Something Worth Fighting For von SocialDistortion (»[AcexOC]«) ================================================================================ Kapitel 35: This Is War - Betrayal ---------------------------------- Tausende Soldaten waren bereits auf dem Hauptplatz versammelt, als Nikira teilnahmslos über den gepflasterten Boden schritt. Kaum jemand nahm Notiz von ihr. Durch das bevorstehende Ereignis war sie nicht mehr Lieblingsthema der Marinemitglieder. Es war wohl das einzig Positive an der gesamten Situation. Um eine ausdruckslose Miene bemüht, stieg sie die steinernen Treppen nach oben. Ihr Ziel war der Bereich vor dem Schafott, auf dem die Admiräle Platz genommen hatten. Sie bildeten eine undurchdringbare Mauer und würden nur eingreifen, wenn nötig. Nikiras Position hatte niemand festgelegt, aber sie wusste, wo man sie erwartete. Mit gemischten Gefühlen betrat sie die Fläche und kam neben Kizaru zum Stehen. Sie verschränkte die Arme und betrachtete eine Weile die unzähligen Männer und Frauen, die nur darauf warteten, dass etwas passierte. „Oh, wir haben uns schon gefragt, wann du uns mit deiner Anwesenheit beehrst, Rotschopf.“ Nikira verzog bei Borsalinos Aussage kaum merklich das Gesicht, fing sich aber schnell wieder. Ohne ihn anzusehen, meinte sie: „Hast du geglaubt, dass ich hierbei zu spät komme?“ „Hm, ich glaube, dass Akainu dir beigebracht hat, pünktlich zu sein.“ Er klang belustigt, als er diese Anspielung machte. Die Rothaarige schnaubte abfällig. Natürlich amüsierte es ihn noch immer, dass ihr Vater sie damals für das Zuspätkommen bestraft hatte. „Vielleicht hätte er es dir auch beibringen sollen, Kizaru“, antwortete sie spöttisch und erinnerte ihn damit daran, dass er bei diversen Treffen immer der Letzte war. „Ganz schön vorlaut, hm?“ Trotz der höhnischen Stimmlage wusste sie, dass sie ihn verärgert hatte. Deshalb erwiderte sie nichts und sah stattdessen auf die Samurai der Meere, die mehr oder weniger geduldig auf den Beginn der Exekution warteten. „Nikira“, ertönte plötzlich die herrische Stimme ihres Vaters und verursachte bei ihr einen unangenehmen Schauer. Ihr Puls erhöhte sich und es war schwer, ihren stoischen Ausdruck beizubehalten. Beinahe hätte sie vergessen, wie viel Einfluss er noch immer auf sie hatte. Dennoch setzte sie ihren Körper in Bewegung und kam mit schweren Schritten vor ihm zum Stehen. Nachgiebig ging sie in die Knie und senkte ihren Kopf. Grimmig starrte sie auf den Boden und biss so fest auf ihre Unterlippe, dass sie den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund wahrnahm. Es fühlte sich so unheimlich falsch an, vor ihm auf die Knie zu gehen, aber ihr blieb derzeit nichts anderes übrig. Sie schluckte ihren Stolz hinunter. „Vater.“ Ihre Worte klangen merkwürdig fremd in ihren Ohren. Fremd und mechanisch. Kaum hatte sie geantwortet, vernahm sie das belustige Lachen von Kizaru. Gott! Wie sie diesen Idioten hasste! „Du wirst erst eingreifen, wenn ich dir den Befehl gebe. Verstanden?“, meinte der rote Hund nahezu gelangweilt. Langsam nickte sie. Damit hatte sie gerechnet. Ohne seine Zustimmung war ihr noch nie etwas erlaubt gewesen und das würde sich auch nie ändern. Deshalb hatte sie sich für diese eine Seite entschieden. „Gut. Erhebe dich, denn die Exekution wird jeden Moment beginnen.