdings vergaß ich hier um wen es sich handelte. Es handelte sich um Alois Trancy, der nicht davor zurückscheute mich zu verletzen, damit er seinen Spaß hatte. Der sich jeden Tag etwas neues ausdachte, um mich zu demütigen und mich zu brechen. Doch vielleicht war das nicht alles von ihm. Vielleicht versteckte sich hinter dieser Grausamkeit und diesem Egoismus etwas, das es wert war, dass man ihm seine Aufmerksamkeit schenkte. Gerade so, als würde man dann merken, dass man diesen Funken Licht beschützen musste, damit er nicht von der Dunkelheit ausgelöscht wurde. Womöglich trug Alois diesen Funken in sich, schrie stumm um Hilfe. Ich wusste ja nicht wer er wirklich war. Er kannte nur die Seite seines Selbst, die er mir jeden Tag zeigte. Und die Seite, die er mir jetzt zeigte. Herr im Himmel, dieser Junge würde mich noch mal ins Grab bringen. "Genevieve..." Mir knickten fast die Beine weg, als ich hörte wir Alois meinen Namen aussprach. Oh Gott, ich musste mich setzen. Was ich auch tat und Alois schien es nicht zu stören, als ich auf der Bettkante Platz nahm. Er hielt weiterhin meine Hand fest, ließ die Augen geschlossen und wartete. Wartete geduldig, bis ich mich gedanklich gesammelt und mich an den Text eines Schlafliedes erinnert hatte. "Lege deinen Kopf nieder. Und ich singe dir ein Schlaflied. Zurück in die Jahre von Lu-li-lay-ley. Und ich singe dich in den Schlaf. Und ich werde morgen für dich singen. Dich mit Liebe segnen, für den Weg, den du gehst." Meine Mutter hatte mir dieses Lied früher immer vorgesungen, wenn ich nicht hatte einschlafen können. Es war Jahre her, dass ich es gehört hatte und trotzdem erinnerte ich mich an jedes Wort. Eigenartig, als hätte Alois eine Erinnerung in mir wach gerufen. Nachdem ich das letzte Mal den Refrain gesungen hatte, beugte ich mich prüfend nach vorn. Alois' Atmung war gleichmäßig und ruhig. Er war eingeschlafen, klammerte sich aber immer noch an meine Hand, als wäre ich sein rettender Anker. Das Licht in der Dunkelheit. Oh je, was dachte ich denn da? Ich durfte gar nicht erst anfangen mir so etwas einzureden, das würde in keinem Fall gut ausgehen. Vorsichtig löste ich mich aus Alois' Griff, stand auf und pustete die Kerze aus. Wenn Claude ihn morgen früh wecken würde, wäre es schon hell und er hätte nichts zu befürchten. Außer vielleicht die unheimliche Präsenz, die sein Butler ausstrahlte. Denn ganz ehrlich, Claude konnte unmöglich ein Mensch sein. Wie hätte er es denn bitte sonst schaffen sollen das gesamte Haus innerhalb einer halben Stunde umzugestalten? Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Und seine Augen? Ich war mir ganz sicher, dass ich mir das rötliche Aufblitzen in der bernsteinfarbenen Iris nicht eingebildet hatte. Überhaupt war mir das Personal in diesem Haus ziemlich suspekt. Klar, die Drillinge, die sich nur flüsternd unterhielten waren sowieso extrem unheimlich. Aber auch Hannah, die immer so nett zu mir war, obwohl sie dazu keinerlei Verpflichtung hatte. Und natürlich Claude, dem Alois ungewöhnlich zugetan war und der etwas...ja, fast schon Düsteres an sich hatte. Offenbar so düster, dass er auch mühelos mit dem Mobiliar verschmelzen konnte, sodass ich ihn nicht sah und voll in ihn hinein rannte. "Oh Claude! Tut mir leid, ich hab sie nicht gesehen.", sagte ich. Kannst du nicht besser aufpassen, du Volltrottel?! "Ihr solltet besser die Augen aufmachen, Miss Delafontaine.", erwiderte Claude und rückte seine perfekt sitzende Brille zurecht. "Schläft der junge Herr?" Ich nickte. "Ja, er schläft." "Gut, morgen früh werde ich ihn wieder wecken. Sie werden zusammen mit Hannah und den anderen das Frühstück vorbereiten.", erklärte Claude. "Ja.", entgegnete ich. "Gehen sie jetzt zu Bett. Sie brauchen ihren Schlaf, Miss Delafontaine. Augenringe passen nicht zu so einem hübschen Puppengesicht.", meinte Claude, huschte an mir vorbei und war verschwunden. Wie bitte? Hübsches Puppengesicht? Fing er jetzt auch noch an oder was? Ich schüttelte mit einem Seufzen den Kopf. Im Hause Trancy war es offenbar Sitte die neuen Angestellten erstmal gehörig in den Wahnsinn zu treiben, bevor man sie in Ruhe ihre Arbeit machen ließ. Oder eben auch nicht, denn die Arbeit bestand ja daraus sich von der jungen Hoheit fertig machen zu lassen, also war es praktisch egal. Ich schlurfte durch den dunklen Flur, vorbei an Gemälden, denen ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte und es auch nicht weiterhin tun würde. Ich war noch immer ganz durcheinander. Alois machte mich verrückt. Ich konnte nicht entscheiden wie ich nun über ihn denken sollte. Morgen früh wäre er bestimmt wieder ganz der Alte, würde mir befehlen unanständige Dinge zu tun und sich wie ein verzogenes Balg aufführen. Ob ich diese zerbrechliche Seite jemals wieder sehen würde? Dieser hilflose kleine Funken Licht, der seine Hand nach mir ausgestreckt hatte und um Rettung flehte. Womöglich war er es wert gerettet zu werden. Auch wenn mich dieser Rettungsversuch wahrscheinlich selbst hinab ins Dunkel ziehen würde, aber was hatte ich denn schon zu verlieren? Und mal abgesehen von dem Ziel am Leben zu bleiben, konnte ich meinem Leben ja auch noch einen anderen sinnvollen Zweck geben. Tja und dieser sinnvolle Zweck würde von jetzt an darin bestehen das kleine Fünkchen Licht namens Alois Trancy vor der nahenden Dunkelheit zu retten. Egal ob ich dabei selbst untergehen würde, ich musste es versuchen. Weil er es wert war, dass man den Versuch unternahm ihn zu retten. Kapitel 7: A butterfly without wings ------------------------------------ "Miss Delafontaine?" Ich kniff die Augen zusammen. Jemand räusperte sich. "Miss Delafontaine, es wird Zeit aufzustehen." Ich zog die Bettdecke zur Hälfte über meinen Kopf und vergrub das Gesicht im Kissen. "Miss Delafontaine!" Unsanft rüttelte man mich an der Schulter, drehte mich gewaltsam auf den Rücken und weil ich wie wild anfing zu zappeln, verlor ich das Gleichgewicht, plumpste aus dem Bett und landete direkt vor Claude's Füßen. Bester Weckdienst überhaupt. "Sie haben wohl einen sehr tiefen Schlaf.", meinte Claude und ich knurrte den Fußboden an. "Nein, ganz im Gegenteil.", nuschelte ich und kniete mich hin. "Wie dem auch sei, ziehen sie sich an und gehen sie in die Küche. Ich werde jetzt den jungen Herrn wecken.", sagte Claude, machte auf dem Absatz kehrt und verließ mein Zimmer. Ich blieb noch ungefähr fünf Minuten auf dem Fußboden sitzen, ehe ich mich aufraffte und anzog. Auf dem Weg in die Küche verlief ich mich einmal, landete in einem mir unbekannten Zimmer und bog rechts statt links ab. "Ah, guten Morgen Genevieve. Hast du gut geschlafen?", fragte Hannah, die am Herd stand und Speck briet. "Einigermaßen.", antwortete ich und begann das Geschirr aus dem Schrank zu räumen. "Wo sind die Drillinge?" "Oh, die richten gerade den Speisesaal her." Hannah schob den Speck auf den Pfannenwender und hielt mir das dampfende, fettige Fleisch entgegen. Ich nahm den Teller und sie lud den Speck darauf ab. "Sie reden nicht sonderlich viel.", bemerkte ich und stellte den Teller auf ein Tablett. "Ja, das haben sie noch nie. Claude hat angeordnet, dass sie sich nur flüsternd verständigen dürfen.", erklärte Hannah. Ich runzelte die Stirn. "Wieso das denn?" Das Dienstmädchen zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Es kam mir nie in den Sinn Claude nach dem Grund zu fragen. Er ist..." Sie ließ den Satz unvollendet, schlug zwei Eier am Pfannenrand auf und begann sie zu braten. Ich nickte kaum merklich. Natürlich hatte sie Claude nicht gefragt. Er hätte ihr sowieso nicht geantwortet, das lag schließlich unter seiner Würde. Wenn überhaupt würde er es als ein Vergehen betrachten, für das er Hannah bestrafen konnte. "Den Teller, Gen." Ich blickte auf. Hannah hielt mir die fertigen Spiegeleier unter die Nase. Schweigend bereiteten wir das restliche Frühstück zu. Ich nahm das Tablett, Hannah die Karaffe in der sich entweder Trauben- oder Pflaumensaft befand. Gemeinsam trugen wir es in den Speisesaal wo die Drillinge aufgereiht hinter dem Stuhl standen, auf dem Alois später Platz nehmen würde. Eine wirklich merkwürdige Dienerschaft. Schweigende, identisch aussehende junge Männer. Ein unterwürfiges Hausmädchen und ein Butler, der sich wie ein Diktator aufführte. Im Hause Trancy war wirklich nichts gewöhnlich. "Es ist eine Unverschämtheit meinem Befehl nicht zu gehorchen!", hörte ich Alois im Flur meckern und im nächsten Moment flog die Tür auf und er stapfte auf seinen Stuhl zu. Offenbar war er bester Laune. "Verzeiht mir, Euer Hoheit. Es war nicht meine Absicht Euch zu verärgern." Claude schob seine Brille mit dem Zeigefinger zurück auf seinen Nasenrücken. Seine linke Wange zierte ein feiner, rötlicher Handabdruck. "Hast du aber! Genevieve hätte meinen Befehl befolgt!", keifte Alois, ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Sie ist Euer Hausmädchen, ich bin Euer Butler. Da besteht ein Unterschied.", erwiderte Claude. "Aber es besteht kein Unterschied, wenn es darum geht mich zufrieden zu stellen.", entgegnete Alois leise und funkelte Claude wütend an. "Natürlich, Euer Hoheit." Letzterer verbeugte sich leicht und stand dann da wie ein Zinnsoldat. Alois gab ein beleidigtes Schnauben von sich und begann sein Frühstück zu zerlegen. Und ich konnte nicht verhindern, dass mein einer Mundwinkel zuckte. Alois hatte Claude eine Ohrfeige verpasst, weil er nicht getan hatte, was die Hoheit ihm befohlen hatte. Eine unentschuldbare Vernachlässigung seiner Aufgabe als Butler. Nachdem Alois, mehr oder weniger, fertig gefrühstückt hatte, wollte ich schon den Drillingen und Hannah helfen schnell alles abzuräumen, doch Alois schlug mir unsanft seinen rechten Arm vor die Brust, sodass ich gezwungenermaßen stehen bleiben musste. Natürlich, er hatte mich beim Betreten des Raumes komplett ignoriert, dass musste er jetzt sofort wieder ausgleichen. "Du nicht, du bleibst hier. Kleine Rose." Er hob das Kinn, wie es sich für eine Hoheit gehörte, und legte den Arm stattdessen um meine Hüfte. "Claude, ich werde mit ihr ein wenig spazieren gehen. Du sorgst dafür, dass das Mittagsessen vorbereitet ist, wenn wir zurück kommen. Verstanden?" "Ich habe verstanden, Euer Hoheit.", sagte Claude, drehte sich schwungvoll um und scheuchte die anderen Bediensteten vor sich her. Ich hörte das Geschirr klappern, aber es zerbrach nichts. "Habt ihr gut geschlafen, Euer Hoheit?", erkundigte ich mich der Höflichkeit wegen. Unerwartet zuckte Alois plötzlich zusammen und starrte mich an. "Geschlafen?", wiederholte er, als hätte ihn diese einfache Frage völlig aus dem Konzept gebracht. Ich runzelte die Stirn. "Ja, habt Ihr etwas geträumt?", wollte ich wissen und verstand nicht warum Alois sich auf einmal so komisch benahm. "Geträumt..." Der Arm um meine Hüfte lockerte sich. "Um ehrlich zu sein...ich weiß nicht wann ich das letzte Mal wirklich geträumt habe.", gestand Alois. "Oh...ich...es tut mir leid.", murmelte ich und wandte den Blick ab. Ich konnte verstehen wie Alois sich fühlte. Ich selbst hatte auch schon seit langem nicht mehr wirklich geträumt. Allerhöchstens war es mal ein Aufblitzen alter Erinnerungen gewesen, das ich im Schlaf erlebt hatte. Und es waren nie besonders schöne Erinnerungen gewesen. "Kommt, Ihr wolltet doch spazieren gehen oder?" Ich erlaubte es mir nach Alois' Hand zu greifen und ihn mit mir zu ziehen, was er auch ohne ein Wort des Protests zuließ. Er wirkte irgendwie ein bisschen benommen. "Ja-a, gehen wir spazieren.", flüsterte er, mit den Gedanken offensichtlich weit weg. Was ging nur in diesem Jungen vor sich? Ich beschleunigte meine Schritte etwas und Alois stolperte einmal kurz, ehe er sich meinem Tempo angepasst hatte. Ich erwartete, dass er nun sofort stehen bleiben, mich anschreien und schlagen würde, doch stattdessen verschränkte er seine Finger mit meinen und lief schneller. Irgendwann rannten wir. Durch den Rosengarten, durch das stählerne Eingangstor des Hauses und dann durch den Wald. Dann blieb Alois stehen, ließ meine Hand los und schaute nach oben. Über uns was der Blätterdach etwas lichter und einzelne Sonnenstrahlen durchdrangen das Grün. Es war schön. "Seid Ihr zufrieden, Euer Hoheit?", fragte ich. Alois sah mich an. "Ob ich zufrieden bin?" Er biss sich auf die Unterlippe, ballte die Hände zu Fäusten und lief auf mich zu. Obwohl ich hätte stehen bleiben und nicht zurückweichen sollen, bewegte ich mich vorsichtig rückwärts. "Willst du vor mir weglaufen, kleine Rose? Willst du mich...verlassen?" Alois sprach dieses Wort aus, als würde er es verabscheuen. "N-Nein, ich...ich würde nie...", stammelte ich und spürte die raue Baumrinde im Rücken. "Gut, du darfst mich nie allein lassen, hörst du? Niemals.", raunte Alois, stützte sich mit einer Hand an dem Baum ab und lehnte sich so weit nach vorn, dass sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war. "Nein, niemals.", versprach ich und zog den Kopf ein wenig ein. Wie war es möglich, dass Alois mir Angst machte und ich gleichzeitig das Bedürfnis verspürte ihn in den Arm zu nehmen? "Hoheo taralna..." Alois brach mitten im Satz ab und starrte etwas an, das ich wohl ein ganzes Stück über meinem Kopf befand. Ich blinzelte verwirrt. "Euer Hoheit?" "Sieh mal, kleine Rose." Alois stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt mir im nächsten Moment einen Schmetterling unter die Nase, an dessen ozeanblauen Flügeln noch Reste eines mit Tautropfen benetzen Spinnennetzes hingen. "Ihr habt ihn befreit.", sagte ich. Alois lächelte. "Ja, das hab ich." Der Schmetterling zappelte hilflos mit dem einen Flügel. "Und jetzt will er mir wieder entwischen. Aber das wird er nicht. Er wird nirgendwo mehr hin fliegen." Ohne zu zögern riss Alois dem Schmetterling einen Teil seines Flügels aus. Die zarten, blauen Fetzen trug der Wind davon. "Mein Herr." Mein Herz machte einen Satz und ich fuhr herum. Im Schatten der Bäume kniete die schwarz gekleidete Gestalt eines Mannes. Hatte er uns etwa verfolgt? "Claude, ich hab dich nicht gerufen.", meinte Alois und stemmte die freie Hand, die nicht den Schmetterling hielt, in die Hüfte. "Aber ihr ward drauf und dran es zu tun, Euer Hoheit. Deshalb bin ich hier.", erwiderte Claude und erhob sich. "Hm, nicht schlecht. Und wo du schon mal hier bist, kannst du uns auch gleich zurück zum Anwesen bringen. Ich hab nämlich eine Aufgabe für dich.", erklärte Alois. "Sehr wohl, Euer Hoheit." Claude trat ins Sonnenlicht, hob seinen Herrn hoch und ging davon. Ich blieb etwas verwirrst da stehen, wo Alois mich förmlich festgenagelt hatte. "Komm schon, kleine Rose! Beeil dich gefälligst!", krähte Alois und ich folgte ihm und seinem Butler. Warum zur Hölle wollte Alois diesen Schmetterling behalten? Was hatte dieses Insekt für einen Nutzen? Oder hatte mein Herr einfach nur grundsätzlich Angst von allem und jedem verlassen zu werden? "Einen Insektenkäfig?", hörte ich Claude fragen, als ich dann auch den Rosengarten erreicht hatte, wo Alois mit dem Schmetterling durch die Gegend tänzelte. "Ja, der hier soll da rein.", antwortete der Earl. "Auch ohne ihn einzusperren, wird er so sicher nicht mehr wegfliegen können.", entgegnete Claude. "Willst du mir widersprechen?", wollte Alois wissen. "Nein.", sagte Claude. "Nicht nur ein einfacher Käfig. Ein besonderer. Mit Blumen, damit er, wenn er List auf Nektar bekommt, so viel davon haben kann, wie er nur möchte.", lachte Alois und strahlte mich förmlich an, als er mich entdeckte. Oh, wie ungewöhnlich großherzig von ihm. Er hatte dem Schmetterling zwar einen Flügel rausgerissen, doch jetzt wollte er sich um ihn kümmern. "Ich verstehe was Ihr meint.", kam es von Claude und Alois fiel das Lächeln förmlich aus dem Gesicht, was ich allerdings nicht verstand, was mich wiederum verwirrte und...aua mein Kopf tat weh. "Los, kommt schon. Ihr beide.", befahl Alois und der Kies knirschte unter seinen Füßen. In der Eingangshalle standen die Drillinge und tuschelten leise miteinander. Hannah war nicht zu sehen. "Hey! Ihr Drei!", rief Alois und Thompson, Timber und Canterbury drehten sich zu ihm um. "Andauernd tuschelt ihr miteinander. Wieso tut ihr das, hm?" Alois stellte sich auf die Zehenspitzen. Er lächelte, doch ich jeder Trottel hätte bemerkt, dass es ihm nicht gefiel, wenn die Drillinge sich so leise unterhielten. "Ihre Erziehung und ihre Ausdrucksweise sind mangelhaft. Daher habe ich angeordnet, dass sie sich nur flüsternd verständigen.", erläuterte Claude. "Erziehung und Ausdrucksweise, sollte das etwa eine Anspielung sein?", grinste Alois und kniff Claude in die Wangen. "Nein, eine Anspielung lag nicht in meiner Absicht.", versicherte der Butler. "Aber so kann ich leider nicht wissen, was ihr denkt.", bemängelte Alois und wandte sich somit wieder an die Drillinge. "Das ärgert mich! Redet gefälligst mit lauter Stimme!", befahl er und stapfte dann davon. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm folgen sollte oder nicht. Doch da Alois nicht den Wunsch nach meiner Gesellschaft äußerte, blieb ich bei Claude und den Drillingen. Auch wenn mir Alois' Gegenwart tatsächlich lieber war. "Der Herr hat einen hysterischen Anfall.", äußerte plötzlich der mittlere der drei jungen Männer. "Nicht gerade niedlich.", setzte der linke hinzu. "Oh ja, allerdings.", ergänzte der rechte. Hm, wenn Claude ihnen das Sprechen nicht verboten hätte, würden sie wohl zu allem einen Kommentar abgeben. "An die Arbeit. Um den armen Schmetterling zu erfreuen, werdet ihr das Zimmer unseres Herrn mit scharlachroten Rosen ausstatten.", wies Claude uns an, auf dessen Hemdkragen der Schmetterling saß. Alois musste ihn dort platziert haben. "Claude spielt sich wieder auf.", murmelte Thompson (zumindest glaubte ich, dass er es war). "Er stellt unüberlegte Forderungen.", pflichtete Canterbury seinem Bruder bei. "Mach's doch selbst.", brummte Timber und ich fand, dass sie Drei damit absolut recht hatten. "Die Aufgabe eines Butlers ist es, dem Dienstpersonal Aufträge zu erteilen. Sich selber die Hände schmutzig zu machen, passt nicht zu einem Butler.", sagte Claude und rückte seine Brille zurecht. "Ach so?", fragte Canterbury. "Ist das so, ja?", hakte Timber nach. "Deine Brille ist beschlagen.", bemerkte Thompson, woraufhin Claude sie abnahm und mit einem schneeweißen Taschentuch säuberte. "Es war zwar der Befehl unseres Herrn, aber ich habe den Eindruck, dass ihr jetzt entschieden zu laut seid." Der schwarze Butler ging davon, in dieselbe Richtung, in die Alois vorhin gestapft war. "Hm, wir sollten die Rosen pflücken. Ich hab das Gefühl, dass Claude ungehalten wird, wenn man nicht tut was er sagt.", überlegte ich. "Du siehst aus wie eine Puppe." "Eine sehr hübsche Puppe." "Die Puppe des jungen Herrn." Ich war so verdattert, dass ich nicht einmal zuordnen konnte, wer was gesagt hatte, aber das war ja auch egal. Fakt war, dass Claude dieses eine Mal wohl tatsächlich recht hatte und es besser wäre, wenn die Drei wieder die Klappe halten würden. Kapitel 8: Bluebells -------------------- Die Sonne schien vom Himmel herunter und spiegelte sich in der glatten Oberfläche des Tisches, an dem ich saß und zusammen mit Timber die Dornen von den roten Rosen abschnitt. "Ich glaube der junge Herr ist ganz schön vernarrt in Claude.", sagte er plötzlich und ich schnitt mir mit der Gartenschere fast den Zeigefinger ab, weil mich diese Aussage so überraschte. "Was ist denn an dem so toll?", wollte Thompson wissen, knipste eine Rose ab und warf sie in den Korb, den Canterbury auf dem Rücken trug. "Ich finde Hannah viel besser.", meinte dieser. Ich hob den Blick. "Wenn man vom Teufel spricht." "Da ist Hannah ja.", bemerkte Canterbury unnötigerweise. "Ihr seid ja heute sehr gesprächig.", stellte Hannah fest und schenkte mir ein freundliches Lächeln. "Nur auf Befehl unseres Herrn." "Notgedrungen." "Und sehr ungern." Hannah hob eine Augenbraue. "Auf Befehl des Herrn? So so." Dann betrachtete sie die blutroten Rosen, von denen wir umgeben waren. "Rosen, hm? Diese Blumen hier wären viel besser als Rosen." Sie holte ein kleines grünes, zartes Pflänzchen hervor, an dem glockenförmige, blassblaue Blüten hingen. "Sind das nicht Hasenglöckchen?", fragte ich. "Ja und sie werden dem jungen Herrn besser gefallen, als Rosen.", antwortete Hannah, nahm eine der kleinen Blüten und steckte sie mir ins Haar. Dann ging sie wieder und ließ mich mit den Drillingen allein. "Hannah hat Riesenbrüste." "Glockenbrüste." "Rabimmel rabammel." Ich verdrehte die Augen. "Eure Erziehung ist wirklich mangelhaft.", seufzte ich. "Sagt das Mädchen, das im Dreck geboren wurde." "In einer dreckigen Straße." "Dreckig." Ich knirschte mit den Zähnen. "Haltet die Klappe und pflückt lieber Hasenglöckchen. Die Rosen brauchen wir nicht mehr.", knurrte ich, rupfte mir die blaue Blüte aus den Haaren und stand auf. Woher um alles in der Welt wussten die Drei, dass ich in den Straßen Londons aufgewachsen war? Hatte Alois es ihnen erzählt? Nein, wohl eher nicht. Bestimmt hatte die Hoheit meine Lebensgeschichte gleich wieder vergessen, nachdem ich sie ihr erzählt hatte. Aber woher wussten sie es dann? Mir den Kopf darüber zerbrechend, kehrte ich zum Anwesen zurück. Es war nach halb eins, was bedeutete, dass Alois bereits Mittag gegessen hatte und jetzt...was auch immer tat. Ja, was machte er eigentlich den lieben langen Tag, wenn er nicht gerade seinen Spaß mit mir hatte? Hatte man als Earl keine Pflichten? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst mein ehemaliger Herr hatte hin und wieder wichtige Dinge zu tun gehabt. "Suchen sie etwas, Miss Delafontaine?" "Etwas...wahhh! Claude!" Der in schwarz gekleidete Butler war einfach so vor meiner Nase aufgetaucht und ich hatte es nicht mitbekommen. Wieso waren alle in diesem Hause so leise und so schnell wie ein Schatten?! Das war doch nicht normal. "Nein, ich...ich wollte nur...", stammelte ich und versuchte panisch meine Gedanken zu ordnen, denn die waren momentan das reinste Chaos. "Falls sie den jungen Herrn suchen, er befindet sich derzeit im Arbeitszimmer.", sagte Claude, tippte dabei beiläufig auf ein zusammengerolltes Dokument, das er unter dem Arm trug und setzte dann seinen Weg fort. "Und wo ist jetzt das Arbeitszimmer?", stöhnte ich und öffnete probehalber die Tür zu meiner linken. Ein Glücksgriff. Der Raum war, bis auf einen großen Schreibtisch und an der Wand aufgereihte Bücherregale ziemlich leer. Grüne, schwere Vorhänge waren mit goldenen Stoffseilen zurückgebunden und auch der Teppich glich von der Farbgebung her dem weichen Gras im Wald. "Claude, du...oh. Genenvieve." Alois, der bis eben mit dem Kopf auf der Schreibtischplatte gelegen hatte, richtete sich jetzt auf und fuhr sich durch die blonden Haare. "Tut mir leid, falls ich Euch störe. Ich wollte nur..." Was wollte ich denn? Eigentlich hatte ich nur nicht länger mit den Drillingen im Garten hocken wollen, weil sie mir erstens unheimlich waren und zweitens ein extrem loses Mundwerk hatten. "Du störst nicht.", murmelte Alois, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und seufzte. "Um ehrlich zu sein...bin ich sogar ganz froh, dass du hier bist." "Wirklich? Wäre es Euch nicht lieber, wenn Claude bei Euch wäre?", hakte ich nach, da es unübersehbar war, wie sehr er seinem Butler zugetan war. "Nein, ich will, dass du bei mir bist.", erwiderte Alois und streckte seine Hand nach mir aus. Wie in Trance lief ich auf ihn zu und ergriff die mir dargebotene Hand. Ganz so, als würde Alois mich um Rettung anflehen. Und ich gewährte sie ihm. "Glaubst du, dass Claude sich irgendwann aus dem Staub machen wird?", flüsterte Alois und wirkte mit einem Mal schrecklich traurig. "Was? Aber warum sollte er denn? Er ist doch Euer Butler.", entgegnete ich und ließ mich von Alois an sich ziehen. "Ja, das mag schon sein. Ich...ich würde ihm gerne die Flügel ausreißen, dann müsste er für immer bei mir bleiben." Der kleine blonde Engel lehnte sich gegen mich und schloss die eisblauen Augen. Mein Herz fühlte sich an, als würde es jemand in der Hand halten und zerquetschen wollen. "Ihr mögt ihn sehr, nicht wahr?" "Ich..." Alois ließ meine Hand los und stieß mich von sich weg. "Wage es nie wieder mir diese Frage zu stellen, hörst du?! Du bist nur ein Hausmädchen! Eine billige, kleine Hure und mein Spielzeug! Du tust nur das was ich dir sage und fängst nicht auf einmal an deinen eigenen Kopf durchzusetzen, haben wir uns verstanden?! Sonst ist dein hübscher Kopf ab!" Die Worte verletzten mich nicht. Sie prallten an mir ab. Zu oft hatte man mich schon Hure und Schlampe genannt. Allerdings... "Ich will, dass du nie wieder irgendetwas darüber sagt, dass ich Claude mag. Solltest du es doch tun, wirst du Schmerzen erleiden, die schlimmer sind als der Tod. Und ich persönlich werde sie dir zufügen. Kapiert?" Alois war aufgesprungen, sein Körper bebte und es machte den Eindruck, als wolle er mir jeden Augenblick an die Gurgel springen. "Kapiert.", sagte ich, machte einen großzügigen Schritt zurück und senkte demütig den Kopf. "Gut, du darfst nämlich nie vergessen wer du bist. Und wer ich bin.", erinnerte Alois mich. Natürlich, ich wusste wer ich war. Genevieve Delafontaine. Dienstmädchen im Hause Trancy, Spielzeug von Alois Trancy, eine kleine Rose mit Dornen. Und er war Earl Alois Trancy. Er war ein Schmetterling ohne Flügel, der sich in einem Spinnennetz verfangen hatte. In Claude's Netz. "Euer Hoheit, es ist alles bereit." Besagte Spinne stand nun im Arbeitszimmer und ich wusste nicht wie viel sie von dem mitbekommen hatte, was sich hier gerade abgespielt hatte. Alois erhob sich mit einem leisen Schnaufen, stolzierte an mir vorbei und schnippte mit den Fingern. Das Zeichen dafür, dass ich ihm wie ein braves Hündchen folgen sollte. Was ich auch tat, denn was blieb mir anderes übrig? "Ich habe Eurem Wunsch gemäß alles bereit gestellt.", verkündete Claude, als wir vor der Tür zu Alois' Zimmer stehen blieben. Pah, als ob er das getan hätte. Wenn sich hier jemand die Hände schmutzig gemacht hatte, dann ja wohl die Drillinge. Na ja, zumindest hoffte ich, dass sie ihre Aufgabe erfüllt und den Raum mit den Blumen geschmückt hatten. "Nun mach schon.", drängelte Alois ungeduldig und Claude drückte die Klinke herunter. Ein feiner, süßlicher, aber nicht zu schwerer Duft umfing einen augenblicklich. Und das helle, klare Blau leuchtete einem förmlich entgegen. Die Hasenglöckchen waren überall. Auf dem Kaminsims, auf der Kommode, an den Wänden, ja sie hingen sogar von der Decke. Es war ein Meer aus Blumen. "Hasenglöckchen in voller Blüte aus jenem Garten." Alois wankte an Claude vorbei in das Zimmer. Er hatte mir den Rücken zugewandt, aber dennoch war ihm deutlich anzuhören, dass er weinte. "Aber das..." Leise schluchzend umarmte er den goldenen Vogelkäfig, der auf dem Bett stand und in welchem der Schmetterling sich auf einer blassblauen Blüte niedergelassen hatte. "Mein Herr." Claude trat ins Zimmer und kurz dachte ich er würde die Tür nun einfach schließen und mich im Flur stehen lassen. Tat er aber nicht. "Claude...", flüsterte Alois ergriffen und drehte sich um. Tränen quollen aus seinen eisblauen Augen und liefen seine Wangen hinab. "Ja?", erkundigte der Butler sich. "Sag mir Claude, wieso tust du das alles für mich? Kannst du nicht für immer bei mir bleiben?", bat Alois. Wie naiv er doch war, wenn er glaubte, dass Claude hierfür verantwortlich war. Dabei war es doch Hannah's Idee gewesen statt Rosen Hasenglöckchen zu nehmen. "Sicher, ich werde bei Euch bleiben, solange ich mich an Euch erfreuen kann." Claude kniete sich hin, legte eine Hand an die Stelle an der sein Herz schlug und Alois umklammerte den Käfig förmlich. Solange er sich an ihm erfreuen konnte? Was war das denn für eine Bedingung? Sollte das etwa bedeuten, dass Claude Alois verlassen würde, wenn er nicht mehr interessant genug war? Kein Wunder, dass der Junge unter Verlustängsten litt. "Ich werde mich dann mal an die Vorbereitung des Abendessens machen.", meinte Claude, stand wieder auf und verließ nach einer knappen Verbeugung das Zimmer. Alois weinte noch immer, jetzt zwar leise, aber ignorieren konnte ich es trotzdem nicht. Mir dem Risiko bewusst, dass es mir eine Ohrfeige oder Schlimmeres einbringen könnte, ging ich zu Alois und wischte mit dem Saum meines Kleides die Tränen von seinen Wangen. Ein feuchter Schimmer blieb in seinen Augen zurück und auch, wenn ich mir für die folgende Frage eigentlich die Zunge hätte abbeißen müssen, so stellte ich sie trotzdem. "Weint Ihr wegen den Blumen oder wegen Claude?" "Was stellst du für bescheuerte Fragen?!", fuhr Alois mich an. "Hatte ich dir nicht gesagt du sollst nie wieder über so etwas sprechen?!" "Ja, das habt Ihr. Aber ist es denn nun Euer Butler oder die Blumen?", wiederholte ich und Alois starrte mich entgeistert an. "Wie...wie kannst du...?" Seine Lippen zitterten und er hätte wohl erneut angefangen zu weinen, wenn ich ihm nicht sanft den Käfig entzogen und ihn in meine Arme genommen hätte. Was genau mich dazu bewog das zu tun...ich weiß es nicht. Doch ich hätte es schlicht weg einfach nicht ertragen, wenn Alois wieder Tränen vergossen hätte. "Lass...lass mich los!", schrie Alois, strampelte mit den Beinen und krallte sich in den Stoff meines Kleides. Ich ließ ihn nicht los. So oft er auch befahl ich solle meine Finger von ihm lassen, ich gehorchte nicht. Diesmal nicht. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich langsam anfing zu verstehen. Zwar war Alois ein kleiner Psychopath, der er liebte andere zu verletzen oder zu demütigen, aber er war auch ein hilfloses, verzweifeltes Kind, dass offenbar nach jemandem suchte, der ihn liebte. Ansonsten würde er sich nicht so sehr an Claude's Rockzipfel hängen. Das Problem war nur, dass Claude Alois' Wunsch nach Liebe niemals würde nachkommen können. Und zwar weil dieser Mann nicht in der Lage war überhaupt zu lieben, das konnte man ihm ansehen und es war auch nicht schwer zu erkennen. Egal, ich redete mich hier schon wieder um Kopf und Kragen. Was ich eigentlich ausdrücken wollte, ist folgendes: Egal wie grausam Alois auch sein konnte, ich würde alles ertragen. Jetzt nicht mehr nur, weil ich stark sein und überleben wollte. Ich wollte ihm helfen, ihn retten. Vor was auch immer er Angst hatte. Es war alles was ich an diesem Ort tun konnte, das einzig Sinnvolle, das ich vollbringen konnte und...Alois' Hilflosigkeit erinnerte mich zu sehr an mich selbst. Zumal sich mein Herz schmerzhaft zusammen gezogen hatte, als er angefangen hatte zu weinen. Verdammt, nun hatte der Earl es irgendwie doch geschafft mich um den Finger zu wickeln. Nicht so wie von ihm selbst gewünscht, aber dennoch. Er hatte mich. Alois war in Claude's Netz gefangen und ich in seinem. Das begriff ich jetzt. "Das reicht jetzt. Lass mich los." Alois wand sich aus meinen Armen, fuhr sich mit dem Ärmel seines violetten Mantels übers Gesicht und straffte die Schultern. Ein Kopfnicken reichte und ich war bei ihm. Alois öffnete die Tür seines Zimmers und trat hinaus in den Flur. Dort waren die Drillinge gerade damit beschäftigt den Fußboden zu säubern. "Der Herr hat geweint." "Ja, geweint." "Geweint hat er." "Da sah er schon niedlicher aus." "Ja, niedlicher." "Wenn er weint, ist er niedlich." Jeder der Drei meldete sich einmal zu Wort und so schienen sie gar nicht zu bemerken, dass ihr Herr anwesend war. "Ich habe alles gehört.", sagte Alois und Thompson, Timber und Canterbury stellten sich gerade hin. "Euer Gequatsche ist unerträglicher, als das Geplapper einer alten Hexe. Es ist so was von scheißlaut, also redet gefälligst leiser!", fauchte Alois, packte mein Handgelenk und zerrte mich mit sich. Ich gab keinen Ton von mir. Weder als Alois mich absichtlich gegen einen Türrahmen laufen ließ, noch als er abrupt stehen blieb und sich der Absatz seines Stiefel in meinen Fuß bohrte. Ich schwieg, denn ich hatte beschlossen auf den Moment zu warten, in dem Alois bereit war mir zu erzählen was ihn zu dem Menschen gemacht hatte, der er jetzt war. Keine Ahnung wie lange das noch dauern würde, aber ich hatte ja schließlich Zeit. Unendlich viel Zeit, die ich damit verbringen konnte den kleinen, hellen Funken in Alois Trancy vor der ihn umgebenden Dunkelheit zu retten. Herrje, das klang jetzt aber sehr pathetisch. Kapitel 9: His soul, burning bright ----------------------------------- "Ich hab keinen Hunger.", murrte Alois und schob mit der Gabel eine Kartoffel beiseite, die die Form einer sich gerade öffnenden Seerose hatte. "Mein Herr, Ihr solltet etwas essen.", warf Claude ein, dem es wahrscheinlich mehr darum ging, dass dieses verzogene Kind sein Essen verschmähte, als darum, dass die junge Hoheit nichts zu sich nahm. "Ich sagte ich hab keinen Hunger!", wiederholte Alois, schmiss die Gabel vom Tisch und trat gegen das Tischbein, sodass alles was auf dem Tisch stand gefährlich ins Wanken geriet. "Na schön, aber Ihr werdet nachher sicher Hunger bekommen.", meinte Claude, schnippte mit den Finger und wies so das restliche Hauspersonal an das Essen wieder in die Küche zu schaffen. "Sollte das der Fall sein, machst du mir einfach etwas zu essen.", erwiderte Alois und vollführte dabei eine wegwerfende Geste. "Natürlich, Euer Hoheit.", sagte Claude. Hannah und die Drillinge verließen, beladen mit Tellern und Gläsern, den Speisesaal und huschten den Flur entlang. Ich rührte mich nicht von der Stelle. "Mir ist langweilig. Genevieve, komm mit." Alois hüpfte von seinem Stuhl, stolzierte an Claude vorbei und ich hinterher. Ich konnte nicht verleugnen, dass es mich mit einer gewissen Genugtuung erfüllte, dass Alois mich bei sich haben wollte und nicht seinen ach so geliebten Butler. Gerne hätte ich eine derartige Äußerung von mir gegeben, aber ich wollte Alois jetzt nicht verärgern und riskieren, dass er mich wieder beschimpfte, schlug und dann wegschickte. Bei seinem Zimmer angekommen, stieß Alois die Tür förmlich auf und blieb dann wie angewurzelt stehen. Ich bemerkte es gerade noch rechtzeitig, um nicht in ihn hinein zu laufen. "Äh...mein Herr? Ist alles in Ordnung?", erkundigte ich mich. Alois antwortete mir nicht. Er ließ die Türklinke los und wankte auf sein Bett zu, wo der goldene Käfig stand. Noch immer war der Raum vom Duft der Hasenglöckchen erfüllt, aber jetzt wo es dunkel war, wirkte das alles eher kalt und verlassen. Als wären die Blumen ein Schrei der Erinnerung, der im Dunkel verhallte und dann erstickt wurde. "Euer Hoheit?" Alois ging vor seinem Bett in die Knie. "Was habt Ihr denn?" Ich erlaubte es mir mich Alois zu nähern und erkannte sofort, warum er sich plötzlich so eigenartig benahm. Der blaue Schmetterling, dem ein Flügel fehlte, lag tot inmitten der blassblauen Blumen. Und auch wenn es nur ein Insekt war, dem er selbst diese Verletzung zugefügt hatte, wirkte Alois dennoch so, als würde er den Tod des Schmetterlings tatsächlich bedauern. Nein, viel mehr. Ich sah wie sich Tränen in den eisblauen Augen bildeten und dann über die vom Mondlicht beschienenen Wangen liefen. "Euer Hoheit, ich..." Zaghaft legte ich Alois eine Hand auf die Schulter und schreckte zurück, als ich spürte wie sehr er zitterte. Seltsam. Er scheute nicht davor zurück seine Bediensteten wie den letzten Dreck zu behandeln, aber wenn so ein kleiner Schmetterling starb, dann war das für Alois offenbar das Ende der Welt. Egal wie sehr ich mich auch anstrengte, ich würde ihn wohl niemals verstehen. Da ging die Tür auf und Claude, mit einem entzündeten Kerzenständer in der Hand, betrat das Zimmer. Alois gab ein leises Schluchzen von sich, das meinem Herz einen schmerzhaften Stich versetzte. "Gestorben?", fragte Claude mit seiner gewohnt emotionslosen Stimme. "Ja, einfach gestorben. Er hat nicht einen Tag überlebt.", antwortete Alois. "Du solltest...dich an ihr rächen. An der Spinne, die dich so zugerichtet hat. An Alois Trancy, der dich so zugerichtet hat. Los, räche dich. Beiß alles kaputt. Nun mach schon und lebe!", flehte Alois und ich hatte das Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen. "Es hat keinen Nutzen, Euer Hoheit. Er wird nicht wieder aufwachen.", erklärte Claude und verzog dabei keine Miene. "Ihr habt ihn entstellt, verletzt und nun ist er tot." Alois hob den Kopf, neue Tränen schimmerten in seinen hübschen Augen. "Aber Claude...", hauchte er und streckte eine Hand nach seinem Butler aus. "Ich werde Euch ein heißes Bad einlassen.", meinte Claude, drehte sich um, den stummen Hilfeschrei seines Herrn ignorierend und verließ den Raum. Kaum war er fort, begann Alois bitterlich zu weinen. Ich biss mir auf die Unterlippe. Er würde jedes meiner tröstenden Worte verabscheuen, das wusste ich. Würde alles ablehnen, was ich ihm anbot. Alois wollte nicht mich, er wollte Claude. Doch dieser würde ihn nie wollen, dieses verzweifelte Gefühl niemals erwidern. "Euer Hoheit, soll ich..." Bevor ich meine Frage zu Ende stellen konnte, schnellte Alois' Hand hervor und hinterließ ein starkes Brennen auf meiner linken Gesichtshälfte. Wie zu erwarten, eine Ohrfeige. "Geh...geh sofort.", presste Alois mühsam hervor und funkelte mich wütend an. "Geh, hilf Claude. Tu irgendwas, aber lass mich allein!" "Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit.", murmelte ich und leistete dem Befehl meines Herrn folge. Weil nicht wusste was ich anderes tun sollte (und allein in meinem Zimmer, hätte ich wohl den Verstand verloren), lief ich Richtung Badezimmer. Keine Ahnung warum ich beschlossen hatte Claude beim Einlassen des Badewassers zu helfen. Ich konnte diesen unheimlichen Typ nicht leiden und trotzdem ging ich nun freiwillig zu ihm. Irgendwas stimmte doch nicht mit mir. "Miss Delafontaine, kann ich etwas für sie tun?" Claude stand neben der Badewanne und war gerade dabei die Temperatur des Wassers perfekt einzustellen. "Der junge Herr wünscht, dass ich ihnen helfe.", log ich. So direkt hatte Alois das zwar nicht gesagt, aber es war ja eine der Auswahlmöglichkeiten gewesen. "Das ist sehr freundlich, aber ich brauche ihre Hilfe nicht.", wehrte Claude ab und zog einen seiner weißen Handschuhe aus. Ich zuckte zusammen. Schwarze Fingernägel? Was war das denn? Und...und das...war das ein Pentagramm? Warum in aller Welt hatte Claude ein Pentagramm auf dem Handrücken? War er etwa ein Okkultist? "Miss Delafontaine, es gehört sich nicht jemanden so anzustarren.", tadelte Claude und ich blinzelte verwirrt. "W-Was? Oh, entschuldigen sie." "Nun, das sie schon einmal hier sind, können sie auch die Temperatur des Badewassers prüfen, während ich es einlasse.", meinte Claude und trat beiseite. Ich, steif wie ein Stock, bewegte mich auf die Badewanne zu und betrachtete das klare Wasser. "Sie müssen die Hand schon hineinstecken.", ertönte Claude's Stimme plötzlich ganz nah an meinem Ohr und ich bekam augenblicklich eine Gänsehaut. Gott, warum musste er mir denn so auf die Pelle rücken?! Zögerlich streckte ich meine Hand aus und tauchte sie in das Wasser, nur um sie den Bruchteil einer Sekunde wieder heraus zu ziehen, weil das Wasser viel zu heiß war. "Stimmt etwas nicht?", wollte Claude wissen, dessen Lippen ein süffisantes Lächeln umspielte. "Es ist kochend heiß.", zischte ich und trocknete meine Hand an meinem Rock ab. "Bis der junge Herr hinein steigt, wird es etwas abgekühlt sein.", erwiderte Claude und griff mit einem Mal nach meiner Hand. "H-Hey! Was...?" "Ich will mir nur anschauen, ob es eventuell eine Verbrennung ist.", behauptete Claude, aber ich war der festen Überzeugung, dass dieser Kerl mich nur betatschen wollte. "Hm, nein. Keine ernsthafte Verletzung. Dafür war die Hand nicht lange genug im Wasser." Ich hörte ihm gar nicht richtig zu. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt den ungewöhnlichen, schwarzen Fingernägeln und dem Pentagramm. Gab es einen Grund dafür oder trug Claude das, weil er ein Teufelsanbeter war? "Miss Delafontaine." Ich hob den Blick und gab einen erstickten Laut von mir. Claude war mir eindeutig zu nahe und fixierte mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen. "Sie sind dem jungen Herrn offenbar sehr zugetan.", raunte der Butler und drückte meine Hand fester. "Aber sie müssen vorsichtig sein. Er hat eine sehr labile Seele." "E-Eine...w-was...?", stammelte ich. "Sie müssen gut auf sich aufpassen, kleiner Schmetterling. Nicht, dass sie ihm aus Versehen wegsterben und seine Seele so aus dem Gleichgewicht bringen." Claude ließ meine Hand los. "Ich..." Ein markerschütternder Schrei hallte durch die gesamte Villa. Ein Schrei, der nur von Alois stammen konnte. "Der junge Herr." Claude drehte sich um, machte aber keine Anstalten sich vom Fleck zu bewegen. "Sollten wir nicht nachsehen, ob alles in Ordnung ist?", fragte ich. Keine Antwort, außer einer nichts sagenden Mischung aus Nicken und Kopfschütteln. "Verdammt.", fluchte ich, drängte mich an Claude vorbei und rannte hinaus in den Flur. Ein erneuter Schrei machte es mir leicht Alois zu finden. Er saß, auf allen Vieren hockend, vor der geöffneten Flügeltür zum Ballsaal aus dem ihm ein unheilvolles, rotes Leuchten entgegen strahlte. "Nein! Nicht! Claude, wo bist du?! Claude!" "Mein Herr!" Hinter mir kamen Claude, Hannah und die Drillinge angelaufen und blieben stehen. Der Butler kniete sich neben seine Hoheit. Ich warf einen Blick in den Ballsaal. Die schweren, dunkelblauen Vorhänge brannten lichterloh und eine fast nicht auszuhaltende Hitze drängte sich in den Flur, begleitet von dickem, schwarzem Rauch. Claude erhob sich und machte den Eindruck, als wolle er geradewegs ins Feuer marschieren. "Nein! Nicht!" Alois robbte über den Fußboden zu Claude und klammerte sich an dessen Bein fest. Claude runzelte die Stirn. "Aber mein Herr." Alois schüttelte vehement den Kopf. "Nein. Nicht, Claude. Sonst wirst du verbrennen." "Aber..." "Du darfst nicht verbrennen. Bitte!", unterbrach Alois Claude, die Stimme voller Verzweiflung und Angst. "Wasser.", wies Claude uns an und die Drillinge verbeugten sich, ehe sie davon eilten. "Nicht verbrennen.", wimmerte Alois und vergrub das Gesicht im Stoff von Claude's Hose. Dieser warf Hannah daraufhin einen für mich undefinierbaren Blick zu und lächelte. Die Uhr schlug Mitternacht. Dann kehrten die Drillinge mit dem Wasser zurück und löschten das Feuer. Das alles geschah in weniger als einer halben Stunde und kurz nach halb eins saß Alois, in eine Decke gehüllt, an der großen Tafel in der Eingangshalle und schwieg. Eine einzige Kerze brannte und spendete Licht. "Keine Sorge, das Zimmer wird umgehend wieder hergerichtet.", sagte Claude, der Tee gemacht hatte und die Tasse nun vor Alois auf den Tisch stellte. "Ich wollte in verbrennen, den Schmetterling. Es sollte eine...ordentliche Bestattung werden.", erklärte Alois abwesend. Seine Augen waren gerötet und nass von den Tränen, die er vergossen hatte. "Eine Bestattung?", hakte Claude nach. "Aber das Feuer griff über.", flüsterte Alois und begann wieder zu weinen. Ich stand regungslos neben ihm. In einem Punkt hatte Claude recht. Alois hatte eine labile Seele. Eine Seele, deren Gleichgewicht ständig schwankte. Dieser Junge besaß keinen inneren Frieden, so viel war sicher. "Feuer...", schluchzte Alois und wischte mit dem Zipfel der Decke die Tränen weg. "Es ist spät mein Herr. Vielleicht solltet Ihr das Bad heute ausfallen lassen und Euch sofort zu Bett begeben.", überlegte Claude. "Hm.", machte Alois, stand auf und taumelte ein wenig. "Gute Nacht, Eure Hoheit.", sagte Hannah und die Drillinge verneigten sich. Alois ignorierte es. Claude lief neben ihm her, folgte ihm wie ein bedrohlicher Schatten. Ein Schatten, der kurz davor war, diesen kleinen, hilflosen Funken auszulöschen. "Genevieve..." Ich hob den Kopf. "Komm mit." Alois war am Fuß der Treppe stehen geblieben, hatte sich halb umgedreht und bot mir nun seine Hand dar. Claude quittierte diese Handlung mit einem missbilligenden Schnalzen seiner Zunge, was Alois aber nicht hörte. "Kleine Rose..." Ich setzte mich in Bewegung, lief auf Alois zu und ergriff seine Hand. Ich hielt sie fest, bis wir vor der Tür zu Alois' Schlafgemach standen und ich mich notgedrungen von ihm lösen musste. "Gute Nacht, Euer Hoheit.", sagte ich, vollführte einen kleinen Knicks und ging, auch wenn es mir nicht behagte Alois mit Claude allein zu lassen. Es war fast schon tragisch. Alois sehnte sich so sehr nach jemandem, der ihn liebte. Aufrichtig und ehrlich. Leider war seine Wahl auf Claude gefallen. Claude, der anscheinend nichts fühlte. Jede noch so kleine Regung war geheuchelt und gelogen. Und obwohl ich das Gefühl nicht loswurde, dass Alois sich dessen bewusst war, so konnte er Claude dennoch nicht loslassen. Er war gefangen im Netz der Spinne. Ein wenig trübsinnig tappte ich im Dunkeln durch das Anwesen, bis ich bei meinem Zimmer angekommen war. Jetzt machte sich die Müdigkeit bemerkbar und gähnend zog ich mir das Kleid aus und ließ mich in mein Bett fallen. Ich hatte mir wirklich eine unmögliche Aufgabe gestellt, indem ich beschlossen hatte Alois' Funken zu retten. Wie sollte ich das bewerkstelligen, wenn Claude stets und ständig an seiner Seite war und ihn immer tiefer in die Finsternis hinab zerrte? Und Alois war eindeutig zu schwach, um sich dagegen zu wehren. Vielleicht erkannte er auch nicht, Claude ihn nur benutzte. Für was auch immer. Seufzend zerrte ich mir die Bettdecke bis hoch zu den Ohren und schloss die Augen. Ich wollte jetzt nur noch schlafen. Zwar würde ich im Traum keine Ruhe finden, aber es war besser, als die ganze Nacht wach zu liegen und sich das Gehirn zu zermartern. Und glücklicherweise schlief ich auch schnell ein. Es war kein besonders erholsamer Schlaf, aber das war sowieso noch nie der Fall gewesen. Allerdings wurde er noch weniger erholsam, als tief in der Nacht die Tür zu meinem Zimmer geöffnet wurde. Nackte Füße huschten über den kalten Fußboden, eine Hand legte sich auf meine Schulter und rüttelte leicht daran. Ich, noch halb schlafend, gab ein unverständliches Murmeln von mir. "Genevieve." Der leise Ausspruch meines Namens ließ mich aufschrecken. Vor mir stand Alois. Mit verwuscheltem, blondem Engelshaar und traurigen, eisblauen Augen. Kapitel 10: In the depths of the night -------------------------------------- Mein Herz schlug viel schneller, als es der Fall sein sollte. Ich dürfte mich jetzt nicht so fühlen. Meine Atmung dürfte auf keinen Fall so schnell gehen und meine Hände sollten nicht so zittern. Doch ich konnte nichts dagegen machen. Ich war diesen Emotionen schutzlos ausgeliefert. "M-Mein Herr, geht es Euch nicht gut?", fragte ich und verfluchte mich im Stillen dafür, dass meine Stimme so wackelig klang. "Ich kann nicht schlafen.", murmelte Alois, der so verloren in dem viel zu großen Nachthemd wirkte. "Oh und warum nicht, Euer Hoheit?", erkundigte ich mich und hoffte, dass Alois nicht bemerkte wie schrecklich nervös ich gerade war. Dass er es war, der mich zu einem schlotternden Nervenbündel werden ließ. "Ich...hatte einen Albtraum. Und als ich aufgewacht bin, war es dunkel in meinem Zimmer.", erklärte Alois leise und fuhr sich dabei unbewusst mit dem Ärmel des weißen Hemdes übers das Gesicht. Gerade so, als wolle er Tränen weg wischen, die er vergossen hatte, ich aber nicht sehen durfte. "Ich verstehe. Soll ich..." Ich brach mitten im Satz ab. Was sollte ich denn machen? Alois hatte einen Albtraum gehabt und stand jetzt bei mir im Zimmer. Dafür musste es doch einen Grund geben. "Warum seid Ihr zu mir gekommen?", wollte ich wissen. Alois biss sich auf die Unterlippe. "Stell nicht solche dummen Fragen." Ich nickte schnell. "Natürlich, verzeiht mir. Darf ich fragen was Ihr geträumt habt, Euer Hoheit?" "Ich...es war das erste Mal seit langem, dass ich überhaupt wieder geträumt habe.", sagte Alois. "Und da war ein Schmetterling. Er war in einem Spinnennetz gefangen. Er hatte keine Flügel. Und dieser Schmetterling...war ich." Ich starrte ihn an. Eine ausgebildete Ärztin war ich zwar nicht, aber mir war klar, dass dieser Traum definitiv etwas zu bedeuten hatte. Trotzdem sprach ich die folgenden Worte. "Es war nur ein Traum, Hoheit. Denkt nicht weiter darüber nach." "Wenn ich das könnte, wäre ich nicht hier.", erwiderte Alois ungehalten. "U-Und was soll ich..." "Du sollst gar nichts!", unterbrach Alois mich laut und ich zuckte doch tatsächlich zusammen. "Aber irgendwas müsst Ihr doch von mir wollen. Sonst wärt Ihr nicht hier.", warf ich ein. "Stimmt, du hast recht. Ich will etwas von dir.", bestätigte Alois und hob das Kinn. "Und...was wäre das?", hakte ich nach. Alois sah mich an. Verständlicherweise ließ sich die Hoheit nicht dazu herab mir eine logische Antwort zu geben, aber mit dem was er dann tat, hatte ich dennoch nicht gerechnet. Alois beugte sich in einer einzigen, fließenden Bewegung zu mir herunter und verschloss meine Lippen mit seinen. Ich war so perplex, dass ich für den Moment sogar vergaß zu atmen. Da war nur noch dieses eigenartige Gefühl, das mich plötzlich durchflutete. Alois' Lippen waren so weich und so unschuldig. Ob das hier sein erster Kuss war? Wenn ja, warum verschwendete er ihn an sein Dienstmädchen? Herrgott, dieser Junge! Ich würde wohl nie verstehen was in ihm vorging. Aber wahrscheinlich war das auch gar nicht notwendig. "Genevieve..." Alois löste sich für einen kurzen Augenblick von mir und kletterte aufs Bett, sodass er nun über mir kniete. Ich sagte nichts. Ich ließ einfach nur zu, dass er mich ein zweites Mal küsste, nach meinen Händen tastete und meine Finger mit seinen verschränkte. Alois suchte nach Halt, nach jemandem, der ihn festhielt und auffing, sollte er einmal fallen. Er hoffte diesen jemand in Claude zu finden, doch unterbewusst war ihm sicherlich schon längst bewusst, dass der schwarz gekleidete Butler niemals diese Person sein würde. Ich wusste nicht, ob er deswegen jetzt beschlossen hatte mich zu dieser Person zu machen oder ob er das hier nur tat, um seinen Albtraum zu vergessen und sich ein wenig abzulenken. Letztendlich war diese Frage aber völlig irrelevant. Alles war zählte, dass es Alois war. Mein Herr. Und, dass er von seinem Hausmädchen erwartete, dass es selbst in Situationen wie diesen seinen Job machte. Aus diesem Grund erwiderte ich den Kuss nun endlich, bewegte meine Lippen gegen die von Alois und kam ihm ein Stück entgegen. Alois begrüßte mein Mitwirken, lächelte in den Kuss hinein und leckte mit der Zunge über meine Unterlippe. Ich hätte natürlich zurückzucken können, aber ich hatte schon mit so etwas in der Art gerechnet, denn das hier war immer noch Alois Trancy. Und ich kannte ihn inzwischen gut genug um zu wissen, dass er solche Dinge gerne tat, wenn niemand anderes damit rechnete. Niemand außer mir. Alois ließ meine eine Hand los und schob damit die Bettdecke beiseite. Der Gedanke wie weit er bereit war zu gehen, hatte sich schon längst erübrigt. Und eigentlich ging es mich auch nichts an. Ich war seine Bedienstete und er mein Herr. Ich hatte zu gehorchen, egal um welche Art von Befehl es sich handelte. Weil ich nicht wusste wohin mit der Hand, die Alois bis eben noch festgehalten hatte, erlaubte ich es mir sie an seine Wange zu legen. Kein Protest seinerseits, weshalb ich sie dort ließ. Alois küsste mich weiter, verlor sich sichtlich darin und ließ sich auf meiner Hüfte nieder. Instinktiv drückte ich ihm mein Becken entgegen. Ein gehauchtes, leicht zu überhörendes Stöhnen erklang und Alois unterbrach den Kuss. Er drehte den Kopf weg und wich meinem fragenden Blick aus. Schämte er sich etwa? "Euer Hoheit? Ist alles in Ordnung?" "Nenn mich nicht so.", murmelte Alois. Ich runzelte die Stirn. "Wie soll ich Euch dann nennen?" "Ist mir egal.", murrte mein Gegenüber und verschränkte die Arme vor der Brust. Er schmollte doch nicht ernsthaft oder? "Na schön, ganz wie Ihr wollt. Alois." Ich beschloss die Initiative zu ergreifen, legte beide Hände an sein Gesicht und küsste ihn. Weil er offenbar nicht damit gerechnet hatte, verlor Alois das Gleichgewicht und fiel nach hinten, sodass ich nun über ihm lag. Ich war keine unbedarfte Jungfrau solche Dinge betreffend. Ich hatte mein alten Herrn oft genug auf diese Art und Weise zu diensten sein müssen und wenn es das war, was Alois wollte, dann sollte er auch nichts anderes bekommen. Ich schob mein Knie zwischen seine Beine und ignorierte, dass Alois versuchte sich unter mir zu winden. Er hatte es so gewollt und ich wusste, wenn ich jetzt aufhören und mich demütig zurückziehen würde, würde das Konsequenzen haben. Konsequenzen, die ich lieber vermeiden würde. Meine rechte Hand tastete sich von Alois' Wange nach unten und fand innerhalb weniger Sekunden ihren Weg unter das weiße Nachthemd. "Warte!", keuchte Alois plötzlich. Ich hielt inne. "Nicht...nicht so schnell...", japste er und rang nach Atem. "Alles in Ordnung?", fragte ich. "Ja, es ist nur...ich will nicht, dass es so schnell geht.", antwortete Alois und schaute mich aus seinen eisblauen Augen an. Ich schenkte ihm ein Lächeln. "Alles was Ihr wollt.", flüsterte ich und platzierte einen federleichten Kuss auf seinen bebenden Lippen. Meine rechte Hand ruhte direkt über Alois' Herz und ich konnte spüren wie heftig es pochte. Ich machte weiter, gab nach, als Alois an meinem Kleid zu zerren begann und wurde es äußerst umständlich los. Er wusste ja schon wie ich nackt aussah und anders herum. Allerdings fiel mir wiederholt auf wie zerbrechlich Alois in dem fahlen Mondlicht aussah, dass durch das Fenster in meinem Zimmer drang. Seine blonden Engelshaare wirkten noch heller, seine Augen leuchtete förmlich. "Starr mich nicht so an, kleine Rose." Alois lag auf mir, hatte meine Arme gegen das Kopfteil des Bettes gepinnt und sah einfach...unmenschlich schön aus. Ich hasste mich zwar für diesen Gedanken, aber ich konnte es nicht ändern. Jede andere Beschreibung wäre dem einfach nicht gerecht geworden. "Verzeiht, ich wollte nicht, dass Ihr Euch unwohl fühlt.", sagte ich. "Ich fühl mich nicht unwohl.", erwiderte Alois. "Ich...mag es, wenn du mich so ansiehst. Als wäre ich das Einzige, das du in dieser Welt begehrst. Als wäre ich alles, um das du dir Sorgen machst." Er beugte sich nach vorn, stoppte aber und vergrub sein Gesicht stattdessen in meinen Haaren, die das Kopfkissen bedeckten. Herrje, Alois zerriss mich innerlich. Ich wusste wirklich nicht was ich nun für ihn empfinden sollte. Hass? Abneigung? Oder doch...Zuneigung? Er machte es mir wirklich nicht leicht mich auf eine Emotion festzulegen. Aber in solchen Momenten wie diesen, wollte ich ihn einfach nur festhalten und für ihn da sein. Zumal ich es nicht länger abstreiten konnte. Mir gefielen die Küsse, die er mir schenkte. Diese weichen, zarten Lippen. Und die Berührungen, die viel sanfter waren als erwartet. Doch wahrscheinlich war Alois in seinem Inneren nicht so, wie er sich nach außen hin immer gab. Vielleicht war das einfach nur seine Art sich davor zu schützen, dass andere Menschen ihn verletzten. Weil irgendwann mal etwas passiert war, dass ihn für den Rest seines Lebens geprägt hatte und ich wollte unbedingt wissen was das war. "Ihr seit das Einzige, das für mich zählt.", flüsterte ich und strich langsam Alois' Rücken auf und ab. Er bekam eine Gänsehaut. "Wirklich?" Er klammerte sich an mich und mein Herz krampfte. "Selbstverständlich. Ihr seid meine Hoheit." Ich küsste mich Alois' Schlüsselbein entlang, ganz vorsichtig. Als wäre er eine Porzellanpuppe, die bei zu großem Druck zerbrach. "Du darfst mich nie verlassen, kleine Rose. Niemals.", nuschelte Alois, der noch immer an mir hing und plötzlich lief etwas Nasses meinen Hals hinab. Er weinte. Oh Gott, bitte nicht. Ich konnte ihn nicht weinen sehen. "Hört auf." Ich drückte Alois ein kleines Stück von mir weg und trocknete die Tränen mit dem Zipfel der Bettdecke, die zusammengeknüllt neben mir lag. "Ihr müsst nicht weinen. Ich werde Euch nie allein lassen, das verspreche ich. Ich werde immer bei Euch bleiben.", versprach ich und zauberte Alois somit ein Lächeln ins Gesicht, dass vermutlich jeder noch so gefühlskalten Person das Herz erwärmt hätte. "Gut, das ist gut." Alois schloss die Augen und ich ebenfalls. Ich brauchte nichts zu sehen, um zu wissen, was ich tun musste. Es geschah alles instinktiv und dennoch war es vollkommen anders, als bei meinem alten Herrn. Das lag zum einen natürlich daran, dass Alois in meinem Alter war, aber zu anderen auch daran, dass er...mich nicht einfach nur benutzen wollte, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Zumindest fühlte es sich so an. Ich wusste nicht viel Zeit genau verging, aber das war auch nicht wichtig. Allerdings war es immer noch dunkel, als Alois sich schließlich neben mich legte und begann mit meinen Haaren zu spielen. Es war so eigenartig. Wenn er sich einfach nur hätte ablenken wollen oder was auch immer, dann hätte er mich einfach nur nehmen müssen. Er hätte nicht einmal um Erlaubnis fragen müssen. Die Küsse und das alles wäre gar nicht nötig gewesen, dennoch hatte er es getan. "Alois?" "Hm?" "Warum seid Ihr zu mir gekommen? Warum habt Ihr..." "Ich weiß es nicht, also frag nicht.", unterbrach Alois mich. "Ich wollte einfach nur nicht allein sein." "Aber warum ich? Warum nicht Claude oder einer der anderen?", wollte ich wissen. Alois wickelte eine Haarsträhne um seinen Finger und zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich finde dich interessant, du hättest nicht nein sagen können, egal ob du es gewollt hättest oder nicht und..." Er biss sich auf die Unterlippe. "Und?", hakte ich nach. "Das geht dich überhaupt nichts an. Halt die Klappe.", fauchte Alois, zerrte an meinen Haaren und ließ sie dann los. "Na schön, ist es mir dann erlaubt eine andere Frage zu stellen?" Alois zog einen Flunsch. "Wenn es denn unbedingt sein muss." "Claude, Euer Butler er...er hat ein Pentagramm auf seiner linken Hand und...die Dinge, die er tut..." "Ist er dir unheimlich?", funkte Alois zwischen mein Gestammel, richtete sich halb auf und grinste mich an. "Nun, er ist...ja, er macht mir Angst.", gestand ich. "Das sollte er auch. Claude ist nämlich nicht nur ein einfacher Butler.", erklärte Alois. Ich hob eine Augenbraue. "Was meint Ihr?" "Ich meine, dass du dein hübsches Köpfchen mal anstrengen solltest. Komm schon, kleine Rose. Jemand, der so unglaubliche Dinge tut, kann doch unmöglich...ein Mensch sein.", raunte Alois und legte ein Bein quer über meinen Oberkörper. Ich verkrampfte mich. Claude sollte kein Mensch sein? Das konnte doch nicht Alois' Ernst sein. Ich meine ja, es war mir ein Rätsel wie Claude es geschafft hatte das Haus innerhalb kürzester Zeit komplett umzugestalten und die Veränderung seiner Augenfarbe war mir auch nicht ganz geheuer und seit ich das Pentagramm gesehen hatte, fand ich ihn noch gruseliger als vorher, aber machte ihn das gleich zu einem übernatürlichen Wesen? "Du weißt es, ich seh's dir doch an kleine Rose.", flüsterte Alois und rückte noch näher an mich heran. "Claude ist kein Mensch, nein. Mein Butler ist ein Teufel. Ein Teufel, dem ich meine Seele verkauft habe." Kapitel 11: Demonic servants ---------------------------- Claude ein Teufel? Nein, niemals. Solche Dinge wie Dämonen oder Teufel existierten nicht. Ich hatte aufgehört an Himmel und Hölle zu glauben, als mich mein ehemaliger Herr in seine Dienste genommen hatte. Aber ich konnte genauso wenig abstreiten, dass Claude mir Angst machte und ihn eine Art...Finsternis umgab. Wie er sich verhielt, seine Aufgaben erledigte, das Pentagramm...einfach alles was ich in den letzten Tagen beobachtet hatte. Und jetzt Alois, der mir erklärte, dass Claude ein Teufel sei, mit dem er einen Deal geschlossen hatte. Einen Deal, der enden würde, wenn Alois ein bestimmtes Ziel erreicht hatte. Dann bekäme Claude seine Seele. Natürlich hatte ich gefragt was es war, das Alois so unbedingt wollte und warum, doch ich hatte keine Antwort erhalten. Stattdessen hatte Alois mich zurecht gewiesen, mir erklärt, dass mich seine Angelegenheiten nichts angingen und ich gefälligst meine Klappe halten sollte. Danach hatte er mir noch ein paar Küsse geraubt und war dann eingeschlafen. Und ich lag hier und zerbrach mir den Kopf. Ob Claude mich wohl anlügen würde, wenn ich ihn fragte, ob er tatsächlich ein Teufel war? Und wussten die anderen Hausangestellten Bescheid? Und wenn er wirklich war, was Alois behauptete, geschah dann überhaupt etwas zufällig in diesem Haus? Diese Überlegung brachte mich auch unweigerlich zu der quälenden Frage, ob Claude mich aus einem bestimmten Grund zu Alois' Spielzeug gemacht hatte oder ob er es nur getan hatte, um seinem Meister eine Freude zu bereiten. Oh Gott, langsam bekam ich Kopfschmerzen. Ich schaute zu Alois, der das Gesicht halb in den Kissen verbarg und nun offenbar nicht mehr von Albträumen heimgesucht wurde. War der Grund für das Schließen des Vertrages mit Claude womöglich auch der Grund warum er so war, wie er eben war? Herrje, Claude war kein Dämon! Das war unmöglich! Ich schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Der Boden war eiskalt und eine Gänsehaut kroch meine Beine hoch. Ich konnte nicht schlafen, nicht wenn in meinem Kopf jede Menge los war und ich keine Antworten hatte, die mich zufrieden stellten. Leise schlich ich zur Tür und huschte hinaus in den Flur. Wenn ich nicht schlief, konnte ich genauso gut nachsehen was Claude nachts so trieb. Ob Dämonen schliefen? Verdammt, noch mal, Dämonen existierten nicht! "Miss Delafontaine?" Ich erlitt den Schock meines Lebens, spürte wie ein Zittern meinen Körper durchlief und mein Herz gegen meine Rippen hämmerte. So sehr, dass es weh tat. "Wie können sie mich so erschrecken?!", fuhr ich Claude an, der sich wie aus dem Nichts hinter mir manifestiert hatte und jetzt regungslos vor mir stand, einen Kerzenleuchter in der Hand. "Sie sind doch diejenige, die nachts durch das Anwesen schleicht.", erwiderte der Butler und hob eine Augenbraue. Ich schob die Unterlippe vor. "Ich könnte sie ebenfalls fragen warum sie noch durch die Gegend laufen." "Nun, da sie ja als Hausmädchen nur mäßig viele Aufgaben zu erfüllen haben, ist ihnen bisher vielleicht nicht in den Sinn gekommen, dass ich jeden Abend, nachdem ich den jungen Herr zu Bett gebracht habe, den nächsten Tag vorbereiten muss.", erklärte Claude und rückte seine gerade sitzende Brille zurecht. "Und warum sie sind noch auf den Beinen, Miss Delafontaine?" "Ich? Ähm ich...ich konnte nicht schlafen.", behauptete ich. "Nicht? Oh, wie bedauerlich. Dabei benötigen sie ihren erholsamen Schlaf doch so unbedingt.", entgegnete Claude. "Ach und sie nicht?", fragte ich. "Das tut nichts zur Sache. Gehen sie jetzt ins Bett.", antwortete Claude, doch ich dachte gar nicht daran zu tun, was er verlangte. Stattdessen musterte ich ihn ausgiebig, suchte nach Anzeichen, die mir verrieten, ob Claude nun ein Geschöpf der Hölle oder doch nur ein äußerst talentierter Butler war. "Miss Delafontaine, warum starren sie mich so an? Kann ich ihnen bei irgendwas behilflich sein?", wollte Claude wissen, dem es offensichtlich langsam zu blöd wurde mit mir im Flur zu stehen. "Nein, ich...wundere mich nur wie sie es geschafft haben das Haus in so kurzer Zeit umzugestalten. Das Frühstück dauerte kaum eine Stunde. Wie haben sie das gemacht?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. So schnell würde er mich nicht loswerden. "Miss Delafontaine, sie sollten wissen, dass ich stets darum bemüht bin meinen Herrn zufrieden zu stellen. Egal was er mir aufträgt.", sagte Claude ausweichend. "Das mag ja sein, aber es erklärt nicht, wie sie diese Aufgabe in weniger als einer Stunde bewältigen konnten.", warf ich ein. "Und ihre Augen, ich bin mir ganz sicher, dass sie für einen kurzen Moment die Farbe geändert haben." "Das muss eine täuschende Spiegelung gewesen sein.", meinte Claude. "Und das Pentagramm auf ihrer Hand und die schwarzen Fingernägel? Was sind sie? Ein Satanist?", bohrte ich weiter. Claude umklammerte den Kerzenleuchter fester. "Sie sind in der Tat eine sehr neugierige, junge Frau.", murmelte er. "Werden sie mir meine Fragen jetzt beantworten oder nicht?" Ich trat näher an Claude heran und reckte das Kinn. "Ich könnte, aber ich bin mir nicht sicher, ob ihnen die Antwort gefallen wird.", gestand der schwarz gekleidete Butler. "Sie machen mir vielleicht Angst, Claude. Aber sie können mich nicht belügen.", knurrte ich. Claude lächelte. "Nun denn..." Langsam, geradezu provozierend zog er sich mit den Zähnen den linken Handschuh aus und offenbarte das Pentagramm. "Ich bin kein Satanist, zumindest nicht in dem Sinne, wie sie sich das womöglich vorstellen." "Wie dann?", fragte ich und versuchte nicht automatisch einen Schritt nach hinten zu machen, weil Claude mir schon wieder extrem unheimlich wurde. "Kleiner Schmetterling. Es macht den Eindruck, als müsste ich die Frage gar nicht mehr beantworten.", raunte Claude und kam näher. Er legte die Hand mit dem Pentagramm an meine Wange und ich zuckte zusammen. "Ich bin ein Teufel." Die bernsteinfarbenen Augen wurden blutrot, fixierten mich und schienen ein Loch in meine Seele brennen zu wollen. "Ich habe einen Vertrag mit unserem jungen Herrn. Und wenn er erfüllt ist, bekomme ich seine Seele.", fuhr Claude fort und bestätigte somit, was Alois mir bereits erzählt hatte. Mein Herzschlag, der sich während des Gespräches wieder ein wenig beruhigt hatte, schwoll erneut an. Claude war ein Dämon! Sie existierten und ich arbeitete mit einem zusammen. Na wundervoll! "Was...was will der junge Herr von dir? Weshalb hat er seine Seele verkauft?", stammelte ich und versuchte Claude's Hand loszuwerden, die jetzt zu meiner Schulter glitt. "Oh, als sein Butler steht es mir nicht zu derartige Dinge preiszugeben, aber wenn du ihn noch ein wenig mehr mit dir spielen lässt, verrät er es dir vielleicht.", lächelte Claude und leckte sich über die Lippen. Mir wurde schlagartig schlecht. Oh Herr im Himmel, er wusste, dass Alois zu mir gekommen war. "Wissen...wissen die anderen, dass du..." Ich konnte die Frage nicht zu Ende bringen. Ich fühlte mich in Claude's Gegenwart einfach mehr als unwohl und konnte nur noch ans wegrennen denken. "Oh natürlich wissen sie es. Schließlich sind sie ebenfalls nichts anderes als Teufel.", flüsterte der Butler. Bitte was? Hannah und die Drillinge waren auch Dämonen? Sollte das etwas bedeuten, dass Alois und ich die einzige Menschen in diesem verfluchten Anwesen waren? "Nun da die Maskerade vorbei ist, weißt du ja, dass jeder von uns dich innerhalb eines Wimpernschlages töten könnte und du nur am Leben bist, weil der junge Herr Freude an dir hat. Solltest du ihm jedoch irgendwann langweilig werden...nun, dann kann niemand für deine Sicherheit garantieren, kleiner Schmetterling." Ich schlug Claude's Hand weg. "Meine Sicherheit? Du hast mich hierher gebracht! Wieso?!" "Kluges Mädchen, fragst nach dem Grund. Aber den werd ich dir nich verraten, noch nicht. Erst, wenn es soweit ist." Claude wandte sich ab. "Wenn was soweit ist? Hey, antworte mir!", rief ich ihm hinterher, aber Claude pustete lediglich die Kerzen aus, sodass ich im Dunkeln stand und mir vorkam wie der größte Depp auf Erden. "Toll...", brummte ich und ging wieder zurück in mein Zimmer. "Genevieve?" Ich zuckte zusammen und meinen Finger entglitt die Türklinke. "Ich wusste nicht, dass Ihr wach seid.", sagte ich leise und tapste aufs Bett zu. "Ich bin aufgewacht und du warst weg. Wo warst du?", nuschelte Alois schläfrig. "Nirgends, ich..." Ich blieb abrupt stehen, als ich den Blick sah, mit dem Alois mich bedachte. "Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht allein lassen.", sagte ich. "Hast du aber.", murrte Alois und verzog das Gesicht. "Verzeiht, ich werde es nie wieder tun.", versprach ich und stieg zu ihm ins Bett. "Das will ich auch hoffen.", erwiderte Alois und breitete die Arme aus. Ich ließ zu, dass er mich an sich zog und sein Kinn auf meinem Kopf ablegte. "Geh nie wieder weg...kleine Rose.", murmelte Alois noch, dann schlief er wieder ein. Ich schloss die Augen. Ein Haus voller Dämonen, mein Herr, der einen Vertrag mit seinem Butler geschlossen hatte, wegen etwas, das mir niemand sagen wollte. Mein Ziel Alois vor der Dunkelheit zu retten, war soeben in unerreichbare Ferne gerückt. Aber seit wann gab ich einfach so auf, wenn ich etwas wirklich wollte? Womöglich gab es ja doch einen Weg Alois zu retten. Den Vertrag konnte ich sicherlich nicht lösen, der war auf jeden Fall bindend. Und von seinem Ziel konnte ich Alois auch unmöglich abbringen. Aber vielleicht ließ sich da was machen bezüglich der Seele. Claude hatte gesagt er würde sie nach Abschluss des Vertrages verschlingen. Verschlingen bedeutete für mich, dass er Alois' Seele essen würde. Hatte Alois' Seele für Claude einen bestimmten Geschmack? Wählten Dämonen nur besondere Seelen aus? Oh man, ich musste mich diesbezüglich echt informieren. Vielleicht würde Hannah ja ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Oder vielleicht auch nicht. So wie sie sich verhielt, hatte sie offenbar großen Respekt oder auch Angst vor Alois. Warum auch immer, schließlich war sie ja eine Teufelin. Aber wer wusste schon wie diese Dämonen tickten. Ich schloss die Augen. Und schlief ein. Am Morgen wurde ich davon geweckt, dass sich irgendwer mit seinem vollen Gewicht auf mich legte und mir dabei alles abquetschte, was ich zum atmen brauchte. Entgegen meiner Erwartung war es nicht Alois, sondern Claude, der sich über mich beugte, um seinen Herrn hochzuheben und in sein eigenes Bett zu tragen. "Ich werde den jungen Herrn in sein Zimmer bringen und einkleiden. Bereit mit den anderen das Frühstück vor.", wies Claude mich an und lief, mit Alois, der schlafend in seinen Armen hing, zur Tür. Ich erwiderte nichts. Konnte nur daran denken, wie zerbrechlich und klein Alois wirkte und wie verloren. Ich würde ihm helfen, ihn retten. Egal was ich dafür tun musste, egal was es mich kostete. Ich hatte absolut nichts zu verlieren. Gähnend quälte ich mich also aus dem Bett, versuchte irgendwie meine Haare zu bändigen und zog mich an. In der Küche war bereits Hannah zu Gange. Sie stand am Tisch und schnitt Obst in kleine Stücke. "Guten Morgen, Gen." Sie hob den Blick. "Nanu? Du siehst aus, als hättest du nicht viel geschlafen. Ist alles in Ordnung?" "Ja, es geht schon.", wehrte ich ab, unterdrückte ein weiteres Gähnen und machte mich daran den Herd anzuzünden. "Warte, ich kann das machen." Hannah legte das Messer beiseite und nahm mir die Streichhölzer weg. "Warum? Weil das Feuer dir nicht wirklich etwas anhaben kann?", fragte ich, ohne groß darüber nachzudenken. Hannah stutzte. "Wie bitte?" Oh, verdammt. Warum konnte ich meine vorlaute Klappe nicht halten. Na ja, jetzt war ich schon mal auf halbem Weg, also konnte ich das auch zu Ende führen. "Ich weiß es, Hannah. Ich weiß was du bist. Du, Claude und die Drillinge." Hannah starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. "Der Herr hat es mir gesagt und Claude hat es bestätigt. Ich weiß, dass ihr Dämonen seid.", fuhr ich fort. "Dann weißt du also auch von dem Vertrag zwischen unserem Herrn und Claude?", wollte Hannah wissen. Ich nickte. "Aber ich versteh nicht ganz warum du hier bist. Du und die Drillinge, ihr doch nicht an Alois gebunden oder?" Hannah schüttelte den Kopf. "Nein, sind wir nicht. Aber die Drei gehören schon seit ewigen Zeiten zu mir und ich...ich...ich...", stotterte Hannah. Ich lehnte mich gegen den Herd. "Willst du es mir nicht sagen oder kannst du es mir nicht sagen?" "Beides.", sagte Hannah und entzündete eines der Streichhölzer. "Aber ich gebe dir einen guten Rat, Genevieve. Sei vorsichtig. In diesem Haus gibt es viele Dinge, von denen du nichts weißt. Und einiges willst du sicher lieber nicht wissen. Vertrau mir." Kapitel 12: ~ Surprise surprise ~ --------------------------------- Einem Dämon vertrauen. Natürlich, das war bestimmt eine gute Idee. Andererseits...hatte ich in meinem Leben je eine einzige richtige Entscheidung getroffen? Mich für etwas entschieden, dass mich nicht noch tiefer ins Unglück gestürzt hatte? Soweit ich mich erinnern konnte nicht. Also was machte es da schon, wenn ich auf den Rat einer Teufelin hörte? Ich zuckte zusammen, als Hannah das Streichholz entzündete und den Herd anmachte. Eine angenehme Wärme breitete sich in der Küche aus und ich ging schweigend meiner Arbeit nach. Die Drillinge waren vermutlich im Speisesaal und deckten den Tisch und Claude...ein Schauer durchlief meinen Körper, als ich daran dachte, dass sich dieser Teufel von Butler im Moment bei Alois befand. Er mochte ja an hängen wie ein kleiner Welpe, aber ich fand es eher beunruhigend, dass Alois dem Teufel, der seine Seele verschlingen würde, so zugetan war. "Hey." Hannah stieß mich leicht in die Seite und ich zuckte zusammen. "Wenn wir uns nicht beeilen, verspäten wir uns mit dem Frühstück." Sie hatte bereits ein Tablett in den Händen und nickte zu dem zweiten, das voll beladen mit Essen war und noch auf dem breiten, hölzernen Küchentisch stand. "Oh, entschuldige.", murmelte ich, hob das Tablett an und folgte Hannah in den Speisesaal. Wie ich es mir gedachte hatte, waren die Drillinge bereits dort und standen artig in Reih und Glied. Oh man, jetzt wo ich wusste, dass es sich bei Thompson, Timber und Canterbury ebenfalls um Dämonen handelte, waren sie mir noch unheimlicher, als vorher. Ich stellte das Tablett auf dem Tisch ab und drapierte das Essen zwischen dem Blumengesteck, den Gläsern und den Tellern. "Du hast es ohne meine Erlaubnis getan!" Die Tür flog auf und Alois stapfte auf den Tisch zu. Wundervoll, er war mal wieder überaus gut gelaunt. "Verzeiht, ich dachte es wäre in Eurem Interesse, Hoheit.", sagte Claude und neigte demütig den Kopf, wobei seine Brille einen Millimeter nach vorn rutschte. "In meinem Interesse? Red doch keinen Unsinn!", blaffte Alois und ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen. "Ich habe verstanden. In Zukunft werde ich es nicht tun, ohne vorher Eure Erlaubnis eingeholt zu haben.", erwiderte Claude. "Das will ich auch hoffen.", fauchte Alois und drehte sich dann halb auf seinem Stuhl um. "Genevieve, nach dem Frühstück hab ich eine Überraschung für dich." Ich hob die Augenbrauen. "Eine Überraschung?" Bei jedem anderen Menschen hätte ich mich jetzt vermutlich über diese Verkündung gefreut, aber bei Alois war ich da eher skeptisch. "Ja, aber ich verrate dir natürlich noch nicht was es ist. Sonst wäre es ja keine Überraschung mehr." Alois zwinkerte mir zu und begann zu frühstücken. Ich blinzelte ein paar mal verwirrt. Was er wohl geplant hatte? Wollte er wieder mit mir spazieren gehen? Wollte er mir jetzt doch seinen geheimen Folterkeller zeigen? Bestimmt hatte er sich eine neue Demütigung für mich ausgedacht. Ich meine, nur weil ich einmal mit ihm schlief, wurde er ja nicht plötzlich nett und war nicht mehr psychotisch. "Schläfst du etwa?" Ein Schnipsen direkt neben meinem Ohr störte mein stilles Nachdenken. "W-Was?" "Los, abräumen.", flüsterte Hannah und ihr Blick huschte kurz zu Claude, der mich missbilligend beäugte. Ich beeilte mich also das benutzte Geschirr zu stapeln und so schnell wie möglich in die Küche zu tragen. "Genevieve!" Ich blieb abrupt stehen und prallte fast mit einem der Drillinge zusammen. "Ja, Hoheit?" "Bevor es die Überraschung gibt, wird Hannah dich hübsch einkleiden. Nicht wahr, Hannah?" Alois klimperte mit den Wimpern und Hannah nickte knapp. Sie traute sich offenbar nicht mal einen Befehl mündlich zu bestätigen. Warum hatte sie eine solche Angst vor diesem...Kind? "Komm." Das Dienstmädchen schob mich kaum merklich vorwärts, bis ich mich von selbst in Bewegung setzte. "Was könnte das für eine Überraschung sein?", fragte ich leise, weil ich es einfach nicht mehr aushielt. "Ich weiß es nicht. Aber egal was es ist, du sorgst lieber dafür, dass der junge Herr Freude daran hat.", antwortete Hannah, stellte das Geschirr ab und gab den Drillingen einen Wink. "Komm, wir müssen dich fertig machen." Sie nahm meine Hand und ich hatte gar nicht die Möglichkeit auch nur an Protest zu denken. Wobei der ja auch komplett nutzlos gewesen wäre, aber egal. "Ich weiß nicht genau, was der junge Herr geplant hat, aber in jedem Fall musst du hübsch aussehen." Im Ankleidezimmer begann Hannah den Schrank zu durchwühlen, während ich mir weiter den Kopf darüber zerbrach was Alois wohl mit mir vorhaben könnte. Vielleicht wäre es besser kein allzu schönes Kleid auszusuchen. Am Ende konnte man es dann entsorgen, weil es... "Das hier! Zieh das an." Hannah hielt mir einen blassblauen Stoffhaufen vor die Nase, den ich im ersten Moment gar nicht als Kleid identifizieren konnte. "Äh...", hob ich an, kam aber nicht dazu meinen Satz zu beenden, da Hannah bereits damit beschäftigt war mich auszuziehen. Und ich vergaß was ich eigentlich hatte sagen wollen, als mir auffiel, dass dieses Blau exakt dem Farbton glich, den die Blüten der Hasenglöckchen hatten. "Setz dich. Ich mach dir noch die Haare." Hannah dirigierte mich zu einem Polsterschemel, drückte mich auf den weichen Bezug und begann meine Haare zu entwirren, die ich heute Morgen notdürftig mit den Händen geglättet hatte. Hin und wieder ziepte es heftig, doch ich beschwerte mich nicht einmal, sondern ließ Hannah machen, was sie für richtig hielt. Bis sie verkündete sie sei fertig, woraufhin ich einen Blick in den Spiegel wagte und mir fast der Mund offen stehen blieb. Nicht, dass ich irgendwie narzisstisch veranlagt bin, aber ich hatte noch nie so...gepflegt ausgesehen. "Hübsch wie eine Puppe. Es wird dem jungen Herrn bestimmt gefallen.", meinte Hannah. "Danke.", sagte ich und stand auf. "Du musst mir nicht danken, Gen. Die Befehle unseres Herrn auszuführen, ist schließlich unsere Aufgabe.", erwiderte sie. "Jetzt geh. Und verärgere ihn nicht." Ich hob den Rock des Kleides ein wenig an und verließ das Ankleidezimmer. Gehen, ja toll, wohin denn? Ich wusste doch nicht was Alois vor hatte, also woher sollte ich wissen wo er jetzt war? Wieso konnte sich denn keiner in diesem verdammten Anwesen einmal klar und deutlich ausdrücken?! "Miss Delafontaine." Ich blieb wie angewurzelt stehen und griff mich testend an die Brust. Mein Herz raste mal wieder. "Könntest du vielleicht aufhören dich immer so anzuschleichen? Oder ist das eine Gewohnheit, die du als Teufel einfach nicht ablegen kannst?", brummte ich und drehte mich um. "Vielleicht solltest du aufhören so schreckhaft zu sein, kleiner Schmetterling.", entgegnete Claude und wirkte doch tatsächlich amüsiert. Offensichtlich bereitete es ihm Freude mich zu erschrecken. "Hier entlang." Claude drehte sich um und ging voraus. Ich folgte ihm widerstrebend und versuchte nicht auf den Saum des Kleides zu treten. Für wen hielt er sich bitte? Dachte er jetzt wo ich wusste was er wirklich war, musste er mir gegenüber nicht mehr höflich sein oder was? Verfluchter Teufel. Ich hörte den Kies unter meinen Schuhen knirschen und blickte auf. Vor dem Anwesend der Trancys stand eine Kutsche bereit. Und Alois erwartete mich ebenfalls. Er versuchte es zu überspielen, aber ich sah dennoch, wie ihm für einen kurzen Moment sämtliche Emotionen aus dem Gesicht kippten und er mich einfach nur bewundernd angaffte. Dann fing er sich aber wieder und grinste mich an. "Überraschung! Wir beide machen einen Ausflug, kleine Rose!" "Darf ich fragen wo es hin geht, Euer Hoheit?", wollte ich wissen. "Ah, natürlich nicht." Alois hob tadelnd den Zeigefinger und stupste damit gegen meine Nase. "Das ist auch Teil der Überraschung. Und deswegen..." Er hielt ein schwarzes Seidentuch hoch und ehe ich mich versah, war es plötzlich dunkel. Super, Augen verbinden. Bestimmt landeten wir in einer dunklen, dreckigen Gasse, wo Alois sonst was mit mir anstellte. "Komm, steig ein." Ich zog die Stirn kraus. Wie sollte ich denn einsteigen, wenn ich nix sehen konnte? "Oh, warte." Blitzmerker. Alois ergriff meine Hand und half mir in die Kutsche. "Bist du aufgeregt, kleine Rose?", fragte Alois und das Kichern in seiner Stimme war nicht zu überhören. "Nein.", antwortete ich. "Lügnerin. Deine Hand zittert.", hauchte Alois und ich zucke zurück. Ich hasste es, wenn ich nichts sehen konnte. "Ich habe das Gefühl sie wird nachher noch mehr zittern." Bevor ich den Mund aufmachen und etwas diesbezüglich sagen konnte, brüllte Alois Claude's Namen und die Kuschte setzte sich in Bewegung. Während der gesamten, etwas holprigen Fahrt gab ich keinen Ton von mir. Ich traute mich nicht mal mich zu bewegen und es machte mich schier wahnsinnig, dass ich nicht sehen konnte, was um mich herum geschah. Noch mehr störte es mich aber, dass Alois mir nicht mal einen Hinweis darauf gegeben hatte, wohin er mich gerade entführte. Weg vom Anwesen. Wollte er nach London? Einkäufe tätigen? Nein, das war zu gewöhnlich und außerdem war das die Aufgabe seines Butlers und ich war mir trotz Alois' Anhänglichkeit nicht sicher, ob er Claude auch bei seinen Besorgungen begleitete. Falls dieser Teufel überhaupt in die Stadt fuhr, um einzukaufen. Wer weiß, vielleicht zauberte er das alles ja auch mit einem Fingerschnipsen herbei. "Wir sind da!", quiekte Alois plötzlich und ich drehte den Kopf hin und her. Was natürlich zwecklos war. Ich konnte absolut gar nichts stehen. Ein kaum wahrnehmbares Quietschen signalisierte mir, dass Claude die Tür geöffnet hatte und das darauf folgende Geräusch waren Alois' Füße, die auf dem Kopfsteinpflaster landeten. "Du darfst die Augenbinde jetzt abnehmen, kleine Rose." Ohne zu zögern, zerrte ich das schwarze Satintuch runter und blinzelte ein paar Mal augrund der Helligkeit. Dann klappte mir fast die Kinnlade herunter. "Tada!" Alois klatschte in die Hände und ich küsste fast den Boden, als ich aus der Kutsche ausstieg. "Was...aber...warum?", stammelte ich und starrte das Anwesen wie paralysiert an. "Das erfährst du noch früh genug. Komm!" Alois packte mein Handgelenk und zerrte mich hinter sich her. Claude folgte uns mit ein wenig Abstand. Das Anwesen...warum hatte er mich her gebracht? Er wollte mich doch nicht etwa wieder an meinen alten Herrn übergeben? Oh Gott, bitte nicht! Alois war zwar vollkommen psychotisch und alle Angestellten in seinem Haus waren Dämonen, aber das war trotzdem besser, als wieder hierher zurückkehren zu müssen. Ich stolperte an dem Rosenbeet vorbei, das noch immer unvollendet war. "Was...was habt Ihr denn vor?", keuchte ich und versuchte mich nicht im Rocke des Kleides zu verheddern. "Nicht so ungeduldig!" Alois stieß die breite Flügeltür auf und hetzte mich durch die Eingangshalle. Obwohl er offensichtlich noch nie hier gewesen war und sich deswegen auch nicht auskannte, gelangte er dennoch ohne Schwierigkeiten in den Salon. Was aber vermutlich auch daran lag, dass man diesen Raum gar nicht verfehlen konnte, wenn man einfach nur geradeaus durch die Eingangshalle lief. "Du! Du kleine Hure!" Mein ehemaliger Herr sprang auf, stolperte beinahe über seine lange Robe, die seinen aufgedunsenen Körperbedeckte und streckte seine gierigen Finger nach mir aus. Ich sah schon wie er mich zu Boden treten und auf mich einschlagen würde, als Alois' Stimme, kalt und schneidend, dem zuvor kam. "Claude!" Der dämonische Butler bewegte sich so schnell, dass man ihm mit den Augen unmöglich folgen konnte, aber es endete damit, dass mein ehemaliger Herr vor mir lag und mich auf jede erdenkliche Art und Weise beleidigte. "Ich bin sicher Ihr seid verwirrt. Aber macht Euch darum keine Gedanken. Ihr werdet sowieso keine Antwort bekommen.", erklärte Alois. "Halt den Mund, vorlautes Balg! Wer bist du überhaupt?!", zeterte mein ehemaliger Herr und wand sich unter Claude's Fuß, der ihn am Boden fest pinnte. "Ich bin Earl Alois Trancy und Ihr habt dieser kleinen, hübschen Rose ein paar Blütenblätter ausgerissen. So etwas muss bestraft werden.", säuselte Alois und wickelte eine Strähne meines Haares um seinen Zeigefinger. "Rose? Was redest du für dummes Zeug?!", blaffte der Mann zu meinen Füßen. "Ich kann mit diesem Mädchen machen was ich will!" "Jetzt nicht mehr.", erwiderte Alois und nickte Claude bestätigend zu. Dieser verzog keine Miene, sondern trat zu. Ein widerliches, knackendes und zugleich matschendes Geräusch ertönte. Der Anblick war grauenvoll, aber ich konnte trotzdem nicht weg sehen. "Hat dir die Überraschung gefallen?" Alois beugte sich zu mir herüber und grinste. Ich schluckte. Das Blut erreichte meine Füße. Kapitel 13: My dear, my everything ---------------------------------- "Gefällt es dir, kleine Rose? Los, sag mir, dass es dir gefällt.", raunte Alois und nahm mein Kinn zwischen zwei Finger. Ich schluckte. Der Anblick des zertrümmerten Schädels war furchtbar, aber ich konnte einfach nicht wegsehen. In meinem Magen rumorte es. "Sieh nur Claude! Es gefällt ihr so sehr, dass sie sprachlos ist!", jauchzte Alois, klatschte in die Hände und tanzte um die Leiche herum. "Und jetzt fahr uns zurück! Ich hab Hunger." Alois sprang Claude förmlich auf die Arme und dieser trug ihn aus dem Haus hinaus. Ich lief ihnen hinterher, eine blutige Fußspur zurücklassend. Die Fahrt zurück verlief anfangs schweigend. Das Geschehene hatte mich zu sehr verwirrt und mitgenommen. Warum hatte Alois das getan? Weshalb hatte er mich hierher zurückgebracht, damit ich meinem ehemaligen Herrn beim Sterben zusah? Die Grausamkeit hatte mich dabei nicht wirklich sonderlich überrascht, aber der Grund hierfür wollte sich mir einfach nicht erschließen. "Du denkst nach. Ich kann es sehen.", sagte Alois plötzlich und ich schaute auf. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und fixierte mich mit seinen eisblauen Augen. "Ja, ich frage mich warum Ihr das getan habt.", erwiderte ich. "Hm, brauche ich denn wirklich einen Grund um so jemanden wie ihn zu töten?", wollte Alois wissen. Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein, aber warum habt Ihr mich mitgenommen? Und warum er? Es gibt genügend Menschen von seiner Sorte.", antwortete ich. "Natürlich gibt es die. Aber...du gehörst mir und Leute, die meine Spielsachen benutzten oder sie kaputt machen, mag ich nicht.", erklärte Alois. "Also...habt Ihr es für mich getan?", hakte ich nach. "Wegen dir! Nicht für dich, verwechsle das bloß nicht.", mahnte Alois und hob den Zeigefinger. "Außerdem wollte ich mal wieder das Anwesen verlassen." "Natürlich, ich verstehe." Ich senkte den Kopf und begann meine Hände zu kneten. Auch wenn Alois mir deutlich klar gemacht hatte, dass nicht ich der Grund für diese Unternehmung war, so ließ mich dieser Gedanke trotzdem nicht los. Hätte ich ihm nicht erzählt, dass mein ehemaliger Herr mich missbraucht hatte, wäre er nie darauf gekommen ihn umzubringen. Er konnte sagen was er wollte. Insgeheim würde ich immer glauben, dass er es getan hatte, weil er es nicht hatte ertragen können zu wissen, dass mich ein anderer Mann geschändet hatte. Womöglich lag ich damit ja auch komplett falsch, aber bei Alois konnte man sich sowieso nie wirklich sicher sein. Als wir am Anwesen ankamen, wartete Hannah bereits am Tor. Sie hatte den Kopf gesenkt und ihre Finger ineinander verschränkt. Irgendetwas musste passiert sein. Sonst würde sie nicht schon am Tor auf die Kutsche warten. "Was machst du denn hier? Solltest du nicht drinnen sein und...dich um irgendwas kümmern?", murrte Alois, als er aus der Kutsche ausstieg und sich erst einmal streckte. "Das hab ich, Euer Hoheit. Aber während Eurer Abwesenheit erhielt ich diesen Brief." Hannah holte besagten Briefumschlag unter ihrer Schürze hervor. Alois beäugte ihn skeptisch. "Und? Was steht drin?" "Es geht um Euren Onkel.", sagte Hannah und im gleichen Moment stöhnte Alois genervt auf. "Nicht schon wieder. Was will er denn diesmal? Schon wieder Geld?" "Nein." Hannah schüttelte den Kopf, sodass sich ein paar Haarsträhnen aus ihrem Zopf lösten. "Es geht um Euren Anspruch bezüglich Eures Titels und des Anwesens. Euer Onkel zweifelt noch immer daran, dass Ihr tatsächlich der Sohn des verstorbenen Earls seid." "Ugh, kann er denn nicht endlich Ruhe geben?!", blaffte Alois und stemmte die Hände in die Hüften. "Er wird diesmal in Begleitung eines Priesters hier auftauchen, der die Echtheit Eurer Aussagen prüfen will, Hoheit.", fuhr Hannah fort. "Halt die Klappe! Ich will davon heute nichts mehr hören!", fauchte Alois, riss Hannah den Brief aus der Hand und zerriss ihn. "Verzeiht mir, ich wollte Euch nicht verärgern, Hoheit." Hannah wich vorsichtig einen Schritt zurück und schaute gen Boden. "Tja hast du aber. Du hast Glück, dass mir mein Onkel vollkommen egal ist und ich bis eben gute Laune hatte.", brummte Alois. "Ist das Mittagessen fertig?" "Ja, selbstverständlich." Hannah trat beiseite und Alois stolzierte mit großen Schritten auf das Anwesen zu. Ich trippelte hinterher, Hannah und Claude blieben am Tor stehen. Ich drehte mich nicht nach ihnen um. Es war mir egal was die beiden Teufel untereinander noch zu bereden hatten, ich wollte davon nichts wissen. Der Vormittag war mir viel zu ereignisreich gewesen. Ich war mit meinen Gedanken furchtbar weit weg und bekam deswegen auch nicht viel vom Mittagessen mit, aber da Alois mich auch nicht ansprach, vermutete ich einfach, dass nichts Wichtiges passierte, während ich geistig abwesend war. "Wann hat er gesagt wird er ankommen?", fragte Alois plötzlich, als Hannah und die Drillinge gerade damit beschäftigt das Geschirr abzuräumen. "Wann wird wer kommen?", hakte Hannah nach. Alois verdrehte die Augen. "Na wer wohl? Mein Onkel." "Oh, er sagte, dass er am Tag nach Eintreffen des Briefes kommen würde.", antwortete Hannah. "Also schon morgen? Na toll, ich hätte wirklich besseres zu tun, als mich um diesen Fettsack kümmern zu müssen.", nuschelte Alois und stand auf. "Claude, ich gehe doch richtig in der Annahme, dass du für morgen alles vorbereiten wirst, nicht wahr?" "Aber natürlich, Euer Hoheit.", bestätigte Claude. "Gut, ich will dem Priester keinen Grund geben an mir zweifeln zu müssen.", erwiderte Alois. "Man könnte nie an Euch zweifeln, Hoheit.", entgegnete Claude und ich musste ein abfälliges Schweigen zurückhalten. So ein Heuchler. "Genevieve, komm. Wir sollten die Zeit bis zum Abendessen sinnvoll nutzen." Er winkte mich hinter sich her und ich folgte ihm wie ein braves Hündchen. Diesmal ging es nicht in den Wald, sondern in die Eingangshalle und Alois griff erneut nach dem Schwert. Erst dachte ich er würde von mir verlangen mich wieder in still hinzustellen, doch dann hielt er mir ein zweites Schwert entgegen. Mir klappte fast die Kinnlade herunter. "Nimm es. Aber pass auf, dass du dir nicht weh tust, kleine Rose.", grinste Alois und meine etwas zittrigen Finger schlossen sich um den Griff des Schwertes. "Ich...habe noch nie gekämpft. Ich bin Euch keine würdige Gegnerin, Hoheit.", sagte ich, aber Alois zuckte nur mit den Schultern. "Egal, versuch dich zu verteidigen. Und ich versuche dich nicht umzubringen." Dieser Junge war doch des Wahnsinns, schoss es mir noch durch den Kopf, als ich auch schon ausweiche musste, um von der scharfen Klinge nicht durchbohrt zu werden. Was dachte Alois sich denn bitte dabei?! Er übte fast jeden Tag und ich hielt zum ersten Mal so ein Ding in der Hand. Er konnte doch nicht wirklich erwarten, dass ich mich anständig verteidigte. "Los, hoch mit dem Schwert!", kommandierte Alois und geistesgegenwärtig leistete ich seinem Befehl folge. Zum Glück, denn keine Sekunde später holte er aus und ich blockte den Angriff praktisch durch reinen Zufall ab. "Gut, weiter!" Weiter? Wenn er weiter machte würde dieses Duell für mich tödlich enden. Ich ließ das Schwert auf Hüfthöhe sinken und taumelte nach hinten, als mich dort Alois' nächster Schlag traf. "Langweil mich nicht, kleine Rose! Greif mich an!", rief Alois und riss die eisblauen Augen dabei weit auf. Angreifen? Oh Gott, mein Kopf würde rollen, wenn ich ihm auch nur einen Kratzer zufügte. Aber auf der anderen Seite konnte ich es mir nicht leisten seine Befehle zu missachten. Ich umfasste den Griff des Schwertes also mit beiden Händen und rannte einfach blindlings auf ihn zu. Alois selbst hatte offenbar ebenso wenig damit gerechnet wie ich, denn für einen kurzen Augenblick sah ich die Überraschung in seinem Gesicht. Dann fing er sich jedoch wieder, parierte meinen äußerst vorhersehbaren Angriff und ich spürte ein kurzes Brennen am rechten Handgelenk. Als ich hinsah, lief ein feines Blutrinnsal meinen Daumen entlang. "Niemand tut meiner Rose weh, außer mir selbst.", hörte ich Alois flüstern und zuckte zusammen, als sich die Spitze seines Schwertes leicht in meinen Rücken bohrte. "Hörst du? Dein Leben gehört mir. Ich entscheide, ob du stirbst oder nicht." Ich nickte und ließ das Schwert fallen, welches mit einem metallischen Geräusch auf dem Boden aufkam. "Braves Mädchen." Frech leckte er mir über die Ohrmuschel und warf dann sein eigenes Schwert weg, sodass es mehrer Meter über den Boden der Eingangshalle schlidderte. "Komm her." Zwei Arme wanden sich um meine Hüfte und ich drehte mich zu Alois um. "Was bin ich für Euch?" Alois hob eine Augenbraue, dann lächelte er milde. "Du bist mein Eigentum, mein Spielzeug. Eine hübsche Blume mit Dornen. Meine kleine Rose, mein Schmetterling ohne Flügel. Du gehörst mir." Wie zur Bestätigung griff er mit einer Hand in meine Haare und zog daran, sodass ich den Kopf gezwungenermaßen in den Nacken legen musste. "Mir ganz allein." Alois beugte sich über mich und presste seine Lippen harsch auf meine. Es tat fast weh und es wurde schlimmer, als er mir so fest in die Unterlippe biss, dass ich Blut schmeckte. Aber dennoch gab ich keinen Laut von mir, nicht einmal ein Wimmern. Egal was noch alles auf mich zu kam, Alois würde den Schrei, den er sich so sehr wünschte, nicht bekommen. Dennoch, ich würde mein Ziel weiter verfolgen. Mein Ziel, das darin bestand diesen teuflischen Engel von einem Jungen vor dem zu retten, was ihm drohte. Ewige Finsternis und Verdammnis. Gott, ich musste aufhören solche pathetischen Sachen zu denken. Stattdessen sollte ich mich schlau machen, was Dämonen betraf. Denn von Claude würde ich keine Antworten bekommen. Hannah wäre vielleicht bereit mir die Wahrheit zu sagen, aber sie hatte zu große Angst vor Alois und die Drillinge konnte ich sowieso vergessen. Aus deren Gerede wurde niemand schlau. Alois löste sich von mir und ich merkte erst jetzt, dass ich während des Kusses die Luft angehalten hatte. "Du blutest..." Alois strich mit dem Daumen über meine Unterlippe und steckte ihn sich dann in Mund. Mir wurde schlecht. "Komm mit." Er griff nach meiner Hand und zerrte mich mit sich. Ich stolperte ein paar Mal über meine eigenen Füße, fiel aber nicht hin, wofür ich meinem gestörten Gleichgewichtssinn wirklich sehr dankbar war. "Also...Euer Onkel...", keuchte ich, während Alois fröhlich einen der vielen Flure entlang hüpfte, mit mir im Schlepptau. "Ugh, fängst du jetzt auch noch von dem an?", stöhnte er und ich konnte es nicht sehen, doch ich war mir ziemlich sicher, dass er die Augen verleierte. "Verzeiht, ich wollte nur..." "Er ist mein Onkel und kommt ständig wegen Geld angekrochen. Mehr brauchst du über ihn nicht zu wissen.", unterbrach Alois mich. "Das ist es nicht. Ich wollte wissen warum er Euch anzweifelt.", erwiderte ich und Alois blieb so abrupt stehen, dass ich beinahe mit ihm zusammen stieß. "Er will Geld und Ländereien. Das ist alles. Und um das zu bekommen, versucht er zu erreichen, dass man mir meinen Titel aberkennt. Er will beweisen, dass ich nicht der Sohn meines Vaters bin. Dieser jämmerliche alte Sack." Alois ballte die eine Hand zur Faust und drückte meine so fest, dass ich es knacken hörte. "Eine Schande, dass er anzweifelt wer Ihr seid.", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Er ist habgierig, mehr nicht. Es geht ihm nicht mal wirklich um mich. Ich bin ihm völlig egal.", sagte Alois und obwohl er wahrscheinlich versuchte es zu vermeiden, kam ich nicht umhin eine gewisse Traurigkeit aus seiner Stimme heraus zu hören. "Mir seid Ihr nicht egal.", murmelte ich deswegen geistesabwesend. Alois zuckte zusammen, als hätte er nicht mit dieser Aussage gerechnet. "Ich weiß. Aber auch nur, weil du keine andere Wahl hast.", flüsterte er und wandte sich ab. Ich zog die Augenbrauen zusammen. "Was? Seid Ihr etwa der Meinung, dass Ihr mich zwingen könntet so etwas zu sagen? Ihr könnt mich schlagen, demütigen und foltern, aber Ihr könnt mich nicht brechen. Wenn ich also sage, dass Ihr mir nicht egal seid, dann sage ich das, weil ich es wirklich so meine.", erklärte ich. Ein Zittern durchfuhr Alois und er drehte sich ruckartig zu mir um. "Sag...solche Dinge nicht, wenn du es nicht wirklich ernst meinst!" Er hob drohend den Zeigefinger und ich dachte schon er würde ihn mir ins Auge rammen, als er tief durchatmete und sich offensichtlich entspannte. "Wie dem auch sei. Bis zum Abendessen ist noch Zeit und die sollten wir nutzen. Immerhin...bist du mein Spielzeug und mit einem Spielzeug sollte man auch spielen, nicht wahr?" Alois hob vielsagend die Augenbrauen. Oh Gott, was um alles in der Welt hatte er jetzt schon wieder vor? Kapitel 14: Pretty little doll ------------------------------ Alois stand vor seinem Kleiderschrank, hatte die Türen aufgerissen und wühlte darin herum, als wolle er sich einen Tunnel nach China graben. "Euer Hoheit, sucht Ihr etwas bestimmtes?", fragte ich und ging in Deckung, als eine mit goldenen Knöpfen verzierte Jacke in meine Richtung folg. Ich erhielt keine Antwort. Alles was ich hörte war Alois' leises Murmeln, aus dem ich manchmal glaubte eine Beleidigung herauszuhören, die wohl dem Schrank galt. Immer mehr Kleidungsstücke sammelten sich auf dem Fußboden an und ich hatte auch schon eine Vermutung welche arme Seele das Chaos nachher würde beseitigen dürfen. "Hah!", rief Alois plötzlich triumphierend und hielt etwas in die Höhe, das ich im ersten Moment für eine rote Tischdecke hielt. "Zieh das an!", befahl Alois und warf mir besagten Stoffhaufen entgegen. Etwas verwirrt fing ich ihn und betrachtete ihn genauer. Es war ein japanischer Kimono aus blutroter Seide, verziert mit Stickereien in Form von bunten Schmetterlingen und silbernen Spinnennetzen. Was für eine Ironie. "Los, mach schon." Alois lief an mir vorbei, hüpfte aus sein Bett und schlug die Beine übereinander. Ich unterdrückte ein Seufzen und begann mich auszuziehen. Alois beobachtete jede meiner Bewegungen und ich wich dem bohrenden Blick seiner eisblauen Augen bewusst aus. Ich streifte mir den Kimono über und band ihn vorne mit einer Schleife zusammen. Die Ärmel waren ein wenig zu lang und an den Schultern saß er so locker, dass er drohte jeden Moment darüber zu rutschen. "Perfekt." Ich hob den Kopf und bemerkte, dass Alois mich geradezu überwältigt anstarrte. "Komm her." Er winkte mich zu sich und ich hob den Kimono ein kleines Stück an, um nicht über den Saum zu stolpern. Alois griff nach meiner Hand und zerrte so stark daran, dass ich mit dem Gesicht voran in sein Bett fiel. Allerdings blieb ich nicht lange auf dem Rücken liegen, denn im selben Moment schob sich ein Fuß unter meinen Oberkörper und drehte mich auf den Rücken. "Merk dir eines, kleine Rose. Du gehörst mir. Für immer." Alois beugte sich über mich. Er lächelte, doch in seinen Augen konnte ich etwas anderes lesen. Etwas das ich nicht verstand. Noch nicht. "Sag es.", verlangte Alois, löste die Schleife und strich den feinen Seidenstoff beiseite. "Ich gehöre Euch.", sagte ich mit einer Stimme, die mir völlig fremd war. "Gut, vergiss das nie. Genevieve." Alois kletterte nun ganz über mich, schob ein Knie zwischen meine Beine und pinnte meine Arme über meinem Kopf fest. "Niemals.", hauchte ich, weil sich meine Stimme gerade sonst wohin verabschiedete. Alois schmunzelte und küsste mich, biss mir in die Unterlippe und schob das Knie zwischen meinen Beinen weiter nach oben. Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich überließ Alois gerade die Führung, tat was er wollte und war absolut...gewöhnlich. Ich bot ihm gerade nichts interessantes und sobald er das realisierte, würde er aufhören, mich anschreien und rausschmeißen. Im schlimmsten Fall würde ich dann nackt im Flur stehen und im allerschlimmsten Fall kam dann auch noch Claude vorbei. Weil ich darauf aber so gar keine Lust hatte, drehte ich kurzerhand den Spieß um und saß im nächsten Moment auf Alois' Hüfte. Und der leicht geschockte und zugleich überraschte Gesichtsausdruck des Earls war wirklich unbezahlbar. "Was...?" "Shhh." Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen. Was ich hier gerade tat widersprach allen gesellschaftlichen Regeln, aber ich befand mich hier in einem Haus voller Dämonen, die unter der Fuchtel einen Vierzehnjährigen standen. Von gesellschaftlichen Normen hatte man hier sowieso noch nie etwas gehört. Ich griff nach dem dunkelroten Seidentuch, das vorhin notdürftig den Kimono zusammen gehalten hatte und verband Alois die Augen. "Was...was tust du?", fragte er und so sehr er sich auch bemühte, die Nervosität und Unsicherheit waren nicht zu überhören. "Ich erwidere nur Euren Gefallen von heute Vormittag.", antwortete ich und entknotete die schwarze Schleife, die Alois um den Hals trug. "I-Ich hab Angst im Dunkeln.", stammelte Alois und verzog das Gesicht. "Aber Ihr seid doch nicht allein. Ich bin bei Euch.", erwiderte ich und knöpfte die dunkelgrüne Nadelstreifenweste auf. "Du...du darfst mich jetzt auf keinen Fall allein lassen.", sagte Alois und auch, wenn es wohl ein Befehl sein sollte, so klang es doch mehr wie eine Bitte, was noch dadurch unterstrichen wurde, dass er nach meiner Hand tastete und sie fest umklammerte, als er sie gefunden hatte. "Ich gehöre Euch. Ich werde Euch nie allein lassen.", versprach ich und platzierte einen federleichten Kuss auf Alois' bebenden Lippen. Ein leises Wimmern drang an meine Ohren und Alois schlang beide Arme um meinen Hals. Das machte es zwar etwas umständlicher sein Hemd zu öffnen, aber ich schaffte es dennoch. "Gen-Genevieve...!" Er schrie meinen Namen förmlich und drückte mir sein Becken entgegen. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel zuckten. Hm, ein Earl keine Frage, aber dennoch ein Junge. Obwohl ich selbst nicht weniger ein Kind war. "Mach schon...beeil dich!", presste Alois zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zappelte ungeduldig herum. "Wie Ihr wünscht, Hoheit.", flüsterte ich, löste mich aus Alois' Klammergriff und ließ eine Hand über seinen nackten Oberkörper nach unten zum Bund seiner Hose (Höschen) wandern. Plötzlich klopfte es. "Mein Herr, das Abendessen ist fertig." Claude's gedämpfte Stimme veranlasste Alois dazu das Gesicht zu verziehen und vermutlich verdrehte er gerade auch die Augen. "Können wir das heute nicht auf später verschieben?!", maulte er. "Bis dahin ist das Essen längst kalt, Hoheit.", erwiderte Claude. "Dann koch eben was neues.", schnaubte Alois. "Darf ich fragen was Ihr gerade macht? Unterbrecht es doch kurz, esst etwas und dann wird Euch für den Rest des Tages niemand mehr stören.", schlug Claude vor. Alois stöhnte entnervt auf und ich musste mich beherrschen, damit ich nicht anfing laut zu lachen. "Es geht dich nichts an was ich mache!", fauchte Alois, packte mich bei den Schultern und drückte mich an sich. "Hoheit? Geht es Euch gut?", fragte Claude und die Tür knarrte leise. "Untersteh dich! Wenn du reinkommst, lass ich dich köpfen!", drohte Alois in seiner Panik, obwohl ich gar nicht wusste, warum er auf einmal so große Angst davor hatte, dass Claude uns sehen könnte. "Na schön, dann bitte ich Euch nun noch einmal untertänigst. Kommt in den Speisesaal und esst etwas." Die Strenge in der Bitte des Dämons war nicht zu überhören und Alois schien wohl zu ahnen, dass Claude sich nicht wegbewegen würde. "Ugh! Zur Hölle mit dir!", knurrte Alois, riss sich die Augenbinde herunter und blinzelte ein paar Mal. Ich lag noch immer auf ihm und ich rechnete damit, dass er mich nun mit einem Fußtritt von sich herunter befördern würde, doch stattdessen zog er mich in eine aufrechte Position, richtete sogar den Kimono und begann dann sein Hemd zuzuknöpfen. "Kommt, lasst mich das machen, Hoheit.", bot ich an. "Finger weg!", schnappte Alois und schob schmollend die Unterlippe nach vorn. "Ich kann das selbst!" "Daran zweifle ich auch nicht, aber es ist nicht Eure Aufgabe Eure Kleidung selbst zu ordnen.", erklärte ich und widerwillig ließ Alois sich von mir wieder herrichten. "Wartest du hier?", wollte Alois wissen, während er sich die Haare glatt strich. "Wenn es das ist, was Ihr wollt.", erwiderte ich. "Die Frage ist aber, ob du es willst.", verdeutlichte Alois. Statt einer Antwort schnappte ich mir eines der vielen Daunenkissen und drapierte mich hübsch auf der zerknautschten Bettdecke. Alois klappte beinahe die Kinnlade herunter, doch er schien sich im letzten Moment daran zu erinnern, dass er ein Earl war, weshalb er sich räusperte, Haltung annahm und dann ohne ein weiteres Wort das Zimmer verließ. Ich konnte hören wie er im Flur Claude erstmal eine Standpauke hielt und dann davon stapfte. Claude hinterher. Ich klopfte mir das Kissen zurecht und machte es mir gemütlich. Es würde wohl eine Weile dauern, bis Alois zurückkommen würde. So gut es ging, wickelte ich den Kimono um mich herum und richtete meinen Blick fest auf die Tür. Nach dem Abendessen würde Alois vermutlich erst einmal baden gehen. Das letzte Mal hatte Claude es ja gütiger Weise wegen dem Brand ausfallen lassen und seinen jungen Herrn sofort ins Bett geschickt. Ich begann nachzudenken. Morgen würde Alois' Onkel das Anwesen besuchen. Das tat er offenbar nicht zum ersten Mal, doch diesmal kam er nicht, weil es ihm um Geld oder Ländereien ging. Laut Hannah zweifelte dieser Mann daran, dass Alois überhaupt die Berechtigung dazu hatte sich Earl Trancy zu nennen. Was zwangsläufig bedeuten musste, dass dieser Mann entweder machthungrig und egoistisch war oder etwas mit Alois' Herkunft nicht stimmte. Letzteres würde mich nicht einmal wundern. Dieser Junge hatte so viele Geheimnisse, wie es in diesem Haus Türen gab. Was wenn Alois also gar nicht der leibliche Sohn des verstorbenen Earls war? Wie war er dann an den Titel gekommen? Warum hatte die Königin ihn als legalen Nachfolger akzeptiert? So viele Fragen und keiner konnte sie mir beantworten. Alois würde mir vermutlich den Kopf abschlagen lassen, sollte ich seine Stellung anzweifeln. Umso mehr war ich gespannt was für eine Geschichte Alois seinem Onkel und dem Priester morgen auftischen würde. Die Wahrheit oder eine dreiste Lüge? Wahrscheinlich eher das zweite. Ich seufzte und drehte mich auf den Rücken. Was hatte ich mir nur dabei gedacht einfach so das Angebot eines Fremden anzunehmen? Ach ja, stimmt. Ich war ein naives, dummes Mädchen, das doch tatsächlich geglaubt hatte, es könnte im Leben mal ein wenig Glück haben. Das klang jetzt zwar weinerlich und armselig, aber es war nun mal leider so. Oh und diesbezüglich gab es ja auch noch einige Unklarheiten. Warum hatte Claude ausgerechnet mit auserwählt Alois' neues Spielzeug zu sein? Er hätte jedes andere Mädchen in ganz London nehmen können. Mädchen, die besser waren als ich. Die keine Fragen stellten und gehorsam waren. Warum ich? Und dann gab es da ja auch noch die Sache mit dem Deal und warum Alois seine Seele verkauft hatte und...oh Gott. Langsam bekam ich echt Kopfschmerzen. Es tat mir wirklich nicht gut so viel nachzudenken, ich kam sowieso zu keinem Ergebnis. Wie lange lag ich hier eigentlich schon? Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass seit dem eine knappe halbe Stunde vergangen war. Mit dem Abendessen war Alois jetzt sicher schon fertig. Ich drehte mich noch einmal auf die Seite und blickte durch die großen Fenster. Der Rosengarten lag in völliger Dunkelheit und es war schon gruselig wie unendlich diese Finsternis wirkte. Ich schloss die Augen, weil ich Angst hatte in ihr zu versinken, wenn ich noch länger hinsah. Allerdings war das mit dem Augenschließen keine gute Idee, denn ich merkte wie ich langsam schläfrig wurde und begann weg zu dämmern. Der Tag war einfach unglaublich anstrengend gewesen und jetzt wo das Adrenalin, was vorhin durch meinen Körper gerauscht war, wieder abflaute, wurde ich müde. Aber ich durfte nicht einschlafen. Wenn Alois zurück kam und mitbekam, dass ich schlief, würde er mich hochkant aus diesem Zimmer schmeißen. Den Arschtritt gab es inklusive. Mit einem Stöhnen setzte sich mich auf, strich mir die Haare glatt und drapierte den Kimono so um meine Beine, dass er nicht allzu zerknittert aussah. Stimmen ertönten im Flur, entfernten sich wieder, Türen wurden geöffnet und wieder geschlossen. Ich wartete. Keine Ahnung wie lange, aber irgendwann näherten sich dem Zimmer Schritte und blieben vor der Tür stehen. Ich hörte irgendwen reden, konnte aber weder sagen wer es war, noch um was es in dem äußerst kurzen Gespräch ging. Aber das war auch egal, denn im nächsten Moment öffnete jemand die Tür und Alois betrat das Zimmer. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, blieb er wie angewurzelt stehen und starrte mich an. Und...nein, das konnte nicht sein! Wurde...wurde Alois etwa rot? Ja, eindeutig. Da lag ein feiner, roter Schimmer auf seinen Wangen. "Du...du bist noch hier.", stellte er fest. Ich runzelte die Stirn. "Natürlich, Euer Hoheit." "Ich...ehm...dachte du wärst vielleicht nicht mehr da, wenn ich zurückkomme.", murmelte Alois und fuhr sich durch die blonden Haare. Ich lächelte. "Ich habe doch versprochen, dass ich Euch niemals allein lasse und ich werde mein Versprechen auch halten." Alois' Mundwinkel zuckten. "Gut, ich würde es sowieso nicht erlauben." Er öffnete den obersten Knopf seines Nachthemdes und kam auf mich zu. Ich lehnte mich zurück, breitete die Arme aus und schloss die Augen. Ein schwacher Duft von Rosen stieg mir in die Nase, als Alois sich über mich beugte und begann meinen Hals zu küssen. Kapitel 15: A noble visit ------------------------- "Gnädiger Herr, der heutige Morgentee ist ein 'Her Majesty's Blend' von 'Ridgways'." Claude's monotone Stimme drang zu mir durch und ich war mir sofort sicher, dass es deutlich schönere Wege gab, um aufzuwachen. "Ihr habt Miss Delafontaine heute Nacht in Eurem Bett schlafen lassen?" "Sie hat mir Gesellschaft geleistet. Hast du ein Problem damit, Claude?", fragte Alois, gähnte und streckte sich. "Natürlich nicht. Ich sagte ja schon einmal, dass es in Eurem Ermessen liegt, wie Ihr mit ihr umgeht.", antwortete der Butler und es klapperte leise, als er Alois die Teetasse reichte. "Stimmt genau.", bestätigte Letzterer, bevor er den Tee trank. "Aber vielleicht solltet Ihr sie jetzt wecken. Sie ist trotz allem eine Eurer Bediensteten und so ein Verhalten ziemt sich nun wirklich nicht.", tadelte Claude. "Willst du mich schon wieder belehren? Ich hab doch deutlich gemacht, dass mich deine ständigen Lektionen nerven.", erwiderte Alois bissig. "Sie gehört mir und ich bestimme was sich für Genevieve ziemt oder nicht." "Selbstverständlich." Claude schob die Bettdecke zur Seite und ich überlegte wie lange ich mich noch schlafend stellen sollte. Das erübrigte sich jedoch, als Alois mir gegen die Stirn schnippte und ich blinzelnd die Augen öffnete. "Guten Morgen, kleine Rose." "Guten Morgen, Hoheit." Ich setzte mich auf und bekam sofort von Claude Alois' Nachthemd in die Hand gedrückt. "Leg das zusammen.", befahl er und selbst ein Blinder hätte erkannt, dass ihm meine Anwesenheit mächtig auf die Nerven ging. Ich faltete das Hemd im Sitzen und stand dann auf. Da ich es mir niemals getrauen würde den Kimono aufzuheben und ihn anzuziehen, beschloss ich einfach nackt in mein Zimmer zurück zu gehen. "Warte, nimm das Bettlaken mit. Ich will nicht, dass die Drillinge dich anglotzen. Schlimm genug, dass Claude dich so gesehen hat.", meinte Alois und warf mir den weißen Stoffhaufen entgegen. Ich fing ihn verwirrt auf. Er gab mir etwas, mit dem ich meinen Körper bedecken konnte? Damit mich die Drillinge nicht nackt sahen? Was lief denn jetzt falsch? "Aber jetzt wo du sie gesehen hast, Claude...sag mir...wie gefällt sie dir?" Alois legte seinen nackten Fuß unter das Kinn seines Butlers und hob es an. "Es steht mir nicht zu das zu beurteilen, Hoheit.", erklärte Claude und rückte seine Brille zurecht. "Wirklich? Und es stört dich auch nicht sie so zu sehen? Oder gefällt es dir?", hakte Alois mit einem Grinsen nach. "Weder noch. Ich habe kein Interesse an ihr. Sie gehört Euch.", entgegnete Claude. Alois wischte das Grinsen hinweg. "Hm, das ist langweilig Claude. Niemals zeigst du auf irgendetwas eine Reaktion." Er zog eine Schnute und verschränkte die Arme vor der Brust. Claude ignorierte es und zog seinen Herrn weiter an. "Du kannst gehen, kleine Rose. Geh und zieh dich an, aber beim Frühstück bist du wieder da. Verstanden?" Alois hob eine Augenbraue und musterte mich prüfend. "Ja, Hoheit." Ich verneigte mich kurz, legte mir das Bettlaken um die Schultern und verließ das Zimmer. Herrgott, Alois und Claude. Es war wirklich die eigenartigste Beziehung, die mir jemals untergekommen war. Obwohl das zwischen Alois und mir auch nicht gerade gewöhnlich war. Oder gesund. Aber kam es mir nur so vor oder hatte Alois sich irgendwie verändert? Es hätte mich nicht gewundert, hätte er mich splitterfasernackt durch die Flure der Villa laufen lassen, doch stattdessen gab es mir etwas, das ich mir überziehen konnte, damit unerlaubte Blicke nicht meinen Körper streiften. Diese Geste passte irgendwie nicht so recht zu ihm. Sie war...freundlich und nett. Das komplette Gegenteil von Alois und es verwirrte mich maßlos. Doch sollte ich mich nicht eigentlich darüber freuen? Ich hatte es mir schließlich zum Ziel gesetzt Alois zu helfen, ihn zu retten und bestand die Rettung nicht auch darin ihn zu ändern? Ich runzelte die Stirn. Wenn das so weiter ging bekam Alois das ganz ohne meine Hilfe hin und am Ende war ich diejenige, die gerettet werden musste. Schrecklich, was für ein Chaos. Ich betrat mein Zimmer, legte das Bettlaken ordentlich zusammen und zog mich an. Heute würde Alois' Onkel hier aufkreuzen. Ich war gespannt wie dieses Treffen ablaufen würde. Auf dem Weg zum Speisesaal traf ich auf Claude, der mich sofort ansah, als wolle er mich am liebsten umbringen. Nun ja, dass er mich nicht leiden konnte, wusste ich ja bereits und außerdem konnte er mich gar nicht töten, weil das Alois ganz sicher missfallen würde. Wie dem auch sei, jedenfalls betrat Claude allerdings nicht den Speisesaal, sondern ging an der breiten Tür vorbei. Vermutlich hatte er noch ein paar andere Sachen zu tun. "Hannah, meinst du nicht auch, dass uns die Spiegeleier leid tun sollten?" Alois stocherte mit seinem Messer in dem Eigelb des Spiegeleies herum und wirkte wie immer ziemlich gelangweilt. "Mit Gewalt wird ihre Hülle zerbrochen und die unvollkommene Gestalt bloßgelegt. Augen zu bekommen, einen Schnabel zum picken, Federn um zu fliegen. All diese Entwicklungsmöglichkeiten werden von mir ausgelöscht." Alois stieß die Spitze des Messers in das Eigelb und zermatschte es. Dann schaute er kurz zu Hannah, ehe er bemerkte, dass ich im Türrahmen stand. "Ah, Genevieve! Da bist du ja, komm her." Er winkte mich zu sich und ich stellte mich wortlos neben ihn. Und dann, ohne einen ersichtlichen Grund (obwohl man bei Alois' Handeln nach so etwas ja vergeblich suchte), stieß er das Glas mit dem Traubensaft absichtlich um, sodass sich alles über seinen Schoß verteilte. "Hannah." Das Hausmädchen kniete sich sofort neben ihren Herrn, als dieser plötzlich aufschrie und dann anfing zu lachen. Ich konnte nicht anders, als Alois verstört anzustarren. Was tat er denn da? "Wie erbärmlich das ist.", grinste Alois und mir blieb vor Schock der Schrei im Hals stecken, als er zwei Finger in Hannah's linkes Auge rammte. "Hat dir Claude das nicht gesagt? Ein Dienstmädchen darf seinem Herrn niemals in die Augen blicken." Das Blut rann Hannah's Wange hinab und ich verstand endlich warum sie immer solche Angst vor ihm hatte. "Du musst das verstehen. Wenn ich dich nicht bestrafe, würde Claude dich zerreißen." Alois ließ von Hannah ab. Das Blut lief ihren Arm hinab und tropfte auf den Boden. "Na, kleine Rose." Alois drehte sich auf seinem Stuhl halb zu mir. "Hast du jetzt Angst vor mir?" Ich erstarrte. Hatte er das nur getan, um mir zu beweisen, dass er ein Monster war? Dass ich mich gefälligst vor ihm fürchten sollte? Dass es längst zu spät und seine Rettung zwecklos war? Selbst wenn, er würde mich nie von meinem Vorhaben abbringen können. "Nein, ich habe keine Angst.", sagte ich. Alois hob das Kinn. "Ach, ist das so, ja?" Die Tür flog auf und Claude marschierte ins Zimmer, als wäre es seine Bühne und er der Star. "Räumt das hier sofort auf. Los." Die Drillinge setzten sich in Bewegung. Zwei halfen Hannah auf und schafften sie hinaus, der Dritte wischte das Blut vom Fußboden weg. Claude stellte sich hinter Alois und säuberte dessen Finger. "Mein Herr, einige Dokumente erwarten euch. Ein Brief ihrer Majestät ist ebenfalls dabei.", sagte Claude. "Kann das nicht noch warten?", fragte Alois und schob die Unterlippe vor. "Bedauerlicherweise nicht.", antwortete Claude und wandte sich dann an mich. "Du räumst hier alles weg." Alois stand von seinem Stuhl auf und fuhr sich mit einem Seufzen durch die Haare. "Kleine Rose, wenn du hier fertig bist, kommst du zum Arbeitszimmer." "Jawohl, Hoheit." Ich neigte den Kopf und begann dann das Geschirr und die Essensreste in die Küche zu schaffen. Hannah und die Drillinge waren nicht dort. Ob bei Dämonen Körperteile nachwuchsen? Oder heilten sie zumindest schneller als Menschen? Gott, ich musste mich diesbezüglich unbedingt besser informieren. Gab es in diesem gigantischen Haus eigentlich eine Bibliothek oder hielten die Trancy's nicht so viel von Büchern? Und warum bekam Alois einen Brief von der Königin höchst selbst? Das hatte mich bereits vorhin stutzig gemacht. Was könnte Queen Victoria von einem vierzehnjährigen Earl denn schon wollen? Ach man, ich musste wirklich aufhören mir selbst so viele Fragen zu stellen. Das tat mir nicht gut. Ich spülte das Geschirr ab, räumte es zurück in die Schränke und schmiss die Essensreste weg. Danach machte ich mich auf den Weg zum Arbeitszimmer. Gerade als ich anklopfen wollte, wurde die Tür geöffnet und Claude kam mir entgegen. Es warf mir einen missbilligenden Blick zu, drängte sich an mir vorbei und lief den Flur hinunter. Alois stand hinter seinem Schreibtisch und wirkte irgendwie aufgewühlt. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag ein geöffneter Brief mit dem Siegel der Königin. Warum schickte sie ihm einen Brief? Was wollte sie von ihm? Oh Gott, noch mehr Geheimnisse. Irgendwann würde mein Kopf sicher platzen. "Ist...alles in Ordnung, Euer Hoheit?", fragte ich. "Jaja, Claude kümmert sich um alles. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen.", antwortete Alois und setzte sich wieder. "Worum genau kümmert er sich denn?", wollte ich wissen. "Wie du weißt wird mich heute mein Onkel besuchen kommen. Er hegt Zweifel an mir und meinem Anrecht auf den Titel.", erklärte Alois und knirschte dabei mit den Zähnen. "Jedenfalls habe ich ja kürzlich umdekorieren lassen, aber das würde ihn nur misstrauisch machen und ihn in seinem blöden Zweifel vermutlich noch bestärken. Deswegen sorgt Claude dafür, dass wieder alles so ist wie vorher." "Verstehe. Das dunkle Rot und das schwere Gold.", murmelte ich. "Mir gefällt das Mitternachtsblau auch lieber, kleine Rose. Aber ich habe keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit meinem dämlichen Onkel und diesem Priester.", erwiderte Alois und stand auf. Über der Stuhllehne lag der pflaumenfarbene Mantel mit den goldenen Knöpfen an den Ärmeln und dem hochgestellten Kragen. "Komm, wir gucken mal, ob Claude schon fertig ist." Er zog dich den Mantel über, griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. Musste Claude denn gleich das ganze Haus wieder in diese schrecklichen Farben tauchen? Reichte es nicht, wenn er den Speisesaal und die Eingangshalle wieder so herrichtete, wie es vorher war? Ich mochte das Mitternachtsblau. Es war...schön. Am Absatz der großen, breiten Treppe blieb Alois kurz stehen, sah sich staunend um und zerrte mich weiter, während ich noch damit beschäftigt war blöd in der Gegend umher zu gaffen. Tatsächlich. Alles sah wieder genauso aus wie am ersten Tag. Als hätte sich nie etwas verändert. Claude stand vor der großen Tafel, die nun mit roten Rosen geschmückt war und rückte gerade seine Brille zurecht. "Den Tag zur Nacht, Zucker zu Salz und Lebende zu Leichen. Und zu guter Letzt wird das Dunkelblau golden gefärbt." "Das macht einen Butler der Trancy's aus. Nicht wahr?" Alois angelte sich zwei Rosen aus dem Gesteck, reichte mir eine davon und platzierte die andere zwischen Claude's Lippen. "Wie es von dir zu erwarten war. Wenn du da bist, brauche ich die anderen Tagediebe nicht.", flüsterte er, tanzte ein paar Mal um seinen Butler herum, schmiss dann sein rechtes Bein in die Höhe und klatschte in die Hände. "Olé!" Dann stürmte er auf mich zu, fasste mich bei den Händen und drehte sich mit mir ein paar Mal im Kreis. Mir wurde dabei fast schwindelig und ich stolperte nach hinten, als Alois mich abrupt los ließ und selbst tanzend durch die Gegend hüpfte. Bis er stehen blieb, offensichtlich ins Nichts starrte und dann bedrohlich flüsterte: "Komm nur, du Scheißkerl." Hm, Alois konnte seinen Onkel ganz offensichtlich nicht leiden. "Mein Herr." Claude nahm die Rose aus seinem Mund. "Euer Onkel ist soeben eingetroffen." "Verstehe." Alois schenkte dieser Ankündigung keine weitere Beachtung, sondern fuhr sich kurz durch die blonden Haare, drehte sich dann zu uns um und setzte sein strahlendes Lächeln auf. "Na dann, begrüßen wir ihn mal." In Claude's und meiner Begleitung lief Alois durch die Eingangshalle nach draußen wo zwei Kutschen standen. Das erste was mir auffiel, war der Mann im weißen Anzug, mit schulterlangen, weißblonden Haaren und...oh nein, das war der Viscount von Druitt. Dieser alte Perversling. Er war manchmal bei meinem ehemaligen Herrn zu Besuch gewesen und hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um mich betatschen und begrabschen zu können. Ich hasste ihn. Fast noch mehr als meinen toten Herrn. Die zweite Person, die ausstieg war der Priester und zuletzt ein beleibter Mann mit blonden Haaren und einem grimmigen Gesichtsausdruck. Ganz offensichtlich... "Onkel Arnold! Du bist das!" Alois schoss man mir vorbei, breitete die Arme aus und sprang seinen Onkel förmlich an. Und dabei lachte er so unbeschwert, dass man niemals vermutet hätte, dass dieser Junge unter extremen Stimmungsschwankungen litt und ein kleiner Psychopath war. "Oh Alois, mein Neffe.", sagte Arnold und lächelte, doch es war ihm anzusehen, dass er sein Gegenüber zutiefst verabscheute. Was in diesem Fall ja auf Gegenseitigkeit beruhte. "Oh nein, Gott hat einen unglaublichen Fehler begangen! Als Wohnstätte für diese reine Schönheit hat er den Körper eines Knaben gewählt! Aber Gott, ich werde dir dieses Missgeschick großzügig verzeihen! Amen.", jauchzte der Viscount und ich verdrehte die Augen. So ein Spinner. "Hach, was sehen meine Augen! Eine liebliche Blume, so jung und unschuldig. Wangen, zart wie die Blüten einer Seerose. Lippen, rot wie das Blut in meinen Adern und Haar so seidig, wie der schönste Stoff der Welt! Welch Schönheit du doch bist, mein kleines Täubchen!", säuselte der Viscount und ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er mich meinte. Bah, der sollte mir bloß nicht zu nahe treten. "Aber Viscount von Druitt, so beherrscht Euch doch. Dies ist eine der Bediensteten.", warf der Priester ein und räusperte sich. "Schönheit existiert unabhängig von gesellschaftlichen Klassen. Selbst wenn dieses Mädchen eine Sklavin wäre, ihre Perfektion wäre dennoch unübertroffen!", rief der Viscount und griff sich dabei theatralisch an die Brust. "Die junge Dame, die Ihr da gerade so blumig umschwärmt, ist Genevieve Delafontaine. Das persönliche Dienstmädchen des jungen Herrn. Und mein Name ist Claude Faustus. Ich bin der Butler des Hauses." Claude verbeugte sich und verzog dabei keine Miene. "Genevieve Delafontaine? Dieser Name ist ja einer Prinzessin würdig!", seufzte der Viscount und ich hatte nicht übel Lust ihm einfach eine Ohrfeige zu verpassen, damit er endlich die Klappe hielt. "Wenn die Herrschaften mir nun bitte folgen würden." Claude machte auf dem Absatz kehrt und der Rest der Gesellschaft folgte im ins Anwesen. Ich schaute kurz zu Alois, der seinem Onkel hinterher blickte, als habe er bereits einen Mordplan für ihn entwickelt. Obwohl, so abwegig war das eigentlich gar nicht. Kapitel 16: Storytime: Truth and Lie ------------------------------------ "Oh ja! Hier sieht es noch genauso aus, wie zu Earl Trancy's Lebzeiten! Wie das Licht im Gold der Villa funkelt! Dieser erhabene Glanz ist die lebendig gewordene Legende von Cipangu!", jauchzte der Viscount und drehte sich einmal um die eigene Achse. Ich erlaubte es mir die Augen zu verdrehten. So ein Spinner. Immer musste er gleich übertreiben. "Ja, ich habe sogar den Blumenschmuck wie zu Vaters Lebzeiten belassen.", sagte Alois. "Ich möchte...ich möchte Vaters Duft und Wärme hier bewahren." Eine einzelne, perfekte Träne kullerte seine Wange hinab. Ich biss mir auf die Unterlippe. Was für ein Schmierentheater. Alois hatte bis zu diesem Zeitpunkt seinen toten Vater nicht einmal erwähnt. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er ihn gemocht, geschweige denn geliebt hatte. Er tat das hier doch nur, um bei dem Priester Mitleid zu wecken und den Viscount um den Finger zu wickeln. "Sie haben ihren Vater wohl sehr geliebt.", meinte der Priester und ich wollte meinen Kopf am liebsten gegen eine Wand schlagen. Er hatte es Alois voll abgekauft. Wie konnte man nur so grenzenlos dämlich sein? "Setzen wir uns doch.", schlug Alois vor und alle nahmen am Tisch im Salon Platz. Alle außer Claude und mir, wie beide hielten uns im Hintergrund. "Ach, ich habe eine endlos anmutende Zeit in jenem Dorf verbracht. Ich kenne noch nicht einmal den Namen des Dorfes. Und ich weiß auch nicht genau wie lange ich dort gewesen bin. Mir war es nicht erlaubt das Dorf zu verlassen und man hat mich wie einen Sklaven behandelt.", erzählte Alois und ich verstand mit einem Schlag nichts mehr. Was für ein Dorf? Warum war Alois in einem Dorf gewesen? Was erzählte er denn da bloß? Und warum sahen der Priester und der Viscount so aus, als würden sie jeden Moment in Tränen ausbrechen? Herrgott, was lief denn hier gerade ab? Alois konnte sich doch unmöglich irgendeine Geschichte ausdenken, die seinen Anspruch auf den Titel rechtfertigte. Es musste eine Art Vorgeschichte geben. Eine Vorgeschichte, die mir erklärte warum Alois' Onkel seine Legitimität als Nachfolge überhaupt anzweifelte. Die mir erklärte was Alois hier gerade von sich gab und warum es alle, außer seinem Onkel, zu glauben schienen. "Ein weiterer Junge befand sich in der selben Situation wie ich. Dieser Junge ist für mich wie ein Bruder gewesen. Aber an jenem Tag, in jener Nacht...", fuhr Alois fort und verstummte dann. Ich runzelte die Stirn. Da war wieder dieser traurige und zerbrechliche Ausdruck in seinen blauen Augen. Der Ausdruck, der mich mit einem Mal daran zweifeln ließ, dass alles was Alois gerade von sich gab eine Lüge war. "Eine sich windende Flamme, inmitten zerrissener Schreie liegt vor mir. Nichts als stumme Dunkelheit.", flüsterte Alois. Er ließ den Kopf hängen, sodass seine blonden Haare sein Gesicht verdeckten. "Was ist denn in dem Dorf geschehen?", wollte der Priester wissen. "Das weiß ich auch nicht so genau. Alle waren tot, Feuer wütete und nur ich wurde verschont. Aber dann, eine kurze Zeit später, ist mein Vater gekommen, um mich abzuholen. Ich war nicht mehr allein. Endlich gab es da jemanden, der mich liebte. So dachte ich. Doch Vater..." Das kurze Aufblitzen von Freude und Hoffnung in den eisblauen Augen erlosch so schnell, wie es aufgeflammt war. "Ihr seid wirklich zu bedauern.", meinte der Priester. "Oh großer Gott, ich kann dir doch nicht so großzügig verzeihen!", schluchzte der Viscount. "Ihr wisst Verzweiflung ist Sünde.", erklärte der Priester, erhob sich und bekreuzigte sich. "Auch Ihr seid ein Wesen, dass von Gott geliebt wird. Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch jederzeit bestehen." "Ich danke Euch vielmals." Alois stand auf und strich seine Weste glatt. "Aber, keine Sorge. Ich habe schließlich noch meinen lieben Onkel Arnold." Er lief um den Tisch herum und umarmte seinen Onkel von hinten, der sowohl überrascht, als auch unerfreut aussah und versuchte dies mit einem falschen Lächeln zu kaschieren. "Ja, du hast recht.", meinte er. "Übrigens, lieber Onkel Arnold." Alois schmiegte sich gegen den Rücken seines Onkels. "Ja, was gibt es denn?", fragte er. "Du solltest mir mit deinem Gesicht nicht zu nahe kommen. Du stinkst aus dem Mund.", antwortete Alois, jedoch so leise, dass der Priester und der Viscount es nicht hörten. Doch ich hörte es und ich biss mir auf die Zunge, um das Lachen zurück zu halten, dass sich meinen Hals hinauf kämpfen wollte. Alois war wirklich unglaublich. Die Leute, bei denen es nötig war begegnete er mit Charme, doch ansonsten war blutig ehrlich und schreckte niemals davor zurück tatsächlich zu sagen was er dachte. Das mochte ich an Alois. Wenn die Situation es nicht erforderte, dann sagte er immer die Wahrheit. Er machte mir nichts vor, er spielte nichts. Alles was er mir sagte, wie er sich verhielt und welche Seiten er mir von sich zeigte. Es war alles echt. "Nun, ich denke damit sind jegliche Zweifel ausgeräumt. Dieser Junge ist in jedem Fall der Sohn von Earl Trancy und somit der legitime Erbe. Ich, als Diener Gottes, bezeuge das." Der Priester legte seine Hand an die Stelle, wo sein Herz schlug und lächelte Alois freundlich an. "Und ich glaube ebenfalls jedes Wort, das über diese zarten, von der Morgensonne geküssten Lippen kommt. Eine so reine und unschuldige Seele...ein Jammer, dass sie so viel Leid und Schmerz ertragen musste.", lamentierte der Viscount und griff sich an den Kopf. "Seid Ihr nun zufrieden, Lord Trancy?", fragte der Priester und wandte sich an Alois' Onkel. Dieser knirschte mit den Zähnen, warf seinem Neffen einen mörderischen Blick zu und atmete tief durch. "Ja, es gibt absolut nichts mehr zu bereden.", presste er mühsam hervor und nun ließ Alois ihn auch endlich los. "Gut, das freut mich. Tut mir leid, dass Ihr Euch diese Umstände gemacht habt, lieber Onkel.", lachte er und schenkte seinem Gegenüber ein strahlendes Lächeln, woraufhin der Viscount theatralisch seufzte und sich ergriffen an die Brust fasste. "Nein, uns tut es leid, dass wir Euch belästigt haben, Earl Trancy.", sagte der Priester. "Wir werden uns nun auf den Rückweg machen, kommt Viscount von Druitt." Er legte dem Mann, der noch immer damit beschäftigt war zu seufzen und zu jauchzen eine Hand auf den Rücken und schob ihn Richtung Eingangshalle. Alois wandte sich von seinem Onkel ab und schnippte mit den Fingern. Sofort war Claude an seiner Seite. Er beugte sich zu seinem Herrn herunter und Alois flüsterte ihm etwas ins Ohr. Vermutlich einen Befehl, denn Claude richtete sich wieder gerade auf, nickte kurz und verschwand nach einer halbherzigen Verbeugung. "Kommt, Onkel. Ihr wollt den Priester und den Viscount doch nicht warten lassen oder?", fragte Alois. Sein Onkel stand auf, die Hände zu Fäusten geballt und fast hätte ich damit gerechnet, dass er seinem Neffen nun eine Ohrfeige verpassen würde. Doch er tat es nicht. Stattdessen musterte er mich abfällig und schnalzte mit der Zunge. "Ist sie dein neues Spielzeug?" Alois kippte das falsche Lächeln förmlich aus dem Gesicht. "Was sie für mich ist, geht dich einen Scheißdreck an....Onkel. Und solltest du sie jemals wieder so ansehen oder daran denken deine dreckigen Finger nach ihr auszustrecken, dann werde ich dafür sorgen, dass du Vater in der Hölle Gesellschaft leistest.", knurrte er. Seine Stimme blieb dabei erstaunlich ruhig, was die Drohung noch gefährlicher machte und ich an Arnold's Stelle würde sie annehmen. Mit einem dämonischen Butler an seiner Seite, wäre es für Alois ein Kinderspiel diesen Worten Taten folgen zu lassen. "Und jetzt raus aus meinem Haus.", befahl Alois, packte mein Handgelenk und zerrte mich hinter sich her. Ich blickte nicht zurück, ich blickte auch nicht nach vorn. Ich war viel zu verwirrt, viel zu geschockt, um in diesem Moment überhaupt wohin zu blicken. Was war das gerade eben gewesen? Hatte Alois mich tatsächlich verteidigt? Mich beschützt? Warum hatte er so heftig auf diese simple Frage reagiert? Warum hatte er keine vorlaute oder anzügliche Antwort gegeben, so wie ich es erwartet hatte? Gott, das waren schon wieder viel zu viele Fragen, die da in meinem Kopf umher schwirrten und ich wusste, dass auf keine von ihnen jemals eine vernünftige Antwort bekomme würde. Weder von Alois, noch von sonst jemandem. "Los, beeil dich!" Alois' Worte holten mich zurück in die Wirklichkeit und ich stolperte die Stufen mehr schlecht als recht empor. Am Treppenabsatz bog Alois scharf nach links ab und zerrte mich hinter sich her. Die gläserne Flügeltür zu dem kleinen Steinbalkon stand bereits offen und Claude schien uns zu erwarten. Alois ließ meine Hand los und ich blieb stehen, um nach Atem zu ringen. "Warte Onkel Arnold!", brüllte Ersterer plötzlich und lehnte sich über die Brüstung. "Du willst doch sowieso nur Geld von mir, nicht wahr? Hier, sieh her. Das schenke ich dir!" Claude überreichte seinem Herrn einen Koffer und als Alois diesen öffnete, klappte seinem Onkel die Kinnlade herunter. "Diese schimmligen Papierfetzen taugen nicht mal als Ziegenfutter! Und die Besitzurkunden der Ländereien! Ach ja, und auch die der Pferde! Nimm alles mit!" Er griff die Papiere und warf sie über die Brüstung. Ich hob erstaunt die Augenbrauen. Was materielle Dinge betraf war Alois' Gemüt wirklich extrem wechselhaft. Mal wurde er besitzergreifend und wollte sich unter keinen Umständen von etwas trennen und dann warf er einem das Geld und Ländereien förmlich hinterher. Es schien ihn keineswegs zu kümmern, dass er gerade vermutlich sein gesamtes Vermögen einem machtgierigen und egoistischen Menschen überließ. Ein Regen aus bedrucktem und beschriebenem Papier segelte auf Arnold Trancy nieder, als dieser wie ein Wahnsinniger versuchte alles aufzusammeln und sich dabei sogar auf den Boden warf. Gott, wie erbärmlich. Alois schien das genauso zu sehen, denn er begann zu lachen und zeigte mit dem Finger auf seinen Onkel. "Seht nur wie er tanzt und mit dem Hintern wackelt! Wie armselig!" Arnold Trancy packte nun den Kutscher am Ärmel und zwang ihn beim Aufsammeln der Papiere zu helfen. Zwei Menschen, die wie Idioten diesen im Wind flatternden, weißen Fetzen hinterher jagten. "Hey Claude." Alois war mit einem Mal wieder todernst geworden. "Jawohl?" "Ich will, dass du lachst.", sagte Alois. Keine Reaktion. Sein Butler stand still und kerzengerade neben ihm und zuckte nicht mal mit der Wimper. Alois seufzte enttäuscht. "Kleine Rose, wirst du meinem Befehl gehorchen?", fragte er und drehte sich zu mir um. Einen kurzen Moment konnte ich ihn nur perplex anstarren, dann riss ich mich zusammen und schenkte ihm das überzeugendste Lächeln, das ich gerade zustande bringen konnte. Alois quittierte es mit einem knappen Nicken. Dann erfüllte ein Donnergrollen die abendliche Stille und am düsteren Horizont durchzuckten Blitze den grauen Himmel. "Ein Sturm zieht auf.", murmelte Alois und klang irgendwie betrübt. "Vielleicht sollten wir lieber hinein gehen, Hoheit.", schlug ich vor. "Ja, vielleicht sollten wir das.", sagte Alois gedankenverloren. "Claude, mach mir einen Tee. Ich bin müde. Der heutige Tag war anstrengend." "Sehr wohl, mein Herr." Claude verbeugte sich, während Alois an ihm vorbei schritt und wieder nach drinnen ging. Ich warf einen letzten Blick auf Arnold Trancy und den Kutscher, die nun fast alle Papiere beisammen hatten, dann die Kutsche bestiegen und das Anwesen verließen. Ein Regentropfen landete auf meiner Stirn, lief über meinen Nasenrücken und ich schaute in den nun fast gänzlich schwarzen Himmel. Das würde eine unruhige Nacht werden. "Claude! Genevieve!", krakelte Alois und ich sah kurz zu dem Butler, der mir mit einer ausdrucklosen Miene den Vortritt überließ und hinter sich die gläserne Flügeltür schloss. Auf halbem Weg in den Salon, wo Alois seinen Tee vermutlich trinken würde, hallte ein dumpfes Klopfen durch den Flur. Ich blieb stehen. Nanu? Erwartete Alois noch jemanden? Wohl kaum und schon gar nicht um diese Uhrzeit. Es klopfte noch mal. Aber offensichtlich wollte diese Person sehr dringend hinein gelassen werden. "Was stehst du noch hier, kleiner Schmetterling? Geh und öffne die Tür. Ich werde den Tee machen.", sagte Claude und es hätte mich nicht gewundert, wenn er mich noch Richtung Eingangshalle geschubst hätte. Ich verzog das Gesicht. Pah, sollte er doch selber gehen und den Türöffner spielen. "Na los, wird's bald?" Claude's Stimme war kalt und schneidend wie ein Schwert und es wäre wahrscheinlich sehr dumm von mir gewesen sich ihm zu widersetzen, also hob ich den Rock meines Kleides ein wenig an und machte mich auf, um den Fremden, der in dieser stürmischen Nacht hier aufgetaucht war, zu begrüßen. Kapitel 17: The stranger ------------------------ Das energische Klopfen hallte erneut durch das Anwesen und ich beschleunigte meine Schritte ein wenig, um den Fremden nicht warten zu lassen. Nicht seinetwegen oder wegen der Tatsache, dass meine Position es so vorschrieb, sondern einfach aus dem Grund, dass ich keine Luft hatte von Claude voll gemault zu werden, weil ich meinen Aufgaben als Dienstmädchen nicht richtig nachging. Als ich endlich die breite Flügeltür erreicht hatte, strich ich mir noch kurz die zersausten Haare glatt (man wollte ja schließlich einen guten ersten Eindruck hinterlassen) und öffnete dann. Mir war durchaus klar, dass es sich nicht gehörte jemanden so anzustarren, doch ich konnte einfach nicht anders. Vor mir stand eine hochgewachsene Gestalt, deren Gesicht fast vollständig vom aufgestellten Kragen des schweren, schwarzen Mantels verdeckt wurde. Zusätzlich trug der Fremde einen dunklen Zylinder, sodass er unmöglich zu erkennen war. Lediglich ein paar schwarze Haare lugten unter der Kopfbedeckung hervor. Entweder lief er so vermummt durch die Gegend, weil es stürmte und regnete oder er wollte nicht erkannt werden. Ich zuckte zusammen, als die Stimme des Fremden erklang. "Es ist ganz schön stürmisch geworden.", sagte er und irgendwie bekam ich sofort eine Gänsehaut. "Ja, in der Tat.", erwiderte ich und fröstelte leicht, als mir eine nasskalte Windböe entgegen schlug. "Weswegen sie sind sie hier, mein Herr?", fragte ich und hoffte, dass er nicht merkte wie neugierig ich ihn angaffte. "Ich bin vom Sturm überrascht worden.", antwortete der Fremde. "Wäre es möglich, dass sie mir für diese Nacht Herberge gewährend, junge Dame?" "Nun ähm...es ist so..." Ich versuchte unauffällig zu dem großen Koffer zu schielen, den der Mann bei sich hatte. "Fall sie Bedenken haben, dass ich ihnen etwas zuleide tun sollte, machen sie sich keine Sorgen. Trotz ihrer blühenden Schönheit habe ich kein Interesse mich an ihnen zu vergreifen, meine Liebe.", erklärte der Fremde und mir klappte beinahe die Kinnlade herunter. Blühende Schönheit? Der wollte wohl wirklich sehr dringend reinkommen. "Nein, mein Herr. Das ist es nicht. Ich bin nicht..." "Genevieve! Was machst du denn da?!" Alois riss mich fast zu Boden, als er sich an mich warf und mich den Bruchteil einer Sekunde später wieder los ließ, weil er etwas Interessanteres entdeckt hatte. "Woah, das ist ja aufregend! Was ist das nur für ein dreckiger Mann? Er sieht aus wie eine Wanderratte.", quiekte er und wirkte aufgeregt wie ein kleines Kind. "Aber..." Plötzlich stellte er sich auf die Zehenspitzen und verletzte somit mehr als nur die Privatsphäre des Mannes. "Er riecht wenigstens gut. Wie ist ihr Name?" Keine Antwort. Doch ich konnte es dem Mann auch keinesfalls verübeln. Entweder war er zu geschockt, um Alois seinen Namen zu nennen oder zu angepisst, weil ihm dieses ungezogene Balg bereits jetzt auf die Nerven ging. "Der Mann darf doch hier übernachten, nicht wahr Claude?" Ich zuckte zusammen. Wann zum Geier war der denn hier aufgetaucht?! "Wenn Ihr es wünscht, Hoheit.", sagte Claude tonlos, doch in seine sonst so monotone Stimme hatte sich etwas eingeschlossen, das sich ohne Zweifel als Ärger betiteln ließ. Und tatsächlich, der Blick, den er dem Fremden zuwarf hätte diesen ohne weiteres töten können. "Großartig!" Alois klatschte in die Hände. "Mach ihm was zu Essen, Claude! Er hat bestimmt Hunger." "Sehr wohl.", flüsterte Claude, doch es kam mehr einem Knurren gleich. "Genevieve, du nimmst dem Herrn seinen Mantel ab.", kommandierte Alois. "Aber wehe du versuchst ihn zu verführen." Er kniff mich kurz, aber kräftig in die Wange und tanzte dann davon. Und ich guckte wahrscheinlich drein wie der größte Idiot aller Zeiten. "Nicht nötig, junge Dame. Ich behalte meine Kleidung an.", ertönte die Stimme des Fremden und er drängelte sich, samt Koffer, an mir vorbei. Ich blinzelte ein paar Mal verwirrt. Offenbar war nichts, das mit Alois oder dessen Dienerschaft irgendwie zusammenhing, normal. Da tauchte mitten in der Nacht einfach so ein Fremder auf und bat um Einlass. Vom Sturm überrascht, ja klar. Verarschen konnte ich mich auch selber. Alois' Anwesen lag ein Stück abseits von London, hier verirrte man sich nicht einfach mal so her und selbst wenn er bei diesem Wetter draußen unterwegs war, wo war dann sein Pferd oder seine Kutsche? Er konnte mir nicht weismachen, dass er die ganze Zeit diesen Koffer schleppte. "Genevieve, wo bleibst du denn?!", krähte Alois. Ich seufzte. "Komme schon!" Ich schloss die Tür und eilte dann in den Speisesaal. Claude war bestimmt wenig begeistert, dass er um diese Uhrzeit extra für einen fremden noch ein perfektes Menü herzaubern musste, aber immerhin war er ein Dämon und warum zum Teufel machte ich mir eigentlich Gedanken über Claude?! Ich konnte den Kerl nicht leiden. "Da bist du ja, kleine Rose. Ich dachte schon du wärst davon gelaufen.", sagte Alois, der neben dem Fremden an der Tafel Platz genommen hatte und mich nun anlächelte. Ein falsches Lächeln, ohne jeden Zweifel. Die Aussage bezüglich meiner möglichen Flucht war nicht als Scherz gemeint. Ich wusste, dass Alois schreckliche Verlustängste hatte, egal wie kurz oder flüchtig er die Person kannte. Er hatte Angst, dass sie aus seinem Leben verschwand, sobald er auch nur ein Fünkchen Zuneigung für sie empfand. "Nein, ich würde nicht weglaufen, Euer Hoheit. Niemals.", murmelte ich und musterte erneut den Fremden, der sich bisher weder von seinem Mantel, noch von seinem Koffer getrennt hatte. "Hier." Ein wenig zu schwungvoll stellte Claude den Teller mit dem garnierten Fleisch auf dem Tisch ab. "Probieren sie das mal. Claude's Gerichte schmecken ausgesprochen lecker.", hakte Alois ein. Der Fremde nickte. "Ja, es sieht hervorragend aus. Aber am Tellerrand befindet sich ein Klecks Soße." Ich hob die Augenbraue. Ein Klecks Soße? "Schnell beseitigt. Solch Kleinigkeiten gegenüber fehlt es an Aufmerksamkeit.", tadelte der Fremde und ich konnte nicht vermeiden, das meine Mundwinkel zuckten, als ich kurz Claude's angesäuerten Gesichtsausdruck sah. "Ich bitte um Verzeihung. Ich nehme ihn sofort weg." Der Butler griff nach dem Teller. "Erstaunlich, dass sie darauf achten. Und, dass es ihnen überhaupt aufgefallen ist.", meinte ich, bevor ich diese Äußerung zurückhalten konnte. "Man muss eben auch auf die kleinen Dinge achten, junge Dame.", erwiderte der Fremde, ohne mich dabei anzuschauen. "Aha, ja ist das so...", murmelte ich und verschränkte meine Finger ineinander. Dieser Mann war mir unheimlich. Vielleicht war ich paranoid, doch ich konnte den Gedanken nicht loswerden, dass dieser Fremde hier nicht zufällig aufgetaucht war. "Genevieve, gib diesem Mann ein Zimmer und stell sicher, dass er zufrieden ist.", wies Alois mich an. "Jawohl." Ich vollführte einen eher unbeholfenen Knicks und wollte schon davon marschieren, als Alois mir förmlich hinterher hechtete und mich am Handgelenk packte. "Aber wenn du unseren Gast weiterhin so neugierig anglotzt, dann muss ich was dagegen unternehmen, kleine Rose.", hauchte Alois in mein Ohr und ich versteifte mich. Der besitzergreifende Part, da war er. Ich hatte mich schon gewundert wann diese Seite an Alois hervortreten würde. "Folgen sie mir, mein Herr." Ich wand mich aus Alois griff, nicht ohne ihm vorher noch ein kurzes Nicken zu schenken. Hätte ich ihm nicht irgendeine Art von Einverständnis entgegengebracht, wäre er wohl durchgedreht. "Mach ich ihnen Angst?" Mein Griff um die Türklinke verstärkte sich unwillkürlich. "Wie bitte?" "Ob ich ihnen Angst mache, frage ich.", wiederholte der Fremde. "Selbstverständlich nicht.", erwiderte ich. "Warum sollten sie auch?" "Weil da dieser neugierige und zugleich misstrauische Ausdruck in ihren Augen ist.", sagte der Fremde, legte seine Hand auf meine und drückte die Türklinke nach unten. "Sie sind ein Fremder, der mitten in der Nacht das Anwesen meines Herrn aufsucht. Natürlich ist man da neugierig.", erklärte ich und flüchtete mich in die Weite des Zimmers. "Und woher das Misstrauen?", fragte der Fremde und ich glaubte ein Lächeln aus seiner Stimme herauszuhören. "Wer weiß weshalb sie hier sind oder was sie vorhaben. Man muss doch vorsichtig sein.", antwortete ich und drehte mich um. "Für ihr zartes Alter sind sie sehr klug.", bemerkte der Fremde, ging zu dem Bett mit dem gewaltigen, schweren Baldachin und setzte sich. "Ich will nicht anmaßend klingen, aber würden sie mir verraten was sich in diesem Koffer befindet?", wollte ich wissen. "Ich will sie keinesfalls beleidigen, aber ziemt sich solch ein Wissensdrang denn für ein Dienstmädchen?", konterte der Fremde und ich war gleichermaßen beeindruckt wie verärgert. "Genevieve!" Alois stand in der offenen Tür und hatte die Hände in die Hüfte gestemmt. "Reisender, hat meine kleine Rose sich gut um sie gekümmert?" "In der Tat, das hat sie. Ihr könnt Euch glücklich schätzen solch ein fähiges Dienstmädchen zu besitzen.", meinte der Fremde und bei dem Wort 'besitzen' drehte sich mir der Magen um. "Oh ja, wirklich sehr glücklich." Alois kam auf mich zu, griff nach meiner Hand und schubste mich Richtung Tür. Was hatte er denn nur für ein Problem? Auf der einen Seite wollte er, dass sich mich um unseren nächtlichen Besucher kümmerte und auf der anderen Seite durfte ich ihm auch keinesfalls zu nahe kommen. War Alois etwa eifersüchtig? Nein, unwahrscheinlich. Logischer erschien mir der Gedanke, dass der Earl es einfach nicht mochte, wenn andere Leute seine Spielsachen anfassten. "Nun! Was haben sie denn da in ihrem Reisekoffer? Kleidung oder Süßigkeiten?" Alois tänzelte um besagten Koffer herum und seine blauen Augen leuchteten. Ich hätte mir am liebsten an den Kopf gegriffen. Wie kam er denn darauf, dass ein erwachsener Mann mit einem riesigen Koffer voller Süßigkeiten durch die Gegend laufen würde? "Wie beneidenswert. Es macht großen Spaß verschiedene Orte zu bereisen. Ich würde auch gerne mal verreisen. In der Villa ist es so langweilig.", seufzte Alois. Langweilig? Bei all den Sachen, die er anstellte? Seine Spielchen mit mir und der selbst verursachte Brand im Ballsaal? Ja, natürlich. Hier passierte rein gar nichts, alles ging seinen gewohnten Gang und die Dienerschaft bestand auch nicht zu 90 % aus Dämonen, die den Tiefen der Hölle entsprangen. "Langweilig?", wiederholte der Fremde. "Man hört, dass es im Keller dieser Villa etwas Interessantes geben soll." Alois riss den Kopf hoch. "Ja wirklich?" "Wenn Ihr mir den Keller zeigt, zeige ich Euch dafür den Inhalt dieses Koffers.", bot der Fremde an und mein Misstrauen wuchs. Warum wusste er von einer interessanten Sache, die sich angeblich im Keller dieser Villa befand, Alois aber nicht? Er lebte doch schließlich hier. Alois lehnte sich lachend über den Koffer und schaute dann zu dem Fremdem hoch. "Einverstanden." Er richtete sich auf, griff nach einem Kerzenständer, der auf einer der Kommoden stand und drückte in mir in die Hand. "Zünd die Kerzen an. Wir wollen doch nicht, dass du aus Versehen die Kellertreppe hinunter fällst und du dir dein hübsches Genick brichst." Ja, das wäre wirklich sehr schade. Ich zündete die Kerzen an und lief stumm neben Alois her, der als Einziger den Weg zum Keller kannte, während uns der Fremde wie ein Schatten folgte. Seine Bewegungen waren fast so geschmeidig und flink wie die von Claude und auch seine Präsenz hatte etwas düsteres an sich. Aber er konnte unmöglich ebenfalls ein Teufel sein, nein völlig ausgeschlossen. Alois war schließlich kein Magnet für Gefolgsleute des Satan. Oder doch? "Hier entlang." Alois war vor einer unscheinbaren Holztür stehen geblieben, die er nun öffnete und mir den Vortritt ließ. Na klar, wenn jemand diese steile und morsche Treppe herunter fiel und sich dabei sämtliche Knochen brach, dann natürlich ich. Der Schein der Kerzen erhellte das alte Gewölbe nur spärlich. Dennoch konnte ich erkennen, dass der Keller duzende von Regalen beherbergte, die gefüllt waren mit Krügen und Kisten und allem anderen möglichen Zeug. "Das muss es sein." Der Fremde blieb neben einem der Regale stehen und auf den ersten Blick wollte mir beim besten Willen nicht einfallen, was es in diesem Keller nun Interessantes zu bestaunen gab. Dann fiel mein Blick auf eine kleine, handliche Teebox, die sich aus irgendeinem Grund von den anderen Boxen zu unterscheiden schien. Alois stieß mir seinen Ellenbogen leicht in die Seite, woraufhin ich den Kerzenständer auf dem Boden abstellte und die Teebox herunter holte. "Das ist nur schwarzer Tee.", meinte Alois und er klang ein wenig enttäuscht. "'New Moon Drop'. Es heißt, dass in Vollmondnächten gepflückte Teeblätter einen klaren, süßen Duft verströmen. Hier ist es umgekehrt. Diese Blätter werden bei Neumond gepflückt und der vage aufsteigende Duft verbreitet das Gefühl bodenloser Finsternis. Dieser Tee wird auch 'die Temperatur der Seele' genannt.", philosophierte der Fremde und ich konnte mich gerade noch davon abhalten die Augen zu verdrehen. Ein Teekenner war er jetzt auch noch, na wundervoll. Mein Gegenüber streckte die Hand nach der Teebox aus, doch Alois funkte dazwischen. "Nein, noch nicht.", sagte er und schob mich hinter sich. "Noch nicht?", fragte der Fremde und ließ die Hand wieder sinken. "Keine Sorge, sie werden ihn schon noch zu sehen bekommen. Aber vorher..." "Vorher werden sie uns ihren Koffer überreichen." Ich schielte an Alois vorbei und entdeckte Claude, der am Fuß der Kellertreppe stand und wenig erfreut aussah. Der Fremde fuhr herum, vier goldene Messer zischten durch die Luft und rissen Hut und Mantel von Kopf und Schultern des Mannes. "Sebastian Michaelis!", rief Claude und die Art wie er den Namen aussprach verhieß nichts Gutes. Wer war dieser Mann? Der Mann mit den rabenschwarzen Haaren und den blutroten Augen, der in dieser stürmischen Nacht das Anwesen von Alois Trancy aufgesucht hatte und das nur wegen ein paar Teeblättern. Kapitel 18: The reason why -------------------------- Ich war so unendlich verwirrt. Wer war dieser Mann? Warum kannte Claude ihn? Und was war so wichtig an diesem verdammten Tee? "Hey!" Ich wusste nicht wer diese Warnung brüllte, doch ich reagierte zu spät und die goldenen Messer zerfetzten den ohnehin durchlöcherten Mantel noch mehr und es geschah alles so schnell, dass ich erst den Bruchteil einer Sekunde später realisierte, dass mir dieser Sebastian den Tee aus den Händen gerissen hatte. Meine Augen irrten suchend durch das muffige Kellergewölbe und ich entdeckte Sebastian, der in einer atemberaubenden Geschwindigkeit die Treppe nach oben rannte. Beinahe so schnell wie... "Er will fliehen! Claude!", schrie Alois und meine Mundwinkel zuckten unwillkürlich, als ich sah, dass Claude mit dem Mantel zu kämpfen hatte, der ihm die Sicht nahm. "Nicht töten! Du darfst ihn nicht töten! Los, fang ihn Claude!", befahl Alois und mehr Bestandteile des kostbaren Bestecks sausten durch die Luft. "Komm schon, Genevieve!" Alois packte meine Hand und zerrte mich hinter sich her. Was zur Hölle ging hier vor sich? Warum schienen sowohl Claude, als auch Alois diesen Fremden zu kennen? Warum war ich die Einzige, die mal wieder von nichts eine Ahnung hatte? Ein dumpfes Geräusch ertönte, als Sebastian sich in der Küche auf den Boden warf und mit seinem Körper die Messer abfing, die sonst den Koffer durchbohrt hätten. "Ist der Koffer wichtiger, als ihr eigenes Leben?", fragte Claude, doch er erhielt keine Antwort. Stattdessen schmiss er das gute Porzellan in Sebastian's Richtung, der jedoch samt Koffer auswich und somit ein klirrendes Geräusch durch die Küche hallte. Aber Sebastian kam nicht weit. Er strauchelte, fiel zu Boden, weil der Koffer sich wie von selbst geöffnet hatte und nun konnte jeder dessen Inhalt bestaunen. Mir klappte die Kinnlade herunter. In dem Koffer befand sich ein Junge. Er war etwa so alt wie Alois, hatte dunkles Haar und trug einen schwarzen Anzug. Und er schien von all dem hier nichts mitzubekommen, da er offenbar nicht bei Bewusstsein war. "Ciel Phantomhive." Alois ließ meine Hand los und grinste zufrieden. "Hab ich dich endlich, Ciel." "Das lasse ich nicht zu." Sebastian zog sich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, zwei der Messer aus der Schulter und warf sie mit einer solchen Präzision, dass die goldenen Klingen Alois auf der Stelle getötet hätten, wenn ich nicht so unglaublich dumm gewesen wäre und ihn beiseite geschubst hätte. Eines der Messer landete auf dem Küchenboden, ohne einen größeren Schaden verursachten zu haben, das anderen streifte meine Schulter und hinterließ eine Wunde, die unter dem Stoff des Kleides nicht genau auszumachen war. Alois stolperte perplex gegen den Herd und starrte mich verwirrt an. Sebastian und Claude schien das alles wenig zu interessieren. "Ihr werdet ihn ganz sicher niemals berühren. Wenn jemand mit einem so schmutzigen und vulgären Charakter wie Ihr meinen jungen Herrn berühren würde, würde Ihn das beschmutzen und beschämen.", erklärte Sebastian und ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. "Was?!", kreischte Alois im Brustton der Empörung und klammerte sich an mich. Ich verzog das Gesicht und spürte wie das Blut meinen Arm hinunter lief. Indes schloss Sebastian den Koffer wieder und sprang mit ihm auf einen Speisewagen. "Mit Schuhen auf einen Servierwagen für Speisen zu steigen, schickt sich nicht für einen Butler!", tadelte Claude und nahm sofort wieder die Verfolgung auf. Ein Butler? Natürlich, darauf hätte ich auch wirklich alleine kommen können. Dieser Sebastian Michaelis war offensichtlich der Butler von Ciel Phantomhive, dessen Namen mir eigentlich auf der Stelle etwas hätte sagen müssen. "Steh hier nicht so rum, Genevieve! Beweg dich!", kommandierte Alois, festigte den Griff um meinen Arm und zog mich weiter. Warum konnte das nicht einer von seinen anderen Bediensteten machen? Die waren schließlich allesamt Ausgeburten der Hölle und hatten bestimmt eine weitaus bessere Kondition als ich. Aber mein Herr würde nicht locker lassen, also biss ich die Zähne zusammen und versuchte mit ihm Schritt zu halten. Unser Weg führte uns in die Eingangshalle, wo Sebastian sich gerade todesmutig mit dem Servierwagen auf die Treppe zu bewegte. Kurz fragte ich mich, ob er lebensmüde war, dann kam mir aber der Gedanke, dass es sich bei Sebastian um einen ebenso dämonischen Butler wie bei Claude handeln könnte, der nun in vollster Eleganz das Treppengeländer hinunter schlitterte. "Sebastian Michaelis!", rief Claude und ich hätte ihm am liebsten zugebrüllt, dass es rein gar nicht brachte immer wieder nur den Namen der betreffenden Person zu plärren. "Das also ist ihre Methode.", kam es von Sebastian, der nun plötzlich im Kronleuchter hockte. Mit Koffer, versteht sich. "Den Tag zur Nacht, Zucker zu Salz, Dunkelblau zu Gold. Dann verwandle ich das Goldene jetzt in Schwarz." Kaum hatte Sebastian diese Worte ausgesprochen, segelte der Kronleuchter von der hohen Decke, zerschellte auf dem Boden und hüllte alles augenblicklich in Dunkelheit. Ein markerschütternder Schrei zerriss mir beinahe das Trommelfell und zwei Hände gruben sich tief in meinen rechten Arm. So tief, dass es schmerzte. "Es ist so dunkel. Ich habe Angst.", wimmerte Alois. "Licht.", ertönte Claude's Stimme und wie von selbst entzündeten sich die Kerzenhalter an den Wänden. Der kaputte Kronleuchter war verschwunden, genauso wie Sebastian. Schritte näherten sich und als ich den Blick hob, erkannte ich im Schein der Kerzen Hannah und die Drillinge. Wunderbar, jetzt tauchten die auf. "Hngh..." Ich schaute zu meiner Rechten. Alois kniete auf dem Boden, krallte sich in den Stoff meines Kleides und hatte den Kopf gesenkt. "Euer Hoheit..." Ein erneutes, lautes Klirren ließ mich aufschrecken. Sebastian hatte es anscheinend als zu langweilig empfunden das Anwesen durch die Tür zu verlassen und stattdessen ein Fenster gewählt. "Los, hinterher! Macht schon!", schrie Alois und Hannah und die Drillinge eilten davon. Auch Claude machte Anstalten sich in Bewegung zu setzen, doch bevor er auch nur einen Schritt machen konnte, ließ Alois mich los und klammerte sich stattdessen am Bein seines Butlers fest. "Nein, Claude! Du bleibst hier! Geh nicht weg!" "Aber..." Etwas hielt Claude davon ab seinen Satz zu beenden. Ich wusste nur nicht was. "Lass mich hier nicht zurück.", bat Alois und eine Träne rollte seine Wange hinab. "Du darfst mich nicht alleine lassen, Claude. Bitte nicht." "Aber mein Herr.", warf Claude ein und warf mir daraufhin einen Blick zu, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. "Ihr werdet stets an meiner Seite sein." Ich ballte die Hände zu Fäuste. Wie konnte er nur so rücksichtslos sein? Claude wusste genau was Alois für ihn empfand, wie viel er ihm bedeutete und er nutzte diese Gefühle schamlos aus. Natürlich. Was hatte ich auch anderes erwartet? Er war ein Dämon und alles was er wollte war diese unschuldige, heiß brennende Seele. "Wie Tag und Nacht. Zucker und Salz. Lebende und tote Körper. Schmutz und Reinheit." Er kniete sich hin und griff nach Alois' Händen, doch dieser wandte sich ab. "Nein, es ist so, wie er gesagt hat. Ich bin nur ein schmutziger, vulgärer Junge." Ich zuckte zusammen. Vor einiger Zeit hatte ich ähnliche Dinge zu Alois gesagt. Jetzt tat es mir auf einmal leid, obwohl sie der Wahrheit entsprachen. Warum tat es mir leid? "Ihr seid mein Herr und ich bin bei Euch.", fuhr Claude fort. "Es reicht, hör auf. Du bist auch bloß ein..." Claude unterbrach Alois, indem er dessen Gesicht in beide Hände nahm und ihn zwang ihn anzusehen. Mir wurde schlecht. "Ich bin Euer Euch stets treu ergebener Diener. Ihr könnt Euch meiner Aufmerksamkeit sicher sein. Bis zu dem Tag an dem Eure Seele mir gehört." "Schon gut." Alois entzog sich Claude's Griff und fuhr sich mit dem Ärmel seines Mantels über das Gesicht. "Ihr alle. Löst Euch ruhig in der Dunkelheit auf." "Hoheit, vielleicht solltet Ihr nun zu Bett gehen. Es ist spät.", merkte Claude an. "Ja, es ist dunkel.", murmelte Alois und kam mühsam auf die Beine. "Genevieve, komm mit." Ich nickte stumm und trottete meinem Herrn wie ein folgsames Hündchen hinterher. Ich wagte den Blick zurück nicht, denn ich wusste, was ich gesehen hätte. Claude, der mir ein Lächeln schenkte, welches direkt aus der Hölle stammte. Dieser verdammte Mistkerl. Wer auch immer dieser Sebastian Michaelis war, ich hoffte, dass er hier noch einmal auftauchte und Claude umbrachte. Damit würde er nicht nur sich selbst, sondern auch Alois und mir einen großen Gefallen tun. "Blutet es noch?", fragte Alois plötzlich und ich blinzelte überrascht. "Was?" "Dein Arm. Blutet er noch?", wiederholte Alois, der mir den Rücken zugewandt hatte und nun die Tür zu seinem Zimmer öffnete. "Ich...ich weiß nicht. Ich habe noch nicht nachgesehen.", antwortete ich. "Dann sieh nach.", befahl Alois, zog seinen Mantel aus und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Meine Güte, er machte sich doch nicht etwa Sorgen um mich? "Genevieve..." "Verzeiht." Umständlich wurde ich das Kleid los und begutachtete den Schnitt am rechten Oberarm. Wow, so sauber, als wäre ein Arzt mit einem Skalpell zu Gange gewesen. "Und?" Alois fummelte an der schwarzen Schleife herum und versuchte sie loszuwerden. "Er ist nicht tief. Macht Euch keine Sorgen.", wehrte ich ab. "Keine Sorgen, hm? Komm her." Er winkte mich zu sich und kaum, dass ich in seiner Reichweite war, packte Alois meine Hand und zerrte mich zu sich. "Halt still." Mit einem verbissenen Gesichtsausdruck wickelte Alois die schwarze Schleife um meinen Oberarm und verband ihn. Ich war so perplex, dass ich sogar vergaß mich zu bedanken, aber glücklicherweise schien Alois das nicht zu stören. "Niemand darf dir weh tun. Niemand außer mir.", flüsterte Alois und setzte sich auf die Kante seines Bettes. Ich biss mir auf die Unterlippe. Mir schwirrten mal wieder so viele Fragen im Kopf umher und ich hatte das Gefühl, dass jetzt der beste Zeitpunkt war, um sie zu stellen. "Darf ich Euch etwas fragen?", wollte ich wissen. "Wenn es denn unbedingt sein muss.", seufzte Alois und fuhr sich durch die Haare. Er wirkte mit einem Mal furchtbar müde und erschöpft. "Dieser Mann, dieser Sebastian Michaelis. Wer war das?", fragte ich und versuchte möglichst desinteressiert zu klingen. Alois lachte leise. "Ich wusste, dass du danach fragen würdest. Du bist von Natur aus ziemlich neugierig, kleine Rose." Da hatte er recht, aber wer würde nicht wissen wollen was in dieser Nacht hier vorgefallen war? "Sebastian Michaelis ist ein Butler. Ein dämonischer Butler.", sagte Alois und bestätigte somit meinen Gedankengang von vorhin. "So wie Claude?", hakte ich nach. "Nein, nicht so wie Claude. Claude ist besser.", erwiderte Alois. "Und was wollte Sebastian hier? Warum hatte er es auf diesen Tee abgesehen?", fragte ich weiter. "Was weiß ich denn. Vielleicht ist er ja ein Teefanatiker.", meinte Alois und ich hob überrascht die Augenbrauen. Dann war der Grund für Sebastian's Besuch ihm genauso unbekannt wie mir. Interessant. "Aber diesen Jungen. Den kanntet Ihr?", hakte ich nach Alois hob die Augenbrauen. "Du meinst Ciel Phantomhive?" Ich nickte. "Oh ja, ich kenne ihn.", sagte Alois. "Wer ist er?", wollte ich wissen. "Willst du mir weismachen, dass du noch nie von ihm gehört hast?", schnappte Alois und wirkte beinahe ein wenig beleidigt. "Nein, das meinte ich nicht. Wer ist er für Euch? Warum habt Ihr so großes Interesse an ihm?", verdeutlichte ich. Alois runzelte kurz die Stirn, ehe er antwortete. "Weil er mir zusteht." Ach, hatte Alois etwa so eine Art Besitzanspruch auf Ciel oder was? "Er steht Euch zu?" Ich dachte kurz nach und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. "Er ist es, nicht wahr? Der Grund warum Ihr Eure Seele an den Teufel verkauft habt? Ciel Phantomhive soll Euch gehören. Deswegen habt Ihr den Vertrag geschlossen." Alois schmunzelte. "Kluges Mädchen." Ich schüttelte leicht den Kopf. "Aber das beantwortet noch immer nicht meine Frage. Warum verkauft Ihr für Ciel Eure Seele?" "Es geht nicht um ihn und trotzdem ist er der Grund für alles.", sinnierte Alois. Gott, mit so einer kryptischen Aussage konnte ich doch nichts anfangen, verdammt! "Dann also Sebastian." "Werd ja nicht vorlaut!", fauchte Alois und hob drohend den Zeigefinger, doch ich dachte gar nicht daran jetzt meine Klappe zu halten. "Was ist passiert? Warum ist Euch das so wichtig?! Wieso werft Ihr Euer Leben weg!" Alois sprang auf, packte mich bei den Schultern und schüttelte mich unsanft. "Was denn für ein Leben?! Ich hab doch keins! Und daran ist Sebastian Michaelis schuld! Er hat mir das genommen was mir am wichtigsten war und jetzt werde ich ihm das Wichtigste in seinem kümmerlichen Leben entreißen!" "Und das ist dieser Junge?", fragte ich, mir sehr wohl der Tatsache bewusst, dass das nächste Wort das Fass zum überlaufen bringen könnte. "Halt einfach die Klappe.", schnauzte Alois und stieß mich weg. "Was hat Sebastian Euch genommen? Was ist damals passiert? Was ist mit der Geschichte, die Ihr dem Priester und dem Viscount erzählt habt? War das alles nur gelogen?", bohrte ich weiter. "Was geht dich das an, hm?! Was kümmert es dich überhaupt?!", keifte Alois und funkelte mich wütend an. "Ihr seid mir nun einmal wichtig! Ich sorge mich um Euch!", schrie ich zurück und Alois starrte mich völlig entgeistert an. "Du...machst dir...Sorgen...um mich?" "Ja und ich würde Euch so gerne verstehen. Wenn Ihr...wenn Ihr Euch nur jemandem anvertrauen würdet.", erklärte ich. "Und dieser jemand bist du oder?", hauchte Alois, dessen Stimmung erneut umgeschlagen war. Ich atmete tief durch. "Wenn Ihr es wünscht." Alois musterte mich, schien mit sich zu ringen und einen inneren Kampf auszufechten, bis er schließlich seufzte. "Das was ich diesem Idiot von Priester und dem Viscount erzählt habe...es war nicht alles gelogen. Ich lebte in einem Dorf. Ich wurde dort geboren. Wir hatten nichts." "Wir?", hakte ich nach. "Ja, mein Bruder Luca und ich. Wir hatten gar nichts. Die Menschen in diesem Dorf haben uns gehasst und ich habe sie gehasst. Bis zu diesem Tag. Das Feuer wütete und eine unbekannte Seuche raffte alle hinweg. Alle, bis auf Luca und mich blieb von dem Dorf nur Asche übrig. Aber dann..." Alois wich meinem Blick aus, verschränkte seine Hände ineinander. "Luca ist gestorben. Genau wie die anderen und ich war allein. Ganz allein und ich hatte solche Angst vor der Dunkelheit, die mich umgab. Ich weiß nicht...ich weiß nicht mehr. Irgendwann wurde ich mitgenommen. Hierher. Zusammen mit einem Haufen anderer Jungen, die dasselbe Schicksal teilten. Der Earl..." Alois schlug sich eine Hand vor den Mund, als müsse er sich jeden Moment übergeben. Ich hatte von Earl Trancy gehört. Der Spinne der Königin, die erledigte was der Wachhund hinterließ. Und dass sein Appetit ebenfalls dem einer Spinne glich. "Ich tat was ich tun musste, um zu überleben. Ich wurde zum Lieblingsspielzeug des alten Mannes. Aber das war mir nicht genug. Ich wollte mehr. Ich wollte alles.", fuhr Alois fort. "Und Claude soll Euch helfen das zu erreichen?", fragte ich. "Claude erzählte mir die Wahrheit.", erwiderte Alois. "Die Wahrheit?" Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass auch nur ein Wort aus dem Mund dieses Dämons der Wahrheit entsprach. "Er erzählte mir, dass Luca mit einem Dämon einen Deal gemacht hatte, um das Dorf auszulöschen. Und, dass Luca deswegen sterben musste.", entgegnete Alois. Ich verstand allmählich. "Und Sebastian war dieser Dämon?" "Ja, deswegen will ich mich an ihm rächen. Ich will ihm das wegnehmen, was ihm am wichtigsten ist. Ciel Phantomhive." Alois ballte die Hände zu Fäusten. Ich musste erstmal verdauen was er mir gerade alles gestanden hatte. Alois war also nicht der rechtmäßige Sohn des verstorbenen Earl Trancy. Er war lediglich dessen Spielzeug gewesen, so wie ich nun Alois' Spielzeug war. Und jetzt verstand ich auch warum Alois so war, wie er eben war. Aufgewachsen in einer Welt, in der ihm niemand wirklich beigebracht hatte zwischen Richtung und Falsch zu unterscheiden. Verlassen von der einzigen Person, die er geliebt hatte und dann verdammt und geschändet. Bei einer solchen Vergangenheit hätte wohl jeder irgendwann den Verstand verloren und sich an das Einzige geklammert, dass einem noch logisch erschien. Rache. Kapitel 19: If you would die ---------------------------- Ich schaute auf meine Hände. So vieles ging mir durch den Kopf. Gefühle wurden durcheinander gewürfelt und ich glaubte mich in einem Karussell zu befinden, dass nicht aufhören wollte sich zu drehen. „Wenn du das irgendwem erzählst, kleine Rose…dann bist du tot.“, murmelte Alois und schaute mich dabei nicht an. Ich nickte. Natürlich würde ich meinen Mund halten und kein Sterbenswörtchen von dem verraten, was Alois mir anvertraut hatte. „Was werdet Ihr tun, wenn Ciel Euch gehört?“, fragte ich und hob den Blick. Alois‘ blaue Augen wirkten leer. „Um ehrlich zu sein…habe ich da noch nie wirklich drüber nachgedacht. Aber vermutlich werde ich ihn töten und Sebastian somit das rauben, was ihm wichtig ist.“ „Ihr habt Euren Bruder wohl sehr geliebt.“, erwiderte ich. „Sprich nicht so von Luca. Du hast ihn nicht gekannt.“, entgegnete Alois und wandte sich ab. „Das ist wohl wahr, aber auch ich habe meine Familie verloren. Ich kann Euren Schmerz nachempfinden.“, erklärte ich. „Soll das heißen…du verstehst mich?“, wollte Alois wissen, griff plötzlich nach meinen Händen und kam meinem Gesicht sehr nahe. „Ich verstehe warum Ihr Rache wollt.“, antwortete ich. Was ich nicht verstand war, warum Alois dafür seine Seele an einen Teufel wie Claude verkauft hatte? Aber wahrscheinlich war er so verzweifelt gewesen, dass er keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte. Keinen anderen Ausweg aus der Hölle, in der er gelebt hatte. „Wenn Ciel Euch gehört, was wird mit Sebastian passieren?“, hakte ich nach. „Na was wohl? Claude wird ihn töten, nachdem er dabei zugesehen hat, wie ich diesem verwöhnten Balg die Haut abziehe.“ Alois’ Griff um meine Hand festigte sich. „Und dann…“ Ich ließ den Satz in der Luft hängen, weil ich genau wusste, was dann passieren würde. „Claude wird meine Seele verschlingen.“ Alois klang weder traurig, noch hoch erfreut, aber in seinen Augen spiegelte sich etwas wieder, das man ohne Zweifel als Angst interpretieren konnte. „Ist die Rache denn Eure Seele wert?“, fragte ich. „Zweifelst du etwa an meinen Entscheidungen, kleine Rose?“ Alois hob die Augenbrauen und seine Fingernägel bohrten sich in meinen Handrücken. „Nein, Ihr habt diese Wahl getroffen und ich werde nicht daran zweifeln, aber…seid Ihr bereit zu sterben? Ihr wisst, dass Ihr Claude nicht entfliehen könnt, wenn die Zeit gekommen ist.“, sagte ich. „Natürlich weiß ich das und ich habe den Vertrag dennoch geschlossen. Ich habe keine Angst davor zu sterben.“, stellte Alois klar. „Solange…ich nicht allein bin.“ Aha, das war also der springende Punkt. Alois war es egal, ob er lebte oder tot war. Er wollte nur nicht allein sein. Weder im Diesseits, noch im Jenseits. „Ihr seid nicht allein, nie. Nicht solange ich bei Euch bin und ich habe versprochen niemals von Eurer Seite zu weichen, wisst Ihr noch?“ Ich verschränkte meine Finger mit denen von Alois und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. „Würdest…würdest du weinen, wenn ich sterbe?“, flüsterte Alois, dessen Stimme zitterte. „Ja, ich wäre sehr traurig, wenn Ihr sterben würdet.“, hauchte ich und mein Herz wurde schwer, denn es war die Wahrheit. Das realisierte ich jetzt. So sehr ich Alois anfangs auch gehasst habe, jetzt war es nicht mehr so. Nicht seit ich wusste, wie sehr seine Seele hatte leiden müssen und was er alles ertragen hatte. Es war nur verständlich, dass man sich anders verhielt und anders dachte, als Menschen, die den Tod noch nicht gesehen hatten. Die nicht um ihr Leben hatten kämpfen müssen und dafür Qualen und Demütigungen in Kauf genommen hatten. Vermutlich war auch genau das ein Grund dafür, warum ich Alois nun mit anderen Augen sah. Weil ich ihm sehr viel ähnlicher war, als ich anfangs geglaubt hatte. „Genevieve…“ Ich zuckte zusammen, als Alois sein Gesicht in meiner Schulter vergrub und er sich gegen mich lehnte. „Bleibst du heute Nacht bei mir?“ „Wenn das Euer Wunsch ist, Hoheit.“, sagte ich. „Nein, ich will, dass es dein Wunsch ist.“, erwiderte Alois leise. Ich zögerte. Wollte ich? Wollte ich bei ihm sein und mich von ihm berühren lassen? Ja, ich wollte es. Ich wollte bei ihm sein, ihm zeigen, dass er nicht allein war, dass es einen Menschen gab, dem er wichtig war. Dass er Claude nicht brauchte, weil dieser seine Gefühle sowieso nie erwidern würde. Dass Rache ihn nicht glücklich machen würde, egal ob er sie nun vollbrachte oder nicht. Ich musste Alois zeigen, dass es noch einen anderen Ausweg gab. Eine andere Möglichkeit, um der Dunkelheit zu entfliehen. „Ja, ich möchte bei Euch bleiben.“, sagte ich und umarmte Alois, der etwas überrascht zusammenzuckte. „Wenn du mich anlügst, werde ich dich eigenhändig umbringen.