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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 12 - Scars

Turn 12 – Scars

 

 

Es klingelte an der Tür.

Wütend stampfte Anya die Treppe hinab und schwor sich, denjenigen zu erwürgen, der es wagte, sie bei ihrem allwöchentlichen Samstagsdauerzocken zu stören!

Vor der massiven Holztür angekommen, spähte sie misstrauisch durch den Spion. Und schreckte überrascht zurück, als sie direkt in ein giftgrünes Auge starrte.

Unwirsch riss sie die Tür auf und rief: „Hey, was soll der Scheiß? Wir haben heute geschlossen, danke!“

Schon wollte sie die Tür wieder zuknallen, doch ein Fuß schob sich über die Schwelle und blockierte diese. Ein blasses Gesicht drückte sich durch den Spalt und starrte Anya aus dicken Brillengläsern neugierig an.

„Du wirst entschuldigen, Kleine, aber ich habe ein paar Fragen an dich!“

„Ich kaufe nichts von Pennern!“

Die Dame räusperte sich entrüstet. „Ich bin keine sozial Bedürftige. Ich bin Journalistin. Mein Name ist Nina Placatelli und ich möchte dich gerne ein wenig aushor- interviewen, Anna.“ Sie reichte Anya durch den Spalt die Hand.

Böser Fehler, dachte die mit fiesem Grinsen und griff den weißen Ärmel ihrer Bluse. Dann zog sie mit aller Kraft daran, während sie unter Zuhilfenahme ihres Fußes die Tür weiterhin zudrückte. Die alte Schachtel schrie wütend, woraufhin plötzlich die Tür aufschwang und Anya zurückgeworfen wurde, anschließend auf dem Rücken landete. Hatte diese Reporterin doch tatsächlich die Haustür mit einem Tritt wieder geöffnet.
 

Selbstgefällig trat jene über die Schwelle.

„Du erlaubst doch sicher“, meinte sie dabei förmlich und schritt seelenruhig an Anya vorbei, direkt ins Wohnzimmer. Die starrte ungläubig der Journalistin hinterher und wusste nicht, ob sie sie für ihre Dreistigkeit bewundern oder töten sollte.

„Alter, ist die stark“, staunte sie dabei leise für sich. Dann sprang das Mädchen auf und folgte der Frau ins Wohnzimmer, ehe die noch auf die seltendämliche Idee kam, lange Finger zu machen.

 

Doch die Reporterin hatte es sich bereits auf einem Sessel bequem gemacht und kramte aus ihrer überdimensionalen Handtasche einen uralten Fotoapparat, einen Notizblock und einen Kugelschreiber, ehe sie das rote Ungetüm auf den Glastisch schmiss.

Wie unmodern, dachte Anya beim Anblick des Notizblocks gehässig. Hatte die Alte kein Geld für ein Notebook oder dergleichen?

Sie stand beim häuslichen Plasmafernseher und wusste nicht, ob das alles nur ein schlechter Scherz war, oder diese Frau Selbstmordabsichten hegte. Die Dame besten Alters winkte sie zu sich. „Komm Anna, ich habe nicht viel Zeit.“

 

Wütend musterte die Blondine die Frau. Um ihre Augen traten schon deutliche Falten hervor, ihre schmalen Lippen waren mit kirschrotem Lippenstift bemalt, welcher nicht recht zu ihrem feuerroten Haar passen wollte. Jenes war extrem gelockt und wurde von derart vielen Spangen gehalten, dass die Frisur einfach nur planlos und chaotisch wirkte. Zwei Strähnen hingen ihr im Gesicht. Am Leibe trug sie ein giftgrünes, weites Kleid, das zumindest hervorragend mit ihren Augen harmonisierte.

 

„Ich heiße Anya“, brummte jene und schielte zurück in den Flur. Sollte sie vielleicht Barbie holen? Bisher hatte ihr mit Nägeln, abgebrochenen Messerklingen und anderen metallischen Spitzen besetzter Baseballschläger jeden Schmarotzer in die Flucht geschlagen. Zu ihrem Bedauern bisher nur im übertragenen Sinne.

„Anna, Anya, unwichtige Details“, meinte diese Nina flapsig und winkte ab. „Komm schon, Kleine, mich interessiert deine Geschichte.“

Sie klopfte einladend auf das Sofa, neben dem ihr Sessel stand.

 

Das Wohnzimmer der Familie Bauer war nicht sehr groß. Ein rechteckiger Glastisch stand in seiner Mitte, während an der Nordwand ein großes Sofa Staub fing. Daneben je links und rechts ein Sessel, wobei sie alle auf den Fernseher gerichtet waren, welcher in der südwestlichen Ecke des Zimmers stand. Ein großes Fenster gewährte den Blick auf den minimalistischen Garten und so unweigerlich auch auf die Nachbarschaft.

 

Zögerlich stellte sich Anya der Journalistin gegenüber. Die starrte sie aus ihren großen, eckigen Brillengläsern erwartungsvoll an. „Setz' dich, Kindchen.“

„Nein danke, ich kann auch stehen!“

Denn dann kann ich sofort eingreifen, wenn du erkennst, dass es an der Zeit ist wegzurennen, dachte sie dabei grimmig. Niemand betrat -ihr- Haus ohne ausdrückliche Genehmigung!

„Na, wie du meinst“, zeigte Nina sich gleichgültig und zückte Stift und Notizblock. „Anna Bauer war dein Name, oder?“

„Anya!“

Hatte die Alte Alzheimer oder machte sie das mit Absicht!?

 

„Gut, gut!“ Sie sah auf. „Also, Anya“, sie betonte den Namen des Mädchens jetzt besonders langsam, „du bist ja die traurige Verliererin des Wettstreites, der letzte Woche an eurer Schule stattgefunden hat. Wie fühlst du dich dabei?“

Anya blinzelte irritiert. „Huh?“

Die Reporterin kritzelte etwas auf ihren Block. Dabei murmelte sie: „Immer noch fassungslos über die schreckliche Niederlage.“

Danach blickte sie wieder auf. „Sicherlich war es schwer für dich und deinen Partner, so weit zu kommen. Wie hast du das angestellt?“

„Wie meinen Sie das?“, fragte Anya ungläubig.

Die Rothaarige zwinkerte vieldeutig. „Ach tu doch nicht so, Kindchen. Du weißt schon, Bestechung, Schummeln, zwielichtige Tauschgeschäfte?“

„Ich habe ganz normal gekämpft!“

Wieder zitierte die Frau, was sie sich notierte. „Möchte ihr Geheimnis nicht preisgeben, macht aber Andeutungen.“

„Was reden Sie da!?“ Anya wollte auf den Notizblock sehen, doch die Alte hielt ihn sich an die Brust und schüttelte süffisant grinsend den Kopf. „Na na, wir sind noch nicht fertig!“

„Was wollen Sie überhaupt von mir!?“

Nina überging die Frage einfach. „Was hältst du von Marc Butcher, dem zweifelhaften Sieger des Turniers? Ich habe aus einschlägigen Quellen gehört, er wäre seit dem Turnier für den Rest der Woche nicht mehr in der Schule aufgetaucht?“

 

Anya verstummte.

Es stimmte, Marc war die letzten Tage nicht zum Unterricht erschienen. Offiziell lag zumindest eine Krankschreibung seiner Ärztin vor. Grund dafür war seine verletzte Hand, die dringend Ruhe benötige, da ihr Zustand sich verschlimmert habe. Natürlich glaubte niemand auch nur ein Wort von dieser fragwürdigen Entschuldigung.

Die Stimmung gegenüber Marc war so extrem umgeschlagen, wie man es noch nie an der Livington High erlebt hatte. Einst von allen bewundert, war der Football- und Eishockeyspieler nun bei allen unten durch für sein schäbiges Verhalten gegenüber den anderen Turnierteilnehmern.

Selbst Anya wusste nicht, wie sie nun über Marc denken sollte. Seine kalte, gar grausame Art hatte sie regelrecht abgeschreckt. Eine richtige Erklärung für sein Verhalten gab es immer noch nicht, auch wenn manche von Frust aufgrund seiner Verletzung sprachen.
 

„Was ich von Marc halte, geht Sie überhaupt nichts an!“, fauchte Anya schließlich. Denn es war trotzdem ihre Pflicht als seine … was-auch-immer, Marc zu verteidigen. „Sind Sie nur hier, um über das Turnier zu reden!? Hätten Sie das nicht schon neulich machen können!? Sie waren doch selbst dabei, nicht!?“

„Deckt den Schule schwänzenden, ehemaligen Footballhelden“, murmelte Nina und legte ihren Notizblock wieder auf den Schoß. Dann klimperte sie mit ihren langen, garantiert falschen Wimpern. „Um deine Frage zu beantworten: nein, ich bin nicht nur wegen des Turniers hier und Zeit hatte ich bisher keine für dich, Ann- Anya. Aber Schätzchen, sag mir mal eines … glaubst du an Geister?“

„Ich kenne sozusagen einen … nicht!“

Gerade noch einmal gerettet, dachte Anya. Und dann noch so cool! Sie war eben echt gut!

