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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 25 - Inevitable Decisions

Turn 25 – Inevitable Decisions

 

 

„Ich komme mir vor wie 'ne beschissene Sekretärin“, beklagte sich Anya, die nun seit Stunden am Telefon saß und korrespondierte, was das Zeug hielt. Ungeduldig schritt sie von einer Ecke zur anderen in ihrem unaufgeräumten Zimmer, wo sich Comichefte, Videospielhüllen, durchgehend schwarze Klamotten und Duel Monsters-Karten einen erbitterten Kampf um die besten Plätze lieferten.

„Und wo ist das?“, fragte Matt auf der anderen Seite des Hörers.

„Such im Telefonbuch oder sonst wo, Herrgott! Es gibt nur eine Familie Redfield in der Stadt!“

Und wären es mehrere, hätte sie die vermutlich längst ausgelöscht, fügte Anya noch im Gedanken hinzu. Eine Schnöselfamilie war schlimm genug.

„Also in einer Stunde? Okay, ich sag Alastair Bescheid.“

„Ja“, raunte Anya in den Hörer. „Der soll unbedingt kommen, denn mit dem hab' ich noch was zu klären.“

Matt klang verwundert. „Was denn?“

„Erfährst du dann! Genau wie alles andere, was ich gestern so erfahren habe. Also dann, wir sehen uns, kthanxbye!“

Schon hatte sie aufgelegt und warf den Hörer achtlos beiseite, ließ sich in ihr Bett fallen und schloss die Augen. „Phew, das waren alle, glaub ich. Jetzt müssen sie nur noch kommen.“

 

Und was wirst du ihnen sagen? Die Wahrheit? In dem Fall müsste ich deinen Körper übernehmen, um zu verhindern, dass sie wie aufgescheuchte Hühner die Stadt verlassen. Keiner von ihnen wird freiwillig den Turm von Neo Babylon betreten.

 

Alles, was Anya dazu zu sagen hatte, war ein tiefes: „Hmpf!“

Von ihrem Schreibtisch aus hallte Abbys Stimme herüber: „Anya, wäre es nicht fair, Valerie vorher Bescheid zu sagen?“

Mit einem Ruck saß die Blondine wieder aufrecht, welche ihr Haar heute ausnahmsweise einmal offen trug – was ihr aber alles andere als gut zu Gesicht stand, wenn man bedachte, dass sie dadurch fast 'mädchenhaft' aussah. „Wieso? Ich dachte, Redfield liebt Partys? Und sie wird die besten Gäste haben, die sie jemals gesehen hat!“

Abby stieß einen resignierenden Seufzer aus. „Du kennst Valerie kein bisschen, oder?“

„Besser als du das Pennerkind.“ Anya verzog ihre Augen zu Schlitzen. „Ist da was zwischen euch gelaufen?“

„N-nein!“, protestierte Abby, welcher die Schamesröte ins Gesicht stieg.

 

Ihre Worte sagen nein, die Körperfarbe ja.

 

„Was hat er mit dir angestellt!?“

„Nichts!“, kreischte Abby förmlich und drehte sich auf dem Drehstuhl um, damit Anya bloß nicht ihr Gesicht sah.

Doch die war längst aufgesprungen, drehte Abby wieder zu sich und verfrachtete sich mit dämonischem Gesichtsausdruck auf ihrem Schoß. Die Finger knacken lassend, fragte sie: „Sicher?“

„Ganz sicher! Ganz, ganz, ganz sicher! … leider!“

„Was!?“

Abby quiekte panisch: „Nichts!“

Woraufhin Anyas Gesicht wieder menschliche Züge annahmen. „Ist auch besser so!“

„Was ist es denn eigentlich, was du uns erzählen willst?“, fragte das brünette Mädchen eilig, um bloß das Thema zu wechseln. „Was ist gestern passiert, dass du alle bei Valerie versammelst?“

„Wirst du schon noch erfahren“, meinte Anya mit ihrer typischen Endgültigkeit und warf einen Blick auf die Armbanduhr. „Wir sollten uns sowieso bald fertig machen. Ich will dabei sein, wenn Redfields Kinnlade den Boden schrubbt, weil ihre Geburtstagsparty vorgezogen wurde!“

„Du hast es voll mit Absicht gemacht, huh?“

„Klaro“, brüstete Anya sich stolz, doch ihre Mimik wurde wieder zu einer dämonischen Fratze. „Wehe, dein neuer Mitbewohner kommt nicht! Und wenn ihr heimlich Händchen haltet, reiß ich euch den ganzen Arm ab, verbrenne ihn und füttere euch mit der Asche!“

Abby schluckte ängstlich. „Schon gut, er hat versprochen zu kommen!“

 

~-~-~

 

„Redfield?“, tönte es eine halbe Stunde später ahnungslos aus dem Lautsprecher neben dem großen Tor, welches den Eingang zu Valeries Domizil darstellte. Als keine Reaktion folgte, sagte Valeries Stimme streng: „Anya, du kannst die Klingel jetzt loslassen, ich bin hier.“

„Whoops, muss ich doch glatt überhört haben“, log die Blondine und nahm dem Finger nur widerwillig von der Taste.

„Was willst du?“

„Die klingt nicht gerade begeistert“, flüsterte Abby im Hintergrund zu Nick, welchen sie auf dem Weg hierher entgegen Anyas ursprünglichem Plan abgeholt hatten.

„Hehe, wenn sie mich sieht, wird sich das bestimmt ändern.“

Abby stöhnte leise. „Das wag' ich zu bezweifeln.“

Indes antwortete Anya missmutig auf die Frage ihrer Erzfeindin. „Ganz einfach, Redfield! Lass mich rein und ich erkläre es dir. Vielleicht.“

„Abby, hat sie Waffen dabei?“

Das Hippiemädchen schreckte beim Klang ihres Namens glatt auf. „Ähm, n-nein, ich glaube nicht. Hi Valerie!“

Ein resignierender Seufzer erklang. „Meinetwegen, kommt rein.“

Woraufhin sich das Tor von selbst öffnete.

 

Wie ein Feldmarschall schritt Anya den Weg hinauf zur Villa der Redfields, flankiert von ihren Generälen Nick Harper und Abigail Masters, die sich eher an dem prachtvollen Blumengarten erfreuten, denn daran dachten, Anyas Tempo zu halten.

„Jetzt ist nicht die Zeit zum Glotzen“, herrschte jene die beiden daraufhin an, griff ihre Arme und zog sie hinter sich her.

Kaum waren sie vor der Tür angelangt, öffnete jene sich und Valeries Kopf lugte misstrauisch hervor. Ihr schwarzes Haar war dieses Mal zu einer Turmfigur hochgesteckt. Was Anya selbstredend nicht unkommentiert lassen konnte. „Was suchen denn die Essstäbchen in deiner Frisur, Redfield? Kannst du dir neuerdings keine Haarspangen mehr leisten?“

„Was willst du?“, erwiderte die nur ebenso feindselig. Es war deutlich, dass ihre Worte ernst gemeint waren, als sie sagte, sie würde Anya nie für ihre Taten verzeihen.

„Ab in die Küche“, befahl der Marschall bereits seinen Unterlingen, die es jedoch nicht wagten, sich an Valerie vorbei ins Haus zu stehlen.

Plötzlich sprang etwas Schwarzes hinter Valerie hervor, direkt auf Anyas Oberkörper zu. „Kawaii, Tsundere ist wieder da!“

Doch der kleine Schattengeist Orion wurde mit einer saftigen Rechten rechtzeitig abgefangen und stattdessen mit voller Wucht gegen Nicks Schädel geknallt, welcher daraufhin glatt aus den Socken gehauen wurde. Mit schmerzerfüllten Blicken lagen dieser und Orion am Boden, wobei Letzterer krächzte: „Sie ist immer noch nur Tsun, kein bisschen Dere …“

„Die hässliche Knolle war aber nicht eingeladen“, brummte Anya beim Anblick des KO gegangenen Schattengeists.

„Was?“ Valerie schien wirklich ahnungslos.

Doch Anya schnappte sich Abby, bat sich ungeniert selbst herein und ließ ihre Erzfeindin verwirrt zurück, die sich genervt stöhnend um die beiden Verwundeten bemühte.

 

Kaum hatte sie es geschafft, Nick aufzurichten und ins Haus zu bitten, fand sie Anya bereits in ihrer altmodischen Küche aus dem 18. Jahrhundert wieder, wie sie einfach so auf dem langen Esstisch saß und abwartend die Arme verschränkt hielt.

