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In the spider's web

von

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Storytime: Truth and Lie

"Oh ja! Hier sieht es noch genauso aus, wie zu Earl Trancy's Lebzeiten! Wie das Licht im Gold der Villa funkelt! Dieser erhabene Glanz ist die lebendig gewordene Legende von Cipangu!", jauchzte der Viscount und drehte sich einmal um die eigene Achse.
 

Ich erlaubte es mir die Augen zu verdrehten. So ein Spinner. Immer musste er gleich übertreiben.
 

"Ja, ich habe sogar den Blumenschmuck wie zu Vaters Lebzeiten belassen.", sagte Alois. "Ich möchte...ich möchte Vaters Duft und Wärme hier bewahren." Eine einzelne, perfekte Träne kullerte seine Wange hinab. Ich biss mir auf die Unterlippe. Was für ein Schmierentheater.
 

Alois hatte bis zu diesem Zeitpunkt seinen toten Vater nicht einmal erwähnt. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er ihn gemocht, geschweige denn geliebt hatte. Er tat das hier doch nur, um bei dem Priester Mitleid zu wecken und den Viscount um den Finger zu wickeln.
 

"Sie haben ihren Vater wohl sehr geliebt.", meinte der Priester und ich wollte meinen Kopf am liebsten gegen eine Wand schlagen. Er hatte es Alois voll abgekauft. Wie konnte man nur so grenzenlos dämlich sein?
 

"Setzen wir uns doch.", schlug Alois vor und alle nahmen am Tisch im Salon Platz. Alle außer Claude und mir, wie beide hielten uns im Hintergrund.
 

"Ach, ich habe eine endlos anmutende Zeit in jenem Dorf verbracht. Ich kenne noch nicht einmal den Namen des Dorfes. Und ich weiß auch nicht genau wie lange ich dort gewesen bin. Mir war es nicht erlaubt das Dorf zu verlassen und man hat mich wie einen Sklaven behandelt.", erzählte Alois und ich verstand mit einem Schlag nichts mehr.
 

Was für ein Dorf? Warum war Alois in einem Dorf gewesen? Was erzählte er denn da bloß? Und warum sahen der Priester und der Viscount so aus, als würden sie jeden Moment in Tränen ausbrechen? Herrgott, was lief denn hier gerade ab?
 

Alois konnte sich doch unmöglich irgendeine Geschichte ausdenken, die seinen Anspruch auf den Titel rechtfertigte. Es musste eine Art Vorgeschichte geben. Eine Vorgeschichte, die mir erklärte warum Alois' Onkel seine Legitimität als Nachfolge überhaupt anzweifelte. Die mir erklärte was Alois hier gerade von sich gab und warum es alle, außer seinem Onkel, zu glauben schienen.
 

"Ein weiterer Junge befand sich in der selben Situation wie ich. Dieser Junge ist für mich wie ein Bruder gewesen. Aber an jenem Tag, in jener Nacht...", fuhr Alois fort und verstummte dann. Ich runzelte die Stirn.
 

Da war wieder dieser traurige und zerbrechliche Ausdruck in seinen blauen Augen. Der Ausdruck, der mich mit einem Mal daran zweifeln ließ, dass alles was Alois gerade von sich gab eine Lüge war.
 

"Eine sich windende Flamme, inmitten zerrissener Schreie liegt vor mir. Nichts als stumme Dunkelheit.", flüsterte Alois. Er ließ den Kopf hängen, sodass seine blonden Haare sein Gesicht verdeckten.
 

"Was ist denn in dem Dorf geschehen?", wollte der Priester wissen. "Das weiß ich auch nicht so genau. Alle waren tot, Feuer wütete und nur ich wurde verschont. Aber dann, eine kurze Zeit später, ist mein Vater gekommen, um mich abzuholen. Ich war nicht mehr allein. Endlich gab es da jemanden, der mich liebte. So dachte ich. Doch Vater..."
 

