You light up the path von KeksFanxXx ================================================================================ Kapitel 2: Im Krankenhaus ------------------------- Während Yakov sich mit einer der Schwestern unterhielt, lief Viktor die Flure des „MEDEM International“ auf und ab. Es war das größte und renommierteste Krankenhaus in Sankt Petersburg mit etlichen Fachbereichen. Momentan befanden sie sich in der Chirurgie. Der Warteraum und die Flure der Etage waren abgedunkelt und menschenleer. Ein Blick auf sein Smartphone verriet Viktor, dass es bereits 23:38 Uhr, mitten in der Nacht war. Er betätigte den Power-Knopf fast fünf Mal in der Minute, jedes Mal sah er dabei wie sich die Bemerkungen häuften. Er hatte verpasste Anrufe und zahllose Nachrichten in der vergangene Stunde erhalten, doch fand nicht den Mut sie zu beantworten. „Vitya… steck das Handy weg und setz dich endlich hin“, bat ihn sein Trainer im üblichen strengen Tonfall. Viktor stoppte und drehte sich mit großen Augen zu ihm, doch nur um zu hören, dass Yakov nichts Neues von den Schwestern in Erfahrung bringen konnte. Ein unruhiges Seufzten entkam dem jungen Russen. „Setz dich. Bitte.“ Beide waren nicht die Männer großer Worte und so schwiegen sie, als sie sich in den Warteraum des Krankenhauses setzten. Viktor konnte sich denken, das Yakov viele Fragen hatte, doch noch saß er einfach nur da mit verschränkten Armen, ein Bein über das andere geschlagen und mit grübelnden Blick ins Leere. Viktors Smartphone vibrierte erneut auf dem Stuhl neben ihm und er erkannte auf dem aufleuchtenden Display eine Nachricht von seinem Freund Christophe Giacometti. „Es ist überall in den Nachrichten. Melde dich we…“ Weiter konnte er die Nachricht auf dem Startbildschirm nicht lesen und er hatte nicht die Absicht sie zu öffnen. Ihm war so übel, dass er sich nur darauf konzentrieren konnte sich nicht zu übergeben. Immer wieder ging er den Abend durch und wie er einfach hätte darauf bestehen müssen, dass sie den Lauf absagen. Er rutschte in seinem Stuhl nach hinten, beugte sich vor und legte die Arme auf den Knien ab, stützte seinen Kopf auf seine eiskalten Hände. Sie fühlten sich taub an, genau wie der Rest von seinem Körper. Das Bild wie Yuuri regungslos auf dem Eis lag, ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er japste nach Luft bei dem Gedanken an das ganze Blut. Noch immer hatte er sein Kostüm für die Gala an, auf welchem sich ein eingetrockneter, dunkelroter Blutfleck an seiner Brust befand. Es musste passiert sein, als er seinen Schützling vom Eis trug. Ihm lief ein Schauer über den Rücken und er spürte eine Gänsehaut am ganzen Körper. Warum war das nur passiert? Er hätte es Yuuri einfach verbieten müssen. „Vitya.“, hörte er plötzlich Yakov zaghaft sagen und riss ihn aus seinen Gedanken. „Was ist passiert? War es dein Fehler?“, fragte er unsensibler als beabsichtigt. Viktor versuchte den Moment zu rekapitulieren. Er erinnerte sich an Yuuris rotes Gesicht, seinen angestrengten Blick und seine schwere Atmung als er ihn anhob. Die Spannung verließ seinen Körper und er rutschte Viktor weg. Das Nächste woran er sich erinnern konnte, war Yuuri am Boden. „Er muss mir kurz vor dem Wurf weggerutscht sein.“, murmelte er tonlos. Yakov brummte unzufrieden, als könne er nicht einsehen, dass sein bester Schüler einen Fehler gemacht haben könnte. Viktor spürte wieder eine Übelkeit in ihm aufsteigen. Sein Handy vibrierte währenddessen ununterbrochen. „Er ist schwer erkältet und hatte deshalb hohes Fieber… und ich hab ihn trotzdem antreten lassen. Alles was passiert ist, habe ich zu verantworten.