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Zwei Tiere in Ionia

von

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Kapitel 27 - Rendezvous mit der Vergangenheit

...Wir liefen Hand in Hand die Straßen entlang, während ich viele böse Blicke kassierte. Yi zog mich mit sich, weil ich zu beschäftigt war und mich andauernd umdrehte, klein machte und die Ohren anlegte. Es kam mir alles so bekannt vor, als wäre ich wieder in Shurima. Diese stechenden Blicke; dieser Abscheu. Ich wollte weg. Dann kamen Bilder vor meinem inneren Auge auf. Bilder von den Straßen Shurimas. Wieder wurde ich nur mitgezogen, während mich alle anstarrten. Der Unterschied ist nur das, dass es da viel weniger Leute waren und die in Shurima mich eh nicht sonderlich interessierten.

 

Dann war ich wieder in der Realität und sah ein Krankenhaus vor uns. ,,Was wollen wir hier?", fragte ich verwirrt. ,,Shen ist hier Arzt. Er kennt sich auch mit der Psyche aus. Vielleicht kann er dir helfen", antwortete er. Ich schluckte und wir betraten das Krankenhaus. Yi wusste wohl wo wir hin mussten, denn er rannte einfach mit mir durch die Gänge, bis wir vor einer Tür mit der Aufschrift ,,Shens Büro" stehen blieben. Er klopfte und bekam sofort eine Antwort. Als wir eintraten, schaute mich Shen nur total geschockt und angewidert an. ,,Was will die hier?", fragte er Yi ohne mich aus den Augen zu lassen. ,,Sie ist sich sicher, dass sie es nicht war. Wir wollen irgendwelche Beweise", antwortete er. Ich starrte Shen nur ehrfürchtig an. ,,Willst du mich verarschen? Ich habe die Leiche untersuchen müssen. Ich hätte mich beinahe übergeben bei dem Anblick!", brüllte Shen, ,,es ist eindeutig: Sie war es. Ich könnte jetzt in ihren Mund schauen und die Zähne würden millimetergenau in die Bissspuren passen. Lass dich nicht von ihrer Menschlichkeit täuschen. Wolf bleibt Wolf. Listig und grausam", beendete er seine Aussage. Yi und ich schauten uns in die Augen - er hin und her gerissen; ich mit Furcht. ,,Neru...", er konnte wohl nicht glauben was Shen da erzählte. ,,Yi...", meine Stimme bröckelte, ,,ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß nicht was passiert ist." ,,Kaufst du ihr das etwa ab?", schnauzte der Ninja. ,,Halt dein Maul!", schrie Yi ihn an, ,,du kennst sie nicht, also urteil nicht über sie! Du sollst uns einfach nur helfen!" Bei seiner Stimme zuckte ich zusammen. Ich hatte ihn noch nie so wütend erlebt. Sonst war er immer so ruhig und geduldig; maximal genervt. ,,Gut. Wie kann ich helfen?", sagte Shen nun angepisst, setzte sich hin, schlug die Beine über Kreuz und faltete die Hände.

 