Das kurze Aufblitzen von Freude und Hoffnung in den eisblauen Augen erlosch so schnell, wie es aufgeflammt war.
 

"Ihr seid wirklich zu bedauern.", meinte der Priester. "Oh großer Gott, ich kann dir doch nicht so großzügig verzeihen!", schluchzte der Viscount. "Ihr wisst Verzweiflung ist Sünde.", erklärte der Priester, erhob sich und bekreuzigte sich. "Auch Ihr seid ein Wesen, dass von Gott geliebt wird. Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch jederzeit bestehen."
 

"Ich danke Euch vielmals." Alois stand auf und strich seine Weste glatt. "Aber, keine Sorge. Ich habe schließlich noch meinen lieben Onkel Arnold." Er lief um den Tisch herum und umarmte seinen Onkel von hinten, der sowohl überrascht, als auch unerfreut aussah und versuchte dies mit einem falschen Lächeln zu kaschieren.
 

"Ja, du hast recht.", meinte er. "Übrigens, lieber Onkel Arnold." Alois schmiegte sich gegen den Rücken seines Onkels. "Ja, was gibt es denn?", fragte er. "Du solltest mir mit deinem Gesicht nicht zu nahe kommen. Du stinkst aus dem Mund.", antwortete Alois, jedoch so leise, dass der Priester und der Viscount es nicht hörten.
 

Doch ich hörte es und ich biss mir auf die Zunge, um das Lachen zurück zu halten, dass sich meinen Hals hinauf kämpfen wollte. Alois war wirklich unglaublich. Die Leute, bei denen es nötig war begegnete er mit Charme, doch ansonsten war blutig ehrlich und schreckte niemals davor zurück tatsächlich zu sagen was er dachte.
 

Das mochte ich an Alois. Wenn die Situation es nicht erforderte, dann sagte er immer die Wahrheit. Er machte mir nichts vor, er spielte nichts. Alles was er mir sagte, wie er sich verhielt und welche Seiten er mir von sich zeigte. Es war alles echt.
 

"Nun, ich denke damit sind jegliche Zweifel ausgeräumt. Dieser Junge ist in jedem Fall der Sohn von Earl Trancy und somit der legitime Erbe. Ich, als Diener Gottes, bezeuge das." Der Priester legte seine Hand an die Stelle, wo sein Herz schlug und lächelte Alois freundlich an.
 

"Und ich glaube ebenfalls jedes Wort, das über diese zarten, von der Morgensonne geküssten Lippen kommt. Eine so reine und unschuldige Seele...ein Jammer, dass sie so viel Leid und Schmerz ertragen musste.", lamentierte der Viscount und griff sich an den Kopf.
 

"Seid Ihr nun zufrieden, Lord Trancy?", fragte der Priester und wandte sich an Alois' Onkel. Dieser knirschte mit den Zähnen, warf seinem Neffen einen mörderischen Blick zu und atmete tief durch. "Ja, es gibt absolut nichts mehr zu bereden.", presste er mühsam hervor und nun ließ Alois ihn auch endlich los.
 

"Gut, das freut mich. Tut mir leid, dass Ihr Euch diese Umstände gemacht habt, lieber Onkel.", lachte er und schenkte seinem Gegenüber ein strahlendes Lächeln, woraufhin der Viscount theatralisch seufzte und sich ergriffen an die Brust fasste.
 

"Nein, uns tut es leid, dass wir Euch belästigt haben, Earl Trancy.", sagte der Priester. "Wir werden uns nun auf den Rückweg machen, kommt Viscount von Druitt." Er legte dem Mann, der noch immer damit beschäftigt war zu seufzen und zu jauchzen eine Hand auf den Rücken und schob ihn Richtung Eingangshalle.
 

Alois wandte sich von seinem Onkel ab und schnippte mit den Fingern. Sofort war Claude an seiner Seite. Er beugte sich zu seinem Herrn herunter und Alois flüsterte ihm etwas ins Ohr. Vermutlich einen Befehl, denn Claude richtete sich wieder gerade auf, nickte kurz und verschwand nach einer halbherzigen Verbeugung.
 

