In the spider's web von Mizuki18 ================================================================================ Kapitel 28: A deadly chess game ------------------------------- Eine kühle, kaum wahrzunehmende Brise streifte mein Gesicht. Ich wusste nicht, ob ich mir diesen sanften Windhauch nur einbildete oder er tatsächlich existierte, denn ich war mir nicht sicher, ob ich noch schlief oder schon wach war. Es war dieser kurze, flüchtige Moment zwischen Traum und Realität. Die Zeit stand für den Bruchteil einer Sekunde still. Und dann lief sie erbarmungslos weiter. „Guten Morgen, kleine Rose.“ Ich schlug die Augen auf. Alois hatte mir den Rücken zugekehrt und stand am offenen Fenster. Die Vorhänge waren zu schwer, als dass dieser schwache Wind sie hätte bewegen können. Nur Alois‘ blonde Haarspitzen wippten leicht auf und ab. Ich schaute auf das Ziffernblatt der Uhr, die auf den Nachttisch stand. Es war bereits nach zwölf Uhr mittags. „Wieso habt Ihr mich nicht geweckt?“, fragte ich. „Claude kam um die gewohnte Zeit hier rein und wollte dich mitnehmen, damit du das Frühstück vorbereitest. Ich habe ihn weggeschickt.“, antwortete Alois, dessen Stimme irgendwie eigenartig klang. „Danke, wir kamen erst spät in der Nacht zurück.“, erwiderte ich. „Ich weiß. Claude hat mir bereits berichtet. Es gab wohl...einen Zwischenfall bei eurem Ausflug.“ Alois drehte sich zu mir um. Er sah nicht gerade erfreut aus. Verdammter Dämon. Ich wollte gar nicht wissen wie genau Claude diesen ‚Zwischenfall‘ geschildert hatte, doch vermutlich so, dass Alois gar nicht anders konnte, als wütend auf mich zu sein. „Er hat mir erzählt was passiert ist. Dass der Wachhund und Sebastian Michaelis sich eingemischt haben. Obwohl ich mir das eigentlich hätte denken können...“ Er machte eine kleine Pause, ich wusste nicht was ich sagen sollte oder ob es mir überhaupt erlaubt war etwas zu sagen. „Ich...ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen...doch ich konnte nicht anders.“, stammelte ich und wusste gar nicht, weshalb ich versuchte mich zu rechtfertigen. Im Prinzip hatte ich nichts falsch gemacht und man konnte das alles ohne weiteres als eine Verkettung von unglücklichen Zufällen abtun. Alois schüttelte den Kopf. „Nein. Es war Claude’s Aufgabe dich zu beschützen. Hätte er seine Arbeit richtig gemacht, wärst du diesen Beiden gar nicht erst in die Hände gefallen.“ Ich stutzte. Gab Alois gerade zu, dass sein ach so unfehlbarer Butler sich einen Fehltritt erlaubt hatte? „Es tut mir leid. Ich hätte dir sagen sollen, weshalb die Reise nach London ging. Ich...hätte es dir nicht verschweigen dürfen.“ Ich blinzelte verwirrt. Das war doch mit Sicherheit ein Traum. Niemals würde Alois mich so reumütig anblicken. „Du hättest in den Flammen sterben können und dabei ist Verbrennen doch so eine grausame Art zugrunde zu gehen.“ Alois ergriff meine Hände. „Ich hätte dich nicht in Gefahr bringen dürfen. Rosen...sind doch so schrecklich zerbrechlich...“ Was in aller Welt war hier los? War Alois auf den Kopf gefallen, während ich in London gewesen war? So kannte ich ihn überhaupt nicht. „Ich lebe und bin unversehrt. Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Wie Ihr bereits sagtet...es war Claude’s Schuld.