„Du wirst dich bestimmt fragen, warum ich das wissen will?“

„Nein. Ich frage mich eher, wie viel Zeit Sie mir noch stehlen wollen? Sie sollten wissen, dass jede Sekunde mit einem Tropfen Blut aufgewogen wird.“ Anya sagte das in einer Trockenheit, die sie so noch nie angewendet hatte. Sozusagen hatte sie sich das bei Abby abgeschaut und wollte einfach mal sehen, ob ihr hochgelobter Sarkairgendwas wirklich funktionierte.

 

Natürlich schenkte Nina den leeren Drohungen keine Beachtung. Sie lächelte nur und sah dabei aus, als würde sie dem Mädchen jeden Augenblick um den Hals fallen. „Wie putzig. Nein im Ernst, ich frage dich das, weil ich da einer großen Sache auf der Spur bin. Und irgendwie glaube ich, dass du auch darin verwickelt bist.“

Anya zog die rechte Augenbraue an. „Was Sie nicht sagen?“

„Nun, dein kleiner Fund von vor ein paar Wochen, der war ganz schön … beängstigend, nicht war? Besonders, weil die Leiche völlig ausgetrocknet und verschmort war, doch nicht ihre Kleidung. Außerdem sind da noch die Geschichten rund um Victim's Sanctuary und deren Insassen. Du warst dabei, als man das Personal aus dem Keller befreit hat. Kommt es dir denn nicht merkwürdig vor, was so alles in letzter Zeit passiert?“

Anya schnaubte wütend. „Sie haben wohl zu oft ins Glas geschaut“, stellte sie immer noch mit Abbys Technik, dem Sarkadingens fest.

Nina jedoch lachte nur spitz.

„Ach Kindchen“, winkte sie ab, „sei doch nicht so naiv. Hier geht etwas Großes vor sich und du bist der Schlüssel. Ich habe auch von der Aula deiner Schule und dem Schulhof gehört, den du demoliert hast. Wie hast du das angestellt?“

Neugierig beugte die Frau sich vor und ließ tiefer in ihr Dekolleté blicken, als gut für ihr Umfeld gewesen wäre. Verdutzt blieben Anya die Worte im Halse stecken. Was hatte die alte Schachtel da gerade behauptet? SIE wäre schuld an allem?

Okay! Das war genug!

 

„Tut ganz unschuldig, lächelt dabei aber vielsagend“, notierte sich Nina nebenbei. Plötzlich wurde sie am Arm gepackt und auf die Beine gezogen. „He-hey, lass das!“

„Sie kommen jetzt schön mit!“

Anya zerrte die Frau, die sich hastig ihre riesige Handtasche schnappte, mit aller Kraft aus dem Wohnzimmer zurück in den Flur. Dabei krallten sich ihre Fingernägel tief in die Haut der Reporterin, die sich energisch zur Wehr setzte, doch Anyas aus Wut resultierendem Kraftschub nicht gewachsen war.

Jene öffnete die Haustür und schleuderte Nina mit einer Drehung aus dem Haus. Die rief aufgebracht, während sie torkelnd das Gleichgewicht wiederfand: „Warte doch, wir sind noch nicht-!“

 

Wumms! Die Tür war zu, abgeschlossen und die alte Schreckschraube nur noch undeutlich zu hören. Anya schnaubte wie ein Stier. Diese hässliche Krähe hatte wohl noch nie von ihr gehört, sonst hätte sie einen großen Bogen um das Grundstück der Familie Bauer gemacht!

Was wollte die blöde Ziege überhaupt hier? Bestimmt irgendeine bekloppte Story über das Turnier verfassen! Oder über Geister, Anya war es letztlich gleich. Wenn die ihr noch einmal unter die Augen kam, würde sie den Lake Livington kennenlernen – von unten!

 

~-~-~

 

„Das hat sie dich gefragt?“, staunte Abby kurze Zeit später und biss in ihren Käsecracker. Sie hockte im Schneidersitz auf ihrem Bett und hatte sich Anyas Geschichte angehört. Schließlich musste sie kichern.

„Was ist so witzig?“, fragte Anya missmutig vom Schreibtischstuhl aus.

„Na ja, da du nie Zeitung liest, kannst du das nicht wissen“, stichelte das Hippiemädchen, „aber Nina Placatelli ist berüchtigt für ihre Artikel. Die werden schon lange nicht mehr in der Zeitung gedruckt, weil sie so gut recherchiert sind. Jeder weiß das, nur Nina selbst will es nicht wahrhaben.“

„Und warum ist die Alte dann noch als Journalistin angestellt?“

„Weil ihre Artikel so hanebüchen sind, dass die Leute sie allein aufgrund ihrer verrückten Theorien lesen. Das liegt daran, dass Nina praktisch jede Tatsache, die sie irgendwo aufgeschnappt hat, bis zur Unkenntlichkeit verdreht. Sie sieht sich aber im Recht.“ Abby schmunzelte. „Wobei. Ob ihr bei dir ein Glückstreffer gelungen ist?“

Anya starrte sie finster an, während sie ihre Arme auf der Rückenlehne des Stuhls verschränkte, um den Kopf darauf zu legen. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“

„Ich bin Opportunistin.“

„Du nimmst Drogen?“

Abby brach in schallendes Gelächter aus. Verdutzt blinzelte Anya und ahnte, dass sie etwas gesagt hatte, was sie besser hätte für sich behalten sollen. In diesem Augenblick fühlte sie sich wie Nick. Und erkannte im Zuge dessen, dass sie ihre Einstellung gegenüber dem Nachdenken vielleicht infrage stellen sollte. Von Abby ausgelacht zu werden war einfach nur nervig!
 

Plötzlich klingelte es von unten an der Haustür.

„Ich geh schnell runter“, meinte Abby prustend, da sie und Anya die Einzigen waren, die sich im Haus aufhielten. Der Rest der Familie, inklusive Hund, hatte einen Ausflug zum Lake Livington gemacht, um die letzten Spätsommertage noch einmal richtig auszunutzen.

Anya erhob sich ebenfalls und begleitete Abby. Während sie die Treppen nacheinander hinunter stürmten, klingelte es abermals, aber fordernder.

Kaum hatte Abby den Schlüssel herumgedreht, drängten sich zwei Personen an ihr vorbei. Anya, die vor jenen stand, machte Augen wie eine Kuh wenn es donnerte. „SIE!?“

„Hi Liebchen, hier steckst du also“, meinte Nina unbekümmert. Sie drehte sich um und sah Abby mit einer Faszination an, die ihresgleichen suchte. „Du … du musst Abigail sein, oder? Bist du es?“

Abby nickte unsicher und wandte sich an Ninas Begleiter. „Nick? Wer ist das?“

„Und wie kommt es, dass sie hier ist!?“, verlange Anya aufbrausend zu wissen. „Ausgerechnet mit dir!?“

 

Die rothaarige Reporterin schmiegte sich an den hochgewachsenen jungen Mann und streichelte anzüglich schmunzelnd seinen Arm. „Ich musste doch auch das andere Teammitglied der Verlierer interviewen. Der kleine Nick hat es mir so einiges verraten. Er wird sehr gesprächig, wenn man nett zu ihm ist.“

„Hehe.“

„Was haben Sie mit ihm angestellt!?“, fauchte Anya und wollte ihr ans Leder, doch Nina schob den einen Kopf größeren Nick behände in den Weg der Blondine und lugte selbstverliebt grinsend hervor. „Ach Kindchen, doch nicht, was du jetzt denken magst. Nicht alle Menschen behandeln ihre Freunde wie Ungeziefer!“

„Aber ihre Feinde! Und jetzt legen Sie sich auf den Boden, damit ich Sie endlich treten kann!“ Anya griff an Nick vorbei, doch geschickt wich die Journalistin zur anderen Seite aus.

„Anya, ist das etwa Nina Placatelli?“, fragte Abby verdutzt, während sie die Haustür schloss und ihre Freundin beobachtete, wie sie der flinken Reporterin an den Hals wollte.

„Ich sehe, du hast schon vor mir gehört“, lachte Nina, während sie sich unter einem Fausthieb duckte und Anya die Hand aufs Gesicht legte, um sie von sich fern zu halten. Sie zwinkerte Abby verschwörerisch zu. „Aber das ist bestimmt nichts im Vergleich zu dem, was ich über dich erfahren habe, meine kleine Sirene.“

 

Stille.

