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Unter den Schwingen des Horusfalken

von

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Besprechung

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Als Meruka die Augen öffnete und sich aufsetzte, bemerkte er, dass auch die beiden Männer seiner Gruppe gekommen waren, und alle vier zusammen das Schlangenspiel spielten. Auf den ersten Blick sahen auch Nefer und Merit ganz friedlich aus, aber ihm war klar, dass er aufpassen musste. Zwei verfeindete Frauen konnten eine Menge anrichten. Nefer war die Nützlichere, eine schon jahrelange Bekanntschaft, aber es wäre mehr als unklug gewesen, Verbindungen in den ipet und zur königlichen Familie nicht zu nutzen, ja, womöglich eine Frau zu verärgern, die dafür sorgen konnte, dass man sich selbst in irgendeinem einsamen Wachposten am Horusweg wiederfand. Das konnte heikel werden und er selbst sollte da überaus behutsam nach beiden Seiten vorgehen.

Das Wichtigste war schließlich, dass das Ziel erreicht wurde, der Mörder Sennefers gefunden wurde, und es galt gleichzeitig zu verhindern, dass noch jemandem etwas zustieß, sei es, dass er wie Menmire ahnungslos hinein geriet, sei es, dass der – oder auch diejenige das eigentliche Ziel war. Jemand hatte mit Sennefers Tod etwas tarnen wollen – es stand nicht zu erwarten, dass der damit aufhören würde.

Da er bemerkte, dass ihn alle anblickten, stand er auf und ging zu ihnen, ließ sich nieder.

„Zunächst eine Zusammenfassung,“ meinte er. „Menmire starb schlicht aufgrund der Frage nach dem Brief. Baketbes brachte ihn in Panik um, aber, was auch immer eigentlich dahinter steckt, er ist eine falsche Fährte, da er nichts mit dem ursprünglichen Plan zu tun hatte.

Anders sieht es mit Sennefer aus. In seinem Schreiben an seinen besten Freund erklärte er, dass er etwas gefunden habe, um in der Beamtenhierarchie rasch aufzusteigen, seiner Schwester gegenüber berichtete er, dass er einen Kniff gefunden habe. Das deutet darauf hin, dass er etwas hörte, sah oder sonst wie mitbekam, dass in ihm zumindest diesen Glauben weckte. Dass schlicht der tjati ihm versprach ihn weiter zu fördern, ist auszuschließen. Immerhin wurde er eindeutig ermordet. Es muss um etwas anderes gehen.

Bei der Frage, wann er dies mitbekam, bleibt nur ein geringes Zeitfenster. Er war bloß in seinem Dorf und in Iunu, dann auf der Reise zurück in der Flotte des tjati und auf der Domäne. Von dort aus schrieb er den Brief an Menmire. Später, auf der Reise oder in Ibenu-hedj, kann es folglich nicht gewesen sein. Aber auch nicht viel früher, denn als Sobeknacht ihn und zwei andere an der Schule auswählte, befand sich Menmire noch in Iunu. Sennefer hätte es ihm direkt gesagt, statt einen Brief zu schreiben. Es muss daher auf der Fahrt in sein Heimatdorf passiert sein, da er schon dort seiner Schwester gegenüber Andeutungen machte. Überdies – er wurde Vorsteher einer neuen Domäne und ich denke, nicht einmal er wäre so töricht gewesen, von einem der zwei oder drei Unterschreiber, die er dort erhielt, einen wichtigen Hinweis auf Karriere zu erwarten. Nein. Es muss auf der Fahrt gewesen sein.

Er wurde, Zufall oder weil er aus einer von dessen Domänen stammte, auf dem persönlichen Boot des tjati untergebracht, die anderen beiden Jungen reisten auf den Begleitschiffen. Natürlich nicht in der Kabine. Dort schliefen nur Sobeknacht und Akenptah, aber er wurde unter dem Vordach untergebracht, wo sicher auch mindestens einer der persönlichen Schreiber des tjati schlief.“

„Anchnefer?“ erkundigte sich Ptahnacht.

