In the spider's web von Mizuki18 ================================================================================ Kapitel 29: Masquerade ---------------------- Seit nun mittlerweile knapp 24 Stunden liefen die Vorbereitungen für den Kostümball. Es war ein einziges Hin- und Hergerenne. Das Schlimmste an der ganzen Sache war jedoch, dass Claude diese Situation schamlos ausnutze, um mich herum zu scheuchen, als sei ich seine persönliche Sklavin. Dabei wussten er und ich, dass es ihn nur eine knappe halbe Stunde, vielleicht sogar weniger, gekostet hätte dieses Fest vorzubereiten. In der Tat hatte ich das Gefühl, dass Claude den Dämon nur dann raushängen ließ, wenn es ihm gerade passte. Was das betraf, war er genau so eine Diva wie sein Herr. Ich hielt inne und ließ das blütenweiße Tischtuch sinken, das ich in den Händen hielt. Seit ich gestern Morgen Alois‘ Gemach verlassen hatte, hatte er mich konsequent ignoriert. Ich vermutete, dass er eingeschnappt war und jetzt schmollte, was sich darin äußerte, dass er so tat, als sei ich nicht existent. Das war meine Strafe dafür, dass ich ihn, zumindest in seinen Augen, einfach eiskalt hatte sitzen lassen. Natürlich war es ihm nicht in den Sinn gekommen mich darauf anzusprechen. Nein, diese Blöße würde sich der Earl Trancy niemals geben. Vermutlich wartete er nun darauf, dass ich reumütig zu ihm zurückkehrte, auf Knien versteht sich. Doch ich war zu stolz, um ihn um Verzeihung für etwas zu beten, das er selbst unnötig aufbauschte. Das wiederum bedeutete für mich, dass ich seine tödlichen Blicke und das eisige Schweigen stumm ertragen musste. Ob sich das von selbst wieder einrenkte oder ich letztendlich, doch etwas tun musste, um wieder Alois‘ Zuneigung zu gewinnen, wusste ich nicht. Doch auf solche Dinge konnte mich nur zum Teil konzentrieren. Hauptsächlich schweiften meine Gedanken nämlich um den heutigen Abend. Was würde passieren, wenn Ciel hierher kam? Was würde Alois tun? Und wie würden sich die beiden Teufel verhalten? Ich hoffte nur, dass keiner der anderen unschuldigen Gäste in Mitleidenschaft gezogen würde, doch so wie ich die beiden Earls kannte, waren ihnen Kollateralschäden herzlich egal. „Genevieve!“ Ich zuckte zusammen. Vor Schreck entglitt meinen Händen das Tischtuch. „Du bist ja immer noch nicht fertig.“, äußerte Claude missbilligend und ich presste die Lippen aufeinander. „Nun ja, mir war von vornherein klar, dass du im Haushalt nicht wirklich von Nutzen sein würdest.“, fuhr Claude fort und schüttelte den Kopf. Ich sagte nichts. Hätte ich den Mund aufgemacht, wären sowieso nur Beleidigungen heraus gekommen. „Wie dem auch sei, unser Ehrengast ist soeben eingetroffen. Meinst du, du kannst ihn entsprechend empfangen?“ Ich drehte mich um. Er war hier. Ohne auf Claude’s Frage zu antworten, drängte ich mich an ihm vorbei und lief in die Eingangshalle, als mir plötzlich etwas klar wurde. Sebastian und Ciel kannten mich. Ich war in die Vorgänge in London verwickelt gewesen und wenn sich diese blöde Kuh auf dem Big Ben nicht in die Luft gesprengt hätte, dann hätten sie mich mitgenommen und ausgefragt. Was würden sie jetzt tun? Offiziell war ich Dienstmädchen im Hause Trancy, da konnten sie mich doch nicht einfach so mitnehmen. Oder? Es klopfte und ich eilte zur Tür. Um mir nun eine passende Ausrede zurecht zu legen, war es zu spät. Und Ciel und Sebastian hätten mir ohnehin nicht geglaubt. Ich öffnete die Tür. Der Blick aus Ciel’s blauen Augen war verwirrt und gleichermaßen überrascht. Sebastien hingegen, der ja wusste, dass ich hier arbeitete, verzog keine Miene. „Du?! Was machst du hier?