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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 29 - Rivals

Turn 29 – Rivals

 

 

09. November

 

Hey Mum, hey Dad,

 

wenn ihr diese Zeilen lest, bin ich bereits weit weg. Hab es nicht mehr ausgehalten in dieser langweiligen Stadt, wisst ihr? Keine Ahnung, wohin es mich führt, aber es wird sicher spannend werden.

Wartet nicht auf mich. Ich werde nicht zurückkommen. Will mein eigenes Leben leben, ohne immer unter Beobachtung zu stehen. Einfach neu anfangen, in einer Stadt, in der mich niemand kennt. Macht euch keine Sorgen, ich werde auch ohne euch klarkommen.

 

Lebt wohl,

 

Anya
 

PS: Dad, du Mistkerl, ich habe dir jetzt verziehen! Sei nett zu Mum, solange ich weg bin!

 

 

Bittere Tränen rannen über Anyas Wangen, als sie den Stift weglegte und sich den Brief noch einmal durchlas. Selbst ordentlich hatte sie die Worte geschrieben, nicht geschmiert, das Papier war sauber wie eine Jeans nach der Wäsche.

Es war ihr Abschiedsbrief und der hatte perfekt zu sein!

Sich das Nass aus den Augen wischend, nahm sie den Brief, faltete ihn mit größter Sorgfalt und schob ihn in einen Umschlag, der neben dem Stift auf ihrem Schreibtisch lag.

 

Anya Bauer. Es tut mir leid, dass du das durchmachen musst …

 

„Halt die Klappe, Levrier!“, zischte Anya und legte den Brief in ein Schubfach neben sich.

Wenn -der- Tag gekommen war, würde sie ihn herausholen und auf das Bett ihrer Mutter legen.

Sie konnte sich die Reaktion regelrecht vorstellen. Ihre Mum würde den Brief gar nicht ernst nehmen und erwarten, dass Anya aufgrund mangelnder Vorbereitung noch am Abend wiederkommen würde. So war es immer gewesen, wenn sie abgehauen war. Nur, dass es dieses Mal nicht so laufen würde.

Doch Anya konnte ihren Eltern nicht die Wahrheit sagen. Dass sie vom Antlitz dieser Welt verschwinden würde. Der Brief würde ihnen die vage Hoffnung geben, dass sie eines Tages wiederkam. So würden sie leichter mit dem Verlust umgehen können.

 

Warum hast du ihn auf den heutigen Tag adressiert?

 

„Keine Ahnung“, antwortete Anya und schluckte den Schmerz herunter. Sie hatte noch einiges vor, da durfte sie jetzt nicht heulen wie ein kleines Baby, dem man den Schnuller gemopst hatte.

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und atmete tief durch. „Auf geht’s! Ich hab keine Zeit zu verlieren!“

 

~-~-~

 

Sie flog, als sie das erste Mal beim Bungie Jumping mitmachte.

Sie nahm die wildeste Achterbahn aller Zeiten.

Sie gönnte sich das teuerste Eis im Café „Bikini Fruit“.

Sie schaute sich den neuesten Horror-Film in 3D an und schmiss das halbe Publikum aus dem Saal.

Sie suchte sich die schönsten Nägel vom Schrottplatz, um Barbie für den Abschied zurecht zu machen.

Und als die Nacht kam, schlief sie nicht, sondern zockte den neuesten Teil der „Finite Fantasia“-Reihe auf ihrer Videospielkonsole durch, in einem Rutsch.

Am nächsten Tag stattete sie dem widerlichsten Schläger ihrer Schule einen Besuch ab und erteilte ihm eine Lektion, die er nie mehr vergessen würde.

Sie räumte sogar ihr Zimmer auf.

Sie half einer Nachbarin dabei, ein paar Einkäufe zu erledigen.

Sie lehrte ein paar Knirpsen, wie man richtig Duel Monsters spielte.

Und als das Abendrot am Firmament stand, wusste sie, dass man sie in ein paar Jahren vergessen haben würde.

 

~-~-~

 

Es klingelte, als Anya müde auf ihrem Bett lag. Da ihre Mutter noch nicht zuhause war, quälte sie sich vom Bett auf, rannte die Treppen polternd hinab zur Haustür und öffnete jene mit einem Ruck.

„Ich kaufe nichts von Penn-“ Sie blinzelte verdutzt.

„Hi, Anya“, strahlte Abby ihr entgegen.

Nick stand hinter ihr und grinste dämlich. „Hi, Anya-Muffin!“

Die Blondine wusste nicht, was sie sagen wollte. Die letzten beiden Tage über war sie ihren Freunden bewusst aus dem Weg gegangen. Und das, obwohl sie all die Erlebnisse der vergangenen Stunden am liebsten mit ihnen zusammen erlebt hätte …

„Was wollt ihr?“, fragte sie abweisend. „Ich bin beschäftigt.“

Abby seufzte genervt. „Schon klar, lügen konntest du noch nie gut! Da morgen der große Tag ist, an dem du Eden zurück in den Garten schickst, dachten wir, dass wir eine Party feiern wollen.“

„Eine Party?“, wiederholte Anya die Worte ungläubig.

Das Hippiemädchen strahlte über beide Backen. „Aber sicher! Eine „Alles wird gut“-Party!“

„Wir haben sogar Wein mitgebracht“, gluckste Nick und hielt Anya eine Flasche Sekt entgegen, wobei sein Arm bandagiert war.

Die war sprachlos, starrte nur von einem zum anderen. Eine „Alles wird gut“-Party? So etwas Dämliches konnte sich auch nur Abby ausdenken.

„Sehe ich so aus, als wäre ich in Partylaune?“, tönte Anya missmutig und war schon im Begriff, die Tür zuzuschlagen, als ihre Freunde sich eilig an ihr vorbeizwängten.

Dabei rief Abby gut gelaunt: „Natürlich nicht! Aber das werden wir ändern!“

 

Kurz darauf fanden die Drei sich auf dem Boden hockend in Anyas Zimmer wieder. Abby kramte aus ihrem Rucksack ein paar Knabbereien heraus. „Wir haben für alles vorgesorgt.“

„Jap, wir haben sogar ein paar CDs gekauft“, gluckste Nick und nahm Abby jene ab, hielt sie Anya direkt vor das Gesicht. „Finnischer Death Metal!“

„Schön und gut, aber ich sagte doch, ich bin nicht-!“

„Auch nicht, wenn wir uns hiermit vergnügen?“, fragte Abby und holte ein Videospiel hervor. „Todeszombies VS Killercops Teil V! Den wolltest du doch unbedingt mal antesten.“

Anya betrachtete die Packung überrascht. „S-schon-!“

„Und wenn uns das zu langweilig wird, spielen wir einfach hiermit!“ Nick fasste sich in den Schritt.

Doch als er finstere Blicke von den beiden Mädchen erntete, zog er schnell sein Deck aus der Hosentasche. „Ich meine hiermit.“

„Duel Monsters? Keine Lust …“

Abby seufzte daraufhin und schnappte sich die Sektflasche, die in der Mitte des Sitzkreises stand. „Okay, sie scheint immer noch nicht zu kooperieren. Nick, du hältst sie fest, während ich ihr das Zeug einflöße!“

„W-was!?“

„Okay!“ Schon krabbelte der junge Mann hinter Anya und packte sie unter den Achseln. „Immer schön das Mäulchen auf!“

„Lass mich los, du Vollhorst!“

Allerdings stellte sich Abby derweil ungeschickt mit dem Öffnen der Flasche an und verzweifelte regelrecht daran. „Hast du 'nen Flaschenöffner, Anya?“

„Gib her!“, zischte die, gab Nick mit einem Ruck nach hinten eine Kopfnuss und befreite sich so aus dessen nicht ganz so eisernem Griff. Sie riss Abby die Flasche aus der Hand und biss auf den Korken.

Dabei nuschelte sie: „So geht das!“, ehe sie diesen nur mit den Zähnen aus der Flasche zog.

Ehe sie aber nur einen Schluck daraus nehmen konnte, wurde ihr der Sekt von Nick geklaut. „Ich bin Vorkoster!“

„Bist du nicht! Wenn das schon meine Party ist, dann gebührt mir der erste Schluck, Harper!“, ließ Anya sich das nicht gefallen und sprang ebenfalls auf.

Die beiden rannten laut brüllend um Abby im Kreis. Diese lachte vergnügt. Anya konnte sich noch so desinteressiert stellen, in Wirklichkeit freute sie sich über die Party.

 

Und so geschah es, dass der letzte Abend vor dem großen Tag zu einer wilden Feier verkam. Die Drei lieferten sich eine Essensschlacht mit den Knabbereien, in der Nick vorzeitig ausschied, weil Anya ihm das Zeug solange in den Mund stopfte, bis ihm schon fast die Backen platzten.