Abby verlor sämtliche Farbe im Gesicht, ihr Mund stand offen. Dann murmelte sie so leise, dass man es kaum verstehen konnte: „Woher wissen Sie davon?“

„Na von ihm hier“, meinte Nina gut gelaunt und klopfte mit ihrer freien Hand Nick auf die Schulter, der erwartungsvoll Abby anstarrte.

 

Plötzlich schrie die Journalistin auf, nämlich, als Anya ihr in die Hand gebissen hatte. Sie wich zurück und stieß gegen die Wand des kleinen Flurs, der zum Gemeinschaftszimmer führte. „Du kleine Kröte, was soll das!?“

„Oh, glauben Sie mir, das war erst der Anfang!“, versprach Anya und zeigte auf die Frau. „Wenn ich mit Ihnen fertig bin, passen Sie in einen Kochtopf! Dann tun Sie wenigstens einmal etwas Nützliches, indem Sie den Arbeitslosen als kostenlose Mahlzeit dienen, Sie falsche Schlange!“

Ruckartig schwenkte Anya ihren Arm zur Seite und deutete nun auf Nick. „Und was dich angeht, wird dein Blut die Soße sein! Wie hirnverbrannt bist du überhaupt, dieser alten Schrulle etwas über Abby zu erzählen!?“ Sie wechselte wieder die Richtung zu Nina. „Und natürlich hat er gelogen, damit das klar ist!“

„Aber sie hatte doch Kekse“, jammerte Nick reumütig. „Die guten Kekse!“

Der Rotschopf derweil lachte auf. „Von wegen! Er hat mir alles über euch erzählt! Aber ein Dämonenkind interessiert mich nicht, ich will die Sirene!“

Mit diesen Worten wandte sie sich an Abby. „Na Kleine? Du magst mir doch sicher einmal zeigen, wie du so als Sirene aussiehst, oder? Ein kleines Foto, und ich bin auch ganz schnell wieder verschwunden.“

„Verlassen Sie … unser Haus …“, murmelte Abby und in ihren Augen stand ein Hass geschrieben, den Anya so noch nie gesehen hatte. Was sie sofort an Levriers Worte erinnerte. Wenn er zu groß wurde, dann würde Abby wieder-

„Kein Foto, Sie Miststück!“ Anya stürzte sich auf Nina und zerrte an ihrem grünen Kleid, während die Journalistin gebannt ihre Freundin anstarrte. Die öffnete nur die Tür, um Anya zu helfen, das alte Weib wieder loszuwerden.
 

Ein gezielter Tritt in den Hintern, und Nina lag auf den Steinfliesen in Abbys Garten, umringt von kniehohem Gras.

„Lassen Sie sich nie wieder hier blicken!“, fauchte Anya außer sich.

Doch Nina sprang auf die Beine und runzelte ärgerlich die Stirn. „Bedaure, Herzchen, aber ich werde nicht eher gehen, bis ich die Sirene fotografiert habe! Ich weiß ja nicht, wie du dein Geld verdienst, aber -ich- muss schwer dafür schuften! Ist ein bisschen Entgegenkommen denn zu viel verlangt!?“

„Im Moment ist es schon sehr viel verlangt, Ihnen nicht den Hals umzudrehen!“ Anya starrte die Frau aus dem Spalt der Tür heraus schnaufend an.

Ungerührt klopfte sich Nina das Kleid sauber. Arrogant erwiderte sie: „Du machst mir keine Angst, Kleine. Deine Sprüche sind doch sowieso nur heiße Luft. Ach Gottchen, du steckst einmal den Kopf eines Mitschülers – Wie hieß er doch gleich? Willy Patrics? – in die Toilette und glaubst aufeinm- Ahhh!“

 

Anya hatte sich auf die Frau gestürzt und schlug um sich wie eine Furie. Nina, die den Hieben nur mit Mühe ausweichen konnte, schrie lauthals, als Anya mit den Zähnen ihre Haare ausreißen wollte.

Nick und Abby kamen nach draußen geeilt, doch besonders Letztere schien keine Anstalten machen zu wollen, der Frau in irgendeiner Form zu helfen.

„Nehmt diese Irre weg von mir!“, schrie sie hysterisch.

„Heiße Luft!?“, ereiferte Anya sich und versuchte dabei, Nina ihr Knie in eine sehr empfindliche Gegend zu rammen. „Dir zeig ich, wo heiße Luft ist! In deinem Kopf, du grenzdebile Sumpfkuh!“

Nick stolperte schließlich ungeschickt zu den ringenden Furien und riss Anya von der Journalistin. Das Mädchen trampelte zwar um sich, konnte aber nichts tun, da der erstaunlich kräftige Nick sie unter den Armen gepackt hatte. „Dir beiß' ich die Kehle durch!“

„Versuchs doch!“

Nina hatte sich aufgerichtet. Ihr Haar war zerzaust, die Spangen verrutscht und ihr Gesicht war ganz rot vor Wut und Erschöpfung. Sie keuchte und wischte sich über den blutigen Mund, was dazu führte, dass nun selbst der Lippenstift verschmiert wurde. „Ich gebe nicht so schnell klein bei!“

 

Abby trat zwischen die beiden Parteien und hielt die Arme ausgestreckt. „Gehen Sie bitte! Wenn Sie es nicht tun, werden Sie es bereuen …“

Sie wusste nicht, wie lange sie ihre Kräfte noch im Zaun halten konnte. Die Wut und Hass, die in ihr aufwallten wie brodelnde Lava, waren ein eindeutiger Warnhinweis. Abby durfte nicht die Kontrolle verlieren, sonst würde diese Frau vermutlich mit dem Leben dafür bezahlen!

„Nur ein Foto! Ist das denn so schwer!?“

„Es geht-“
 

„Sie kriegen ihr Foto“, meinte Anya plötzlich ruhig. Nick ließ sie verdutzt los, als sie sich nicht länger zur Wehr setzte. Die Blondine trat neben Abby und verschränkte die Arme. „Aber es gibt da eine Bedingung. Sie müssen sich darum erst duellieren.“

„Ein Handel?“, fragte Nina geschäftsmännisch und richtete die verrutschte Brille auf ihrer Nase. „Klingt ganz nach meinem Geschmack. Was schlägst du vor?“

„Wie gesagt, ein Foto für Sie, wenn Sie gewinnen. Wenn das aber nicht der Fall ist, ziehen Sie Leine und kommen nie-wieder! Und sollten Sie sich nicht daran halten, werden Sie nachts nie-wieder ein Auge zu tun können, weil ich jede Sekunde kommen und Ihnen das Genick brechen könnte!“

„Noch mehr leere Drohungen?“ Nina lachte hochnäsig auf. „Aber deine Idee ist gar nicht so schlecht, Kleines.“
 

Abby starrte Anya verdutzt an. „Das würdest du für mich tun?“

„Wer sagt, dass ich mich duellieren werde?“ Die Blondine warf ihrer Freundin einen strengen Blick zu. „Das wirst du schön selbst erledigen, immerhin geht es hier um dich.“

„A-Aber!“ Abby legte ängstlich ihre Hände auf Anyas Schultern. „Ich kann mich nicht duellieren! Du weißt, was letztes Mal passiert ist! Auf gar keinen Fall!“

Heftig schüttelte sie dabei den Kopf.

„Ich weiß, dass du Schiss davor hast“, donnerte die Blondine aufgebracht, „aber deine Angst ist unbegründet. Wenn es danach ginge, könntest du dich jederzeit verwandeln! Nicht die Duelle sind Auslöser für deine Verwandlung, sondern deine Gefühle!“

Abby wich ihrem Blick wortlos aus. „Denkst du, das weiß ich nicht längst?“

Ihre Freundin blinzelte einen Moment verdutzt, dann schnaubte sie. „Wenn das so ist, warum weigerst du dich so beharrlich, dich zu duellieren!?“

„Weil das … wie ein Sog ist! Ich kann als Sirene Fiktion zu Realität werden lassen! Stell dir vor, was passiert, wenn ich eine Armee echter Monster auf meinen Gegner loslasse!“ Abby trat einen Schritt von Anya zurück und nahm flehend deren Hände in die ihren. „Bitte, zwing mich nicht dazu! Ich habe Angst, dass … dasselbe passiert, wie neulich. Wenn … ich die Kontrolle verliere, dann …“

 

„Dann?“

Nina beugte sich neugierig über Abbys Schulter und notierte sich jede Kleinigkeit des Gesprächs. Zumindest, bis Anya ihr den Notizblock aus der Hand riss und darauf herumkaute, ihn ausspuckte und in den Boden stampfte.