“, erklärte Viktor ihm lauter als davor, richtete sich dabei auf und seine Augen wurde glasig. Seine Kehle fing an zu brennen, in dem Versuch seine Tränen bei sich zu halten. Er stoß die Luft aus seinen Lungen und wendete den Blick wieder ab. Er fragte sich, ob er wohl den Mann auf dem Gewissen hatte, den er über Alles liebte. Er schluckte schwer, verdrängte diesen unerträglichen Gedanken sofort. Er wollte weinen aber zwang sich die Tränen bei sich zu halten. In seiner Kindheit gab man ihm zu verstehen, dass Weinen nichts ändern würde und so kam es sehr selten vor, dass er tatsächlich Tränen vergoss. Das letzte Mal war allerdings noch gar nicht so lange her, als Yuuri ihm vorschlug sich zu trennen nach dem Finale in Barcelona. Er kam nicht drum rum daran zu denken, dass es eventuell das Beste für seinen Schützling gewesen wäre. Die Lichter auf der Etage schalteten sich wieder ein und man konnte Stimmen am Ende des Gangs vernehmen. Viktor erkannte Yuris laute und ungehaltene Stimme, sowie Milas die versuchte ihn in Schach zu halten. Sie betraten Beide den Warteraum und sahen Viktor, sowie ihren Trainer im Dunkeln sitzen, still und abwartend. Die rothaarige Russin setzte sich neben Viktor, legte eine Hand auf seine Schulter und stellte ihm Fragen zu Yuuris Zustand, doch seine Stimme versagte und er konnte nur den Kopf schütteln. Yuri fuhr ihn an, doch erntete nur einen bösen Blick seiner Eislaufkollegin. "Er wird wieder, Viktor. Mach dir keine Sorgen. Yuuri ist in den besten Händen.", sagte sie in dem kläglichen Versuch ihn zu beruhigen. Mila hatte keine Vorstellung davon, welche Schuldgefühle in ihm tobten. In diesem Moment konnte er sich selbst nicht ertragen. Sie kramte in ihrer Tasche und reichte Viktor einen Beutel, darin waren ein schwarzes, schlichtes T-Shirt und eine graue Jogginghose, welche er sich anziehen sollte. Dankend nahm er sie entgegen, machte aber keine Anstalten sich in Bad zu bewegen um sich umzuziehen. Einige Minuten später betraten auch Sara Crispino und ihr Zwillingsbruder Michele den Warteraum des Krankenhauses. Genau wie Mila und Yuri, waren auch die Beiden bereits umgezogen. Sie mussten allesamt gemeinsam hergefahren sein. Auch wenn Viktor einfach nur schweigsam dasaß, so wusste er die Anteilnahme der Läufer zu schätzen. Alle machten sich große Sorgen um Yuuri. "Magst du etwas trinken?", fragte Sara ihn und bückte sich zu ihm. Viktor verstand die Sorge um ihn nicht. Er war schließlich nicht Derjenige der verletzt wurde. Yuuri war der letzte Mensch der es verdient hatte, auf dem Operationstisch zu liegen und Viktor würde alles dafür tun, um mit ihm tauschen zu können. Er schüttelte erneut den Kopf, richtete sich aber im Stuhl auf und betrachtete die Italienerin. Ihr mitleidiger Blick stach ihm direkt ins Herz. Er wollte ihr aller Mitleid nicht, er hatte es nicht verdient. Wieder vibrierte sein Handy, welches noch immer auf dem freien Stuhl neben ihm lag. Diesmal war es ein Anruf und Vitor gefror das Blut in den Adern als er den Namen Hiroko Katsuki lesen konnte. Es war Yuuris Mutter. Er sprang plötzlich auf, griff sich das Smartphone und lief in den Flur, während die Anderen ihn verwundert hinterher sahen. Sein Puls beschleunigte sich und am liebsten hätte es klingeln lassen, aber wenn er eine Person in diesem Moment nicht ignorieren durfte, dann was das Yuuris Mutter. Sie hatte es verdient die Wahrheit zu hören. Mit zitterender Hand nahm er den Anruf entgegen. Das Erste was er von der Anderen Leitung zu Hören bekam war ein lautes Schluchzen, ehe sie bemerkt hatte, dass Viktor rangegangen war. Sofort erkundigte sie sich nach ihrem Sohn, erzählte ihm, dass sie den Sturz vor ein paar Minuten in den Nachrichten gesehen hatte und direkt zum Telefon griff. Aus Reflex versuchte sie es zuerst bei Yuuri, doch nur um festzustellen, dass er tatsächlich nicht abnehmen würde. Danach rief sie direkt Viktor an, welcher glücklicherweise ranging. Sie wollte wissen wo ihr Sohn jetzt war und wie es tatsächlich um ihn stand und was genau passiert war. In den Nachrichten sprach man von einem schweren Sturz, bei dem er auf dem Hinterkopf aufgeschlagen sein musste und anschließend nicht mehr ansprechbar gewesen war. Viktor holte tief Luft, er wusste nicht wo er anfangen sollte. "Yuuri wird gerade operiert.", brachte er raus und befürchtete, dass seine Stimme erneut versagen würde. Noch nie hatte Viktor etwas Vergleichbares erleben müssen. Er war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, zu gelähmt war