Lieben verboten! von Dolette ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Okay, das war's. Nicht, dass mein Herz seinen Dienst eh schon nur noch unregelmäßig tat, jetzt pumpte es mir, gefühlt, mein ganzes Blut zielstrebig in den Kopf. Ich hatte Fieber! Definitiv! Vielleicht sogar Malaria. Mir war so heiß, dass ich am liebsten auf dem Absatz umgekehrt wäre, um auf die Toilette zu flüchten. Sie zwinkerte mir zu. Aber wie? Sie war noch immer amüsiert, wie auch im Treppenhaus, aber in ihren braunen Augen, die jetzt eher schwarz aussahen, funkelte etwas. Eine Herausforderung? Sie zwinkerte doch herausfordernd oder bildete ich mir das ein? Nachdem Felix noch einen Schritt näher an sie getreten war, wurde ihre Miene wieder schlicht. Freundlich. "Also schön. Wer von euch beiden ist Ashley?" Die zunächst ruhig wirkende Klasse begann nun doch zu kichern. Ich seufzte ganz leise, während mein Gesicht trotzdem langsam wieder eine normale Temperatur und, wie ich hoffte, auch Färbung annahm. Der Fluch von Unisexnamen. Gut. Das war ein alter Hut, damit brachte man mich tatsächlich nicht mehr in Verlegenheit. Sowas von einer Lehrerin zu hören war zugegebenermaßen merkwürdig und sorgte nicht gerade für Wohlbehagen, aber es war mir auch nicht peinlich, ganz anders als das unverhoffte Wiedersehen an sich. "Das bin ich." "Natürlich bist du das." Sie zwinkerte erneut und all das mühevoll zurückgedrängte Blut schoss augenblicklich dahin zurück, wo es nicht sein sollte. Sie schenkte mir noch ein wissendes Grinsen, bevor sie sich Felix zuwandte. "Dann bist du also Felix Schönfeld", stellte sie fest, stieß sich in einer eleganten Bewegung vom Pult ab, um zwischen uns durch zu treten und ihren Namen an die Tafel zu schreiben. Frau Klee stand dort nun in einer schwungvollen Lettern an der Tafel. "Mein Name ist Nina Klee. Ich unterrichte euch in Deutsch und Sport und bin eure Klassenlehrerin." Die Klasse war augenblicklich wieder ruhig geworden, was offenbar an der Änderung in der Stimmlage von Frau Klee lag. Von dem verspielten Unterton, der noch zuvor melodisch in ihren Worten mitgeschwungen hatte, war nichts mehr zu spüren. Sie klang professionell und autoritär. Dass sie die Schüler aber allein damit im Griff hatte, wunderte mich trotzdem. Das kannte ich so gar nicht. Klar, den Oberlehrertonfall hatte wohl jeder drauf, der länger als fünf Minuten mit dem Rücken zur Tafel stand, aber Wirkung zeigte dieser dann doch nur in den seltensten Fällen. Während sie zurück zum Pult schlenderte, um sich wieder lässig dagegen zu lehnen, forderte sie uns dazu auf, uns vorzustellen. Zugluft ließ den dünnen Schweißfilm auf meiner Stirn so stark runterkühlen, dass mir ein eisiger Schauer die Wirbelsäule herunter kroch. Okay, Stunde der Wahrheit. Die Tür schien verlockend näher zu rücken und wie gern wäre ich aus dem Klassenraum gestürzt, aber die rationale Stimme in mir rief mich zur Ordnung. "Ladies first, würde ich sagen", meinte sie mit einem charmanten Lächeln an Felix gewandt, der nickte und einen Schritt zurück tat. Nachdem er den Blick von ihr abgewandt hatte, zwinkerte mir meine neue Klassenlehrerin erneut zu. Der eisige Schauer wurde wohlig und zog in meine Eingeweide. Meinen Blick von ihr losreißend schaute ich zum ersten Mal bewusst in die Sitzreihen und betrachtete meine neuen Mitschüler. Die Jungs hatten, von der Anzahl her, ein leichtes Übergewicht, was mich nicht verwunderte. So war es in meiner alten Klasse auch gewesen. Ausnahmslos jeder stierte mir entgegen. Neutrale Mienen, wie ich feststellte. Das würde sich ganz sicher schlagartig ändern, sobald ich zu sprechen begann. Ich spürte meinen Herzschlag überdeutlich in meiner Halsschlagader pulsieren, aber ich nahm mich zusammen. Schließlich musste ich es so oder so hinter mich bringen. "Ähm, ja. Also, ich bin Ashley Nichols, 18 und gerade hierhergezogen." Okay, geschafft. Das ging sogar. Meine Schüler schauten mich noch immer mit neutralen Mienen an und ich hatte fast gar nicht rumgehaspelt. Nach einer Pause, die mir so lang vorkam, dass mein