“ Ich wunderte mich nicht über diese Drohung. Alois sagte oft solche Dinge, wenn er nicht wollte, dass sein Gegenüber merkte, dass er verunsichert oder gerührt war. Aber das war in Ordnung. Ich kam damit klar. „Geh und zieh dich um, kleine Rose. Ich warte auf dich.“ Alois drückte mich von sich weg und nickte Richtung Tür. Ich stand von seinem Bett auf und verließ das Zimmer. Mein Herz schlug in einem merkwürdigen Rhythmus. Irgendwie war ich gleichzeitig aufgeregt und tiefenentspannt. War ein solcher Zustand überhaupt möglich? Offenbar schon. „So spät wanderst du noch durch die Flure?“ Claude löste sich aus den Schatten und kam auf mich zu. Ich erschreckte mich nicht. Nicht dieses Mal. Dafür hatte Claude diesen Trick schon zu oft benutzt. „Was willst du?“, fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nichts, ich mache mir nur Sorgen um unseren kleinen Schmetterling.“, behauptete Claude und ich musterte ihn misstrauisch. Seit wann kümmerte es ihn was mit mir geschah? Seit wann interessierte er sich überhaupt für irgendetwas, dass nicht mit Alois‘ Seele und dem Vertrag zu tun hatte? „Warum war er hier? Sebastian, meine ich. Du kanntest ihn.“, sagte ich und hob das Kinn. Claude sollte auf keinen Fall glauben, dass er mich einschüchtern konnte. „Und wenn es so wäre?“, raunte Claude, kam mir noch näher und beugte sich zu mir herunter. Ich wich automatisch ein Stück zurück. „Er ist ein Teufel, wie du. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass ihr beiden euch kennt. Also was wollte er hier? Warum war ihm dieser Tee so wichtig und warum hat er Ciel Phantomhive in einem Koffer mit sich herumgetragen?“, wollte ich wissen. Claude schmunzelte. „Warum stellst du mir all diese Fragen? Warum denkst du, dass ich sie dir beantworten kann?“ Ich knirschte unbewusst mit den Zähnen. Allein Claude’s Anwesenheit trieb mich beinahe zur Weißglut. „Weil du lügst, immer. Du kennst den Grund. Du verschweigst ihn Alois. Warum?“ „Hm, du bist wirklich sehr klug. Aber auch dumm und naiv, wenn du der Meinung bist ich würde dir einfach so alles erzählen.“, lächelte Claude und legte zwei Finger um mein Kinn. Ich drehte den Kopf weg. Claude sollte bloß seine dreckigen Finger von mir lassen. „Keine Angst, du wirst sehr bald alles erfahren. Ob die Antworten dir gefallen oder du dir wünscht sie nie erhalten zu haben, ist eine ganz andere Sache.“ Claude musterte mich. Etwas ging in ihm vor, doch ich konnte beim besten Willen nicht sagen was und womöglich war es auch besser so, dass ich es nicht wusste. „Wie dem auch sei. Du solltest dich jetzt besser umziehen. Der junge Herr mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.“, sagte Claude und trat ein Stück zurück. Ich warf ihm einen verachtenden Blick zu, machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon. Dieser verfluchte Dämon. Konnte er nicht einfach in das Höllenloch zurückkehren, aus dem er gekrochen war? Das würde mir einiges an Unannehmlichkeiten ersparen und Alois…ihm würde es sein gottverdammtes Leben retten. Ich stieß die Tür zu meinem Zimmer auf und fröstelte. Das Fenster war offen, doch ich konnte mich nicht daran erinnern, es geöffnet zu haben. Mit einem Stirnrunzeln stieg ich auf mein Bett und schloss es wieder. Draußen tobte der Sturm noch immer. Hm, Alois hatte gesagt, dass ich mich umziehen soll. Aber ich besaß nicht wirklich eigene Kleidung und meistens schlief ich sowieso nackt oder in ein Laken gewickelt. Mit einem Seufzen zog ich mein Kleid aus, nahm die dünne Bettdecke und warf sie mir über. Ok, wirklich anmutig sah ich nicht aus. Eher wie ein Depp, der versuchte auszusehen wie ein Gespenst. Ein sehr lächerliches und auch überhaupt nicht gruseliges Gespenst. Hoffentlich lief mir Claude jetzt nicht noch mal über den Weg. Oder schlimmer, die Drillinge. Die sagten zwar nichts, aber allein ihre Blicke ließen mir das Blut in den Kopf schießen. Glücklicherweise kam ich ohne Zwischenfälle bei Alois‘ Zimmer an und trat ein, ohne zu klopfen. Es schien ihn nicht zu stören, denn er saß nach wie vor auf seiner Bettkante und blickte lediglich auf, als ich hereinkam. Wortlos musterte Alois mich einmal kurz, ehe er die Beine hochzog, sich zudeckte und mich abwartend ansah. Ich biss mir unsicher auf die Unterlippe. Was jetzt? Stehen bleiben bis er was sagte oder einfach ungefragt zu ihm ins Bett steigen? Ich hatte ja auch keine Ahnung wie Alois reagieren würde und was gerade in seinem Kopf vor sich ging. Gott, nicht zu wissen was dieser Junge dachte, war ein echtes Problem. „Genevieve…komm her.“ Alois hob die Bettdecke ein Stück an und rutschte zur Seite, um mir Platz zu machen. Mein Puls schwoll augenblicklich an, meine Beine bewegten sich wie von selbst und ehe ich mich versah, hüllte Alois mich in eine wohlige Wärme und drückte mich an sich. Er war ungewohnt zärtlich, was mich verwirrte, aber auch irgendwie glücklich stimmte. Ich schob meine Gedanken bezüglich Claude und Sebastian ganz weit nach hinten und schloss die Augen und lauschte stattdessen dem Schlagen von Alois‘ Herz. „Würdest du mich retten, kleine Rose? Wenn du die Möglichkeit dazu hättest?“, fragte Alois plötzlich völlig unvermittelt und ich hob den Kopf leicht an, um in anzusehen. Er meint es ernst. Und ich brauchte auch nicht zu überlegen. „Ich habe die Möglichkeit und ich werde Euch retten.“ „Du…!“ Bevor Alois etwas erwidern konnte, presste ich meine Lippen auf seine und hinderte ihn somit am weitersprechen. Eine sehr effektive Methode, nebenbei bemerkt. Und Alois war offenbar viel zu überrascht von meinem Kuss, als dass er sich an das, was er hatte sagen wollen, noch erinnern könnte, als er sich von mir löste. „Genevieve…“ Er klang etwas atemlos und mit einem Schlag war es mir peinlich, dass ich die Initiative ergriffen hatte und ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. Alois kicherte. „Was? Erst küsst du mich und dann schämst du dich? So kenn ich dich ja gar nicht, kleine Rose.“ So war ich ja normalerweise auch nicht. Doch Alois stellte irgendetwas mit mir an, dessen Auswirkungen ich nicht einschätzen konnte und dann passierten eben solche Dinge, wie das gerade eben. Allerdings wollte ich ihm gegenüber auf keinen Fall zugeben, dass ich seinetwegen gerade rot wurde und klammerte mich deswegen wie ein Äffchen an ihn. Alois lachte. Ich schien ihn zu amüsieren. „Keine Sorge, ich lass dich nicht weg. Niemals. Schon vergessen? Du gehörst mir und nur mir.“ Alois zog das Laken, in das ich nach wie vor eingewickelt war, zur Seite und bedeckte meine Schulter mit Küssen. Ich bekam augenblicklich eine Gänsehaut. Verdammt, seit wann war ich denn so sensibel? Das war ja furchtbar. „Gefällt es dir?“, schnurrte Alois und rieb seine Wange an meiner Schulter, wie eine Katze. Was sollte ich darauf bitte antworten? Wenn ich nein sagte, würde Alois bestimmt wütend werden, aber mir die Blöße geben und mir einzugestehen, dass ich es sehr wohl mochte, wollte ich auch nicht. Deshalb entschied ich mich einfach dazu nichts zu sagen, sondern den Spieß umzudrehen, weshalb ich mein Knie zwischen Alois‘ Beine schob und es nach oben wandern ließ. Der Earl hatte damit offenbar nicht gerechnet, denn er biss überrascht die Zähne zusammen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Blöderweise befand sich zwischen seinen Zähnen noch immer meine Schulter, sodass er unbeabsichtigt ziemlich heftig zubiss und ich gerade noch so verhindern konnte, dass ich einen äußert mädchenhaften Schrei von mir gab. „Tut mir leid…ich hatte nicht erwartet, dass du das tun würdest.“, hauchte Alois und leckte entschuldigend über die schmerzende Stelle an meiner Schulter. Ich schüttelte wortlos den Kopf. „Du kannst Schmerz ertragen nicht wahr? Du bist innerlich genauso hässlich wie ich. Man hat uns beide verunstaltet und verdorben. Du bist wie ich, kleine Rose.“ Alois schob das Bettlaken wieder über meine Schulter, legte ein Bein über meine Hüfte und zog mich an sich. „Mach das Licht aus.“ „Aber ich dachte…“ „Mach es aus. Ich habe keine Angst vor der Dunkelheit.“, behauptete Alois und ich löschte stirnrunzelnd die Kerze, die auf dem Nachttisch stand. Dann war es still. Alois sagte mir nicht gute Nacht. Er strich mir stumm übers Gesicht, schloss dann die Augen und nach einer Weile hörte ich nur noch seinen regelmäßigen Atem. Kapitel 20: I could be everything for you ----------------------------------------- Am nächsten Morgen wurde ich vor Alois wach. Er hielt mich nach wie vor fest und drückte mich an seine Brust, unter deren zarter Haut ich sein Herz pulsieren spüren konnte. Er sah so friedlich aus, so zerbrechlich. Als hätte er keinerlei Sorgen, die ihn bedrückten oder Wünsche, die ihn von innen heraus auffraßen. Er sah aus wie ein Junge, ein Kind, das das Böse in der Welt noch nicht gesehen hatte. Gedankenverloren strich ich Alois durch die blonden Haare. In solchen Moment hätte es durchaus etwas Vorteilhaftes, wenn ich in der Lage wäre die Zeit anzuhalten. Solche Augenblicke wie dieser, waren extrem selten und deswegen sehr kostbar. Sie konnten innerhalb eines Wimpernschlages vorbei sein und es konnte eine halbe Ewigkeit vergehen, bis sich mal wieder eine solche Gelegenheit bot. Und gerade ich, hatte in meinem Leben nicht vieler solche Momente erlebt. „Genevieve…hör auf mich anzustarren.“, kam es plötzlich von Alois und ich zuckte erschrocken zusammen. „Oh, verzeiht. Ich wusste nicht, dass Ihr wach seid.“, sagte ich. „Hätte ich das getan, hättest du aufgehört mit meinen Haaren zu spielen und was hätte mir das gebracht?“, erwiderte Alois, der die Augen noch immer geschlossen hatte. Ich überlegte kurz. „Nun…“ „Du sollst nicht antworten, kleine Rose. Mach einfach weiter.“, grummelte Alois und vergrub sein Gesicht im Kissen, damit ich sein Lächeln nicht sah. „Natürlich.“ Ich strich Alois also weiter durch seine blonden Engelslocken und merkte wie er sich sichtlich entspannte und kurz davor war wieder einzuschlafen, als es klopfte. Alois hob ruckartig den Kopf und warf der Tür einen mörderischen Blick zu. „Was ist?!“, blaffte er, offensichtlich nicht erfreut darüber, dass man uns störte. „Ich bringe Euch den Morgentee, Hoheit.“ Claude betrat, die miese Laune seines Herrn ignorierend, das Zimmer und stellte das Tablett mit dem dampfenden Tee auf dem Nachttisch ab. „Hättest du den Tee nicht etwas später bringen können?“, motzte Alois und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich bringe den Tee um dieselbe Zeit wie jeden Morgen. Wenn Ihr diesbezüglich eine Änderung wünscht, dann braucht Ihr es nur zu sagen, Hoheit.“, erklärte Claude nüchtern. Alois gab ein unzufriedenes Schnaufen von sich, setzte sich gerade auf und ließ sich von Claude die Teetasse reichen. Ich blieb liegen, weil ich der Meinung war, dass ich nicht das Recht hatte mich auch aufzusetzen. Ich würde es Claude sogar zutrauen, dass er mich mit dem Gesicht voran zurück ins Kissen drückte. „Steht für heute etwas an?“, fragte Alois gelangweilt, während er die Tasse leicht schwenkte und ich schon befürchtete, dass sich der heiße Tee im nächsten Moment über die Bettdecke verteilen würde. „Auf der Tagesordnung steht heute folgendes: ein Treffen mit Mr. Lau von der ‚Kong-Long Company‘ und Unterricht im Schwertkampf am Nachmittag.“, sagte Claude. „Lau? Was will der denn?“, blaffte Alois und ich hatte absolut keine Ahnung von wem er redete. „Der Besuch erfolgt im Zuge einer Anordnung Ihrer Majestät.“, verdeutlichte Claude und Alois zog eine Schnute. „Na schön, ich werde ihn empfangen.“ „Sehr wohl, Euer Hoheit.“ Claude verneigte sich kurz, warf mir einen kurzen, aber mehr als tödlichen Blick zu und verließ dann das Zimmer. Ich seufzte und setzte mich auf. „Mr. Lau?“ „Ein chinesischer Adliger und außerdem Oberhaupt der chinesischen Mafia.“, wehrte Alois ab, da es offenbar nicht weiter wichtig war. Ich sah das allerdings anders. „Und warum trefft Ihr Euch mit ihm?“ Alois ließ die Teetasse sinken und musterte mich scharf. „Solche Dinge gehen dich nichts an, kleine Rose.“ „Natürlich, Ihr habt recht.“, sagte ich und stand auf, um die Vorhänge zu öffnen. „Es geht um einen Auftrag, den mir die Königin erteilt hat. Ich arbeite für sie und Lau hilft mir.“, kam es plötzlich von Alois, der seine Meinung anscheinend geändert hatte. Ich hielt inne und schaute durch das große Fenster hinaus in den Rosengarten. „Ihr seid ihre Spinne.“ Alois lachte leise. „Du weißt offenbar mehr, als ich angenommen habe.“, murmelte er. „Ihr seid die Spinne der Königin. Ihr kümmert Euch um das, was der Wachhund hinterlässt, wenn er fertig ist. Und ich vermute, dass Mr. Lau Spezialist ist, wenn es darum geht Dinge oder…Personen verschwinden zu lassen.“, fuhr ich fort und band die schweren, blauen Samtvorhänge mit einer goldenen Kordel zusammen. Alois schmunzelte. „Du bist eindeutig zu klug. Deine Intelligenz wird dir noch mal das Genick brechen.“ „Wenn mir jemand das Genick bricht, dann seid Ihr das.“, erwiderte ich und ging zum Schrank, um Alois seine Kleider für den heutigen Tag bereit zu legen. „Richtig, niemand darf dir weh tun, außer mir. Niemand darf dich töten, außer mir.“, bestätigte Alois und zog das weite Hemd aus, welches er immer zum Schlafen trug. Ich kehrte mit einem Stapel an Klamotten zu ihm zurück, kniete mich vor ihn hin und begann ihn anzuziehen. Seltsam, dass Claude mir einfach so das Feld überlassen hatte. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er mich dazu auffordern würde das Zimmer sofort zu verlassen, damit er sich um Alois kümmern konnte. Aber entweder hatte er gemerkt, dass die Hoheit sowieso nicht bei bester Laune war, da der Butler genau zum falschen Zeitpunkt aufgekreuzt war oder er führte irgendwas im Schilde. Beides war möglich, wobei mir die zweite Variante doch etwas wahrscheinlicher erschien. „Genevieve, wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, fragte Alois etwas ungehalten und ich realisierte, dass ich noch immer die ungebundene, schwarze Schleife in der Hand hielt. „Verzeiht, ich habe nachgedacht.“, antwortete ich und beendete meine Arbeit. „Und worüber?“, wollte Alois wissen. „Über Euch.“, gab ich zurück, was ja nicht komplett gelogen war, doch ich wollte Alois ungern sagen, dass ich gerade an seinen Butler gedacht hatte. Das würde ihm ganz bestimmt nicht gefallen. „Hm, ich bin auch besser das Einzige, woran du denkst.“, entgegnete Alois, der mir nicht so recht zu glauben schien, aber das spielte auch keine Rolle, da er nicht weiter nachfragte, sondern stattdessen aufstand und nach dem Laken griff, in das ich noch immer gewickelt war. Er zog einmal kurz daran, was für mich bedeutete, dass ich fallen lassen sollte, was ich natürlich auch tat und somit nackt vor ihm stand. Mittlerweile hatte ich damit jedoch kein Problem mehr. Solange es nur Alois war, der mich so sah. „Geh zu Hannah und lass dir etwas Hübsches zum Anziehen geben. Wenn Mr. Lau heute Nachmittag hier aufschlägt, will ich, dass du uns Gesellschaft leistest.“, erklärte Alois während er zum Kleiderschrank ging, den roten Seidenkimono herausnahm und ihn mir zuwarf. „Los geh. Ich werde in der Zwischenzeit frühstücken. Du findest mich dann im Arbeitszimmer. Na los, lauf schon, kleine Rose.“ Alois machte eine scheuchende Handbewegung, ich schlüpfte in den Kimono und verließ das Zimmer. Er wollte mich heute Nachmittag dabeihaben? Ich hätte viel mehr darauf gewettet, dass Alois der Meinung war, dass solche Dinge mich rein gar nichts angingen. Und nun würde ich diesem Treffen beiwohnen. Absurderweise machte mich das irgendwie glücklich. Alois wollte mich in seiner Nähe wissen, er vertraute mir immer mehr an und ließ mich Teil seines Lebens sein. Er öffnete sich mich und das erhöhte die Wahrscheinlichkeit geringfügig, dass ich es schaffen würde ihn zu retten. Gut möglich, dass ich auch einfach zu positiv eingestellt war, aber die Alternative bestand darin zu verzweifeln und diese Genugtuung würde ich weder meinem inneren Schweinehund, noch Claude gönnen. „Gen, was machst du denn hier? Und was hast du da an?“ Wie aus dem Nichts war Hannah vor mich aufgetaucht und musterte ungläubig den Kimono, der mir eindeutig zu groß war und so meinen Körper nur sehr dürftig bedeckte. „Ich äh hab dich gesucht. Mr. Lau stattet dem jungen Herrn heute Nachmittag einen Besuch ab und er möchte, dass ich passend gekleidet bin.“, erklärte ich schnell. „Mr. Lau, ja?“ Hannah hob die Augenbrauen und schien zu wissen um was für eine Art Treffen es sich handelte. „In Ordnung, komm mit. Wir suchen dir was Hübsches aus.“ Sie drehte sich um und ging voraus, ich folgte ihr. Das Ankleidezimmer kannte ich ja schon, weshalb ich brav in Türnähe stehen blieb und geduldig wartete. „Hier, nimm das. Es geht zwar weit über den für ein Dienstmädchen angemessenen Standard hinaus, aber ich denke den jungen Herren wird es nicht stören.“ Hannah hielt mir etwas unter die Nase, das auf den ersten Blick wie ein funkelnder Sternenhimmel in Stoffform aussah. Ich schluckte. „Aber das…“ „Na los, zieh den Kimono aus.“, drängte Hannah und leicht paralysiert befolgte ich ihre Anweisungen. Sie hatte recht. Das hier ging weit über das hinaus, was jemandem wie mir zustand. Ich hatte gar kein Anrecht auf solche Dinge. „Sieh einer an…wie eine Prinzessin.“ Hannah kniet zu meinen Füßen und richtet den Saum des Kleides. Sie nickt fordernd Richtung Spiegel. „Komm, schau dich an.“ Ich wage einen zaghaften Blick in den mannshohen Spiegel und wie zu erwarten, renke ich mir vor Erstaunen und Überraschung beinahe den Kiefer aus. „Es ist sehr schön, nicht wahr? Es hat mal der Lady Trancy gehört, der Mutter des jungen Herrn.“, sagte Hannah, was das Ganze nicht unbedingt besser machte. Toll, nun trug ich auch noch das Kleid von Alois‘ verstorbener Mutter. Großartig. „Es ist…wirklich sehr schön.“, nickte ich und meine Stimme klang extrem brüchig. „Setz dich, ich muss noch irgendwas mit deinen Haaren anstellen.“ Hannah erhob sich und dirigierte mich zu dem kleinen Polsterschemel, der vor dem Spiegel stand. „Hm…“, machte ich nur und bekam gar nichts mehr so richtig mit. Erst als Hannah mich leicht in die Seite stupste, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, zuckte ich zusammen und hob den Blick. „Gen…absolut jeder würde dich in diesem Aufzug für eine Adlige halten.“ Hannah wickelte eine Strähne meines Haares um ihren Finger, sodass sie sich leicht lockte und platzierte sie dann auf meiner Schulter. Ja, jeder würde glauben ich sei eine Lady, eine Countess oder sonst was. Aber das war ich nicht. In meinen Adern floss nicht ein Tropfen blaues Blut. Und gerade ich wusste das am besten, weil man es mir immer wieder überdeutlich klargemacht hatte. „Gen, träumst du? Beeil dich lieber, der junge Herr erwartet dich doch bestimmt schon.“ Hannah hatte die Stirn leicht in Falten gelegt und bevor sie mich womöglich noch fragte, ob mit mir alles in Ordnung war, stand ich auf, lächelte sie dankbar an und flüchtete aus dem Zimmer. Herrgott, das war ja furchtbar. Das nahm mich alles viel zu sehr mit. Ich durfte mich auf keinen Fall weiter so emotional mitnehmen lassen. Sonst konnte ich Alois am Ende als seelisches Wrack noch Gesellschaft leisten. Ich straffte die Schultern, atmete tief durch und machte mich auf den Weg zum Arbeitszimmer. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, ermahnte ich mich in Gedanken und blieb vor der Tür zum Arbeitszimmer noch mal kurz stehen, um mich zu sammeln. Ich hob die Hand und wollte gerade anklopfen, als jemand die Tür öffnete und ich in Claude’s bernsteinfarbene Augen blickte. Blöder Dämon, er hatte bestimmt gewusst, dass ich vor der Tür stand. „Es ist Miss Delafontaine.“, sagte Claude tonlos, ging zur Seite und ließ mich eintreten. Alois fläzte in seinem Stuhl, hatte die Beine übereinandergeschlagen und sah extrem gelangweilt aus. „Ah, kleine Rose, du…“ Der Rest des Satzes blieb dem Earl im Hals stecken, als er mich sah. Offenbar haute ihn mein Aussehen genauso um, wie vorhin es vorhin auch bei mir der Fall gewesen war. „Hoheit.“ Claude räusperte sich. „Euer Mund steht offen.“ „Wehe du weist mich noch mal darauf hin!“, schnappte Alois, riss sich von meinem Anblick los und stand auf. „Verzeiht.“ Claude neigte demütig den Kopf. Alois schnaubte, trampelte um den Tisch herum und betrachtete mich ausgiebig. „Hm…Claude du kannst gehen. Ich werde mit meiner kleinen Lady im Garten spazieren gehen.“ „Aber Euer Hoheit, bei allem Respekt. Miss Delafontaine ist nicht von Adel, demzufolge ist sie keine Adlige. Sie ist lediglich…“ „Ich bestimme was sie ist!“, unterbrach Alois Claude und hob die Hand, als wolle er ihm im nächsten Moment eine Ohrfeige verpassen. Was er leider nicht tat. „Sehr wohl, Euer Hoheit.“, murmelte Claude, doch man konnte hören, wie sehr es ihm widerstrebte, diese Worte zu sagen. Ich musste mich beherrschen, damit ich nicht triumphierend auflachte, doch ich hätte zu gern Claude’s Gesichtsausdruck gesehen. „Kommt Lady Delafontaine.“ Alois bot mir mit einem Zwinkern seinen Arm da, den ich mit einem eher unbeholfenen Knicks annahm. In den Augen der Gesellschaft würde ich immer das bleiben, was ich war. Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen, das gerade gut genug war, um einem Earl den Tee zu servieren. Aber für Alois konnte ich so gut wie alles sein. Ein Dienstmädchen, eine Rose, ein Schmetterling ohne Flügel, eine Lady und vielleicht sogar seine Retterin. Kapitel 21: The fallen ---------------------- „Du bist anders.“ Ich zuckte zusammen. „Wie meint Ihr das?“ „Ich meine du bist anders als sonst.“, sagte Alois und strich sanft über die weißen Blätter einer sich gerade öffnenden Rose. „Verzeiht, falls mein Verhalten Euch gekränkt hat.“, erwiderte und senkte den Kopf. „Darum geht es nicht.“ Alois riss der Rose den Kopf ab und ließ ihn zu Boden fallen. „Ich will, dass du mir erzählst was in deinem kleinen, hübschen Kopf vor sich geht. Etwas beschäftigt dich, das kann ich sehen.“ Ich blickte ihn überrascht an. Hatte Alois etwa eine Sympathie für mich entwickelt, die so weitreichend war, dass er inzwischen merkte, wenn es mir nicht gut ging? „Hey!“ Er stieß meine Nase mit dem Zeigefinger an. „Ich warte! Und wage es ja nicht mich zu belügen.“ Alois belügen? Wo käme ich denn da hin? Er wusste doch sofort, ob ich die Wahrheit sagte oder nicht. Anscheinend hatte er ein Gespür für solche Dinge. „Hoheit, es ist nur…dieses Kleid und wie Ihr mich behandelt…ich…“ „Du bist der Meinung, dass du es nicht verdienst.“, unterbrach Alois mich und ich verschluckte mich beinahe an meinen eigenen Worten. „Woher…?“ „Woher ich das weiß? Ganz einfach. Weil du genauso bist wie ich. Ich dachte früher auch all das stünde mir nicht zu. Ich glaubte ich sei Abschaum, weil es das war, was die Leute mir einredeten. Bis ich endlich begriff, dass ich falsch lagen und, dass ich ihnen allen das Gegenteil beweisen würde. Ich hatte nicht vor mein Leben lang ein winziges, armseliges Insekt zu bleiben, als tat ich was nötig war und jetzt schau dich um, kleine Rose.“ Alois breitete die Arme aus und ich ließ meinen Blick über den Garten und das Anwesen schweifen. „Ihr habt es weit gebracht.“, murmelte ich. „Ja, aber es ist noch nicht genug.“, erwiderte Alois. „Ich vermute Ihr seid erst zufrieden, wenn Ihr Ciel Phantomhive in Eurer Gewalt habt.“, entgegnete ich. Alois lachte trocken auf. „Vermutlich nicht einmal dann, aber darum geht es nicht. Es geht jetzt um dich.“ Er trat nahe an mich heran, legte sein Kinn auf meiner Schulter ab, sodass ich seine Stimme direkt neben meinem Ohr hören konnte. „Was willst du, Genevieve?“ Ich legte die Stirn in Falten. „Was ich will?“ Alois nickte und schmiegte seine Wange an meinen Hals. „Ja, jeder hat doch irgendein Ziel im Leben und wenn es nur der einfache Wunsch ist nicht jämmerlich zu verrecken. Also, was begehrst du?“ Ich überlegte. Hm, darüber hatte ich noch nie wirklich nachgedacht. Ich hatte mich nie in einer Position befunden, die es mir erlaubt hätte einen Wunsch zu äußern. Und jetzt… „Ich will Euch helfen.“, sagte ich. Alois trat einen Schritt zurück und hob die Augenbrauen. „Mir helfen? Und wobei?“, fragte er. „Ich weiß ich. Ich will Euch einfach nur helfen.“, antwortete ich. „Mir helfen, verstehe. Aber das ist nicht alles, hab ich recht? Was noch?“ Alois verschränkte die Arme vor der Brust und grinste süffisant. „Ich will, dass…Ihr am Leben bleibt.“, flüsterte ich und betrachtete den Kies zu meinen Füßen. Still breitete sich aus. Nur der Wind war zu hören und schließlich ein leises Schluchzen. „Alles…du hättest dir alles wünschen können. Aber du…du willst mich? Wieso?! Wie kannst du mich wollen?! Ich bin…ich bin…!“ Ihr seid Earl Alois Trancy und der einzige Mensch, der mir etwas bedeutet. Deswegen will ich Euch beschützen. Das war es, was ich hatte sagen wollen, doch als ich sah wie Alois‘ eisblaue Augen sich mit Tränen füllten, kam nicht ein Ton über meine Lippen. Stattdessen nahm ich stumm Alois‘ Gesicht in beide Hände und küsste ihn. Es war irgendwie das Einzige wozu mein Verstand und mein Körper in der Lage waren, also tat ich es. Alois war offenbar so überrascht, dass die Tränen prompt versiegten, er aber auch nicht in der Lage war den Kuss zu erwidern. Es war einfach eine Spontanreaktion meinerseits gewesen, weshalb ich mich nach wenigen Sekunden auch sofort wieder von ihm löste und innerlich flehte, dass Alois mir jetzt nicht den Kopf abschlug. „Was…was war das?“ Er fuhr sich ungläubig mit dem Daumen über die Unterlippe. „Entschuldigt bitte, ich…ich konnte es nicht ertragen Euch weinen zu sehen.“, sagte ich. „Ich habe nicht geweint.“ Trotzig wischte Alois sich die Tränen weg und straffte die Schultern. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Natürlich nicht. Bitte, verzeiht mir mein vorschnelles Handeln.“ „Hmpf, schon gut. Aber mach das wieder. Küss mich nur, wenn ich es dir befehle oder ich dich darum bitte.“ Alois fuhr sich mit einem Seufzen durch die Haare. „Wir sollten zurückgehen. Sonst kommt Claude persönlich.“ „Ähm würdet Ihr mir erlauben die Bibliothek aufzusuchen?“, wollte ich wissen. „Häh? Was willst du denn in der Bibliothek?“, fragte Alois. „Ich brauche ein paar Antworten.“, gestand ich, was zwar nicht explizit erklärte was genau ich in der Bibliothek wollte, Alois aber auch nicht gänzlich die Wahrheit verschwieg. „Hm, na schön. Mach was du willst. Aber um halb zwei kommst du in den Salon, verstanden?“ „Verstanden.“ Ich hob den Saum des Kleides leicht an und kehrte zum Anwesen zurück. Bevor ich mich noch tiefer in Alois‘ Angelegenheiten verstrickte, wollte ich mich unbedingt genauer über einige Sachen informieren. Den Weg in die Bibliothek fand ich leicht und ich war froh, dass ich unterwegs keinen der anderen Bediensteten traf, die misstrauisch hätten werden können. Das einzige Problem bestand nun darin die passenden Bücher zu finden, die mir meine Fragen beantworten konnten. Die Bibliothek war vollgestopft mit Büchern, mannshohe Regale, die bis an die Decke reichten. „Hoffen wir einfach mal, dass der alte Trancy seine Bücher geordnet hat.“, seufzte ich und machte mich daran von den Bücherrücken auf vielleicht hilfreiche Inhalte zu schließen. Da gab es Bücher über Philosophie, die Wirtschaft, die Geschichte Englands, Bücher über fremde Länder und Kulturen, Romane und schließlich mehrere Reihen voller alter Schinken über Okkultismus. Wahnsinn, offenbar hatte der alte Trancy ne Art Fetisch. Ich zog eines der Bücher aus dem Regal und schlug es auf. Es war eine Art Regelwerk über die Klassifizierung von Dämonen. Im Grunde stand dort, dass Dämonen einmal Engel gewesen waren, die Luzifer während dessen Rebellion gegen Gott zur Seite gestanden hatten. Dafür hatte man sie in die Hölle verbannt wo negative Gefühle und Emotionen sie zerfressen und zu dem gemacht hatte was sie jetzt waren. Aus den handgeschriebenen Notizen schloss ich, dass Claude im Himmel dem Haus des Morgenrots angehört hatte, da er zur Kategorie der Teufel gehörte. Die Engel dieses Hauses waren die höchsten ihrer Art, sozusagen die Prinzen des Himmels und als Dämonen konnten sie das Feuer beherrschen. Nebenbei, Luzifer hatte diesem Haus auch angehört. In einem anderen Buch stieß ich auch den Begriff ‚Faustianischer Dämon‘ und ich fühlte mich augenblicklich an Claude erinnert. Tatsächlich gehörte Alois‘ Butler zu dieser Art Dämonen. Das Zeichen, mit dem er einen geschlossenen Vertrag besiegelte, war ein Pentagramm und in seiner menschlichen Form hatte er schwarze Fingernägel. Die waren also kein modischer Fehltritt, sondern sozusagen angeboren. In einem Nebensatz wurde erwähnt, dass es auch andere Dämonenarten gab. Blumendämonen zum Beispiel, deren Vertragssymbol (wie sollte es anders sein?) eine Blume war. Im folgenden Text stand nur das, was Alois mir bereits erzählt hatte. Dämonen schlossen Verträge mit Menschen. Sie willigten ein den sehnlichsten Wunsch der betreffenden Person zu erfüllen und erhielten dafür nach Erfüllung des Vertrages deren Seele. Sie erhielten die Seele auch dann, sollte der Vertragspartner seinen Wunsch aufgeben. Ich konnte mir allerdings vorstellen, dass das nur ziemlich selten passierte. Über das Brechen von solchen Verträgen fand ich nichts. Lediglich, dass man die Seele des Opfers stehlen konnte, sollte der Fall eintreten, dass das Vertragssymbol vom Dämon getrennt wird. Was wahrscheinlich zwangsläufig bedeutete, dass ich Claude die Hand abhacken musste, um Alois irgendwie zu helfen. Ich schlug das Buch zu. Zwar hatte ich eine Menge gelesen, aber so wirklich weitergeholfen hatte es mir nicht. Ich lehnte mich gegen das Bücherregal und dachte nach. Jetzt wusste ich zwar über Dämonen an sich bescheid, aber was es genau mit Claude und Sebastian auf sich hatte, darauf würden mir die Bücher sicher keine Antwort geben. Aber womöglich ließ sich noch etwas über Ciel Phantomhive herausfinden. Alles was ich bis jetzt über ihn wusste war, dass er eine Firma besaß, die Süßigkeiten und Spielsachen herstellte und damit recht erfolgreich war. Und, dass er eine tragische Vergangenheit hatte. Ob Alois eine Art Akte für ihn angelegt hatte? War er so akribisch, wenn es um seine Rache ging? Ich seufzte und verließ die Bibliothek und machte mich auf den Weg zum Arbeitszimmer. Erneut begegnete mir niemand und das gab mir das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Dennoch betrat ich das Arbeitszimmer und begann alle Schränke zu durchwühlen. Briefe der Königin fielen mir in die Hände, doch ich beachtete sie nicht weiter. Dokumente, Besitzurkunden, alles fein säuberlich archiviert. Das konnte unmöglich Alois gewesen sein. Ich öffnete ein weiteres Schubfach und eine lederne Akte sprang mir sofort ins Auge. Ich schlug sie auf. Volltreffer. „Ciel Phantomhive, geboren am 14. Dezember 1875, als Sohn von Vincent und Rachel Phantomhive. Derzeitiges Oberhaupt der Familie Phantomhive, Besitzer der ‚Funtom Corporation‘ und Wachhund der Königin.“ Ich stockte, als ich mir die weiteren Notizen durchlas. Die Eltern brutal getötet, das Anwesen niedergebrannt und er selbst gefoltert und missbraucht von einer Gruppe Okkultisten. Das war er gerade zehn gewesen. Und dann war er zurückgekehrt. Mit einem pechschwarzen Butler an seiner Seite. „Sebastian…“ Ohne Zweifel hatte Ciel einen Vertrag mit dem Dämon geschlossen, um seiner Gefangenschaft zu entkommen. Und wahrscheinlich auch um Rache zu nehmen, denn Rache war das Einzige, was den Earl noch zu motivieren schien. Er besaß zwar Familie, doch angesichts der Dinge, die ihm widerfahren waren, glaubte ich nicht, dass ihm seine Verwandten besonders viel bedeuteten. Ich legte die Akte zurück in die Schublade. Ich konnte den Vertrag zwischen Alois und Claude nicht auflösen. Und wenn ich Alois dazu brachte seine Rache aufzugeben, würde das sein Leben nur noch schneller beenden. Also was tun? Claude töten? Konnte man Dämonen überhaupt töten? Diesbezüglich stand leider nichts in den Büchern, aber vielleicht war Hannah bereit mit mir darüber zu reden. Vielleicht. „Was machst du da, kleiner Schmetterling?“ Ich erschrak mich dermaßen, dass meine Schulter eine unsanfte Begegnung mit dem Schrank hatte. „G-Gar nichts! Ich…ich habe nur…“ „Deine Neugier wird nochmal dein Tod sein.“, meinte Claude, rückte seine Brille zurück und lächelte. Mir schoss die Röte ins Gesicht, aber nicht, weil ich peinlich berührt war, sondern weil es mich ärgerte, dass Claude mich erwischt hatte und jetzt auch noch die Frechheit besaß mich zu belächeln. „Hast du etwas Bestimmtes gesucht oder soll ich dir helfen?“ Claude zupfte seinen Frack zurecht und machte ein paar Schritte in meine Richtung. „Gar nichts.“ Ich entfernte mich von dem Schrank, ging um den Schreibtisch herum und flüchtete mich in den Flur. Dieser verfluchte Teufel. Wenn ich könnte, würde ich ihm sofort die Hand abschlagen. „Genevieve!“ Ich fuhr herum und erblickte Hannah, die mir entgegen gerannt kam. „Mr. Lau ist bereits eingetroffen und der junge Herr erwartet dich.“ Oh verdammt! Ich stürzte los, stolperte fast über den Rock meines Kleides und lief weiter. Alois jetzt zu verärgern wäre denkbar ungünstig. Etwas außer Atem erreichte ich den Salon und drei Paar Augen blickten mich an. Das eine war eisblau und wirkte nicht sonderlich erfreut. Das zweite war bernsteinfarben und blitzte mir amüsiert entgegen. Und das dritte war beinahe schwarz und musterte mich interessant. „Oh, Earl. Ich wusste nicht, dass Ihr Damenbesuch habt. Wer ist die junge Lady?“ Lau wandte sich neugierig an Alois, der einen Flunsch sondergleichen zog. „Sie ist mein Dienstmädchen. Und sie ist zu spät.“ „Verzeiht mir, Hoheit. Ich habe die Zeit vergessen.“, keuchte ich und verbeugte mich demütig. „Schon gut, los komm her.“, schnaubte Alois und streckte seine Hand nach mir aus. Ich biss mir auf die Unterlippe. Verdammt, er war sauer. Ich wollte mich gerade noch mal entschuldigen, da kam ich in Alois‘ Reichweite und er zerrte mich auf seinen Schoß. „Euer Dienstmädchen, ja? Nun sie ist wirklich ausgesprochen hübsch. Nicht war, Ran Mao?“ Lau wandte sich an die junge Frau, die sich neben ihm lasziv auf der Lehne seines Sessels räkelte und bisher keinen Ton von sich gegeben hatte und auch jetzt bloß stumm nickte. „Auf den ersten Blick hätte man glatt meinen können sie sei eine wohlerzogene Lady. Wenn nicht sogar und bitte erlaubt mir diese Bemerkung Earl, Eure Verlobte.“, fuhr Lau fort und es schien ihn nicht zu kümmern, dass Alois bereits mit den Zähnen knirschte und mit jeder Sekunde wütender wurde. „Sie dient lediglich zu meinem Vergnügen, nicht mehr und nicht weniger.“ Seine Hand, die an meiner Hüfte lag, verkrampfte sich ein wenig. „Und jetzt, lassen sie uns wieder darüber sprechen, weshalb sie eigentlich hier sind.“ Kapitel 22: Just a toy and nothing more --------------------------------------- Es war mir unangenehm so auf dem Präsentierteller zu sitzen. In der Position, in der Alois mich auf seinem Schoß festhielt, war ich absolut wehrlos. Ähnlich einem Käfer, der auf dem Rücken lag und nicht mehr hochkam. Ich spürte wie Claude von oben auf mich herabblickte, wie die chinesische Dame neben Lau mich stumm musterte und ich fühlte mich noch bedrängter als eh schon. Ich wollte hier weg, aber Alois war offenbar immer noch sauer auf mich, also würde er mich keinesfalls gehen lassen. Das hier war sozusagen meine Bestrafung. „Und der Hund?“ Ich horchte auf, als Alois dieses Wort aussprach, als sei es eine Krankheit. Lau lächelte süffisant. „Hat brav seine Aufgabe erledigt und einen gewaltiges Chaos hinterlassen.“ „Sie kümmern sich doch darum, nicht wahr?“, fragte Alois. Lau nickte. „Aber natürlich, mein verehrter Earl. So wie immer. Ich werde sämtliche Spuren beseitigen.“, antwortete er. „Und ich vermute, dass der Hund nach wie vor keine Ahnung davon hat, dass sie auch für mich arbeiten oder?“, hakte Alois nach. „Mein Lieber, wo denkt Ihr hin? Ich verstehe mich auf das, was ich tue und ich werde mich nicht in das Spiel zwischen Euch und dem Wachhund einmischen. Ich bin lediglich ein interessierter Zuschauer.“, erklärte Lau leicht pikiert, als habe es ihn gekränkt, dass Alois es in Betracht zog, sein Geschäftspartner könne ihn verraten haben. „Ich will nur sichergehen. Ich wurde schon zu oft…enttäuscht.“, murmelte Alois und die Hand, die nach wie vor an meiner Hüfte lag, verkrampfte sich. „Ich werde Euch nicht enttäuschen, mein werter Earl. Darauf könnt Ihr Euch verlassen.“, sagte Lau. Alois hob die Brauen. „Kann ich das, ja?“ „Sicher, die Arbeit der Spinne ist mir genauso wichtig, wie die es Wachhundes.“, beteuerte Lau. Alois lächelte. „Aber sie tun das doch nicht, weil sie die Königin um ein paar Probleme erleichtern wollen oder?“ Lau hob die Hände und schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Wollt Ihr etwa andeuten ich würde im Geheimen meine eigenen Machenschaften verfolgen?“ „Ich deute es nicht an, ich weiß es. Jeder verfolgt doch insgeheim seine eigenen Pläne. Jeder ist nur auf das eigene Wohl bedacht. Sie helfen mir nur, weil es ihnen selbst zum Vorteil gereicht.“, erwiderte Alois. „Der Mensch ist ein egoistisches Wesen. Wer das bestreitet ist ein Lügner.“, entgegnete Lau. „Gut.“ Alois lehnte sich in seinem Sessel zurück und ich sackte versehentlich gegen ihn, weil ich nicht damit gerechnet hatte. „Dann verstehen wir uns ja. Sie sagen dem Hund nicht, dass sie auch der Spinne helfen und ich sehe darüber hinweg, dass sie das hier nicht aus Loyalität mir gegenüber tun.“ „Es war mal wieder ein Vergnügen mit Euch Tee zu trinken, mein lieber Earl.“ Lau erhob sie und die Frau neben ihm, tat es ihm gleich. „Wir werden uns wiedersehen.“ Die Beiden verbeugten sich und Claude geleitete sie nach draußen. Kurz bevor sie die Tür erreichten, erhob Alois noch einmal die Stimme. „Lau, werden sie den Hund heute noch antreffen?“ Der Angesprochene drehte sich halb um. „Oh ja, er eröffnet heute eine neue Schleuse und es werden Bootsfahrten unternommen. Alles was Rang und Namen hat wird dort sein, das schließt seine Verlobte natürlich auch ein.“ „Danke Lau, das war alles. Sie können gehen.“ Alois machte eine scheuchende Bewegung und die Tür zum Salon schloss sich. Ich traute mich nicht einmal den kleinen Finger zu rühren. Ich wusste nicht, ob Alois noch immer wütend auf mich war und anhand seines Gesichts konnte ich das nicht sagen. Er wirkte einfach nur…nachdenklich. „Genevieve?“ Ich zuckte zusammen. „Ja?“ „Steh auf, mein Training beginnt gleich.“ Alois sagte das und seine Stimme klang so monoton, dass es mir eiskalt den Rücken herunterlief. Gott, wenn er so emotionslos war, dann machte er mir noch mehr Angst, als wenn er schrie oder mich schlug. Dennoch stand ich ohne zu zögern auf, um nicht der Grund dafür zu sein, dass sich seine Laune noch weiter verschlechterte. Alois zupfte seine Nadelstreifenweste zurecht, ging zur Tür und legte seine Hand auf die Klinke. „Kleine Rose?“ „Ja?“ „Willst du dort ewig stehen bleiben oder kommst du jetzt?“ Mein Herz machte einen Satz. „Natürlich, Hoheit.“ Ich beeilte mich ihm zu folgen und während ich neben ihm den Flur entlanglief, spürte ich wie Alois‘ Finger nach meiner Hand tasteten. Mein Puls geriet außer Kontrolle. Obwohl ich ihn hatte warten lassen, obwohl ich ihn praktisch enttäuscht hatte, wollte er mich noch immer in seiner Nähe haben? Ich konnte es nicht begreifen. Ich weiß, eigentlich sollte mich das freuen, doch ich wurde den Gedanken nicht los, dass ich es einfach nicht verdient hatte. „Du denkst zu viel nach, kleine Rose.“, meinte Alois und ich fragte mich aufs Neue, ob dieser Junge Gedanken lesen konnte. „Du solltest es einfach tun und nicht erst abwägen, welche Konsequenzen dein Handeln vielleicht haben könnte.“, fuhr er fort, ohne mich dabei anzusehen. „Aber solltet nicht gerade Ihr, als Earl, immer zuerst nachdenken, bevor Ihr eine Entscheidung trefft?“, fragte ich. Alois nickte. „Sollte ich, aber wenn man zuerst ewig lange über etwas nachdenkt, dauert es zu lange und das langweilt mich. Und außerdem, wenn man sich einfach in etwas hineinstürzt, weiß man nicht was einen erwartet und das macht das Leben aufregender.“, antwortete er. „Hm, da habt Ihr wohl recht.“, murmelte ich. „Und ob ich recht habe, schließlich hast du selbst genau dasselbe getan, als du Claude’s Angebot angenommen hast.“, erwiderte Alois. Ich stutzte. Tatsächlich, er hatte recht. Ich hatte damals kaum darüber nachgedacht, was mich vielleicht bei Alois erwarten könnte. Ich war lediglich so fokussiert darauf gewesen meinem alten Herrn zu entkommen, dass ich alles andere ignoriert hatte und mit Claude mitgegangen war. Ein Mann, den ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte und der sonst was mit mir hätte machen können. „Um ehrlich zu sein, ich bin froh, dass du dumm genug warst einem Dämon zu vertrauen. Andernfalls…hätte ich dich nicht kennen gelernt.“, flüsterte Alois und drückte meine Hand. Mein Herz stolperte ein paar Schläge vor sich hin, ehe es zu seinem normalen Rhythmus zurückfand. Hatte Alois mir gerade unterschwellig zu verstehen gegeben, dass er mich mochte? Dass er froh war mich hier zu haben? Wahrscheinlich. Andernfalls sollte ich dringend einen Arzt aufsuchen, der meine Ohren einmal gründlich untersuchte. „Da seid Ihr ja, Hoheit. Bereit für das Training?“ Anders als sonst, war die große Halle, in der Alois immer mit dem Schwert übte, nicht leer. Stattdessen erwartete uns Claude, der bereits in der Mitte des Raumes stand. Alois ließ meine Hand los und stellte sich seinem Butler gegenüber. „Hol die Schwerter, Claude.“, befahl er und eben jener neigte kurz den Kopf. „Genevieve, das hier wird ein Duell. Du wirst den Kampf entscheiden und gleichzeitig...“ Alois drehte sich zu mir um. „Bist du der Preis für den Gewinner.“ Mir klappte fast die Kinnlade herunter. „Preis? Ich...ich fürchte ich versteh nicht, Hoheit.“ Alois schüttelte den Kopf und erhob den Zeigefinger. „Oh doch, das tust du sehr wohl. Du bist der Preis und der Gewinner darf den Rest des Tages mit dir machen, was er will. Denn...letzten Endes bist du doch nur ein Spielzeug.“ Ich biss mir auf die Unterlippe. Die Worte trafen mich härter, als es der Fall hätte sein dürfen. Ich wusste doch was Alois in mir sah. Ich hatte es von Anfang an gewusst und hätte mir nichts vormachen dürfen. Wie um alles in der Welt hatte ich glauben können, dass dieser Junge jemals etwas für mich empfinden würde? Warum war ich nur so dumm und naiv? „Hoheit.“ Claude überreichte Alois eines der beiden Schwerter und sie begaben sich in ihre Ausgangspositionen. „Na schön, ich werde bis zehn zählen.“, sagte ich. „Eins...“ Alois umfasste den Griff seines Schwertes fester. „Zwei...“ Claude’s bernsteinfarbene Augen durchzuckte ein rötliches Leuchten. „Drei...“ Das Atmen fiel mir schwer. „Vier...“ Ich war ein dummes kleines Mädchen, das nicht aus seinen Fehlern lernte. „Fünf...“ Ich war dumm genug zu glauben, ich könne Alois retten. „Sechs...“ Dumm genug zu glauben, dass ich überhaupt in der Lage war jemanden zu retten. „Sieben...“ Ich konnte ja nicht einmal mich selbst retten. „Acht...“ Ich hatte mich verliebt. „Neun...“ Und Alois hatte mein Herz in tausend Stücke zerbrochen. „Zehn...