„Was soll das!? Wieso platzt du einfach in mein Haus herein!?“

„Weil ich's kann, Redfield, deshalb!“

Abby, die zurückhaltend neben Anya stand, fasste sich ein Herz und klärte die aufgebrachte Valerie schließlich auf. „Anya hat alle zusammengetrommelt, die irgendetwas mit Eden und einem Pakt zu tun haben.“

Woraufhin Valeries wütende Mimik einer überraschten wich. „Und wozu?“

„Weil ich den Jackpot abgestaubt habe“, raunte Anya zynisch. „Jetzt setz dich auf deinen Schickimickiarsch und warte, bis der Rest hier ist!“

„Ich kann das Kissen sein!“, gluckste Nick wolllüstig, doch bekam von Orion, der auf seinem Kopf hockte, eins auf die Zwölf mit dessen kleiner Faust. „Vergiss es! Du bist nur mein Sklave und hast daher kein Recht, eine solch anspruchsvolle Aufgabe zu übernehmen! Ich mach das! Nicht wahr, Valval?“

Deren zusammengekniffene Augen waren Antwort genug, um die beiden zum Verstummen zu bringen. Abermals stöhnend ob Anyas Frechheiten, ließ sich Valerie schließlich ein wenig weiter weg von den anderen auf einem der Stühle am Essenstisch nieder und wartete geduldig.

 

~-~-~

 

Und fauchte Anya eine halbe Stunde später an, als die Küche voller Menschen war, die sie nicht kannte. „Ich dachte, es kommen 'ein paar' Leute!? Nicht eine halbe Footballmannschaft!“

„Sind doch nur'n paar“, zuckte Anya neben ihr mit den Schultern und sah die versammelte Gruppe an.

Da war Matt, der gegen einen Küchenschrank lehnte und die Hand zum Gruß hob. Ihm gegenüber auf einem Stuhl saß sein Partner Alastair, das Narbengesicht, welches wie immer schaute, als würde er jeden Moment Amok laufen. Dann natürlich Marc, der Valerie beruhigend die Hände auf die Schultern gelegt hatte – Valerie hatte ihn persönlich auf Anyas 'Bitten' hierher beordert. Und zwischen Abby und Nick saß nun das Schnöselkind Henry, welcher ziemlich ungeduldig wirkte.

„Sieht aus, als wären alle hier“, stellte Abby fest, wobei ihr Augenmerk komischerweise nur auf Henry gerichtet war – ganz zu Anyas Ärgernis.

Die hatte aber keine Zeit für Kindereien und kam deshalb umgehend zur Sache. „So Leute … was sollte ich nochmal sagen, Abby?“

„Du sollst dich bedanken, dass alle gekommen sind“, flüsterte die ihr leise vom Tisch aus zu.

„Ja ja, also, nett dass ihr vorbei geschaut habt. Kuchen gibt’s später.“ Anya neigte sich herüber zu Valerie, zischte spitzzüngig, aber immer noch gut hörbar: „Los, geh backen Redfield, das könnte jetzt etwas länger dauern.“

„Nicht nötig, ich habe gestern erst ein neues Rezept für eine Schokolade-Vanille-Torte ausprobiert“, erwiderte Valerie auf die Stichelei der Blondine unbeeindruckt. „Jeder, der nachher Hunger hat, kann gerne ein Stück bekommen.“

„Mhmmmm, ich liebe Ku-“

„Klappe, Harper!“, befahl Anya Nick wütend und richtete ihren Blick auf die ganze Gruppe. Irgendwie war ihr unwohl, zu so vielen Leuten zu sprechen. Besonders wenn … aber sie wusste, dass es keine Alternative gab.

„Dürfen wir jetzt erfahren was du herausgefunden hast?“, fragte Matt ungeduldig. Ihm fiel nebenbei auf, dass das Mädchen, Abby, welches er vor einiger Zeit erpresst hatte, konsequent seinen Blick mied. Seine Mimik trübte sich. „Wir haben nicht ewig Zeit, verstehst du?“
 

Du weißt, dass du keine Wahl hast. Du musst sie anlügen, Anya Bauer. Entweder du oder ich.

 

„Ich weiß“, gab Anya beiden grimmig zu verstehen, leitete damit aber auch gleichzeitig ihre Erklärung ein.

Es war so schwer. Sonst war ihr Lügen immer leicht gefallen, doch dieses Mal? Man könnte meinen, ihr Brustkorb implodierte jeden Moment. Dennoch hatte sie sich eins geschworen. Wenn es hieß, entweder die oder ich … würde es immer nur 'ich' geben. Sie würden dasselbe an ihrer Stelle tun. „Ich weiß, wie wir Eden vernichten können.“

 

Sofort ging ein aufgeregtes Raunen durch die Küche der Redfields. Alastair war der Erste, der Worte dafür fand. Und sie waren wenig schmeichelhaft. „Du lügst, Schlangenzunge! Wie könntest du-“

„Ich habe einen Mann getroffen, der mir alles verraten hat, was ich wissen wollte.“ Anya drehte sich mit verschwörerischer Mimik zu Valerie um. „Den Sammlerdämon.“

Jene zuckte merklich zusammen, als sie das vernahm und den Wink verstand. Doch anstatt etwas darauf zu antworten, erwiderte sie Anyas Blick nur unschlüssig. Die Worte, die sie beide austauschten, waren stumm. Zu dumm nur, dass Anya nicht imstande war, die ihres Gegenüber zu verstehen.

Deswegen wunderte es auch nicht, dass Matt sich als Erster einmischte. „Was!? Den hast du getroffen!? Bist du lebensmüde!?“

„Der Collector ist einer der gefährlichsten Dämonen auf diesem Planeten! Kein Jäger hat es je geschafft, ihn zu töten!“, polterte auch Alastair. „Und du hast ihn aufgesucht!?“

„Nicht ich ihn, er mich“, stellte Anya mit kühler Stimme klar. Sie schloss die Augen. „Er wollte unlautere Geschäfte mit mir treiben, meine Seele stehlen, weil er Interesse an mir zu haben scheint. Eine andere 'Kundin' von ihm hat ihn wohl auf mich aufmerksam gemacht.“

Dieses Mal entglitt Valerie glatt ein erschrockener Seufzer, doch Anya ignorierte sie. Wenn sie noch näher darauf einging, würde sie die Schwanenprinzessin verraten, was momentan nicht in ihrem Interesse war. Denn eigentlich musste sie Valerie dafür dankbar sein, die Aufmerksamkeit des Sammlers erregt zu haben.

„Wir haben uns um die Wahrheit duelliert, nachdem ich sein Angebot ausgeschlagen habe. Und wie ihr seht, habe ich gewonnen. Es war knapp, aber ich habe erfahren, wie Eden getötet werden kann.“

„Was musstest du als Preis dafür zahlen!?“, verlangte Alastair zu wissen. „Niemand erhält etwas von dem Sammlerdämon ohne Gegenleistung!“

Nun stampfte Anya wütend auf. „Meine Seele hätte er bekommen, wenn ich das Duell verloren hätte, 'kay!? Aber ich habe gewonnen! Er ist leer ausgegangen! Außerdem hat er sich nicht abwimmeln lassen, was hätte ich tun sollen!? Wegrennen!? Pah, als ob er mich hätte gehen lassen! Ist doch nicht mein Problem, wenn er sich am Ende auf sowas einlässt und dann verliert!“

Matt, der seine Ruhe wiedergefunden hatte, blieb nichtsdestotrotz ziemlich skeptisch. „Und er hat sich an die Abmachung gehalten?“

 

Plötzlich schaltete Marc sich an, der Valerie dicht an sich gezogen hatte. Deren Blick war auf befremdliche Weise abwesend, regelrecht leer. „Anstatt Anya mit Fragen zu bombardieren, solltet ihr sie erstmal ausreden lassen. Denkt ihr denn, sie lügt euch an, wenn die Sache für sie am allerwichtigsten ist?“

Der jüngere der Dämonenjäger nickte. „Da hat er recht. Aber bist du dir absolut sicher, dass er dich nicht reingelegt hat?“

„Weiß nicht“, Anya zuckte dazu unterstreichend mit den Schultern, „ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich glaube er hat nichts angestellt. Egal. Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist, dass Eden eine physische Form besitzt. Allerdings … wartet die im Turm von Neo Babylon.“

„Das habe ich mir schon fast gedacht“, reagierte Matt daraufhin und übertönte das Geflüster von Abby und Henry, die ganz zu Anyas Ärgernis verdächtig unbeteiligt wirkten. Müssten die nicht längst auf dem Tisch Salza tanzen?

Indes sprach er weiter: „Und was ist die schlechte?“

„Der letzte Raum, da wo Edens Herz liegt“, Anya machte eine Pause und atmete tief durch.

Noch konnte sie einen Rückzieher machen. Aber das hieße, elendig zu verrecken und im Limbus enden. Da sie aber sowieso starb, egal was geschah, war ein schlechtes Gewissen ohnehin bedeutungslos. Die letzten Tage … würde sie damit leben müssen.

Sie schloss ihren Satz ab: „wird sich nur öffnen, wenn mich fünf Zeugen der Konzeption dahin begleiten.“

„Sie lügt!“, polterte Alastair und sprang auf, mit dem Finger auf Anya zeigend. „Das ist eine Falle, um uns in den Turm zu locken und zu opfern!“

Anya zuckte erschrocken zusammen.

