Pretty Boy von Serato ================================================================================ Kapitel 13: Teil 13- Bibedibabedibu ----------------------------------- Pretty Boy   Teil 13- Bibedibabedibu   „Du kennst sie?“ Erstaunlicherweise kommt diese Frage nicht von mir. Wir bemühen uns den schnellen Schritten Shibas mitzuhalten. Als wäre er auf der Flucht, läuft er uns bald schon davon. Vielleicht befürchtet er Mishiro holt uns ein und verdonnert uns alle drei zum Training. Er hat sich allerdings klar ausgedrückt, auch wenn sie so wirkt als würde sie ein 'nein' kaum akzeptieren. Sie war allerdings ziemlich überrumpelt als er ihre Hand abgefangen hat. Denkbar das er ihren schwachen Moment ausnutzte und mir so eine weitere Gnadenfrist verschaffen konnte, in dem er mich Montag persönlich zum Training bringt. Verdammt! Dabei will ich dort gar nicht hin. Nicht mal zum Probetraining. Mit keinem Zeh betrete ich diese Trainingshalle noch mal. Ich muss mir Dinge, für die ich mich in der Schule ausziehen muss, so weit wie möglich vom Leib halten. Das Risiko ist zu groß, auch bei nur zwei Weiblichen Teilnehmerinnen im Club. Meine Scharade darf nicht auffliegen. So sollte jedoch ein normales Schulleben sein, mit Freunden treffen, lernen, außerschulische Aktivitäten in Schulclubs. Ich bekomme das volle Programm aufgedrängt von den Zweien. Die letzten Jahre war mein Leben fernab von normal, all diese Dinge hatte ich nicht und plötzlich habe ich wieder ein Sozialleben. Die verlorene Zeit bekomme ich nicht zurück, aber ich erhalte mein Leben wieder. Ein lebenswertes Leben noch dazu. Genau das wünsche ich mir so sehr, Leben. Wäre nur diese verdammte Scharade nicht,... „Takeo sag schon, woher kennst du sie?“, drängt Haruno weiter, der nicht so sehr außer Atem ist wie ich. In Rekordzeit haben wir schon den halben Weg hinter uns gebracht, als Shiba nicht mehr drum herum kommt etwas zu erwidern, weil sein Freund nicht locker lässt und er anscheinend genau weiß, dass dieser auch nicht aufgeben wird. „Kendo Club, während der Mittelschule.“, brummt er daher widerwillig. „Echt? Hast du mir schon mal von ihr erzählt?“ Er klingt überrascht, was mich wiederum stutzig werden lässt. Ich war bis eben der festen Überzeugung die beiden wissen absolut jede Kleinigkeit voneinander. Abrupt bleibt Shiba stehen und sieht seinen aufdringlichen Freund an, nachdem er mich mit einem prüfenden Blick überflog. „Sie ist die Schwester.“ „Die Schwester?“, echot er verwirrt und wiederholt es nachdenklich einige male. Sein Gesicht spricht Bände. Deutlich erkenne ich den Moment in dem der Groschen fällt und er schließlich mit offen stehendem Mund seinen gegenüber anstarrt. „Die Schwester?“, bekräftigt er noch mal mit einer deutlichen Betonung auf das 'die'. Shiba schnauft nur mürrisch und setzt seinen Weg im abgeschwächtem Tempo fort. Mit etwas Abstand folgen wir. „Die Schwester von wem?“, frage ich leise von Neugier gepackt. „Und warum kennst du sie nicht?“ „Während der Mittelstufe waren wir auf unterschiedlichen Schulen und durch den Umzug seiner Familie zu weit weg voneinander, um die neuen Bekanntschaften des jeweils anderen persönlich kennen zu lernen. Ich weiß, dass er Kendo gemacht hat. Nicht nur im Schulclub, sondern auch nach der Schule, in dem Dojo dieser einen Teilnehmerin mit ihrem Bruder zusammen, der schon in der Oberstufe war.“ Mir kommt Mishiros rätselhafter Blick in den Sinn, denn ich nie lesen konnte. Ich habe bei unserem ersten Aufeinandertreffen bereits bemerkt, dass sie Shiba kennt. Bei ihm verliert sie deutlich schneller ihre stolze Haltung, als mit jedem anderen mit denen ich sie beobachten konnte. Sie hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als Haruno seinen Prinzencharm spielen ließ. Angespannt fangen meine Nerven an zu zucken. „Wenn du von ihr nicht so viel weißt, heißt das... Mishiro und Shiba waren...