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In the spider's web

von

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I could be everything for you

Am nächsten Morgen wurde ich vor Alois wach. Er hielt mich nach wie vor fest und drückte mich an seine Brust, unter deren zarter Haut ich sein Herz pulsieren spüren konnte.
 

Er sah so friedlich aus, so zerbrechlich. Als hätte er keinerlei Sorgen, die ihn bedrückten oder Wünsche, die ihn von innen heraus auffraßen. Er sah aus wie ein Junge, ein Kind, das das Böse in der Welt noch nicht gesehen hatte.
 

Gedankenverloren strich ich Alois durch die blonden Haare. In solchen Moment hätte es durchaus etwas Vorteilhaftes, wenn ich in der Lage wäre die Zeit anzuhalten.
 

Solche Augenblicke wie dieser, waren extrem selten und deswegen sehr kostbar. Sie konnten innerhalb eines Wimpernschlages vorbei sein und es konnte eine halbe Ewigkeit vergehen, bis sich mal wieder eine solche Gelegenheit bot. Und gerade ich, hatte in meinem Leben nicht vieler solche Momente erlebt.
 

„Genevieve…hör auf mich anzustarren.“, kam es plötzlich von Alois und ich zuckte erschrocken zusammen. „Oh, verzeiht. Ich wusste nicht, dass Ihr wach seid.“, sagte ich.
 

„Hätte ich das getan, hättest du aufgehört mit meinen Haaren zu spielen und was hätte mir das gebracht?“, erwiderte Alois, der die Augen noch immer geschlossen hatte. Ich überlegte kurz. „Nun…“ „Du sollst nicht antworten, kleine Rose. Mach einfach weiter.“, grummelte Alois und vergrub sein Gesicht im Kissen, damit ich sein Lächeln nicht sah.
 

„Natürlich.“ Ich strich Alois also weiter durch seine blonden Engelslocken und merkte wie er sich sichtlich entspannte und kurz davor war wieder einzuschlafen, als es klopfte.
 

Alois hob ruckartig den Kopf und warf der Tür einen mörderischen Blick zu. „Was ist?!“, blaffte er, offensichtlich nicht erfreut darüber, dass man uns störte. „Ich bringe Euch den Morgentee, Hoheit.“ Claude betrat, die miese Laune seines Herrn ignorierend, das Zimmer und stellte das Tablett mit dem dampfenden Tee auf dem Nachttisch ab.
 

„Hättest du den Tee nicht etwas später bringen können?“, motzte Alois und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich bringe den Tee um dieselbe Zeit wie jeden Morgen. Wenn Ihr diesbezüglich eine Änderung wünscht, dann braucht Ihr es nur zu sagen, Hoheit.“, erklärte Claude nüchtern.
 

Alois gab ein unzufriedenes Schnaufen von sich, setzte sich gerade auf und ließ sich von Claude die Teetasse reichen. Ich blieb liegen, weil ich der Meinung war, dass ich nicht das Recht hatte mich auch aufzusetzen. Ich würde es Claude sogar zutrauen, dass er mich mit dem Gesicht voran zurück ins Kissen drückte.
 

„Steht für heute etwas an?“, fragte Alois gelangweilt, während er die Tasse leicht schwenkte und ich schon befürchtete, dass sich der heiße Tee im nächsten Moment über die Bettdecke verteilen würde.
 

„Auf der Tagesordnung steht heute folgendes: ein Treffen mit Mr. Lau von der ‚Kong-Long Company‘ und Unterricht im Schwertkampf am Nachmittag.“, sagte Claude. „Lau? Was will der denn?“, blaffte Alois und ich hatte absolut keine Ahnung von wem er redete.
 

„Der Besuch erfolgt im Zuge einer Anordnung Ihrer Majestät.“, verdeutlichte Claude und Alois zog eine Schnute. „Na schön, ich werde ihn empfangen.“ „Sehr wohl, Euer Hoheit.“ Claude verneigte sich kurz, warf mir einen kurzen, aber mehr als tödlichen Blick zu und verließ dann das Zimmer.
 