“, fragte Ciel und wirkte doch tatsächlich aufgebracht. „Ich bin Dienstmädchen in diesem Haus. Herzlich Willkommen, Earl Phantomhive.“, sagte ich und versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. „Wie um alles in der Welt hast du die Explosion auf dem Big Ben überlebt?“, wollte Ciel wissen. Die Nervosität versuchte sich meine Kehle empor zu kämpfen. „Ich...“ Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Ah, das sei Ihr ja. Willkommen im Hause Trancy. Mein Name ist Claude Faustus, tretet ein.“ Ciel schaute kurz zwischen mir und Claude hin und her und schien dann den Plan zu fassen meine Befragung auf später zu verschieben. „Komm Sebastian.“ Er straffte die Schultern und betrat das Anwesen, Sebastian aber blieb in der offenen Tür stehen. Ciel blickte über seine Schulter. „Was hast du?“ Ich folgte Sebastian’s Blick. In der obersten, rechten Ecke des Eingangsportals befand sich ein Netz aus silbernen Fäden, in dessen Mitte eine große Spinne hockte. Ich verzog leicht das Gesicht. Spinnen hatte ich schon immer widerlich gefunden. „Ah, die Spinne war von jeher das Wappentier der Familie Trancy, wir töten sie nicht.“, erklärte Claude und ich versuchte unbemerkt seine Hand loszuwerden, die noch immer auf meiner Schulter lag. „Ich verstehe. Wenn man versucht sie zu vertreiben, wird sie einen verfolgen und man wird sie nicht mehr los.“, schlussfolgerte Sebastian und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Claude ignorierte das und trat zur Seite. „Bitte.“ Ciel und Sebastian ließen die Türschwelle nun endlich hinter sich, blieben aber nur Sekunden später erneut stehen und Ciel sackte gegen seinen Butler, sodass dieser ihn festhalten musste. Ich runzelte die Stirn und musste unwillkürlich an den Abend denken, als Sebastian sich Zutritt zum Anwesen verschafft hatte, seinen Herrn im Handgepäck und das alles nur, um eine Dose mit Teeblättern zu stehlen. Den Grund dieses Unterfangens kannte ich noch immer nicht, doch irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich es noch herausfinden würde. „Was ist denn mit Euch, junger Herr?“, fragte Sebastian, der von Ciel’s plötzlichem Schwächeanfall nicht sonderlich überrascht schien. „Es ist nichts.“, erwiderte Ciel forsch und wand sich aus Sebastian’s Griff. „Mein Butler kann mich begleiten?“ „Wenn Ihr es wünscht.“, sagte Claude. „Gehen wir.“, meinte Ciel. „Ja.“ Sebastian folgte seinem Herrn wie ein Schatten. „Ich bitte um Verzeihung für diesen ungebührlichen Empfang. Unser neues Dienstmädchen wurde noch nicht richtig eingearbeitet.“, ergänzte Claude und ich biss mir auf die Unterlippe. Natürlich konnte er sich einen dummen Kommentar mich betreffend nicht verkneifen. „Hört sich an, als wären sie ihren Pflichten als Butler nicht entsprechend nachgekommen.“, schmunzelte Sebastian. Claude’s Hand auf meiner Schulter verkrampfte leicht. „Des Weiteren musste mein Herr unglücklicherweise geschäftlich verreisen. Er wird aber zum Ball zurück sein.“ Ich stutzte. Was redete er da für einen Unsinn? Alois war in seinem Zimmer und suchte schon seit Stunden nach einem passenden Kostüm. „Ich habe aber im Salon frischen Tee für die Gäste vorbereitet. Die anderen Herrschaften sind bereits da.“, sagte Claude und verneigte sich leicht. „Die anderen?