“ Ein zufriedenes Lächeln hatte sich auf sein Gesicht geschlichen und Nikira konnte nicht verhindern, dass sich bei dem Anblick eine Gänsehaut bildete. Es machte ihr Angst. Angespannt richtete sie sich auf und drehte ihm den Rücken zu, damit er nicht ihren sorgenvollen Gesichtsausdruck sah. Die Uhr tickte und sie konnte nur tatenlos dabei zusehen, wie die Zeit ablief. Noch, denn sie wartete auf den richtigen Moment. Die Rothaarige wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es plötzlich lauter wurde. Alle Soldaten hatten sich in Richtung Schafott gedreht. Ihr war sofort klar, weshalb, und dennoch reagierte sie nicht darauf, sondern starrte vehement auf einen Punkt weit hinten am Horizont. Der Lärm wurde zu einem leisen Rauschen und es war, als wäre sie weit weg. Wie sehr sie sich doch wünschte, dass sie es tatsächlich wäre. Weit weg von diesem Ort. Weit weg von ihrem Vater und der Marine. Nikira holte tief Luft und landete prompt wieder in der Realität. Unter den Marinemitgliedern herrschte Unruhe und als die Stimme von Sengoku ertönte, wusste sie auch warum. „Männer! Es gibt etwas, das ihr nicht über Portgas D. Ace wisst.“ Die Worte hallten laut über den Platz und verursachten eine angespannte Atmosphäre. Auch die 18-Jährige lauschte dem Großadmiral, obwohl sie ahnte, was er verkünden wollte. Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Es würde sich für Ace anfühlen, wie ein Schlag ins Gesicht und unweigerlich fragte sie sich, ob das wirklich notwendig war. Als wäre das nicht genug, verlangte Sengoku plötzlich von ihm, dass er den Namen seines Vaters nennen sollte. Nikira konnte nur mit Mühe ein verächtliches Schnauben zurückhalten. Es ärgerte sie, dass der Großadmiral den Piraten so zur Schau stellte. Konnte es nicht egal sein, welches Blut man in sich trug? Diese Ansicht war abscheulich. Selbst sie hatte dies nach all der Zeit endlich erkannt. „Whitebeard ist mein einziger Vater“, zischte Ace wütend, woraufhin die Rothaarige mitfühlend den Kopf senkte. Sie konnte nur erahnen, wie er sich fühlen musste. Sein ganzes Leben hatte er seine Herkunft geleugnet und spätestens, als Sengoku die Geschichte über seine Geburt erzählte und den Namen seines Vaters verkündete, wusste jeder über die Wahrheit Bescheid. Die Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. Nahezu jeder reagierte geschockt und das Gemurmel wurde lauter. Gespannt warteten sie auf weitere Offenbarungen durch Sengoku und die sollten kommen. Die 18-Jährige bemühte sich, nicht zu sehr hinzuhören und doch war es unausweichlich, dass sie auch das nächste klar und deutlich vernahm. „Was?“, murmelte sie leise und überrascht. Whitebeards Ziel war es, Ace zum Piratenkönig zu machen? Woher wollte Sengoku das wissen? Irritiert drehte sie sich halb um und sah nach oben und anschließend zu ihrem Vater. Ob er auch davon gewusst hatte? Sie hatte nicht lange Zeit, um darüber nachzudenken, denn plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Alarmiert richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das große Tor, welches sich langsam öffnete. Wieso zum Teufel öffnete sich die Schleuse? „Unmöglich“, nuschelte sie verwirrt. Man konnte es nur vom Hauptquartier aus öffnen. Unzählige Piratenschiffe wurden sichtbar und versetzten die Soldaten in Aufruhr. Auch Nikira fühlte die Anspannung, die immer größer wurde. Es wurde also ernst. Aus dem Augenwinkel sah sie ihren Vater, dessen anfängliche Zufriedenheit beinahe zur Gänze verschwunden war. Nicht wegen der Schiffe, die erschienen waren. Da musste noch etwas sein. Die Rothaarige aktivierte ihr Observationshaki und stockte, als sie auf eine gewaltige Präsenz stieß. Das hatte sie erst einmal gespürt. Nervös biss sie sich auf die Lippen und scannte den riesigen Platz nach Anzeichen der Aura ab. Erst ein lauter werdendes Rauschen richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Wasser, auf dem sich nach und nach viele Luftbläschen bildeten. Plötzlich schoss ein gewaltiges Schiff nach oben, begleitet von drei kleineren. Es war sofort klar, um welches es sich handelte. Viele Marinemitglieder schrien entsetzt auf. Dabei war eines immer wieder zu hören. „D-Das ist die Moby Dick!