Ich seufzte und setzte mich auf. „Mr. Lau?“ „Ein chinesischer Adliger und außerdem Oberhaupt der chinesischen Mafia.“, wehrte Alois ab, da es offenbar nicht weiter wichtig war. Ich sah das allerdings anders.
 

„Und warum trefft Ihr Euch mit ihm?“ Alois ließ die Teetasse sinken und musterte mich scharf. „Solche Dinge gehen dich nichts an, kleine Rose.“ „Natürlich, Ihr habt recht.“, sagte ich und stand auf, um die Vorhänge zu öffnen.
 

„Es geht um einen Auftrag, den mir die Königin erteilt hat. Ich arbeite für sie und Lau hilft mir.“, kam es plötzlich von Alois, der seine Meinung anscheinend geändert hatte. Ich hielt inne und schaute durch das große Fenster hinaus in den Rosengarten. „Ihr seid ihre Spinne.“ Alois lachte leise. „Du weißt offenbar mehr, als ich angenommen habe.“, murmelte er.
 

„Ihr seid die Spinne der Königin. Ihr kümmert Euch um das, was der Wachhund hinterlässt, wenn er fertig ist. Und ich vermute, dass Mr. Lau Spezialist ist, wenn es darum geht Dinge oder…Personen verschwinden zu lassen.“, fuhr ich fort und band die schweren, blauen Samtvorhänge mit einer goldenen Kordel zusammen.
 

Alois schmunzelte. „Du bist eindeutig zu klug. Deine Intelligenz wird dir noch mal das Genick brechen.“ „Wenn mir jemand das Genick bricht, dann seid Ihr das.“, erwiderte ich und ging zum Schrank, um Alois seine Kleider für den heutigen Tag bereit zu legen.
 

„Richtig, niemand darf dir weh tun, außer mir. Niemand darf dich töten, außer mir.“, bestätigte Alois und zog das weite Hemd aus, welches er immer zum Schlafen trug. Ich kehrte mit einem Stapel an Klamotten zu ihm zurück, kniete mich vor ihn hin und begann ihn anzuziehen.
 

Seltsam, dass Claude mir einfach so das Feld überlassen hatte. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er mich dazu auffordern würde das Zimmer sofort zu verlassen, damit er sich um Alois kümmern konnte.
 

Aber entweder hatte er gemerkt, dass die Hoheit sowieso nicht bei bester Laune war, da der Butler genau zum falschen Zeitpunkt aufgekreuzt war oder er führte irgendwas im Schilde. Beides war möglich, wobei mir die zweite Variante doch etwas wahrscheinlicher erschien.
 

„Genevieve, wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, fragte Alois etwas ungehalten und ich realisierte, dass ich noch immer die ungebundene, schwarze Schleife in der Hand hielt. „Verzeiht, ich habe nachgedacht.“, antwortete ich und beendete meine Arbeit.
 

„Und worüber?“, wollte Alois wissen. „Über Euch.“, gab ich zurück, was ja nicht komplett gelogen war, doch ich wollte Alois ungern sagen, dass ich gerade an seinen Butler gedacht hatte. Das würde ihm ganz bestimmt nicht gefallen.
 

„Hm, ich bin auch besser das Einzige, woran du denkst.“, entgegnete Alois, der mir nicht so recht zu glauben schien, aber das spielte auch keine Rolle, da er nicht weiter nachfragte, sondern stattdessen aufstand und nach dem Laken griff, in das ich noch immer gewickelt war.
 

Er zog einmal kurz daran, was für mich bedeutete, dass ich fallen lassen sollte, was ich natürlich auch tat und somit nackt vor ihm stand. Mittlerweile hatte ich damit jedoch kein Problem mehr. Solange es nur Alois war, der mich so sah.
 

„Geh zu Hannah und lass dir etwas Hübsches zum Anziehen geben. Wenn Mr. Lau heute Nachmittag hier aufschlägt, will ich, dass du uns Gesellschaft leistest.“, erklärte Alois während er zum Kleiderschrank ging, den roten Seidenkimono herausnahm und ihn mir zuwarf.
 