Wir setzten uns auf die andere Seite des Tisches und Yi fing an zu reden: ,,Wenn es zu hundert Prozent feststeht, dass es Neru war, und sie sich kein Stück erinnern kann, dann müssen wir ihre Erinnerungen wecken. Vielleicht war das ja nur ein Schutzreflex, weil der Mann irgendwas getan hat und sie ist dann in einen Blutrausch geraten. Oder sie musste doch sonst irgendein Motiv gehabt haben, sodass man das in Zukunft verhindern könnte." ,,Ich werde mein Bestes versuchen", meinte Shen und wandte sich nun an mich. ,,Ist sowas schon mal vorgekommen?", fragte er mich. ,,Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern", antwortete ich. ,,Klingt so, als müsste ich mir wirklich was überlegen", sagte er und verzog die Stirn. Nach kurzem Grübeln fragte er: ,,Und es hat sicher nichts mit der Phase zu tun, in der du bist?" ,,Ganz sicher" ,,Könnte es sein, dass du eine gespaltene Persönlichkeit hast? Die zweite könnte ja vom Wolf in dir kommen, weswegen du dich nicht erinnern kannst" Bilder von Shurimas Straßen blitzten wieder auf. Es war Nacht und ich vernahm ein Knurren. Ich sah aus der Perspektive der Person, die sich nun durch die Gassen schlich. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich es nicht war. Das erkannte ich an der Art und Weise wie sich die Person zu bewegen schien. Die Bilder verschwanden und ich fand mich schweißgebadet im Zimmer wieder. Yi sah mich besorgt an und ich versuchte mich an Shens Frage zu erinnern. Yi nahm meine Hand in seine, um mir beizustehen. Bastets Stimme schallte in meinem Kopf wieder; aus irgendeiner vergangenen Unterhaltung. ,,Der Wolf kann meinen Körper übernehmen", hauchte ich als Antwort. Shen setzte sich etwas näher an den Tisch und legte seinen Kopf auf seinen Fäusten ab. ,,Wir kommen der Sache anscheinend näher... Hast du eine Idee unter welchen Umständen das passiert? Könnte man sich gefasst machen und es unterdrücken?", fragte er mich. Ich hatte wirklich keine Ahnung wieso und wann das passierte. Aber das Gespräch in meinem Kopf gab etwas Aufschluss. ,,Meine Schwester hatte das wohl auch, aber sie hat gelernt es zu kontrollieren. Bei mir hat es sich auch gebessert, aber ich konnte es noch nie verhindern." Langsam geriet ich in eine Art Trance, in der ich einer vergangenen Zeit lauschte. Ich nahm Shens Stimme nur im Unterbewusstsein wahr: ,,Erinner dich: Wann war es schon mal? Warum und an was kannst du dich währenddessen erinnern? Was hast du gedacht, als du nicht du selbst warst?" Ich fand mich in einer großen Halle wieder: Der Gerichtssaal Shurimas. Vorne stand Azir neben dem Richter. Ich saß als Angeklagte davor und hörte meine Schwester leise flehen, dass alles gut ginge. ,,Schuldig!", ertönte die Stimme des Richters. ,,Freigesprochen", sagte Azir stattdessen mit fester Stimme. Das Staunen aller lag in der Luft, als er mit erhobenem Haupt auf mich zu kam. ,, Komm mit", befahl er und ich stand auf. Ich folgte ihm aus dem Saal und er schloss die Tür hinter uns. Er drehte sich zu mir und sagte: ,,Ich habe genug gehört und in deinen Augen gesehen. Du kannst da nichts für. Die Natur ist etwas, gegen was man sich nicht wehren kann. Das heißt aber nicht, dass ich weitere Morde akzeptieren werde. Du darfst frei sein, aber nur unter der Bedingung, dass du lernst das Tier perfekt zu beherrschen. Bastet hat es auch geschafft, also wirst du es auch schaffen" Ich erinnerte mich an einen Tag, an dem Bastet vorne saß und ich für sie betete. Ich schaute in die Höhlen, wo Azirs Augen sein sollten, und nickte. ,,Ich werde mein Bestes geben", sagte ich. ,,Braves Hündchen", sagte der Imperator freundlich und nahm mich in den Arm. Er wusste wohl, wie sehr ich unter Stress stand und es jetzt brauchte. ,,Ich zähle auf dich", meinte er und ließ mich los.

Ich war woanders, wieder als diese Kreatur in den Gassen. Es fühlte sich an, als wäre es auf der Jagd. Eine Art Hunger plagte das Wesen. Es hatte Blutdurst. Den hatte ich sonst nur in der Schlacht, aber einfach so? Es wurde schneller und sprang jetzt auf ein Dach. Von hier aus suchte es nach seiner Beute und wurde fündig. Keine zwei Sprünge weiter landete es hinter dem Ziel und zerfleischte brutal die junge Frau. Nicht mal zum Schreien kam sie noch. Schwärze...
 

Ich kam wieder zu mir und hielt mir keuchend den Bauch, während ich zu Boden starrte. ,,Ich bin ein Monster", brachte ich hervor. ,,Neru, sag sowas nicht", Yi legte mir eine Hand auf die Schulter. Aus Verzweiflung fing ich an schrill zu lachen. ,,Ich bin ein verdammtes Monster!" ,,Sie erinnert sich wieder an alles", meinte Shen teilnahmslos. ,,Was hast du mit ihr gemacht?", fragte Yi wütend. Aber der Ninja blieb die Ruhe selbst: ,,Das war ich nicht. Das war sie selbst"...



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