“ Nikira hingegen tat sich schwer, ein Lächeln zu unterdrücken. Sie fühlte Erleichterung, auch wenn das Auftauchen der Whitebeards noch lange nicht Ace‘ Freiheit bedeutete. Dennoch war es ein großer Schritt in die richtige Richtung. Sie konnte es zwar nicht zeigen, aber sie war froh darüber, dass die Piraten aufgetaucht waren. Es war ein Lichtblick, dass der Schwarzhaarige es lebend hier herausschaffen konnte. Die Rothaarige seufzte innerlich. Sie hoffte so sehr, dass all das ein gutes Ende nehmen würde. Dabei war es ihr egal, was aus ihr werden würde. Wichtig war nur Ace… „Vater!“, rief dieser plötzlich und der Schock war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Whitebeard, der auf der Galionsfigur stand, grinste und richtete sein Wort an die Marine, oder besser gesagt an Sengoku persönlich. Immerhin hatte er das Sagen und war für den Zustand des Kommandanten verantwortlich. Trotz des gelassenen Auftretens des Kaisers fühlte Nikira deutlich die Gefahr und Stärke, die von ihm ausging. Dafür hätte sie nicht einmal ihr Haki einsetzen müssen. Angespannt beobachtete Nikira, wie der alte Mann in die Knie ging und seine Arme überkreuzte. Sie hatte eine leise Vorahnung, was sein Vorhaben betraf und war damit nicht die einzige. Nur nebenbei nahm sie wahr, wie Aokiji sich regte. Ihr Augenmerk lag auf Edward Newgate, der sich plötzlich aufrichtete und mit seinen geballten Händen ausholte. Rissen tauchten in der Luft aus und versetzten die Soldaten in Panik. Mit einer gewissen Neugierde lauschte sie dem explosionsartigen Geräusch und sah auf die riesige Welle hinter den hohen Mauern. Sie hatte schon viel von seinen Kräften gehört, aber noch nie hatte sie die Kraft der Erdbebenfrucht gesehen. Zu ihrer Verwunderung verschwand die Welle wieder, aber nach kurzer Überlegung wurde ihr klar, dass das nichts Gutes bedeutete. Jedoch hatte sie keine Gelegenheit, länger darüber nachzudenken, denn Ace richtete zum ersten Mal das Wort direkt an Whitebeard. Er reagierte auf das Erscheinen so, wie es sich die 18-Jährige gedacht hatte. Er gab sich selbst die Schuld an allem. Am liebsten wäre sie zu ihm gestürmt und hätte ihn zur Vernunft gebracht. Wie konnte er auch erwarten, dass seine Familie ihn vergaß? Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn das jemand wusste, dann war es sie. Was sie doch überraschte, war die Reaktion seiner Crew. Jeder einzelne fing an, ihm gut zuzureden und wenn sie so überlegte, dann passte es zu dem verrückten Haufen. Schließlich waren sie eine Familie. Es rührte Nikira und sie musste bei dem Gedanken lächeln. Doch so schnell es gekommen war, war es wieder verschwunden. Ein Rumpeln war zu spüren. Die Rothaarige griff aus Reflex zu ihrem Schwert, auch wenn sie wusste, dass die Klinge nutzlos sein würde. Gespannt sah sie nach links und auch nach rechts. Eine gewaltige Wand aus Wasser hatte sich aufgebäumt und wartete nur darauf einzustürzen. Sie wandte sich zu Aokiji und hörte nur begrenzt das markante Lachen des Kaisers. Der Admiral reagierte schnell. Er stand auf, sprang in die Luft und streckte die Arme aus. Seine besondere Kraft kam zum Einsatz, als er die zwei gigantischen Wellen einfach einfror. Auch die Bucht erstarrte zu Eis. Das war der Moment, in dem Bewegung in die Soldaten kam. Nikira holte tief Luft, als die Kommandanten ebenfalls einschritten. Es hatte angefangen. Unzählige erbitterte Kämpfe brachen in einem rasenden Tempo los. Sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte. Wie in einem Film spielten sich unglaubliche Szenen vor ihr ab. Blutig und grausam. Sie wollte eingreifen, aber noch war der richtige Moment nicht gekommen. Stattdessen beobachtete sie, wie Mihawk Dulacre einen direkten Angriff auf Whitebeard wagte, wie ihr Vater einen riesigen Eisbrocken abwehrte, wie der Riese Oz nach vorne preschte und wie der verrückte Doflamingo ihm einen Fuß abschnitt. Angespannt erhaschte sie einen Blick auf ihren Vater, der noch immer ein paar Meter weiter neben ihr stand. Die Rothaarige umklammerte den Griff ihres Schwertes und nahm die amüsierten Worte des pinken Samurais nur nebenbei wahr. Plötzlich erlangte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Schreie. Andere, als die auf dem Schlachtfeld. Irritiert sah sie sich um und blieb bei schwarzen Punkten am Himmel hängen. „Was zum…?“ Sie runzelte die Stirn, als der Punkt größer wurde, bis sie schließlich sah, was da auf sie zukam. War das ein verdammtes Schiff? Ihre Augen wurden größer und ihr Mund öffnete sich, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Ein Schiff und mehrere Personen schossen auf Marineford zu und versetzten alle in Aufruhr. Wie in Zeitlupe konnte sie verfolgen, wie das riesige Gefährt auf das vereiste Wasser krachte. Viele Splitter flogen durch die Gegend, doch eine aufgeregte Stimme erlangte dennoch die gesamte Aufmerksamkeit: „Ace!“ Ein schwarzhaariger Junge war aufgetaucht und hatte jede Menge Unterstützung mitgebracht. Sein Ausdruck wirkte wild entschlossen und sämtliche Soldaten schienen schockiert über die Erscheinung inklusive seiner Verbündeten. Oder was auch immer Jimbei und die anderen für ihn waren. „Das ist also der berühmte Strohhut Ruffy“, murmelte Nikira. Beeindruckende Familie, die du da hast, Garp, dachte sie sich. Ein verhaltenes Grinsen hatte sich auf ihr Gesicht geschlichen und es wurde noch größer, als sie den frustrierten Aufschrei des alten Vizeadmirals vernahm. Sie konnte nur erahnen, wie er sich fühlen musste. Immerhin war sein Sohn der meistgesuchte Mann der Welt und sein Enkel ein aufstrebender Pirat, der der Marine großen Ärger bereitete. Trotz allem war ihr in den letzten Jahren aufgefallen, dass der alte Mann dennoch stolz klang, wenn er über seine Familie sprach. Nur gering, aber der Stolz war da. Früher hatte sie sich immer gefragt wieso, aber mittlerweile hatte sie eine Antwort darauf. Sie kämpften für das, was ihnen wichtig war. Ein wehmütiges Lächeln zierte bei diesen Gedanken ihre Lippen. Sie hatte gelernt, was ihr wichtig war. Lange hatte sie nur die Ansichten der Marine gehabt, denen sie blindlings gefolgt war. Für diese Ansichten war sie morgens aufgewacht und war abends schlafen gegangen. Nun, nach der Zeit auf der Moby Dick, hatte sie etwas Neues gefunden. Etwas, dass ihr mehr Leben eingehaucht hatte als absolute Gerechtigkeit. Sie sah zu ihrem Vater und ergriff ihre linke Schulter mit der rechten Hand. Fest umklammerte sie mit ihren Fingern den weißen Stoff. Noch immer fühlte es sich an, als würde der Mantel Tonnen wiegen. Lange verweilte sie in dieser Position. Erst die Stimme von Ace riss sie aus den Gedanken. Er sprach zu Ruffy, der mittlerweile weiter nach vorne gedrungen war. Seine Worte hallten über den Platz, sodass Nikira ihn nur zu gut verstehen konnte. Wie so oft nahm er die Schuld auf sich. Redete seinem Bruder ein, dass ein Schwächling wie er ihm niemals helfen könnte und fragte, wieso er überhaupt gekommen war. Die Rothaarige biss die Zähne aufeinander. So ein Idiot, dachte sie verärgert. Wieso tat er das ständig? Wieso konnte er nicht einmal in seinem Leben einsehen, dass er nicht alles alleine machen musste? „Weil ich dein Bruder bin*!