"Kommt, Onkel. Ihr wollt den Priester und den Viscount doch nicht warten lassen oder?", fragte Alois. Sein Onkel stand auf, die Hände zu Fäusten geballt und fast hätte ich damit gerechnet, dass er seinem Neffen nun eine Ohrfeige verpassen würde. Doch er tat es nicht. Stattdessen musterte er mich abfällig und schnalzte mit der Zunge.
 

"Ist sie dein neues Spielzeug?" Alois kippte das falsche Lächeln förmlich aus dem Gesicht. "Was sie für mich ist, geht dich einen Scheißdreck an....Onkel. Und solltest du sie jemals wieder so ansehen oder daran denken deine dreckigen Finger nach ihr auszustrecken, dann werde ich dafür sorgen, dass du Vater in der Hölle Gesellschaft leistest.", knurrte er.
 

Seine Stimme blieb dabei erstaunlich ruhig, was die Drohung noch gefährlicher machte und ich an Arnold's Stelle würde sie annehmen. Mit einem dämonischen Butler an seiner Seite, wäre es für Alois ein Kinderspiel diesen Worten Taten folgen zu lassen.
 

"Und jetzt raus aus meinem Haus.", befahl Alois, packte mein Handgelenk und zerrte mich hinter sich her. Ich blickte nicht zurück, ich blickte auch nicht nach vorn. Ich war viel zu verwirrt, viel zu geschockt, um in diesem Moment überhaupt wohin zu blicken.
 

Was war das gerade eben gewesen? Hatte Alois mich tatsächlich verteidigt? Mich beschützt? Warum hatte er so heftig auf diese simple Frage reagiert? Warum hatte er keine vorlaute oder anzügliche Antwort gegeben, so wie ich es erwartet hatte?
 

Gott, das waren schon wieder viel zu viele Fragen, die da in meinem Kopf umher schwirrten und ich wusste, dass auf keine von ihnen jemals eine vernünftige Antwort bekomme würde. Weder von Alois, noch von sonst jemandem.
 

"Los, beeil dich!" Alois' Worte holten mich zurück in die Wirklichkeit und ich stolperte die Stufen mehr schlecht als recht empor. Am Treppenabsatz bog Alois scharf nach links ab und zerrte mich hinter sich her. Die gläserne Flügeltür zu dem kleinen Steinbalkon stand bereits offen und Claude schien uns zu erwarten.
 

Alois ließ meine Hand los und ich blieb stehen, um nach Atem zu ringen.
 

"Warte Onkel Arnold!", brüllte Ersterer plötzlich und lehnte sich über die Brüstung. "Du willst doch sowieso nur Geld von mir, nicht wahr? Hier, sieh her. Das schenke ich dir!" Claude überreichte seinem Herrn einen Koffer und als Alois diesen öffnete, klappte seinem Onkel die Kinnlade herunter.
 

"Diese schimmligen Papierfetzen taugen nicht mal als Ziegenfutter! Und die Besitzurkunden der Ländereien! Ach ja, und auch die der Pferde! Nimm alles mit!" Er griff die Papiere und warf sie über die Brüstung.
 

Ich hob erstaunt die Augenbrauen. Was materielle Dinge betraf war Alois' Gemüt wirklich extrem wechselhaft. Mal wurde er besitzergreifend und wollte sich unter keinen Umständen von etwas trennen und dann warf er einem das Geld und Ländereien förmlich hinterher.
 

Es schien ihn keineswegs zu kümmern, dass er gerade vermutlich sein gesamtes Vermögen einem machtgierigen und egoistischen Menschen überließ.
 

Ein Regen aus bedrucktem und beschriebenem Papier segelte auf Arnold Trancy nieder, als dieser wie ein Wahnsinniger versuchte alles aufzusammeln und sich dabei sogar auf den Boden warf. Gott, wie erbärmlich. Alois schien das genauso zu sehen, denn er begann zu lachen und zeigte mit dem Finger auf seinen Onkel.
 