“ Ich schlucke hart. Unsicher sehe ich zu Shiba, der nach wie vor ein gutes Stück vor uns läuft. „Ein Paar?“, flüstere ich kaum hörbar, dass selbst mein Herz sich lauter anhört als meine labile Stimme, die wankend die Wörter hervorbringt, bei denen ich mir lieber auf die Lippe gebissen hätte. Erschrocken zucke ich zusammen als das Teenie Model herzhaft los lacht. „Das Mädchen?“, fragt er äußerst amüsiert mit einem breiten lächeln im Gesicht, bei dem man seine perlweißen Zähne in perfekt geraden Reihen nebeneinander sieht. „Nein, aber auf das aufeinander Treffen bin ich dennoch gespannt. Ich komme Montag definitiv mit in den Kendo Club. Vielleicht mach ich auch mit, dann bist du nicht so allein dabei.“, erwidert er süffisant grinsend, während seine Hand über das stachelige Haar am Hinterkopf fährt, die anschließend nach meiner Hand fischen geht und mich näher an sich zieht als er sie erwischt. Das kleine Mädchen in mir quietscht mich fast taub. Er hält mit mir Händchen. Werft Konfetti! Schlagt die Glocken! Lasst weißen Rauch aufsteigen! Den Atem anhaltend sehe ich zu ihm auf und blicke wieder in dieses unglaublich süße schüchterne lächeln, bei dem er sich ein wenig in seine Lippe verbeißt, dass ein Mundwinkel ein wenig niedriger ist als der andere. Ich schmelze dahin. Wenn er mich so ansieht möchte ich ihm am liebsten in die Arme springen. Das wir jetzt hier Hand in Hand laufen können ist auch nur möglich, weil ich immer noch als Mädchen herum laufe. Meine Scharade hat also doch auch Vorteile. Neckisch stupse ich ihn mit meiner Schulter an und erwidere sein lächeln, mit mindestens genauso roten Wangen. Er entspannt sich sichtlich nach meiner Geste, die ihm signalisieren sollte 'es ist okay'. Er hat es verstanden. Und es ist okay. Wirklich... aber es macht mir auch angst. So sehr ich mich auch über diese Zuneigung freue, so sehr verdüstert mir ein dicker schwarzer Schatten meine Gedanken. Dieser Erinnert mich nur zu gerne, “Du Narr, dass wird nie was mich euch. Keine drei Jahre und er verlässt das Land.“ Was meiner Freude wieder einen gehörigen Dämpfer verpasst. Denn was genau sind wir jetzt? Immer noch Freunde oder mehr? Er hat Interesse an mir, dass hat er mir im Erste-Hilfe-Raum eben noch gesagt und ich bekomme in seiner Gegenwart Herzklopfen, auch das spüre ich überdeutlich. Genauso wie das Prickeln unter meiner Haut, wenn er mich berührt, so wie jetzt in meiner Hand, dass sich meinen Arm hinauf ausbreitet. Also was hält mich auf? Warum springe ich ihm nicht einfach in die Arme? Ich will ihn doch auch. So sehr. Und obwohl ich gerade irgendwo zwischen Erde und Wolke sieben taumele, höre ich ein lauten Aufprall, gefolgt von einem ächzenden Panther, der sich die Schläfe hält. „Bist du gerade echt gegen den Laternenpfahl gelaufen?“, lacht ihn sein Freund aus. „Hat dir nie einer gesagt, dass man beim laufen nach vorne gucken soll?“ „Halts Maul, dass tut weh.“, grummelt er vor sich hin und meidet den Blick mit uns. Ich löse mich von Haruno und schaue mir seinen Kopf aus der nähe an. Da er keine Anstalten macht mir entgegen zu kommen, lege ich eine Hand um seinen Nacken und ziehe ihn bestimmend zu mir runter, da er einen Kopf größer ist als ich. Er zuckt zurück, aber ich lasse ihn nicht zu weit weg. „Da wird dir ein Horn wachsen, dass sollten wir möglichst schnell kühlen, damit die Schwellung nicht zu groß wird.“ Er sieht an mir vorbei während ich seine Schläfe betrachte. Die Haut ist leicht aufgescheuert, wird aber nicht bluten. Könnte aber noch ein Bluterguss werden, die Haut beginnt bereits sich zu verfärben. „Nein, wir gehen nach Hause. Kommen doch sowieso nicht zum lernen.