Sein Vorgesetzter, der es nicht schätzte unterbrochen zu werden, warf ihm einen tadelnden Blick zu, blieb jedoch sachlich. „Nein. Anchnefer ist der Vertreter im Palast, wenn Sobeknacht in kemet unterwegs ist. Er sicher nicht. Aber es lässt sich herausfinden, welche Schreiber mit dabei waren und wer auf dem Boot war. Nun, es ist auch möglich, dass abends, wenn angelegt wurde, nicht nur die drei Jungen miteinander sprachen, sondern sich begeistert in die Runde der Schreiber setzten, bemüht, etwas mitzubekommen.“ Da musste er nur an Saka denken, der ihn genau beobachtet hatte. Aber so lernten junge Beamte auch. „Dabei oder auch im Gespräch mit Akenptah – der vermutlich angetan davon war mit Leuten in seinem Alter reden zu können – bekam Sennefer irgendetwas mit, das in ihm den Glauben weckte, er könne rasch aufsteigen.“ Er sah kurz in die Runde. „Leider bekam das auch der Betroffene mit und, da er wusste, dass ein neuer Domänenverwalter nach Ibenu-hedj kommen würde, baute er die Falle. Die Frage lautet nun, warum? Was kann ein unerfahrener junger Schreiber in der doch relativ kurzen Zeit mitbekommen, das ihn das Leben kostet?“ Er sah fragend in die Runde. Seine Gedanken und Planungen sicherten den Erfolg der Gruppe, aber er war nüchtern genug zu wissen, dass auch ihm etwas entgehen konnte. In diesem Zustand der Planung wäre es töricht sich nicht andere Meinungen anzuhören. Später würde er freilich allein entscheiden.

„Die Ehrenkette des tjati?“ warf Rahotep nachdenklich ein. „Er könnte gesehen haben, dass sie jemand stahl und hat den erpresst, um sie selbst zu bekommen, da er keine Ahnung vom wahren Wert hatte.“

„Die Kette ist in der Tat ein Problem,“ erwiderte Meruka sofort. „Es gibt da mehrere Möglichkeiten. Die eine, dass Sobeknacht sie selbst verschenkt hat, schließe ich aus. Aber es könnte Sennefer selbst sie gestohlen haben, jemand anderer sie gestohlen haben, sei er durch Sennefer erpresst worden, oder auch so. Oder es war alles nur ein Zufall. Sennefer will eine wertvolle Kette und nimmt genau die, die der Lebende Horus vergab, bekommt etwas anderes mit und sein Tod hat nichts mit der Kette an sich zu tun. Umgedreht könnte er auch jemanden erpresst haben, ihm eine wertvolle Kette zu beschaffen, warum auch immer. - So oder so, die einzige Person, die wir außer Menmire als, zumindest fast, Freund des Sennefer kennen ist Akenptah. Nefer, sobald er zurückkommt, möchte ich, dass du dich möglichst eng an ihm hältst. Was sagen die Leute im Haus, wenn er jetzt zurückkehrt? Hat er sich wieder verändert?“

„Wie du willst,“ erwiderte sie. „Ich möchte jedoch daran erinnern, dass du selbst sagtest, er hätte die Kette seinem Vater zurückgegeben, möglichst unauffällig, aber doch. Er weiß doch um den immateriellen Wert solch einer Ehrenkette.“

Ah, sie hatte ihn missverstanden. Nun, so konnte er ihre Direktiven verdeutlichen. „Ich habe nie gesagt, dass er der Täter sei, Nefer. Nur, dass er womöglich mehr weiß als wir, und wir das umgekehrt irgendwie in Erfahrung bringen sollten. Vielleicht erpresst ihn jemand, dieser jemand hat auch die Leute angeheuert, die Sennefer … abholten? Wir wissen noch zu wenig. Viel zu wenig bei solch einem heiklen Thema. Wir bewegen uns im Umfeld des tjati und damit der königlichen Familie. - Ptahnacht, wenn ihr Wachen in eurer Freizeit zusammensitzt, versuche doch einmal herauszubekommen, ob jemand einen geheimen Auftrag erhielt. Mehr erst einmal nicht, aber das wäre schon hilfreich.“

Der Krieger zuckte die Schultern. „Geheimaufträge sollten auch geheim bleiben, zumindest sagst du das immer. Aber ja, ich werde es versuchen,“ lenkte er eilig ein. „Vielleicht bei einem Becher schönen, syrischen Wein. Aus Anlass, dass ich schon ….zehn Jahre bei den Wachen bin?“ Das war kein Traubenwein sondern aus anderen Früchten, wie Granatäpfeln – schwer, süß und man musste ihn unverdünnt trinken. Das lockerte so manche Zunge. Aber dieser Wein wurde teuer eingeführt und man bekam ihn nur als Geschenk des Herrn der beiden Länder.

Meruka wusste dies. „Ich werde den semer bitten, dir einige Rationen zukommen zu lassen.“ Zum Glück war Hekaptah als Siegler des Königs der Leiter der Magazine und musste sich nur gegenüber Sobeknacht und natürlich dem lebenden Gott rechtfertigen. Das erleichterte manches doch enorm.