er vor Angst Yuuri könnte diese Krankenhaus eventuell nicht mehr aus eigner Kraft verlassen. Normalerweise war er nicht der Mensch der direkt den Teufel an die Wand malte, aber er musste feststellen, dass auch er nicht von solchen Emotionen gefeit war, wenn es um den Menschen ging, den der er liebte. "Bis jetzt hat uns noch niemand etwas zu seinem Zustand sagen können.", erklärte er ihr. Ein erneutes Schluchzen war zu hören. Viktor wusste nicht mehr weiter, er tat sich schwer im Umgang mit Tränen anderer, also erzählte er wie viele von Yuuris Freunden und Kollegen im Warteraum saßen und ihn mental unterstützen wollten. Hiroko wollte Freude darüber ausdrücken, doch es klang nur noch trauriger als zuvor. Sie äußerte sich außerdem froh darüber zu sein, dass zumindest Viktor bei ihm sein konnte und bat ihn gut auf ihren kleinen Jungen acht zu geben. Viktor schluckte schwer. Er versicherte ihr sich wieder zu melden, sobald es etwas Neues gab. Als er aufgelegt hatte und sich umdrehen wollte, um zurück in den Warteraum zu laufen, verließen gerade ein Arzt und zwei Schwestern den Operationssaal. Viktors Herz setzte bei dem Anblick aus und doch war sein erster Impuls auf sie zuzugehen um die Wahrheit zu erfahren. Angestrengt versuchte er die Blicke zu deuten, als er auf sie zulief, doch sie hatten ein perfektes Pokerface und so schnürte sich Viktors Magen nur noch mehr zusammen. "Doktor! Wie geht es ihm?!", fragte er, noch ehe er sie wirklich erreicht hatte. Der angesprochene ältere Mann trug einen mintgrünen Kittel und war gerade dabei seinen Mundschutz zu entfernen. Auf seiner Kleidung waren feine Blutspritzer zu erkennen. Er seufzte und augenblicklich erstarrte Viktors Körper. "Sind sie Herr Nikiforov, der Verlobte?", fragte er ihn und der Grauhaarige konnte nur Nicken. "Leider muss ich ihnen mitteilen, dass der Patient noch immer operiert wird und weiterhin nicht außer Lebensgefahr ist. Durch den starken Blutverlust und seiner seltenen Blutgruppe, neigen sich unsere Reserventransfusionen dem Ende. Wir sind hier um zu erfragen, ob jemand der Anwesenden seine Blutgruppe teilt." Es war schwer die ganzen Informationen möglichst schnell zu verarbeiten. Viktor hing immer noch bei dem Wort Lebensgefahr fest. Während er versuchte einen Satz zu formen, erschien der Rest im Gang. Sie hatten mitgehört und erkundigten sich augenblicklich nach Yuuris Blutgruppe um helfen zu können. Doch kaum sprach der Chirurg die Worte Blutgruppe A negativ aus, wurde die Stimmung bedrückter als zuvor. Die Anwesenden schauten sich Gegenseitig an, Mila übersetzte für Sara und Micky die russischen Worte des Arztes, doch niemand schien kompatibel zu sein, bis sich Viktors Blick erhellte und endlich seine Sprachfähigkeit wiederfand. "Ich! Ich habe ebenfalls A negativ! Nehmen sie mein Blut!", rief er euphorisch und auch die Anderen stimmten in den kleinen Jubel ein und feierten den glücklichen Zufall, dass sich die beiden Liebenden eine Blutgruppe teilten. Einzig Yakov schwieg und betrachtete Viktor kritisch. "Fantastisch! Bitte kommen sie gleich mit, Herr Nikiforov.", bat ihn der Arzt und verwies ihn an die Schwester links von ihm. "Halt! Kann ich ganz kurz mit dir sprechen, Vitya?", fragte ihn sein Trainer plötzlich. Alle schauten ihn fragend an, doch Viktor wusste ganz genau, was er meinte. Vor ca. einem Monat schickte ihn Yakov zu einem Arzt um ein Blutbild anfertigen zu lassen, deshalb wusste er auch genau über seine Blutgruppe Bescheid. Viktor schwächelte auf dem Eis und klagte über eine rasche Erschöpfung, deshalb bestand sein Trainer darauf auf Nummer sicher zu gehen. Auch wenn es lächerlich klang zu sagen er sei nicht mehr der Jüngste, da er gerade mal Ende zwanzig war, doch für einen Eiskunstläufer traf die Aussage leider zu. Hochleistungssportler hatten keine lange Karriere vor sich; üblich war es mit Ende zwanzig den Rücktritt anzukündigen. Doch während Andere zu diesem Zeitpunkt eine andere Laufbahn einschlugen, setzte Viktor noch eins drauf; er war Läufer, Choreograf und Trainer in einem. Seine Belastungsgrenze