"Seht nur wie er tanzt und mit dem Hintern wackelt! Wie armselig!"
 

Arnold Trancy packte nun den Kutscher am Ärmel und zwang ihn beim Aufsammeln der Papiere zu helfen. Zwei Menschen, die wie Idioten diesen im Wind flatternden, weißen Fetzen hinterher jagten.
 

"Hey Claude." Alois war mit einem Mal wieder todernst geworden. "Jawohl?" "Ich will, dass du lachst.", sagte Alois. Keine Reaktion. Sein Butler stand still und kerzengerade neben ihm und zuckte nicht mal mit der Wimper. Alois seufzte enttäuscht.
 

"Kleine Rose, wirst du meinem Befehl gehorchen?", fragte er und drehte sich zu mir um. Einen kurzen Moment konnte ich ihn nur perplex anstarren, dann riss ich mich zusammen und schenkte ihm das überzeugendste Lächeln, das ich gerade zustande bringen konnte. Alois quittierte es mit einem knappen Nicken.
 

Dann erfüllte ein Donnergrollen die abendliche Stille und am düsteren Horizont durchzuckten Blitze den grauen Himmel. "Ein Sturm zieht auf.", murmelte Alois und klang irgendwie betrübt.
 

"Vielleicht sollten wir lieber hinein gehen, Hoheit.", schlug ich vor. "Ja, vielleicht sollten wir das.", sagte Alois gedankenverloren. "Claude, mach mir einen Tee. Ich bin müde. Der heutige Tag war anstrengend." "Sehr wohl, mein Herr." Claude verbeugte sich, während Alois an ihm vorbei schritt und wieder nach drinnen ging.
 

Ich warf einen letzten Blick auf Arnold Trancy und den Kutscher, die nun fast alle Papiere beisammen hatten, dann die Kutsche bestiegen und das Anwesen verließen. Ein Regentropfen landete auf meiner Stirn, lief über meinen Nasenrücken und ich schaute in den nun fast gänzlich schwarzen Himmel. Das würde eine unruhige Nacht werden.
 

"Claude! Genevieve!", krakelte Alois und ich sah kurz zu dem Butler, der mir mit einer ausdrucklosen Miene den Vortritt überließ und hinter sich die gläserne Flügeltür schloss.
 

Auf halbem Weg in den Salon, wo Alois seinen Tee vermutlich trinken würde, hallte ein dumpfes Klopfen durch den Flur. Ich blieb stehen. Nanu? Erwartete Alois noch jemanden? Wohl kaum und schon gar nicht um diese Uhrzeit. Es klopfte noch mal. Aber offensichtlich wollte diese Person sehr dringend hinein gelassen werden.
 

"Was stehst du noch hier, kleiner Schmetterling? Geh und öffne die Tür. Ich werde den Tee machen.", sagte Claude und es hätte mich nicht gewundert, wenn er mich noch Richtung Eingangshalle geschubst hätte. Ich verzog das Gesicht. Pah, sollte er doch selber gehen und den Türöffner spielen.
 

"Na los, wird's bald?" Claude's Stimme war kalt und schneidend wie ein Schwert und es wäre wahrscheinlich sehr dumm von mir gewesen sich ihm zu widersetzen, also hob ich den Rock meines Kleides ein wenig an und machte mich auf, um den Fremden, der in dieser stürmischen Nacht hier aufgetaucht war, zu begrüßen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ookami-no-Tenshi
2017-12-03T09:48:14+00:00 03.12.2017 10:48
Ach, ich bin wirklich zu wenig auf Animexx ‘^^ tut mir echt leid.

Die letzten Kapis sind dir wieder super gelungen und ich freue mich jetzt schon mega darauf, wie es weiter geht.
Jetzt kommen auch bald Sebastian und Ciel vor, wie ich denke.
An der Tür kann ja schlueßlich nur einer sein ;)

Lg. Ookami-chan


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