Auch eine Runde Wahrheit oder Pflicht durfte nicht fehlen, die jedoch schnell abgebrochen wurde, weil Nicks Ideen zum Thema Pflicht nicht auf den erhofften Anklang bei seinen weiblichen Mitspielern traf.

Damit Abby das Geld für das Videospiel nicht umsonst ausgegeben hatte, zockten sie zu dritt den Co-Op Modus und schlugen sich eher mäßig, da besonders das Hippiemädchen aufgrund mangelnder Erfahrung keine große Hilfe war. Und weil Nick kurzerhand die Seiten wechselte und für die Zombies zu kämpfen begann.

Natürlich durfte auch eine Partie Duel Monsters nicht fehlen, in der sie in einem Battle Royale gegeneinander antraten. Dabei schenkte keiner dem anderen etwas, selbst Nick spielte für seine Verhältnisse erstaunlich gut. Am Ende konnte Abby ihre Gegner gegeneinander ausspielen und sich somit den Sieg sichern. Und ein Kissen an den Kopf, da Anya keine gute Verliererin war.

Dies war dann auch der Anlass für eine Kissenschlacht, die sich durch das ganze Haus zog. Selbst vor dem Zimmer ihrer Mutter machte Anya nicht halt, da sie noch Munition für ihren vierfachen Todeswurf brauchte. Und gerade als sie diesen im Wohnzimmer gegen Nick einsetzen wollte, welcher sich heldenhaft vor Abby stellte, klingelte es an der Tür.

 

Verdutzt ließ Anya die Kissen fallen. „Wer will denn so spät noch nerven?“

„Vielleicht ist es deine Mutter“, meinte Abby, die knallrot vor Erschöpfung im Gesicht war und trat näher an das Fenster heran.

„Quatsch, die hat doch vorhin schon angerufen und gesagt, dass es heute sehr spät wird, da sie im Büro viel zu tun hat“, erwiderte Anya und stellte sich neben ihre Freundin.

Draußen war es schon dunkel, die Laternen beleuchteten die Straße und den zum Teil versengten Garten der Familie Bauer bereits seit über einer Stunde. Allerdings sahen die beiden nicht, wer da klingelte, vermutlich stand der Gast schon direkt vor der Tür.

Zerknirscht zischte Anya, als es wieder durch das Haus schrillte: „Ist ja gut, ich geh ja!“

Wütend stampfte sie durch den Flur zur Haustür, die sie mit folgenden Worten aufriss: „Ich kaufe nichts von Pennern! Schon gar nicht um diese Uhrzeit!“

„Dann habe ich wohl Glück, dass mein Vater als Bürgermeister gutes Geld verdient, was?“, erwiderte Valerie spitz und funkelte die daraufhin verdutzte Anya finster an. „Wir müssen reden!“

„Sehe ich so aus, als ob ich mit dir reden will?“, erwiderte die Blondine garstig. „Kann das nicht bis morgen warten, wenn wir mit dieser Edenkacke durch sind?“

„Genau darum geht es“, kam ihr das Mädchen kalt zuvor und ließ sich ohne zu fragen Einlass.

 

Ruhigen Schrittes trat sie in das Haus der Familie Bauer ein und war überrascht, als Abby und Nick auf sie zu traten. Erstere sprach überrascht: „Oh, Valerie! Guten Abend!“

„Guten Abend, Abigail.“ Das Mädchen, welches ihr schwarzes Haar zu zwei langen Pferdeschwänzen gebunden hatte und eine pinke Strickjacke über ihrer weißen Bluse trug, verschränkte die Arme. „Ich mache es kurz: ich werde morgen nicht kommen. Und Marc auch nicht.“

Als Reaktionen erntete sie erschrockene Seufzer.

„V-Valerie-!“

Ehe Abby den Satz beenden konnte, packte Anya ihre ewige Rivalin am Arm. „Sag das nochmal, Redfield!“

„Du hast mich schon beim ersten Mal verstanden“, riss diese sich los und funkelte Anya dabei regelrecht an. „Ich werde dir nicht helfen!“

„Und warum!? Ich hab dir nichts getan!“ Kleinlaut fügte die Blondine hinzu: „Jedenfalls nicht in letzter Zeit …“

„Du weißt genau, was du getan hast!“, erwiderte nun auch Valerie mit gehobener, aufgebrachter Stimme. „Du hast meinen Freund beinahe getötet! Denkst du, das habe ich dir verziehen!?“

„Also ist es Rache!?“ Anya schlug mit der Faust gegen die Wand des Flurs. „Sieh an! Auch die edle Redfield kann also ein Miststück sein, wenn sie richtig wütend ist! Da krieg' ich glatt Lust, dir ein Umstyling im Anyastil zu verpassen, du dämliche-“

Valerie schüttelte jedoch den Kopf und fand zu ihrem distanzierten Tonfall zurück. „Wäre ich auf Rache aus, hätte ich diese schon vor Tagen genommen …“

 

Ehe Anya darauf reagieren konnte, schritt Abby schlichtend zwischen die beiden und sprach beruhigend auf die schwarzhaarige, junge Frau ein. „Bitte Valerie, denk darüber nach, was du da sagst. Wenn du und Marc nicht da sind, dann wird Anya …“

„Ich weiß. Aber das ist nicht zu ändern. Anya scheut ja auch nicht davor zurück, uns über die Klinge springen zu lassen.“

Entsetzt sah Abby das Mädchen an, in deren rehbraune Augen sich regelrecht Abscheu für die Blondine widerspiegelte.

„Ist dir ein Flugzeug auf den Kopf gefallen, oder was redest du da für einen Bullshit!?“, fauchte Anya und wollte an Abby vorbei, um ihrer Erzrivalin einen Fausthieb zu verpassen. Nur Nicks Einschreiten war es zu verdanken, dass es nicht dazu kam.

„Lass mich los, Harper! Ich werde dieses Püppchen zu Brei verarbeiten!“, keifte Anya im festen Griff des hochgewachsenen Kerls, strampelte vor Wut.

Nick presste im Kampf mit der Blondine ächzend hervor: „Rennt weg, lange kann ich den Monstermuffin nicht festhalten! Sie wird uns alle töten!“

„Verdammt richtig, Harper, wenn du mich nicht gleich loslässt!“

„Das wird sie tatsächlich, morgen“, sprach Valerie ungerührt und sah Anya feindselig an. „Du hast uns angelogen. Im Turm von Neo Babylon wartet kein Herz von Eden, da Eden gar kein Herz besitzt. Es ist ein Tor, kein Lebewesen.“

Anyas Versuche, sich gegen Nicks Griff zu wehren, verebbten. Ihr Mund stand offen, doch kein Laut verließ ihre Lippen, als sie ihre Erzfeindin fassungslos anstarrte.

„Das beweist gar nichts!“, war es nun auch Nick, der das Wort ergriff. „Tore können auch Herzen haben und lebendig sein! Wer sagt, dass Eden nicht trotzdem lebendig ist? … ich meine, manchmal laufe ich auch gegen Tore, die sich mir plötzlich in den Weg stellen. Also leben die auch, hehe!“

„Woher willst ausgerechnet du überhaupt wissen, was Eden ist!?“, fand Anya nun ihre Stimme wieder. Sie wurde von Nick losgelassen und lud praktisch schon den Todesblick auf, um Valerie zu vernichten. „Bisher konnte uns niemand sagen, was Eden genau ist! Woher der plötzliche Geistesblitz, Redfield!?“

„Was spielt das für eine Rolle?“, erwiderte die uneinsichtig. „Völlig gleich, was Eden ist, bist es doch du, die uns opfern will! Niemand sonst! Wer einmal zu Mord imstande war, wird es wieder tun!“

„Pah! Du hast deinen Marc doch wieder, wieso also das Theater!?“

„Du verstehst gar nichts, Anya! Ich dachte, du würdest dich ändern, aber-!“

 

Ein dunkler Schatten sauste urplötzlich über Valerie hinweg. Abby schrie erschrocken auf und stieß gegen Anya, die weniger überrascht auf Nick sah. In dessen ausgebreitete Hände war das schwarze Knäuel gelandet.

„Konichi wa!“, flötete es aus seinem Trötenmund.