“, schrie Ruffy laut. Die 18-Jährige sah auf und blickte zu dem Strohhut. Sie nahm nur nebenbei wahr, wie Sengoku nach dem Aufruhr über diese Aussage die Sache richtigstellte. Noch nie hatte sie den Piraten namens Ruffy gesehen. Auch hatte sie noch nie ein Wort mit ihm gewechselt und doch war sie beeindruckt von ihm. Seine Entschlossenheit, mit der er sich gegen die Soldaten behauptete, war faszinierend. Er würde für Ace sterben. Sie umklammerte fester ihre Schulter und kniff verärgert die Augen zusammen. Es ärgerte sie, dass sie es nicht früher gesehen hatte. Das bestätigte ihr gerade der Strohhut-Junge. Ein weiteres Mal sah sie zu dem Admiral, der nahezu angespannt dastand. Sie löste den Griff und lockerte ihre Haltung. Anschließend ging sie ein paar Schritte nach vorne, bis sie am Ende der Plattform stand. Ihre Augen richteten sich für einen Moment auf Whitebeard und schwenkten dann zu Ace‘ Bruder. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ace hatte Recht. Sie musste nicht bleiben. Sie hätte letzte Nacht von hier verschwinden können. Vermutlich hätte es nicht mal jemand bemerkt und dennoch war sie noch hier, weil sie nicht wieder weglaufen wollte. Sie wollte für die richtige Sache kämpfen und diese Sache war nicht die Hinrichtung des Piraten, für den sie tiefe Gefühle hegte. Es kann sein, dass sie das nicht überleben würde. Das, was sie vorhatte, war Verrat. Ihr Vater würde höchstpersönlich dafür sorgen, dass sie hier nicht lebend wegkam. In wenigen Augenblicken würde sie sich gegen die Marine und somit auch gegen ihren Erzeuger stellen. Ob ihr diese Tatsache Angst machte? Nein. Nikira hatte lange darüber nachgedacht, wie sie ihr restliches Leben verbringen wollte. Würde sie hier ihr eintöniges Leben weiterführen oder würde sie die Personen unterstützen, die ihr am Herzen lagen? Die Antwort lag schon lange klar und deutlich vor ihr. Es war dumm von ihr gewesen, dass sie nicht gleich auf ihr Herz gehört hatte. Nie hatte sie das Offensichtliche gesehen. Sie gehörte absolut nicht hierher und das war ihr erst klargeworden, als sie alles falsch gemacht hatte. Sie hätte es Whitebeard und vor allem Ace viel früher sagen sollen. Vielleicht...Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Was vergangen war, war vergangen. Im Moment zählte nur das Hier und Jetzt. Mit einer ähnlichen Entschlossenheit wie Monkey D. Ruffy straffte sie ihre Schultern und holte tief Luft. Langsam hob sie ihre Hand und ergriff wie zu vor auch den Stoff. Dieses Mal zog sie sich jedoch den Umhang von den Schultern, sodass sie ihn in der Hand hielt. Es war, als wäre damit eine unheimliche Last verschwunden. Dennoch verspürte sie noch keine Erleichterung. Dafür war es zu früh. Mit einer unergründlichen Miene betrachtete sie das Kleidungsstück in ihrer Hand. „Vater? Hast du dich jemals gefragt, was wäre, wenn Mutter noch leben würde?“ Ihre Stimme klang keinesfalls feindselig, sondern eher interessiert. Seit mehr als zehn Jahren hatte sie kein Wort mehr über ihre Mutter verloren. „Das ist nicht von Belangen, Tochter.“ Wie immer ging er auf Abstand, aber das überraschte sie nicht und dennoch lächelte Nikira beinahe enttäuscht. Es bestätigte sie in ihrem Vorhaben nur noch mehr. „Doch. Das ist es. Mehr als du denkst“, murmelte sie und drückte den Stoff fester zusammen. Sie ging auf ihren Vater zu und wartete, bis sie seine Aufmerksamkeit erlangt hatte. „Was hast du vor?