“ Enttäuscht sehe ich zu ihm auf. „Habt ihr nicht noch ein paar Minuten? Dad wollte euch gerne kennen lernen. Solange können wir noch was drauf tun, bis zu euch ist es dick.“ „Natürlich kommen wir mit rein.“, wendet Haruno ein und gibt Shiba einen knuff in die Seite.     Zu Hause wickle ich eine Ladung Tiefkühlerbsen in ein Handtuch und halte es an seine Schläfe. Augenblicklich zuckt er zusammen als die Kälte ihn trifft. Leise knurrend übernimmt er das Bündel und fügt sich widerwillig seinem Schicksal als ich ihn zu Dad und Haruno an den Esstisch setze. Mum ist noch unterwegs um Miyu von der Schule zu holen. Ihr Weg ist weiter als meiner und Mum möchte nicht das sie alleine mit der Bahn fährt. Sie befürchtet, dass Miyu in der Rush Hour nicht mehr rechtzeitig an ihrer Haltestelle raus kommt, so fahren sie täglich Rad. Hina kocht Tee auf und richtet den Kuchen auf großen verzierten Glastellern an. Ich glaube in diesem Haus gibt es nichts was nicht verschnörkelt, verziert oder verniedlicht ist. Selbst die Bodendielen haben ein Muster rein gebrannt, was an sich ziemlich cool ist, wären es nicht blumige Muster. Dad und Haruno unterhalten sich angeregt über Steine und Dreck. Klar fallen mehr Fachbegriffe als ich wiedergeben könnte, aber ich staune über Harunos Durchhaltevermögen diesem Thema begeistert folgen zu können. Besser gesagt, dass er überhaupt etwas von Dads Fachlatein versteht. Aber er stellt Unmengen an Fragen, auch was genau er da jetzt in Amerika macht. Ihr Gespräch versickert nicht eine Sekunde. Wenn es jedoch nur ein Versuch ist sich einzuschmeicheln macht er es genau richtig. Er hat eben ein wahres Talent dafür sich beliebt zu machen und ich bewundere es wie gut er mit Menschen umgehen kann. Dad ist auch so einer. Er kommt mit Leichtigkeit mit anderen Menschen in Kontakt. Seine offene, aufmerksame, freundliche Art öffnet ihm sämtliche Türen. Unter seinen Kollegen ist er sehr beliebt. Wenn er da ist kommen die Nachbarn oft und laden uns spontan zum Essen ein. Selbst mein Lehrer war immer hellauf begeistert wenn er statt Mum mal zum Elterngespräch kam und von denen gab es viele für mich, wegen meinem ständigen schwänzen und der schlechten Noten. Dad verhält sich auch jetzt klasse. Als wir zur Tür reinkamen, hat er mich sofort abgefangen, herzlich umarmt und mir einen Kuss aufs Haar gegeben, dass er anschließend lachend verstrubbelte. Es war mir peinlich, dass er mich vor meinen Freunden überfällt, aber er verhält sich völlig normal. So begrüßt er meine Schwestern auch. Schon immer, als wären wir noch immer die kleinen Kinder die er in uns sieht und keine heranreifenden Erwachsenen. Nur sein rechtes Auge zuckte verräterisch, als er mich in der Schulmädchenuniform sah. Er versuchte locker zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen, aber sein Auge zuckt immer wenn er gestresst ist. Es war mir unangenehm, dass er mich in der Uniform sehen musste. Hätte mich ihm lieber nicht so gezeigt. Es war ziemlich viel Input für uns alle gewesen, was die letzten Tage ausgesprochen wurde. Ich kann verstehen, dass er da ein wenig gestresst reagiert. Da Shiba aber jetzt versorgt ist, laufe ich schnell nach oben um mir was anderes anzuziehen.   