“ Ich verschränkte meine Finger mit denen von Alois. „Ich werde dich nie wieder wegschicken. Du gehörst zu mir.“ Ich nickte und lächelte leicht, was vielleicht auch an meiner Freude darüber lag, dass Claude endlich mal bekam, was er verdiente. Alois räusperte sich. „Ich habe heute keine Pflichten und Claude wird uns nicht stören. Er sitzt seit gut vier Stunden in einem Zug.“ Ich hob die Augenbrauen. „Wohin geht die Reise denn?“, fragte ich und hoffte, dass die Antwort eventuell ‚Hölle‘ oder ‚Nirgendwo‘ lauten würde. „Es geht nicht um das Ziel, sondern darum wer mit ihm im Zug sitzt.“, erklärte Alois. Ich nickte. Wer dieser Passagier war, konnte ich mir bereits denken. „Es ist feige sich wie eine Ratte Informationen zu beschaffen, aber diesem Hund scheint jede Methode recht zu sein.“, fuhr er fort. „Daher...veranstalten wir morgen einen Kostümball, sodass der Earl Phantomhive mich persönlich überprüfen kann, da das ja offensichtlich sein Wunsch ist.“ „Ein Kostümball?“, wiederholte ich. Alois nickte. „Werdet...werdet Ihr versuchen ihn in Eure Gewalt zu bringen?“, wollte ich wissen. „Natürlich, doch Claude einfach diesen Befehl zu erteilen, wäre langweilig. Wir machen daraus...ein kleines Spiel.“, schmunzelte Alois und schon jetzt breitete sich in meiner Magengegend ein ungutes Gefühl aus. „Du siehst nicht sonderlich erfreut aus.“, bemerkte Alois. „Verzeiht mir, ich...sehe es nur nicht gern, wenn Ihr Euch in Gefahr begebt.“, sagte ich leise. Alois zog die Augenbrauen zusammen. „Gefahr? Claude beschützt mich doch.“ „Claude kann auch Fehler machen, das habt Ihr gesehen. Und Sebastian ist wie er ein Teufel.“, erwiderte ich. „Soll das heißen dieser Butler wäre in der Lage Claude zu besiegen?“, schnaubte Alois. Ja, ohne Zweifel. „Nein, das habe ich nicht gesagt.“ Alois seufzte. „Wie dem auch sei, Hannah und die Drillinge haben heute das Frühstück vorbereitet. Du hast doch sicher auch Hunger oder?“ Ich nickte. Alois ließ meine Hände los, tapste barfuß zur Tür und öffnete diese. „Hannah! Komm her du nichtsnutzige Hure!“ Ich zuckte zusammen. Da waren sie wieder, seine ständig wechselnden Gemütszustände. Es dauerte nicht lange und ein Rattern ertönte im Flur. Hannah’s bandagiertes Gesicht blickte ausdruckslos auf den Speisewagen, den sie vor sich herschob. „Stell den da ab und dann verschwinde.“, befahl Alois und Hannah tat stumm was ihr Herr verlangte. Mit einem knappen Kopfnicken verabschiedete sie sich und verschwand lautlos aus dem Zimmer. Seufzend nahm Alois eine der dampfenden Teetassen. „Ach ja, gutes Personal ist so schwer zu finden.“, meinte er bedauernd, nahm auch die zweite Tasse und setzte sich damit auf die Bettkante. „Hier. Aber pass auf, dass du dich nicht verbrennst.“ Ich nickte und nahm vorsichtig die Tasse entgegen. Das feine, mit Blütenmustern verzierte Porzellan war heiß. „Wenn du Phantomhive beschreiben müsstest, mit welchen Worten würdest du das tun?“, fragte Alois völlig unvermittelt und brachte mich somit aus dem Konzept. Beinahe wäre mir die Tasse entglitten. „Ich ähm kenne ihn doch kaum. Ich kann das nicht beurteilen.“ „Oft reicht ein flüchtiger Blick, um zu sagen was für eine Art Mensch dein Gegenüber ist. Ich bin der Meinung, dass du in der Lage bist das zu tun.