“, fragte Ciel und hob die Augenbrauen. „Natürlich, Euer Butler wird Euch zu ihnen geleiten.“, antwortete Claude und schloss die Tür. Mit einem knappen Nicken legte Sebastian eine Hand auf Ciel’s Rücken und führte ihn in den Salon zur rechten Seite. „Du hast gelogen. Alois...der junge Herr ist nicht verreist.“, sagte ich, schaffte es endlich Claude’s Hand loszuwerden und drehte mich zu ihm um. „Eine unwichtige Kleinigkeit, die dich nicht zu interessieren hat.“, entgegnete Claude mit einem süffisanten Lächeln, als Schritte hinter uns ertönten. „Ich...der junge Herr wünscht ihrer beider Anwesenheit.“ Hannah schaute auf ihre ineinander verkrampften Hände. Blut lief ihr Gesicht hinab. Was in aller Welt war jetzt schon wieder passiert? „Verstehe.“ Claude rückte seine perfekt sitzende Brille zurecht und lief zur Treppe. Ich folgte ihm schnell. Wahrscheinlich hatte Alois wieder einen seiner kleinen Wutanfälle gehabt und irgendetwas nach Hannah geworfen. Zumindest offenbarte sich mir ein gewaltiges Kleiderchaos, als Claude die Tür von Alois‘ Schlafzimmer öffnete. Überall lagen Kostüme. Ein Kettenhemd, eine Weste mit Rüschen und gefälschten Edelsteinen als Manschettenknöpfe, eine französische Admiralsuniform und vieles mehr. „Ist der da?“, fragte Alois, ohne sich umzudrehen. „Ja, er ist soeben eingetroffen.“, antwortete Claude. „Ich suche ein Kostüm. Du solltest auch eins anziehen, Claude.“ Alois‘ betonte den Namen seines Butlers überdeutlich, um mir noch einmal klar zu machen, dass ich für ihn gerade nicht existent war. „Wie wäre es mit diesem?“ Er hob ein altrosafarbenes Kleid hoch, das mit Schleifen in derselben Farbe dekoriert war, ging zu Claude und hängte es über seine Schulter. Es sah absolut lächerlich aus, zumal es Claude auf keinen Fall gepasst hätte. Alois klatschte in die Hände. „Olé!“ Lachend nahm er eine alberne Pose ein, wohl in der Hoffnung, dass Claude seinem Beispiel folgen würde, doch dieser blickte nur stumm auf ihn herab. Alois verzog das Gesicht und wandte sich dann an mich. „Du brauchst auf ein Kostüm, kleine Rose.“ Ich hob überrascht die Augenbrauen. Er redete wieder mit mir? Einfach so? „Zieh dich aus.“ Ich seufzte innerlich. Natürlich nicht. Alois hätte mir niemals einfach so vergeben. Und die jetzige Situation war einfach die perfekte Chance, um mich zu demütigen. Nicht nur, dass ich mich ausziehen musste, nein. Ich musste es auch noch vor Claude tun. „Ich warte.“ Alois verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie Ihr befehlt, Hoheit.“ Ich öffnete die Knöpfe am Rücken, die das Kleid an Ort und Stelle hielten und ließ es über meine Schultern rutschen. Zum Glück war das Zimmer beheizt, doch Claude’s Blick, den ich auf mir liegen spürte, bescherte mir dennoch eine Gänsehaut. „Ist sonst alles so weit vorbereitet, Claude?“, wollte Alois wissen. „Ja. Den Tag zur Nacht, Vergnügen zu Schmerz, Walzer zu einem Requiem. Das Werk eines Butlers der Trancy’s.“ Ich widerstand nur knapp dem Drang die Augen zu verdrehen. Claude’s bescheuerte und zugleich kryptische Antworten gingen mir auf die Nerven. „Sehr gut, das wäre alles. Du kannst gehen.“, meinte Alois und nach einer kurzen Verbeugung verließ Claude das Zimmer. Ich blieb an Ort und Stelle stehen. „Nun zu dir, kleine Rose.“ Alois packte grob mein Kinn. „Wenn du dich noch einmal so verhalten solltest, dann lasse ich dir jeden deiner hübschen Knochen einzeln brechen, verstanden?“ Ich nickte schnell. „Ja, verstanden.“ „Gut!