war erreicht und so fing selbst die 'lebende Legende' an zu schwächeln. Bei dem Blutbild wurde eine Herzschwäche bei ihm festgestellt. Diese bedeutete für Viktor, dass es seine letzte Saison als aktiver Läufer sein würde, worüber er mit Yuuri noch nicht gesprochen hatte. Was aber noch viel schlimmer war, es bedeutete das er als Blutspender nicht in Frage kommen dürfte. Zu groß war das Risiko einer Herzmuskelentzündung. Viktor wurde über alles aufgeklärt und so wusste er auch ganz genau worauf Yakov hinaus wollte, aber es war ihm schlicht egal. "Nein, es gibt nichts zu bereden. Je schneller ich spende, desto schneller können die Ärzte weitermachen und Yuuris Leben retten!", sagte er entschlossen. Sein Blick verdunkelte sich seinem Trainer gegenüber. Er würde ihm niemals verzeihen, wenn er die Spende jetzt verhindern würde. Yakov verzog keine weitere Mine. Viktor griff nach den Wechselsachen die Mila ihm erneut reichte und ließ die Anwesenden zurück. Die Schwester führte ihn in einen Behandlungsraum, entnahm ihm ein paar Tropfen Blut für eine Überprüfung seines Zucker- und Eisenwertes und checkte seine Temperatur. Viktor betete, dass alles zufriedenstellend war. Sein Eisenwert war minimal unter dem Durchschnitt, aber die Schwester drückte ein Auge zu. Sie stellte ihm anschließend einige Fragen, woraufhin Viktor zum Lügen gezwungen war, was Krankheiten anging. Zumindest wusste er, dass er Yuuri mit seinem Blut nicht Schade würde, alles weitere war ihm egal. Der russische Eiskunstläufer zog sich schnell um, damit seine Arme freilagen und legte sich flach auf die Liege. Die Schwester punktierte die Kanüle in die Vene seines linken Arms. Sie musste ungefähr 20 sein, dennoch machte sie ihren Job hervorragend, denn Viktor spürte maximal einen kleinen Pieks beim Einstich. Nach ungefähr 10 Minuten piepste das Gerät bereits. "Reicht das etwa schon?", fragte er ungläubig. "Zunächst ja. Mehr als einen halben Liter dürfen wir ihnen vorerst nicht entnehmen. Sollte es zu Komplikationen kommen, wären wir gezwungen ihnen erneut einen halben Liter abzunehmen, aber bis dahin ruhen sie sich Bitte aus. Essen und Trinken sie viel, stehen und laufen sie nicht zu viel.", erklärte ihm die Schwester. "Bleiben sie am Besten noch kurz liegen." Sie reichte ihm ein Päckchen mit Traubenzucker und stellte einen Becher Apfelsaft für ihn bereit. Danach verließ sie den Behandlungsraum mit Viktors Blut. Wäre es nach ihm gegangen, hätte sie ihm gleich alles was er hatte entnehmen können. Seufzend und nicht der Lage ruhig dazuliegen, wanderten seine Gedanken wieder zu seinem Verlobten. Er schloss kurz die Augen, betete, dass die Ärzte sein Leben retten würden und er ihn wieder in die Arme schließen konnte. Er hatte Yuuri noch so viel zu sagen. Es durfte hier und heute Nacht nicht enden. Langsam richtete sich der Russe auf, nahm den Traubenzucker, kaute ihn, statt ihn zu langsam zergehen zu lassen und trank den Becher mit einem Mal aus. Ihm war weder nach essen, noch nach trinken zu Mute, aber er würde alles tun um eine zweite Spende für Yuuri zu ermöglichen, wenn es Notwendig war. Und es war Notwendig. Eine halbe Stunde später wiederholte sich die Prozedur, ihm wurde erneut ein halber Liter abgenommen und kurz bevor das Gerät piepste spürte Viktor eine starke Welle der Übelkeit. Ihm wurde schwindlig und schwarz vor Augen. Die Schwester rieb ihm entschuldigend die Schulter und sagte ihm immer wieder, dass er sehr tapfer sei und sein Verlobter dank seiner Hilfe sicherlich durchkommen würde. Sie gab ihm eine Decke und packte ihn darin ein, weil er anfing zu zittern. Außerdem legte sie seine Beine auf ein Kissen. Danach wies sie ihm an auch wirklich im Bett zu bleiben und verließ wieder das Zimmer mit seinem Blut. Durch den hohen Blutverlust innerhalb kurzer Zeit beschleunigte sich Viktors Herzschlag enorm. Er fühlte sich so schwach und hilflos wie noch nie in seinem Leben. Die Müdigkeit übermannte ihn schließlich und mit einem letzten Gedanken an Yuuri schlief er ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)