 

Hast du ernsthaft erwartet, dass er dir das abkaufen würde? Anya Bauer, das war keine sonderlich kluge Lüge. Du hättest auf mich hören und warten sollen, bis uns etwas Besseres eingefallen wäre.

 

Aber ihr war nichts 'Besseres' eingefallen, dachte Anya verzweifelt. Außerdem war es stimmig! Der Turm von Neo Babylon musste betreten werden, wenn man Eden finden wollte. Warum sollte sich der Pfad also nicht erst öffnen, wenn alles Nötige 'zusammengesammelt' war?

„Anya würde so etwas nie tun!“, ergriff Abby nun eifrig das Wort und sprang ebenfalls auf, direkt Alastair in die Augen sehend. Es waren Blicke voller Verachtung. „Sie ist nicht so wie ihr, feige und hinterhältig! Für Anya geht es hier um Leben und Tod! Sie wäre die Letzte, die ein Interesse daran hätte, euch zu opfern, wenn sie davon sowieso nichts hätte!“

„Danke, Abby“, murmelte Anya leise und ließ den Kopf hängen.

Kannte ihre Freundin sie nicht lange genug, um zu wissen, dass das Quatsch war? Oder hatte sie es am Ende sogar durchschaut und … spielte trotzdem mit?

„Ich denke auch, dass Anya lügt“, erklang plötzlich Valeries Stimme zögerlich.

Sofort wich Anya von ihr zurück und zeigte ihr den berühmten Mittelfinger. „Redfield, du Miststück! Dass du das glaubst, war mir sowieso klar! Fuck off, Bitch!“

Doch mehr hatte Valerie Anya nicht zu sagen und wandte den Blick ab. Für einen Augenblick jedoch glaubte die Blondine, Zweifel in den Augen ihrer Widersacherin erkannt zu haben. Oder war es nur das schlechte Gewissen, weil sie ihr ungewollt den Sammler auf den Hals gehetzt hatte?

 

„Ich bin auf ihrer Seite“, meinte Matt kühl und nickte zu Abby herüber, die sich sofort von ihm abwandte. „Ich habe genug mit Anya erlebt, um zu wissen, wie sehr sie darum kämpft, frei zu sein.“

„Du glaubst ihr tatsächlich!?“, schoss es aus dem entsetzten Alastair heraus, der seinen Freund daraufhin an den Schultern packte. „Obwohl sie dich erst neulich hinterhältig hintergangen hat!?“

„An ihrer Stelle hätte ich vielleicht genauso gehandelt, es war eine Panikreaktion!“, erwiderte Matt stur und riss sich von Alastair los. „Außerdem wäre ich an deiner Stelle nicht so vorlaut, du bist an allem Schuld! Du hast Anya in die Arme Levriers getrieben! Du bist der Allerletzte, der hier etwas zu sagen haben sollte!“

Getroffen von Matts Worten schritt Alastair zurück. In seinem vernarbten Gesicht stand ein regelrechter Schock geschrieben, schien er nie damit gerechnet zu haben, jemals von Matt so strikt abgewiesen zu werden.

„Ich glaube auch an Anya.“

Jene wirbelte schockiert um, genau wie Valerie, als Marc die Blondine freundlich ansah.

„Aus eigener Hand weiß ich, was für schreckliche Dinge man zu fühlen beginnt, wenn man keinen Gedanken mehr fassen kann, ohne einen Dämon im Nacken zu haben.“ Marc hob seine rechte Hand an und betrachtete sie betrübt, ehe er eine Faust ballte. „Nichts ist schwerer als die, die man liebt, zurückzulassen. Aber sie zu opfern? Ein Mensch wie Anya, die ihren Freunden immer beigestanden hat, könnte das bestimmt nicht. Und jeder, der etwas anderes sagt, wird wohl oder übel mit mir aneinander geraten.“

Sowohl aus Anyas, als auch Valeries Mund schoss es: „Marc!“

Jener richtete seinen gütigen Blick auf Anya. „Keine Sorge, wir helfen dir schon irgendwie.“

„D-danke“, antwortete das blonde Mädchen und wich dem Blick des hochgewachsenen, dunkelhaarigen Footballspielers beschämt aus. Dass der Mann, den sie einst geliebt und aus verletztem Stolz getötet hatte, jetzt für sie sprach, trieb sie an die Grenzen ihres Gewissens. Wie konnte sie das jetzt noch durchziehen!?

 

Deine Worte spalten wirklich die Lager, Anya Bauer. Wäre der Hintergrund nicht so ernst, würde ich mich tatsächlich amüsieren. Denke ich.

 

„Fragen wir doch unsere Paktpartner, was sie davon halten!“, gab sich Alastair derweil noch nicht geschlagen.

„Meiner hat kein Problem damit“, zuckte Matt mit den Schultern, „Eden interessiert ihn nicht, aber er meint, dass er ebenfalls so eine Falle stellen würde, wenn er Anya wäre.“

Alastair richtete sich mit finsterem Blick an Valerie. „Und was sagt die Heilige Johanna von Orléans?“

Valerie stammelte verdutzt: „Woher wissen Sie-!?“

„Antworte einfach!“

Geschlagen blickte das schwarzhaarige Mädchen auf das Parkett unter ihren Füßen. „Sie sagt, wir sollen Anya vertrauen.“

„Tch, sie ist kein bisschen besser als Refiel!“, fluchte Alastair empört und verriet sich damit ungewollt.

Matt grinste keck und verschränkte die Arme. „Sieh an, ist sich das Traumpaar neuerdings uneins?“

„Ich habe dir bereits mehrmals gesagt, dass ich keine Marionette des Himmels bin!“

„Ich wünschte, ich könnte meinen fragen“, murmelte Marc dabei zu Valerie und Anya. Erstere streichelte ihrem Verlobten jedoch beruhigend über den Oberarm. „Sei froh, dass du es nicht kannst. Isfanel ist ein Monster. Und wie seine Meinung ausfallen dürfte, ist sowieso kein Geheimnis.“

 

„Hey, Pennerkind“, donnerte Anya plötzlich und sah herüber zu Henry, der zwischen Abby und Nick saß.

„Ja?“, schaltete sich jedoch Orion auf Nicks Kopf ein. „Was gibt’s, meine süße Tsundere? Lust auf ein kleines Spiel mit dem Chickachecker?“

„Nicht du, der da!“ Anya zeigte ungeniert auf den brünetten, jungen Mann. „Du hast die ganze Zeit noch nichts gesagt. Was ist, traust du dich nicht?“

„Mich geht das nichts an“, erwiderte der tonlos.

„Dir ist aber klar, dass deine Schwester Marisa gebraucht wird, oder!? Immerhin ist sie eine der fünf Zeugen!“

Sie sah ihn herausfordernd an. Innerlich erschrak Anya allerdings. Beinahe hätte sie Opfer statt Zeuge gesagt, auch wenn sie noch nicht wusste, ob seine Schwester wirklich das letzte Zahnrad im Edengetriebe darstellte. Die Wahrscheinlichkeit war jedoch sehr groß.

„Das war mir schon klar, seit Melinda sich mit deinem Freund duelliert hat.“ Plötzlich erhob sich Henry und schritt an Anya vorbei. Mit gesenkter Stimme sagte er zu ihr: „Wenn du Eden wirklich stoppen willst, werde ich dir helfen. Ich und Melinda werden zum versprochenen Zeitpunkt da sein. Ich verlasse mich auf dich … und deinen Egoismus.“

Mit diesen merkwürdigen Worten verließ Henry ohne Verabschiedung die Küche und hinterließ eine Schar verdutzter junger Menschen.

 

„Melinda ist eine Zeugin der Konzeption?“, brach es aus Abby heraus, kaum war Henry verschwunden.

Anya nickte grimmig. „Jep. Jemand anderes kommt nicht infrage.“

„Wie furchtbar“, stammelte ihre Freundin und schlug die Hände vor den Mund.

„Aber warum will er der Dämonenbrut dann helfen!?“, verstand Alastair nicht.

Sein Partner erklärte es. „Ganz einfach: Isfanel will Edens Zerstörung. Wenn er das erreicht, wird er Melinda sicherlich freigeben. Henry hat keine andere Wahl, als Anya zu vertrauen, denn er selber ist nicht imstande ihr zu schaden.“

„Genau wie ich“, murmelte Valerie, „weil Joan ein Engel ist. Ansonsten …“

„Tch! Sie ist ein gefallener Engel und dazu Verräterin!“, stellte sich Alastair völlig unerwartet gegen die unfreiwillige Gastgeberin. „Sie ist-“

„Du weißt gar nichts!“, ließ jene das nicht auf sich sitzen. „Sie wurde-“

„Auszeit!“, polterte Matt aufgebracht dazwischen, dem klar geworden war, dass eine kollektive Entscheidung hier nicht getroffen werden konnte. „Diesen Himmelskram könnt ihr unter euch regeln!“

 

Stöhnend schwang er sich vom Schrank aus herüber zu Anya und stellte sich neben sie. Dabei hielt er die Arme weiterhin verschränkt und sah jeden aus der Runde streng an.