Der Blick der Blondine verfinsterte sich beim Anblick der Kreatur. „Oh Gott, es ist die Pornozwiebel! Was will der denn hier!?“

Orion sah Anya mit seinen großen, weißen, pupillenlosen Augen entrüstet an. „Warum so abweisend, meine süße Tsundere? Hast du mich nicht vermisst?“

„Kein-bisschen!“

„Er war es, der mich über Edens wahre Gestalt aufgeklärt hat“, sagte Valerie daraufhin. „Dank ihm wurde mein Verdacht bestätigt, dass du uns nur opfern willst, um selbst heil aus der Sache herauszukommen, Anya!“

„St-stimmt das, Orion?“, fragte Abby entgeistert und beugte sie herunter zu dem Schattengeist in Nicks Händen.

Dieser ließ den überdimensionalen Kopf hängen, der gleichzeitig sein ganzer Körper war. „... ja. Ich will nicht … Ich will nicht, dass Valval-chan geht! Deswegen habe ich ihr gesagt, was Eden ist, auch wenn ich das gar nicht darf!“

„Bei dir hackt's wohl! Alles was ich will, ist Eden in Schutt und Asche zu legen!“, widersprach Anya erzürnt und packte den Geist mit einer Hand am Stummelbein, ließ ihn in gefährlicher Höhe baumeln. „Nimm das sofort zurück, du heuchlerischer Ekelgnom!“

„Das kann ich nicht!“, jammerte Orion kopfüber. „Wenn Valval-sama in den Turm geht, hat -sie- gewonnen!“

Valerie fragte verwundert: „W-wer?“

„Sie! Das Böse in dir!“

„Wovon redest du, Orion!?“, wurde die Schwarzhaarige nun deutlich lauter. „Erklär' dich!“

„Neeeein! Ich habe schon viel zu viel gesagt!“ Der Schattengeist heulte dicke Krokodilstränen, als Anya ihn zu schütteln begann.

 

Diese wusste gar nicht, ob sie sich zuerst um den Dämon oder ihre Erzrivalin kümmern sollte.

Wie war ihr die durchgeknallte Spinnerknolle nur auf die Schliche gekommen!? Wusste sie tatsächlich mehr als sie zugab? Wenn dem so war, musste Anya ihn dazu zwingen, ein bisschen zu singen!

Andererseits hatte der Knallkopf dieser Nullnummer Redfield jetzt irgendeinen Floh in den Kopf gesetzt! Und solange das nicht geklärt war, sah es richtig übel aus! Ausgerechnet jetzt, wo der Turm doch jeden Moment erscheinen konnte!

Aber eins nach dem anderen, noch konnte sie das alles geradebiegen! Ihr würde schon etwas einfallen!

 

Mit einem Wutschrei warf Anya den Schattengeist in die Luft, welcher gegen die Decke des Flurs knallte und wieder herabfiel. Mit beiden Händen fing sie ihn an den Wangen auf und begann gleich damit, diese auf ihre Strapazierfähigkeit zu testen.

„Du redest jetzt schön Klartext, du fleischgewordener Scheißhaufen!“ Sie zog die Wangen so lang, dass Orion kurz davor stand, in einen Briefkasten umfunktioniert zu werden. Wohlgemerkt einer, der Briefe nur entgegen nahm, aber nie wieder ausspuckte. „Was zur Hölle bringt dich auf die Schnapsidee, Redfield so einen Unsinn zu erzählen!?“

„Iff woffte doff nuf, daff fie-“

„Lass das!“, fauchte Valerie und ging dazwischen, schnappte Anya den Schattengeist aus den Händen.

Der rieb sich die schmerzenden Wangen mit seinen Stummelärmchen. Kleine Kullertränchen standen ihm in den Augenwinkeln. „Ich wollte doch nur, dass -sie- nicht gewinnt!“

„Wer!?“, tönten Blondine und Schwarzhaarige gleichzeitig und kreisten Orion ein.

„Joan! Sie ist kein Engel!“

„Red' keinen Unsinn, natürlich ist sie das!“, widersprach Valerie sofort aufgebracht. „Ich weiß, dass sie aus dem Himmel verbannt wurde! Also hör auf, dir deswegen Sorgen zu machen!“

„Aber das ist es ja … ich kann dir nicht sagen warum, aber man darf ihr nicht vertrauen! Sie ist böse!“

Was für Anya eine ideale Möglichkeit bot, um sich Valerie vorzunehmen. „Da hörst du es! Kehr erstmal vor deiner eigenen Garage, Redfield!“

Leise murmelte Abby zu Nick: „Es heißt aber Haustür …“

„Joan würde niemals jemandem ein Leid zufügen!“, verteidigte Valerie ihre Paktpartnerin jedoch vehement, breitete weit die Arme aus und ließ Orion dabei fallen. „Sie ist sogar so großherzig, dass sie dir trotz aller Zweifel helfen will!“

„Aber das ist es doch gerade, Val-samachan!“ Der Schattengeist landete auf den Füßen und sah flehend zu seinem Schützling auf. „Das sollte sie nicht! Denk doch nach!“

Doch Valerie presste nur verbittert die Lippen aufeinander. „Orion … das ausgerechnet von dir zu hören! Ich dachte, man kann dir vertrauen!“
 

„Wenn ihr mir nicht helfen wollt“, murmelte Anya plötzlich und streckte den Arm aus, „dann helfe ich mir eben selbst. Nick! Hol Barbie!“

„Barbie!?“, schoss es aus Abby heraus.

Ein dreckiges Grinsen huschte nun über Anyas Gesicht. „Niemand hat gesagt, dass diese komischen Zeugen den Turm bei Bewusstsein betreten müssen!“

„Du willst mit mir kämpfen!? Mit deinem komischen Baseballschläger!?“, schoss es fassungslos aus Valerie, die dann ihre Stirn kraus zog. „Aber stimmt, du hattest ja noch nie Angst vor Gewalt! Wenn du unbedingt willst, nur zu!“

Valerie hob die rechte Hand auf Kopfhöhe. Eine blaue Aura fing an, um sie zu glühen.

„Hör auf, Val-Baby!“, schrie Orion mit Trötenmund. „Du darfst die Kräfte … dieses bösen Weibs nicht benutzen! Siehst du nicht, wie sie dich manipuliert!?“

Zornig blickte Valerie auf den Schattengeist herab. „Wenn du auf Anyas Seite bist, dann halt dich da raus, sonst kann ich für nichts garantieren!“

„So willst du kämpfen?“ Anya grinste und hob ebenfalls den Arm, um ihn begann eine braune Aura zu glühen. „Von mir aus! Das wollte ich sowieso schon immer mal machen! Scheiß auf Duelle, jetzt wird mal richtig gerockt! Bereit, Levrier!? … Levrier sagt, ich soll dir in den Arsch treten! … zumindest würde er das, wenn er denn mal etwas sagen würde!“

 

Bitte hört auf!

 

Alle Beteiligten des Streits horchten überrascht beim Klang der zarten, weiblichen Stimme auf.

 

Ich kann nicht zulassen, dass ihr euch um meinetwegen streitet. Wenn ihr die Wahrheit über mich erfahren wollt, dann …

 

„Joan!“, fand Valerie als Erste ihre Sprache wieder. „Mach dir nichts daraus! Wenn ich Anya jetzt besiege, dann wird alles gut!“

 

Bitte, Valerie! Deine Zweifel an Anya sind sicherlich berechtigt, doch deswegen darfst du dich nicht an ihr versündigen!

 

„Das ist meine Entscheidung! Sie hat sich an meinem Verlobten versündigt!“

„Also doch Rache!“, zischte Anya verärgert und erschuf Blitze um ihren Arm. „Fein, Redfield! Komm nur! Und du halt dich da raus, du elende Engelstante!“

Der Schattengeist sprang auf Anyas Schulter. „Ganz genau!“

„Auf wessen Seite bist du eigentlich, Orion?“, schoss es aus Abby heraus. „Anya will Valerie doch weh tun!“

„Waaah, stimmt!“

Leider wurde es nur nichts mit dem Weh tun, denn die Blitze um Anyas Hand lösten sich auf. Diese starrte ihre verkrümmten Finger entsetzt an. „Was!? Wieso ist der Strom weg!? Levrier, tu den Stecker wieder rein!“

„Anya-“, begann Valerie ungehalten, doch wurde unerwartet übertönt.

 

Es tut mir leid, aber ich kann nicht erlauben, dass ihr jetzt kämpft. Nicht hier.

 

Anya zuckte beim Klang der ihr bisher unbekannten, glockenhellen Stimme zusammen.

Mit einem Schlag ging ein grelles, blaues Licht von den Malen der beiden Furien aus. Es war so intensiv, dass alle Anwesenden geblendet wurden. Die beiden Mädchen selbst schrien erschrocken auf, doch dann verstummten sie schlagartig und es polterte.

 

~-~-~

 

Anya schlug blinzelnd die Augen auf. Dabei brauchte sie auch nicht lange darüber zu grübeln, wo sie sich wiederfinden würde. Sie kannte mittlerweile das Gefühl, -hier- zu sein. Im Elysion.