Nina war wieder knallrot im Gesicht. „Was soll denn das!?“

„Gehen Sie sterben, Sie altes Reptil!“, forderte Anya wütend und stampfte noch einmal auf. „Wie es aussieht, gibt es kein Duell! Also ziehen Sie Leine, ehe eine von uns beiden sich vergisst. Und das bin vorzugsweise ich!“

„Nichts da, Herzchen!“, weigerte die Rothaarige sich jedoch beharrlich. „Ich gehe nicht eher, bis ich mein Foto habe! Niemand wird mir diese Story streitig machen, hörst du, niemand!“

Anya kniff die Augen zusammen und strich sich die nicht existierenden Ärmel ihres schwarzen T-Shirts von den nackten Handgelenken. „Ach ja … ?“

„Ja!“

„Aufhören!“ Wieder stellte sich Abby zwischen die beiden Furien. „Ich … ich mache es. Ich … werde mich duellieren, zu Anyas Konditionen.“

Völlig verwirrt starrten sich die Streitenden an, ehe sie ihr Augenmerk zurück auf Abby richteten. Die seufzte und hielt sich eine Hand an die Brust, wo ihr aufgeregtes Herz wild pulsierte.
 

Sie musste es tun. Was für eine andere Wahl hatte sie schon? Die Vorstellung, Nina bis ans Ende aller Tage in ihrer Nähe zu haben, glich für Abby schon Folter. Es ging auch weniger darum, dass Nina ihren Artikel veröffentlichen konnte, denn glauben würde man ihr selbst mit Fotobeweis nicht. Aber wie ein Tier im Zoo behandelt zu werden, und sei es nur von einer Person, machte Abby wütend und traurig. Dieses Gefühl sollte enden und Anya hatte, was das Mädchen sehr überraschte, in gewisser Hinsicht recht.

Sie musste die Angst vor sich selbst bekämpfen, sonst würde diese sie irgendwann verschlingen. Anya war da und würde ihr beistehen, selbst wenn sie aus Zorn tatsächlich zu einer Sirene werden sollte. Und solange sie da war, würde es Abby leichter fallen, sich zusammen zu reißen, schließlich wollte sie Anya nicht in Gefahr bringen.
 

„Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte jene skeptisch und verschränkte die Arme. Mit einer abfälligen Handbewegung deutete sie in Ninas Richtung. „Die rauchst du in der Pfeife, so viel ist sowieso klar. Aber hast du dir das gut überlegt? Ich könnte sie auch einfach für dich du-weißt-schon-was.“

„I-ich denke schon“, meinte Abby und nickte knapp. „Ich will es zumindest probieren. Du hast schon recht, diese Angst muss bekämpft werden.“

„Ich habe immer recht“, konterte Anya trocken und grinste. „Aber gut, verarbeite die Alte zu Brei, 'kay?“

„Oh ihr kleinen Dummerchen, täuscht euch nicht in mir“, mischte sich Nina ein und richtete zufrieden lächelnd ihre Brille. „Ich besitze eines der besten Decks, das die Welt je gesehen hat. Andere Duellanten haben damit Meisterschaften gewonnen!“

Demonstrativ holte sie aus ihrer großen Tasche eine Duel Disk. „Aber wenn ihr wollt? Umso schneller bekomme ich mein Foto!“

„Vergiss es, Schwester! Abby spielt in einer ganz anderen Liga!“, meinte Anya siegesgewiss und klopfte ihrer Freundin so hart auf den Rücken, dass die nach vorn stolperte.

„J-ja …“

 

~-~-~

 

Die beiden Duellantinnen standen sich auf dem Hinterhof vom Grundstück der Familie Masters gegenüber. Um zu verhindern, dass Unbeteiligte Abbys potentiellen Kräfte sahen, hatte man diesen Ort als Schauplatz des Duells gewählt. Und sollte jemand dumm genug sein, neugierig über den hohen Lattenzaun zu spähen, würde Anya ihn eigenhändig mit einem der Pfähle aufspießen, so schwor sie sich.

Sie stand neben Nick an der Rückwand des Hauses und beobachtete alles mit Adleraugen. Dass Nick dabei gefesselt und geknebelt war und zu ihren Füßen lag, hatte er allein seiner großen Klappe zu verdanken. Die Blondine starrte ihn giftig an und freute sich bereits auf das, was nach dem Duell kam. Nick weniger, denn der zappelte unruhig und gab dumpfe Laute aus seinem Knebel preis.

„Sieh zu!“, befahl Anya harsch. „Das ist sowieso alles nur deine Schuld! Bete zu Satan, dass Abby gewinnt, oder ihr erstes Opfer wirst du sein!“

 

Derweil hatte sich Nina ihre Duel Disk angelegt und wirkte in ihrem grünen Kleid seltsam deplatziert auf dem Spielfeld. Abby ihrerseits wirkte eingeschüchtert und ängstlich, was sich an ihrer verklemmten Körperhaltung bemerkbar machte.

„Bist du bereit, Kleine?“, fragte die Journalistin gut gelaunt.

„Ich denke schon …“

„Worauf warten wir dann noch? Duell!“

Abby nickte bloß.

 

[Abby: 4000LP / Nina: 4000LP]

 

Beide zogen ihrer Starthand bestehend aus fünf Karten. Abby meinte schließlich: „Ich beginne“, und stockte ihr Blatt um noch eine Karte auf.

„Ich setze ein Monster. Damit beende ich meinen Zug.“

Vor den Füßen des brünetten, leicht zerzausten Mädchens tauchte eine Karte in horizontaler Lage auf, dabei mit dem Rücken nach oben zeigend. Abby atmete tief durch und zeigte ihrer Gegnerin mit einer Geste nachdrücklich, dass sie am Zuge war.

 

„Okay Herzchen, dann lässt Tante Nina jetzt mal die Puppen tanzen!“ Die rothaarige, schon ein wenig ältere Frau zog schwungvoll. „Ich rufe [X-Saber Airbellum]!“

Mit lautem Gebrüll sprang hinter ihr ein Löwenmensch in geduckter Haltung hervor. Obwohl seine Statur der eines Menschen glich, wirkte sein zur Hälfte blondes, zur Hälfte schwarzes Haar eher wie eine wilde Mähne. Zudem trug er krallenbesetzte Handschuhe, was ihn nur umso bestialischer wirken ließ.

 

X-Saber Airbellum [ATK/1600 DEF/300 (3)]

 

„Attacke!“, befahl Nina gebieterisch und zeigte mit einer entsprechend eingebildeten, angewinkelten Handbewegung auf Abbys Monsterkarte.

Schnellen Schrittes stürmte Airbellum auf diese zu, sprang in die Luft und rammte seine Krallen in das geheimnisvolle Monster. Doch wurde er kurz darauf zurückgeworfen, als ein kleiner, brauner Käfer mit einem Horn aus Holz seinen Angriff einfach abwehrte.

„[Naturia Beetles] Verteidigung ist höher als der Angriff Ihres Monsters“, meinte Abby und las den Käfer behutsam vom Boden auf, dessen Körper aus einer Eichel bestand.

 

Naturia Beetle [ATK/400 DEF/1800 (4)]

 

Er ist real, dachte Abby dabei erschrocken. Sie war sich der Tatsache, dass ihre Kräfte sogar dann wirken konnten, wenn sie gar nicht ihre Sirenenform angenommen hatte, nicht bewusst gewesen. Unter diesen Umständen konnte sie unmöglich weiterkämpfen!

 

[Abby: 4000LP / Nina: 4000LP → 3800LP]

 

Nina allerdings bekam davon gar nichts mit. Sie zückte zwei Karten aus ihrem Blatt und zeigte sie zwischen den Fingern vor. „Diese beiden Schätzchen lege ich verdeckt aus.“

Die gesetzten Karten erschienen vor ihren Füßen, während sie zufrieden lächelte. Man merke ihr förmlich an, dass sie mit nichts anderem als einem Sieg rechnete. Selbstherrlich meinte sie schließlich: „Los Kindchen, ich habe nicht ewig Zeit. Du bist am Zug.“

 

Doch Abby, die den Käfer streichelte, zuckte erschrocken zusammen. Sie ließ ihn hinab ins Gras und zog mit zitternder Hand eine Karte. Unter keinen Umständen durfte sie Nina gefährden!

„Ich pass-“

„Was soll denn das, Masters!?“, fauchte Anya sie von der Seite her an. „Du tust ja so, als wäre das dein allererstes Duell überhaupt! Geh richtig ran und zeig dieser Schreckschraube, dass man dich nicht unterschätzen sollte!“

Abby nickte perplex. Anya konnte das nicht wirklich verstehen. Solche Kräfte zu haben war einfach nur schrecklich. Zwar besaß ihre Freundin ebenfalls spezielle Fähigkeit, doch wusste sie nichts oder nur sehr wenig von ihnen – das hatte Matt zumindest gesagt. Wenn Abby die Wahl hätte, würde sie ihre eigene Herkunft am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen und wieder ein ganz normales Mädchen sein wollen. Aber das ging nicht.

