Zwei Tiere in Ionia von SilverDragonoid ================================================================================ Kapitel 47 - Von Seemannsgarn und Sake -------------------------------------- Yi PoV:   ...Noch lange starrte ich auf die beiden übereinander liegenden Städte, die langsam immer kleiner wurden. Der Himmel war kalt und bewölkt, aber der Wellengang wies auf keinerlei Risiken hin. Es war ruhig an Deck, was für ein großes Schiff wie dieses was besonderes war. Sonst war immer was los, aber, obwohl wir vor kurzem noch an Land gewesen waren, stand ich hier allein.   Ich stützte mich mit den Unterarmen an der Reling ab und starrte ins blau-grüne Wasser. Das Plätschern der Wellen ans Schiff und die zarten, zuckenden Bewegungen des Wassers beruhigten mich zu tiefst, da ich immer noch voller Sorge war. Ich vertraute Neru, dass sie es heil zurück schaffen und irgendeinen Fortschritt mit sich bringen würde, aber dennoch war die Chance sehr hoch, dass in Noxus etwas aufgrund ihrer Identität passieren könnte. Sie war schlau genug um Ionia nicht zu erwähnen, aber ob es ausreiche, um in Sicherheit zu sein?   Drei kreischende Möwen flogen an mir vorbei und ließen mich realisieren, wie lang ich hier schon stand. Es sind wohl Stunden vergangen, sodass ich nun auch Hunger verspürte und mich entschied unters Deck zu gehen. Eine Möwe warf kurz einen Schatten auf mich, als sie überm Schiff hinweg segelte.   Nachdem sich alle in der Kombüse versammelt hatten um miteinander zu Abend zu essen, wurde es nach dem ein oder anderen Bier ziemlich laut. Ich hatte mich ganz an den Rand eines langen Tisches gesetzt - es gab zwei - um dem lauten Gelächter und der genuschelten Sprache möglichst zu entgehen. In Ruhe trank ich Schluck für Schluck meinen Sake und lauschte unbeeindruckt dem Seemannsgarn, dass irgendwann spät in der Nacht auch mal Gesprächsthema wurde. Die meisten Geschichten waren nichts Besonderes, zum Beispiel über ungeheuerliche Nixen und Meerjungfrauen oder Legenden über den grauen Nebel und die Schatteninseln, einer hatte sogar eine interessante Erfindung aus Zhaun erhalten, aber eine Geschichte zog mich da schon eher in ihren Bann. Sofort spitzte ich die Ohren, als ich die Einleitung ,,Als ich in Shurima war, habe ich von einer wunderschönen Sage gehört" hörte. Ohne mein Pokerface abzulegen schielte ich seitlich zum Erzähler rüber.   Der rundliche Mann begann zu erzählen: ,,Als ich in Shurima in einer Bar gesessen habe, hat uns ein mysteriöser Mann, der angeblich lebendig von den Schatteninseln zurück gekommen sein soll, einen Mythos über eine Göttin erzählt, die sich in einen Menschen verliebt hatte. Sie war regelrecht eine Furie, denn ihr Äußerliches konnte weder einem Menschen noch einem Tier zugeordnet werden. Ihr sehr weiblicher Körper war mit großen Klauen, Reißzähnen und Fell bestückt und sie hatte stechende Schlangenaugen, wo ein giftiger Blick hätte tödlich enden können. So beobachtete sie ihren Schwarm immer vom Himmel aus ohne sich ihm je zu zeigen. Aber sie half ihm mit ihrer Kraft, wenn er mal in Gefahr war oder einen Rat brauchte. Irgendwann konnte sie es nicht mehr aushalten und sprach in seinen Gedanken zu ihm. Schnell freundeten sie sich an und sprachen jeden Tag miteinander. Dabei vergaß die Göttin total ihre Pflichten, was ihrem Vater, der nichts über die Romanze wusste, keineswegs gefiel. So kam es, dass er sie aus Wut und Enttäuschung in die Menschenwelt verbannte, aber ihr ihre bestialische Gestalt ließ. Sie lernte schnell auf grausame Weise, dass sie in dieser Gesellschaft keinen Platz finden würde, aber als sie endlich ihren Geliebten fand, sah sie zum ersten Mal ein Lächeln. Er empfing sie mit Wärme und Liebe, anstatt mit Furcht und Hass. Er erkannte sie nämlich sofort an ihrer Stimme und hatte deswegen keine Angst vor ihr. Natürlich war er mittlerweile auch in sie verliebt gewesen und so führten sie ein glückliches Leben in Zweisamkeit. Doch eines Tages erkundigte sich ihr Vater nach ihr und fand über ihre derzeitigen Lebensumstände heraus. Das, was als Strafe gedacht war, hatte sich als Segen entpuppt, was er nicht auf sich sitzen lassen konnte. So tötete er den Mann im Schlaf, ohne dass sie es je herausfinden würde. Lange geisterte sie voll Trauer und Kummer durch die Wildnis, bis sie sich irgendwann entschied zu ihrem Vater zurück zu kehren und unter Tränen um Vergebung zu bitten. Er, der ihr Leid sah, akzeptierte ihre