Was das Mädchen jedoch nicht davon abhielt, einen überraschten Laut auszustoßen, als sie letztlich mit der Realität konfrontiert wurde
 

Sie war im Elysion. Aber nicht alleine!

Und es war nicht das Elysion, das sie kannte.

 

Valerie stand auf der anderen Seite. Dem -anderen- Elysion.

Irritiert sah die Blondine auf den Boden herab. Sie stand auf dem Mosaik, welches in seiner hauptsächlich blauen Farbe den Erdball bildete. Aber das zuvor kreisrunde Gebilde ging direkt ihr gegenüber in ein anderes Elysion über. Ein anderes Mosaik, das eine goldene Sonne darstellen sollte. Dort, wo beide aufeinander trafen, liefen die im Kontrast stehenden Farben ineinander über.

 

„Ich glaub's nicht“, brummte Anya verärgert. „Was soll das!? Erst klemmt er mir den Saft ab und jetzt das hier!“

Schlimmer noch, die Pornozwiebel klammerte sich an ihrem Bein wie eine Klette und sah feindselig herüber zur anderen Seite, ohne einen Mucks von sich zu geben.

Was hatte die überhaupt hier zu suchen!? Anya war dazu geneigt auszutesten, wie weit die unendliche Schwärze wirklich ging, indem sie Orion 'voraus schickte'. Doch auch wenn sie es niemals laut zugeben würde, erregte sein zitternder Leib, die zusammengepresste Tröte, diese spürbare Angst ihr Mitleid. Was war sein Problem?

 

„Joan, was geschieht hier?“, fragte Valerie von der anderen Seite verblüfft. „Wieso ist Anya in meinem Elysion?“

Die konnte dies nicht so stehen lassen und wandte sich von Orion ab. „Du meinst wohl -mein- Elysion! Levrier, kick diese Hohlbirne raus, auf der Stelle!“

Und während von Anyas Paktpartner keine Reaktion folgte, entstand rechts neben Valerie ein leuchtender Punkt etwa auf Höhe ihres Herzens, der viele Lichtpartikel aus dem Nichts anzog. Ein helles Flimmern später, stand dort neben ihr die Heilige Johanna. Burschikos mit ihren kurzen Haaren, der Ritterrüstung und den etwas groben Gesichtszügen. Welche tiefes Bedauern zum Ausdruck brachten.

„Ich korrigiere mich“, murmelte Anya verloren beim Anblick der beiden Frauen, „kick die Hohlbirne und ihren Zuhälter aus meinem Elysion!“

Kurz darauf schnappte sie: „Was macht ihr beiden Psychopathen überhaupt hier!?“

Und wieso meldete Levrier sich nicht, fügte sie noch nervös im Gedanken hinzu. Der war doch sonst immer hier und drehte Däumchen!

 

Joan wurde fragend angesehen. Und das nicht nur von Anya.

„Sie hat recht. Was, ich wiederhole mich, geschieht hier?“, verlangte Valerie höflich, nichtsdestotrotz mit unterschwelliger Schärfe abermals zu wissen.

Darauf erntete sie von ihrer Schutzpatronin einen nachdenklichen Blick und ein Nicken. „Ich habe euch hierher gerufen. Es ist wahr. Keine Menschenseele kann das Elysion eines anderen betreten – doch zwischen ihnen kann eine Verbindung hergestellt werden. Dies habe ich veranlasst, denn es ist an der Zeit, mein Geheimnis zu lüften.“

Valerie kniff daraufhin die Augen zusammen. Ihr war jetzt nicht danach, in anderer Leute schmutziger Wäsche zu wühlen. Natürlich war da die Neugier, endlich die Wahrheit hinter Joans 'Sünde' zu erfahren. Sofern es das war, worüber sie reden wollte. Doch warum jetzt?

„Was hat das mit meinem Konflikt mit Anya zu tun?“

Joan seufzte. „Oberflächlich betrachtet nichts. Jedoch ist sie … war sie mein Ziel.“

„Ziel!?“, schoss es aus der Blondine. „Willst du mir ans Leder, Miststück!? Komm nur rüber!“

Doch Joan schenkte ihr keine Beachtung, als jene die Fäuste hob, um zu anzudeuten, wie geschickt sie sich im Boxkampf anstellen konnte.

 

„Sie war mein Ziel“, begann Joan schwermütig zu erklären, „um zurück in den Himmel zu gelangen. Um von Gott meine Gnade zurückzuerhalten, meine wahre Kraft. Und erreichen wollte ich das durch dich, Valerie.“

Die erwiderte überrascht: „Warum ich? Heißt das … ich soll sie für dich töten?“

Etwas ruhiger, gar abgebrüht fügte sie hinzu: „Dann weiß ich nicht, was dein Problem ist! Genau das will ich doch!“

Es erstmals so deutlich aus dem Mund ihrer Erzrivalin gehört zu haben, traf Anya indes härter als sie es sich jemals auszumalen gewagt hätte. Die Friedenstaube Redfield wollte …?

Während das andere Mädchen verstummt war, packte Valerie ihre Patronin am Arm, welcher durch das engmaschige Kettenhemd unter ihrer Rüstung verdeckt war. „Das ist doch gut, oder nicht!?“

„Nein“, schüttelte Joan den Kopf, „das ist alles andere als gut.“

Valerie verstand nicht. „Aber du hast doch eben gesagt-“

„Valerie. Sollte ein Kind Gottes einem anderen jemals mutwillig Leid zufügen?“

„N-nein! Aber genau das will sie doch! Sie will die anderen opfern! Orion hat recht!“

„Selbst wenn das wahr ist, spreche ich nicht von Anya.“ Joans Augen lagen fest auf dem schwarzhaarigen Mädchen. Enttäuschung lag in den folgenden Worten. „Ich spreche von dir.“

Vor Schreck schnappte Valerie nach Luft. „Von mir!? W-was ist daran verwerflich-!“

„Du kennst die Antwort bereits.“ Nun legte die Ritterin ihre beiden Hände auf die Schultern des Mädchens. „Was du damit beabsichtigst ist lobenswert. Aber das ist nur eine Ausrede. Die Worte des kleinen Dämons haben nur entfacht, was in dir geschlummert hat. Jeder Mensch trägt Dunkles in seinem Herzen. Aber seine Worte haben es erweckt, haben dich vergiftet. Deinen Wunsch nach Rache wieder angestachelt.“

Sofort riss Valerie sich los, betrachtete ihre Beschützerin in einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Trotz. „Das stimmt nicht!“

„Du warst einst ein reines Kind.“ Joan wandte sich von ihr ab, sah auf die goldene Sonne die unter ihnen strahlte. „Bis ich kam und dich ungewollt in die Dunkelheit gezogen habe.“

„Joan-“

Doch ehe Valerie etwas darauf erwidern konnte, hob die Ritterin die Hand. „Lass mich dir nun erklären, warum wir uns begegnet sind.“

 

Sie sah plötzlich auf, in Anyas Richtung. „Auch du sollst es hören. Ihr beide sollt meine Richter sein. Auch wenn das Urteil bereits in dem Moment gefallen sein wird, in dem ich mich offenbare.“

Anya, die im Gedanken noch an Valeries Worten hing, nickte nur knapp.

Die Ritterin trat einen Schritt vor. „Ich, Jeanne D'Arc, bin ein gefallener Engel. Denn ich habe gesündigt, indem ich mich in einen Dämonen verliebt habe. Und auf sein Verlangen hin den Erzengel Gabriel … getötet habe.“

Unangenehmes Schweigen legte sich wie ein Umhang um das neue Elysion, das von grenzenloser Dunkelheit umgeben war.

Zumindest, bis Joan plötzlich aufschrie.

„Was ist!?“, stieß Valerie hervor und eilte der Ritterin herbei, welche sich krümmte und dabei den linken Oberarm hielt.