„Ob Anya lügt oder nicht muss jeder für sich selbst entscheiden. In genau einer Woche wird der Turm von Neo Babylon auf eurem Schulgelände erscheinen, das ist Fakt. Wenn dieser Tag gekommen ist …“ Plötzlich wandte Matt sich mit einem mitfühlenden Gesichtsausdruck an Anya. „... wirst du wissen, wer deine wahren Freunde sind.“

Das Mädchen vermied direkten Blickkontakt. „Yeah …“

Matt richtete sich wieder an die anderen. „Wer Angst hat, ist nicht gezwungen zu kommen. Aber denkt alle daran, dass ihr Anya auf dem Gewissen haben werdet, wenn sie ohne uns den Turm betritt. Sie ist die Letzte, die sterben will. Was passieren wird, wenn sie zu Eden wird. Denkt darüber nach, wenn ihr am 11. November entscheiden müsst, ob ihr mit ihr zusammen den Turm betretet oder nicht.“

Betroffenes Schweigen erfüllte daraufhin die Küche.

„Danke“, brachte Anya unter größten Mühen ihre Gefühle Matt gegenüber zum Ausdruck.

Der aber winkte ab. „Keine Ursache. Auf mich kannst du zählen. Weißt du, wie Eden getötet werden kann?“

„Nein … aber ich denke, dein alter Plan dürfte aufgehen …“

„Also Sprengstoff“, überlegte Matt und griff sich ans Kinn. „Gut, ich werde das Zeug besorgen.“

Die Blondine atmete tief durch, ehe sie zweimal in die Hände klatschte. „Also schön, die Pressekonferenz ist vorbei! Ihr habt den Mann gehört! Und wehe, auch nur eine von euch Napfsülzen lässt mich hängen! Denjenigen werde ich persönlich abholen und in den Turm schleifen, kapische!?“

 

Du warst zwar nicht sonderlich glaubwürdig, aber ich denke, Matt Summers Einsatz könnte sich ausgezahlt haben. Tu nur nie wieder so etwas Dummes, Anya Bauer. Das nächste Mal werde ich nicht zusehen, wie sich die Dinge entwickeln.

 

In Wirklichkeit hatte Levrier nur Angst, dass er sie nicht gut imitieren konnte, dachte dessen Gefäß daraufhin wütend, sah sich jedoch gezwungen, den Ärger in Anwesenheit der anderen herunterzuschlucken.

Stühlerücken ertönte. Abby und Nick waren aufgestanden und gingen jetzt auf Anya zu. Das brünette Hippiemädchen nahm sich Anyas Hand und drückte jene fest mit den ihren. „Kopf hoch, alles wird gut werden. Das hast du prima gemacht.“

„Huh?“

Abby lächelte sie aufmunternd an. „Den Mut zu haben, sich so offen ins Kreuzfeuer zu stellen … dafür hast du meinen Respekt. Wir alle wissen insgeheim, dass du uns nicht verraten würdest. Du bist zwar, entschuldige, etwas gewöhnungsbedürftig, aber bestimmt nicht das Monster, für das Alastair dich hält.“

„D-danke.“ Also schien sie doch nichts zu ahnen.

„Ich gehe nachhause und werde mit Henry reden. Ich mache mir Sorgen um ihn. Er braucht wohl jetzt jemanden, mit dem er reden kann.“

Anya nickte knapp. „'kay, mach das.“

„Ich gehe auch. Spongebob läuft gleich“, gluckste Nick unbekümmert wie eh und je.

So verabschiedete Anya die beiden schlechten Gewissens. Wie konnte sie Abby jetzt noch in die Augen sehen? Und wieso kümmerte sie das neuerdings überhaupt?

 

Doch als Alastair wie ein Sommergewitter an ihr vorbeirauschte, packte Anya diesen fest am Arm. „Du bleibst schön hier, Freundchen! Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen!“

Aber der Dämonenjäger riss sich sofort los. „Denk nicht, dass ich deinen Worten Glauben schenke, Schlangenzunge.“

„Hey“, schritt Marc ein und stellte sich zwischen die beiden. „Lass Anya zufrieden, klar?“

„Marc, ich bin oben. Ich hab Kopfschmerzen“, murmelte Valerie und schritt hinter Anyas Rücken an jener vorbei. Als sie auf gleicher Höhe waren, flüsterte sie dieser kaum merklich etwas zu: „Kein Wort darüber.“

Anya, sich verblüfft umdrehend, sah nur wie Valerie von der Tür aus um die Ecke bog.

 

Was hat sie damit gemeint?

 

Wenn sie das mal wüsste, dachte Anya ärgerlich. Aber Redfield konnte ihr in diesem Moment nicht gleichgültiger sein. Sie hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen.

„Wir gehen dann auch“, meinte Matt und klopfte Anya auf die Schulter. „Zieh nicht so'n Gesicht, das steht dir nicht. Wenn jemand wie du versucht, nachdenklich auszusehen, geht das meist in die Hose.“

„Was, soll das heißen, du-!?“ Allerdings war das der falsche Zeitpunkt für so etwas. „Warte gefälligst! Könntet ihr mich mitnehmen?“

Erstaunt blinzelte Matt. „Wohin denn?“

„Dorthin, wo Alastair mit Refiel seinen Pakt geschlossen hat.“

Der Hüne wurde sofort hellhörig. „Was willst du dort!?“

„Wirst du sehen, wenn wir da sind! Oder soll ich allen von deinem kleinen Geheimnis erzählen? Du weißt schon, Victim's Sanctuary, Gewitter …“

Und nicht zu vergessen Jonathans Leiche. Alastair wusste sofort, worauf sie hinaus wollte. „Du dreckige-!“

„Kann ich auch mitkommen? Ich denke, ich sollte Valerie jetzt lieber etwas Zeit für sich gönnen“, schaltete sich Marc ein. „Außerdem ist mir nicht wohl dabei, dich mit denen allein zu lassen, Anya.“

„V-von mir aus!“

Auch das noch! Wieso war der Kerl plötzlich so nett zu ihr, seit er wieder am Leben war!? Jetzt, wo sie kein Interesse mehr an ihm hatte!?

„Wenn es dich glücklich macht“, meinte Matt mit ahnungslosem Schulterzucken. „Dann bringen wir euch beide eben dahin.“

 

~-~-~

 

Kaum hatte Alastair den VW-Bus am Waldrand geparkt, stiegen Anya und Marc von der Ladefläche aus. Einige Meter weiter auf der Straße war irgendwo die Stelle, an der Jonathan durch Alastairs Hand gestorben war.
 

Wie wirst du Alastair darauf ansprechen? Sein Misstrauen ist ohnehin groß genug und wenn du jetzt etwas Falsches sagst, wird er Matt am Ende nur damit anstecken.

 

„Lass das mal meine Sorge sein.“

„Was?“

Anya bemerkte Marcs verwirrten Gesichtsausdruck, als sie schon mal zu der Stelle vorgingen. „Nichts. Levrier wollte nur was von mir.“

„Oh … irgendwie beneide ich dich.“

Das Mädchen blieb abrupt stehen, woraufhin Marc es ihr gleichtat. „Wieso das denn!? Was gibt es denn an mir zu beneiden bitteschön!?“

„Nun“, sagte er und ließ den Kopf hängen, „du hast jemanden an deiner Seite, der dich führt. Alle haben diese Geister, denen sie vertrauen. Aber ich habe meinen verloren.“ Er sah wieder auf und lächelte gequält. „Versteh mich nicht falsch, Isfanel ist ein kaltblütiges Monster. Und ich würde sicher auch nicht mit dir tauschen wollen. Es muss schwer sein, Levrier zu unterdrücken, oder?“

„J-ja. Sehr schwer.“

„Aber dennoch. Er würde alles tun, um dich zu beschützen. Die Dinge sind nicht so einfach, wenn man auf sich gestellt ist.“

Anya blinzelte verdutzt. War das, was Marc fühlte? Fühlte er sich einsam, weil Isfanel nicht mehr da war? Oder ging es ihm am Ende nur darum, dass ihm jemand den Weg wies, damit er selbst nicht nachdenken musste?

„Pff! Sei froh, dass du ungestört deine eigenen Entscheidungen treffen kannst! Außerdem hast du Valerie. Was brauchst du mehr?“

Marc lachte. „Da hast du recht. Danke, Anya.“

 

Indes hatten Alastair und Matt zu ihnen aufgeschlossen, sodass sie zusammen die letzten Meter zu der Stelle nahmen.

„Hier habe ich mich mit dem Sammler duelliert“, meinte Anya, zeigte vor ihnen auf die Brandflecken überall auf dem Asphalt und der Steinmauer, die zu der höher gelegenen Ebene gehörte, auf der sich die Wohnhäuser befanden. Alles war durch die Polizei mit einem Absperrzaun gesichert worden.