“, erwiderte Alois. Hm, das stimmte zum Teil. Manchen Menschen war anzusehen, ob sie ihr Herz am richtigen Fleck trugen, doch bei manch anderem konnte der erste Eindruck einen auch völlig fehlleiten. „Also, wie würdest du ihn nun beschreiben?“, wiederholte Alois seine Frage. Ich legte den Kopf leicht schief und dachte an den Earl mit dem ich, wenn überhaupt, nur zwei oder drei Sätze gewechselt hatte. „Unnachgiebig, entschlossen, willensstark...“, murmelte ich. Obwohl Ciel gerade einmal dreizehn oder so war, besaß der Junge eine ziemlich gefestigte Persönlichkeit. Was wohl an dem Schicksal lag, das er hatte erleiden müssen. „Hm, er ist trotz allem nur ein Kind. Ein Kind, das unleidlich wird, wenn es kurz davor steht ein Spiel zu verlieren.“ Alois stellte die Tasse unberührt auf den Nachttisch. „Und ich werde Ciel ein ganz wundervolles Spiel darbieten. Es wird auf keinen Fall langweilig werden.“ „Das bezweifle ich nicht.“, seufzte ich und schaute in die leicht orangefarbene Flüssigkeit, die in der Tasse sacht hin und her schwappte. Alois runzelte die Stirn. „Du bist unzufrieden. Wieso?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht.“ Alois packte meine Hand. „Du sollst mich doch nicht anlügen.“, zischte er und seine Fingernägel gruben sich in meine Haut. „Ich...ich sagte doch...ich mag es nicht, wenn Ihr Euch in Gefahr bringt. Und es ist mir egal, ob Claude Euch beschützt oder nicht. Es gefällt mir nicht.“, erklärte ich und wich Alois‘ Blick aus. Dieser lockerte nun den Griff um meine Hand. „Ich weiß, dass du Claude nicht magst. Dass er dir unheimlich ist...und zwar nicht nur, weil er ein Dämon ist. Aber...du musst es akzeptieren. Und das ist keine Bitte, sondern ein Befehl.“, entgegnete er und ich biss mir auf die Unterlippe. Ich würde Claude niemals akzeptieren können. Allein schon wegen der Tatsache, dass er mit Alois und dessen Gefühlen spielte. Er wusste genau, dass er nie in der Lage sein würde sie zu erwidern und trotzdem machte er Alois immer wieder Hoffnungen. Das war einfach nur grausam, doch es gehörte zu seinem Spiel dazu. Claude war eine Spinne und mit jedem Wort, das er Alois zuflüsterte, verstrickte dieser sich mehr und mehr in seinem Netz. „Genevieve.“ Als Alois meinen Namen aussprach, drehte ich den Kopf wieder in seine Richtung und sah ihn an. „Ja, ich habe verstanden, Hoheit.“, sagte ich tonlos und entzog ihm meine Hand. Egal was ich tat, ich würde für ihn nie da sein, was er in Claude sah. Mir war von vornherein klar gewesen, dass die Chance Alois irgendwie aus diesem Netz zu retten verschwindend gering war, aber ich hatte mir dennoch geschworen es zu versuchen. Auch wenn ich mir jetzt nicht mehr so sicher war, ob das funktionieren würde. Ich stand vom Bett auf. „Frühstückt noch zu Ende, Hoheit. Ich werde mich um alles andere kümmern.“, sagte ich und verließ das Zimmer. Alois hielt mich nicht auf. Entweder, weil es ihm egal war oder er einfach nicht wusste, was er hätte sagen sollen. Ich ging den Flur entlang. Das Kleid, das ich trug war mit Ruß bedeckt und stank nach Rauch. Und ich wollte mal wieder baden. Okay, baden war wohl zu viel verlangt, aber die Ascheflocken wollte ich trotzdem aus meinen Haaren herauswaschen. Ein Kostümball. Natürlich hatte es etwas mit verkleiden zu tun. Für Alois und Ciel war das alles offenbar tatsächlich nur ein Spiel. Ein tödliches