Puls seine Frequenz schon wieder erhöhen wollte, drehte ich mich zu Felix und zuckte auffordernd mit den Schultern. "Achso! Wie ihr schon gehört habt, bin ich Felix Schönfeld, auch frisch hergezogen und 17 Jahre alt. Früher hab' ich Fußball gespielt, jetzt model' ich nebenbei ein bisschen." Die gute Handvoll Mädchen in der Klasse begannen, leise zu tuscheln und Felix rückte breit lächelnd seine Nerdbrille zurecht. Hätte ich nicht vorher seine zugängliche Seite kennengelernt, würde ich ihn jetzt als arroganten Schnösel abtun, so aber bewunderte ich ihn dafür, schön und gleichzeitig so freundlich zu sein. An ihm vorbei erblickte ich wieder Frau Klee, die unbewegt grinsend am Pult lehnend verharrte. Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber sie schien genauso wie ich an Felix vorbeizuschauen und mich zu taxieren. Ihre dunklen Augen ließen es nicht zu, in ihnen irgendwas zu lesen, trotzdem zogen sie mich irgendwie in ihren Bann. Wieder zwinkerte meine neue Klassenlehrerin und ich wusste, dass sie nicht Felix angesehen hatte. Eilig wandte ich meinen Blick ab. So viel Aufmerksamkeit behagte mir überhaupt nicht, von einer Lehrkraft schon mal gar nicht! "Wo kommst du denn her, Ash Ketchum? Alabastia?" Mir blieb aber auch nichts erspart... Die dumme Frage kam von einem Mädchen, das in der Mitte der letzten Reihe saß. Die Blondine wurde von sieben Jungs umringt, die alle anfingen zu lachen. Die beiden ganz rechts von ihr gaben sich sogar ein Highfive. Sie grinste zufrieden und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Arme Barbie. Ich bemitleidete Menschen, die so sehr im Mittelpunkt stehen wollten, dass sie ihren lächerlich kleinen Ruhm auf dem Rücken anderer bauten. Vielleicht war ich in Wahrheit aber auch ein bisschen neidisch. "Ich würde mich beim Thema Namen mal ganz geschlossen halten, Jacqueline-Chantal!" Kaum hatte Frau Klee das Wort erhoben erstarb das Gekicher. Man hätte plötzlich eine Stecknadel im Raum fallen hören können. Sie fixierte die Blondine, die dem Blick, den ich leider nicht sehen konnte, nicht mal eine Sekunde lang standhielt. "Ja, Frau Klee. Ähm, darf ich fragen wo du herstammst, Ashley?" Blondi warf unserer Klassenlehrerin noch einen unsicheren Blick zu, bevor sie ihn auf ihren Collegeblock senkte und zu kritzeln begann. "Geht doch", meinte Frau Klee mit einem Nicken in ihre Richtung und drehte ihr makelloses Gesicht nun wieder mir zu. Das warme Lächeln, das nun auf ihren Lippen lag, strafte die eisige Kälte, die im Klassenraum herrschte Lügen und ich Begriff nicht, wie diese Frau so eine Macht auf die ungefähr 20 jungen Erwachsenen ihr gegenüber ausüben konnte. Ihre Augenbraue hob sich wieder und sie schmunzelte, den Kopf leicht schüttelnd. "Traumtänzerin..." Mist! "Ja!" Sie lachte, herzhaft. Mir schoss wieder das Blut ins Gesicht. Voll erwischt, verdammt. "Mein Daddy ist aus Amerika, ich wurde aber in Deutschland geboren!", fügte ich noch hinzu, wieder peinlich berührt. Als wäre ich nicht sowieso schon nervös genug, musste diese Frau mich so aus der Fassung bringen? Die anderen begannen wieder zu kichern. Ich sollte es mir wirklich sparen, meinen Vater außerhalb unserer eigenen vier Wände Daddy zu nennen, aber diese Gewohnheit legte sich so schwer ab. "Süß. Na schön, dann setzt euch mal hin, ihr Zwei. Mit Platzwahl kann ich leider nicht dienen." Sie machte eine wegwischende Bewegung mit der Hand in Richtung Sitzreihen. In der ersten Reihe waren wirklich nur noch zwei Stühle frei. Einer an der Tür, der andere der vorletzte vor dem Fenster. Beide sagten mir zu, darum zögerte ich und wollte Felix den Vortritt lassen. Glücklicherweise nahm er mir die Entscheidung auch ab und steuerte auf den Stuhl bei der Tür zu, also nahm ich auf dem am Fenster Platz. Neben mir, direkt am Fenster, saß ein Mädchen, das ihre Haare in ein Cappy gestopft hatte. Blonde Strähnen lugten hie und da heraus, ich betrachtete sie nicht weiter, aber ich konnte mir vorstellen, dass ich gut daran tat, sie nicht großartig anzuquatschen. Sie hob nicht einmal den Blick, als