„Verdammt“, staunte Matt, „das sieht ja nach 'nem heftigen Kampf aus.“

„Pah! Und das wolltest du uns zeigen?“, herrschte Alastair Anya an.

Die drehte sich mit grimmiger Miene zu ihm um.

„Nein, Narbengesicht! Hier irgendwo liegt dein verdammtes, abgetragenes Elysion! Und solange das nicht in tausend Teile zerscheppert, wird die Tür zum Turm sich nicht öffnen.“ Sie machte eine scheuchende Handbewegung. „Also husch husch, mach das Drecksteil kaputt, damit ich nachhause kann!“

„Wovon redest du da, Dämonenbrut!?“

„Sie hat recht“, meinte Matt nachdenklich und fasste sich ans Kinn, „mein Dämon hat genau das gerade gesagt. Das Elysion, welches du vor dem Pakt besessen hattest, ist in der Nähe. Aber vollkommen intakt, obwohl du bereits ein Neues besitzt.“

„Und warum sollte ich auf sie hören!?“

„Weil sie es besser weiß als du!“, stellte sich Marc wieder beschützend vor Anya. „Sei kein Idiot!“

Alastair verzog grimmig das Gesicht. „Und wer bist du, dich hier einzumischen? Immerhin hat dieses Mädchen dich-“
 

Doch Anyas gezielter Faustschlag auf Alastairs breiten Kiefer ließ diesen verstummen, ehe er aussprechen konnte, was Marc niemals erfahren durfte. Sich die Wange haltend, starrte der schwarzhaarige Dämonenjäger im roten Mantel das Mädchen hasserfüllt an. Dabei spuckte er zur Seite, ehe er zischte: „Wie kannst du es wagen!?“

„Hey, lasst den Mist!“, schritt nun Matt zwischen die Streithähne. An Anya gewandt, fragte er: „Was soll er tun, damit das Elysion zerbricht?“

 

Er vertraut dir wirklich, trotz der Sache mit dem Jinn. Er ist wahrlich naiv.

 

„Ich habe keine Ahnung“, brummte Anya und verfluchte Levrier innerlich, welcher ihr ohnehin schon schlechtes Gewissen mit aller Macht noch mehr reizen wollte, wie es schien.

„Als ob ich der Dämonenbrut helfen werde!“

„Das wirst du!“, schrie Marc nun aufgebracht. „Du hast den Albtraum angefangen, also wirst du alles tun, um ihn wieder zu beenden!“

Alastair grinste finster und lachte abfällig auf. „Zwing mich doch!“

Daraufhin griff Marc nach etwas hinter seinem Rücken und zog ein Deck hervor. „Wenn du darauf bestehst!“

„Ein Duell?“, wunderte sich Anya beim Anblick der Karten.

„Sicher.“ Marc hielt den Blick starr auf seinen potentiellen Gegner gerichtet. „Oder soll ich lieber die Fäuste sprechen lassen? Damit hätte ich zwar auch kein Problem, aber Gewalt war noch nie die Lösung.“

Anya lachte auf. Was für eine Verschwendung. Ein Kerl wie er passte doch gar nicht zu Redfield. Die verstand nichts vom Stolz eines Sportlers, obwohl sie selbst im Eishockeyteam war. Marc wollte für sein Team gewinnen, völlig gleich, ob es nun Duel Monsters oder Hockey oder ein Kampf Mann gegen Mann war. In dem Fall war sie sein Team. Aber Anya wusste, dass sie die Schlacht um ihn längst verloren hatte.

Sie zuckte genervt mit den Schultern. „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber sei vorsichtig, der Typ ist nicht ohne.“

Matt seinerseits fasste sich stöhnend an den Kopf. „Junge, wieso werde ich immer in die Streitigkeiten anderer reingezogen?“

„Du hast einfach die falschen Freunde“, erwiderte Anya neckisch. Und erkannte, dass sie damit auch sich selbst meinte. Woraufhin sie etwas auf Abstand ging, als sich Marc und Alastair bereit zum Duell machten.

Der jüngere Dämonenjäger gesellte sich neben sie.

„Eher habe ich meine Freunde schlecht erzogen“, meinte er scherzhaft. „Aber bei dir ist sowieso Hopfen und Malz verloren.“

„Was dachtest du denn?“ Anya sah dabei bewusst in den Himmel, der bereits in tiefem Rot stand. Ja, bei ihr war wirklich alles verloren … verdammt, langsam war es doch mal gut!

 

Alastairs weißes D-Pad klappte inzwischen aus, als er und sein Gegner sich auf der Straße gegenüber standen. „Von so einem Grünschnabel wie dir lasse ich mich nicht herumkommandieren. Ich frage mich, was dein Dämon wohl hierzu sagen würde, wenn er noch hier wäre?“

„Dass ich dir in den Arsch treten soll!“

Marc aktivierte seine Duel Disk und schob sein Deck in den dafür vorgesehenen Schacht.

Derweil betrachtete Alastair ihn missmutig. Es war unmöglich, dass dieser Bursche überhaupt vor ihm stand. Anya hatte ihn getötet, der Blutzoll der kämpfenden Dämonen hatte sein Leben eingefordert. Wie konnte er jetzt wieder leben? Anya Bauer wusste die Antwort, dessen war sich Alastair sicher. Hatte sie mit dem Sammler gehandelt, um ihn zu reanimieren? Törichtes Gör! Sie brachte nichts als Unglück mit sich. Mit einer Dämonenbrut wie ihr würde er niemals zusammenarbeiten!

„Duell!“, riefen beide schließlich.

 

[Marc: 4000LP / Alastair: 4000LP]

 

„Ich übernehme den ersten Zug“, stellte Alastair klar und zog gleich sechs Karten auf einmal. Sein Gegner fuhr sich über den Spitzbart und nickte mit entschlossener Mimik. „Nur zu. Die Ersten werden die Letzten sein.“

„Tch!“ Mit seinen albernen Pseudoweisheiten konnte er vielleicht eine Anya Bauer beeindrucken, nicht aber einen gestandenen Dämonenjäger wie ihn! „Sieh dich vor! Ich rufe [Vylon Cube]!“

Unter einem lauten Surren tauchte ein würfelartiges, schwebendes Objekt vor Alastair auf. Zwei Arme schossen aus seinen Seiten, als er Marc mit einem Laserstrahl zu scannen begann.

 

Vylon Cube [ATK/800 DEF/800 (3)]

 

„Kein Grund zur Sorge“, gab dieser daraufhin von sich.

„Dann sieh zweimal hin! Ich aktiviere die Magie [Celestial Transformation], um ein Feen-Monster von meiner Hand zu beschwören! Es verliert dabei die Hälfte seiner Offensivstärke und wird am Ende des Zuges vernichtet.“ Alastair lächelte jedoch finster, als er das Monster auf sein D-Pad legte. „Nicht, dass es etwas bedeuten würde, bei dem was ich vorhabe. Erscheine, [Vylon Hept]!“

Noch eine dieser befremdlichen Kreaturen erschien neben dem Würfel. Diese hier ähnelte jedoch vielmehr einem mechanischen Engel mit seinen goldenen Schwingen und dem Körper aus Stahl, der sich besonders durch die massiven Arme und fehlenden Beine des Wesens hervor tat.

 

Vylon Hept [ATK/1800 → 900 DEF/800 (4)]

 

Alastair ballte eine Faust, die er in den Himmel streckte. „Mach dich bereit …“
 

Dabei fragte Anya Matt unauffällig: „Seit wann benutzt ihr Duel Disks? Ihr habt doch diese komischen Hokuspokus-Karten dafür?“

Der lachte aber nur amüsiert. „Glaubst du, die benutzen wir jedes Mal, wenn wir uns duellieren? Manchmal gibt es Situationen, in denen wir nicht gleich allen an den Kragen wollen. Dann nehmen wie diese D-Pads.“

Matt holte aus der Innentasche seines Mantels einen schwarzen, schmalen Apparat, der eher einem Tablet-Computer mit Schnalle ähnelte, denn einer Duel Disk. „Die sind extrem teuer im Laden, aber auf dem Schwarzmarkt kann man sie sich recht günstig besorgen.“

„Tch, ich brauche so'n Scheiß nicht. Ich bleib bei meiner Battle City-Duel Disk.“

„Das verlodderte Ding?“

Anya stampfte wütend auf. „Hey, das ist'n Erinnerungsstück meines Vaters! Mach dich drüber lustig und ich zeig dir, wie stabil das Ding ist! Und zwar, wenn ich dir damit die Rübe glattbügle!“

Mit erhobenen Händen wich Matt von ihr. „Schon gut, tut mir leid. Da hab ich wohl glatt 'nen Nerv getroffen …“

 

„Ich stimme meinen Empfänger [Vylon Cube] Level 3 auf [Vylon Hept] Level 4 ab!“, rief Alastair aus voller, tiefer Kehle. „Infinite potential lies within the heart of steel. Cover this infected world with your sacred wings! Synchro Summon! [Vylon Delta]!“

Der Würfel stieg hoch in die Luft und zersprang in drei grüne Ringe, welche der mechanische Engel durchquerte. Ein greller Lichtblitz erhellte die gesamte Straße.