„Mir geht es gut“, antwortete Joan und straffte sich wieder. Doch ihr Anblick strafte ihrer Worte Lügen, war sie mit einem Male kreidebleich im Gesicht. „Sorge dich nicht um mich.“

„Und was hat das mit mir zu tun!?“, platzte es schließlich aus Anya heraus. Die zeigte mit dem Finger auf Valerie. „Mir ist wurscht, mit wem du gepimpert hast! Wieso soll Redfield mich töten, was hast du davon, heh?“

Joan sah die Schwarzhaarige traurig an. „Ich habe so lange nach einem reinen Herzen gesucht. Dann warst du da, Valerie. Im Kampf gegen -seine- Abkömmlinge. Und in dem Moment entschied ich, dich zu beschützen. Auf dass du Gabriels Platz nach deinem Tode einnehmen würdest.“

 

Valeries Mund stand offen, als sie das vernahm. „Du … ich … ?“

„Ich wollte dich auf den Weg eines Engels führen. Doch wohin ich dich führte, war nur Finsternis“, gestand Joan. „Du solltest sie kennenlernen, diese Finsternis. Sie in den Dämonen sehen. Ihre Denkweise verstehen. Der Sammler war ideal, dir zu zeigen, wie gnadenlos sie sind. Aber er war die falsche Wahl. Denn du hast dich ihm verkauft …“

„Ich“, zögerte Valerie überrumpelt, „kann also kein Engel mehr werden?“

Joan schüttelte betrübt den Kopf. „Nein.“

Plötzlich brach es ungestüm aus dem Mädchen heraus. „Und wann wolltest du mir das alles sagen!? Wenn es zu spät ist!? War ich also nichts weiter für dich, als ein Mittel zum Zweck!?“

Betreten wich Joan ihrem Blick aus. „Du selbst hättest entschieden, ob du ein Engel wirst oder nicht.“

„Warum warst du nicht von Anfang an ehrlich mit mir?“, fragte Valerie weinerlich, Tränen der Enttäuschung standen in ihren Augen. „I-ich weiß zu schätzen, dass du in mir dieses Potential sie-“

Ein spitzer Schrei entglitt ihr, sie deutete auf Joan. Oder besser gesagt, deren Hals.
 

„Deswegen“, entgegnete ihr jene und fasste sich auf die Stelle, von der sich in Schwarz eine seltsame Markierung auszubreiten begann. Es waren pfeilartige Gebilde, die gewundenen Linien folgten. Wie Schlangen krochen sie langsam an ihrem Hals hinauf. „Der Moment, in dem ich dir die Wahrheit sage, wird der Moment sein, in dem ich endgültig falle. Erinnerst du dich?“

„J-ja.“

„Gefallene Engel sind Dämonen, Valerie. Aber bei mir ist es etwas anderes“, sprach Joan und sah ihren Schützling in die Augen. „Ich werde sterben, denn Gabriels Blut, das Blut eines Engels, klebt an meinen Händen. Das ist Gottes Wille.“

„Warum hat er dich nicht sofort getötet!?“ Valeries Gedanken überschlugen sich förmlich. „D-du kannst doch jetzt nicht-“

„Es ist seine Strafe. Ich sollte sehen, wie die Welt von Dämonen heimgesucht wird. Unfähig, etwas dagegen zu unternehmen. Jeder Engel hat seine Aufgabe. Er erfüllt sie und kehrt in den Himmel zurück. Doch die Welt sieht anders aus, wenn man den vorgegebenen Weg verlässt.“ Joan senkte ihr Haupt. „Die normalen Engel haben keinen Blick für das Leid. Aber diejenigen, die einst Menschen waren, so wie ich, für die ist es etwas, das man begreifen kann. Und ich musste hunderte von Jahren mit ansehen, wozu Menschen unter dem Einfluss von Dämonen fähig sind.“

„Joan …“

„Valerie, Gott hat mich nicht getötet. Er hat mich gewissermaßen wieder zum Mensch gemacht, damit das Gewicht meiner Schuld auf ewig auf meinen Schultern lastet. Es ist eine schlimmere Strafe als der Tod. Und ich habe sie verdient.“

„Und was geschieht jetzt?“, fragte Valerie ungehalten und packte Joan an den Handgelenken, zerrte an ihr. „Wirst du … wirklich sterben?“

„Ich werde als Dämon wiederkehren.“ Als wäre es, um ihre Aussage zu bekräftigen, schlichen die Schlangenlinien langsam über ihre Wange. „Wie das geschehen wird, ob ich meine Erinnerungen behalte, das weiß ich nicht. Zuerst kommt mein Tod. Deswegen, solange ich noch hier bin … bitte vergib mir.“

„Joan, ich-“

Sanft sah Joan ihren Schützling an. „Und wisse, dass du für mich nie nur ein Mittel zum Zweck warst. Dein Licht hat mir Hoffnung gegeben, mich wieder an das Gute im Menschen glauben lassen.“

„D-dann hilf mir!“, verlange Valerie aufgeregt und zeigte unverblümt auf Anya. „Hilf mir, sie aufzuhalten! Ich verzeihe dir, aber wenn sie-! Wenn Marc-!“

Joan schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht.“

„Bitte!“, flehte Valerie förmlich und zerrte an ihrer Mentorin. „Du wirst bald sterben! Tu wenigstens noch etwas Gutes! Hilf mir, diese Menschen zu beschützen, die Anya auf dem Gewissen haben wird!“

 

„Ja Joan, tu es“, zischte Anya mit einem Male trotzig, „hilf Daddys Prinzessin ruhig. Mir ist es egal. Engel, Dämonen, dieser ganze Quatsch ist mir egal! Eure Meinung über mich kann ich ja doch nicht ändern!“

„Weil wir recht haben!“, donnerte Valerie.

Joan sah sie nachdenklich an. „Bist du dir sicher, dass du das wirklich tun willst? An diesem Ort kannst du niemanden töten, Valerie. Wir könnten sie nur hier einsperren. Der Gründer ist scheinbar geschwächt und wird ihren Körper nicht übernehmen können.“

„Dann ist es doch kein Mord, oder!?“, schloss Valerie daraus engstirnig. „Anya wird einfach nur ins Koma fallen und Edens Erwachen verpassen. Sie hat sich dazu entschieden, das durchzuziehen, uns trifft da keine Schuld.“

„Aber du wärst verantwortlich dafür, dass sie den Zeitpunkt verpasst“, widersprach Joan ruhig.

„Damit muss ich leben! Wie du selber sagtest, verdorben bin ich sowieso schon. Hilf mir einfach, okay!?“
 

Die Augen der Blondine wurden derweil mit einem Schlag schmal wie Rasierklingen. „Sieh an! Du machst tatsächlich ernst! Aber Redfield, willst du mir im Ernst verklickern, dass diese Schnalle da deine Freundin ist!?“

Valerie stellte sich schützend vor Joan, die mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre Handrücken betrachtete, an denen sich ebenfalls die schwarze Markierung ausbreitete.

„Sie hat mir das Leben gerettet, uns allen! Und ich glaube an all das, was sie gesagt hat!“ Es klang fast schon verzweifelt aus ihrem Munde.

„Weil sie zurück in ihr Engelskaff wollte, du Dummnuss!“, fauchte Anya und schwang wütend den Arm aus. „Pah! Du als neuer Erzengel Gabriel!? Das klingt so dermaßen bescheuert, dass ich nicht weiß, ob ich lachen oder kotzen soll!“

Die Lippen ihrer Rivalin glichen einem Strich, ehe sie tonlos erwiderte: „Angesichts dessen, dass du für mich das Böse in Person bist, klingt es für mich gar nicht so schlecht …“

Woraufhin ihr Gegenüber von der anderen Seite des Elysions hysterisch auflachte.

„Was!? Ich und das Böse in Person?“ Anyas Blick verhärtete sich. „Dann hast du noch nie etwas Böses kennengelernt, Redfield …“

Diese hob aber nur ihren Arm, an dem sich ihre meeresblaue Duel Disk materialisierte. „Joan, selbst wenn ich kein Engel mehr werden kann, wäre es meine Pflicht gewesen, die Menschen zu beschützen, nicht wahr? Alle!“

„J-ja“, erwiderte die gequält und sah ihren Schützling ängstlich an.

„Auch wenn es Menschen sind, die ich verachte?“

„Jedes Leben ist vor Gottes Augen gleich viel wert.“

Valerie nickte. „Dann hilf mir dabei, Anya aufzuhalten, bevor sie den anderen Schaden zufügt! Bevor sie die schlimmste aller Sünden begeht! Mir ist egal, ob Gott das gutheißt, aber wenn ich mit einer Tat vier Menschen das Leben retten kann, tu ich es!“

Schließlich sagte Joan entschlossen und nahm Haltung an: „Wie du willst. Ein wenig Zeit bleibt mir noch. Wenn es wirklich dein Wunsch ist, das Schlimmste zu verhindern, werde ich dir dabei helfen. Als deine Beschützerin. Denn es wäre vermessen, mich als Engel zu bezeichnen.“

Valeries Augen leuchteten förmlich vor Dankbarkeit.