Nefer sah zu ihm. „Soll ich Sennefer erwähnen?“

„Lieber erst einmal nicht.“ Der Leiter der Gruppe dachte kurz nach. „Vielleicht gelingt es dir dich mit Akenptah vertrauter zu machen als gewöhnliche Dienerinnen. Aber der erste Schritt dazu muss unbedingt von ihm kommen. Sonst erfährst du nur, was du erfahren sollst, nicht, was du willst. Andererseits achte auf Dienstboten, die mehr um ihn sind. Nicht, dass auch da ein … ungeplanter Vorfall geschieht. Irgendjemand hatte Zugriff auf die Schlafmittel, die diese Wirtin Sennefer und Menmire gab. - Darum zu dir, Rahotep. Du hast Einsicht auf die Bücher des Lebenshauses. Wann wurde kurz vor dem Tod Sennefers ein so starkes Schlafmittel ausgegeben und an wen? Das müsste vermerkt sein.“

„Ja.“ Der Arzt dachte kurz nach, ehe er einwandte: „Aber es werden jeden Tag solche Mittel aus dem Magazin genommen, Meruka. Wir behandeln ja nicht nur die königliche Familie und den Hof sondern auch Leute aus der Stadt, die herkommen. Und die meisten dieser Ursprungsmittel verwandelt der Arzt dann noch in unterschiedlichste Medizin, Salben, Tränke, Pulver. Das können selbst in einer Woche hunderte verschiedene Waren, Drogen, sein, angefangen bei Bilsenkraut.“

Der königliche Schreiber nickte. „Nun, du selbst sagtest, es könnten diese Alraunen aus dem Osten sein, Ugarit und weiter her. Sie werden kaum an jeden Menschen in Ibenu-hedj ausgegeben. Und es muss, das zeigt uns Menmire, ein starkes Schlafmittel gewesen sein.“

„Ich werde unter diesen nachsehen. Gib mir dann noch das genaue Todesdatum von Sennefer. Eine Woche im Voraus, eher ein sehr kleines Stück, sonst würde es auffallen. Alraunen sind überaus wertvoll. Kaum eine dieser Wurzeln kann im Jahr herkommen.“

„Dann würde es auch auffallen, wenn jemand jetzt oder in den nächsten Tagen ein Stück nimmt?“ fragte der Gruppenleiter sofort.

„Wenn man darauf achtet.“ Rahotep atmete tief ein. „Du verdächtigst einen meiner Kollegen. Dann muss ich mir einen netten Grund aussuchen, warum ich mich dafür interessiere.“

„Es ist nicht gesagt, dass dieser Arzt weiß, dass er nicht für den Herrn der beiden Länder arbeitet. Irgendjemand war sehr schlau. Und ja, ich vermute, dass es sich um Wachen und Hofärzte handelte, die von jemandem so manipuliert wurden, dass sie glaubten, der Tod des Sennefer diene der maat.“ Meruka seufzte fast ein wenig. „Und das bedeutet, wir reden von jemandem aus dem engen Umfeld Sobeknachts, denn kaum einem anderen würden sie so vertrauen.“ Langsam fuhr er fort: „Merit, kannst du dich mit der Mutter Menkas unterhalten, Ka-Merit?“

„Ja, ich denke schon.“ Das Mädchen aus dem ipet war ein wenig verwirrt, versteckte das jedoch rasch. „Ich meine, wir sind nicht gerade befreundet, aber wir sitzen aus Ranggründen immer nebeneinander bei offiziellen Veranstaltungen und haben uns schon öfter unterhalten. Worüber denn?“

„Was soll Menka werden, wen er mit zwölf die Grundausbildung zum Schreiber hinter sich hat? Wenn sie es noch nicht weiß, weiß es wohl niemand.“

Sie sollte ebenso sachlich bleiben wie die Anderen, sonst würde sie sich wohl blamieren. Sie durfte nicht vergessen, dass Meruka hier ihr Vorgesetzter war und ihm Respekt gebührte.„Es sind ja auch noch vier Jahre, in denen einiges passieren kann. - Ich vermute allerdings nach Gerüchten, dass Menka für seinen Halbbruder Menhekat der tjati werden soll. Oder der Siegler. Hohe Beamte sind immer Königssöhne.“

„Frage sie. Und versuche den Tagesablauf von Menka herauszufinden. Wenn es irgend geht, behalte ihn im Auge.“

„Du glaubst, es geht gegen Menka, nicht Menhekat, obwohl der doch der Ältere und der Sohn der maat-hor ist?“ Merit konnte es nicht fassen, trotz aller soeben gefassten guten Vorsätze.