“ Das Duell begann, doch ich achtete nicht wirklich auf den Kampf, der sich vor meinen Augen abspielte. Ich war viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Ich wollte gerne in Selbstmitleid baden, doch was hätte mir das gebracht? „Genevieve!“ Ich riss den Kopf hoch. Alois lag auf den Rücken, die Spitze der Klinge von Claude’s Schwert war nur Millimeter von seinem Hals entfernt. „Wer hat das Duell gewonnen?“, fragte Alois, doch er klang entnervt und offenbar störte es ihn, sich in einer solch erniedrigenden Position zu befinden. „Ich äh...ich...“ „Hoheit, es scheint, als würde es Miss Delafontaine aus dem Konzept bringen Euch so zu sehen.“, unterbrach Claude mein Stammeln und mir entging das leichte Zucken seiner Mundwinkel nicht. Prompt ballte ich die Hände zu Fäusten. „Dann hilf mir hoch!“, schnauzte Alois und streckte Claude seine Hand entgegen, die dieser auch ergriff. „Ich sage es ja nur sehr ungern, aber Ihr habt dieses Duell verloren, Hoheit.“ „Ja ja, ich weiß. Halt einfach die Klappe und nimm sie dir. Für den Rest des Tages kannst du mit ihr machen was du willst.“, knurrte Alois, nachdem er wieder festen Boden unter den Füßen hatte und ich realisierte schließlich was das für mich bedeutete. Claude hatte die Erlaubnis alles mit mir zu tun, was er wollte. Und die Vorstellung diesem Dämon schutzlos ausgeliefert zu sein, jagte mir eine Heidenangst ein. „Ihr habt dennoch ausgezeichnet gekämpft, Hoheit. Für einen Menschen...“, sagte Claude und verbeugte sich und dennoch wirkte es so, als würde er Alois verspotten. „Jetzt geh schon!“, keifte Alois und ballte die Hand zur Faust. Claude lächelte süffisant, legte sein Schwert ab und kam auf mich zu. Ich wollte wegrennen, aber es hätte keinen Sinn gemacht. Er würde mich kriegen, egal was ich auch unternahm, um ihm zu entkommen. Zumal die Angst meinen Körper lähmte und so konnte ich nicht anders, als mich von Claude mitziehen zu lassen, als dieser nach meinem Arm griff. Ich warf Alois einen fast schon hilfesuchenden Blick zu, erwartete aber trotzdem nicht, dass er Claude nun befehlen würde mich loszulassen. Schließlich war ich nichts weiter, als ein Spielzeug und was kümmerte es Alois schon, was mit mir geschah? „Es überrascht mich, dass du keinen Widerstand leistest.“, sagte Claude, als wir die Halle verlassen hatten und durch einen der endlosen Flure liefen. „Es würde doch sowieso nichts bringen.“, erwiderte ich. Claude lachte auf. „Warum auf einmal so traurig? Hat der kleine Earl dir das Herz gebrochen?“ Ich biss mir auf die Unterlippe. „Sei still.“ „Mutig von dir einem Dämon den Mund zu verbieten, kleiner Schmetterling. Aber auch dumm...“, lächelte Claude, machte eine ruckartige Bewegung und im nächsten Moment hatte ich die Wand im Rücken. „Da der junge Herr es sicherlich missbilligen würde, sollte ich dich töten, kann ich das leider nicht tun. Aber...das Spielen mit dir, hat er mir nicht untersagt.“, flüsterte Claude und es war das erste Mal, dass ich ihn grinsen sah. Mein Puls schwoll an, ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören und wünschte mir einfach nur das Bewusstsein zu verlieren. Ich konnte viel aushalten und wenn Claude einfach nur darauf aus wäre meinen Körper zu benutzen, dann würde ich auch das überstehen, aber Claude war nicht wie mein alter Herr oder andere Männer. Er war überhaupt kein Mann und dieser Umstand machte mir am meisten Angst. „Du zitterst, du bist verzweifelt.“ Claude’s Stimme war ganz nah an meinem Ohr. Mir wurde schlecht. „Seelen dieser Art sind begehrenswert.“ Ein Schrei wollte sich meine Kehle empor kämpfen, als Claude mir über die Ohrmuschel leckte, doch ich untersagte es mir selbst. Ich konnte und dufte keine Schwäche zeigen. Schon gar nicht gegenüber Claude. Das würde meinen Tod bedeuten. „Du hast einen starken Willen, das muss ich dir lassen. Aber...jeden Willen kann man brechen.“ Mein Herz hämmerte, Claude packte meine Handgelenke und pinnte mich gegen die Wand. Ich hatte absolut nichts, das ich ihm entgegensetzen konnte. Gar nichts. Aufgeben hätte am meisten Sinn gemacht, aber dann hätte ich mich selbst aufgebeben und was wäre mir dann noch geblieben? Nein, ich würde nicht aufgeben. Dafür hatte ich zu viel durchgemacht. Claude konnte mit mir machen was er wollte, aber er würde es nicht schaffen mich in die Knie zu zwingen. Diese Genugtuung würde ich ihm auf keinen Fall gönnen. „Du kannst mich mal.“ Ich spukte ihm die Worte förmlich entgegen und für den Bruchteil einer Sekunde wirkte Claude überrascht. Dann lächelte er. „Offenbar reicht es nicht dir die Flügel auszureißen, kleiner Schmetterling.“ Ich hielt erschrocken die Luft an, als meine Füße plötzlich einige Zentimeter über dem Boden baumelten. Mein Gleichgewicht war dabei sich zu verabschieden, doch es widerstrebte mir, mich an Claude festzuhalten. Nach Halt suchend, tastete ich mit meinen Händen die Wand ab, fand aber natürlich nichts. „Man muss dir auch noch die Beine ausreißen, damit du nicht mehr weglaufen kannst.“ Claude’s Fingerspitzen bohrten sich in meine Oberschenkel. Es tat weh, aber schlimmer als der Schmerz, war der Ekel und die Abneigung. Der Gedanke, das Claude mich anfasste, war einfach nur grauenhaft. „Schrei ruhig, es wird dich außer mir sowieso keiner hören.“, flüsterte Claude und verstärkte seinen Griff. Ich biss mir auf die Unterlippe. Das würde mit Sicherheit blaue Flecke geben. „Fahr zur Hölle.“, knurrte ich. „Aber da war ich doch schon.“ Ich konnte Claude’s Atmen auf meiner Haut spüren und wollte mich am liebsten übergeben. Bitte, irgendwer musste das beenden. Ich selbst konnte es nicht und freiwillig würde Claude mich niemals gehen lassen. Der Tag lief noch einige Stunden und die Zeit konnte sich ins unendliche ziehen. Vor allem dann, wenn man sich sehnlichst wünschte sie möge schneller vergehen. „Claude.“ Eine Stimme zerriss die Stille. „Das reicht jetzt. Nimm deine Hände von ihr.“ Ich schaute zur Seite und erblickte Alois, der im Flur stand und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Seid Ihr Euch sicher, Hoheit?“, fragte Claude. „Muss ich mich etwa wiederholen? Lass sie sofort los!“, befahl Alois. „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“ Claude setzte mich sanft auf dem Boden hab, verbeugte sich knapp und ging seiner Wege. Ich starrte Alois irritiert an. Was passierte hier gerade? „Genevieve! Hör auf mich so anzustarren und kommt mit.“ Alois drehte sich um. Ich bewegte mich noch vom Fleck. „Komm jetzt!“, rief Alois und ich erwachte aus meiner Starre und stolperte ihm hinterher. Kapitel 23: The way you lied ---------------------------- Ich beobachtete meine Füße wie sie über den roten, schweren Teppich wanderten. Ich hörte die Schritte und ich hörte wie mein eigenes Herz pulsierte. Meine Arme zierte noch immer die Gänsehaut, die sich dort ausgebreitet hatte, als Claude mich angefasst hatte. „Genevieve.“ Ich hob den Kopf. Alois war stehen geblieben und hatte die Tür zu seinem Zimmer geöffnet. „Los.“ Er nickte mit dem Kopf und ich betrat zögernd das Schlafgemach. Wahrscheinlich war Claude’s Behandlung noch nicht Strafe genug gewesen und Alois wollte jetzt noch einen draufsetzen. Die Grausamkeit und die Kreativität dafür besaß er auf jeden Fall. Doch ich zweifelte stark daran, dass er mir jetzt noch etwas antun konnte, dass mich aus der Bahn warf. Ich stand nun in der Mitte des Raumes und wartete nur darauf, dass Alois mir irgendetwas befahl, das lediglich der Anfang einer Reihe von Demütigungen und Erniedrigungen war. Ich rechnete wirklich mit allem. Aber nicht mit dem, was dann geschah. Weshalb ich auch erschrocken zusammenzuckte, als Alois plötzlich von hinten beide Arme um mich legte und mich an sich drückte. Mein Herz begann zu rasen und ich starrte ins Leere. Alois legte sein Kinn auf meiner Schulter ab und seufzte. „Ich wusste, dass Claude meinem Befehl gehorchen würde. Ich wusste auch was das mit dir anstellen würde. Nur...hab ich völlig außer Acht gelassen, was das mit mir machen würde.“ Ich runzelte die Stirn. Großartig, jetzt verstand ich gar nichts mehr. Alois kicherte. „Du hast es geglaubt, nicht wahr? Alles was ich gesagt habe?“ Ich warf einen irritierten Blick über meine Schulter und nickte leicht. „Gut so. Du sollst auch alles glauben was ich dir sage.“, grinste Alois und löste sich dann von mir. „Allerdings...habe ich gelogen.“ Ich drehte mich zu Alois um. „Gelogen?“, wiederholte ich verwirrt und er nickte. „Dass du nur mein Spielzeug bist und du mir absolut nichts bedeutest. Ich habe das gesagt, um dich für deine Unpünktlichkeit zu bestrafen.“, erklärte Alois und ich fiel aus allen Wolken. „Dass ich das Duell gegen Claude verliere war zwar nicht so geplant, doch ich hatte ihm befohlen, dich ein wenig...ähm in Bedrängnis zu bringen, sollte ich nicht gewinnen.“ Alois machte eine kurze Pause und musterte mich. „Ich...hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es mich so...anwidern würde zu sehen wie Claude dich berührt.“ Er griff nach meiner Hand und zog mich an sich. „Dann...dann habt Ihr das alles gar nicht so gemeint? Ich bin Euch nicht egal?“, fragte ich, nachdem ich endlich meine Sprache wiedergefunden hatte. Alois grinste und schüttelte den Kopf. „Wie könnte meine kleine Rose mir denn egal sein? Ich muss doch dafür sorgen, dass du mir nicht eingehst.“, antwortete er und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. „Ich werde veranlassen, dass Claude dich nie wieder bedrängt. Es...tut mir leid. Ich bin offensichtlich zu weit gegangen.“ „Nein, seid Ihr nicht. Es liegt alles in Eurem Ermessen. Ihr könnt mit mir machen was Ihr wollt.“, erwiderte ich und drückte leicht Alois‘ Hand. „Es ist so dumm von mir, dass du dich mir völlig auslieferst.“, entgegnete Alois. Ich zuckte mit den Schultern. „Na und? Ich will es eben so.“ Alois legte eine Hand an meine Wange. „Genevieve...“ Er näherte sich vorsichtig meinen Lippen und platzierte einen Kuss auf meinen Lippen. So vorsichtig, als wäre ich aus Glas und könnte in tausend Stücke zerbrechen. „Ich werde veranlassen, dass Claude uns das Abendessen heute hier serviert.“, sagte Alois. „Uns?“, hakte ich nach. „Ja, du musst auch etwas essen. Was soll ich denn mit dir anfangen, wenn du nur aus Haut und Knochen bestehst?“ Alois packte mein Kinn etwas grob. „Mit eingefallenen Wangen siehst du nämlich bestimmt nicht mehr so hübsch aus.“ Er ließ mich wieder los und verließ dann ohne ein weiteres Wort. Ich blieb mit meinen verworrenen Gedanken und Gefühlen zurück. Zu verarbeiten, dass Alois das alles nur gesagt hatte, um mich zu bestrafen, war die eine Sache. Aber die Tatsache, dass es ihm offenbar zuwider war, wenn jemand anderes (insbesondere Claude) mich anfasste und, dass er sich dafür auch noch entschuldigt hatte....das wollte einfach nicht in meinen Kopf hinein. Vielleicht war es ja auch nur eine von seinen Launen und wenn er wiederkam, war dieses Stimmungshoch vorbei und er wollte, dass ich vor ihm auf die Knie fiel und ihm die Schuhe sauber leckte. Na ja, bei Alois konnte man das nie wissen. Ich nahm mir die Freiheit und setzte mich auf die Kante von Alois‘ Bett und wartete. Mein Herz hatte sich wieder einigermaßen beruhigt und ich versuchte irgendwie das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Was mir nur mäßig gut gelang, weshalb ich nach einer Weile einfach aufgab. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis Alois wieder zurückkehrte und irgendwie wirkte er etwas...angepisst. Ich fragte aber nicht. Nicht weil ich glaubte, dass Alois mir keine Antwort geben würde, sondern weil er vermutlich wusste, dass ich im ansehen konnte, dass er gerade nicht bei bester Laune war. Ein Gespräch war somit unnötig. Alois setzte sich zu mir auf die Bettkante und zog mich in einen etwas harschen Kuss, was aber vermutlich daran lag, dass seine Wut irgendwohin musste und bevor er mich beschimpfte oder anschrie, machte er es lieber so. Ich vermutete einfach mal stark, dass es Claude nicht sonderlich gefallen hatte zu hören, dass sein Herr heute das Abendessen in seinem Zimmer zu sich nehmen würde. In Gesellschaft seines persönlichen Dienstmädchens, dem es obendrein auch noch erlaubt war, ebenfalls zu essen. Ich stellte mir Claude’s leicht perplexen und dann verbissenen Gesichtsausdruck vor und meine Lippen kräuselten sich leicht. Der Gedanke war einfach zu amüsant. „Woran denkst du?“, wollte Alois wissen, als er sich wieder von mir löste. „Unwichtig.“, wehrte ich ab und normalerweise hätte Alois nun nach einer Antwort verlangt, doch heute tat er das nicht. Stattdessen zuckte er einfach nur mit den Schultern und küsste mich ein weiteres Mal, diesmal etwas sanfter, als zuvor. „Ich hoffe ich störe die jungen Herrschaften nicht.“ Vor Schreck bisst Alois mir auf die Unterlippe, doch ich untersagte mir das mädchenhafte Quieken, das sich meine Kehle emporkämpfen wollte. Claude hatte, leise wie ein Schatten, das Zimmer betreten. „Was fällt dir ein?! Einfach reinzukommen ohne anzuklopfen!“, keifte Alois, der aufgesprungen war und aussah, als wolle er Claude jeden Moment an die Kehle springen. „Verzeiht mir Hoheit, ich wollte Euch nicht stören.“, sagte Claude und trotz seiner höflichen Haltung schwang in seiner Stimme etwas mit, dass sich ohne Zweifel als Ärger interpretieren ließ. „Hast du aber! Und jetzt raus!“, befahl Alois und deutete zur Tür. „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“ Claude verbeugte sich knapp und verließ das Zimmer. „Verdammter Dämon...“ Alois starrte die Tür in Grund und Boden, während er am ganzen Körper vor Wut zitterte. Ich schaute zu dem silbernen Servierwagen, den Claude ins Zimmer geschoben hatte und stand auf. „Hoheit, Ihr solltet essen bevor es kalt wird.“, sagte ich. Alois drehte sich zu mir um. „Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fragte er und schaute mich verständnislos an. „Ich...habe gelernt meinen Ärger herunter zu schlucken. Es gehört sich nicht für ein Dienstmädchen so offen zu zeigen, was es fühlt. Ich muss stets die Haltung bewahren.“, erklärte ich. Alois hob die Augenbrauen, dann lachte er kurz und kam auf mich zu. „Aber mir gegenüber wirst du immer ehrlich sein, nicht wahr? Du wirst mich nie anlügen oder mir etwas vorspielen, richtig?“ Ich nickte. „Natürlich nicht. Ich habe doch versprochen Euch immer die Wahrheit zu sagen.“ „Gut, andernfalls wäre ich sehr enttäuscht von dir.“ Alois nahm eine meiner Haarsträhnen und drehte sie zwischen den Fingern. „Hoheit...das Essen.“, sagte ich und etwas missmutig ließ Alois von meinen Haaren ab. „Essen...eine solche Zeitverschwendung. Wo man doch so viel anderes tun könnte.“ Er hob die silberne Abdeckhaube. Dampf stieg auf und ein feiner Duft verbreitete sich im Zimmer. „Hm, er mag zwar ein Teufel sein, aber kochen kann er.“ Alois schmiss die Abdeckhaube auf den Boden (da ihm der Tisch anscheinend zu weit weg war) und winkte mich näher heran. Ich betrachtete das Essen mit einer gewissen Skepsis. Immerhin war Claude in der Lage innerhalb von Minuten eine komplette Villa umzugestalten. Da brauchte er für ein Fünf-Gänge-Menü sicher nur Sekunden. „Jetzt guck nicht so misstrauisch, kleine Rose. Es ist nicht vergiftet. Claude hätte doch nichts davon mich zu töten.“, lächelte Alois und im nächsten Moment sackten seine Mundwinkel nach unten. „Zumindest jetzt noch nicht...“ Ich schaute Alois von der Seite an. In seinen blauen Augen lag dieser hoffnungslose Ausdruck, der mir wieder einmal bewusstmachte, dass Alois sehr wohl wusste wie das alles hier enden würde. „Denkt nicht darüber nach.“, bat ich und legte Alois eine Hand auf die Schulter. „Aber es ist unausweichlich. Ich muss immer daran denken.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nicht wenn Ihr bei mir seid.“ Entschlossen schob ich Alois zu dem kleinen Tisch, der sich in seinem Zimmer befand, platzierte ihn auf einem der Stühle und servierte ihm das Essen. Erst auf sein Drängen hin, setzte ich mich ebenfalls und erst nachdem Alois es mir lautstark befahl, aß ich auch etwas. Zugegeben, Claude’s Essen war köstlich, doch dass es von einem Dämon stammte, hinterließ irgendwie einen bitteren Beigeschmack. Das benutzte Geschirr ließ Alois einfach stehen. Er wollte nicht, dass Claude kam und es abräumte, da dieser seine Nerven heute schon genug strapaziert habe. Und mir verbot er auch nur einen weiteren Handschlag zu tun, sondern zerrte mich zum Bett. Ich wusste nicht, ob er es tat, weil sich ablenken wollte oder weil gerade einfach Lust darauf hatte, aber es konnte mir ja auch eigentlich egal sein. Ich würde sowieso niemals verstehen warum Alois etwas tat, weil sich seine Motive und Beweggründe alle paar Minuten änderten. Doch das war nicht schlimm. Denn auch wenn Alois stets zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt schwankte, so gab es doch einige Dinge, die immer gleichblieben. Zum einen war das seine verdrehte und ungesunde Zuneigung, die er für Claude empfand und die ihn nochmal ins Grab bringen würde. Dann sein Hass gegenüber allem was langweilig war und seine Angst davor allein und sein und von niemandem geliebt zu werden. Und... „Genevieve.“ Alois hatte sich über mich gebeugt. In seinen blauen Augen spiegelte sich das Licht der Kerzen wieder, die in seiner schweren goldenen Halterung auf dem Nachttisch standen. Wie wenn Eis auf Feuer traf. „Du starrst mich an.“ Alois schmunzelte und fuhr mir durch die Haare. „Verzeiht mir.“, bat ich und verfluchte mich stumm dafür, dass ich es immer wieder schaffte mich in Alois‘ Augen zu verlieren. „Dann tu etwas dafür. Sorg dafür, dass ich dir verzeihe.“ Die Wärme um mich herum verschwand, als Alois sich neben mich in die Kissen sinken ließ und die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Aha, das war es also, was er wollte. Ich setzte mich auf. „Nun gut...ich hoffe Ihr könnt mir meine Unverschämtheit verzeihen, Euer Hoheit.“ Alois schmunzelte. „Das werden wir noch sehen.“ Er klopfte auffordernd auf seinen Schoß. „Bettle um Vergebung.“ Vergebung. Erlösung. Ich brauchte keinen Gott und keinen Priester, die mir meine Sünden vergaben. Keine Absolution. Ich brauchte nur Alois und mehr nicht. ~ *** ~ Der weiße Wachs war an dem goldenen Kerzenständer herunter getropft und dann erstarrt. Irgendwann in der Nacht waren die Flammen wohl erloschen. Ich hatte sie mit Absicht nicht ausgeblasen, da ich wusste, dass Alois sich vor der Dunkelheit fürchtete. Selbst dann, wenn er nicht allein war. Jetzt lag er schlafend neben mir, hatte das Gesicht zur Hälfte im Kissen vergraben und hielt meine Hand. Die Hand an der er auch den Ring trug. Ein schweres goldenes Ding, mit kleinen Diamanten und einem Rubin verziert. Es passte irgendwie nicht zu Alois. Ein Saphir in einer silbernen Halterung hätte viel besser gepasst. Ich zuckte leicht zusammen, als Alois meine Hand plötzlich drückte und dann blinzelnd die Augen öffnete. „Du bist noch hier...“ Ich runzelte die Stirn. „Natürlich bin ich hier. Wo sollte ich denn auf hingehen?“, fragte ich und als Alois meinem Blick auswich, verstand ich was los war. „Oh, hattet Ihr einen Albtraum?“ Wieder keine Antwort, nur ein knappes Nicken. „Was immer es war, Ihr braucht Euch nicht davor fürchten. Es ist nicht real.“, sagte ich. „Nein? Ich träumte ich sei ein Schmetterling ohne Flügel gefangen in einem Spinnennetz. Und nichts anderes bin ich.“, erwiderte Alois. „Was habt Ihr denn diesmal geträumt?“, wollte ich wissen. Alois zögerte und schaute zu unseren ineinander verschränkten Händen. „Ich stand inmitten von Rosen. Rote Rosen. Und als ich sie berührt habe...sind sie alle verwelkt. Eine nach der anderen.“ Ich schwieg. Waren die welkenden Rosen womöglich eine Warnung? Klang es selbstsüchtig, wenn ich sagte, dass die sterbenden Blumen vielleicht darauf hindeuteten, dass ich bald sterben würde? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es war jedenfalls nicht so, dass ich Angst davor hatte zu sterben. Sollte mein Leben enden, wäre mir das relativ gleichgültig. Die Frage war nur...ob es Alois ebenfalls egal wäre? „Genevieve...“ Alois legte eine Hand an meine Wange. Nein, es wäre ihm nicht egal. Selbst wenn ich ihn nun fragen und er alles diesbezüglich leugnen sollte...ich wusste was er wirklich fühlte. Zumindest dieses eine Mal. Kapitel 24: Do me a favour -------------------------- Einen Gefallen. Nur einen Gefallen, hatte er gesagt. Alois würde ich nahezu jeden Gefallen tun. Nicht nur, weil ich es musste, sondern auch, weil ich es wollte. Alois wusste das. Vermutlich war auch genau das der Grund, weshalb er mich um eben jenen Gefallen gebeten hatte. Ich wusste nicht mal warum er ausgerechnet das von mir verlangt hatte. Belustigung? Demütigung? Pure Naivität? Keine Ahnung. Wahrscheinlich hatte es auch keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen, denn an der jetzigen Situation konnte ich jetzt eh nichts mehr ändern. Obwohl sowohl ich, als auch mein Gegenüber nichts lieber getan hätten. „Die Entscheidungen des jungen Herrn sind nicht in Frage zu stellen.“ Ich hob den Kopf und schaute Claude verwirrt an. Dieser bemerkte mein Stirnrunzeln. „Du fragst dich, warum er befohlen hat, dass er mich nach London begleitet, aber es steht dir nicht zu, diese Frage zu stellen.“, erklärte er und ich biss mir auf die Unterlippe, da ich sonst wohl ausfällig geworden wäre. Las dieser verdammte Mistkerl jetzt etwa schon meine Gedanken? „Ich frage mich das allerdings auch. Wo der junge Herr doch erst kürzlich so erbost darüber war, dich allein in meiner Gegenwart zu sehen.“, fuhr Claude fort und lächelte mich über den Rand seiner Brille hinweg an. „Soll das eine Drohung sein?“, fragte ich. Claude hob das Kinn. „Nein, lediglich eine Feststellung. Obwohl wir allein sind, würde ich mich niemals an dir vergreifen, kleiner Schmetterling. Das hat mir der junge Herr befohlen und ich muss tun, was er sagt.“, antwortete er. Ich wandte den Blick ab und sah aus dem Fenster. „Weshalb fahren wir nach London?“ „Es gibt dort etwas Wichtiges zu erledigen.“, meinte Claude, da er offenbar dachte mir nur das nötigste mitteilen zu müssen und, dass ich mich damit zufriedengab. „Es wurde mir untersagt, dir den vollen Zweck dieser Mission darzulegen. Nur so viel...es wird gefährlich. Weshalb ich die Entscheidung der jungen Hoheit noch weniger nachvollziehen kann.“, erklärte Claude. „Aha, gefährlich also...“, murmelte ich. „Möglicherweise ist der junge Herr deiner überdrüssig geworden und will dies nutzen, um dich loszuwerden.“, warf Claude ein und ich sah wie seine Mundwinkel zuckten. „Aber keine Sorge. Selbst wenn der junge Herr dich nicht mehr will...“ Claude erhob sich und lehnte sich zu mir herüber, was mich automatisch dazu veranlasste, weiter von ihm wegzurutschen. „Ich werde immer Freude an dir haben, kleiner Schmetterling. Du bist ein amüsantes Spielzeug.“ Er hob eine Hand und ich schwöre, wenn er sie an meine Wang gelegt hätte, hätte ich ihm mindestens einen Finger abgebissen. „Nun ja, solange der junge Herr sind eindeutig äußert, dass er dich nicht mehr will, werde ich mich natürlich nicht an die vergreifen.“ Claude lehnte sich wieder zurück, als das Klappern der Hufe der Pferde plötzlich lauter wurde und es kurz ruckelte, als die Räder der Kutsche auf den Pflastersteinen weiterfuhren. Ich sah mich um. London. Ich war lange nicht mehr hier gewesen. Doch es war noch immer so, wie ich es in Erinnerung hatte. Oberflächlich eine reiche, schöne und florierende Stadt und tief in ihrem Inneren verdorben. Während vorne Juwelen und feine Stocke verkauft wurden, dealte man im Hinterzimmer mit Opium. So war es und jeder wusste davon, doch jeder tat so, als existiere diese dunkle Seite von London nicht. Die Fahrt ging noch ein ganzes Stück weiter, bis Claude die Kutsche zum Stehen brachte und mir der Geruch von Salz und Fischen in die Nase stieg. Wir waren am Hafen angekommen. Und es war zwar nicht das Meer, aber ich hatte schon seit Ewigkeiten nichts mehr erblickt, das größer als ein Teich war. „Warte hier bis ich zurückkomme und beweg dich nicht vom Fleck.“, sagte Claude und stieg aus der Kutsche. Hier bleiben? Das dachte er sich wahrscheinlich so. „Denk nicht mal daran, kleiner Schmetterling. Sonst muss ich dir deine zierlichen Beinchen ausreißen.“ Claude sprach diese Drohung aus, ohne mich anzusehen. Er hatte mir den Rücken zugewandt und ging dann zielstrebig auf eines der Schiffe zu. Bei genauerem Hinsehen, erkannte ich, dass gerade eine gewaltige Holzkiste entladen wurde und der Kapitän des Schiffes sich mit einem Ehepaar unterhielt. Während die beiden Männer das Geschäftliche klärten, näherte Claude sich der Frau. Ich wusste nicht, was er ihr ins Ohr flüsterte, doch der Gesichtsausdruck der Frau gefiel mir ganz und gar nicht. Was immer Claude da tat, es würde sicherlich zu nichts Gutem führen. Nachdem die Frau heftig genickt und Claude ihr freundlich zugenickt hatte, kam er wieder zu mir zurück. „Was war das?“, wollte ich wissen. „Ich habe den Auftrag des jungen Herrn ausgeführt.“, antwortete Claude. „Was hast du zu dieser Frau gesagt?“, hakte ich nach. Claude stieg wieder zu mir in die Kutsche. „Das musst du nicht wissen. Allerdings war das noch nicht alles. Wir müssen sichergehen, dass auch alles nach Plan verläuft, was bedeutet, dass wir noch einige Zeit in London bleiben werden.“ „In London bleiben?“, wiederholte ich und spürte sofort, dass es mir absolut zuwider war, noch länger mit diesem...Teufel allein zu sein. „Wäre ich allein hergekommen, hätten wir uns die Kosten eines Zimmers für die Übernachtung sparen kann, aber da Menschen bedauerlicher Weise Schlaf dringend benötigen lässt sich das in diesem Fall nicht umgehen.“ Claude trieb die Pferde an, drehte die Kutsche um und fuhr zurück ins Straßengewimmel. Ich schaute auf meine Hände. Die Vorstellung, dass Claude nachts an meinem Bett hocken und mich beobachten würde, ließ mich frösteln, obwohl es ein angenehmer Frühlingstag war und die Sonne schien. „Hier.“ Die Kutsche hielt ruckartig an und wenn ich mich nicht festgehalten hätte, wäre ich mit dem Gesicht auf das Kopfsteinpflaster geknallt. Ich hob den Blick. Die Bleibe, die Claude ausgewählt hatte war...bescheiden. Bei weitem kein Luxushotel, aber auch kein Rattenloch, dass ich die Huren nur dann leisten konnten, wenn sie ihren Körper pro Nacht mindestens dreimal verkauften. „Steig aus und warte hier.“ Claude erteilte mir diesen Befehl, ohne mich anzusehen und ich stieg widerwillig aus der Kutsche aus. So ein Vollidiot. Wenn Alois nicht in der Nähe war, glaubte er wohl sich absolut alles erlauben zu können. Die Kutsche ratterte davon und ich betrat in die Jahre gekommene Haus. Hinter dem morschen Tresen saß ein älterer, fetter Man mit einem mürrischen Blick und einem Drei-Tage-Bart. „Was willst du, kleines Gör?“, brummte er, als er mich sah und ich fühlte mich sofort wie zu Hause. „Ich will ein Zimmer mieten.“, sagte ich und lief auf ihn zu. „Du? Allein?“ Er lachte. „Ist ne ziemlich dumme Idee, wenn du mich fragst.“ „Ich frage sie aber nicht.“, erwiderte ich und verzog keine Miene. Das Lachen des Mannes erstarb. „Na schön Kleine, für wie lange gedenkst du denn in London zu bleiben?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ein paar Tage, ich weiß es nicht genau.“ Der Mann hob eine Augenbraue. „Und wie willst du die Miete bezahlen?“ Ich stutzte. Verdammt, Claude hatte mir kein Geld gegeben und jetzt zu behaupten, dass ich in Begleitung war und diese Person für mich zahlen würde, das würde mir dieser Halsabschneider nie im Leben glauben. „Ich...“ Der Mann erhob sich und beugte sich über den Tresen. „Dachte mir, dass so ein kleines Ding wie du nicht einen Pfennig dabei hast.“ Er musterte mich aus seinen keinen, gierigen Augen und lächelte. „Bist allerdings ganz niedlich. Ich würde dich hier wohnen lassen....wenn du bereit bist mit deinem Körper zu zahlen.“ Ich schluckte. War klar, dass er so ein Angebot machen würde. Aber das konnte er vergessen. Ich öffnete den Mund, um diesem Fettsack klar zu machen, dass er seine Finger von mir lassen sollte, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. „Die junge Dame hat es nicht nötig mit ihrem Körper zu zahlen.“ Auf dem Tresen landete ein Ledersack, in dem sich vermutlich eine Menge Geld befand. Wahrscheinlich sogar das Zehnfache des eigentlichen Preises, aber mir sollte es egal sein. Der Mann grabschte nach dem Ledersack, riss ihn auf und starrte Claude an. „V-Vielen Dank, gnädiger Herr.“, stotterte der Mann, was Claude jedoch gekonnt ignorierte und mich einfach vorwärts schob. Die alten, hölzernen Stufen, die ins obere Stockwerk führten, knarrten unter meinen Füßen. Ein modriger Geruch stieg mir in die Nase und es hätte mich kein Stück gewundert, wenn irgendwo ein paar Ratten umher gehuscht wären. „Hier rein.“ Claude öffnete eine der Türen, die sich zu beiden Seiten in einem kurzen Flur befanden und schubste mich in das Zimmer. “H-Hey!“, beschwerte ich mich und drehte mich zu Claude um. „Hör auf zu jammern.“, seufzte Letzterer und griff sich an die Stirn. „Ich jammere nicht. Ich will nur das du aufhörst mich zu behandeln, als wäre ich dein Eigentum.“, entgegnete ich. „Hm...bedauerlicherweise bist du nicht mein Eigentum, sondern das von jemand anderem.“, seufzte Claude und klang ehrlich enttäuscht. Ich rollte mit den Augen. „Lass mich einfach in Ruhe.“ Ich kehrte Claude wieder den Rücken zu und schritt zum Fenster. „Schön, wie du willst. Ich werde dir etwas zu essen besorgen. Der junge Herr wird sicherlich nicht erfreut sein, sollte dich der Hungertod ereilen, während wir in London sind.“ Claude verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Ich stützte mich seufzend mit den Ellenbogen auf dem Fensterbrett ab. Das konnte ja was werden. Ich ließ meinen Blick über die Häuserdächer wandern und sah in der Ferne die Themse glitzern. Was hatte Claude dieser Frau erzählt? Wer war sie und warum war sie Teil des Auftrages, der Claude und mich hierher geführt hatte? Was auch immer der Dämon vor hatte, es konnte nichts Gutes sein. Ich drehte mich um und schaute mich in dem kleinen Zimmer um. Ein Bett, daneben ein kleiner Tisch mit Schublade und in der Ecke ein mannshoher Spiegel, der irgendwie nicht so richtig in dieses Zimmer passte. Ich schaute zur Tür. Ob Claude sie irgendwie verriegelt hatte, damit ich nicht fliehe konnte? Nein, unwahrscheinlich. Obwohl ich es ihm natürlich zutrauen würde, aber wohin um alles in der Welt sollte ich denn fliehen? Ich hatte niemanden. Keinen Ort, an den ich gehen könnte. Ich setzte mich auf die Kante des Bettes, die daraufhin knarrte. In solchen Momenten wünschte ich mir entweder tot oder in eine bessere Familie hineingeboren worden zu sein. In solchen Momenten kam mir mein Leben noch erbärmlicher vor, als sonst und die Auswege, die ich mir manchmal erträumte, verschwanden. Doch jetzt...war es irgendwie anders. Ich fühlte mich nicht ganz so leer. Und zu sagen, dass ich nicht wusste woran das lag, wäre gelogen. Ich wusste genau was der Grund war. Trotzdem...es mir einzugestehen war...nicht so einfach, wie man vielleicht dachte. Überhaupt zu wissen was genau ich fühlte, war schon schwierig genug. Ich ließ mich nach hinten fallen und schaute an die Decke, die aussah, als würde jeden Moment der Putz von ihr herunter rieseln. Draußen im Flur knarrten die Holzdielen und dann öffnete sich die Tür. Ich brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen wer es war. „Hier, das erstbeste was ich finden konnte.“ Ein kleines Bündel landete neben mir auf der schäbigen Matratze. Ein höfliches Mädchen mit guten Manieren hätte sich jetzt für das Essen bedankt. Aber ich war weder höflich, noch hatte ich gute Manieren, weshalb ich mich einfach aufsetzte und das Bündel öffnete. Tatsächlich war es nur ein halber Brotlaib, etwas Käse und ein Apfel. Doch es war besser, als nichts. Ich aß alles auf, während Claude stumm neben der Tür stand und mich beobachtete. Natürlich hätte ich ihm sagen können, dass ich das mehr als unheimlich fand, aber was hätte mir das gebracht? „Du solltest jetzt schlafen.“ Claude nahm das Tuch, in welchem das Essen eingewickelt gewesen war und faltete es ordentlich. „Und du?“, fragte ich. Claude schmunzelte leicht. „Was? Wünschst du dir etwa meine Anwesenheit?“ Ich rollte mit den Augen. „Nein, aber ich will wissen wo sich der Teufel herumtreibt, während ich schlafe.“ Das dämonische Lächeln auf Claude’s Gesicht erstarb. „Das brauchst du nicht zu wissen, kleiner Schmetterling. Schlaf jetzt.“ Er wandte mir den Rücken zu und verließ dann fast schon eilig das Zimmer. Und ob ich das wissen musste. Claude stellte jetzt bestimmt gerade Gott weiß was an. Nein, halt. Falscher Gedanke. Nur der Teufel wusste was Claude trieb, wenn niemand hinsah und vielleicht war es für meinen Seelenfrieden auch besser, wenn ich es nicht wusste. Aber für mich war es längst zu spät. Sollte es tatsächlich einen Himmel geben, dann war dieser schon jetzt für mich in unerreichbare Ferne gerückt. Deswegen stand ich auch auf, lief zur Tür und steckte den Kopf in den Flur. Entgegen meiner Erwartungen lehnte Claude nicht neben der Tür, nur darauf wartend, dass ich versuchte ihm zu folgen. Ich zog die Tür hinter mir zu, lief die knarzenden Stufen nach unten, vorbei an dem Tresen, der jetzt nicht mehr besetzt war. Als ich das Haus verließ, schlug mir ein kühler Wind entgegen und vertrieb den muffigen Geruch, der mir noch in der Nase hing. Okay, wohin würde ein Teufel nach Feierabend gehen? Ein Gasthaus? Ein Bordell? Eine der vielen Opiumhöhlen? Nein, das passte alles nicht zu Claude. Aber was dann? Ich bog um die nächste Ecke, als plötzlich ein markerschütternder Schrei die nächtliche Stille zerriss. Ich fuhr herum. In der Straße, an deren Ende ich stand, hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt, aus deren Mitte ein helles Licht strahlte. Zu dem Schrei, der wahrscheinlich von einer Frau stammte, kam nun noch das Schreien eines Mannes hinzu. Meine Füße bewegten sich wie von selbst über die gepflasterte Straße und als ich einen Blick auf das erhaschen konnte, was die Aufmerksamkeit der Menschen erregt hatte, stieg in mir ein Gefühl des Grauens empor. Die Quelle des Lichtes war eine junge Frau. Eine Frau, die in Flammen stand und vor Schmerzen schrie. Das Feuer zerfraß ihre Haut, verbrannte ihr Fleisch und ihre Kleidung. Es ging unglaublich schnell und alles was zurückblieb, war ein Häufchen Asche. Unter den Schaulustigen erhob sich ein leises Gemurmel, aber niemand dachte daran den jungen Mann zu trösten, der voller Verzweiflung auf das blickte, was von seiner Liebsten übriggeblieben war. Ich wollte gerade einen Schritt nach vorn machen, als ich etwas im Nacken spürte und mich umdrehte. Aus der Dunkelheit funkelte mir ein Paar bernsteinfarbener Augen entgegen und eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Verdammt, er hatte mich gefunden. Und dafür gab es nur zwei Gründe. Entweder Claude hatte so etwas wie einen sechsten Sinn und einfach geahnt, dass ich hier auftauchen würde oder er war für den Tod dieser Frau verantwortlich und deswegen vor Ort. Ich wandte mich noch einmal dem schluchzenden Mann zu, bevor sich eine Hand, wie eine Fessel um meinen Arm legte und mich von den Menschen fortzog. Ein leichter Wind kam auf und trug die Asche der Toten hinfort. Den Brandgeruch wurde ich bis zum Morgengrauen nicht mehr los. Kapitel 25: In the streets of London ------------------------------------ Ich lag die ganze Nacht wach und starrte aus dem Fenster. Dass ich nicht schlafen konnte, lag zum einen daran, dass ich dabei zugesehen hatte, wie eine Frau bei lebendigem Leib verbrannt war und zum anderen war es Claude’s Schuld, denn der hockte die ganze Zeit neben meinem Bett und starrte mich an. Was nicht gerade förderlich ist, wenn man versucht Ruhe zu finden. Allerdings sagte ich auch nicht, dass es mich störte, wenn er mich ohne Pause mit seinen bernsteinfarbenen Augen fixierte. Er hätte es ja sowieso nicht gelassen und behauptet, dass er auf mich aufpassen müsse, damit ich nicht aus Versehen aus dem Fenster fiel oder so ein Blödsinn. Tatsache war, dass Claude einfach nur den gruseligsten Stalker der Welt mimte und zwar nicht, weil er sich Sorgen um mich machte oder dergleichen. Nein, er war einfach nur ein Teufel, der wusste wie unangenehm es war, wenn er mich beobachtete und der dabei wahrscheinlich einfach nur seinen dämonischen Neigungen nachging. „Wie lange willst du noch aus dem Fenster schauen, kleiner Schmetterling?“ Ich zuckte nicht einmal zusammen. „So lange, bis die Sonne aufgeht.“ Stille. „Wie lange bleiben wir noch in London?“ „Bis die Sonne wieder untergeht.“, antwortete Claude und ich verdrehte die Augen. Das machte er doch auf alle Fälle mit Absicht. „Na schön, vermutlich wirst du mir nicht sagen was du noch zu tun hast, daher...sollte es dich doch nicht stören, wenn ich London allein ein wenig erkunde oder?“ Ich setzte mich auf und schaute über meine Schulter zu Claude, der auf einem Hocker neben dem Bett saß und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Das geht leider nicht.“ Ich presste die Lippen aufeinander. „Warum geht es nicht?“ „Weil du dir die Flügel verletzen könntest, wenn du allein durch die Gegend fliegst, kleiner Schmetterling.“, sagte Claude und obwohl er seine bescheuerte Schmetterlingsmetapher benutzte, wirte er vollkommen ernst. „Du kannst unmöglich von mir erwarten, dass ich die ganze Zeit in diesem Zimmer hocke.“, erwiderte ich. „Wenn dir etwas zustößt, wird das den jungen Herrn erzürnen und das sollte unbedingt vermieden werden.“, entgegnete Claude. „Aha, es geht dir also nicht wirklich um meine Unversehrtheit.“, stellte ich fest, obwohl das total unnötig war, weil sowohl Claude, als auch ist wussten, dass es eine Tatsache war. „Wie dem auch sei, meinetwegen kannst du dieses Zimmer verlassen. Aber nicht weiter als ein paar Straßen, verstanden?“ Claude schaute mich an, wie es wohl ein strenges Elternteil getan hätte, das seinem Kind einbläuen wollte, wann es wieder Zuhause zu sein hatte. „Na schön, ich werde dir schon nicht verloren gehen.“, murmelte ich und wandte den Blick ab. Diese leidigen Diskussionen mit Claude waren wirklich extrem ermüdend. „Gut, ich habe zu tun. Wenn du mich nun bitte entschuldigst.“ Claude erhob sich und ging zur Tür. „Hey, du hast was vergessen...Teufel.“, sagte ich. Claude blieb stehen. „Geh nach unten und frag nach etwas zu essen. Du wirst es bekommen.“ Und mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Das würde ein sehr langer Aufenthalt werden. Ich fuhr mir durch die Haare und überlegte sie zusammen zu binden, ließ es dann aber doch bleiben. Dass ich tat, weil Alois vor geraumer Zeit einmal gesagt hatte ich sähe schöner aus, wenn ich meine Haare offen trug, ignorierte ich. Wenn ich jetzt anfing an Alois zu denken, würde das Claude’s Gegenwart nur noch unerträglicher machen. Ich stand auf, warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster und verließ das Zimmer. Unten am Tresen brauchte ich nicht einmal den Mund aufzumachen und schon schob mich der Mann in die kleine, verwinkelte Küche, wo ich etwas zu essen bekam. Vermutlich hatte Claude irgendetwas damit zu tun und noch wahrscheinlicher war, dass er dem armen Mann irgendwas Schreckliches angedroht hatte, sonst wäre der jetzt nicht so freundlich mir gegenüber. Nachdem ich das, zugegeben sehr peinliche, Frühstück hinter mich gebracht hatte, ging ich hinaus auf die Straße, wo der morgendliche Trubel bereits in vollem Gange war. Pferdekutschen ratterten über die gepflasterten Straßen, Menschen schoben sich durch enge Gassen, die kleinen Glöckchen an den Türen sämtlicher Geschäfte klingelte unablässig. Es war laut und undurchsichtig und fast ein bisschen zu viel für mich. Ich hatte die letzten Jahre stets hinter verschlossenen Türen verbracht und jetzt wieder mitten in dieser lebenden und atmenden Stadt zu stehen...es fühlte sich ein bisschen an wie Freiheit. Obwohl das natürlich eine Illusion war, denn ich war nicht frei und würde es auch niemals sein. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich mich mit meinem derzeitigen Gefängnis abgefunden und sogar angefangen hatte es auf eine verdrehte Art und Weise zu mögen. „Ey, steh hier nicht so rum, kleine Göre!“, pöbelte mich plötzlich jemand von der Seite an, doch ich nahm es kaum wahr und es kümmerte mich auch nicht. Ich wandte der Person den Rücken zu und ging den gleichen Weg, den ich gestern Abend gegangen war. An der Stelle, an der die bedauernswerte Frau in Flammen aufgegangen war, tummelte sich nun erneut eine Menschenmenge. Diesmal war sie jedoch viel größer und offenbar war die Polizei ebenfalls vor Ort. Beinahe unbemerkt drängelte ich mich zwischen den Leuten hindurch, bis ich ganz vorne stand und von einem Polizisten zurückgehalten wurde. Dennoch konnte ich die angesengte Hauswand sehen, die das einzige Indiz an diesem Tatort zu sein schien. „Haben die Leute recht, die sagen, dass sich die Opfer betrunken angezündet haben?“ Die Worte stammten von einem Mann in einem grauen Mantel und rotbraunem Haar, der mir den Rücken zugewandt hatte. „Achten sie nicht auf dummes Geschwätz! Suchen sie Beweise!“, kam es forsch von dem Mann, der neben ihm stand. Vermutlich sein Vorgesetzter, denn er trug einen dieser hässlichen Zylinder und hatte sein ergrautes Haar mit einer Burgunder farbenen Schleife zusammengebunden. „Ja Sir, verlasst euch auf mich!“ Der Rotschopf salutierte, als wäre das hier nicht Scotland Yard, sondern die Armee und machte auf dem Absatz kehrt. Einige Polizisten folgten ihm. Kaum waren sie fort, kniete sich der Mann wieder hin. Als ob ihm das Betrachten der von der Asche geschwärzten Hauswand irgendwie weiterhelfen würde. „Ihr scheint nicht so recht weiterzukommen, Sir Randall.“, ertönte es plötzlich direkt neben mir und ich drehte den Kopf. Ein Schock durchfuhr mich, als ich erkannte zu wem die Stimme gehörte. „Ciel Phantomhive.“ Diese Feststellung stammte nicht von mir, sondern von Sir Randall, doch das änderte nichts an der unumstößlichen Wahrheit. Kaum einen Meter von mir entfernt, stand der Earl Phantomhive, den ich das letzte Mal bewusstlos in einem Koffer hatte liegen sehen. Und er war nicht allein, sondern in Begleitung seines dämonischen Butlers. Ich traute mich nicht zu Sebastian hochzuschauen, denn im Gegensatz zu Ciel kannte er mein Gesicht und wusste wer ich war. Und um ehrlich zu sein, wollte ich lieber nicht von ihm erkannt werden. „Wie ist der augenblickliche Stand der Ermittlungen?“ Ciel hielt einen versiegelten Briefumschlag hoch. Ich wusste was das war. Ein Schreiben der Königin. Genau so einen Brief hatte ich auch in Alois‘ Arbeitszimmer entdeckt. Sir Randall richtete sich auf und seufzte. „Wir haben noch keine Fortschritte gemacht.“ Ciel schüttelte kaum merklich den Kopf. „Gibt es Unterschiede zu Fällen aus der Vergangenheit?“ Sowohl Sir Randall, als ich stutzten. Vergangenheit? „Es hat doch früher schon einmal ähnliche Fälle, wie diese gegeben. Hab ich recht?“, fragte Ciel und ich sah wie er triumphierend lächelte. Sir Randall wandte den Blick ab. „Ihr wisst also davon.“ „Vorher war es nur eine Vermutung, jetzt bin ich sicher.