“ Akainu hatte sich langsam zu ihr gewandt und betrachtete sie mit steinerne Miene. Wie so oft war sie sich nicht ganz sicher, was er sich wirklich dachte. „Ich weiß, dass ich dir egal bin und du dich nicht dafür interessierst, ob ich glücklich bin. Dennoch solltest du wissen, dass ich es hier nicht bin und auch nie sein werde.“ Nikira sah ein letztes Mal auf den Umhang und schmiss ihn achtlos auf die Seite. Anschließend richtete sie ihren Blick fest auf ihren Vater. „Hiermit trete ich mit sofortiger Wirkung aus der Marine aus.“ Es fiel ihr überraschend einfach diese Worte auszusprechen. Vielleicht deshalb, weil es genau das war, was sie wollte. Sie stand zur Gänze hinter ihrer Entscheidung und aus diesem Grund hielt sie auch seinem Blick stand. Er war wütend, wenn nicht sogar rasend. Sein rotes Hemd mit den Blumen spannte sich über seine imposanten Muskeln. „Vielleicht kannst du meine Entscheidung akzeptieren“, fügte sie leise hinzu, obwohl sie nicht daran glaubte. Sein Körper zitterte und seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Du solltest diese Entscheidung schnell wieder vergessen, denn du wirst nicht aus der Marine austreten. Nicht, so lange ich noch lebe, verstanden?“ Er sprach beunruhigend leise und diese Tatsache machte die Situation noch gefährlicher. Trotz allem würde die Rothaarige ihre Meinung nicht ändern. Niemals. Deshalb zog sie langsam ihr Schwert und aktivierte ihr Haki. Sie hatte schon oft gegen ihren Vater gekämpft, aber noch nie, wenn er rasend vor Wut war. Er wurde dadurch noch unberechenbarer als sonst, weshalb sie auf alles gefasst sein musste. „Und wie ich aus dieser verlogenen Organisation austreten werde!“ Die Rothaarige umklammerte fester den Griff ihres Schwertes. „Du bist der Letzte, der mir das verbieten kann, Vater.“ Sie spuckte das letzte Wort förmlich auf den Boden. Schon lange sah sie den Admiral mit anderen Augen. Er war nicht mehr der Mensch, den sie einst lachend in den Arm geschlossen hatte. Er war ein rücksichtsloses Monster, welches für Gerechtigkeit über Leichen ging. „Wenn das deine letzten Worte sind, dann wage es nie wieder, mich Vater zu nennen, denn du bist nicht mehr meine Tochter!“ Als würde er seine Aussage damit unterstreichen, verwandelte sich seine Schulter langsam in Lava. Wie auf einem Vulkan rann die zähe Flüssigkeit seinen gesamten Arm herab. „Ich bin seit 13 Jahren nicht mehr deine Tochter“, zischte sie hart und erinnerte sich selbst und Akainu an den Tod Minakos. Nach ihrem Ableben war er wie ausgewechselt. Er umarmte sie nicht mehr, er schenkte ihr immer seltener ein aufmunterndes Lächeln, er verhielt sich, als würde er sie nicht mehr lieben. Damals, als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie es nicht verstanden. Jetzt tat sie es. „Du hast mir immer die Schuld an ihrem Tod gegeben, nicht wahr?“ „Hör auf, über sie zu reden!“, brüllte er wütend und bewegte sich plötzlich mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu. Gerade so konnte sie zur Seite springen und seinem Hieb entgehen. „Beantworte meine Frage!“ Nun hatte die Rothaarige ebenfalls ihre Stimme erhoben. Angespannt starrte sie den Rücken ihres Vaters an. Akainu drehte sich wieder zu ihr, sein Gesichtsausdruck unverändert. „Natürlich gebe ich dir die Schuld daran.“ Diese Aussage überraschte sie nicht und dennoch traf sie die Wahrheit. Sie versuchte gefasst zu bleiben. „Schön, dann habe ich dir nichts mehr zu sagen.“ Eine Spur an Bitterkeit schwang in ihren Worten mit. Sie war damals noch ein Kind gewesen. Dumm und unschuldig. Wie hätte sie es besser wissen sollen? Für einen Moment wandte sie den Blick ab und betrachtete den Strohhut-Jungen, wie ihm Falkenauge gerade ordentlich zusetzte. Sie sollte sich beeilen und ihm helfen. „Glaubst du, dass ich dich ungestraft davonlasse?