Meruka zog die Augen zusammen, beherrschte sich jedoch. Er musste diplomatisch bleiben, ohne sein Gesicht vor seinen Untergebenen zu verlieren. „Merit, du solltest wissen, dass Anweisungen zu befolgen und nicht zu hinterfragen sind. Du bist aber neu in der Gruppe und hast wohl wenig Vertrauen zu mir fassen können. So will ich es dir erklären. Menhekat kommt jetzt erst zurück, aber er wird vermutlich seine Räume wieder beziehen. Diese liegen direkt neben den Privatgemächern des Herrn der beiden Länder. Um dorthin zu gelangen muss man an sicher mehr als zwanzig Doppelwachen vorbei. Es werden immer Schreiber und Diener um ihn sein, ist er doch der zweite Mann am Hofe. Sehr schwer, da unauffällig an ihn heranzukommen. Überdies ist er neunzehn, ein erwachsener Mann, der zusätzlich Kampfausbildung erhalten hat. Selbst gegen einen Dolch dürfte er sich wehren können. - Menka dagegen ist acht, ein Kind. Auch er ist viel in Gesellschaft, gerade auch von den anderen Schülern der Palastschule, aber du selbst hast beschrieben, wie ihr in eurer Kindheit herumgetobt habt. Erzähle mir nicht, dass da auch nur ein Erwachsener dabei gewesen ist. Jemand könnte ihn abseits locken. Ein Dolch ist schnell und lautlos.“ Und die Räume des Palastes oft verschachtelt. Die Gärten dich bepflanzt.

Rahotep versuchte unwillkürlich abzulenken. Er müsste später noch einmal mit Merit reden. Sachliche Einwände waren in Ordnung, sogar erwünscht – aber keine Kritik an dem Vorgesetzten und dessen Entscheidungen. „Du glaubst das Motiv läge darin, dass jemand verhindern will, dass Menka der tjati des nächsten Herrn der beiden Länder wird? Akenptah könnte dann in die Nachfolge seines Vaters eintreten. Aber, wenn Sennefer das mitbekommen hat, muss derjenige wirklich auf der Fahrt ins Delta dabei gewesen sein. Und es fragt sich, was derjenige davon hat.“

„Und er wird das Akenptah kaum gesagt haben,“ ergänzte Nefer. „Oder, warum soll ich ihn überwachen? Und – wie weitgehend?“

Meruka sah sich zu einer weiteren Erklärung genötigt. „Das weiß ich nicht. Ich sehe nur Akenptah als Drehpunkt der ganzen Sache an. Und ich will vermeiden, dass noch einem Königssohn etwas zustößt. Übrigens sollte auch der Sohn des tjati am Leben bleiben. Denn, Brüder und Schwestern, ab jetzt geht jeder Tod auf unsere Rechnung.“

Für einen Moment herrschte Schweigen, ehe Ptahnacht sich erkundigte: „Wäre es dann nicht besser, ich würde zusehen, dass ich zu Menhekat eingeteilt werde?“

„Wenn es wirklich unauffällig geht?“ fragte Meruka zurück. „Wir müssen alle bedenken, dass der Täter bei Hofe ist, ja, wohl im Büro des tjati sitzt. Wir dürfen nicht seine Aufmerksamkeit erregen. Ich glaube nämlich nicht, dass er seinen Plan fallen lässt, sondern ihn nur ändert oder verschiebt. Und, nein, ich denke auch nicht, dass derjenige der Herr der beiden Länder werden will. Er müsste an gleich drei Thronfolgern vorbei, das wäre doch ein wenig viel. Aber es geht um sehr viel, in seinen Augen, darum wurde auch Sennefer prompt, und, wenn ich das so sagen darf, geschickt beseitigt. Was im Übrigen auch bedeutet, dass wir selbst uns alle sehr vorsehen müssen. Was auch jedem von euch einfällt – legt euch eine gute Ausrede fest, warum ihr nach etwas fragt. Ich werde mir die Bücher des tjati ansehen, wer mit auf der Reise war und mich dezent erkundigen, wer auf dem Schiff war, wie diese eine Reise im Besonderen ablief. Wir treffen uns übermorgen wieder hier, wenn ihr unauffällig herkommen könnt. Das gilt insbesondere für dich, Nefer. Lieber wartest du ab, als dass du auffällst. Keine Kontaktaufnahme, ehe ihr nicht sicher seid, dass ihr weder verfolgt werdet, noch auch nur im geringsten jemand eure Handlungen und Aussagen anzweifelt. Ich werde hier sein.“

 