Die Klimaanlage läuft auf hoch touren, bin jedoch klitschnass geschwitzt von der Hitze draußen, meinen Freunden geht es sicher nicht anders, aber im Gegensatz zu ihnen kann ich etwas dagegen tun. So gönne ich mir eine schnelle dusche und bleib dann doch einen Augenblick am Badezimmerspiegel kleben. Meine Finger gleiten durch mein nasses Haar und ich entdecke bereits einen leichten Ansatz, mit meiner eigentlichen schwarzen Haarfarbe. Verrückt. Kalifornien fühlt sich Jahre entfernt an, auch wenn Haut und Haar die Wahrheit offenbart, dass es erst ein paar Wochen her ist. Meine Haut ist nach wie vor goldig braun und sofort vermisse ich die Sonnigen Tage am Strand mit den Jungs. Michael ist so toll mit mir umgegangen. Er hat bemerkt, dass ich sie jeden Tag beobachtet habe, bis er mich fragte ob ich es lernen möchte. Es hat mich viel Überwindung gekostet, aber ab da an war ich mitten drin. Ein Teil seiner Gruppe. Ein Freund. Es hat mir gut getan und ich habe mich nie freier gefühlt. Da draußen auf dem Meer. Bei Wind und Wetter. Bei hohen Wellen oder ruhigen Treiben. Weit und breit keiner der mich kannte und diffamierte. Ich trete einen großen Schritt zurück um mehr von mir im Spiegel zu sehen. Tief seufzend nehme ich mir einen Moment um einen Blick auf meinen Körper zu werfen. Immer noch nicht ein einziges Haar mehr. Meine Muskeln nach wie vor ohne Definition. Ich bin allerhöchstens sportlich, aber hübsch oder sogar sexy wie Susu und Haruno es behauptet haben? Nein, dass sehe ich nicht so. Ich habe den verdammten Körper eines Kindes. Ich bin ein Junge und kein Mann. Nein, noch schlimmer, ich bin ein Mädchen mit features. Ein frustriertes spöttisches lachen entweicht meinen Lippen. Viel lieber wäre ich wie Dad, Haruno oder vielleicht sogar Shiba. Verdammt, sogar Susu sieht männlicher aus, dabei ist er auch nur so ein halbes Hemd wie ich. Ich möchte doch einfach nur als Mann erkannt werden. Gedankenversunken betrachte ich mich noch eine Weile mit diesem Konstrukt aus Luftschlössern die sich in meinem Kopf zusammen bauten und meine Stimmung in den Folterkeller riss, dass erneut dieser fiese dunkle Schatten in mir zu kriechen scheint. Nach dem ich nun doch länger brauchte als gewollt, ziehe ich mir schnell meine graue Jogginghose an und werfe ein T-shirt über. Schlichtes weiß und viel zu groß, weil es nicht meins ist, sondern eins das ich Dad aus dem Koffer mopste, bevor er mal wieder für einige Tage weg fuhr. Das ist schon ewig her. Damals hatte ich die Hoffnung ich würde noch rein wachsen. So kann man sich täuschen.   Als ich die Treppen runter komme sehe ich bereits Shiba am letzten Absatz stehen. „Alles okay?“, frage ich verunsichert bei seinem Anblick. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben sieht er zu mir hoch. Seine Stirn ist in Falten gelegt und er macht sich ein wenig klein, in dem er die Schultern hoch zieht und den Kopf dazwischen versenkt. Er sieht kränklich aus, ein wenig blass um die Nase. „Deine große Schwester hat sich Haruno geschnappt sobald du weg warst, um ihm die Haare zu schneiden.“ Ein schwaches lächeln macht sich auf meinen Lippen breit. Ich kämpfe noch mit den nach Wallungen meiner schlechten Laune, aber allein schon meinen großen Panther im Stubentiger-Modus zu sehen macht es mir etwas leichter. „Und jetzt fühlst du dich einsam ohne ihn?“, scherze ich wenig geistreich. Langsam komme ich auf ihn zu. Er lässt mich nicht aus den Augen. Beobachtet aufmerksam jede Bewegung, mit seinen wunderschönen Augen die hinter seinem Zottelpony hervorblitzen. Mir stockt der Atem, dass ich umso bewusster mein lautes Herz hören kann. Vielleicht habe ich mich auch getäuscht und der wilde Panther lauert nur knapp unter der Fassade des Kätzchens. Ich schlucke hart als ich die letzten Stufen zwischen uns überwinde. Kaum bin ich auf der letzten angekommen, schließt er mich völlig unerwartet in seine Arme. Perplex halte ich inne und lasse es geschehen. Ich würde gerade alles geschehen lassen. Sonst bin ich einen Kopf kleiner, aber da ich noch auf der Stufe stehe bin ich genauso groß wie er. „Ja...