“ Alois ließ mich los. „Dann sollten wir dir jetzt etwas Hübsches zum Anziehen suchen. Meine kleine Rose soll doch schön aussehen.“ Er lächelte und schaute sich dann in seinem Zimmer um. Ich erlaubte mir auszuatmen. „Hm...“ Gespielt nachdenklich ließ Alois seinen Blick umher schweifen. „Wir brauchen etwas Passendes für dich, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es ein Maskenball ist. Hier geht es schließlich darum sein wahres Wesen hinter einer Verkleidung zu verbergen.“ Er zwinkerte mir zu und ich zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Nimm das hier.“ Alois griff scheinbar wahllos in den Stoffhaufen am Boden und beförderte einen ganzen Berg an Tüll ans Tageslicht. Grüner Tüll, blauer Tüll, türkiser Tüll. Es war ein regelrechtes Monster von Kleid. „Los, zieh es an.“ Alois warf mir das Kleid entgegen und ich zerrte es mir schnell über den Kopf, da mein Gegenüber sich nicht wirklich in Geduld üben konnte. Trotz der gefühlt einhundert Tülllagen, wog das Kleid fast gar nichts und ich hatte das Gefühl der sanfteste Windhauch könnte es davonwehen. „Wunderbar, ich wusste es wäre die perfekte Wahl.“, lachte Alois und kehrte mir dann den Rücken zu. „Als was werdet Ihr Euch verkleiden, Hoheit?“, fragte ich. „Oh, das ist eine Überraschung.“, antwortete Alois. „Also mach die Augen zu.“ Ich seufzte und schloss die Augen. Einige Sekunden später spürte ich Alois an mir vorbeihuschen. Stoff raschelte, Schuhe wurden auf den Boden geworfen und Knöpfe geöffnet. Mir war klar, dass Alois‘ Kostüm kein gewöhnliches Kostüm sein würde. Es gehörte mit Sicherheit zu seinem Plan Ciel in seinen Besitz zu bringen. Ich hatte zwar keine Ahnung wie er das anstellen wollte und eigentlich wollte ich es auch nicht wissen, doch das musste ich, wenn ich es irgendwie schaffen wollte Alois‘ Seele vor Claude’s Gier zu bewahren. Alois räusperte sich und ich drehte mich um, die Augen immer noch geschlossen. „Du darfst gucken. Und sag mir deine ehrliche Meinung.“ Oh je, das hörte sich nicht gut an. Ich öffnete blinzelnd die Auen und musste mich beherrschen, dass mir nicht sofort die Kinnlade herunterklappte. Alois trug ein Kleid. Das allerdings war tatsächlich nicht das, was mich am meisten verwunderte. Weitaus irritierender fand ich die Tatsache, dass das Kleid eine exakte Kopie von Hannah’s Dienstmädchenuniform war. Aber damit nicht genug. Um dieses etwas verstörende Gesamtbild abzurunden trug Alois‘ eine blonde Perücke, die seiner eigenen Haarfarbe vollkommen und absolut gleicht war. „Und? Wie sehe ich aus?“ Alois drehte sich einmal um sich selbst und ich musste schlucken, da mein Hals auf einmal sehr trocken war. „Ähm Ihr seht äh...Ihr seid nicht wiederzuerkennen, Hoheit.“, stammelte ich und hoffte, dass es die richtigen Worte gewesen waren. Alois lachte. „Ich weiß was du denkst und das ist auch nicht mein eigentliches Kostüm für den heutigen Abend. Nein, diese Verkleidung dient lediglich den Zweck an den Earl Phantomhive heranzukommen.“ Ich seufzte innerlich. Natürlich, wie ich es mir gedacht hatte. „Aber das soll nicht deine Sorge sein. Claude kümmert sich darum. Und wenn alles vorbei ist, dann...schenkt mir meine Rose einen Tanz, nicht wahr?“ Alois kam auf mich zu und legte eine Hand unter mein Kinn. „Natürlich, Euer Hoheit.“ „Perfekt.“ Alois hauchte einen flüchtigen Kuss auf meine Lippen. „Dann lassen wir das Spiel beginnen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)