“, sagte Ciel und der überraschte und zugleich wütende Gesichtsausdruck von Sir Randall, brachte mich zum Schmunzeln. „Ich möchte mir die Berichte von damals ansehen.“ Ciel stemmte die Hände leicht in die Hüfte. „Hm, es ist nichts mehr vorhanden.“, erwiderte Sir Randall. „Wie bitte?“, fragte Ciel. „Und selbst wenn es noch Unterlagen geben würde, dürfte ich sie Euch nicht zeigen.“, antwortete Sir Randall und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was Ursache, Täter und Bezug zu damaligen Fällen betrifft, werden wir, Scotland Yard, die Ermittlungen übernehmen. Für Euch gibt es nichts zu tun.“ „Huh, das würde mich wundern.“, lächelte Ciel. „Wurden alle Zeugen befragt, die letzte Nacht hier waren?“ Sir Randall nickte. „Ja, alles protokolliert. Obwohl einige angaben sie hätten ein junges Mädchen gesehen, das aufgetaucht und dann sofort wieder verschwunden wäre.“ Ich zuckte zusammen. Verdammt. „Eine Zeugin fehlt also. Und ihr habt sie nicht finden können?“, hakte Ciel nach. Sir Randall knirschte mit den Zähnen. „Nein, wir haben keinerlei Angaben über sie.“ Oh Gott, ich sollte hier so schnell wie möglich verschwinden. Scotland Yard war kein Problem. Diese unfähigen Dilettanten kannten weder mein Gesicht, noch meinen Namen. Aber für den Wachhund der Königin, der einen Dämon befehligte, war es sicher ein leichtes mich ausfindig zu machen. Vorsichtig machte ich einen Schritt nach hinten und stieß glücklicherweise mit niemandem zusammen. Sebastian, der nach wie vor neben seinem jungen Herrn stand, würdigte mich keines Blickes. So unauffällig wie möglich, drehte ich mich um und entfernte mich langsam vom Tatort. Tatsächlich rechnete ich damit, dass sich jeden Moment eine Hand auf meine Schulter legen und mich festhalten würde, doch das geschah nicht. Niemand hielt mich auf und als ich um die nächste Ecke bog, lehnte ich mich erleichtert gegen die Wand eines Backsteinhauses. Hoffentlich stempelte Ciel mich als einen unwichtigen Teil dieser Ermittlungen ab und befahl Sebastian nicht mich zu suchen. Dann hätte ich nicht nur ziemlich große Probleme mit einem Adligen, der Aufträge der Königin höchst selbst erledigte, nein ich hätte auch noch einen zweiten Dämon am Hals und Claude würde es bestimmt überhaupt nicht gutheißen, wenn ich jetzt auch noch in polizeiliche Ermittlungen verwickelt werden würde. Ich fuhr mir seufzend durch die Haare. Meine verdammte Neugier würde mich nochmal ins Grab bringen. Aber egal, jetzt war es sowieso zu spät. Ich schaute mich um. Zurück in diese widerliche Absteige wollte ich nicht. Dort würde sich im Endeffekt doch nur dieser alte Zausel an mir vergreifen. Doch ich wollte auch nicht wieder am Tatort vorbeimüssen, denn die Gefahr, dass mich dort irgendwer erkannte, war zwar verschwindend gering, aber dennoch vorhanden. Also was jetzt? Was konnte ich tun, in einer Stadt, die eigentlich nur ein Rattenloch voller Mörder und Verrückter war? Ich überlegte kurz, dann hielt ich die nächstbeste Person an, die an mir vorbeilief. „Entschuldigen sie Sir, wie komme ich zum Friedhof?“ „Zum Friedhof?“ Ich erschauderte. Die Stimme klang ein wenig so, als würde man mit einer Gabel über einen Teller kratzen. Ohne aufzuschauen, nickte ich. „Aber du bist doch noch gar nicht tot. Oder wärst du es gerne?“ Was war das denn für ein Typ? „K-Können sie mir nicht einfach sagen wie ich zum Friedhof komme?“, wollte ich wissen. „Am schnellsten in einem Sarg, meine Liebe.“, antwortete mir die Stimme und ich schaute nun doch auf. Mein Gegenüber war mindestens zwei Köpfe größer, als ich und sah äußerst...absonderlich aus. Es war ein Mann mit langen, grauen Haaren, die ebenfalls sein Gesicht bedeckte. Trotzdem war deutlich zu erkennen, dass sich eine markante Narbe quer darüber zog. Es war ganz in schwarz gehüllt und irgendwie erweckte es den Anschein, als würde ich gerade mit dem Tod in Person sprechen. „Ich ähm...ich würde aber lieber lebend dort ankommen.“, sagte ich. „Auf dem Friedhof wandeln aber nur die Toten, mein Kind.“ Der Fremde beugte sich zu mir herunter und umfasste mit einer Hand mein Kinn. Himmel, was waren das für lange Fingernägel? „Ich bin auch lieber in Gesellschaft der Toten.“, erwiderte ich. „Reizend, ich empfinde das Schweigen eines Grabes auch als sehr angenehm.“, lachte der Mann. „Zum Friedhof geht es dort entlang.“ Er nickte in die Richtung, aus der er wahrscheinlich gekommen war. „D-Danke...“, sagte ich und befreite mich aus seinem Griff. „Solltest du doch noch Interesse daran haben dich zur ewigen Ruhe zu betten, stehe ich gerne zur Verfügung.“, lächelte der Mann und winkte mir grinsend, eher er davonging. Ich schüttelte den Kopf. London, ein Sammelsurium von Verrückten und Mördern. Genau wie ich es gesagt hatte. Ich drehte mich um und hielt den Blick gesengt. Das Kopfsteinpflaster war mehr als genug für mich. Kapitel 26: A reunion with death -------------------------------- Auf dem Friedhof wehte ein rauer Wind. Er zerrte an meinen Haaren, an meiner Kleidung und ließ mich frösteln. Doch das störte mich nicht. Denn ich war nach langer Zeit mal wieder allein. Nur das Flüstern der Bäume war zu hören. Ich lehnte mit dem Rücken an einem alten, verwitterten Grabstein. Er war so alt, dass man den Namen des Toten nicht mehr lesen konnte. Der Stein war zerfallen, von Moos bewachsen. Wer immer hier lag, den hatte die Welt längst vergessen. Es gab niemanden mehr, der hierher kam und eine Träne um denjenigen weinte. Nichts erinnerte mehr daran, dass dieser Mensch einmal gelebt hatte. Nichts außer diesem Grabstein. Sicherlich würde ich einmal genauso enden. Denn werde würde sich schon an mich erinnern? Selbst Alois würde mich vergessen und wer würde mir schon einen Grabstein widmen? Ich war schließlich ein niemand. Vermutlich würde man mich nach meinem Tod einfach irgendwo auf einem Feld verscharren. Ich seufzte und zog die Knie an meinen Oberkörper. Ich hasste es mich selbst zu bemitleiden, doch in Momenten wie diesen konnte ich nicht anders. Es war nun einmal eine traurige Tatsache, dass mein Leben nicht gerade glücklich war. Doch ich hatte auch gelernt, dass es nichts brachte sich darüber zu beschweren. Entweder akzeptierte man alles so wie es war oder man änderte etwas an den Umständen in denen man lebte. Es gab nur diese zwei Möglichkeiten und nichts dazwischen. Ich ließ meinen Blick über die schier unendliche grüne Fläche schweifen. Das Gras wiegte sich im Wind hin und her, vereinzelt standen Bäume und die Grabsteine warfen mal größere und mal kleinere Schatten. Nahe dem gewaltigen Eisentor, das den Eingang des Friedhofes markierte, befand ich eine kleine, in schwarz gekleidete Menschenmenge. „Der letzte Akt im Leben einer Lady.“, erklang es plötzlich hinter mir und ich zuckte erschrocken zusammen. „Oh Verzeihung, warst du in Gedanken, mein Kind?“ Ich schaute nach oben und blickte in das bleiche Gesicht des Mannes, der mir den Weg zum Friedhof gezeigt hatte. „Was...was um alles in der Welt machen sie denn hier?“, stotterte ich. „Was ich hier mache? Offensichtlich dasselbe wie du. Die Ruhe genießen. Nirgends ist es so still wie hier.“, antwortete der Mann. „Und um meine Arbeit zu bewundern.“ Ich runzelte die Stirn. „Ihre Arbeit?“ Der Mann grinste breit und deutete auf die schwarzen Gestalten. „Lediglich den Schuh der Toten inmitten von Lilien zu beerdigen war meine Idee.“ „Sie sind Bestatter.“, stellte ich fest. „Ja, in der Tat. Das Geschäft mit den Toten ist meine Leidenschaft.“, erwiderte der Mann. „Haben sie auch einen Namen?“, wollte ich wissen. „Hm, den habe ich, aber in London bin ich bekannt als der Undertaker.“ Der Mann trat hinter dem Grabstein hervor und verbeugte sich. „Habe ich nun auch das Vergnügen deinen Namen zu erfahren, hübsches Kind?“ Ich zögerte kurz. War es klug einem Fremden einfach so meinen Namen zu nennen? Vermutlich nicht. Aber was sollte schon noch groß passieren? Ich lebte doch bereits in einem Haus voller Dämonen. „Mein Name ist Genevieve.“ Der Undertaker ergriff meine Hand. „Reizender Name, auf einem Grabstein aus Marmor sähe er sicher entzückend aus.“ Ich lächelte nervös. „Ja, sicherlich.“ Mein Blick fiel wieder auf den Eingang des Friedhofes. Zu der trauernden Menschenmenge hatten sich nun zwei weitere Gestalten gesellt. „Ah, sieh mal einer an. Der Earl Phantomhive gibt sich die Ehre.“, lächelte der Undertaker. „Sie kennen ihn?“, fragte ich erstaunt. „Natürlich kenne ich ihn. Auch der Adel des Bösen braucht Informationen, um die Unterwelt in Schach zu halten.“, antwortete der Undertaker und schmunzelte. Ich nickte. „Verstehe, sie sind der Informant des Wachhundes.“ „Ohhh, du weißt es also. Na wenn dich dieses Wissen nicht noch mal in Gefahr bringt.“, raunte der Undertaker. Ich seufzte. „Ich glaube das hat es schon.“ „Alle Menschen, die mit dem Earl etwas zu tun haben geraten in Gefahr. Er zieht das Unglück praktisch magisch an.“, erwiderte der Undertaker. „Oder das Unglück folgt ihm einfach auf Schritt und Tritt.“, murmelte ich. „Sprichst du von dem Butler, der dem Earl stets wie ein Schatten folgt?“ Der Undertaker hatte sich nahe zu mir herüber gelehnt. Zwischen den grauen Haarsträhnen konnte ich nun ein Paar grüner Augen erkennen. Aber es war kein normales Grün. Es war stechend, beinahe leuchtend und ich hatte das Gefühl, als könnte er mit diesen Augen direkt in meine Seele blicken. „Ich...ich sollte gehen.“, sagte ich und stand auf. Der Undertaker grinste und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Grabstein ab. „Vor wem läufst du davon Genevieve?“ Ich starrte mein Gegenüber an. „I-Ich laufe nicht weg!“ Der Undertaker nickte. „Oh doch und das schon dein ganzes Leben lang.“ Ich kehrte ihm den Rücken zu. „Leben sie wohl.“ „Oh, ich bin nur am Tod interessiert.“, säuselte der Undertaker, woraufhin ich jedoch nichts erwiderte, sondern den Hügel hinab stolperte. Ich machte einen großen Bogen um die Beerdigung und huschte durch das offen stehende Tor. Das war doch nicht zu glauben! Egal wo ich hinkam, der Wahnsinn folgte mir und ich wurde ihn nicht los. Ich ging den Weg zurück, den ich gekommen war, nahm ein paar Umwege über die ein oder andere Gasse und stand schließlich wieder vor dem heruntergekommenen Gasthaus. Ich erwartete nicht Claude hier anzutreffen und ich hatte auch keine besonders große Lust darauf. „Warst ja ziemlich lange unterwegs.“, bemerkte der Mann am Tresen. Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Geht sie das etwas an?“, fragte ich. Der Mann musterte mich und winkt mich dann zu sich. „Komm mit, es gibt Essen für dich.“ Er kehrte mir den Rücken zu und verschwand durch die knarzende Tür, durch die man in die winzige Küche gelangte. Ich seufzte. Garantiert hatte Claude diesem Mann aufgetragen mich im Auge zu behalten. Wie lästig... Ich folgte ihm durch die Tür und ließ das Essen schweigend über mich ergehen. Claude’s geheuchelte und erzwungene Fürsorge war schlimmer als alles andere. Es erstickte einen förmlich. Oben im Zimmer lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür und atmete tief durch. Ich hatte so ein ungutes Gefühl, dass das Ganze noch nicht vorbei war. Diese Frau, die in Flammen aufgegangen war. Claude hatte definitiv etwas damit zu tun und jetzt hatten sich auch noch Ciel und Sebastian eingemischt. „Oh Gott, das geht alles viel zu weit...“, seufzte ich und fuhr mir durch die Haare, als mir plötzlich ein Geruch in die Nase stieg, der mich die ganze letzte Nacht verfolgt hatte. Der Geruch von Asche und Feuer. Ich stürzte zum Fenster und sah sofort den dicken, schwarzen Qualm, der sich in den immer dunkler werdenden Himmel hinaufschob. Es brannte und zwar lichterloh. Alle Stimmen, die mir rieten mich von den Flammen fernzuhalten ignorierend, stürzte ich aus dem Zimmer und stolperte die Stufen nach unten. „Hey Kleine! Hiergeblieben! Draußen brennt es!“, brüllte der Mann, der aus der Küche gerannt kam. Doch ich blieb weder stehen, noch drehte ich mich um. Ich wusste nicht wieso, aber ich wusste einfach, dass dieser Brand etwas mit den Toten und Claude zu tun hatte. Bereits nach Atem ringend, erreichte ich den Tatort und sah keine fünfzig Meter entfernt das brennende Gebäude. Ich blieb stehen. Was zur Hölle ging hier vor sich? Ein fast schon manisch klingendes Lachen hallte plötzlich durch die Luft und eine Frau tauchte aus dem in sich zusammenbrechenden Gebäude auf. Sie trug eine Apparatur bei sich, die aussah wie eine Kamera und mir fiel ein, dass ich sie kannte. Zwar hatte ich ihr Gesicht nur ganz flüchtig gesehen, aber ich war mir sicher, dass sie auf der Beerdigung der verbrannten Frau anwesend gewesen war. Zu dem Knistern der Flammen und dem Knacken des brennenden Holzes, mischte sich das Wiehern von Pferden. Im selben Moment, als die Frau an mir vorbeirannte und dabei etwas in die Luft war, das aussah wie weißes Pulver, hielt eine Kutsche neben mir. Instinktiv drehte ich mich um und blickte in das ozeanblaue Auge von Ciel Phantomhive. Ohne es zu wollen erstarrte ich. „Aus dem Weg!“, rief Ciel und drängte sich an mir vorbei. Die Absätze seiner Schuhe klackerten über das Kopfsteinpflaster. „Du.“ Ich hob den Blick und zog den Kopf leicht ein. Sebastian starrte mich durchdringend an. „Du hast etwas hiermit zu tun, ich weiß nur noch nicht was.“, sagte er und ehe ich mich versah, hing ich über Sebastian’s Schulter und er lief los. „H-Hey! Lass mich runter!“, beschwerte ich mich. „Hör auf zu zappeln.“, kam es zurück. Das durfte doch nicht wahr sein! Wieso war jeder der Meinung mich wie eine willenlose Puppe behandeln zu können?! „Sebastian, was soll das denn? Wir haben keine Zeit für so einen Unsinn!“, hörte ich Ciel schnaufen. „Vertraut mir, junger Herr. Dieses Mädchen ist in diesen Fall verwickelt.“, erwiderte Sebastian. „Bist du dir da sicher?“, fragte Ciel. „Habe ich Euch je angelogen?“, fragte Sebastian zurück und der samtene Klang macht es beinahe unmöglich ihm nicht zu glauben. Ciel seufzte. „Komm jetzt, wir dürfen diese Frau da nicht aus den Augen verlieren!“ „Jawohl, sie ist die Ehefrau des Fotografen Turner.“, entgegnete Sebastian und die Beiden folgten ihr, weshalb ich ordentlich durchgeschüttelt wurde. Himmel, woher kam nur dieses Talent ständig in neue Schwierigkeiten zu geraten? Plötzlich schien wie aus dem Nichts die Luft zu explodieren und im Bruchteil einer Sekunde hatte Sebastian mich von seiner Schulter herunter gezerrt und Ciel zu Boden gerissen. Geschützt durch seinen Körper, konnten uns die Hitze nichts anhaben. „Diese Kamera ist die Zündvorrichtung.“, nuschelte Ciel, der halb unter mir begraben lag, wofür ich jedoch absolut nichts konnte. „Los, schnapp sie dir Sebastian!“ „Jawohl, mein junger Herr.“ Sebastian setzte sich auf, verbeugte sich kurz und nahm dann die Verfolgung auf. „Runter von mir!“, meckerte Ciel und ich hievte mich von ihm runter. „Verdammt, dass er dich unbedingt mitschleppen muss. Dieser verfluchte Butler.“ Der Earl rappelte sich auf und packte mein Handgelenk. „Los, kommt mit. Und wehe du stellst was Dummes an!“ Ich wurde unsanft hoch gezerrt und stolperte Ciel hinterher. Denn was blieb mir auch anderes übrig? Weglaufen war keine Option in diesem Moment. Vorwärts laufen allerdings auch nicht, denn als Ciel die Gasse betrat, in welche Sebastian der Frau gefolgt war, stellte sich uns jemand in den Weg. Oder viel mehr stürzte er sich vom Dach herunter, um Sebastian mit einer Motorsäge zu attackieren. „Was zum...?!“ „Sie sind das.“, knurrte Sebastian, der sein Gegenüber offensichtlich kannte. „Ein Wiedersehen mit dem Tod mein Teufelchen.“, grinste der Mann (zumindest glaubte ich, dass es ein war). Er sah ebenso außergewöhnlich aus, wie der Undertaker. Langes, feuerrotes Haar, stechend grüne Augen und spitze Zähne. „Dann haben also sie im Hintergrund die Fäden gezogen, Grell Sutcliff.“, stellte Sebastian fest, der sich mit Silberbesteck gegen die Kettensäge verteidigte. „Ich ziehe nur den roten Faden, der mich mit dir verbindet, liebster Sebastian.“, jauchzte Grell, woraufhin er einen Fußtritt ins Gesicht verpasst bekam. „Au! Du bist gemein! Sei doch nicht so grob!“ „Darf ich sie daran erinnern, dass sie angefangen haben?“, fragte Sebastian und richtete den leicht zerknitterten Kragen seines Frackes. „Ich stand unter enormer Anspannung und musste mich abreagieren.“, antwortete Grell, der seine Motorsäge fallen gelassen hatte und nun sein schmerzendes Gesicht betastete. „Schließlich bin ich auch hinter dieser widerlichen dicken Kuh her.“ „Hm, sie also auch?“, murmelte Sebastian. „Kennst du diesen seltsamen Kerl?“, wollte Ciel wissen, der bis eben geschwiegen hatte. „Das ist ein Wesen, das die Seelen der sterbenden Menschen einsammelt.“, erklärte Sebastian. Ich legte den Kopf leicht schief. „Ein Sensenmann?“ „Sensenmann?! Ich lasse mich doch nicht mit einem so unzivilisierten Begriff titulieren!“, schnappte Grell und verschränkte die Arme vor der Brust. „In bin ein Todesgott. Ein Shinigami, du kleine Göre.“ Ich hob die Augenbrauen. „Sind alle Shinigami so leicht reizbar wie du?“ Grell plusterte sich auf. „Was hast du gesagt?!“ Sebastian räusperte sich. „Grell, ich nehme an sie sind hier um die Seelen der Brandopfer einzusammeln. Liege ich damit richtig?“ Grell drehte sich zu dem Butler um. „Ja, aber da ich nun dich getroffen habe, höre ich doch sofort auf zu arbeiten.“, säuselte er. „Und wir beide machen uns auf in eine amouröses Abenteuer!“ Grell wollte sich gegen Sebastian lehnen, doch dieser trat einen Schritt zur Seite, sodass er Shinigami Bekanntschaft mit dem Kopfsteinpflaster machte. Eine laute Explosion zerriss die Stille. „Für so einen Verrückten haben wir keine Zeit. Wir gehen!“, befahl Ciel und packte wieder mein Handgelenk. „Hey!“ „Sebastian, kümmere dich um sie!“, sagte Ciel und überließ mich somit seinem teuflischen Butler. „Sehr wohl.“, kam es von Sebastian und im nächsten Moment, hing ich schon wieder über dessen Schulter. Kapitel 27: The burning fire of love ------------------------------------ Ciel rannte um die nächste Ecke und obwohl ich über Sebastian’s Schulter hing und das Feuer nicht sehen konnte, spürte ich doch dessen Hitze. „Sebastian, lass mich runter!“, zeterte ich. „Hör auf zu zappeln, sagte ich.“, erwiderte er und blieb plötzlich abrupt stehen. „Sebastian! Willst du mich umarmen, musst du diese Flammen durchschreiten!“, ertönte Grell’s Stimme. Ich seufzte. Shinigami, Dämonen. Ich wünschte mir mein Leben in der Gosse zurück. „Verzeihung, ich habe gerade keine Zeit.“, erklärte Sebastian höflich und trat Grell unsanft zu Boden, um Ciel hinterher zu hechten, wobei ich ordentlich durchgeschüttelt wurde. „Hey, warte auf mich! Sebastian, so bleib doch!“, kreischte Grell, den ich zwischen den Flammen liegen sah. Sebastian lief auf die Hauptstraße, alles brannte Lichterloh und weiße Aschefetzen regnete vom schwarzen Himmel. „Wo ist sie hin?“, fragte Sebastian und blieb kurz stehen. Sicher war die Frage nach dem Verbleib der verrückten Frau nicht an mich gerichtet, trotzdem antwortete ich. „Da hinten!“, rief ich und deutete in die entgegengesetzte Richtung. Sebastian wirbelte herum, wobei mein Kopf beinahe gegen einen Laternenmast knallte und rannte weiter. Ich hatte es längst aufgegeben mich zu wehren, denn Sebastian würde mich auf keinen Fall laufen lassen. Egal wie sehr ich mich beschwerte oder bettelte. „Eigenartig...“ Sebastian war vor einer dunklen Gasse stehen geblieben, aus der es keinen anderen Ausgang gab. „Nanu? Ist sie dir etwa entwischt?“, feixte Grell, der unser immer noch folgte und jetzt provokant grinsend an der Hauswand gegenüber lehnte. „Grell Sutcliff, sollten sie nicht ihrer Arbeit nachgehen?“, fragte Sebastian. „Hm, ich bin ein erfahrener Jäger der Liebe. Meine Arbeit besteht darin dich zu erlegen.“, säuselte Grell und warf Sebastian eine Kusshand zu. „Außerdem gibt es im Moment nur eine zu jagende Seele.“ Ich hob den Kopf. „Nur eine? Aber hier sterben massenhaft Menschen.“, sagte ich. „Hm, richtig. Margaret Turner, heute um 00:05 Uhr. Nachdem sie eine große Anzahl Menschen getötet hat, begeht sie Selbstmord durch verbrennen. Laut dem Hauptbuch der Seelen gibt es nur diese eine Seele, die ich einsammeln soll und ich richte mich nach diesem Buch.“, erwiderte Grell. „Und die Seelen der Brandopfer? Was ist mit denen?“, wollte ich wissen. Grell warf die Haare zurück. „Die Menschen, die durch diese Frau getötet wurden, sind vollständig verbrannt. Mitsamt ihrer armen Seele.“ „Dann solltest du jetzt deinen Job erledigen oder nicht?“, fauchte ich und Grell schaute mich pikiert an. „Was erlaubst du dir?! So mit einem Gott des Todes zu reden, also wirklich! Sebastian du musst dieser kleinen Göre unbedingt Manieren beibringen!“, verlangte der Shinigami. „Das ist nicht meine Aufgabe, verehrter Grell. Und wenn sie ehrlich mit sich sind, dann hat sie recht. Sie sollten ihren Auftrag so schnell wie möglich ausführen und diese Frau aufhalten. Sonst sterben noch mehr Menschen.“, entgegnete Sebastian und auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen konnte, glaubte ich ein leichtes Schmunzeln aus seinen Worten herauszuhören. „Also das ist ja wirklich unerhört.“, schnaufte Grell, als eine laute Explosion ertönte. Sebastian drehte sich ruckartig um. „Der Big Ben...der junge Herr!“ Und schon rannte er wieder los und Grell hinterher. „Ich kann auch selbst laufen!“, meckerte ich. „Ich habe keine Garantie dafür, dass du nicht versuchst zu fliehen.“, erwiderte Sebastian ruhig und ich verzog das Gesicht. Als ob ich überhaupt eine Chance hätte, ihm zu entkommen. „Sebastian, warum trägst du sie und nicht mich?“, jammerte Grell, der versuchte mit Sebastian Schritt zu halten. „Hast du etwa einen Fetisch für solche ungezogenen Dinger?“ „Hey, Klappe halten!“, rief ich und hatte nicht übel Lust Grell mit seinen langen, roten Haaren zu erwürgen. „Da oben ist sie!“ Sebastian war wieder stehen geblieben, weshalb ich vermutete, dass wir jetzt direkt am Fuße des Big Ben standen. „Dieses Miststück, wie konnte sie so schnell da rauf kommen?“ Grell hatte den Kopf in den Nacken gelegt und ich zappelte absichtlich herum, in der Hoffnung, dass Sebastian mich nun endlich herunterlassen würde. Dieser schien mich jedoch gekonnt zu ignorieren. „Oh ja, das ist sie, junger Herr. Das ist die Seele, die ich verschlingen möchte.“ Ich erschauderte leicht. Sebastian’s Monologe waren teilweise genauso unheimlich wie die von Claude. Der Zeiger auf dem gigantischen Ziffernblatte rückte auf die Zwölf vor und die Glocken des Big Ben ertönten. „Also dann...“ Sebastian ließ mich abrupt runter. „Wir sollten uns beeilen.“ „Huh?“, kam es von Grell, der von der Tatsache nun arbeiten zu müssen, offenbar nicht gerade begeistert war. „Die Dame begeht um fünf nach zwölf Selbstmord durch Verbrennen, nicht wahr?“, fragte Sebastian. „Ja und? Wenn sie Selbstmord begeht, musst du doch nicht nachhelfen.“, antwortete ich. „Schnapp sie dir Sebastian, so lautete der Befehl meines jungen Herrn.“, erwiderte Sebastian. „Ich befürchte dafür ist es jetzt leider zu spät.“, seufzte Grell. „Als Butler der Familie Phantomhive sollte ich so etwas schon beherrschen.“, meinte Sebastian und lächelte selbstgefällig. „Es wird Zeit. Bist du soweit“ Der Dämon wandte sich an mich. Ich hob die Augenbrauen. „Was ich? Wieso denn ich?“ „Um bei dieser Fotografin Interesse zu wecken, fehlt dem jungen Herrn der nötige Liebreiz. Du hingegen bist sicher ein hervorragendes Fotomodell.“, erläuterte Sebastian und legte zwei Finger um mein Kinn. „Liebreizend? Ist das deine Methode um zu vertuschen, dass ich der Köder sein soll?“, presste ich hervor. „Nicht doch, das würde ja bedeuten, dass mir dein Tod vollkommen gleichgültig wäre.“, lächelte Sebastian. Ich lachte freudlos auf. „Ach, ist er das denn nicht?“ „Nein, noch nicht.“ Sebastian packte mich und schob mich zu Grell. „Sie werden dafür sorgen, dass sie binnen der nächsten Sekunden dort oben ist.“, kommandierte Sebastian und Grell schaute sein Gegenüber fassungslos an. „Wie kannst du mir das nur antun, Sebastian?! Dieses Gör besitzt keinerlei Erotik oder Anziehungskraft! Ich hingegen schon und trotzdem wählst du sie?! Du brichst mir das Herz, mein Geliebter.“ Sebastian seufzte. „Ich flehe sie an, tun sie einfach worum ich sie bitte.“ Grell schob die Unterlippe vor. „Hm, na schön. Aber ich verlange ein romantisches Dinner als Entschuldigung.“ Eine erneute Explosion und eine schwarze Rauchwolke, die das Ziffernblatt des Big Ben verhüllte, ersparten Sebastian die Ausreden, um der Verabredung mit dem Shinigami entgehen zu müssen. „Los jetzt!“ Grell legte einen Arm um meine Hüfte und im nächsten Moment ging es kerzengerade an der Außenfassade des Big Ben hoch. Ich hatte zwar keine Höhenangst, traute mich aber trotzdem nicht nach unten zu schauen. Auch weil ich es Grell zutrauen würde, dass dieser mich einfach fallen ließ, damit ich seiner Romanze mit Sebastian nicht im Weg stand. „Lasst mich endlich in Ruhe!“, brüllte derweil Margaret Turner und eine Ladung oxidiertes Magnesium (samt Fass) flog uns entgegen. „Achtung heiß!“, jauchzte Grell und legte seinen roten Mantel um mich, als das Magnesium in Flammen aufging. Einen Vorwärtssalto später, ließ Grell mich los und ich taumelte leicht. „Verschwinde von hier!“, kreischte Mrs. Turner und funkelte mich wütend an. Ich dachte nicht mal im Traum daran nun für sie zu posieren, aber man konnte sie sicherlich auch anders ablenken. „Wieso tun sie das?“, wollte ich wissen, während Grell neben mir stand und eine dämliche Pose nach der anderen einnahm. „Jener Mann hat mir versprochen, dass ich so glücklich werde!“, antwortete Mrs. Turner und ich hielt inne. Jener Mann? Oh verdammt! Deswegen waren Claude und ich zum Hafen gefahren, als wir hier in London angekommen waren. Das war es, was er ihr gesagt hatte. „Verfluchter Dämon...“ „Sehr gut erfasst.“, raunte Sebastian und legte mir flüchtig eine Hand auf die Schulter, was wohl so viel bedeuten sollte wie ‚Wenn du auch nur daran denkst weg zu laufen, bist du tot‘ oder so ähnlich. „Du kommst spät.“, sagte Ciel, der seine Augenklappe verloren hatte und seine Handschuhe richtete. Ich starrte ihn an. In seinem rechten Auge prangte ein leuchtendes Pentagramm. Das Vertragssymbol, welches Sebastian an ihn band und Ciel als Beute des Teufels kennzeichnete. „Bitte verzeiht mir, junger Herr.“ Sebastian kniete sich demütig vor den jungen Earl. Dass er dafür noch Zeit hatte, während eine Irre direkt hinter ihm stand. „Ich hab doch gesagt du sollst brennen!“, fauchte Mrs. Turner, doch sie hatte gar keine Zeit den Fotoapparat zu betätigen, denn im Bruchteil einer Sekunde, hatte Sebastian sich umgedreht und ihr eben diesen aus der Hand geschlagen. „Unmöglich...“, stammelte sie und wich erschrocken zurück. „Wenn es der Befehl meines jungen Herrn ist, ist so etwas lediglich eine Kleinigkeit für mich.“, sagte Sebastian. „Was...was seid ihr denn nur für Wesen?“, keuchte Mrs. Turner, die es jetzt mit der Angst zu tun bekam. „Ich bin ein...Teufel von einem Butler.“, schmunzelte Sebastian. Ich verdrehte die Augen. Was für ein Wahnsinnshumor. „Ich bin der fruchtige Shinigami des Todes.“, jauchzte Grell und warf die Haare zurück. „Und jetzt werden sie uns alles erzählen.“, befahl Ciel und trat vor. Mrs. Turner vergrub das Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen. „Jener Mann hat gesagt, dass ich es tun soll. Wenn ich genau tun würde, was er von mir verlangt, dann...würden mir viele, ganz wundervolle Männer ihre Liebe schenken.“ „Jener Mann?“, wiederholte Sebastian und ich machte einen Schritt rückwärts. „Es war ein Mann mit goldfarbenen Augen.“, sagte Mrs. Turner und ging plötzlich und ohne Vorwarnung in Flammen auf. Dennoch schaffte sie es, wieder auf die Beine zu kommen und taumelte lachend umher. „Eine brennende Liebe. Glücklich sein!“ „Nein! Ich muss noch mehr wissen!“, rief Ciel und wollte auf Mrs. Turner zu rennen, doch Sebastian hielt ihn zurück. „Nein, junger Herr!“ Mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte das restliche Magnesium. Eigentlich hätte ich bei lebendigem Leib verbrennen müssen. Sebastian, Dämon hin oder her, war nicht in der Lage gleichzeitig zwei Menschen zu retten. Dennoch blieb ich vollkommen unversehrt. „Hatte ich nicht gesagt, dass du dich nicht in Gefahr bringen sollst, kleiner Schmetterling?“ Ich hob den Blick und starrte Claude an, der mich an seine Brust drückte. „Du warst das. Wegen dir sind all diese Menschen gestorben.“, keifte ich. „Du könntest dich immerhin dafür bedanken, dass ich dir das Leben gerettet habe.“, seufzte Claude. „Lass mich runter!“, verlangte ich. Niemals würde ich Claude für irgendwas danken. Da konnte er mir noch so oft das Leben retten. „Der Auftrag ist nun ausgeführt. Wir verlassen London nun wieder.“, erklärte Claude und schien nicht weiter auf die Sache mit den verbrannten Menschen eingehen zu wollen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Dass Claude hier aufgekreuzt war, hatte nur einen positiven Effekt und zwar den, dass ich Sebastian und Ciel entkommen war. Stellte sich nur die Frage bei wem ich schlechter dran war. Bei Claude oder dem Wachhund und seinem Butler? „Wir sollten fahren, es ist spät.“ Claude nickte zu der Kutsche, die am Ende der Straße stand. Ohne ein weiteres Wort lief ich darauf zu. Die Fahrt zurück zum Anwesen verlief schweigend. Claude war niemand der gerne Smalltalk betrieb und ich wusste, dass es keinen Sinn hatte sich mit ihm zu unterhalten. Es war ruhig. Alles was ich hörte war hin und wieder das Schnauben des Pferdes und das Rattern der Räder. Und plötzlich merkte ich wie müde ich eigentlich war. Ich war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und meine letzte Mahlzeit war auch schon eine Weile her. Dennoch, der Hunger hielt sich in Grenzen. Die Müdigkeit war das Problem, aber ich wollte auf keinen Fall einschlafen, während ich mit Claude allein war. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, die die Kutsche brauchte, um ihr Ziel zu erreichen und ich war mir irgendwann nicht mehr sicher, ob ich schon schlief oder noch wach war, denn in der Minute klappten mir die Augen gefühlte hundertmal zu. „Wir sind da.“ Die Kutsche hielt und ich schreckte hoch. Sekundenschlaf, na toll. Obwohl Claude mir seine Hand anbot, ignorierte ich diese und stieg alleine aus. Das gewohnte Knirschen des Kieses unter meinen Füßen, beruhigte mich aus irgendeinem Grund. Als wir die Eingangshalle betraten, empfing uns Hannah, die einen erleuchteten Kerzenständer in der Hand hielt und auf uns zu warten schien. „Der junge Herr wünscht, dass Genevieve sich zu ihm gesellt.“, war das erste, was sie sagte. „Ist er denn noch wach?“, wollte Claude wissen. Hannah schüttelte den Kopf. „Nein, kurz nach eurer Abreise hat er verfügt, dass Genevieve sofort zu ihm kommen soll, sobald sie das Anwesen betritt.“ Claude war mir einen dieser undefinierbaren Blicke zu. Ich gähnte und nickte. „Wie der junge Herr befiehlt.“ Ohne darauf zu warten, dass Hannah oder Claude noch etwas sagten, tapste ich in die Richtung, in der Alois‘ Schlafzimmer sich befand. Seltsam, irgendwie fühlte es sich an...als würde ich zurückkehren. Zurück nach...Hause. Ich öffnete die Tür und lächelte unbewusst, als ich den blonden Haarschopf zwischen den weißen Kissen entdeckte. Leise schritt ich auf das Bett zu, zog meine Schuhe aus und krabbelte zu Alois unter die Bettdecke. „Hm...kleine Rose...“ Ich wusste nicht ob Alois wusste, dass ich tatsächlich bei ihm war oder ob er das nur im Schlaf murmelte, doch das war mir auch egal. Ich strich ihm fahrig durch die Haare und ließ mich in das weiße Kissen sinken. Meine Augen fielen mir augenblicklich zu und ich schlief ein. Kapitel 28: A deadly chess game ------------------------------- Eine kühle, kaum wahrzunehmende Brise streifte mein Gesicht. Ich wusste nicht, ob ich mir diesen sanften Windhauch nur einbildete oder er tatsächlich existierte, denn ich war mir nicht sicher, ob ich noch schlief oder schon wach war. Es war dieser kurze, flüchtige Moment zwischen Traum und Realität. Die Zeit stand für den Bruchteil einer Sekunde still. Und dann lief sie erbarmungslos weiter. „Guten Morgen, kleine Rose.“ Ich schlug die Augen auf. Alois hatte mir den Rücken zugekehrt und stand am offenen Fenster. Die Vorhänge waren zu schwer, als dass dieser schwache Wind sie hätte bewegen können. Nur Alois‘ blonde Haarspitzen wippten leicht auf und ab. Ich schaute auf das Ziffernblatt der Uhr, die auf den Nachttisch stand. Es war bereits nach zwölf Uhr mittags. „Wieso habt Ihr mich nicht geweckt?“, fragte ich. „Claude kam um die gewohnte Zeit hier rein und wollte dich mitnehmen, damit du das Frühstück vorbereitest. Ich habe ihn weggeschickt.“, antwortete Alois, dessen Stimme irgendwie eigenartig klang. „Danke, wir kamen erst spät in der Nacht zurück.“, erwiderte ich. „Ich weiß. Claude hat mir bereits berichtet. Es gab wohl...einen Zwischenfall bei eurem Ausflug.“ Alois drehte sich zu mir um. Er sah nicht gerade erfreut aus. Verdammter Dämon. Ich wollte gar nicht wissen wie genau Claude diesen ‚Zwischenfall‘ geschildert hatte, doch vermutlich so, dass Alois gar nicht anders konnte, als wütend auf mich zu sein. „Er hat mir erzählt was passiert ist. Dass der Wachhund und Sebastian Michaelis sich eingemischt haben. Obwohl ich mir das eigentlich hätte denken können...“ Er machte eine kleine Pause, ich wusste nicht was ich sagen sollte oder ob es mir überhaupt erlaubt war etwas zu sagen. „Ich...ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen...doch ich konnte nicht anders.“, stammelte ich und wusste gar nicht, weshalb ich versuchte mich zu rechtfertigen. Im Prinzip hatte ich nichts falsch gemacht und man konnte das alles ohne weiteres als eine Verkettung von unglücklichen Zufällen abtun. Alois schüttelte den Kopf. „Nein. Es war Claude’s Aufgabe dich zu beschützen. Hätte er seine Arbeit richtig gemacht, wärst du diesen Beiden gar nicht erst in die Hände gefallen.“ Ich stutzte. Gab Alois gerade zu, dass sein ach so unfehlbarer Butler sich einen Fehltritt erlaubt hatte? „Es tut mir leid. Ich hätte dir sagen sollen, weshalb die Reise nach London ging. Ich...hätte es dir nicht verschweigen dürfen.“ Ich blinzelte verwirrt. Das war doch mit Sicherheit ein Traum. Niemals würde Alois mich so reumütig anblicken. „Du hättest in den Flammen sterben können und dabei ist Verbrennen doch so eine grausame Art zugrunde zu gehen.“ Alois ergriff meine Hände. „Ich hätte dich nicht in Gefahr bringen dürfen. Rosen...sind doch so schrecklich zerbrechlich...“ Was in aller Welt war hier los? War Alois auf den Kopf gefallen, während ich in London gewesen war? So kannte ich ihn überhaupt nicht. „Ich lebe und bin unversehrt. Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Wie Ihr bereits sagtet...es war Claude’s Schuld.“ Ich verschränkte meine Finger mit denen von Alois. „Ich werde dich nie wieder wegschicken. Du gehörst zu mir.“ Ich nickte und lächelte leicht, was vielleicht auch an meiner Freude darüber lag, dass Claude endlich mal bekam, was er verdiente. Alois räusperte sich. „Ich habe heute keine Pflichten und Claude wird uns nicht stören. Er sitzt seit gut vier Stunden in einem Zug.“ Ich hob die Augenbrauen. „Wohin geht die Reise denn?“, fragte ich und hoffte, dass die Antwort eventuell ‚Hölle‘ oder ‚Nirgendwo‘ lauten würde. „Es geht nicht um das Ziel, sondern darum wer mit ihm im Zug sitzt.“, erklärte Alois. Ich nickte. Wer dieser Passagier war, konnte ich mir bereits denken. „Es ist feige sich wie eine Ratte Informationen zu beschaffen, aber diesem Hund scheint jede Methode recht zu sein.“, fuhr er fort. „Daher...veranstalten wir morgen einen Kostümball, sodass der Earl Phantomhive mich persönlich überprüfen kann, da das ja offensichtlich sein Wunsch ist.“ „Ein Kostümball?“, wiederholte ich. Alois nickte. „Werdet...werdet Ihr versuchen ihn in Eure Gewalt zu bringen?“, wollte ich wissen. „Natürlich, doch Claude einfach diesen Befehl zu erteilen, wäre langweilig. Wir machen daraus...ein kleines Spiel.“, schmunzelte Alois und schon jetzt breitete sich in meiner Magengegend ein ungutes Gefühl aus. „Du siehst nicht sonderlich erfreut aus.“, bemerkte Alois. „Verzeiht mir, ich...sehe es nur nicht gern, wenn Ihr Euch in Gefahr begebt.“, sagte ich leise. Alois zog die Augenbrauen zusammen. „Gefahr? Claude beschützt mich doch.“ „Claude kann auch Fehler machen, das habt Ihr gesehen. Und Sebastian ist wie er ein Teufel.“, erwiderte ich. „Soll das heißen dieser Butler wäre in der Lage Claude zu besiegen?“, schnaubte Alois. Ja, ohne Zweifel. „Nein, das habe ich nicht gesagt.“ Alois seufzte. „Wie dem auch sei, Hannah und die Drillinge haben heute das Frühstück vorbereitet. Du hast doch sicher auch Hunger oder?“ Ich nickte. Alois ließ meine Hände los, tapste barfuß zur Tür und öffnete diese. „Hannah! Komm her du nichtsnutzige Hure!“ Ich zuckte zusammen. Da waren sie wieder, seine ständig wechselnden Gemütszustände. Es dauerte nicht lange und ein Rattern ertönte im Flur. Hannah’s bandagiertes Gesicht blickte ausdruckslos auf den Speisewagen, den sie vor sich herschob. „Stell den da ab und dann verschwinde.“, befahl Alois und Hannah tat stumm was ihr Herr verlangte. Mit einem knappen Kopfnicken verabschiedete sie sich und verschwand lautlos aus dem Zimmer. Seufzend nahm Alois eine der dampfenden Teetassen. „Ach ja, gutes Personal ist so schwer zu finden.“, meinte er bedauernd, nahm auch die zweite Tasse und setzte sich damit auf die Bettkante. „Hier. Aber pass auf, dass du dich nicht verbrennst.“ Ich nickte und nahm vorsichtig die Tasse entgegen. Das feine, mit Blütenmustern verzierte Porzellan war heiß. „Wenn du Phantomhive beschreiben müsstest, mit welchen Worten würdest du das tun?“, fragte Alois völlig unvermittelt und brachte mich somit aus dem Konzept. Beinahe wäre mir die Tasse entglitten. „Ich ähm kenne ihn doch kaum. Ich kann das nicht beurteilen.“ „Oft reicht ein flüchtiger Blick, um zu sagen was für eine Art Mensch dein Gegenüber ist. Ich bin der Meinung, dass du in der Lage bist das zu tun.“, erwiderte Alois. Hm, das stimmte zum Teil. Manchen Menschen war anzusehen, ob sie ihr Herz am richtigen Fleck trugen, doch bei manch anderem konnte der erste Eindruck einen auch völlig fehlleiten. „Also, wie würdest du ihn nun beschreiben?“, wiederholte Alois seine Frage. Ich legte den Kopf leicht schief und dachte an den Earl mit dem ich, wenn überhaupt, nur zwei oder drei Sätze gewechselt hatte. „Unnachgiebig, entschlossen, willensstark...“, murmelte ich. Obwohl Ciel gerade einmal dreizehn oder so war, besaß der Junge eine ziemlich gefestigte Persönlichkeit. Was wohl an dem Schicksal lag, das er hatte erleiden müssen. „Hm, er ist trotz allem nur ein Kind. Ein Kind, das unleidlich wird, wenn es kurz davor steht ein Spiel zu verlieren.“ Alois stellte die Tasse unberührt auf den Nachttisch. „Und ich werde Ciel ein ganz wundervolles Spiel darbieten. Es wird auf keinen Fall langweilig werden.“ „Das bezweifle ich nicht.“, seufzte ich und schaute in die leicht orangefarbene Flüssigkeit, die in der Tasse sacht hin und her schwappte. Alois runzelte die Stirn. „Du bist unzufrieden. Wieso?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht.“ Alois packte meine Hand. „Du sollst mich doch nicht anlügen.“, zischte er und seine Fingernägel gruben sich in meine Haut. „Ich...ich sagte doch...ich mag es nicht, wenn Ihr Euch in Gefahr bringt. Und es ist mir egal, ob Claude Euch beschützt oder nicht. Es gefällt mir nicht.“, erklärte ich und wich Alois‘ Blick aus. Dieser lockerte nun den Griff um meine Hand. „Ich weiß, dass du Claude nicht magst. Dass er dir unheimlich ist...und zwar nicht nur, weil er ein Dämon ist. Aber...du musst es akzeptieren. Und das ist keine Bitte, sondern ein Befehl.“, entgegnete er und ich biss mir auf die Unterlippe. Ich würde Claude niemals akzeptieren können. Allein schon wegen der Tatsache, dass er mit Alois und dessen Gefühlen spielte. Er wusste genau, dass er nie in der Lage sein würde sie zu erwidern und trotzdem machte er Alois immer wieder Hoffnungen. Das war einfach nur grausam, doch es gehörte zu seinem Spiel dazu. Claude war eine Spinne und mit jedem Wort, das er Alois zuflüsterte, verstrickte dieser sich mehr und mehr in seinem Netz. „Genevieve.“ Als Alois meinen Namen aussprach, drehte ich den Kopf wieder in seine Richtung und sah ihn an. „Ja, ich habe verstanden, Hoheit.“, sagte ich tonlos und entzog ihm meine Hand. Egal was ich tat, ich würde für ihn nie da sein, was er in Claude sah. Mir war von vornherein klar gewesen, dass die Chance Alois irgendwie aus diesem Netz zu retten verschwindend gering war, aber ich hatte mir dennoch geschworen es zu versuchen. Auch wenn ich mir jetzt nicht mehr so sicher war, ob das funktionieren würde. Ich stand vom Bett auf. „Frühstückt noch zu Ende, Hoheit. Ich werde mich um alles andere kümmern.“, sagte ich und verließ das Zimmer. Alois hielt mich nicht auf. Entweder, weil es ihm egal war oder er einfach nicht wusste, was er hätte sagen sollen. Ich ging den Flur entlang. Das Kleid, das ich trug war mit Ruß bedeckt und stank nach Rauch. Und ich wollte mal wieder baden. Okay, baden war wohl zu viel verlangt, aber die Ascheflocken wollte ich trotzdem aus meinen Haaren herauswaschen. Ein Kostümball. Natürlich hatte es etwas mit verkleiden zu tun. Für Alois und Ciel war das alles offenbar tatsächlich nur ein Spiel. Ein tödliches Spiel und alle Menschen um sie herum, waren Figuren, die sie benutzen konnten. Wenn ich es wie bei einem Schachspiel hätte machen müssen, dann wären Alois und Ciel die zwei gegnerischen Könige. Denn erst, wenn einer von den Beiden fiel, war das Spiel zu Ende. Claude und Sebastian waren die Springer. Sie konnten von ihren Herren in verschiedene Richtungen geschoben werden und andere Figuren schlagen. Dann gab es da noch die Läufer. Alois‘ Läufer war Hannah und der von Ciel...vielleicht dieser Chinese. Wie hieß er noch? Lau? Egal, die Läufer waren nur Boten. Was fehlte noch? Ach ja, die Türme. Die Türme konnten sich nur stur in zwei Richtungen bewegen und auch sonst besaßen sie keine besonders wichtige Rolle. Alois‘ Türme waren die Drillinge. Ciel kannte ich nicht gut genug, doch ihm würde ich vielleicht die Polizisten von Scotland Yard zuordnen. Und als Bauernopfer konnte sowieso jeder herhalten. Fehlte noch eine Figur. Die Königin. Sie war zwar nicht die wichtigste Spielfigur, doch mit Abstand die, welche am meisten Macht besaß. Ciel besaß zwar eine Verlobte, doch ich würde es ihm durchaus zutrauen, dass er sie im Notfall auch opferte. Daher...gab es nur eine Dame, die ich auf Ciel’s Seite stellen würde und das war ihre Majestät höchstselbst. Und Alois... Ich hielt in meinem Gedankengang inne. Die einzige Person, die noch übrigblieb, war ich. Aber war es nicht ein wenig übermütig mich selbst als Königin auf ein Schachfeld zu stellen? Ich besaß bei weitem nicht so viel Macht...oder etwa doch? Ich hatte noch nie wirklich darüber nachgedacht, was für Möglichkeiten ich eigentlich besaß. Oder zumindest war ich bisher immer der Meinung gewesen, dass diese ziemlich eingeschränkt waren. Ich hob den Kopf und betrachtete mein Spiegelbild. Es grenzte wirklich an Selbstüberschätzung mich als Dame neben den König zu stellen. „Genevieve?