“, nuschelt er an meinem Hals gepresst. Ich spüre seine warmen Lippen auf meiner Haut und umgehend spielen meine Sinne verrückt. Meine Haut prickelt angenehm und ein wohliger Schauer macht sich über mir breit. Deutlich spüre ich, wie jede Zelle in mir nach Aufmerksamkeit lechzt. Ich traue mich kaum einzuatmen, weil ich befürchte, dass er wie ein verschrecktes Reh das Weite suchen wird, sobald ich mich rühre. Doch ich möchte unbedingt einatmen, denn er riecht so unglaublich herrlich nach frischen Schweiß. Herb, männlich und unfassbar erregend. Bin ich pervers wenn ich behaupte, dass mich das ganz hibbelig macht? Mein Bauch ist wieder erfüllt von diesem ungewöhnlichen flattern und es juckt mir in den Fingern ihn anzufassen, aber was dann? Ich fange an mir selbst nicht mehr zu trauen. Verdammt, ich bin keine vierzehn mehr. Die Zeiten in denen ich aus Träumen aufschreckte und die Shorts zwischen meinen Beinen klebte ist vorbei. Ich sollte mich wirklich besser unter Kontrolle haben. „Wirklich alles gut mit dir?“, frage ich etwas schwach und viel zu abgelenkt von dieser Reizüberflutung. „Jetzt ja.“, haucht er mir wieder seinen Atem in den Nacken. Mit größter Mühe kann ich noch ein Stöhnen unterdrücken, aber nicht mehr meinen aufschwingenden Zauberstab, der sich bereit zum Hexen aufstellt. Wenn ich mir als gute Fee selbst etwas wünschen könnte, große scheiße noch mal, ich wüsste ganz genau was es jetzt wäre. Bibedibabedibu. Erschrocken zucke ich zusammen als mein Handy diesen Benachrichtigungston von sich gibt, an dem ich sofort erkenne von wem die Nachricht ist. Nein, dass war ganz sicher nicht mein Wunsch. Trotzdem genau die richtige Ablenkung. Ungeschickt fummle ich das Handy aus meiner übergroßen Hosentasche und lasse es auch noch beinahe fallen, dass selbst Shiba beim zusehen zusammenzuckt. Er gibt mich ein Stück frei und ich drehe ihm den Rücken zu, um die Nachricht zu lesen. Vor allem aber um ihm meine Beule in der Hose nicht so obszön entgegen zu strecken. Ich befürchte, er hat es bemerkt als ich mein Handy hervor holte. Nett von ihm, dass er dazu nichts sagt. Ich würde mich vor Scham verkriechen und erst in drei Jahren wieder raus kommen. Während Shiba nun die Arme von hinten um meinen Bauch fester schlingt, um mich bei sich zu behalten und die Hitze seiner Hände durch den dünnen Baumwollstoff meines T-Shirts auf mich übergeht, tippe ich nervös und überempfindlich auf dem Display herum. Verdammt, warum ergeht es nur mir so? Das ist ungerecht. »Susu: Wann soll ich dich abholen holde Maid?« Im ersten Moment bin ich verwirrt, weil ich mich an keine Verabredung erinnern kann, doch einen Augenblick später und ein tiefer Atemzug neben mir in meinem Nacken, fällt es mir wieder ein und ein belustigtes schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen. Er hat sich vorgenommen mit mir Ni-chóme unsicher zu machen, um einen Freund für mich zu finden. Instinktiv werfe ich einen Blick über meine Schulter. Shiba hat sein Gesicht wieder in meiner Halsbeuge vergraben und wirkt geschwächt, vielleicht sogar verletzt. Es ist das erste mal, dass er die nähe braucht und nicht ich. Er hat mich schon so oft in den Arm genommen, weil ich die Nähe in diesem Moment brauchte und er erkannte es natürlich mit seiner alles sehenden Gabe. Jetzt darf ich ihm nähe spenden, die ihm hoffentlich genau so gut tut wie mir die letzten male. Meine Finger streichen über seine wunde Hand, die gut heilt nach dem Schlag. Die Stelle an seine Schläfe ist dick angeschwollen, er hätte es länger kühlen müssen. Es ist ein ganz schön dickes Horn geworden. „Wie geht es deinem Kopf? Ist dir vielleicht schlecht? Das hat ganz schön gedonnert als du gegen die Laterne gelaufen bist.