„Soll … soll ich es wagen?“, fragte Abby ihre Freundin hilflos. „I-ich glaube, es wäre besser, das Duell abzubrechen. Sonst tue ich Nina noch weh!“

„Schwachsinn! Und selbst wenn, umso besser! Konzentriere dich einfach und alles wird schon gut werden!“

Ein wenig musste Abby dabei schmunzeln. Für Anya war alles so einfach. Vielleicht … vielleicht sollte sie ihrem Rat einfach folgen? Einmal nicht nachdenken und sehen, was passiert. Nur weil sie [Naturia Beetle] berühren konnte, hieß das noch lange nicht, dass dasselbe auch für Nina zutraf! Oder war diese Logik fehlerhaft?

 

„Okay!“, sagte sie mit neuem Mut und sah ihr Blatt an. „Ich beschwöre [Naturia Vein]!“

Neben ihrem Käfer tauchte ein tanzendes Blatt mit Armen und Beinen auf, welches neugierig mit seinen Kulleraugen die Umgebung musterte. Doch alles, was es zu sehen bekam, waren links und rechts hohe Grashalme. Einzige Ausnahme: Abbys riesige Gestalt, die auf das kleine Wesen herab starrte.

 

Naturia Vein [ATK/200 DEF/300 (1)]

 

Abby streckte den Arm in die Höhe, während ihre Monster in die Luft aufstiegen. „Ich stimme mein Stufe 1 [Naturia Vein] auf meinen Stufe 4 [Naturia Beetle] ab!“

„Wie bitte!? Eine Synchrobeschwörung!?“, krächzte Nina, während das Blatt sich in einen großen, grünen Ring verwandelte, den Abbys Käfer passierte.

„Oh great god of the west! Rule this land with your penetrating gaze and justice! Synchro Summon! Roar proudly, [Naturia Beast]!“

Ein erschütterndes Gebrüll erklang. [Naturia Beetle] verschwand in einem Lichtblitz und wurde durch eine majestätische Bestie ersetzt, die mit einem Satz vor Abby landete. Es war ein mannshoher Tiger mit grünem, blättrigem Fell und Gliedmaßen ganz aus Holz. Mit seinen roten Augen funkelte er Nina an, ehe er sich niederlegte und zu lauern schien.

 

Naturia Beast [ATK/2200 DEF/1700 (5)]

 

„Gut!“, meinte Anya zufrieden und zeigte Abby zwinkernd beide Daumen. „Nun hau drauf, Schwester!“

„O-okay!“

Abby drehte sich zu Nina und ihrem Monster und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie würde es schaffen, sagte sie sich. Sie würde ihre Gegnerin schon nicht verletzten, egal wie sehr sie ihr zuwider war!

Das Mädchen streckte seinen zitternden Arm aus. „[Naturia Beast], greif [X-Saber Airbellum] an! Los!“

Augenblicklich sprang der Tiger auf und rannte auf den animalischen Kämpfer zu, ein Paar falscher Krallen traf auf echte Klauen. Nina lachte hysterisch. „Sieh an, genau das wollte ich! Verdeckte Schnellzauberkarte aktivieren! [Shrink]! Damit halbiere ich einfach die Angriffskraft deines Monsters!“ Die Rothaarige lachte schrill.

Abby aber hob den Zeigefinger und schwenkte ihn hin und her. „Nicht ganz! Ich kontere mit [Naturia Beasts] Fähigkeit! Indem ich zwei Deckkarten auf den Friedhof schicke, kann ich die Aktivierung jeder Zauberkarte negieren! Wehr dich!“

Mit wütendem Gebrüll ließ der Tiger Ninas aufgeklappte Karte einfach zerspringen, während Abby besagte zwei Karten in Friedhofsschlitz ihrer schwarzen Duel Disk schob. Kurz darauf wurde Airbellum durch einen erneuten Prankenschlag niedergestreckt.

 

[Abby: 4000LP / Nina: 3800LP → 3200LP]

 

„D-das macht gar nichts!“, hielt Nina erschrocken dagegen. „Manchmal erfordern große Storys eben Opfer!“

„Ich beende meinen Zug!“ Abby atmete beruhigt aus. Scheinbar war ihrer Gegnerin nichts weiter geschehen. Vielleicht, weil nur zwei Monster gekämpft hatten. Ein direkter Angriff wäre viel zu gefährlich gewesen, dachte sie mit prüfendem Blick auf ihr Blatt.

 

„Mein Zug!“, verlautete Nina ehrgeizig und zog ausholend. „Ich aktiviere den Zauber [Monster Reborn] und reanimiere Airbellum von meinem Frie- Ah!“

Das laute Gebrüll von [Naturia Beast] unterbrach die Frau. Wieder zersprang das Ebenbild ihrer Karte, während Abby seelenruhig zwei Deckkarten auf ihren Friedhof schickte.

„D-das war geplant!“ Nina stand der Schweiß auf der Stirn. „Du sollst deine besten Karten auf den Friedhof schicken, jawohl!“

Derweil bildeten sich auf Anyas Stirn tiefe Falten. „Hat die Alzheimer? Oder ist die einfach nur schlecht?“

Anyas weibliche Intuition – die echte und nicht etwa Levrier – sagte ihr, dass eher Letzteres zutraf.

„Ich setze ein Monster und beende den Zug“, meinte Nina derweil nervös und ignorierte die Blondine am Spielfeldrand.

 

Zeitgleich zog Abby ihre nächste Karte und hielt inne. Sonderlich stark mutete ihre Gegnerin wirklich nicht an. Vielleicht konnte sie dieses Spiel beenden, ohne dass jemand zu Schaden kam?

„Okay“, sprach Abby und legte eine Karte auf ihre Duel Disk. „Ich beschwöre [Naturia Guardian]!“

Vor ihr wuchs ein großer Laubbaum aus der Wiese des Hinterhofs. Auf dem mächtigen, dunkelbraunen Stamm befand sich ein strenges, altehrwürdiges Gesicht, das selbst Nina einzuschüchtern schien. Ganz still stand sie da und wartete auf Abbys weitere Vorgehensweise.
 

Naturia Guardian [ATK/1600 DEF/400 (4)]

 

Diese gestaltete sich relativ simpel. Das Hippiemädchen schwang den Arm aus und rief: „Los, [Naturia Beast], greif Ninas Monster an!“

Ihr Tiger zog einen Kreis um die gesetzte Karte, ehe er mit seiner Pranke zuschlug. Eine schreiende, blonde Frau mit einem kettenartigen Schwert tauchte auf und wurde sogleich zerfetzt.

„[X-Saber Anu Piranha]“, murmelte Nina sauer. „Nun ist sie wohl Geschichte.“

 

X-Saber Anu Piranha [ATK/1800 DEF/1100 (4)]

 

Abby indes überlegte. War ein direkter Angriff wirklich ungefährlich?

Fragend blickte sie zu Anya, die mit finsterer Miene nickte und sich danach den Daumen über die Kehle zog. Nina sollte keine Gnade erfahren, wenn es nach ihr ging. Doch Abby fühlte sich dabei nicht wohl. Natürlich war die Reporterin ein ausgemachtes Miststück, aber sie bemühte sich, ihrer Arbeit gerecht zu werden. Wenn auch mit sehr hinterhältigen Methoden.

Seufzend schloss Abby die Augen. Die Angst war nach wie vor da, aber wenn tatsächlich etwas geschehen sollte, könnte man das Duell immer noch abbrechen. Und in der Zeitung stehen wollte sie wirklich nicht, sie wollte nicht der Oberfreak Livingtons sein. Sollten sich doch Anya und Nick um diese Ehre streiten!

„Okay! Ich greife mit [Naturia Guardian] direkt an!“, entschloss sie kurzerhand. Und bereute es, denn die Angst, einen Fehler gemacht zu haben, war wie ein Bumerang zu ihr zurückgekehrt.

Was, wenn Nina sich verletzte!?

Abbys Monster ließ aus dem Boden seine Wurzeln schießen, die Nina erfassten und durchdrangen am ganzen Körper durchdrangen. Einen Moment blieb ihre Gegnerin wie erstarrt stehen und fasste sich an die Brust. Dann atmete sie stöhnend aus.

Und Abby fiel ein Stein vom Herzen. Es waren aber nur Hologramme. Auhh sie atmete tief durch. Eine Wurzel war direkt durch Ninas Herz geschossen und wenn sie nun real gewesen wäre, dann-!