“ Ich zuckte zusammen und drehte mich ruckartig um. Offenbar war ich so sehr in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie Hannah geklopft und die Tür geöffnet hatte. „Oh entschuldige, habe ich dich erschreckt?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich bin nur...“ Ich ließ den Satz unvollendet und zog mich an. „Also, der Herr möchte einen Kostümball veranstalten.“ Hannah nickte. „Ja und da Claude noch nicht wieder zurück ist, müssen wir schon jetzt anfangen es vorzubereiten.“ Ich lachte trocken auf. „Als ob ihr seine Hilfe benötigen würdet. Ihr seid doch auch Dämonen.“ „Ja...“ Hannah blickte auf den Fußboden. „Aber er ist der oberste Bedienstete.“ „Ich versteh dich nicht Hannah. Du hasst ihn doch, das kann ich dir ansehen. Und du bist eine Dämonin. Warum verhältst du dich ihm gegenüber so unterwürfig?“, wollte ich wissen. Hannah biss sich auf die Unterlippe. „Das ist...kompliziert. Und ich kann es dir nicht erklären. Das kann nur der junge Herr.“ Ich seufzte. „Es wird es mir nicht sagen, auch nicht, wenn ich ihn danach frage.“ „Natürlich nicht. Er wird es dir nur von sich aus erzählen.“, erwiderte Hannah und dann lächelte sie leicht. „Doch der junge Herr ist dir sehr zugetan, also stehen die Chancen gut, dass du hinter das Geheimnis kommst.“ Ich hob die Augenbrauen. Noch mehr Geheimnisse? Das konnte ja heiter werden. Kapitel 29: Masquerade ---------------------- Seit nun mittlerweile knapp 24 Stunden liefen die Vorbereitungen für den Kostümball. Es war ein einziges Hin- und Hergerenne. Das Schlimmste an der ganzen Sache war jedoch, dass Claude diese Situation schamlos ausnutze, um mich herum zu scheuchen, als sei ich seine persönliche Sklavin. Dabei wussten er und ich, dass es ihn nur eine knappe halbe Stunde, vielleicht sogar weniger, gekostet hätte dieses Fest vorzubereiten. In der Tat hatte ich das Gefühl, dass Claude den Dämon nur dann raushängen ließ, wenn es ihm gerade passte. Was das betraf, war er genau so eine Diva wie sein Herr. Ich hielt inne und ließ das blütenweiße Tischtuch sinken, das ich in den Händen hielt. Seit ich gestern Morgen Alois‘ Gemach verlassen hatte, hatte er mich konsequent ignoriert. Ich vermutete, dass er eingeschnappt war und jetzt schmollte, was sich darin äußerte, dass er so tat, als sei ich nicht existent. Das war meine Strafe dafür, dass ich ihn, zumindest in seinen Augen, einfach eiskalt hatte sitzen lassen. Natürlich war es ihm nicht in den Sinn gekommen mich darauf anzusprechen. Nein, diese Blöße würde sich der Earl Trancy niemals geben. Vermutlich wartete er nun darauf, dass ich reumütig zu ihm zurückkehrte, auf Knien versteht sich. Doch ich war zu stolz, um ihn um Verzeihung für etwas zu beten, das er selbst unnötig aufbauschte. Das wiederum bedeutete für mich, dass ich seine tödlichen Blicke und das eisige Schweigen stumm ertragen musste. Ob sich das von selbst wieder einrenkte oder ich letztendlich, doch etwas tun musste, um wieder Alois‘ Zuneigung zu gewinnen, wusste ich nicht. Doch auf solche Dinge konnte mich nur zum Teil konzentrieren. Hauptsächlich schweiften meine Gedanken nämlich um den heutigen Abend. Was würde passieren, wenn Ciel hierher kam? Was würde Alois tun? Und wie würden sich die beiden Teufel verhalten? Ich hoffte nur, dass keiner der anderen unschuldigen Gäste in Mitleidenschaft gezogen würde, doch so wie ich die beiden Earls kannte, waren ihnen Kollateralschäden herzlich egal. „Genevieve!“ Ich zuckte zusammen. Vor Schreck entglitt meinen Händen das Tischtuch. „Du bist ja immer noch nicht fertig.“, äußerte Claude missbilligend und ich presste die Lippen aufeinander. „Nun ja, mir war von vornherein klar, dass du im Haushalt nicht wirklich von Nutzen sein würdest.“, fuhr Claude fort und schüttelte den Kopf. Ich sagte nichts. Hätte ich den Mund aufgemacht, wären sowieso nur Beleidigungen heraus gekommen. „Wie dem auch sei, unser Ehrengast ist soeben eingetroffen. Meinst du, du kannst ihn entsprechend empfangen?“ Ich drehte mich um. Er war hier. Ohne auf Claude’s Frage zu antworten, drängte ich mich an ihm vorbei und lief in die Eingangshalle, als mir plötzlich etwas klar wurde. Sebastian und Ciel kannten mich. Ich war in die Vorgänge in London verwickelt gewesen und wenn sich diese blöde Kuh auf dem Big Ben nicht in die Luft gesprengt hätte, dann hätten sie mich mitgenommen und ausgefragt. Was würden sie jetzt tun? Offiziell war ich Dienstmädchen im Hause Trancy, da konnten sie mich doch nicht einfach so mitnehmen. Oder? Es klopfte und ich eilte zur Tür. Um mir nun eine passende Ausrede zurecht zu legen, war es zu spät. Und Ciel und Sebastian hätten mir ohnehin nicht geglaubt. Ich öffnete die Tür. Der Blick aus Ciel’s blauen Augen war verwirrt und gleichermaßen überrascht. Sebastien hingegen, der ja wusste, dass ich hier arbeitete, verzog keine Miene. „Du?! Was machst du hier?“, fragte Ciel und wirkte doch tatsächlich aufgebracht. „Ich bin Dienstmädchen in diesem Haus. Herzlich Willkommen, Earl Phantomhive.“, sagte ich und versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. „Wie um alles in der Welt hast du die Explosion auf dem Big Ben überlebt?“, wollte Ciel wissen. Die Nervosität versuchte sich meine Kehle empor zu kämpfen. „Ich...“ Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Ah, das sei Ihr ja. Willkommen im Hause Trancy. Mein Name ist Claude Faustus, tretet ein.“ Ciel schaute kurz zwischen mir und Claude hin und her und schien dann den Plan zu fassen meine Befragung auf später zu verschieben. „Komm Sebastian.“ Er straffte die Schultern und betrat das Anwesen, Sebastian aber blieb in der offenen Tür stehen. Ciel blickte über seine Schulter. „Was hast du?“ Ich folgte Sebastian’s Blick. In der obersten, rechten Ecke des Eingangsportals befand sich ein Netz aus silbernen Fäden, in dessen Mitte eine große Spinne hockte. Ich verzog leicht das Gesicht. Spinnen hatte ich schon immer widerlich gefunden. „Ah, die Spinne war von jeher das Wappentier der Familie Trancy, wir töten sie nicht.“, erklärte Claude und ich versuchte unbemerkt seine Hand loszuwerden, die noch immer auf meiner Schulter lag. „Ich verstehe. Wenn man versucht sie zu vertreiben, wird sie einen verfolgen und man wird sie nicht mehr los.“, schlussfolgerte Sebastian und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Claude ignorierte das und trat zur Seite. „Bitte.“ Ciel und Sebastian ließen die Türschwelle nun endlich hinter sich, blieben aber nur Sekunden später erneut stehen und Ciel sackte gegen seinen Butler, sodass dieser ihn festhalten musste. Ich runzelte die Stirn und musste unwillkürlich an den Abend denken, als Sebastian sich Zutritt zum Anwesen verschafft hatte, seinen Herrn im Handgepäck und das alles nur, um eine Dose mit Teeblättern zu stehlen. Den Grund dieses Unterfangens kannte ich noch immer nicht, doch irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich es noch herausfinden würde. „Was ist denn mit Euch, junger Herr?“, fragte Sebastian, der von Ciel’s plötzlichem Schwächeanfall nicht sonderlich überrascht schien. „Es ist nichts.“, erwiderte Ciel forsch und wand sich aus Sebastian’s Griff. „Mein Butler kann mich begleiten?“ „Wenn Ihr es wünscht.“, sagte Claude. „Gehen wir.“, meinte Ciel. „Ja.“ Sebastian folgte seinem Herrn wie ein Schatten. „Ich bitte um Verzeihung für diesen ungebührlichen Empfang. Unser neues Dienstmädchen wurde noch nicht richtig eingearbeitet.“, ergänzte Claude und ich biss mir auf die Unterlippe. Natürlich konnte er sich einen dummen Kommentar mich betreffend nicht verkneifen. „Hört sich an, als wären sie ihren Pflichten als Butler nicht entsprechend nachgekommen.“, schmunzelte Sebastian. Claude’s Hand auf meiner Schulter verkrampfte leicht. „Des Weiteren musste mein Herr unglücklicherweise geschäftlich verreisen. Er wird aber zum Ball zurück sein.“ Ich stutzte. Was redete er da für einen Unsinn? Alois war in seinem Zimmer und suchte schon seit Stunden nach einem passenden Kostüm. „Ich habe aber im Salon frischen Tee für die Gäste vorbereitet. Die anderen Herrschaften sind bereits da.“, sagte Claude und verneigte sich leicht. „Die anderen?“, fragte Ciel und hob die Augenbrauen. „Natürlich, Euer Butler wird Euch zu ihnen geleiten.“, antwortete Claude und schloss die Tür. Mit einem knappen Nicken legte Sebastian eine Hand auf Ciel’s Rücken und führte ihn in den Salon zur rechten Seite. „Du hast gelogen. Alois...der junge Herr ist nicht verreist.“, sagte ich, schaffte es endlich Claude’s Hand loszuwerden und drehte mich zu ihm um. „Eine unwichtige Kleinigkeit, die dich nicht zu interessieren hat.“, entgegnete Claude mit einem süffisanten Lächeln, als Schritte hinter uns ertönten. „Ich...der junge Herr wünscht ihrer beider Anwesenheit.“ Hannah schaute auf ihre ineinander verkrampften Hände. Blut lief ihr Gesicht hinab. Was in aller Welt war jetzt schon wieder passiert? „Verstehe.“ Claude rückte seine perfekt sitzende Brille zurecht und lief zur Treppe. Ich folgte ihm schnell. Wahrscheinlich hatte Alois wieder einen seiner kleinen Wutanfälle gehabt und irgendetwas nach Hannah geworfen. Zumindest offenbarte sich mir ein gewaltiges Kleiderchaos, als Claude die Tür von Alois‘ Schlafzimmer öffnete. Überall lagen Kostüme. Ein Kettenhemd, eine Weste mit Rüschen und gefälschten Edelsteinen als Manschettenknöpfe, eine französische Admiralsuniform und vieles mehr. „Ist der da?“, fragte Alois, ohne sich umzudrehen. „Ja, er ist soeben eingetroffen.“, antwortete Claude. „Ich suche ein Kostüm. Du solltest auch eins anziehen, Claude.“ Alois‘ betonte den Namen seines Butlers überdeutlich, um mir noch einmal klar zu machen, dass ich für ihn gerade nicht existent war. „Wie wäre es mit diesem?“ Er hob ein altrosafarbenes Kleid hoch, das mit Schleifen in derselben Farbe dekoriert war, ging zu Claude und hängte es über seine Schulter. Es sah absolut lächerlich aus, zumal es Claude auf keinen Fall gepasst hätte. Alois klatschte in die Hände. „Olé!“ Lachend nahm er eine alberne Pose ein, wohl in der Hoffnung, dass Claude seinem Beispiel folgen würde, doch dieser blickte nur stumm auf ihn herab. Alois verzog das Gesicht und wandte sich dann an mich. „Du brauchst auf ein Kostüm, kleine Rose.“ Ich hob überrascht die Augenbrauen. Er redete wieder mit mir? Einfach so? „Zieh dich aus.“ Ich seufzte innerlich. Natürlich nicht. Alois hätte mir niemals einfach so vergeben. Und die jetzige Situation war einfach die perfekte Chance, um mich zu demütigen. Nicht nur, dass ich mich ausziehen musste, nein. Ich musste es auch noch vor Claude tun. „Ich warte.“ Alois verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie Ihr befehlt, Hoheit.“ Ich öffnete die Knöpfe am Rücken, die das Kleid an Ort und Stelle hielten und ließ es über meine Schultern rutschen. Zum Glück war das Zimmer beheizt, doch Claude’s Blick, den ich auf mir liegen spürte, bescherte mir dennoch eine Gänsehaut. „Ist sonst alles so weit vorbereitet, Claude?“, wollte Alois wissen. „Ja. Den Tag zur Nacht, Vergnügen zu Schmerz, Walzer zu einem Requiem. Das Werk eines Butlers der Trancy’s.“ Ich widerstand nur knapp dem Drang die Augen zu verdrehen. Claude’s bescheuerte und zugleich kryptische Antworten gingen mir auf die Nerven. „Sehr gut, das wäre alles. Du kannst gehen.“, meinte Alois und nach einer kurzen Verbeugung verließ Claude das Zimmer. Ich blieb an Ort und Stelle stehen. „Nun zu dir, kleine Rose.“ Alois packte grob mein Kinn. „Wenn du dich noch einmal so verhalten solltest, dann lasse ich dir jeden deiner hübschen Knochen einzeln brechen, verstanden?“ Ich nickte schnell. „Ja, verstanden.“ „Gut!“ Alois ließ mich los. „Dann sollten wir dir jetzt etwas Hübsches zum Anziehen suchen. Meine kleine Rose soll doch schön aussehen.“ Er lächelte und schaute sich dann in seinem Zimmer um. Ich erlaubte mir auszuatmen. „Hm...“ Gespielt nachdenklich ließ Alois seinen Blick umher schweifen. „Wir brauchen etwas Passendes für dich, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es ein Maskenball ist. Hier geht es schließlich darum sein wahres Wesen hinter einer Verkleidung zu verbergen.“ Er zwinkerte mir zu und ich zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Nimm das hier.“ Alois griff scheinbar wahllos in den Stoffhaufen am Boden und beförderte einen ganzen Berg an Tüll ans Tageslicht. Grüner Tüll, blauer Tüll, türkiser Tüll. Es war ein regelrechtes Monster von Kleid. „Los, zieh es an.“ Alois warf mir das Kleid entgegen und ich zerrte es mir schnell über den Kopf, da mein Gegenüber sich nicht wirklich in Geduld üben konnte. Trotz der gefühlt einhundert Tülllagen, wog das Kleid fast gar nichts und ich hatte das Gefühl der sanfteste Windhauch könnte es davonwehen. „Wunderbar, ich wusste es wäre die perfekte Wahl.“, lachte Alois und kehrte mir dann den Rücken zu. „Als was werdet Ihr Euch verkleiden, Hoheit?“, fragte ich. „Oh, das ist eine Überraschung.“, antwortete Alois. „Also mach die Augen zu.“ Ich seufzte und schloss die Augen. Einige Sekunden später spürte ich Alois an mir vorbeihuschen. Stoff raschelte, Schuhe wurden auf den Boden geworfen und Knöpfe geöffnet. Mir war klar, dass Alois‘ Kostüm kein gewöhnliches Kostüm sein würde. Es gehörte mit Sicherheit zu seinem Plan Ciel in seinen Besitz zu bringen. Ich hatte zwar keine Ahnung wie er das anstellen wollte und eigentlich wollte ich es auch nicht wissen, doch das musste ich, wenn ich es irgendwie schaffen wollte Alois‘ Seele vor Claude’s Gier zu bewahren. Alois räusperte sich und ich drehte mich um, die Augen immer noch geschlossen. „Du darfst gucken. Und sag mir deine ehrliche Meinung.“ Oh je, das hörte sich nicht gut an. Ich öffnete blinzelnd die Auen und musste mich beherrschen, dass mir nicht sofort die Kinnlade herunterklappte. Alois trug ein Kleid. Das allerdings war tatsächlich nicht das, was mich am meisten verwunderte. Weitaus irritierender fand ich die Tatsache, dass das Kleid eine exakte Kopie von Hannah’s Dienstmädchenuniform war. Aber damit nicht genug. Um dieses etwas verstörende Gesamtbild abzurunden trug Alois‘ eine blonde Perücke, die seiner eigenen Haarfarbe vollkommen und absolut gleicht war. „Und? Wie sehe ich aus?“ Alois drehte sich einmal um sich selbst und ich musste schlucken, da mein Hals auf einmal sehr trocken war. „Ähm Ihr seht äh...Ihr seid nicht wiederzuerkennen, Hoheit.“, stammelte ich und hoffte, dass es die richtigen Worte gewesen waren. Alois lachte. „Ich weiß was du denkst und das ist auch nicht mein eigentliches Kostüm für den heutigen Abend. Nein, diese Verkleidung dient lediglich den Zweck an den Earl Phantomhive heranzukommen.“ Ich seufzte innerlich. Natürlich, wie ich es mir gedacht hatte. „Aber das soll nicht deine Sorge sein. Claude kümmert sich darum. Und wenn alles vorbei ist, dann...schenkt mir meine Rose einen Tanz, nicht wahr?“ Alois kam auf mich zu und legte eine Hand unter mein Kinn. „Natürlich, Euer Hoheit.“ „Perfekt.“ Alois hauchte einen flüchtigen Kuss auf meine Lippen. „Dann lassen wir das Spiel beginnen.“ Kapitel 30: Let the game begin ------------------------------ Ich stand am Rand, schaute dem bunten, lustigen Treiben zu. Füße tanzten über den kostbaren Marmorboden, Gläser wurden aneinandergeschlagen und Gelächter erfüllte den Raum. Ich hatte nicht das Bedürfnis mich dieser Zerstreuung hinzugeben, ich war viel zu angespannt, als dass ich mich hätte amüsieren können. Was um alles in der Welt hatte Alois vor? Warum diese Kostümierung? Warum ausgerechnet als Dienstmädchen den Ball aufsuchen? Was hatte das für einen Sinn und wie trug es zu seinem völlig verqueren Plan bei sich Ciel Phantomhive zu eigen zu machen? Ich ließ meinen Blick durch die tanzenden Gäste wandern. Vielleicht hatte es auch einfach keinen Sinn. Vielleicht empfand Alois es lediglich als ein witziges Detail. So viele Dinge, die Alois tat, entsprangen nicht wirklich einem logischen Gedanken. Ich konnte also nicht darauf hoffen, dass dieser Plan chronologisch ablaufen oder sonst irgendeinem Konzept folgen würde. Ich seufzte. Wieso war ich überhaupt hier? Alois hatte mich allein in den Saal geschickt und steckte jetzt Gott weiß wo. Und Claude hatte ich auch nirgends entdecken können, wobei mich seine Abwesenheit viel mehr beunruhigte, als die von Alois. Oh man, warum stand ich hier nutzlos in der Gegend herum? Bei diesem dämlichen Spiel konnte so viel schieflaufen und ich hatte keine Ahnung wo Alois sich gerade aufhielt. Eigentlich müsste ich ihn sofort suchen gehen. Schließlich hatte ich es mir ja zur Aufgabe gemacht ihm zu helfen, egal wie und mit welchen Mitteln. Doch sollte er herausfinden, dass ich den Ball ohne seine Erlaubnis verlassen hatte, dann würde er mich für meinen Ungehorsam bestrafen. Verfluchte Zwickmühle. „Warum so trübsinnig, schönes Kind?“ Ich zuckte zusammen. Die samtene Stimme, in der ein rabenschwarzer Unterton lag, war direkt neben meinem Ohr erklungen. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen wer da hinter mir stand. „Sebastian...“ „Ihr habt ein gutes Gehör, Milady.“ Der Teufel umrundete mich einmal und blieb dann vor mir stehen. Sein Anblick ließ ein ungutes Gefühl in mir hochsteigen, doch es war weniger unangenehm, als wenn ich mich in Claude’s Nähe befand. „Warum so förmlich? Ich bin keine Lady und sie kein Butler.“, sagte ich. Sebastian schmunzelte. „Nein, das sind wir nicht, aber die Etikette muss doch gewahrt werden und dies ist ein Ball. Und wir tragen alle eine Maske.“ Er bot mir seine Hand dar und ich fragte mich, ob das ein schlechter Scherz war. Er wollte mit mir tanzen? Jetzt? „Milady es wäre unhöflich dieses Gesuch zurückzuweisen.“, meinte Sebastian und obwohl er vollkommen ernst klang, entging mir das kleine Zucken seines rechten Mundwinkels nicht. „Was wollen sie von mir?“, fragte ich und reichte Sebastian meine Hand. „Ihr seid uns in London weggefangen wurden. Und das obwohl mein Herr und ich doch noch einige Fragen an Euch hatten.“, antwortete Sebastian. Ich legte meine andere Hand auf Sebastian’s Schulter. „Was immer sie wissen wollen, ich kann ihnen nicht helfen. Ich bin nur ein Dienstmädchen.“ „Oh, Ihr seid so viel mehr.“ Sebastian zog mich an der Hüfte zu sich und fügte sich mühelos in die Reihe der anderen Tänzer ein. „Ihr wisst was ich bin, was der Butler dieses Hauses ist. Ihr wisst mehr, als Euch vielleicht gut tut.“, fuhr er fort. Ich presste die Lippen aufeinander. „Was das betrifft sind wir einer Meinung.“ „Ich weiß sehr wenig über Euren Herrn, wärt Ihr so gütig mit diesbezüglich ein wenig Auskunft zu geben?“ Sebastian lächelte ein höfliches Lächeln, doch in seinen Augen konnte ich sehen, dass dies keine Bitte gewesen war. „Tut mir leid, aber ich kann nicht. Ich diene meinem Herrn treu und würde ihn niemals verraten.“ „Loyalität, eine seltene Tugend heutzutage.“, nickte Sebastian. „Aber mein Herr hat mir befohlen alles über den Earl Trancy herauszufinden und ich leiste jedem seiner Befehle folge.“ „Wenn sie glauben mich verletzen zu müssen, um an Informationen zu kommen, dann tun sie es und spielen sie nicht den perfekten Gentleman. Ich weiß was sie wirklich sind.“, sagte ich und schaute Sebastian dabei in die Augen. Ein Hauch von Überraschung spiegelte sich in dem tiefen Rot wieder. „Tut Ihr das, ja? Nun ich glaube...“ Er beugte sich so mir herunter und senkte die Stimme, sodass sich meine Nackenhaare aufstellten. „Ich glaube, dass Ihr nicht die geringste Ahnung habt, worauf Ihr Euch da eingelassen habt.“ Die Musik stoppte und über Sebastian’s Schulter hinweg, konnte ich einen blonden Haarschopf erkennen, der gerade den Ballsaal verließ. „Alois...“ Der Name war mir über die Lippen gekommen, ehe ich es hätte verhindern können. Sebastian stoppte augenblicklich und zog mich zur Seite. „Wo ist er? Wo will er hin?“ Er packte mich bei den Schultern. „Ich...ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts...“, stammelte ich, was zur Hälfte stimmte, denn ich hatte keine Ahnung wohin Alois soeben gegangen war und was er vorhatte. Plötzlich hielt Sebastian inne und schaute sich um. „Der junge Herr...“ Ich folgte Sebastian’s umherirrendem Blick. Ciel waren nirgendwo zu sehen. Alois war verschwunden. Genauso wie Claude und auch von den Drillingen fehlte jede Spur. „Wo könnten sie hingegangen sein? Sag es mir.“ Sebastian sah mich eindringlich an. Selbst, wenn ich eine Antwort auf seine Frage gehabt hätte, ich hätte es ihm nicht verraten. Denn ich wusste, wenn Sebastian Ciel und Alois finden würde, dann würde ohne jeden Zweifel ein Kampf zwischen den Teufeln ausbrechen und für den Fall, dass Sebastian diesen gewann... Ciel würde sicher keine Gnade walten lassen und ich besaß nichts mit dem ich den Earl davon hätte überzeugen können Alois am Leben zu lassen. „Genevieve!“, zischte Sebastian, der tatsächlich etwas unruhig wirkte und mich an den Rand des Ballsaals gedrängt hatte. „Ich muss es wissen, mein junger Herr ist in Gefahr.“ „Meiner auch, wenn ich sie zu ihm führe.“, erwiderte ich. Sebastian ließ mich los. „Ich verstehe. Darum geht es also.“ Ich schaute mein Gegenüber verständnislos an. „Was meinen sie?“ „Du liebst ihn. Eine nicht zu übersehende Tatsache. Du willst ihn vor allem Unheil schützen.“ Sebastian blickte auf mich herab, ich öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch meine Lippen konnten nicht einmal stumm ein Wort formen. „Versuch erst gar nicht es abzustreiten. Ich weiß, dass es so ist. Ich kann tiefer in deine Seele blicken, als du denkst.“, raunte Sebastian. „Ich weiß was sie tun werden, wenn das Spiel vorbei ist. Ich weiß, dass Ciel...dass der Earl Phantomhive meinen Herrn töten wird. Und das kann ich nicht zulassen.“, entgegnete ich. Sebastian seufzte. „Liebe...Liebe kann einen stark und schwach machen. Was ist bei dir der Fall?“ „Claude und die anderen können sie meinetwegen töten. Die sind mir egal.“, sagte ich und meinte es auch so. Ich würde ihnen nicht hinterher weinen. Garantiert nicht. „Aber den Earl Trancy soll ich verschonen?“, fragte Sebastian mit gehobenen Augenbrauen. Ich nickte nur. „Na schön, aber wenn mein Herr befiehlt ihn zu töten, dann muss ich tun, was er von mir verlangt.“, sagte Sebastian. „Und ich werde nicht zulassen, dass sie ihn anfassen.“, erwiderte ich. Sebastian lächelte flüchtig, doch es schien mir nicht so, als wolle er mich verspotten, sondern es wirkte eher so, als habe er Respekt. Vor mir, meinem Mut, vor was auch immer. „Wenn Ihr mir dann folgen wollt, Milady.“ Sebastian hielt mir seinen Arm hin und kaum, dass ich mich eingehakt hatte, schienen meine Füße über dem Boden zu schweben, denn der Butler bewegte sich dermaßen schnell und geschmeidig, dass ich kaum Schritt halten konnte. „Also, wo könnten sie sein?“ Ja, wo könnten sie sein? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung. Alois hat mir seinen meisterhaften Plan ja nicht einmal in groben Zügen erklärt, wie sollte ich da in Besitz solch detaillierter Informationen kommen? „Wo?!“, wiederholte Sebastian energisch. Ich zuckte zusammen. „I-Ich weiß es nicht! Sie könnten überall sein…sie…“ Ich hielt inne, als sich ein klarer, einfacher Gedanke in meinem Kopf festigte. „Was?“ Sebastian war stehen geblieben und schaute mich fragend an. „Nun ja…einen möglichen Kampf würde Alois nie im eigenen Haus austragen. Zu viele Möglichkeiten sich zu verstecken, sich zu wehren…er ist sicher…“ „Wo? Wo sind sie?!“ Sebastian hat unsanft meine Hand gepackt und drückte sie nun so fest, dass meine Finger rot anliefen. „Wald…der Wald! Sie sind mit Sicherheit draußen.“, sagte ich und hoffte inständig, dass diese Annahme auch der Wahrheit entsprach. „Wir…huch!“ Sebastian hatte mich, natürlich ohne um Erlaubnis zu fragen, hochgehoben und war losgerannt. „Ist das ein Hobby von dir Leute einfach so durch die Gegend zu tragen?!“, meckerte ich, weil ich es einfach hasste von allen wie eine Puppe behandelt zu werden. „Nein, aber so geht es schneller und du bist nun mal ein Fliegengewicht, meine Liebe.“, schmunzelte Sebastian, dessen einzige Freude es in seinem Butler-Dasein offensichtlich war andere in Verlegenheit zu bringen. Oder auch wütend zu machen. Wahlweise beides gleichzeitig. Ein frischer, kühler Wind strich mir um die erhitzen Wangen, als Sebastian eine Tür aufstieß und nach draußen in den Garten rannte. Das vertraute Knirschen des Kieses wich bald dem dumpfen Geräusch, das ertönt, wenn man auf Gras läuft. Bäume säumten mein Blickfeld und die Lichter des Anwesens wurden in der Ferne immer kleiner. Tanzende Glühwürmchen in der Dunkelheit. „Ihr solltet mich besser nicht unterschätzen.“, hörte ich plötzlich die Stimme von Ciel Phantomhive. „Das kann ich nur bestätigen.“, setzte Sebastian hinzu, der stehen geblieben war und mich lautlos von seinem Arm gleiten ließ. Er trat hinter dem Baum hervor, der mir die Sicht auf Ciel und wahrscheinlich auch Alois versperrte. Ich lehnte mich gegen die raue Rinde des Baumes und realisierte erst jetzt wie schnell mein Herz in meiner Brust hämmerte. „Ich habe sie vorhin schon darauf hingewiesen oder Claude?“, sagte Sebastian und ich vermutete, dass dieser Satz auf die Besitzansprüche Ciel betreffend bezogen war. „Schon gut, ich wollte nur an einem ruhigen Ort mit dir reden.“, meinte Alois und ich konnte mich nicht länger zurückhalten. In Erwartung einer Ohrfeige oder einer Standpauke trat auch ich hinter dem Baum hervor. „Kleine Rose?“ Alois schien für einen kurzen Moment verwirrt, so als hätte er nicht erwartet mich hier anzutreffen. Dabei müsste ihm doch mittlerweile klar sein, dass ich seine Befehle gerne mal missachtete. Vor allem dann, wenn es um seine Sicherheit ging. „Hatte ich nicht gesagt du sollst im Saal bleiben?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und presste die Lippen aufeinander, um mir zu signalisieren, dass er enttäuscht von mir war. Doch das war mir im Moment völlig egal. „Ich…ich habe mir Sorgen gemacht…Hoheit. Und Sebastian…“ Ich schaute zu dem Butler, der wie ein Hund seinen Platz an Ciel’s Seite eingenommen hatte. „Was? Hat der dich angefasst? Hat der dich verletzt?“, wollte Alois wissen und hob die Hand, bereit Claude einen Befehl zu erteilen. Ich schüttelte sofort den Kopf. „Nein! Nein, er…“ „Wieso hast du sie überhaupt mit hergebracht?“, unterbrach Ciel mich und schaute aus dem Augenwinkel zu seinem Butler. „Sie hat mich hergeführt, junger Herr.“, sagte Sebastian ruhig und verneigte sich knapp. „Du hast was?!“, keifte Alois aufgebracht und ich zog automatisch den Kopf ein. Oh je, das würde Ärger geben. „Ruhe! Dieses alberne Geschwätz ist doch nur Zeitverschwendung.“, brummte Ciel und wandte sich nun wieder an Alois. „Also, Ihr veranstaltet diesen Ball, zieht solche Kleider an, warum? Was wollt Ihr überhaupt von mir?“ „Oh, ich will nur eines. Dich.“, grinste Alois und schien seinen Ärger aufgrund meines Ungehorsams einfach zu vergessen. „Wie meint Ihr das?“, fragte Ciel und legte die Stirn in Falten. „Ich will dich, das ist schon alles. Einfach nur dich, Ciel Phantomhive. Wenn du dich weigerst, werden alle, die sich in meinem Anwesen befinden sterben.“ Schweigen. Mich durchfuhr ein Schock. Der Ball, die vielen Menschen. Das alles diente nur einem Zweck. Sie waren Geiseln, ein Druckmittel. Alois benutzte sie nur. Er war bereit dutzende von Menschen zu töten, nur um Ciel in seinen Besitz zu bringen. „Ich habe eine kleine Einlage vorbereitet. Sobald das Programm beginnt, werden alle sterben. Auch die, die dir wichtig sind. Wie entscheidest du dich?“ „Tut was Ihr wollt.“ Die kalte und berechnende Antwort brauchte keine Sekunde, um über Ciel’s Lippen zu kommen. Mich und Sebastian überraschte das nicht sonderlich, Alois schon und Claude zeigte wie immer keinerlei Regung. „Meinst du das wirklich ernst?“, hakte Alois nach. „Ja, falls es Euch gelingen sollte. Aber ich habe da vorher noch eine Frage an Euch.“, erwiderte Ciel. „Welche? Ich beantworte sie dir gerne.“, entgegnete Alois. „Wenn du vor mir auf die Knie gehst und mit deinem Schwanz wedelst.“ „Wer hier mit dem Schwanz wedelt wird sich noch zeigen.“, sagte Ciel nüchtern. „Du nimmst den Mund ziemlich voll. Werde bloß nicht übermütig nur weil dein Butler ein paar Fähigkeiten besitzt. Denn mein Butler Claude ist unschlagbar!“ Alois packte Claude bei der dämlichen, schwarzen Schleife, die dieser immer um seinen Hals trug und streckte die Zunge heraus, auf der man nun deutlich das goldene Pentagramm erkennen konnte. „Wie ich es mir gedacht hatte.“ Ciel, drehte sich halb zu Sebastian und nun konnte ich in seinem rechten Auge das purpurne Vertragssymbol sehen. „Vergiss nicht Sebastian, unser Vertrag sieht vor, dass du mir beistehst. Bis ich mein Ziel erreicht habe. Dass du mich bis zum Ende beschützt. Erst dann gehöre ich dir.“ „Selbstverständlich, ich bin seit jenem Tag Euer treu ergebener Diener. Ich werde Euch jeden Wunsch erfüllen, bis zu dem Tag an dem der Vertrag endet und Ihr mir Eure Seele übergebt.“ Ein unheilvolles Lächeln glitt über Sebastian’s blasse Lippen und Ciel lächelte. „Das wollte ich hören.“ „Hoheo taralna rondero tarel. Claude! Hol dir Ciel Phantomhive!“ „Sebastian, ich befehle es. Du wirst jetzt alles tun, um mich zu beschützen. Um jeden Preis.“ „Jawohl, Eure Hoheit.“ „Jawohl, mein junger Herr.“ Nein. Das war das einzige Wort, das sich noch in meinem Kopf befand. Nein. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass dieser Kampf ausbrach. Ich wollte nicht, dass Alois verletzt wurde oder starb. Ich wollte ihn nicht verlieren, niemals. Und in diesem Moment, der sich quälend lang dahinzog und eine Ewigkeit anzudauern schien, wurde mir bewusst, dass ich mich in Alois verliebt hatte. Verdammt. Sebastian hatte recht gehabt. Kapitel 31: The first move -------------------------- „Nein! Lass mich runter!“, schrie ich und schlug mit den Fäusten auf Sebastian’s Rücken, was diesem jedoch nur ein müdes Lachen entlockte. „Wenn du nicht aufhörst so zu strampeln, wirst du noch fallen.“, tadelte er und klang kein bisschen außer Atem, obwohl er gerade versuchte vor den Drillingen zu fliehen, die uns (bewaffnet mit Gartengeräten) verfolgten. „Das ist mir doch egal! Lass mich sofort los!“, verlangte ich, doch der Versuch Sebastian’s Griff zu entkommen war in etwa so erfolgversprechend, als wenn man versuchte Claude eine emotionale Reaktion zu entlocken. „Hör auf zu zappeln, du trittst mich!“, beschwerte sich Ciel, der auf der anderen Seite über Sebastian’s Schulter hing. Ich knirschte mit den Zähnen. Blödes, verzogenes Balg. Als ob das jetzt noch von Bedeutung wäre. „Angriff! Zusammenspiel! Aufsammeln des Laubs der Hölle!“, hörte ich Claude in der Ferne debattieren. Ich verdrehte den Augen. Unglaublich, wie war es überhaupt möglich, dass mir jemand so dermaßen auf die Nerven gehen konnte? Sebastian’s Finger gruben sich in meine Hüfte, als er rückwärts sprang, um der gigantischen Heckenschere auszuweichen, mit der Timber ihn angriff. Und mir mal nicht mal bewusst gewesen, dass wir so etwas überhaupt besaßen. Plötzlich blieb Sebastian stehen. Ich pustete mir die Haare aus dem Gesicht, um besser sehen zu können, was da vor sich ging. Und bereute es sofort wieder. Was wohl eine ausgeklügelte Kampftechnik sein sollte, glich mehr einer schief gegangenen Ballettchoreografie. Mit erhobenen Händen, in denen sie jeweils eine Gießkanne, eine Holzleiter und eine Heckenschere hielten, umkreisten uns die Drillinge in einem merkwürdig anmutenden Rhythmus. „Lass mich einfach gehen! Was willst du noch von mir?“, zeterte ich und versuchte mich mit aller Kraft von Sebastian wegzudrücken. „Oh, aber nicht doch. Ich bin mir sicher, dass du sehr viel mehr weißt, als du vorhin preisgegeben hast. Eine so wertvolle Informationsquelle werde ich doch nicht einfach hierlassen.“, meinte Sebastian und wich der Holzleiter aus, mit der Canterbury versuchte ihn anzugreifen. Ich presste die Lippen aufeinander. „Gar nichts wirst du von mir erfahren.“ „Das werden wir noch sehen.“, schmunzelte Sebastian, entwaffnete Timber mit seinem rechten Fuß, stieß die anderen beiden Dämonen in den Dreck und landete elegant auf dem untersten Ast einer alten Eiche. Und nicht eine Strähne seines rabenschwarzen Haares war verrutscht. „Diese Drei sind wirklich sehr gut.“, sagte Sebastian, aber jeder wusste, dass dieses Kompliment nichts weiter als eine verschleierte Beleidigung war. Die Drillinge hatten sich im Nu wieder aufgerappelt und formierten sich zu einem neuen Angriff. Ohne auch nur den Hauch einer Anstrengung, verließ Sebastian den Ast wieder und lief in die entgegengesetzte Richtung. Genau in die Richtung, in der Alois wartete. „Was hast du vor?“, fragte ich, als es Ciel nicht tat, der trotz der dämonischen Natur seines Butlers, ein unglaublich hohes Vertrauen in ihn zu setzen schien. Ich erhielt keine Antwort. Natürlich nicht. Entweder weil Sebastian es nicht für nötig erachtete mich von seinem jüngsten Vorhaben in Kenntnis zu setzen oder aber, weil er alles in letzter Sekunde entschied. Genau wie jetzt, als er kurz vor Alois und Claude stehen blieb, sich um hundertachtzig Grad drehte und dann einen Rückwärtssalto vollführte, der mir ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend bescherte. Das alles geschah so schnell, dass ich nichts anderes tun konnte, als mich in den schwarzen Stoff von Sebastian’s Frack zu krallen. Ich hatte nicht mal Zeit, um über Alois’ geschockten und gleichzeitig bewundernden Blick nachzudenken. Es dauerte nur Sekunden und Alois‘ blonde Haaren waren nur noch ein goldenes Flimmern in der Ferne, bis der dunkle Wald sie schließlich gänzlich verschluckt hatte. Sebastian blieb stehen und setzte Ciel und mich ab. Zu meiner Überraschung sackte Ciel augenblicklich in sich zusammen, was Sebastian keineswegs zu interessieren schien. Ich schüttelte den Kopf. Auf der einen Seite war er bereit sein Leben für diesen Jungen aufs Spiel zu setzten und auf der anderen ließen in Momente wie diesen völlig kalt. „Ciel…“ Ich kniete mich hin. Eigentlich sollte ich ihn hassen. Er wollte Alois tot sehen, warum auch immer. Aber so jemand wie er hatte sicher seine Gründe. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass er Alois aus purer Mordlust etwas antun wollte. Das passte einfach nicht zu ihm. Und eigentlich war er doch nur ein Kind. Genau so wie Alois. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er zitterte, seine Atmung war unregelmäßig und viel zu schnell. Was hatte er bloß? Ciel hob den Kopf. Für einen winzigen Augenblick konnte ich den Jungen sehen, der tief in ihm begraben lag. Der Junge, der seine Familie verloren hatte und allein war. „Fass mich nicht an!“ Er schlug meine Hand weg und rappelte sich auf. „Ich wollte doch nur…“ „Mein junger Herr!“ Bevor ich meinen Satz beenden konnte, hatte sich Sebastian neben Ciel gekniet und hielt ihm die Ohren zu. Zuerst verstand ich nicht wieso, doch dann hörte ich es. Zarte, hallende Klänge. Glasklar und so leicht, dass der Wind sie tragen konnte. Die Musik war wunderschön und trotzdem…kaum hatte ich die ersten Töne vernommen, schienen sie sich in ein brennendes, tödliches Gift zu verwandeln, dass den Geist angriff und ihn zersetzte. Es war ein stechender, unerträglicher Schmerz. Als würde man mir tausende von kleinen Nadeln in den Kopf rammen. Ich kniff die Augen zusammen, hielt mir die Ohren zu, in der Hoffnung den mörderischen Klang so aussperren zu können, doch vergebens. „Es muss Jahrhunderte her sein, dass ich diese Musik gehört habe.“, sagte Sebastian, der offenbar keinerlei Schmerzen zu haben schien. „Was ist das?!“, fragte ich verzweifelt, als ich das Gleichgewicht verlor und ins Gras fiel, weil ich nur noch an dieses Stechen denken konnte. Doch ich bekam erneut keine Antwort. Stattdessen schob sich das Gesicht von Timber in mein Blickfeld. „Der junge Herr ist nicht erfreut, kleine Puppe.“, sagte er monoton, bevor er meinem Leiden mit einem Fußtritt ein Ende bereitete. ~ *** ~ „Hey!“ Ein scharfes Brennen durchzuckte meine linke Wange. „Hey! Wach auf!“ Ich blinzelte. Das trübe Schwarz vor meinen Augen wurde klarer und ich erkannte ganz deutlich Alois, der auf mir hockte. „Ah, du bist wieder wach. Sehr schön.“ Er holte aus und verpasste mir noch eine Ohrfeige. „Wie kannst du es wagen meine Befehle zu missachten?! Ich hatte dir doch gesagt, dass du im Ballsaal bleiben sollst!“, keifte Alois. „Ich…ich wollte nur…“ „Was wolltest du, huh?!“ Alois hatte beide Hände um meinen Hals gelegt und drückte zu. „Mich verraten! Das wolltest du! Du hast Sebastian zu mir geführt! Wolltest du meinen Tod?! Hast du dich etwa mit Ciel verbündet?!“ Ich wollte den Kopf schütteln, doch es ging nicht. Ich war wie gelähmt, einerseits weil ich noch immer das Gefühl hatte diese schreckliche Musik zu hören und andererseits, weil Alois‘ Blick mir eine Heidenangst einjagte. Seine blauen Augen quollen aus dem bleichen Gesicht hervor, der pure Wahnsinn lag in ihnen und der zitternde Griff um meinen Hals wurde immer fester. „Du elenden Lügnerin! Du Verräterin!“, schrie Alois, schüttelte meinen Kopf, sodass er immer wieder gegen die Rinde des Baumes schlug, an dem ich lehnte. Mein Herz geriet in Panik, doch der Rest meines Körpers regte sich nicht. Bei jedem anderen Menschen hätte jetzt der Überlebenswille dafür gesorgt, sich mit aller Macht gegen das Luftabschnüren zu wehren. Doch nicht bei mir. Ich lag da und konnte nichts weiter tun, als Alois anzusehen. Wie sich seine Augen mit Tränen füllten und sich sein Gesicht in Schmerz und Trauer verzog. Er war der festen Überzeugung, dass ich ihm alles nur vorgespielt hatte. Eine Bemerkung von Sebastian hatte ausgereicht, um meine Zuneigung, die ich Woche für Woche immer wieder deutlich gemacht hatte, wie eine billige Lüge dastehen zu lassen. „Verraten…du hast…mich verraten…“, wimmerte Alois und lehnte seine Stirn gegen meine. Etwas Nasses tropfte auf meine Wange. Nein…so konnte es doch nicht enden. Ich konnte doch jetzt nicht sterben. Nicht nach allem was passiert war. Ich konnte Alois unmöglich allein lassen. Ich hatte mir doch geschworen ihn zu retten oder es zumindest zu versuchen. Ich konnte jetzt nicht aufgeben. „N-Nein…“ Es war nur ein Flüstern. Nur ein Hauch. Viel zu leise, als dass man diesem einen Wort Beachtung geschenkt hätte. „Was?“ Alois sah mich an, er hatte aufgehört mich zu würgen. Er wartete. Wartete, dass ich etwas sagte, dass seine Meinung ändern konnte. Etwas, das ihn davon überzeugen würde, dass ich nicht gelogen hatte. Aber welche Worte waren stark genug, um das zu bewirken? „Was?!“ Alois drückte wieder zu und aus einem Reflex griff ich nach seinen Händen. Los, sag etwas. Sag irgendwas, verdammt nochmal! „Ich…i-ich liebe dich…“ Alois starrte mich an. Er war nicht weniger überrascht, als ich selbst und selbst Claude’s kalte und glatte Fassade bröckelte für einen winzigen Moment. „Du…was…?“ Völlig perplex rutschte Alois von mir herunter, seine Hände glitten in seinen Schoß und ein Ausdruck der puren Ungläubigkeit legte sich über sein Gesicht. Ich hustete und merkte erst jetzt wie sehr mir der Sauerstoff gefehlt hatte. Trotzdem…ich musste mich konzentrieren. Jedes weitere Wort, das ich nun sagte würde über Leben oder Tod bestimmen. Ich durfte jetzt auf keinen Fall einen Rückzieher machen. „Ich liebe dich, Alois. Ich habe dich nicht verraten.“, keuchte ich und griff mir an den Hals, um zu überprüfen, ob auch alles in Ordnung war. „A-Aber…du hast Sebastian zu uns geführt…“, stammelte Alois verwirrt. Ich nickte. „Weil ich keine andere Wahl hatte. Ich wusste nicht wo du warst oder was du vorhattest. Ich hatte Angst, dass dir vielleicht etwas passieren könnte.“ Alois runzelte die Stirn. „Also…hast du das getan, weil…du dir Sorgen gemacht hast?“ Herrgott, manchmal war er wirklich schwer von Begriff. Oder er wollte es einfach nicht verstehen. „Natürlich! Das weißt du doch. Ich habe immer Angst um dich, ich will dich beschützen. Ich würde nie etwas tun, das dich in Gefahr bringen würde. Niemals.“ Ich krabbelte mühsam auf allen Vieren zu Alois und griff nach seinen Händen. „Alles was ich je gesagt habe war die Wahrheit. Ich habe nicht ein einziges Mal gelogen.“ „Nie gelogen…“, murmelte Alois und schob seine Finger dann langsam zwischen meine. Ich lächelte leicht. „Mein Herr, die Musik ist verstummt. Wir sollten zurückkehren.“, mischte Claude sich plötzlich ein und ich hätte ihm für dieses Timing eine verpassen können. Alois räusperte sich. „Ja, du hast recht. Der Abend ist noch nicht vorbei.“ Er entzog mir seine Hand und stand auf. „Genevieve, ich vergebe dir.“ Ich atmete erleichtert auf. „Ich danke dir…“ „Aber, trotzdem musst du bestraft werden. Schließlich hast du meine Anweisungen missachtet und das kann ich dir nicht einfach so durchgehen lassen, kleine Rose.“ Alois schmunzelte. Da war er wieder. Genau so kannte ich ihn. „Claude, kümmere dich darum.“, befahl Alois und schnippte mit den Fingern. „Mit Vergnügen, mein Herr.“, erwiderte Claude und diesmal gab er sich nicht mal Mühe das teuflische Grinsen zu verbergen. So ein verdammter Mistkerl! „Aber verschone ihr Gesicht. Sie soll mich begleiten.“, ergänzte Alois noch und drehte mir dann den Rücken zu, während Claude mich unsanft hochzerrte. Dass ich eine Strafe erhielt, wunderte mich nicht. Alois handelte nun mal nicht gnädig, das lag nicht in seiner Natur. Aber immerhin ließ er mich am Leben. „Und beeil dich gefälligst.“ „Jawohl, Eure Hoheit.“ Claude’s Faust bohrte sich ungebremst in meine Magengrube und mir blieb sofort die Luft weg. Etwas, das vermutlich mein Frühstück gewesen war, kämpfte sich meine Speiseröhre nach oben, doch bevor ich mich übergeben konnte, packte Claude mich am Hals und rammte mir sein Knie in die Wirbelsäule. Ich würgte ein ersticktes Keuchen hervor und ging gezwungenermaßen auf alle Viere. Claude schaute auf mich herab. Wie ein gewaltiger, schwarzer Schatten türmte er sich über mir auf und seine goldenen Augen leuchteten. Er genoss es. Dieses perverse Arschloch… Als er schon den Fuß hob, gebot Alois ihm Einhalt. „Stopp, das reicht. Ich denke sie hat genug.“ Claude nickte und trat einen Schritt zurück. Ich sackte in mich zusammen, jeder einzelne Muskel schmerzte und das Ziehen in meinem Kopf hatte auch noch nicht wirklich nachgelassen. „Kleine Rose.“ Ich hob mühsam den Kopf. Alois hatte sich neben mich gekniet und legte mir nun eine Hand unters Kinn. „Du wirst mich nie wieder hintergehen, verstanden?“ Ich nickte. „J-Ja…“ Alois lächelte zufrieden. „Gut, dann steh jetzt auf, richte dein Kleid und setz ein Lächeln auf. Ich will, dass Ciel Phantomhive vor Neid erblasst.“ Er half mir aufzustehen und erst jetzt bemerkte ich, dass er nicht länger das Dienstmädchenkleid trug, sondern ein violettes Kostüm mit kleinen, schwarzen Flügeln, die an seinem Rücken befestigt waren und an eine Fledermaus erinnerten. „Komm, ich will meine Gäste nicht länger warten lassen und ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren.“ Alois bot mir seinen Arm an, ich hakte mich ein und gemeinsam mit Claude machten wir uns auf den Weg zurück zum Anwesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)