Entschuldigung und ließ sie wieder arbeiten, als wäre nichts gewesen. Sie aber würde nie wieder lächeln können. Beim Ausführen einer Aufgabe traf sie auf die Schatteninseln und erfuhr, dass einige besondere Seelen es bis dort hin schafften und dort weiter lebten. Es war bereits exakt ein Millennium seit dem Tod ihres Geliebten vergangenen, aber das hielt sie nicht davon ab ihn überall zu suchen, bis sie ihn tatsächlich wieder fand. Doch ihr Glück hielt nicht ewig, denn ihr Vater legte einen Bann über sie, dass sie die Schatteninseln nur noch an einem einzigen Tag genau alle tausend Jahre besuchen konnte, denn ihre Bindung war zu stark um sie komplett zu trennen. So treffen sie sich bis heute noch jedes Jahrtausend, wenn die Graunacht am stärksten ist, um ein paar Stunden miteinander verbringen zu können. Doch sie haben nie erfahren wer der Mörder war.   Da ein echter Überlebender der Schatteninseln sofort weltberühmt geworden wäre und ich nach genauerer Recherche nichts über eine derartige Gottheit in Shurima oder anderswo finden konnte, ist ziemlich klar, dass die Geschichte frei erfunden ist. Aber ich fand sie einfach schön und habe sie mir sogar aufgeschrieben, damit ich sie ja nicht vergesse", schloss der Erzähler ab, dem der gesamte Raum aufmerksam zugehört hatte. Viele äußerten eine positive Meinung, die anderen enthielten sich und dachten einfach darüber nach. Aber da es schon sehr spät war, wurde der Mythos als guter Abschluss des Tages abgestempelt und alle wurden auf ihre Kajüten geschickt.   Natürlich erkannte ich einige Referenzen zu Neru und mir, auch wenn die Geschichte eigentlich komplett anders war als unsere, aber ich fand sie einfach schön. Zufrieden schmunzelnd schlief ich ein, sobald mein Kopf nur das Kissen berührte.   Es dauerte nicht lang, bis es mich frösteln ließ, sobald ich mal an die frische Luft ging. Deshalb band ich mir einen dicken, grauen Schal um, wenn ich meiner Routine nachging und draußen einige Stunden am Tag nichts tat als die salzige Luft zu genießen. Desto näher wir Freljord kamen, desto weniger konnte ich draußen bleiben, bis ich irgendwann die Nase voll hatte und meine Rüstung gegen einen langen, weißen Mantel mit schwarzen Knöpfen eintauschte.   Mein Atem flog als zarte Dampfwolke vor mir her, als ich wiedermal das Deck betrat. Mit den Händen in den Taschen stellte ich mich an die Reling und konnte in der Ferne schon die mit Schnee bedeckten Berggipfel entdecken. Sie waren hoch und majestätisch, aber hatten auch etwas abschreckendes, warnendes. Mein gelangweilter Blick und meine trüben Augen waren noch lange auf die Berge gerichtet. Normalerweise würde ich die Zeit nutzen um zu meditieren, aber jedes Mal, wenn ich die Luft zu tief einsog, schnitt die Kälte meine Lungen auf und kratzte an meiner Kehle. Also hatte ich nicht wirklich was zu tun als auf dem Deck zu vergammeln oder mich in meiner Kajüte durch eine warme Decke oder Training warm zu halten. Obwohl die Berge schon längst in Sicht waren, dauerte es noch mehr als einen Tag, bis wir sie erreichten.   Mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Händler an der Seite, der mir den Weg zeigen würde, machten wir uns auf durch die kalten Wälder Freljords zu wandern. Der Weg war unfassbar langweilig und kraftraubend, aber ich lief immer ohne mich zu beschweren weiter. Der kleine Mann zu meiner Rechten erzählte mir ein paar Sachen, die er über Freljord wusste, um das Schweigen zu brechen und die Langeweile zu vertreiben. Eigentlich hörte ich nur halb zu, aber er schien eine nette und aufgeweckte Person zu sein. Das bemerkte ich dadurch, dass er mit großem Eifer erzählte und zwischendurch immer wieder lachte, als würde er sich an etwas Schönes erinnern. Ich hatte es nicht mal nötig Aufmerksamkeit vorzutäuschen, da es ihm auch relativ egal schien, ob ich zu hörte oder nicht, er wollte sich in dieser Umgebung einfach nicht einsam fühlen.   Ich konnte ihn gut verstehen, also ließ ich ihn einfach reden, bis er an den Grenzen seiner Kräfte angekommen war und wir uns für eine Nacht in einer Höhle niederließen. In diesem Moment war ich schon ziemlich eifersüchtig darauf, dass Neru sich jetzt gerade wohl in einem warmen und großen Bett befand. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln und ließ mich an der Höhlenwand zu Boden gleiten. Was sie wohl gerade macht? Dieser Gedanke begleitete mich in den Schlaf... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)