 

[Abby: 4000LP / Nina: 3200LP → 1600LP]
 

„Super, Abby! Schieß' diese dumme Schnepfe zum Mond!“

Abby jedoch schluckte. Das hätte schief gehen können, verdammt schief. „Ich beende meinen Zug!“

Wenn sie das nächste Mal angriff, musste sie sicher stellen, dass nur ungefährliche Körperregionen angegriffen wurden! Aber wie sollte sie das bewerkstelligen!? Und außerdem … was tat sie hier überhaupt?
 

Derweil runzelte Anya verärgert die Stirn. Ihre Freundin kämpfte ziemlich zurückhaltend. Wäre sie nicht so ängstlich, hätte Abby vielleicht schon längst gewinnen können. Die sollte sich nicht so anstellen und auf die Tube drücken!

„Mein Zug!“, rief Nina laut. „So Herzchen, genug von diesem lahmen Spiel! Ich hätte von einer Sirene mehr erwartet, weißt du? Aber egal, das sind unwichtige Details! Ich will das verdammte Foto und zwar jetzt!“

Die Rothaarige zückte ein Monster aus ihrem Blatt. „Mach dich auf was gefasst, Liebchen! Ich beschwöre [X-Saber Axel]!“

Vor ihr tauchte ein Krieger in pelziger Panzerung auf, der eine lange, gezackte Klinge schulterte und lachte.
 

X-Saber Axel [ATK/400 DEF/100 (1)]

 

„Damit haben Sie den Effekt von [Naturia Guardian] aktiviert!“, rief Abby. Ihr Baum begann weiß zu leuchten. „Wenn mein Gegner eine Normalbeschwörung durchgeführt hat, erhält Guardian 300 Extraangriffspunkte!“

 

Naturia Guardian [ATK/1600 → 1900 DEF/400 (4)]

 

„Damit holst du doch nicht einmal meine tote Oma hinterm Ofen hervor! Ich zeig dir, wie das geht! Verdeckte Falle: [Gottoms' Emergency Call]! Diese sagenhafte Falle lässt mich zwei X-Saber-Monster reanimieren, sollte ich einen ihrer Kollegen auf dem Feld haben! Kommt zurück, [X-Saber Airbellum], [X-Saber Anu Piranha]!“

Aus zwei Lichtsäulen neben Axel tauchten die blonde Kriegerin mit dem Peitschenschwert und der wilde Kämpfer mit der Löwenmähne und den Krallenhänden auf.

 

X-Saber Anu Piranha [ATK/1800 DEF/1100 (4)]

X-Saber Airbellum [ATK/1600 DEF/300 (3)]

 

Nina lachte hysterisch. „Denk ja nicht, dass du die Einzige bist, die Synchromonster besitzt! Dir werde ich eine Lektion erteilen, die du nicht so schnell vergessen wirst!“

Sie streckte den Arm in die Höhe. „Zeit für Feintuning! Abstimmung! Stufe 3, Airbellum auf Stufe 4, Anu Piranha!“

Der Bestienmann sprang in die Höhe und verwandelte sich in drei grüne Ringe, durch die Anu Piranha mit wehender, blonder Mähne flog. Dabei verlor sie alle Farbe und wurde durchsichtig, wobei vier Sphären in ihr zu leuchten begannen. „United resistance against evil, gather before me and form a new power! Synchro Summon! Break 'em apart, [X-Saber Urbellum]!“

In einem Lichtblitz wurde aus Anu Piranha ein völlig neues Monster. Es war ein großer, bleicher Krieger mit zwei Schwertern auf dem Rücken. Er trug einen schwarzen Helm mit Hörnern, was gut zu seiner gleichfarbigen Brustplatte passte.

 

X-Saber Urbellum [ATK/2200 DEF/1300 (7)]

 

„Wow, das Ding ist schwach!“, kommentierte Anya das Ganze bissig. „Aber wie heißt es so schön? Wie der Herr, so's Geschirr!“

„Gescherr'“, korrigierte Abby ihre Freundin besserwisserisch.

„Ja ja, was auch immer!“

Nina runzelte verärgert die Stirn. „Lacht nur, ihr dummen Kinder! Ich habe noch so einiges auf Lager! Zum Beispiel dieses Monster als Spezialbeschwörung von meiner Hand, da ich zwei X-Saber-Monster kontrolliere! Unterstütze mich, [XX-Saber Faultroll]!“

In roter, futuristischer Rüstung tauchte nun ein weißhaariger Krieger neben seinen Freunden auf und schwang beidhändig ein gewaltiges Schwert.

 

XX-Saber Faultroll [ATK/2400 DEF/1800 (6)]

 

„Das Ding ist ja stärker als ihr Synchromonster“, prustete Anya höhnisch los.

Faultroll jedoch schwang unbeeindruckt sein Schwert im Halbkreis. Und ohne Vorwarnung stand neben ihm plötzlich Airbellum.

 

X-Saber Airbellum [ATK/1600 DEF/300 (3)]

 

Abby schluckte, während Anya sogar lautstark fluchte. „Woher-!?“

„Ganz recht, da schaut ihr dumm aus der Wäsche! Denn Faultroll kann pro Zug einen seiner Kameraden vom Friedhof reanimieren! Aber das war längst noch nicht alles!“

Nina hob ihre Hand wieder in die Höhe. Während die Mädchen erschraken, als sich Airbellum wieder in drei grüne Ringe verwandelte, durch die Faultroll flog, rollte unbemerkt Nick hilflos um das Haus, in der Hoffnung, dass irgendjemand ihm half. Doch kaum glaubte er, dem Geschehen entkommen zu sein, spürte er Anyas Schuh im Nacken. „Nichts da, du bleibst schön hier!“

An den Haaren schleifte sie ihn zurück zu den beiden Duellantinnen.

Nina räusperte sich derweil mit schiefer Stimme. „Abstimmung! Stufe 3, Airbellum auf Stufe 6, Faultroll! Mighty warrior of the gentle sword, return to this wicked world! We await your command! Synchro Summon! Break free, [XX-Saber Gottoms]!“

Neben Urbellum tauchte ein noch viel größerer und eindrucksvollerer Krieger auf. Er trug eine Rüstung aus Stahl, die sogar sein Gesicht verdeckte und schwang eine enorm lange, zweiblättrige Klinge über seinem Kopf. Unruhig flatterte der rote Umhang im Wind, welcher auf seinen Schultern lag.

 

XX-Saber Gottoms [ATK/3100 DEF/2600 (9)]

 

„Was zum-!?“, stammelte Anya erschrocken und ließ dabei glatt Nick los, dessen Kopf auf den Boden knallte. „Woher hat die so ein starkes Monster!?“

„Geld, Kindchen, hart erarbeitetes Geld. Etwas, wovon du nur träumen kannst.“ Nina strich sich höhnisch lachend über die Locken, ehe sie sich auf Abby fixierte. „Ich sagte dir doch, dass du keine Chance hast! Und ich bin immer noch nicht fertig! Meine letzte Handkarte ist der Zauber [The Warrior Returning Alive]. Und genau wie sein Name es gebietet, erhalte ich von meinem Friedhof ein Krieger-Monster auf die Hand zurück. So wie Faultro- Hey!“

Nur ein mächtiges Gebrüll sowie zwei Deckkarten von Abby später zersprang das Abbild von Ninas Zauber in tausend kleine Stücke. Anya brach in schallendes Gelächter aus. „Gott ist die dämlich!“

„I-ich-! Das war geplant!“, meinte die Reporterin stur und lief rot an – ob vor Scham oder Wut war nicht schwer zu sagen. Sie streckte ihren Arm aus. „Trotzdem kann ich dir noch zusetzen! Ich aktiviere Gottoms' besonderen Effekt! Indem ich [X-Saber Axel] opfere, musst du eine Handkarte abwerfen, meine kleine Sirene!“

Erschrocken sah Abby zu, wie sich der schwarzhaarige Krieger auflöste und die Klinge in Gottoms Händen zu leuchten begann. Der zeigte damit geradewegs auf ihr Blatt, woraufhin ein Lichtstrahl geschossen kam und direkt auf eine Karte in ihrer Hand deutete.

„[Fissure] …“, murmelte Abby resignierend und schob ihre Zauberkarte in den Friedhofsschacht.

 

Anya schlug sich bei dem Anblick die Hand vor die Stirn. Wenn Abby diese Zauberkarte die ganze Zeit über auf der Hand hatte, warum hatte sie sie dann nicht verwendet!? Damit wäre das Duell vielleicht schon entschieden gewesen, bevor Nina überhaupt zum Gegenschlag hätte ausholen können.

Was ging nur in ihrer Freundin vor sich? Wollte sie denn nicht verhindern, dass sie in die Zeitung als Schlagzeile des Jahrhunderts kam?
 