„Los geh. Ich werde in der Zwischenzeit frühstücken. Du findest mich dann im Arbeitszimmer. Na los, lauf schon, kleine Rose.“ Alois machte eine scheuchende Handbewegung, ich schlüpfte in den Kimono und verließ das Zimmer.
 

Er wollte mich heute Nachmittag dabeihaben? Ich hätte viel mehr darauf gewettet, dass Alois der Meinung war, dass solche Dinge mich rein gar nichts angingen. Und nun würde ich diesem Treffen beiwohnen. Absurderweise machte mich das irgendwie glücklich.
 

Alois wollte mich in seiner Nähe wissen, er vertraute mir immer mehr an und ließ mich Teil seines Lebens sein. Er öffnete sich mich und das erhöhte die Wahrscheinlichkeit geringfügig, dass ich es schaffen würde ihn zu retten.
 

Gut möglich, dass ich auch einfach zu positiv eingestellt war, aber die Alternative bestand darin zu verzweifeln und diese Genugtuung würde ich weder meinem inneren Schweinehund, noch Claude gönnen.
 

„Gen, was machst du denn hier? Und was hast du da an?“ Wie aus dem Nichts war Hannah vor mich aufgetaucht und musterte ungläubig den Kimono, der mir eindeutig zu groß war und so meinen Körper nur sehr dürftig bedeckte.
 

„Ich äh hab dich gesucht. Mr. Lau stattet dem jungen Herrn heute Nachmittag einen Besuch ab und er möchte, dass ich passend gekleidet bin.“, erklärte ich schnell. „Mr. Lau, ja?“ Hannah hob die Augenbrauen und schien zu wissen um was für eine Art Treffen es sich handelte.
 

„In Ordnung, komm mit. Wir suchen dir was Hübsches aus.“ Sie drehte sich um und ging voraus, ich folgte ihr. Das Ankleidezimmer kannte ich ja schon, weshalb ich brav in Türnähe stehen blieb und geduldig wartete.
 

„Hier, nimm das. Es geht zwar weit über den für ein Dienstmädchen angemessenen Standard hinaus, aber ich denke den jungen Herren wird es nicht stören.“ Hannah hielt mir etwas unter die Nase, das auf den ersten Blick wie ein funkelnder Sternenhimmel in Stoffform aussah. Ich schluckte. „Aber das…“
 

„Na los, zieh den Kimono aus.“, drängte Hannah und leicht paralysiert befolgte ich ihre Anweisungen. Sie hatte recht. Das hier ging weit über das hinaus, was jemandem wie mir zustand. Ich hatte gar kein Anrecht auf solche Dinge.
 

„Sieh einer an…wie eine Prinzessin.“ Hannah kniet zu meinen Füßen und richtet den Saum des Kleides. Sie nickt fordernd Richtung Spiegel. „Komm, schau dich an.“ Ich wage einen zaghaften Blick in den mannshohen Spiegel und wie zu erwarten, renke ich mir vor Erstaunen und Überraschung beinahe den Kiefer aus.
 

„Es ist sehr schön, nicht wahr? Es hat mal der Lady Trancy gehört, der Mutter des jungen Herrn.“, sagte Hannah, was das Ganze nicht unbedingt besser machte. Toll, nun trug ich auch noch das Kleid von Alois‘ verstorbener Mutter. Großartig.
 

„Es ist…wirklich sehr schön.“, nickte ich und meine Stimme klang extrem brüchig. „Setz dich, ich muss noch irgendwas mit deinen Haaren anstellen.“ Hannah erhob sich und dirigierte mich zu dem kleinen Polsterschemel, der vor dem Spiegel stand.
 

„Hm…“, machte ich nur und bekam gar nichts mehr so richtig mit. Erst als Hannah mich leicht in die Seite stupste, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, zuckte ich zusammen und hob den Blick.
 

„Gen…absolut jeder würde dich in diesem Aufzug für eine Adlige halten.“ Hannah wickelte eine Strähne meines Haares um ihren Finger, sodass sie sich leicht lockte und platzierte sie dann auf meiner Schulter.
 