Marc zeigte sich jedoch nicht gerade überwältigt von Alastairs Synchromonster. Hinter den gewaltigen, silbernen Stahlschwingen, die dieser neue Maschinenengel schützend um seinen Körper hielt, erblickte er gewaltige Fäuste. Der Leib des Wesens endete in einer rot glühenden Spitze, um die drei goldene Ringe schwebten. Elegant stieg es aus der Luft hinab und breitete sich in seiner massiven Größe vor Alastair aus.

 

Vylon Delta [ATK/1700 DEF/2800 (7)]

 

„Dadurch, dass [Vylon Cube] für die Synchrobeschwörung eines Licht-Monsters als Empfänger benutzt wurde, erhalte ich eine Ausrüstungsmagie von meinem Deck“, erklärte Alastair angespannt und zeigte [Vylon Material] vor. Diese tauschte er mit einer Falle von seinem Blatt aus, welche er im Anschluss auf sein D-Pad legte, um sie einscannen zu lassen. „Diese Karte verdeckt. Damit beende ich meinen Zug und erhalte durch [Vylon Deltas] Effekt noch eine Ausrüstungsmagie während meiner End Phase von meinem Deck.“

Noch während sich seine Falle vor ihm materialisierte, zückte Alastair eine zweite Kopie von [Vylon Material] und fügte sie seinen drei anderen Karten hinzu.

Marc nahm es gelassen und fragte herausfordernd: „Was ist? Ich habe noch nicht einen Zug hinter mir und du gehst schon in die Defensive?“

„Rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst, Fehlschlag.“

 

„Fehlschlag!?“, wiederholte Anya erschrocken Alastairs Beleidigung. Sie wusste genau, warum er das tat – weil Marc daran gescheitert war, sie umzubringen. „Dieser Dreckskerl!“

Doch der schwarzhaarige Footballspieler warf Anya nur einen selbstsicheren Blick zu. „Keine Sorge, so etwas verletzt mich nicht.“

Wieder an seinen Gegner gerichtet rief er: „Mein Zug!“

Schwungvoll riss Marc eine Karte von seinem Deck und grinste.

„Prima, noch ein Monster! Dann wird das ja funktionieren!“ Er griff nach einer anderen Karte aus seinem Blatt. „Los, ich schicke [Laval Magma Cannoneer] in den Ring!“

Vor ihm materialisierte sich ein Soldat aus blauem Gestein. Geschultert hatte er zwei große Kanonen, die mit jeweils einem Schlauch mit seinem Rückgrat verbunden waren.

 

Laval Magma Cannoneer [ATK/1700 DEF/200 (4)]

 

Kaum war sein Monster auf dem Feld, schob Marc schon zwei Karten in seinen Friedhofsschacht, darunter auch seine soeben gezogene. „Zweimal pro Zug nimmt [Laval Magma Cannoneer] meinen Gegner unter Beschuss, wenn ich ihm die passende Munition liefere. Laval-Monster! Das kostet dich pro Treffer 500 Lebenspunkte!“

Je ein Abbild der Karten von [Laval Enchanter] und [Laval Lakeside Lady] tauchten vor Marcs Monster auf, verwandelten sich in rote Kugeln und verschwanden dann in den Kanonenrohren. Nur um dann in Form von mächtigen Lavastrahlen auf Alastair abgefeuert zu werden.

Dieser hob zum Schutz seinen Arm, obwohl er von Marcs Angriffen nichts zu befürchten hatte. Zwei explosive Einschläge erschütterten sein Spielfeld.

 

[Marc: 4000LP / Alastair: 4000LP → 3000LP]

 

„Wow, er geht richtig zur Sache! Los Marc, weiter so!“, feuerte Anya ihn begeistert an.

 

Wirst du rückfällig, was die Schwärmerei für ihn angeht, Anya Bauer?

 

„Nein“, murmelte die leise, „dieses Mal ist es anders, als du denkst …“

Gleichzeitig zückte Marc eine Fallenkarte von seiner Hand zeigte sie vor. „Die hier aktiviere ich jetzt, [Dustflame Blast]!“

„Narr!“, erwiderte Alastair und schwang, als sich der Rauch lichtete, den Arm aus. „Fallenkarten müssen einen Zug vor ihrer Benutzung gesetzt werden!“

„Und du denkst, das weiß ich nicht!? Dann schau dir doch mal den Effekt meines [Laval Enchanters] an.“

Der Aufforderung mürrisch folgend, tippte Alastair auf seinem D-Pad das Icon des Friedhofs seines Gegners an, wählte besagtes Monster aus und weitete die Augen, als er dessen Effekt durchlas. „Unmöglich!“

„Und wie das möglich ist! Da er durch eine Laval-Karte auf den Friedhof geschickt wurde, kann [Laval Enchanter] für diese Runde eine Falle von meiner Hand aktivieren.“

Hinter Marc tauchte das Abbild einer wunderschönen Frau mit flammendem, blauem Haar auf, die ein enges, schwarzes Kostüm am Leib trug und ihre Hände in denselben blauen Flammen aufgehen ließ. Ihr Besitzer zeigte seine Falle vor: „[Dustflame Blast] verbannt alle Laval-Monster aus meinem Friedhof, um dieselbe Anzahl an Karten auf dem Spielfeld zu vernichten. Unnötig zu erwähnen, wer bei nur zwei Monstern der Hauptleidtragende ist!“

Alastair stieß einen widerspenstigen Schrei aus, als zwei flammende Kugeln aus dem Himmel auf ihn herab schossen und eine gleißende Explosion auslösten. Derweil schob Marc die zuvor abgeworfenen Monster in seine Hosentasche. „Dumm gelaufen, was?“

Als der Rauch sich lichtete, war Alastairs Feld vollkommen leer. Jener ballte wütend eine Faust, konnte jedoch seine Abscheu Marc gegenüber gar nicht zum Ausdruck bringen und fluchte deshalb nur laut.

 

Er mag zwar nicht mehr mit Isfanel verbunden sein, aber seinem Duellstil hat das scheinbar nicht geschadet. Marc Butcher ist noch genauso gefährlich, wie damals in deinem Tag Duell gegen ihn und Valerie Redfield oder als wir gegen ihn gekämpft haben.

 

„Yeah“, war alles, was Anya dazu zu sagen hatte.

Marc schien aber noch nicht fertig mit seinem Zug zu sein. „Ich aktiviere jetzt von meiner Hand die Zauberkarte [Molten Conduction Field], um gleich zwei Laval-Monster von meinem Deck auf den Friedhof zu legen.“

Er trennte sich von [Laval Miller] und [Laval Volcano Handmaiden]. Kaum hatte er dies getan, ertönte eine schrille Lache, und unter Funken kam vor ihm eine flammende Gestalt eines jungen Mädchens zum Vorschein.

„Das ist [Laval Volcano Handmaidens] Effekt!“, erklärte Marc dazu voller Eifer. „Wird sie auf den Friedhof gelegt, sofern noch andere Laval-Monster wie der Miller dort liegen, schickt sie noch einen Artgenossen dorthin. Was eine Handmaiden sein wird, die ihrerseits noch eine Handmaiden abwirft, welche zum Schluss [Laval Forest Sprite] mit ins Unglück stürzt!“

So schob Marc schließlich dank nur einer Karte gleich fünf Monster in den Friedhofsschlitz seiner Duel Disk. Seine letzte Handkarte zückend, rief er bestimmend: „Letztere wird jetzt vom Friedhof auferstehen! Ich aktiviere [Monster Reborn]!“

Eine kleine Gestalt tauchte neben dem Kanonier auf. Arme und Beine des rothaarigen Mädchens, welches eine Kapuze trug, glühten rot auf.

 

Laval Forest Sprite [ATK/300 DEF/200 (2)]

 

Marc streckte nun den Arm weit aus.

„Und jetzt stimme ich meinen Stufe 2-Empfänger [Laval Forest Sprite] auf meinen Stufe 4-[Laval Magma Cannoneer] ab!“ Zeitgleich flogen seine Monster in die Luft, wobei sich das Mädchen in zwei grüne Ringe aufspaltete. „A spark lights the otherworldly flame of destruction! An inferno of tragedy unfolds! Synchro Summon! Ignite, [Laval The Greater]!“

Kaum hatte der Kanonier diese Ringe passiert, blendete ein heller Lichtblitz die Duellanten. Rote und blaue Flammen kreisten um Marc, zischten dann nach vorn und verschmolzen zu einer Flamme, aus der eine humanoide Gestalt entstand. Deren Körper bestand aus blauem Gestein, das von jeweils rotem und blauem Feuer von den Armen ausgehend umhüllt wurde.