“ Er antwortet nicht, sondern schüttelt nur sachte den Kopf, ohne den Kontakt zu mir zu verlieren. Ich weiß nicht was ich von seinem Benehmen halten soll. Ich beschließe Susu zu Antworten. »Komm doch bitte jetzt gleich, dann kriegst du noch was vom Kuchen ab. Dad ist da und die Jungs auch noch.« Wenn er kommt, kann er sich ein Bild von Shibas verhalten machen, sicher fällt ihm etwas auf, was mir entgeht. Ich möchte das Handy gerade wegstecken, als es wieder einen Ton von sich gibt. Das ging schnell. »Susu: Das klingt schrecklich nach einer Verhörrunde. Das lass ich mir nicht entgehen. Wir machen es auf die altbewährte Guter-Cop-Böser-Cop-Tour und ich bin der versaute Cop.« Ich muss tatsächlich kichern. „Subaru?“, fragt Shiba und sein Atem streift mich erneut, was eine Hitzewelle in mir auslöst und mein Zauberstab wieder zur vollen Größe anschwellen lässt. Im Augenblick gebe ich wohl einen besseren versauten Cop ab. Ich besinne mich einen Moment bevor ich Antworte und Atme tief durch, aus Angst meine Stimme verrät meinen Zustand. „Ja, er kommt auch gleich dazu. Er kennt nur Mum und Hina. Die werden ihn jedoch nicht wieder erkennen, dafür hat er sich, seit sie ihn das letzte mal gesehen haben, zu sehr verändert.“ „Damals keine Regenbogenhaare?“, fragt er nüchtern. Ich lache kurz auf. „Keine Regenbogenhaare, nein. Sie waren Rabenschwarz, mit einem natürlich schönen Glanz. Er hatte nur wenige Piercings und deutlich weniger Tattoos. Er hat ein wahres Kunstwerk aus sich gemacht in den letzten zwei Jahren.“ Er schnauft und ich verfluche meinen Schwanz innerlich dafür, dass er so sensibel auf ihn reagiert. „Kann ich mir gar nicht vorstellen, dass er mal wie ein normaler Mensch rumlief. Es passt jedoch zu ihm.“ Ich will gerade etwas erwidern, als ich höre wie hinter uns die Tür auf geht. Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich spüre wie ich augenblicklich versteife. „Wir sind wieder da.“, ruft Mum während sie mit Miyu das Haus betritt. Als sie den Blick hebt ist sie überrascht das wir vor ihr stehen. Natürlich hat sich Shiba ihr geistesgegenwärtig zugewandt als er die Tür hörte, dass ich und meine ausgebeulte Hose, mich hinter ihm verstecken können und wir Mum nun mit hoch rotem Kopf Willkommen heißen. Miyu sieht sich suchend um. „Wo ist Haruno?“ „Oben, bei Hina.“, nicke ich verkrampft in die Richtung und schon ist sie verschwunden. Falls ich doch eine gute Fee bin, sollte ich mir diesen Zauberspruch merken. Mum verschwindet währenddessen in die Küche und ich höre ihre und Dads Stimme. Die Anspannung fällt von mir. Leicht zitternd versenke ich meine Finger in Shibas Kragen am Nacken und Atme bewusst ein paar mal tief durch, mit meiner Stirn zwischen seinen Schulterblättern. Aber so schnell lässt er sich nicht beruhigen, dafür wummert mein Herz immer noch zu wild gegen meine Brust. Das war ein ganz schöner Schreck. „Geht´s?“ Shibas Stimme klingt ganz ruhig, ich habe keine Ahnung wie er es schafft so cool zu bleiben. Das kann doch unmöglich echt sein. Um seine Frage bestätigen zu können wage ich einen Blick an mir herunter. Alles wieder glatt, nur ziemlich weiche Knie. Ein wenig kurzatmig nicke ich an seinem breiten Rücken, dass er meine Antwort spürt. Meine Finger lockern ihre verkrampfte Haltung und ich spüre unter ihnen die warme Haut seines Halses und seinen galoppierenden Puls.   Gewissenhaft bringe ich Mums Einkäufe in die Küche, die noch am Fahrrad hingen und bemerke aus den Augenwinkel wie Shiba mir folgt. Ich werde das Gefühl nicht los das irgendwas nicht mit ihm stimmt. Heute morgen war er noch ganz anders. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Hoffentlich schafft Susu es rechtzeitig bevor die beiden zur Arbeit müssen. Ein zaghaftes “Hey“ erklingt aus Richtung der Tür und fast gleichzeitig schauen wir auf. Wow. Aus dem Teenie Model wurde soeben ein Hochglanz Cover Model. Verlegen fährt er seine Hand durch sein frisch geschnittenes Haar und lässt seinen Blick über uns schweifen, der an mir haften bleibt. Wow. Ich weiß, dass hab ich schon gedacht, aber was anderes fällt mir gerade nicht ein. Er schaut mich wieder mit diesem schüchternen lächeln an, bei dem mein Magen wieder anfängt unruhig zu flattern, dass jetzt aber überhaupt nicht mehr zu seinem verwegenen aussehen passt. Die Haare sind wieder komplett schwarz. Seine Strähnchen am Hinterkopf sind weg und nicht nur die. Seine Igelspitzen auch. Denen trauere ich aber nur kurz nach, dafür sieht er jetzt einfach viel zu gut aus mit der neuen Frisur. Die Seiten und der Nacken sind kurz geschoren. Dafür sind die Haare auf seinem Kopf lang geblieben und so schön wild durcheinander gestylt, dass er diesen verführerischen frisch aus dem Bett Look hat und ich am liebsten meine Finger in ihnen versenken möchte. Wild schlägt das Herz in meiner Brust und ich suche nach Worten die kein sinnloses Gestammel beinhalten oder klingen als wäre mein Gehirn gerade in meiner Hose gelandet. Mum ist die erste die etwas sagt, nach dem sie meinen Vater herzlich begrüßt hat, mit einem etwas zu langen Kuss. „Hui, Junge. Du siehst plötzlich ganz anders aus.“, meint sie und wedelt sich demonstrativ Luft mit der Hand zu, als ob ihr heiß wäre. „Also wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre,-“ „Dann würdest du dich dennoch für mich entscheiden.“, unterbricht sie Dad freundlich lächelnd und Mum erwidert es kichernd mit leuchtend roten Apfelbäckchen. „Natürlich Bärchen. Du weißt, ich Liebe nur dich.“ Sie teilen einen lauten Kuss und ich versenke mein Gesicht in den Händen. Verdammt! Warum müssen Eltern nur so peinlich sein?! Es ist ja schön zu sehen, dass sie sich so innig Lieben, aber doch bitte nicht vor meinen Freunden. „Mum, Dad, ich bitte euch!“, nuschle ich beschämt durch meine Hände. „Ach, stell dich nicht so an.“, höre ich Mum belustigt kichern. Als ich meine Hände runter ziehe, sehe ich Haruno ein paar Schritte auf mich zu kommen. „Und wie findest du es?“, fragt er mich mit diesem entzückenden lächeln, dass er trotz des peinlichen Auftritts meiner Eltern beibehielt. „Na ja, ich denke es ist schon alles gesagt.“ Ich erwidere Mums Geste mit der wedelnden Hand und grinse schelmisch. Wieder fährt er mit seiner Hand durchs Haar. Verdammt, das will ich auch. Ich will unbedingt meine Finger in dieses Nest stecken. Es sieht so verlockend aus. Unruhig kaue ich auf meiner Unterlippe. „Nicht zu kurz?“, fragt er etwas verunsichert. Ich schüttle sachte den Kopf und gehe zögerlich ein paar Schritte auf ihn zu, komme aber rechtzeitig zum stehen als Miyu plötzlich neben Haruno auftaucht und seine Hand nimmt. „Du siehst toll aus, wie ein echter Märchenprinz.“ Märchenprinz? Verdammt, er sieht aus als wäre er das Model des heißbegehrten dies Jährigen Pin-up Kalenders. Er lächelt Miyu ehrlich an. „Dann hat deine Schwester gute Arbeit geleistet?“ Miyu nickt euphorisch. „Aber vorher sahst du auch toll aus.“, gesteht sie mit glänzenden Augen, was sein lächeln noch breiter werden lässt. Es wird ihr kleinen Herz brechen, wenn sie erfährt, dass er sie nicht eines Tages Heiraten wird, aber vor dem Gespräch drücke ich mich so lange wie möglich und spiele weiter die gute Fee. Soll sie träumen von ihrer glücklichen Cinderella Vorstellung. Sie ist noch so jung und unverbraucht. Auch wenn sie ein gerissenes Biest ist mit ihren erpresserischen Fähigkeiten. Hina kommt nun auch in die Küche und klatscht voll Tatendrang in die Hände. „So, der nächste bitte.