Ja, jeder würde glauben ich sei eine Lady, eine Countess oder sonst was. Aber das war ich nicht. In meinen Adern floss nicht ein Tropfen blaues Blut. Und gerade ich wusste das am besten, weil man es mir immer wieder überdeutlich klargemacht hatte.
 

„Gen, träumst du? Beeil dich lieber, der junge Herr erwartet dich doch bestimmt schon.“ Hannah hatte die Stirn leicht in Falten gelegt und bevor sie mich womöglich noch fragte, ob mit mir alles in Ordnung war, stand ich auf, lächelte sie dankbar an und flüchtete aus dem Zimmer.
 

Herrgott, das war ja furchtbar. Das nahm mich alles viel zu sehr mit. Ich durfte mich auf keinen Fall weiter so emotional mitnehmen lassen. Sonst konnte ich Alois am Ende als seelisches Wrack noch Gesellschaft leisten.
 

Ich straffte die Schultern, atmete tief durch und machte mich auf den Weg zum Arbeitszimmer. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, ermahnte ich mich in Gedanken und blieb vor der Tür zum Arbeitszimmer noch mal kurz stehen, um mich zu sammeln.
 

Ich hob die Hand und wollte gerade anklopfen, als jemand die Tür öffnete und ich in Claude’s bernsteinfarbene Augen blickte. Blöder Dämon, er hatte bestimmt gewusst, dass ich vor der Tür stand.
 

„Es ist Miss Delafontaine.“, sagte Claude tonlos, ging zur Seite und ließ mich eintreten. Alois fläzte in seinem Stuhl, hatte die Beine übereinandergeschlagen und sah extrem gelangweilt aus. „Ah, kleine Rose, du…“
 

Der Rest des Satzes blieb dem Earl im Hals stecken, als er mich sah. Offenbar haute ihn mein Aussehen genauso um, wie vorhin es vorhin auch bei mir der Fall gewesen war.
 

„Hoheit.“ Claude räusperte sich. „Euer Mund steht offen.“ „Wehe du weist mich noch mal darauf hin!“, schnappte Alois, riss sich von meinem Anblick los und stand auf. „Verzeiht.“ Claude neigte demütig den Kopf. Alois schnaubte, trampelte um den Tisch herum und betrachtete mich ausgiebig.
 

„Hm…Claude du kannst gehen. Ich werde mit meiner kleinen Lady im Garten spazieren gehen.“ „Aber Euer Hoheit, bei allem Respekt. Miss Delafontaine ist nicht von Adel, demzufolge ist sie keine Adlige. Sie ist lediglich…“
 

„Ich bestimme was sie ist!“, unterbrach Alois Claude und hob die Hand, als wolle er ihm im nächsten Moment eine Ohrfeige verpassen. Was er leider nicht tat. „Sehr wohl, Euer Hoheit.“, murmelte Claude, doch man konnte hören, wie sehr es ihm widerstrebte, diese Worte zu sagen.
 

Ich musste mich beherrschen, damit ich nicht triumphierend auflachte, doch ich hätte zu gern Claude’s Gesichtsausdruck gesehen.

„Kommt Lady Delafontaine.“ Alois bot mir mit einem Zwinkern seinen Arm da, den ich mit einem eher unbeholfenen Knicks annahm.
 

In den Augen der Gesellschaft würde ich immer das bleiben, was ich war. Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen, das gerade gut genug war, um einem Earl den Tee zu servieren. Aber für Alois konnte ich so gut wie alles sein. Ein Dienstmädchen, eine Rose, ein Schmetterling ohne Flügel, eine Lady und vielleicht sogar seine Retterin.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ookami-no-Tenshi
2017-12-23T19:39:07+00:00 23.12.2017 20:39
Wie schön es wäre, wenn sie Alois wirklich retten könnte.
Ein tolles Kapi und eines muss ich jetzt endlich einmal anmerken:

Ha, ha Claude, du bist nur mehr Nummer 2 auf Alois... (tja was eigentlich?)
vielleicht Lieblings/Verführungs/Personal Liste? O.o

Tja auch egal XD
Ich freue mich schon darauf, wie es weiter geht und was Lau noch zu erzählen hat.

Lg. Ookami-chan


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