„In Ordnung!“ Damit wandte sie sich mit harter Miene an Anya. „Du hast es gehört.“

„Pah!“, keifte die entgeistert. „Glaubst du den Scheiß, den du da laberst!?“

Anya ballte eine Faust und zeigte demonstrativ mit dem Finger auf Joan. „Aber Luzifers Geliebte hat dir wohl so sehr ins Hirn geschissen, dass es den Geist aufgegeben hat! Wenn du mich fertig machen willst, musst du schon mehr bringen, als dummes Gelabere, Redfield!“

 

Orion, der die Szene stillschweigend mitverfolgt hatte, sprang plötzlich auf Anyas Schulter.

„Runter da, du Mistvieh-“ Doch als das Mädchen den Schattengeist wie ein lästiges Insekt von sich stoßen wollte, hielt sie inne. In den Augen der Pornozwiebel – so Anyas mittlerweile gängige Bezeichnung für Orion – standen einmal mehr kleine Kullertränen.

Er erhob den Arm und zeige ebenfalls auf Joan, während sich eine winzige Duel Disk an ihm materialisierte. „Ich sage es nur ungern, aber ich werde dir helfen! Lieber du, als dieses … diese Lügnerin! Sie will Val-chan ins Verderben führen, das weiß ich! Sie tut nur so, als ob sie ihr helfen will! Der große Orion-sama wird verhindern, dass Val-sama auf die Lügnerin hereinfällt! Welcher Engel würde bei so einer ernsten Sache plötzlich nachgeben!?“

Anya zischte genervt und sah davon ab, ihm mit ihrem Handrücken bekannt zu machen. „Tch, von mir aus. Dann mach eben mit. Aber sprich nur, wenn du auch dazu aufgefordert wirst!“

 

Solange Levrier sich ja offensichtlich woanders vergnügte, brauchte sie Orion als Ersatz. Denn gegen Joan UND Redfield hätte selbst sie gewisse Schwierigkeiten. Erstmals musste sie zugeben, dass Levriers Anwesenheit durchaus auch angenehme Seiten haben konnte – wenn er denn da wäre.

Außerdem, wer würde schon die Pornozwiebel bevorzugen, wenn er ein starkes, hübsches, gewieftes, heißes, intelligentes UND erotisches Blondinenduo haben konnte?

 

„Ihn sollten wir auch erlösen“, meinte Joan mit Blick auf den Schattengeist.

„Nein“, erwiderte Valerie bestimmend. „Er ist der Bote des Sammlers. Wenn ich ihm etwas tue, fällt das auf Marc zurück. Also nein! Nur Anya!“

Die konnte sich eine spitze Bemerkung dazu nicht verkneifen. „Die kreisen ja wie Geier um uns …“

Orion schwieg.

„Anya“, erwiderte Valerie darauf. „Das hast du dir selbst eingebrockt. Man sollte dir gratulieren, denn du bist die erste Person, die meine Toleranzgrenze gesprengt hat.“

„Spiel dich nicht so auf, Redfield!“

„Das ist nicht allein der Einfluss des Dämons.“ Auch an Joans Arm erschien eine altertümlich anmutende Duel Disk, die einer Mischung aus Handschuh und Schild glich. „Dieses Mädchen ist-“

„Als ob ich das nicht wüsste!“, schnitt Valerie ihrer Patronin ungestüm das Wort ab.

Schließlich riefen alle aufgebracht: „Duell!“

 

[Anya: 4000LP Orion: 4000LP //// Valerie: 4000LP Joan Of Arc: 4000LP]

 

Da standen sie sich nun gegenüber, auf ihrem jeweiligen Elysion. Sie und Valerie, schon wieder in einem Tag Duell. Anya sah herüber zur Kriegerin. Was sie von der halten sollte, wusste sie nicht. Im Grunde war dieses Mannsweib noch eher auf ihrer Seite, als auf Redfields. Sie wollte diesen Kampf nicht, das konnte man ihr eindeutig ansehen. Und Anya ahnte bereits, dass sie diese Schnalle nicht vernichten durfte – sofern sie das überhaupt konnte. Denn dann würde Valeries Pakt schwinden.

Sollte sie demnach das Duell verlieren, fragte Anya sich erschrocken. Niemals! Nicht, wenn Redfield ihr Gegner war!
 

„Ich mache den ersten Zug!“, bestimmte die Blondine kurzerhand. Ihr Arm war der letzte, an dem eine Duel Disk erschien – ihre alte Battle City-Version. Daraufhin zog sie zusammen mit ihrem Startblatt noch eine Karte.

Orion auf ihrer Schulter meinte dazu: „Kümmere du dich um Val-chan! Ich nehm' mir das Bügelbrett vor!“

„Du kannst froh sein, wenn ich dir überhaupt etwas von einem der beiden übrig lasse!“

„Nur Gerede“, kommentierte Valerie das unbeeindruckt und machte eine wegwischende Geste.

Joan sah sie von der Seite besorgt an. „Aber wir sollten dennoch vorsichtig sein. Beide sind stark, das weißt du.“

„Genau wie wir.“

„Ach ja!?“, tönte Anya. „Das wird sich erst noch zeigen! Ich beschwöre [Gem-Knight Sardonyx] im Angriffsmodus!“

Vor dem Mädchen erhob sich ein kräftig gebauter Ritter in braun-roter Rüstung, der eine Kette schwang, an welcher ein Morgenstern aus rotweißem Sardonyx befestigt war. Hinter dem Krieger tauchte eine gesetzte Karte auf. „Die da verdeckt! Dann mal los, Redfield! Ich warte!“

 

Gem-Knight Sardonyx [ATK/1800 DEF/900 (4)]

 

„Ganz wie du willst“, erwiderte die unterkühlt und zog. „Ich beschwöre [Gishki Noellia]! Und sie lässt mich bei ihrer Beschwörung die obersten fünf Deckkarten ansehen, um alle Gishki-Karten davon auf den Friedhof und den Rest unter mein Deck zu schicken!“

 

Gishki Noellia [ATK/1700 DEF/1000 (4)]

 

Auf der anderen Seite der ineinander verlaufenden Elysien bezog eine rothaarige Hexe Stellung, die ihren Zauberstab laut gackernd in die Höhe hielt. Der Reihe nach erschienen fünf vergrößerte Karten auf Valeries und Joans Spielfeld, beide Seiten der Karten waren mit Bild und Effekttext bedruckt. Es waren, von links nach rechts, die Zauber [Salvage], [Monster Reborn], dann das Ritualmonster [Gishki Psychelone], danach noch zwei Zauber, [Gishki Aquamirror] und [Mystical Space Typhoon].

Valerie entledigte sich der beiden Ritualkarten aber nicht etwa, sondern zeigte sie vor, als die Hologramme der Karten verschwanden. „Indem ich [Gishki Aquamirror] von meinem Friedhof ins Deck zurücklege, erhalte ich [Gishki Psychelone] zurück auf mein Blatt!“

Dies getan, zückte sie aus ihrer Hand nun eine andere Zauberkarte. „Und nun zeige ich dir die geheime Technik der Gishki, die unter ihnen wegen ihrer Macht verboten wurde! [Forbidden Arts Of The Gishki]!“

Plötzlich stieg violetter Nebel unter Anyas Ritter hervor. Diese erkannte mit erschrockenem Gesichtsausdruck, dass sich um ihr Monster am Boden ein kreisrundes Symbol, ähnlich einer brennenden Sonne gebildet hatte. Unter einem Schrei versank ihr Ritter, als der Boden in jenem Symbol sich in Wasser verwandelte.

„Was soll das!?“, fauchte Anya wütend.

„Diese Ritualzauberkarte opfert nicht etwa meine Monster, sondern deine. Das kostet dem beschworenen Ritualmonster zwar die Hälfte seiner Angriffskraft, dafür bin ich aber deinen Ritter los“, erklärte Valerie, „und dazu muss ich dich nicht einmal angreifen können. Erscheine, Verräterin deines Stammes! [Gishki Psychelone]!“

Unter schrillem Gelächter tauchte vor Valerie eine fliegende Gestalt auf. Mit einem Unterwasserwesen hatte sie kaum etwas gemein. Pechschwarz war die weibliche Dämonin, deren Schwingen mit Schwimmhäuten ausgestattet waren. Auf ihrem Kopf thronte eine Art Insekt mit Kneifzangen, das scheinbar mit ihr verschmolzen war. Als Anya genauer hinsah, erkannte sie, dass dieses Ritualmonster große Ähnlichkeit mit [Gishki Noellia] besaß – nein, es war besagte Hexe!

