Pretty Boy von Serato ================================================================================ Kapitel 2: Teil 2- Leben in Zuckerwatte --------------------------------------- Pretty Boy Teil 2- Leben in Zuckerwatte Ren Haruno, Anwärter auf Japans next Topmodel und Takeo Shiba, komischer Kauz mit seltsamen Geschmack, meinen ihr Angebot tatsächlich ernst. Nach der Schule sind sie mit zu mir nach Hause gegangen und ich konnte sie nicht davon überzeugen, es zu lassen. Ich hätte lieber in der Schule mit ihnen gelernt, das wäre nicht weiter wild gewesen, aber meine Mutter erwartet mich und so bleibt mir nichts anderes übrig als das hartnäckige Pack mit zu nehmen. Ist das jetzt Glück, dass ich am ersten Tag “Freunde“ gefunden habe, oder ist das ein Hinterhalt und sobald sie etwas peinliches über mich erfahren haben, treten sie es in der Schule breit und das Mobbing geht von vorne los? Wenn dem so ist, haben sie jetzt genug Gesprächsstoff, nachdem sie nun bei mir zu Hause sind. Es fängt schon an, als wir vor meinem Haus stehen und sie es sichtlich überrascht mustern, denn das Haus hat einen leuchtend pinken Anstrich und fast jeder Quadratmeter des Gartens ist mit Blumen bedeckt. Wenn mein Vater in seiner Urlaubszeit herkommt, würde er sicher auch am liebsten weiterlaufen und uns nur außerhalb der pinken Reichweite treffen. Da er aber hier nicht wohnt, tobt meine Mutter sich aus, um alles, wirklich alles zu vermädchenhaften, auch mein Zimmer. Besonders stolz ist sie auf diese furchtbar kitschige Tagesdecke mit Rüschen. Die Platzdeckchen hat sie selber gehäkelt und die Gardinen sind voll von kleinen Häschen. Mein Zimmer ist allerdings noch harmlos im Vergleich zum Rest des Hauses. Meine Mutter war so großzügig, die Farben Rosa und Pink aus meinem Zimmer zu verbannen. Meiner Scharade kommt es jedenfalls zugute. Wir sitzen alle drei an einem Couchtisch vor meinem Bett und lassen uns von meiner Mutter bewirten. Sie platzt fast vor Freude, weil ich gleich am ersten Tag “Freunde“ mit nach Hause bringe. Das passiert das erste Mal. Sie ist lediglich etwas verwirrt, was meinen Aufzug angeht. Sie fährt die harten Geschütze auf und bringt uns selbst gemachten Eistee und Kuchen auf hübsch verzierten Tellern. Das ist das gute Geschirr, dass sie sonst nur zu besonderen Anlässen rausholt. Ich weiß ja nicht, mit wem sie die beiden verwechselt, aber ein Besuch der Queen ist das nicht, aber dann würde sie sicher das Hochzeitsgeschirr rausholen und Pastete servieren. Ausgiebig sehen sich die beiden in meinem Zimmer um. Die Möbel hat ein Freund meines Vaters selber gebaut, ich hätte mich auch mit Ikea Möbeln zufrieden gegeben. Die meisten Möbel sind so alt, wie ich, weil die kostbaren Stücke schon vor meiner Geburt für mich gefertigt wurden. Sogar der Wickeltisch steht noch da, lediglich der Fernseher steht drauf, fällt dann vielleicht nicht so auf, wenn man es nicht weiß. Trotzdem peinlich. Shibas Blick bleibt an einem Poster von einer Mangaserie hängen, während Haruna ein Foto meiner Familie gefunden hat und den kitschigen Rahmen in die Hand nimmt, auf dem kleine Häschen sich umarmen. „Das ist deine ganze Familie? Wer ist das alles?“, fragt er angetan. Ich beuge mich dicht zu ihm und zeige mit dem Finger drauf. „Meine Mutter hast du ja schon gesehen, die mit den Zopf ist meine kleine Schwester, sie ist jetzt zehn Jahre alt. Das ist meine große Schwester, sie ist 22.