Spiel und alle Menschen um sie herum, waren Figuren, die sie benutzen konnten. Wenn ich es wie bei einem Schachspiel hätte machen müssen, dann wären Alois und Ciel die zwei gegnerischen Könige. Denn erst, wenn einer von den Beiden fiel, war das Spiel zu Ende. Claude und Sebastian waren die Springer. Sie konnten von ihren Herren in verschiedene Richtungen geschoben werden und andere Figuren schlagen. Dann gab es da noch die Läufer. Alois‘ Läufer war Hannah und der von Ciel...vielleicht dieser Chinese. Wie hieß er noch? Lau? Egal, die Läufer waren nur Boten. Was fehlte noch? Ach ja, die Türme. Die Türme konnten sich nur stur in zwei Richtungen bewegen und auch sonst besaßen sie keine besonders wichtige Rolle. Alois‘ Türme waren die Drillinge. Ciel kannte ich nicht gut genug, doch ihm würde ich vielleicht die Polizisten von Scotland Yard zuordnen. Und als Bauernopfer konnte sowieso jeder herhalten. Fehlte noch eine Figur. Die Königin. Sie war zwar nicht die wichtigste Spielfigur, doch mit Abstand die, welche am meisten Macht besaß. Ciel besaß zwar eine Verlobte, doch ich würde es ihm durchaus zutrauen, dass er sie im Notfall auch opferte. Daher...gab es nur eine Dame, die ich auf Ciel’s Seite stellen würde und das war ihre Majestät höchstselbst. Und Alois... Ich hielt in meinem Gedankengang inne. Die einzige Person, die noch übrigblieb, war ich. Aber war es nicht ein wenig übermütig mich selbst als Königin auf ein Schachfeld zu stellen? Ich besaß bei weitem nicht so viel Macht...oder etwa doch? Ich hatte noch nie wirklich darüber nachgedacht, was für Möglichkeiten ich eigentlich besaß. Oder zumindest war ich bisher immer der Meinung gewesen, dass diese ziemlich eingeschränkt waren. Ich hob den Kopf und betrachtete mein Spiegelbild. Es grenzte wirklich an Selbstüberschätzung mich als Dame neben den König zu stellen. „Genevieve?“ Ich zuckte zusammen und drehte mich ruckartig um. Offenbar war ich so sehr in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie Hannah geklopft und die Tür geöffnet hatte. „Oh entschuldige, habe ich dich erschreckt?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich bin nur...“ Ich ließ den Satz unvollendet und zog mich an. „Also, der Herr möchte einen Kostümball veranstalten.“ Hannah nickte. „Ja und da Claude noch nicht wieder zurück ist, müssen wir schon jetzt anfangen es vorzubereiten.“ Ich lachte trocken auf. „Als ob ihr seine Hilfe benötigen würdet. Ihr seid doch auch Dämonen.“ „Ja...“ Hannah blickte auf den Fußboden. „Aber er ist der oberste Bedienstete.“ „Ich versteh dich nicht Hannah. Du hasst ihn doch, das kann ich dir ansehen. Und du bist eine Dämonin. Warum verhältst du dich ihm gegenüber so unterwürfig?“, wollte ich wissen. Hannah biss sich auf die Unterlippe. „Das ist...kompliziert. Und ich kann es dir nicht erklären. Das kann nur der junge Herr.“ Ich seufzte. „Es wird es mir nicht sagen, auch nicht, wenn ich ihn danach frage.“ „Natürlich nicht. Er wird es dir nur von sich aus erzählen.“, erwiderte Hannah und dann lächelte sie leicht. „Doch der junge Herr ist dir sehr zugetan, also stehen die Chancen gut, dass du hinter das Geheimnis kommst.“ Ich hob die Augenbrauen. Noch mehr Geheimnisse? Das konnte ja heiter werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)