 

Laval The Greater [ATK/2400 DEF/800 (6)]

 

„Wenn [Laval The Greater] als Synchrobeschwörung gerufen wird, müsste ich normalerweise eine Handkarte abwerfen.“ Marc lächelte zufrieden. „Nur habe ich schon alle verbraucht. Also überspringen wir das einfach und kommen zu [Laval Forest Sprite], die, wenn sie vom Feld auf dem Friedhof landet, allen offenen Laval-Monstern einen netten Angriffsschub verpasst. 200 für alle Artgenossen auf dem Friedhof, worin sie selbst ebenfalls mit inbegriffen ist. Was bei immerhin sechs Laval-Monstern ganze 1200 Punkte macht!“

Die Flammen, die um Marcs Monster schlugen, explodierten förmlich und breiteten sich zischend über die ganze Straße aus.

 

Laval The Greater [ATK/2400 → 3600 DEF/800 (6)]

 

Anya stieß einen zufriedenen Schrei aus. „Das war's, Narbenfresse!“

„Ganz richtig!“ Marc streckte den Arm aus. „[Laval The Greater], direkter Angriff! Otherworld Flame!“

Der Dämonenjäger seinerseits weitete die Augen, als er zusah, wie das Monster eine Flamme zwischen seinen Händen bündelte, die aus blauem und rotem Feuer bestand. Feuer, wie damals, als er seine Familie durch Anothers Hand verloren hatte!

[Laval The Greater] schoss die Flamme wie eine Kanonenkugel auf Alastair ab, welcher einen unmenschlichen Schrei ausstieß. Sein ganzes Feld wurde durch die Attacke in Brand gesetzt. Kurz bevor die Flamme ihn jedoch berührte, prallte sie an einem unsichtbaren Kraftfeld ab, erzeugt von drei kleinen Maschinen, wurde gespalten und versengte stattdessen die umliegenden Bäume des anliegenden Waldes und die Straße – natürlich nur im Maße einer Hologrammsimulation.

„Was!?“, stieß Marc einen entsetzten Schrei aus. „Der Angriff ist verpufft!?“

Schwer atmend stand ihm Alastair gegenüber, sein Gesicht gezeichnet durch die Erinnerungen seiner Kindheit und den damit verbundenen, unbändigen Hass. „Solche wie du werden mich niemals zu Fall bringen!“

„[Delta Shield]“, sprach Matt weiter, um zu erklären, was geschehen war. „Ich habe es gesehen, Alastair hat sie kurz vor der Explosion, die sein Spielfeld vernichtet hat, angekettet. Das hat er schon bei mir getan und sich damit vor einem Angriff gerettet. Das siehst du auch daran, dass er eine Karte mehr auf der Hand hat, als noch vorhin. Einer der Effekte von [Delta Shield] besagt, dass er, wenn er ein Stufe 5 oder höher-Monster als Ziel für die Aktivierung auswählt, eine Karte ziehen kann.“

Als Anya und Marc erschrocken nachzählten, stellten sie fest, dass Alastair tatsächlich nun fünf Karten besaß.

„Zug beendet“, knurrte der Footballspieler, dem es leider an Handkarten mangelte, um sich auf Alastairs nächsten Zug vorzubereiten. Welchen es gar nicht hätte geben dürfen!

 

„Einem wie dir werde ich mich niemals beugen, Dämonenfreund!“, schrie Alastair förmlich und riss seine Karte vom Deck. „Und ich werde nicht einmal die Macht des Heiligen Refiels brauchen, um dir eine Lektion zu erteilen!“

„Heißt, er schummelt nicht“, rief Anya böswillig in Marcs Richtung.

Doch dessen Aufmerksamkeit war ganz auf seinen Gegner gerichtet, der außer sich schien vor Wut. Dabei hatte er diesem doch gar nichts getan. Oder etwa doch?

Alastair knallte ein Monster auf sein D-Pad. „Erscheine, [Vylon Pentachloro]! Und verdreifache dich dank der Magie [Machine Duplication]!“

Vor ihm formte sich ein metallisches Wesen langsam zu einer Gestalt. Erst war da der fünfeckige Körper aus dunklem Stahl, dann die zwei Arme und letztlich ein goldener, radähnlicher Kopf. Aus ihm schossen zwei Abbilder seiner selbst und nahmen rechts und links neben ihm feste Form an.

 

Vylon Pentachloro x3 [ATK/500 DEF/400 (4)]

 

„Ich erschaffe das Overlay Network! Xyz-Summon“, schrie Alastair und streckte den Arm in die Höhe. Seine drei Monster verwandelten sich in gelbe Lichtstrahlen. Ein schwarzes Loch tat sich inmitten des Spielfelds auf und sog jene Strahlen ein. Dafür trat eine gar grausige Gestalt daraus hervor, um welche drei Lichtsphären tanzten.

Es war, als wäre diese Kreatur aus den Tiefen der Finsternis selbst entsprungen. Dunkel und bösartig war die Grimasse des Wesens, dessen überdimensional großer Kopf auf zwei miteinander verbundenen, quadratischen Plattformen lag. Aus den langen Armen, die aus seinem Kopf ragten, schoss ein ganzes Bataillon an schwarzen Klingen.

„Vernichte meine Feinde, [Vylon Disigma]“, brüllte Alastair aufgebracht.

 

Vylon Disigma [ATK/2500 DEF/2100 {4}]

 

„Wieso ist er plötzlich so wütend?“, fragte Anya irritiert.

Unter diesen Umständen könnte es passieren, dass Alastair etwas sehr Dummes tat. Zum Beispiel sein Monster zu einer noch grauenvolleren Kreatur zu inkarnieren. Aber konnte er das mithilfe eines Engels überhaupt?

Matt seufzte. „Ich denke, Marcs Angriff erinnert ihn an den Tag, an dem er seine Eltern verlor. Du musst wissen, ein Dämon namens Another hat sie, als Alastair noch ein Kind war, grausam in ihrem eigenen Haus verbrannt. Daher hat er auch all die Narben.“

„Oh …“ Anya erinnerte sich, bemerkte dabei nicht den Blick voller Schuld des Dämonenjägers.

Es war ihre erste Begegnung mit Alastair und dem Duell, das sie letztlich nur durch eine List gewann, indem sie genau jene Schwachstelle, den Namen Another, ausgenutzt hatte. Durch dieses Duell war die halbe Aula eingestürzt.

Nachdenklich rief sie Marc schließlich zu: „Sei bloß vorsichtig! Das Narbengesicht dreht jetzt vollkommen am Rad!“

Voller Eifer riss Alastair eine der Kopien von [Vylon Pentachloro] unterhalb seines Xyz-Monsters hervor. „Effekt von [Vylon Disigma]! Es absorbiert ein beliebiges offenes Monster meines Gegners und kann fortan nie wieder durch Kreaturen derselben Elementklasse besiegt werden!“

Disigma öffnete sein schreckliches Maul und sog alle Flammen auf, die sich in der Umgebung ausgebreitet hatten. Auch [Laval The Greater] selbst konnte sich des starken Soges nicht erwehren und endete letztlich im Schlund der grauenhaften Kreatur, verschwand einfach. Als Folge verfärbte sich einer der Lichtsphären um Disigma rot.

„Mein Monster“, stieß Marc erschrocken hervor. Das Blatt hatte sich unerwartet für ihn gewendet und nun war er es, der ohne Karten auf Spielfeld und Hand dastand.

„Ich bin noch nicht fertig!“, rief Alastair weiterhin und hielt drei Zauberkarten mit demselben Bild in die Höhe. „Diese Karten werden Disigmas Offensivmacht um jeweils 600 erhöhen! [Vylon Material]!“

Anyas Augen weiteten sich. „Gleich drei auf einmal!?“

Um Disigma entflammte eine weiße Aura, die regelrecht blendete.

 

Vylon Disigma [ATK/2500 → 4300 DEF/2100 {4}]

 

„Das ist … genug, um mich …“, brach Marc brockenhaft hervor.

Doch schon hatte er Alastairs Finger auf sich zeigend. Jener starrte ihn voller Missgunst an, schien sich jedoch wieder beruhigt zu haben. „Merke dir eines für die Zukunft, Freund der Dämonin. Ich werde mich euch niemals unterwerfen. Und nun erfahre die Kraft Gottes! [Vylon Disigma], Sacred Black Obliteration!“

Seine Kreatur erschuf zwischen ihren Händen einen schwarzen Energiespeer, welchen sie ergriff und mit aller Kraft in Marcs Richtung schleuderte. Der konnte nicht einmal einen Schrei ausstoßen, da wurde er schon direkt in die Brust getroffen. Wodurch der Speer in einer schwarz-violetten Energiekuppel explodierte.

 

[Marc: 4000LP → 0LP / Alastair: 3000LP]

 

Disigma verschwand in schwarzen Partikeln, während sich die Kuppel allmählich aufzulösen begann.