Als Nefer mit ihren Anweisungen in das Haus des tjati zurückkehrte, fühlte sie sich sicherer. Jetzt wusste sie, wonach Meruka suchte. Sie hatte diesbezüglich großes Vertrauen in ihn. Einer der ersten Fälle, an denen sie unter ihm arbeiten durfte, war ein verschwundenes Baby gewesen. Da der Vater, ein hoher Verwaltungsbeamter, erst kürzlich befördert worden war und es einen sehr missgünstigen Rivalen gegeben hatte, hatten die sab-Beamten diesen befragt, ja, verdächtigt. Weil der Vater des Kindes mit dem Siegler des Königs befreundet war, hatte Hekaptah Meruka und seine Gruppe zusätzlich angesetzt, als ein Schreiben mit Lösegeldforderungen eingetroffen war. Nefer und Ptahnacht hatten als Dienerehepaar Unterkommen im Haus gefunden. Sie entsann sich noch heute der bedrückenden Stimmung, an das Schluchzen der Hausherrin. Nach ihren ersten Berichten und den Erzählungen des Kindsvaters war Meruka aufgefallen, dass es nur eine einzige Person gab, die Kontakt mit den Entführern gehabt hatte. Nicht die Kinderfrau, die zwischenzeitlich auch schon verdächtigt worden war, sondern der private Schreiber. Niemand sonst hatte einen Brief bekommen mit Forderungen, ja, der Pförtner wusste nicht, wie dieser Brief in das mittlerweile abgeriegelte Haus gekommen war. Auf Nachfragen hatte der schließlich zugegeben, das Kind entführt zu haben, da er wegen der Mutter eifersüchtig gewesen sei, die er selbst hatte heiraten wollen. Nur vier Stunden später hatten die überglücklichen Eltern das Baby wieder in den Armen halten können.

Nefer beeilte sich zu ihrem Zimmer zu gelangen. Es war jetzt Ruhezeit und sie würde die drei Frauen, mit denen sie den Raum teilte, dort jetzt vorfinden. Sie alle stammten aus dem Süden. Der gemeinsame Dialekt, gemeinsame Sagen und Märchen, schufen doch eine gewisse Vertrautheit. Sie war sicher, sie würde, zumal bei dem Stolz im Haus auf die Familie und das deutliche Mitleid bei der Tragödie mit der kleinen Tochter und der Herrin vor zwei Jahren, bald alles über Akenptah wissen, was es zu wissen gab.

 

Ptahnacht wartete, bis er die Zuteilung an syrischem Wein erhalten hatte, ehe er sich höflich an seinen Vorgesetzten wandte, der schon neugierig die Amphoren musterte. „Stell dir vor, ich habe syrischen Wein als Geschenk des Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, erhalten! Ich wusste gar nicht, dass ich ein Jubiläum habe! Aber die Schreiber des Königs irren sich nicht.“

„Nein. Und es mögen wirklich schon zehn Jahre sein. Was hast du damit vor?“

„Wie du weißt, habe ich ja keine Familie mehr. - Ich dachte, wenn die Meisten heute Abend frei haben, würde ich den Wein ausgeben. Syrischer. Selten genug! - Wenn du nichts dagegen hast, natürlich. Du wärst auch eingeladen.“

„Nun, gern. Unter drei Bedingungen. Die Nachtwachen erhalten nichts, ehe sie zurückkehren, danach kannst du ihnen etwas geben, und die Morgenwachen erhalten nichts mehr, sobald es finster geworden ist.“

„Das ist klar. Die Pflicht geht vor.“ Mit einem Lächeln fuhr Ptahnacht vor: „Überdies – so viel Wein ist es auch nicht, dass ich alle betrunken machen könnte.“

„Du weißt, wie es ist!“ Der Vorgesetzte der Getreuen klang etwas schärfer.

„Ja, natürlich. Und ich kenne meine Pflicht.“ Diese lautete, dem Lebenden Gott kemets zu dienen und ihn und seine Familie zu schützen.
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Teilchenzoo
2018-01-29T00:59:36+00:00 29.01.2018 01:59
Unter drei Bedingungen darf er den Wein ausgeben, aber der Vorgesetzte zählt nur zwei auf?
AUf jeden Fall spannend. ich hatte so lange nicht mehr gelesen, dass ich jetzt erst mal ein paar Kapitel zurückspringen musste ... hoffentlich blicke ich noch durch @.@
Antwort von:  Hotepneith
31.01.2018 09:49
Du hast rechtmit den Bedingungen ...aber den Wein so herzuschenken...
Ich fürchte, der Chef möchte auch was davon haben:)

Schön, dass du weiter liest

hotep


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