“, raunte er bedrohlich und kam auf sie zu. Nikira schnaubte. Natürlich glaubte sie das nicht. Sie hob ihr Schwert und begab sich in Kampfposition. Ihre Chance gegen ihn zu gewinnen war gering. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Schnell! Verbissen überzog sie ihre Klinge mit dem Rüstungshaki und ging in die Offensive. Mit einer unheimlichen Schnelligkeit raste sie nach vorne, rutschte unter seinem Schlag hindurch und riss ihren Arm nach oben. Sie spürte einen geringen Widerstand und drehte sich eilig um. Allerdings freute sie sich nicht darüber, dass sie ihm einen kleinen Kratzer an seinem Oberkörper zugefügt hatte. Stattdessen setzte sie wieder zu einem Angriff an. Geübt parierte sie seine Angriffe, zischte aber auf, als die heiße Flüssigkeit ihre Wange streifte. Beinahe zu spät wich sie seinem Angriff aus, der anstatt ihres Gesichts den riesigen Stuhl von Aokiji zertrümmerte. Nikira stolperte ein paar Schritte nach hinten und holte tief Luft. Das Adrenalin rauschte durch ihren Körper und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Die ganze Zeit ließ sie ihren Vater nicht aus den Augen. Rufe wie „Warum kämpft der Admiral gegen seine Tochter?“ oder „Was passiert dort oben?“ drangen an ihr Ohr. Anscheinend hatte man bemerkt, dass es zwischen ihnen einige Unstimmigkeiten gab. Plötzlich wurde ihr Gleichgewicht unheimlich gestört. Die gesamte Insel schwankte auf eine Seite und unterbrach die Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter. Dafür konnte nur eine Person verantwortlich sein. „Whitebeard“, zischte ihr Vater und wandte sich von der 18-Jährigen ab. Er hob seine Arme, als würde er damit etwas abwehren wollen. Nikira wusste was er vorhatten, weshalb ihre Zeit gekommen war, von hier zu verschwinden. Ohne lange nachzudenken, sprang sie von der Erhöhung. Es war ihr Glück, dass der alte Mann diesen Angriff gestartet hatte und dadurch die Admiräle ablenkte. Bei der Landung stützte sie sich mit ihrer Hand ab und kam so sicher auf. Nachdem sie ihren Kopf gehoben hatte, blickte sie in neugierige Gesichter, die sich allesamt auf die Plattform richteten. Aokiji und Kizaru standen neben Akainu und hielten den Angriff von Whitebeard auf. Es war ihre Chance, Abstand zu ihrem Vater zu gewinnen. Gerade rechtzeitig, denn der Strohhutjunge kam auf sie zugelaufen und schien etwas Dummes vorzuhaben. Eilig lief sie auf ihn zu und drängte sich dabei durch die Soldaten. Niemand von ihnen hatte augenscheinlich Ahnung, wie man mit ihr umzugehen hatte. Einerseits hatte sie gegen Akainu gekämpft, aber andererseits hatte er nichts dazu gesagt. Noch nicht. Solange dem so war, musste sie die Unwissenheit ausnutzen. Mit ernstem Gesicht stellte sie sich dem Teufelsfruchtnutzer in den Weg. Dieser war offensichtlich verwirrt über ihr Auftauchen. „Hey! Frau mit den roten Haaren! Aus dem Weg oder ich mach dich platt!“ Bei seiner Aufforderung verdrehte diese die Augen und stieß einen Marinesoldaten zur Seite, der den Schwarzhaarigen aufhalten wollte. Sie griff nach dem Handgelenk des Schwarzhaarigen und hielt in so auf. Natürlich beschwerte er sich prompt, hatte aber nicht vor, sie anzugreifen. „Egal, was du vorhast, tu es nicht. An den Admirälen kommst du nicht vorbei. Benutze lieber den Aufgang auf der anderen Seite.“ Eindringlich sah sie ihn an und erntete einen planlosen Blick. „Hä?! Gehörst du nicht auch zur Marine?“, fragte er aus dem Bauch heraus. Nikira zog ihre Hand zurück und runzelte die Stirn. „Eh, nein. Also nicht mehr.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Du solltest dich beeilen.