Entsetzt schrie Anya: „Marc!“

Doch Matt legte ihr seine Hand auf die Schulter. „Ihm ist nichts passiert. Alastair würde keinen Unschuldigen töten. … denke ich zumindest.“

Denn für einen Moment hatte es tatsächlich nach dem Gegenteil ausgesehen.

Als die Auswirkungen der Explosion endgültig nachgelassen hatten, stand Marc immer noch und fasste sich an die Stelle, durch die der Speer in seinen Leib gedrungen war. Die Hand betrachtet, murmelte er unzufrieden. „Ich habe verloren …“

Alastair schritt erhobenen Hauptes an ihm vorbei. „Was für eine Zeitverschwendung. Matt, wir gehen!“

„Sorry, ich beeile mich jetzt besser, ehe ich den ganzen Abend seiner schlechten Laune ausgesetzt bin, weil er mich als neues Opfer auserkoren hat“, verabschiedete Matt sich eilig von Anya und rannte seinem Partner hinterher. „Bye!“

Jene beobachtete still, wie die beiden in den VW-Bus stiegen und fortfuhren. Ihr tat Marc leid, wie er da mit vergrämter Miene auf der Straße stand und sich selbst bedauerte.

 

Anya Bauer! Das Elysion, es ist zersplittert!

 

Sofort schreckte sie auf. „Was!? Aber wie-!?“

 

Es ist in dem Moment geschehen, als er sein Paktmonster beschworen hat! Das muss der Grund sein, warum all die anderen Elysions zerstört waren, nur seines nicht. Damals, als er diesen Jungen getötet hat, muss er diese Karte nicht in dem Duell verwendet haben.

 

„Daran soll es gelegen haben!?“

Anya konnte das nicht glauben. Alastair hatte diese Karte sicher schon öfters eingesetzt, sie selbst hatte ihr doch gegenüber gestanden!

 

Eine andere Erklärung habe ich nicht hierfür. Aber es spielt keine Rolle, das letzte Elysion ist somit zerbrochen. Wir können jetzt tun, was der Sammler uns geraten hat und die Scherben deines Elysions mit der Energie der anderen aufladen!

 

Anya nickte zögerlich. „Vielleicht. Noch wissen wir nicht, wie das letzte Elysion aussieht. Redfields ist ja offensichtlich wie es sein sollte, im Arsch. Aber wenn das letzte auch noch nicht zerbrochen ist, stehen wir vor einem fetten Problem.“

 

Das finden wir nur heraus, wenn wir uns in die Kanalisation begeben.

 

„Anya?“

Das Mädchen schreckte auf, als Marc ihr mit deprimiertem Gesichtsausdruck entgegen kam. Er versuchte zu lächeln, aber als Sportler schien er sich mit dem Gedanken an eine Niederlage nicht so leicht anfreunden zu können.

„Entschuldige, dass ich verloren habe. Es muss peinlich für dich gewesen sein. Ich dachte, ich tue dir einen Gefallen damit, aber-“

Anya winkte ab und stöhnte augenrollend. „Ist doch egal. Ich bin froh, dass dieser Mistkerl endlich weg ist.“

„Aber ist das okay?“

Sie wich seinem Blick aus. „Klar. Mir fällt schon was ein. Levrier hat noch 'ne Idee, wie wir das Ding auch ohne Alastairs Hilfe kaputt kriegen.“

Wieso log sie ihn deshalb überhaupt an, fragte sie sich nebenbei verwirrt.

„Verstehe. Dann viel Glück. Und …“ Er zögerte, senkte den Blick. „Und wünsch mir Glück. Ich werde ab morgen nämlich wieder zur Schule gehen. Das wird ein echter Spießrutenlauf, nach dem Tag Turnier neulich.“

„D-du packst das schon.“ Anya schlug ihm kumpelhaft und doch ungeschickt zugleich mit der Faust gegen die Schulter. „Du bist immerhin der Star-Quarterback. Die werden sich schon einkriegen. Immer schön auf depri machen und sich überall entschuldigen. Im Nu ist alles wieder vergessen.“

„Ich hoffe es. Dann werde ich mal los, ehe Val sich Sorgen macht.“

„Ja, also dann. Bye …“

„Bye.“

Sie sahen sich noch kurz in die Augen, ehe Marc auf dem Absatz Kehrt machte und davon rannte.

 

Anya sah ihm mit betrübter Miene hinterher. Die Tatsache bedauernd, dass er niemals mehr für sie empfinden würde als jetzt in diesem Augenblick. Im Gegenteil. Wenn er erkannte, dass sie ihn und alle anderen betrogen hatte, würde er sie hassen. Er und alle anderen auch. Aber nur für einen kurzen Moment. Der vielleicht mehr wiegen würde als ihr ganzes Leben.

 

~-~-~

 

Kaum war Nick in seinem äußerst unordentlichen Zimmer angekommen, schritt er herüber zu einem Haufen alter Wäsche und holte unter dem Berg ein schwarzes Schnurlostelefon hervor.

„Das Genie behält selbst im Chaos den Überblick“, murmelte er abgelenkt, wählte eine Nummer und legte den Apparat ans Ohr.

Kurz darauf hob eine Dame mit schriller Stimme ab. „Ja bitte?“

„Nina, ich bin es.“

„D-d-du!?“

Nicks Augen verengten sich zu Schlitzen. „Haben Sie die Adresse, die ich von Ihnen wollte?“

„Ich habe doch gesagt, dass das nicht so einfach ist! Der Autor konnte mir keine Adresse geben!“

„Und wie haben Sie das Problem gelöst?“, fragte Nick scharf.

„Also, was das angeht …“ Die Frau lachte heiser, schien sie doch regelrecht in Panik zu geraten und plapperte plötzlich wie wild drauf los. „Ich habe ihn gebeten, ein Treffen für morgen zu arrangieren! Um halb Eins in einem kleinen Café im Einkaufszentrum!“

„Ich glaube ich weiß, welches Sie meinen“, murmelte Nick und betonte seine nächsten Worte mit aller Schärfe, „danke, Nina.“

„N-nicht doch! Ich habe doch versprochen, mich ein wenig umzuhören.“

„Aber erst, als ich Sie freundlich daran erinnert habe“, stellte Nick klar. „Dennoch haben Sie mir womöglich geholfen, eine Katastrophe zu verhindern.“

Sofort wurde die Frau am Ende der Leitung hellhörig, von Angst keine Spur mehr. „Wie meinen?“

„Nichts.“ Nina musste nicht wissen, was Anya im Begriff war zu tun. „Und er wird definitiv kommen? Der Verstoßene 'Edens'?“

„So sicher wie das Amen in der Kirche. Aber du solltest ein bisschen Geld mitbringen, das musste ich leider versprechen.“

„Wie viel?“

„30.000$“, nuschelte sie so leise und kleinlaut in den Hörer, als fürchte sie eine große Explosion als Antwort. Die blieb allerdings aus.

„Sollte kein Problem sein. Ich hoffe, er kann uns weiterhelfen. Auch in Ihrem Interesse, Nina.“

Damit legte Nick auf und warf den Hörer auf den Wäschehaufen. So viel Geld würde einiges an Arbeit in Anspruch nehmen. Was eine schlaflose Nacht für ihn bedeutete.

 

 

Turn 26 – The Children Of Eden

Nina Placatelli, welche nach der Sache mit Abby Nick noch einen Gefallen schuldete, hat für ihn am nächsten Tag ein Treffen arrangiert. Und zwar mit einem geheimnisvollen Mann namens Drazen, der laut dem Buch 'Thirty Legends – The Whole Truth' jener Verbannte aus der Stadt der Allerheiligsten, Eden, ist. Da Nick es jedoch nicht geschafft hat, die von Drazen für das Treffen angeforderten 30.000$ so kurzfristig als Bargeld zu beschaffen, besteht Drazen auf einen Deal. Wenn Nick gewinnt, erfährt er mehr über jene Stadt, die denselben Namen wie Anyas mysteriöses „Eden“ trägt. Verliert er, muss er ganze 100.000$ für Drazen besorgen. Was diesen Umstand noch erschwert ist die Tatsache, dass Nick nicht alleine gegen Drazen antreten kann, da …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-05-13T12:39:58+00:00 13.05.2017 14:39
Hi
Super Kapitel, das muss ganz schön schwer für Anya sein so derb zu lügen, aber der großteil hält zu ihr.
Da hat Marcs Niederlage gegen Alistair ja noch was gutes, auch wenn unser Dämonenjäger sich dessen nicht bewusst ist.
Hoffentlich läuft das bei Nicks Vorhaben gut ab, vermutlich nicht sonst wäre es ja langweilig.
Ich freue mich schon drauf wie es weiter geht, bei so ner tollen Geschichte lohnt sich das Warten.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
20.05.2017 19:54
Hey,
sagen wir, das Lügen fällt ihr schwerer als sie gedacht hätte.
Was Nick angeht: Als ob. Wie du sagtest, wäre das alles so einfach, würde die Spannung fehlen. ^^
Danke für dein Lob. Das motiviert ungemein!

LG,
-Aska-


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