“ Sie sieht dabei direkt zu Shiba, der endlich wieder etwas von seiner aufmüpfigen verschlossenen Art zurück gewinnt und abwehrend die Arme vor der Brust verschränkt. Vielleicht habe ich mir ja umsonst sorgen gemacht. Jetzt da Haruno bei ihm ist, fühlt er sich wieder sichtlich wohler. „Verzichte. Danke.“, erwidert Shiba mit verkniffenem Mund. „Stell dich nicht so an. Sie schneidet dir schon keinen Vokuhila.“, lacht sein Freund. „Wenn du so an deinen Haaren hängst schneide ich sie dir auch nur in Form, damit du wenigstens ansatzweise eine Frisur hast. Dann kannst du sie dir nach belieben wieder ins Gesicht hängen.“ Sogar meine Mutter mischt sich jetzt ein. „Ach Junge, du siehst aus als hättest du einen Besen auf dem Kopf. Nun trau dich. Hina versteht ihr Handwerk.“ Shiba lässt sich nicht erweichen. Er presst die Lippen nur fester aufeinander und stolpert ein paar Schritte zurück. „Lasst ihn doch, wenn er nicht will. Wir sollten uns lieber über den Kuchen her machen, jetzt da wir alle hier sind. Die beiden müssen heute noch Arbeiten und haben nicht ewig Zeit.“ Meine Ablenkung war erfolgreich, denn sofort springt mein Vater neugierig drauf an. Und auf seine Nachfrage hin wiederum Haruno. Ein Dominoeffekt entsteht und nach und nach setzen sie sich an den Tisch. Ich tausche einen Blick mit Shiba und er formt tonlos ein “Danke“ mit seinen Lippen, was mich glaube ich ziemlich dämlich grinsen lässt, weil mein Herz einen Luftsprung nach dem anderen bewältigt.   Ich koche eine neue Kanne Tee auf und beobachte über den Küchentresen hinweg das Treiben am Tisch. Miyu sitzt neben Haruno und malt ein neues Bild für ihn, während sie sich mit Kuchen voll stopft. Mum lehnt glücklich lächelnd an Dads Schulter, der einen Arm um sie gelegt hat und mit der anderen wild gestikuliert während er sich mit Haruno unterhält. Hina kann es nicht lassen spitze Kommentare von sich zu geben, die sich an Shiba richten. Das ist für mich nichts neues. Auf mich redet sie auch ewig ein, bis ich sie an meine Haare lasse. Es ist aber interessant herauszufinden, wer von den beiden Dickköpfen den längeren Atem hat. Wo ich längst nachgegeben hätte, schaffe er es locker sie zu ignorieren, wenn sie wieder eine Bemerkung ins Gespräch fallen lässt und ihn nicht gerade direkt anspricht. Alles in allem benimmt sich meine Familie wie immer. Das ist sehr beruhigend, jedenfalls so lange ich nicht darüber nachdenke, was in ihren Köpfen vor sich gehen mag. Ich habe mich bewusst dem treiben am Tisch entzogen, denn ich bekomme dieses dämliche grinsen einfach nicht aus meinem Gesicht. Immer wenn ich sie ansehe kommt es zurück. Meine Unterlippe tut schon weh, weil ich krampfhaft darauf herum beiße sobald ich es bemerke. Genau wie jetzt. Seufzend wende ich mich meiner Aufgabe zu, als Hina neben mich tritt. „Du hast da zwei wirklich sehr gute Freunde erwischt Misaki. Du kannst dich glücklich schätzen.“ Das Grinsen wird wieder breiter. Verdammt, mir tun schon die Wangen weh. „Ja, ich weiß.“ „Haruno war ziemlich nervös als er da oben mit mir allein war. Er hat die ganze Zeit vor sich hin geplappert und gar nicht den Mund halten können. Ich glaube, er wollte einfach einen sehr guten Eindruck hinterlassen.“ Ich sehe hinüber zu ihnen an den Tisch, an dem Shiba mit verschränkten Armen sitzt und mit Haruno meckert, dass er schon wieder zu viel aus dem Nähkästchen plaudert, der jedoch herzhaft lacht und mit seinem lachen alle ansteckt, dass mir wiederum ganz warm wird und mein Herz unerträglich laut. „Meine Güte Misaki. Was hast du nur mit dem armen Jungen angestellt? Du hast ihm völlig den Kopf verdreht.“ Es klingt nicht anklagend, eher belustigt wie sie es sagt. Was hab ich mit ihm gemacht? Was haben sie mit mir gemacht, sollte es wohl eher heißen.   Ende von Teil 13 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)