“ Um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, schubste sie ihn leicht nach vorne. „Ja...ja, das sollte ich.“ Noch immer perplex, machte er ein paar Schritte nach vorne, hielt aber inne. „Warte! Wieso hilfst du mir eigentlich?“ Ratlosigkeit hatte sich in seinem Gesicht breitgemacht. Sie wollte ihm gerade eine knappe Antwort geben, als eine laute Stimme ertönte: „An alle Soldaten!“ Nikira sah sofort zu der Plattform, auf der die drei Admiräle standen. Mit eiserner Miene taxierte sie Akainu. Er hielt eine Teleschnecke in der Hand, mit der er seine Stimme verstärkte. Wie zuvor auch dominierte Wut seinen Ausdruck. „Nikira ist von nun an kein Mitglied der Marine mehr! Sie hat uns alle verraten.“ Er legte eine Pause ein. Die Soldaten und selbst die Piraten hatten die Aufmerksamkeit auf den Teufelsfruchtnutzer gerichtet. Es war erschreckend ruhig auf dem Platz und die Rothaarige spürte immer mehr Augenpaare auf ihr. „Und wir wissen, wie man mit Verrätern umgeht.“ Die 18-Jährige biss ihre Zähne fest aufeinander und festigte den Griff um ihr Schwert. Ihr ungutes Gefühl hatte sie nicht enttäuscht. Sie hatte geahnt, dass ihr Vater so reagieren würde. Wachsam sah sie sich um. Ruffy tat es ihr gleich, nur wirkte er etwas ratlos. Die Marinesoldaten hingegen zögerten, da sie die neue Information noch immer nicht ganz verarbeitet hatten. Viele konnte und wollten schlichtweg nicht glauben, dass die Tochter des Admirals anscheinend auf der Seite der Piraten stand. Für Nikira war es nun tatsächlich endgültig. Alle wussten Bescheid. Es gab kein Zurück mehr. Die Erleichterung, die sie verspürte, war nur gering. Noch konnte sie nicht völlig losgelöst aufatmen, denn Ace war noch immer nicht in Sicherheit. Hinzu kam, dass Sengoku seine Exekution vorgezogen hatte. Ihnen blieb also nicht mehr viel Zeit. Angespannt wanderten ihre Augen weiter und zum ersten Mal seit Stunden traf ihr Blick den von Ace. Trotz der Entfernung fühlte sie ihr Herz, welches stets vor Aufregung hüpfte, wenn sie ihn ansah. Es war, als würde es sie vorantreiben wollen. Als würde es sagen: Los! Rette ihn endlich! Auch wenn ihre Hoffnung, hier lebend zu verschwinden, nur gering waren, so musste sie dennoch aufrichtig und entschlossen lächeln. Sie würde ihn von seiner geplanten Hinrichtung befreien und wenn sie dabei sterben sollte, war das okay, denn für jemanden zu sterben, den man liebte, erschien ihr richtig. Lange hatte sie gebraucht um das einzusehen. Geholfen hatte ihr vor allem Thatch‘ Erklärung der Liebe, die ihr die Augen geöffnet hatte. Damals war sie sich nicht sicher gewesen, ob es wirklich so intensiv war. Natürlich hatte sie bereits auf der Moby Dick etwas für den Piraten empfunden, aber erst seit geraumer Zeit wusste sie, dass es Liebe war. Herzklopfen, Kribbeln und all die Dinge, die dazugehörten. Es war unbeschreiblich und sie wollte nicht, dass es vorbei war, bevor sie für das richtige gekämpft hatte. „Strohhut?“, meinte sie bestimmend, ohne den Blick von Ace zu nehmen. „Ich versuche dich zu unterstützen, so gut ich kann.“ Sie grinste selbstsicher, auch wenn die Zukunft ungewiss vor ihr lag. Aber sie wollte stark sein. Vor allem für den Schwarzhaarigen, der ihr von der Ferne einen fassungslosen Blick zuwarf. „Bist du bereit Ace, zu retten?“ Ihre Augen wanderten zu dem Piraten namens Ruffy, der sie bei ihren Worten freudig anstrahlte. „Mehr als nur bereit! Zeigen wir der Marine, wo es langgeht!“ Er schlug seine Faust in seine offene Hand. „Und wie wir es ihnen zeigen werden “, murmelte Nikira ernst und machte sich bereit für ihren womöglich letzten Kampf. *Zitat aus dem Mangakapitel 558, Seite 10 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)