 

Gishki Psychelone [ATK/2150 → 1075 DEF/1650 (4)]

 

„Pah! Dieses Ding hättest du wirklich nicht auf diese Weise beschwören sollen“, tönte Anya übermütig und zeigte auf die korrumpierte Hexe, die entfernte Ähnlichkeit mit Matts Steelswarm-Monstern aufwies. „Die ist so schon schwach genug! Aber jetzt ist sie gerade mal gut genug, um deine Lebenspunkte zu verteidigen.“

„Hey“, flüsterte Orion Anya ins Ohr, „ihre beiden Monster haben dieselbe Stufe!“

Und da horchte die Blondine auf. Mit den Hexen konnte Redfield spielend leicht ihr Paktmonster beschwören! Und was, wenn sie mittlerweile gelernt hatte, wie man …?

„Ich aktiviere den Effekt von Psychelone! Einmal pro Zug benenne ich einen Typen und ein Attribut! Danach wird eine zufällige Karte von deiner Hand gewählt, und wenn beide Angaben stimmen, wird das Monster, sofern es eins ist, ins Deck geschickt!“

„Na dann rate mal schön!“, forderte Anya ihre Erzrivalin heraus.

Valerie kniff angespannt die Augen zusammen. „Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass fast alle deine Monster das Attribut Erde besitzen. Vom Typ her sieht das anders aus, aber ich habe da eine Ahnung, was auf deiner Hand lauern könnte.“

„Ich höre!?“

„Hexer.“

Anya verstummte. „W-warum ausgerechnet der!?“

Doch schon breitete Valeries Monster ihre Arme weit aus und schickte violette Wellen über die miteinander verknüpften Elysien. Anya und Orion wurden davon getroffen, über Anya tauchte das Abbild einer ihrer Karten auf. Und als beide Mädchen hinauf sahen, um zu wissen, um welche es sich handelte, lachte Anya schließlich auf. „Hell yeah! [Megamorph]! Das ist 'ne Zauberkarte! Pech gehabt, Redfi-“

„[D. D. Designator]!“ Ihre Gegnerin zeigte ihr die Zauberkarte entgegen.

„Huh!?“

„Ich nenne den Namen einer Karte von deinem Blatt und wenn jene sich darunter befindet, wird sie verbannt. Wenn nicht, muss eine zufällig gewählte Karte von meinem Blatt dran glauben. Aber wir beide wissen, dass das nicht geschehen wird – ich deklariere [Megamorph]!“

Der Blondine klappte die Kinnlade hinunter, als allen Spielern ihre vier Handkarten preisgegeben wurden. Und darunter war eben auch ihre mächtige [Megamorph]-Ausrüstungszauberkarte, die Anya nun zähneknirschend in die Hosentasche steckte.

„Val-chan ist ja sooo clever! Sie spioniert erst dein Blatt aus, ehe sie zuschlägt.“

„Auf wessen Seite bist du eigentlich!?“, fauchte Anya den Schattengeist auf ihrer Schulter daraufhin an.

„Ich setze noch eine Karte und beende meinen Zug“, gab Valerie derweil zu verstehen, als die verdeckte Karte sich vor ihr materialisierte.

Wütend die Stirn runzelnd, dachte sich Anya, dass sie für diese Demütigung noch bittere Rache nehmen würde. Wenn doch bloß die beiden Nervnickel von Tag-Partnern nicht wären! Das Ganze wäre so viel unterhaltsamer ohne sie!

 

„Mein Zuuuuuug!“, flötete Orion durch seinen Trötenmund und zog seine Miniaturkarte von der winzigen Duel Disk an seinem Arm. Von seiner Niedergeschlagenheit war plötzlich nichts mehr zu sehen. „Orion for the win!“

„Streng dich an!“, befahl Anya rüde.

„Ist gebongt!“ Der kleine Schattengeist sprang von Anyas Schulter hoch in die Luft und hielt dabei zwei Karten in der Hand. „Ich aktiviere den Effekt von [The Fabled Nozoochee]! Indem ich einen seiner Kumpel abwerfe, kann ich ihn auf das Spielfeld beschwören!“

Neben Anya tauchte eine voluminöse, gelbe Schlange auf, deren Kopf unter einem blauen Helm steckte.
 

The Fabled Nozoochee [ATK/1200 DEF/800 (2)]

 

Desweiteren rief Orion, noch mitten in der Luft. „Und da ich [The Fabled Ceburrel] dafür abgeworfen habe, wird dieser jetzt durch seinen Effekt vom Friedhof beschworen! Und noch etwas! Wenn Nozoochee durch seinen Effekt aufs Feld gerufen wurde, kann ich von meiner Hand ein Fabled-Monster beschwören, welches maximal auf Stufe 2 sein darf! Unter diese Kategorie fällt mein zweiter Cerburrel!“

Rechts und links von der Schlange erschienen zwei dreiköpfige, dämonische Welpen, deren Fell rot gefärbt war.
 

The Fabled Cerburrel x2 [ATK/1000 DEF/500 (2)]

 

Langsam griff die Schwerkraft, sodass es mit Orion abwärts ging. Dennoch rief er im Feuereifer: „Und als Normalbeschwörung kommt noch von meiner Hand die [T-t-t-tuningware]! Whohaaaa!“

Zu Orions Monstern gesellte sich ein kleiner Apparat, bestehend aus einem kugelrunden Körper sowie drahtigen Armen und Beinen und nicht zuletzt einer Bratpfanne auf dem Kopf.

 

Tuningware [ATK/100 DEF/300 (1)]

 

„Und jetzt“, rief der Schattengeist mitten im Fall, „gibt es eine fette Doppelsynchrobeschwörung! Dabei benutze ich [Tuningwares] Effekt, um seine Stufe auf 2 zu erhöhen! Looooos!“

Die beiden Dämonenwelpen sprangen gleichzeitig durch die Luft und zersprangen, wie es bei Empfängermonstern so üblich war, in jeweils zwei grüne Ringe. Die dicke Schlange und Orions seltsamer Apparat durchquerten diese synchron, gleich zwei grelle Lichtblitze schossen durch die Dunkelheit des verschmolzenen Elysions.

„Ab geht die Post, [The Fabled Kudabbi] und [The Fabled Unicore]!“

Mit einem Satz landete Orion auf dem Rücken des grauen Kalbs, welches zusammen mit einem weißen Einhorn neben Anya erschienen war. Während der Kopf des Kalbs mit einem Schleier verdeckt wurde, bäumte sich Orions Unicore auf und wieherte stolz.

 

The Fabled Kudabbi [ATK/2200 DEF/1100 (4)]

The Fabled Unicore [ATK/2300 DEF/1000 (4)]

 

„Jetzt, da [Tuningware] als Synchromaterial verwendet wurde, darf ich eine Karte ziehen!“, kündigte Orion auf seinem Reittier an und zog. Danach legte er eine der drei Karten in seine Miniatur-Duel Disk ein. „Die verdeckt, Joan verreckt! Zug beendet, Joan geschändet!“

Die gesetzte Karte tauchte zwischen seinem Kudabbi und Unicore auf.

„Nicht schlecht!“, musste Anya ihren Partner aufrichtig loben. „Vielleicht bist du doch gar nicht so dämlich wie du aussiehst?“

Auch wenn diese zwei Synchromonster relativ schwach waren im Vergleich zu anderen, war es dennoch ganz nett, sie auf ihrer Seite zu wissen.

„Hey! Niemand redet so mit dem großen Orion-sama, du frustrierte Kampflesbe! Zeig etwas mehr Respekt!“

„Waaaas!?“ Anya ploppten fast die Augen heraus, als sie das hörte. „Dir werde ich den Hals umdrehen, du-!“
 

„Hört auf!“, donnerte Valerie und unterbrach Anya dabei, wie sie Orions Reittier einen Tritt in den Allerwertesten geben wollte.

„Joan ist jetzt am Zug!“ Die junge Frau sah zu ihrer Partnerin herüber. „Ich verlasse mich auf dich!“

„Natürlich“, antwortete die burschikose Heilige zurückhaltend und griff nach der Duel Disk an ihrem Arm. „Ich beginne also meinen Spielzug. Draw.“

Anya und Orion stoppten ihre Streitereien und linsten beide mit zusammengekniffenen Augen zur anderen Spielfeldseite herüber.

„Ich wette, die kennt nicht mal die Grundregeln!“, lästerte die Blondine.

„Ich wette, die ist da unten schon zugewachsen!“, stimmte Orion mit ein.

Glücklicherweise war Anya in -dieser- Hinsicht noch ein wenig naiv, sodass sie nicht verstand, was er damit meinte. „Huh!? Ihre Duel Disk?“

„Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst?“, fragte Joan ihren Schützling noch einmal.