“ „Steht sie auf Jüngere?“, unterbricht er mich und grinst breit. „Sie hat einen Freund, unterstehe dich ihr krumm zu kommen!“, mahne ich ihn. Ich bin immer noch ihr Bruder und fühle mich verpflichtet, sie zu beschützen, auch wenn sie stärker als ich ist und ich weiblicher aussehe. „Das bin ich und das ist mein Vater“, erkläre ich. „Was macht er eigentlich in Amerika?“, wundert er sich. „Er arbeitet in Kalifornien als Geologe und sucht nach einer Möglichkeit der Erdbebenfrüherkennung.“, sage ich stolz. „Und warum nicht in Japan? Wir haben auch Erdbeben.“, wundert er sich immer noch. „Die Amis zahlen mehr.“, erwidere ich knapp. „So und jetzt Schluss, aus, Ende! Lernen! Dafür seid ihr schließlich hier“, bestimme ich. Shiba hält sein Wort und hat mir die ersten Dinge erklärt, die im Unterricht durchgenommen werden. So langsam kommt mein verlorenes Wissen wieder. Das erste Jahr der Oberschule war ich ja noch größtenteils anwesend und der Stoff hat sich nicht geändert. Aber Englisch lernen mit den Zweien ist der Horror. Entweder stellen sie sich absichtlich doof an oder sie haben ein fehlendes Gen, was verhindert, dass sie Fremdsprachen lernen können. Ich knie neben Shiba und versuche ihm anhand einer Grafik die Zeitformen zu erklären, als ich bemerke, was für ein breites Kreuz er hat. Er sinkt immer so in sich hinein, dass es mir vorher überhaupt nicht auffiel. „Sag mal, kannst du überhaupt etwas sehen hinter deinem Zottelpony?“, frage ich ihn. „Es genügt“, murmelt er. „Er versteckt sich dahinter, weil ihm die Mädchen sonst wieder kreischend nachrennen würden“, lacht der Igelkopf euphorisch. „Papperlapapp! Wenn du nichts siehst, kannst du auch nicht vernünftig lernen!“, mahne ich bestimmend und schnappe mir eine der Haarklammern, die meine Schwester immer bei mir liegen lässt, nachdem sie sich an mir ausgetobt hat und klemme ihm kurzerhand seinen langen Pony zurück. „So, viel besser!“, lächle ich ihn breit an. Er sieht plötzlich wirklich ganz anders aus, auch wenn er gerade verlegen auf sein Heft starrt, aber jetzt stechen seine panthergleichen Augen deutlich unter seinen geschwungenen Augenbrauen hervor. Ein schönes ovales Gesicht mit einem kantigen Kiefer. Schmale blassrosa Lippen, über die er kurz mit der Zunge fährt um sie zu befeuchten, was sie für einen kurzen Moment schimmern lässt. Sein Nasenrücken hat einen kleinen Huckel, der kaum auffällt. Er wirkt insgesamt älter als das Teenie Model, aber ich muss zugeben, dass beide sehr hübsch sind. Sie sehen wirklich aus wie Männer, hübsch aber männlich. Warum kann ich nicht auch so aussehen? Warum bin ich nicht nach meinem Vater gekommen? Das wurmt mich sehr. Ich spüre, wie sich etwas um meine Hüfte legt. Harunos Arm hat sich selbstständig gemacht und es macht auch nicht den Eindruck als ob er so schnell loslassen würde. „Du musst mir Aufgabe sechs noch mal erklären“, meint er. Strafend mustere ich ihn und kneife in seine Hand, die so frech auf meiner Hüfte ruht. Ein leises lachen dringt vom Anderen an mein Ohr. Es ist mittlerweile ziemlich spät und wir machen gerade Schluss mit Lernen, als meine große Schwester in mein Zimmer kommt. „Oh, du hast ja Besuch“, sagt sie überrascht. Sogleich starrt sie mich irritiert an, denn ich stecke immer noch in ihrer Uniform. „Kann ich mal mit dir sprechen?