„Perfekt!“, rief Nina aufgeregt. „Ich denke, jetzt kommt es knüppeldick für dich! Urbellum, Gottoms … zerstört ihre beiden Monster!“

Die Journalistin deutete auf den Tiger und den Baum, um welchen Ersterer schlich. Es geschah, was geschehen musste. Urbellum zog seine Schwerter und stutzte [Naturia Guardian] so zurecht, dass außer abgeschlagenen Ästen und Blättern nicht mehr viel von ihm übrig war. Gleichzeitig kümmerte sich Gottoms um [Naturia Beast] und enthauptete es mit einem Schlag.

Erschrocken schlug Abby die Hände vor ihren Mund, als sie das Massaker mitansah.

 

[Abby: 4000LP → 2800LP / Nina: 1600LP]

 

„Effekt von Urbellum!“, rief Nina freudig. „Du musst eine Handkarte auf dein Deck legen, wenn du von ihm Schaden erleidest, während du mindestens vier Karten auf dem Blatt hältst.“

Mit gerunzelter Stirn nahm Abby [Naturia Rosewhip] und schob sie auf ihr Deck. Ihre Gegnerin war bester Laune und trällerte: „Zug be-en-det!“

 

Abby zog die gerade erst verlorene Karte neu auf und seufzte bei dem Anblick der kleinen Rose. Warum kämpfte sie überhaupt? Gegen Nina hatte sie sowieso keine Chance mehr, wenn man ihre Monster so ansah. Es wäre einfach das Beste für alle, wenn sie das duellieren endgültig aufgeben würde. Zu groß war auch die Gefahr, am Ende doch noch jemanden zu verletzen.

„Ich gebe au-“ Gerade wollte Abby ihre Hand aufs Deck legen, spürte sie Anyas festen Griff um ihr Handgelenk. Und eine schallende Ohrfeige, die sie zurückwarf.

„Idiot!“, fauchte die Blondine aufgeregt und übertönte die enttäuschten Beschwerden von Nina spielend leicht. „Wie lange willst du eigentlich noch rumjammern!?“

„Aber ich habe doch gar nicht-!“ Abby hielt sich die schmerzende Wange.

„Klar hast du! Man muss dich doch nur ansehen, um zu wissen, was in deinem Streberhirn vor sich geht, Masters! Reiß dich gefälligst am Riemen! Andere haben es viel schwerer als du und beschweren sich auch nicht! Du hast Angst?“ Anya streckte provokativ die Arme weit aus. „Von mir aus, hab Angst, so viel du willst! Du willst niemanden verletzten? Dann tu es gefälligst nicht! Du weißt, dass in dieser Stadt abgefahrene Dinge abgehen! Wir werden von Dämonen und Dämonenjägern angegriffen und brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können! Außerdem ist da noch diese Edenscheiße! Wenn das alles vorbei ist, dann kannst du dich verkriechen, so lange du willst! Aber bis dahin hilfst du mir gefälligst, das hier zu überleben, 'kay!?“

„A-Anya-!“

„Kein Wort mehr!“
 

Verdutzt sah Abby zu, wie ihre Freundin zurück zum am Boden liegenden Nick stampfte und trotzig die Arme verschränkte. Ihr Blick war vernichtend und Abby wusste nicht, ob Anya ihr nun helfen wollte, oder das aus reinem Eigennutz sagte.

Hilflos fasste sich das Mädchen an ihr Stirnband. Sie hatte Anya versprochen, ihr immer beizustehen, das stimmte schon. Und in den letzten Tagen war sie wohl keine große Hilfe gewesen.

Hatte Anya recht? Was, wenn es noch mehr Dämonenangriffe geben würde? Dann konnte sie nicht einfach herumstehen und zusehen, wie Anya und auch Nick sich in Lebensgefahr begaben. Konnte sie ihre Kräfte nicht doch auf irgendeine Weise kontrollieren?
 

„Oh, kommt schon, Leute! Mehr Drama bitte!“, forderte Nina sauer. „Habt ihr das auswendig gelernt? Da ist ja selbst Rosamunde Pilcher noch kreativer! Wenn ihr mir bei meiner Story schon unbedingt helfen wollt, dann bitte richtig!“

Abby war fassungslos. Hatte diese Frau überhaupt irgendetwas anderes im Kopf, außer ihren dämlichen Artikeln? Wie konnte man nur so egozentrisch sein?

„Machen Sie sich nicht über uns lustig!“

Nina lachte bei ihren Worten höhnisch auf. „Sonst?“

„Erleben Sie Ihr blaues Wunder!“

Abby spürte, wie ihre Augen zu glühen begannen und hörte Nina im selben Augenblick aufschreien. „Hah, es geht los! Ihre Augen, ihre Augen! Sie sind … pink? Pink!? … Ach egal, das kann man digital nachbearbeiten! Weiter so, Schätzchen, immer weiter so!“

Das Mädchen spürte die Wut in sich pulsieren und sah hilflos Anya an. Doch deren Mimik war wie versteinert, ausdruckslos und demnach keine große Hilfe. Aber Abby wusste, dass sie sich die Frechheiten dieser Frau nicht länger gefallen lassen wollte. Die hatte keine Ahnung, wie es in ihr aussah und dachte an nichts anderes, als an ein beknacktes Foto. Solche ignoranten Menschen waren der Grund, warum es nie Frieden auf der Welt geben würde.

Abby entschied, dass sie dieser Frau eine Lektion erteilen musste und hatte da bereits eine Idee, die sogar schmerzfrei umzusetzen war. Aber es hing von ihr allein ab, ob sie sich beherrschen können würde.

 

„Ich bin noch am Zug!“, rief das Mädchen aufgebracht. Außer ihren Augen war bisher wohl nichts verändert, ihre Stimme war immer noch dieselbe. Das war gut! „Von meiner Hand: [Naturia Pumpkin]! Und wenn er beschworen wird, während Sie Monster kontrollieren, kann ich ein Naturia-Monster von meiner Hand als Spezialbeschwörung beschwören. So wie [Naturia Rosewhip]!“

Vor Abby tauchte erst ein großer Kürbis mit Gesicht und Beinen, dann eine kleine Rose mit zwei Peitschen in ihren Blätterhänden auf.
 

Naturia Pumpkin [ATK/1400 DEF/800 (4)]

Naturia Rosewhip [ATK/400 DEF/1700 (3)]

 

Abby nahm die beiden Monster von der Duel Disk und hielt sie in die Höhe. Ihre Rose flog steil nach oben und verwandelte sich in drei grüne Ringe. „Stufe 3, [Naturia Rosewhip] und Stufe 4, [Naturia Pumpkin]! Oh great god of the north! Give us shelter within your soul! Synchro Summon! Be born, [Naturia Landoise]!“

Es gab einen Lichtblitz, als der Kürbis die Ringe passierte.

Der Boden vor ihr brach auf und eine gewaltige Schildkröte aus Stein erhob sich vor Abby.

 

Naturia Landoise [ATK/2350 DEF/1600 (7)]

 

„Da ich nun den Effekt eines Naturia-Monsters aktiviert habe, kann ich [Naturia Hydrangea] von meiner Hand als Spezialbeschwörung rufen! Und dasselbe tue ich auch mit [Glow-Up Bulb] von meinem Friedhof, indem ich eine Karte von meinem Deck ablege!“

Nina sah dumm aus der Wäsche, als sie realisierte, dass [Glow-Up Bulb] durch [Naturia Beasts] Effekt auf dem Ablagestapel gelandet sein musste.

Vor Abby tauchte ein Beet voller Hortensien auf, wobei eine der Pflanzen Augen besaß. Aus jenem Feld tauchte auch eine Blumenzwiebel auf, dessen weiße Blüte sich langsam öffnete.
 

Naturia Hydrangea [ATK/1900 DEF/2000 (5)]

Glow-Up Bulb [ATK/100 DEF/100 (1)]

 

Abby streckte wieder ihren Arm empor. Ihre Blumenzwiebel stieg in die Höhe und verwandelte sich in einen der grünen Empfängerringe. „Oh great god of the east! Scare my enemies with your mighty presence! Synchro Summon! Descent down, [Naturia Barkion]!“

Wieder gab es einen gleißenden Strahl und neben der gewaltigen Schildkröte gesellte sich ein grauer, schlangenhafter Drache mit Schuppen aus Holzrinde.

 

Naturia Barkion [ATK/2500 DEF/1800 (6)]

 

Abby atmete stoßweise. Ihr Haar begann unstet in der Luft zu flattern, während sich eine weiße Energiesphäre um ihren Körper bildete. Aus Ninas Gesicht wich sämtliche Farbe.