„Ja. Denk an die Menschen, die wegen ihr sterben müssen, wenn ich es nicht tue.“

„Aber ich denke auch an dich.“ Joans Züge trübten sich. „So etwas solltest du nicht tun müssen.“

Valerie stöhnte genervt. „Wenn du mir helfen willst, dann tu es einfach! Ansonsten halt dich hier raus und lass mich das alleine regeln!“

„Wie du meinst.“ Joan betrachtete nun ihr Blatt und zog nachdenklich eine Karte daraus hervor. „Indem ich den Engel [Hecatrice] ablege, erhalte ich [Valhalla, Hall Of The Fallen] von meinem Deck. Eine permanent wirkende Zauberkarte, die ich sogleich zu aktivieren gedenke.“

Anya und Orion verstummten in ihrer Lästerei, als überall um das Spielfeld herum weiße Steinsäulen aus dem Boden wuchsen. Verbunden waren sie durch ein Band aus rotem Stoff, welches einen Kreis um das Spielfeld zog. Hinter Valerie und Joan wuchs ein Thron aus dem Boden.

Die Gefallene zückte ein Monster von ihrer Hand. „Sollte ich keine Monster kontrollieren, ist es mir durch den Effekt von Valhalla erlaubt, einen Engel von meiner Hand als Spezialbeschwörung zu rufen. Erhöre mich, [Darklord Asmodeus]!“

Schwarze Federn fielen aus dem Nichts auf das Spielfeld herab. Sie wirbelten umher, bis ein Engel in ihrer Mitte erschien. Die dunklen Schwingen spreizend, wirkte der in weiße Robe mit darüber liegender, schwarzer Panzerung gekleidete Engel eher wie ein Scherge des Teufels, denn ein Diener Gottes.

 

Darklord Asmodeus [ATK/3000 DEF/2500 (8)]

 

Anya fluchte beim Anblick des schwarzen Engels. „Was zum Geier!? Was schmeißt die Alte schon in ihrem ersten Zug mit solchen Kalibern um sich!?“

„Diese Karten sind sehr gefährlich!“, quiekte Orion panisch. „Es sind gefallene Engel! Die sind alle so stark, pass' bloß auf!“

„Na das passt ja wunderbar zu dir, Ladyboy!“, fauchte Anya und zeigte mit dem Finger auf Joan.

„Deine Worte mögen harsch sein, doch kann ich die Wahrheit darin nicht verkennen“, erwiderte Valeries Paktpartnerin einsichtig. „Deswegen habe ich sie auch für mich erwählt.“

„Hör auf zu labern, du zwielichtige Schnepfe!“

„Dann setze ich nun meinen Zug fort. Einmal pro Zug wird durch den Effekt von Asmodeus ein Engel von meinem Deck auf den Friedhof geschickt.“ Die Heilige Johanna zeigte das Stufe 8-Monster [Darklord Superbia] vor und schob es in den Schacht ihrer ritterlichen Duel Disk. „Da ich noch kein Monster als Normalbeschwörung beschworen habe, hole ich dies nun nach. Komm herbei, [Nurse Reficule The Fallen One].“

Noch einer der gefallenen Engel erschien vor Joan. Dieses Exemplar war jedoch weiblich, aber nicht weniger unheimlich. Um den ganzen Körper war sie mit Bandagen eingehüllt, die ledrigen Schwingen waren mit Klingen besetzt, ja selbst das violette Haar dieser Kreatur.

 

Nurse Reficule The Fallen One [ATK/1400 DEF/600 (4)]

 

Joan zückte zwei Karten aus ihrem Blatt. „Um dem Effekt von [The Fabled Unicore] aus dem Weg zu gehen, setze ich diese Karte verdeckt.“

Während ihre Falle verdeckt vor ihr erschien, machte Orion große Augen. „Woher weißt du-!?“

„Sie war dabei, als ich gegen dich gekämpft habe“, erinnerte Valerie den Schattengeist an jenen Tag, als sie den Sammler aufgesucht hatte. „Daher ist ihr klar, dass Unicore sämtliche Effekte des Gegners lahmlegt, wenn du und er dieselbe Handkartenzahl besitzen.“

Was im Falle beider Spieler nun zwei Stück waren. Jedoch änderte sich dies, als Joan die andere hervor genommene Karte, einen Zauber, in den entsprechenden Slot ihrer Duel Disk schob. „So ist es. Aber bald muss sich niemand mehr darum Sorgen machen, denn mit [Soul Taker] führe ich die Seele deines Fabelwesens nun in den Himmel.“

Orion kreischte entsetzt, als aus der Mitte des Spielfeldes eine geisterhafte, durchsichtige Hand schoss und in die Brust des sich aufbäumenden Einhorns griff. Dort zog sie eine leuchtende Kugel heraus, mit der sie verschwand. Im Anschluss explodierte der Schimmel laut wiehernd.

„Unicore!“, jammerte Orion.

Plötzlich ertönte schrilles Gelächter, dessen Ursprung Reficule war. Um sie schlängelten sich einige lose Bandagen. Joan erklärte dazu: „[Soul Taker] überträgt die Seele des verstorbenen Monsters auf seinen Besitzer, schenkt ihm damit 1000 Lebenspunkte. Doch durch die Einwirkung von [Nurse Reficule The Fallen One] wird sämtliches Leben in Tod umgekehrt. Daher schadet dir die Seele deines treuen Gefährten nun.“

„Ohje!“ Orion weitete die Augen, als Reficules Binden sich von ihr lösten und über das Spielfeld auf ihn zugeschossen kamen. Sie umwickelten ihn fest und gaben schmerzhafte Stromstöße ab, die der kleine Schattengeist nur unter Schreien ertragen konnte. „Auauauauauau!“

 

[Anya: 4000LP Orion: 4000LP → 3000LP //// Valerie: 4000LP Joan Of Arc: 4000LP]

 

Als die Tortur beenden war, sank Orion erschöpft auf dem Rücken seines Kudabbis zusammen.

Anya betrachtete ihn verstört. Nie hätte sie gedacht, dass diese Joan so geschickt sein würde – und vor allem so gnadenlos!

„Hey, war das wirklich nötig!?“, protestierte sie daher wütend und zeigte auf ihren Partner.

„Ich tue, was ich als Engel und Valeries Beschützerin tun muss“, rechtfertigte sich Joan unbeeindruckt. „Dieses Wesen, mag es auch noch so klein und harmlos erscheinen, ist ein Dämon. Ein Feind des Herrn. Rücksicht auf ihn zu nehmen wäre gegen die Gesetze des Himmels.“

„Scheiß auf den Himmel! Du bist doch eh nicht mehr Teil davon! Solche wie du widern mich mehr an als alles andere!“ Anya schwang aufgebracht den Arm aus. „Ihr nehmt irgendwelche Regeln als Ausreden, um zu verbergen, wie sadistisch ihr in Wirklichkeit seid! Redfield, du tust mir leid!“

„W-was!?“, erschrak die.

„Weil du zu dämlich bist, 'ne eigene Meinung zu haben! Du trällerst einfach nur nach, was andere dir ins Ohr flüstern! Sei es diese Alte oder Orion! Wie es dir gerade am besten gefällt! Und bildest dir dann ein, Miss Rechtschaffenheit herself zu sein!“

Orion sah mit halboffenen Augen zu Anya auf. „T-tsundere …?“

„Keine Sorge, die Alte feg' ich vom Platz!“, entschied Anya und zeigte mit dem Daumen auf ihr Haupt. „Als ehrlicher Bully ist das sozusagen meine Pflicht! Und Redfield schick' ich gleich hinterher!“

„Mutig bist du“, erwiderte Joan anerkennend. „Ich nehme die Herausforderung gerne an. Und beende meinen Zug.“

„Das war keine Herausforderung“, murmelte Anya und nahm ihre Gegnerinnen fest ins Visier, „das war 'ne Kriegserklärung!“

 

 

Turn 30 – Enemies

Der erbitterte Kampf zwischen Anya, Valerie, Orion und der Heiligen Johanna von Orléans geht weiter. Trotz großer Anstrengung schafft es Anyas Team nicht, die Oberhand zu gewinnen. Im Gegenteil, durch einen fatalen Winkelzug von Joan werden Anya und Orion an den Rand der Niederlage gebracht. Was Valerie letztlich dazu veranlasst, über ihre Vergangenheit mit Anya nachzudenken ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-05-26T08:46:09+00:00 26.05.2017 10:46
Hi
Klasse Kapitel, die Party war ja ne nette Idee und ist ja ganz gut gelaufen...bis Valerie kam.
Ich frag mich echt was Joan jetzt wirklich vorhat, aber ich glaube das werde ich bald erfahren.
Bin gespannt wie das Duell weiter geht.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
28.05.2017 09:49
Hi,
da war zur Abwechslung Valerie die Spaßbremse.
Joans Geschichte gibts im nächsten Kapitel.

LG,
-Aska-


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