“, kommt es gedehnt von ihr. Langsam folge ich ihr in ihr Zimmer. Ich komme mir vor als würde ich zum Kriegsgericht geführt werden. Knarrend fällt die Tür hinter mir ins Schloss, ihre Hand ruht noch auf der Türklinke, als sie sich mir mit ernstem Blick zuwendet. Nervös halte ich mich am Saum des Rockes fest und starre auf den Boden. Ich dachte, das Gespräch mit meiner Mutter würde mir schwerer fallen, als das mit ihr. „Also...“, beginnt sie. „Was für einen perversen Scheiß macht ihr da?“ „Was?“, keuche ich schockiert. „Du hast da zwei Kerle in deinem Zimmer und du hast meine Uniform an. Zwingen die dich dazu? Muss ich die Polizei rufen?“, sagt sie vollen Ernstes. „Nein, das ist meine eigene Schuld. Ich bin heute früh schon so zur Schule gegangen, frag nicht warum, ich kann es mir selber nicht wirklich erklären“, nuschle ich. „Und die da nebenan halten dich jetzt ernsthaft für ein Mädchen?“, wundert sie sich. „Alle halten mich für ein Mädchen, das was doch eh schon immer mein Problem. Bitte verrate mich nicht“, flehe ich. Sie seufzt tief und nimmt mich dann in den Arm. „Ach, du Dummerle.“ Sanft streichelt sie mir übers Haar. „Pass bloß auf dich auf. Mach nicht noch mehr Dummheiten.“ Sie hält kurz inne und sieht zu mir runter. „Bist du wirklich mit den Locken zur Schule? Oh je, ich mach dir für Morgen ein ganz süßes Styling“, freut sie sich. Wie schön, dass sie wieder was positives daran finden kann. Jetzt hat sie erst recht einen Grund ihrem Handwerk an mir nachzugehen. Es klopft laut an der Tür und Harunos Stimme erklingt. „Misaki-chan wir müssen los.“ Ich eile zu ihnen. „Alles ok?“, fragt Shiba. Ich nicke verhalten und bringe sie zur Tür. Schweigend sehe ich ihnen zu, wie sie ihre Schuhe anziehen. Es sind nur drei Jahre, dann ist die Oberschule beendet. Drei Jahre werde ich als Frau durchhalten müssen, oder schon wieder die Schule wechseln. Als Notlösung gäbe es noch die Arbeitswelt, auch wenn ich ohne Oberschulabschluss nicht viel machen kann, aber nie wieder will ich mich dem aussetzten, was hinter mir liegt! Eine Hand legt sich auf meine Schulter und reißt mich aus meinen Gedanken. Zwei wilde Augen schauen in meine, Besorgtheit liegt in ihnen als er fragt: „Ist wirklich alles in Ordnung? Haben wir dir ärger gemacht?“ „Alles bestens. Sie war nur etwas besorgt“, gestehe ich leise. Nickend nimmt er die Hand von mir. Der Igelkopf drängt sich gekonnt zwischen uns. „Ok, dann bis morgen, Süße. Gute Nacht“, sagt er, drückt mir einen Kuss auf die Wange und ergreift schnell die Flucht, bevor ich ihm hätte an die Gurgel springen können. Shiba verbeugt sich nur kurz und folgt seinem Freund dann. Fassungslos sehe ich ihnen nach. Was für zwei komische Typen. Ein Unterschied wie Feuer und Eis, aber passen zusammen wie Blitz und Donner. Beim Abendbrot musste ich meiner Mutter dann auch noch erklären, was eigentlich los ist. So wie meine Mutter ist, nickt sie nur verständnisvoll und lässt mich machen. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen sie zu haben. Während meine Schwester schon fieberhaft überlegte, wie sie mich morgen zur Schule schicken wird. Ich glaube, ich mache lieber einen auf krank. Ende von Teil 2 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)