„Du wirst sterben …“, murmelte Abby leise. „Ich habe genug! Solche wie du haben nur eines verdient, und zwar den Tod! Ich aktiviere die Zauberkarte [Battle Tuned]! Damit verbanne ich ein Empfänger-Monster von meinem Friedhof und gebe seine Angriffskraft weiter an eines meiner Monster!“

Sie zeigte [Naturia Cosmobeet] vor, ebenfalls zuvor abgeworfen durch [Naturia Beasts] Effekt. „Das sind 1000 Extrapunkte für Barkion!“

Ihr Drache brüllte laut auf, als eine rot glühende Aura sich um ihn ausbreitete.

 

Naturia Barkion [ATK/2500 → 3500 DEF/1800 (6)]

 

„Das mit dem Töten“, sprudelte es hysterisch aus Nina heraus, „das war doch nur ein Scher-“

„Los, meine Monster! Zerstört ihre X-Saber!“

[Naturia Landoise] stampfte nur einmal mit dem Fuß auf und schon brach [X-Saber Urbellum] im Boden ein und verschwand in einem klaffenden Erdloch, das sich sofort wieder schloss. Barkion schoss dagegen eine sengende, grüne Flamme auf Gottoms und brannte ihn gnadenlos nieder. Es entstand eine Explosion, dessen darauffolgende Druckwelle Nina von den Füßen fegte. Hart landete sie auf dem Rücken.

 

[Abby: 2800LP / Nina: 1600LP → 1050LP]

 

Abby fixierte ihren Blick auf Nina, die nun weder auf ihrer Spielfeldseite, noch Hand mehr Karten besaß. Die war jedoch völlig erstarrt und zitterte am ganzen Leib, während sie Abbys Transformation mitansah. Das Haar wurde länger und verlor seine Farbe, wurde weiß. Ihre Fingernägel wuchsen langsam und wurden spitzer, während die Lippen erblassten und einen zarten Blauton annahmen.

„Das wolltest du doch sehen, oder?“, fragte Abby mit ihrer rauchigen Sirenenstimme. „Nun zahle den Preis dafür, Menschenweib!“

„Ich gebe auf!“, schrie Nina entsetzt und legte ihre Hand auf das Deck in ihrer Duel Disk.

 

[Abby: 2800LP / Nina: 1050LP → 0LP]

 

Anya klatschte laut und gesellte sich zu Abby. Dabei nahm ihr Gesicht diabolische Züge an. „Coole Sache! Wie tötest du sie denn? Frisst du sie auf?“

„Gute Idee“, hauchte Abby und trat langsam auf Nina zu, die hilflos rückwärts krabbelnd flüchten wollte. Dabei stieß sie mit dem Rücken ans Ende des hohen Zaunes, der nunmehr wie eine Gefängnismauer wirkte, der die Journalistin einsperrte.

„Bitte tu mir nichts! Ich werde dich nie wieder belästigen!“ In ihren Augen standen Tränen der Angst. „Das war doch alles nicht so gemeint gewesen, ehrlich! Du bist doch ein gutes Kind, oder?“

Abby lachte auf. „Das hättest du dir vorher überlegen sollen, Menschenweib. Du bist jetzt dazu verdammt, mein Abendbrot zu werden!“

Mit diesen Worten stürzte sich Abby auf die schreiende Nina, während Anya laut gackernd zusah und sich den Bauch hielt. Denn während sich die Rothaarige die Augen zuhielt und auf ihr Ende wartete, hatte sich ihre Freundin längst zurückverwandelt.

 

„So!“, donnerte Abby in der Hocke und packte Nina am Kragen ihres Kleids. Die blinzelte ganz verdutzt, als sie nicht in das Antlitz einer Sirene starrte. „Sie hören mir jetzt ganz genau zu!“

„Ja!“ Heftig nickte die Frau, als sie hochgerissen wurde. Selbst als Mensch war Abby in Rage so kräftig, dass sie Nina emporheben konnte, solange sie denn auf Zehenspitzen stand, da ihr Gegenüber doch etwas größer war als sie selbst.

„Erstens: Sie lassen uns in Zukunft in Ruhe, außer wir melden uns bei Ihnen!“

„Sicher doch!“

„Zweitens: Sie werden alles tun, was -ich- Ihnen sage!“

„Gewiss!“

„Drittens: sollten Sie sich nicht daran halten, mache ich das nächste Mal Ernst!“

Nina krächzte heiser und kleinlaut: „Alles klar!“

„Gut!“ Abby setzte die Frau ab und starrte sie finster an. „Und um zu sehen, ob Sie das verinnerlicht haben, stelle ich Ihnen jetzt eine Aufgabe! Sie werden Informationen für uns sammeln und zwar alles rund um die Begriffe „Eden“, „Levrier“, „Pakt“ und „Dämonen“! Eine Journalistin wie Sie wird doch sicher an gute Quellen gelangen, oder?“

„W-wie bitte!?“ Doch als Abby drohend die Faust hob, beteuerte Nina kräftig: „Ich mache mich sofort an die Arbeit! Ich werde nicht eher ruhen, ehe ich genügend Material für euch gesammelt habe. Ich kenne da sogar jemanden, der-! Aber warum wollt ihr-!?“

Abby aber unterbrach sie mit erhobenen Hand und deutete mit dem Zeigefinger zum Weg, der um das Haus zur Straße führte. „Schönen Nachmittag noch, Nina!“

Die nickte zögerlich und nahm anschließend die Beine in die Hand.

 

Kaum war die lästige Reporterin verschwunden, gesellte Anya sich zu Abby und legte ihr kumpelhaft den Arm um die Schulter. „Also eins muss ich dir lassen: coole Show! Für einen Moment habe ich echt geglaubt, du machst die Alte fertig!“

„Ich auch …“, gestand Abby leise und ließ den Kopf hängen. Doch plötzlich strahlte sie Anya an. „Aber ich glaube, ich habe es jetzt besser unter Kontrolle. Ich muss zwar wütend sein, aber du hast es ja gesehen. Ich habe nicht die Beherrschung verloren.“

Anya grinste keck. „Hab ich. Manchmal kannst du wirklich gruselig sein, so als weiblicher Hulk. Aber die Idee mit der Recherche ist klasse. So wird das Miststück vielleicht doch noch ganz nützlich sein.“

Ihre Freundin jedoch schüttelte zweifelnd den Kopf. „Glaube ich eher weniger, aber vielleicht hat sie wirklich noch die ein oder andere Quelle, die über unsere Möglichkeiten hinaus geht?“

„Hoffen wir's“, meinte Anya ernst und starrte auf die Stelle, wo Nina in Todesangst gelegen hatte. „Viel Zeit bleibt mir nicht mehr …“

„Wir finden einen Weg!“, meinte Abby zuversichtlich. „Du kannst auf mich zählen!“

„Au- miff- auf“, hörten sie jemanden hinter sich nuscheln. Nick bewegte sich wie eine Raupe auf sie zu und sah die beiden Mädchen erwartungsvoll an. „Ka- iff- jeff- geff-?“

„Was machen wir eigentlich mit dem?“, fragte Anya mit düsterer Stimme und funkelte Nick an. „Er muss bestraft werden für das, was er getan hat.“

Abby nickte mit eiserner Miene. „Allerdings. So etwas habe ich noch nie erlebt! Freunden sollte man vertrauen können. Aber uns wird schon etwas einfallen, nicht wahr, Anya?“

Jene lächelte verhängnisvoll. „Ganz bestimmt, Abby. Ganz bestimmt!“

 

 

Turn 13 – A Demon's Fate

Levrier bemerkt die Anwesenheit eines anderen Dämons in Livington und will, dass Anya sich ihm stellt. Da die jedoch unkooperativ ist und lieber Pläne schmiedet, wie sie Erzrivalin Valerie das Leben schwer machen kann, übernimmt Levrier kurzerhand Anyas Körper. Als die beiden schließlich den Dämonen finden, ist die in ihrer inneren Welt gefangene Anya fassungslos. Denn der Wirt des Dämons ist niemand anderes als …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-04-17T19:04:45+00:00 17.04.2017 21:04
Hey
Klasse Kapitel, oh man Reporter sind echt lästig erst Anya und dann Abby, aber das haben die beiden ja ganz gut gelöst.
Nick hat diese Strafe richtig verdient, sowas erzählt man nicht rum.
Gott sei dank hatte Abby sich im Griff und hat diese Nina nicht gekillt.
Bin gespannt wie es weiter geht und ob die Alte was rausfindet.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
19.04.2017 18:54
Hi,
danke dir. Ich kann zumindest versprechen, dass es ein Wiedersehen mit Nina geben wird.
Zu Nicks Strafe schweige ich aber lieber. :p

LG,
-Aska-


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