ich mich neben sie setzte. Der Schirm ihres Caps war so tief in ihr Gesicht gezogen, dass ich nicht mal mit 100%er Wahrscheinlichkeit sagen konnte, ob sie wach war. Nachdem ich meine Schreibutensilien aus meinem Rucksack gefischt hatte, ließ Frau Klee geräuschvoll einen Stapel Blätter vor mir auf meine Hälfte des Tisches fallen. Ich hatte mich etwas erschrocken, war ich doch noch damit beschäftigt, mich zu sortieren und starrte hoch in das abgrundtiefe, dunkle Braun von Frau Klees Augen. Mein Blutdruck hatte gerade endlich einen halbwegs normalen Wert angenommen und dann sowas. Die Sekunden verstrichen. Das Blut begann von neuem in meinen Ohren zu rauschen und meine Klassenlehrerin zog einmal mehr wissend und grinsend eine Augenbraue hoch zum Haaransatz. "Weitergeben", befahl sie ganz leise, aber ihr Tonfall war so autoritär, dass ich nicht gezögert hätte, Folge zu leisten, selbst wenn ich mich hätte wehren wollen. Die Schwierigkeit zu schlucken machte mir bewusst, wie trocken meine Kehle war. Wie fremdgesteuert reichte ich also den Stapel Blätter zu meiner Rechten, an einen Jungen, der ihn kaugummikauend ergriff. Frau Klee ließ ihr glockenklares Lachen erklingen, schüttelte kaum merklich mit dem Kopf, machte ein paar Schritte zu ihrer Linken und stoppte den Stapel, bevor er in die nächste Reihe gegeben werden konnte. Sie zog zwei Zettel heraus und wandte sich einfach wieder um. Zurück vor mir legte sie einen Zettel direkt vor mich, den anderen vor das Mädchen, das ihren Kopf leicht anhob und ein schönes Paar grüner Augen Preis gab. "Ohne Arbeitsauftrag arbeitet es sich so schlecht mit, meinst du nicht? Außerdem möchte Daniela sicher auch unbedingt mitmachen, nicht?" Wieder zwinkerte sie und schaute zum Ende süffisant Daniela neben mir an, die ziemlich genervt die Luft ausstieß. Ich wollte mich gerade bedanken, aber der Blick meiner Lehrerin verfinsterte sich, wie vorhin bei der Barbie. "Ah-ah, Danni. Wir wollen doch nicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen, oder?", sagte sie dennoch zuckersüß. Als das Mädchen neben mir sich nicht rührte, zog Frau Klee eine Schnute, was sie beinah kindlich aussehen ließ. Darauf nahm sie Daniela in einer unvorhersehbaren Bewegung das Cappy vom Kopf und entblößte die langen blonden Locken, die darunter zum Vorschein kamen. "Ich glaube, das Privileg hast du dir für heute verspielt", erklärte Frau Klee, wieder süffisant grinsend, ihr Handeln und erntete einen vernichtenden Blick von Daniela. Die schien ja mal richtig sauer. Ausgerechnet neben dem Störenfried der Klasse musste ich sitzen. Na super. "Mh?", machte sie und zog erwartend eine Augenbraue hoch. Danielas Griff um ihre Federtasche verkrampfte sich. Man konnte ihr den Unwillen förmlich ansehen. Umso überraschter war ich, als sie dann zu sprechen begann. "Entschuldigung, Frau Klee. Es kommt nicht mehr vor." Ihre Stimme war viel weicher und verletzlicher, als ich vermutet hätte, dass es überhaupt möglich wäre. In dem Moment, in dem sie sprach, entspannten sich ihre Finger augenblicklich und jeglicher Trotz war aus ihrem Gesicht verschwunden. Was war das denn bitte? "Natürlich", erwiderte die Angesprochene und nickte zufrieden. Das Cap legte sie dennoch auf ihrem Pult ab. Erst da wurde mir bewusst, dass mein Platz genau gegenüber vom Lehrerpult war. Auch das noch... Überraschenderweise folgte ganz normaler Unterricht, an dessen Ende Frau Klee uns noch den Stundenplan an die Tafel schrieb, den ausnahmslos jeder gewissenhaft abschrieb. Allgemein war ich ein wenig verwundert über die Ruhe, die während des Unterrichts im Klassenraum herrschte. Natürlich konnte man das von jungen Menschen in unserem Alter erwarten, die Praxis zeigte aber zumeist etwas Anderes. Zumindest war ich es so noch von meiner alten Schule gewohnt. Im zweiten Block, Betriebswirtschaftslehre bei Herrn Bremer, war das dann merkwürdigerweise auch der Fall. Einzelgespräche und Zwischenrufe störten im Fünfminutentakt den Unterricht und es schien, als wäre der Lehrer, der durchaus gestanden wirkte mit seinen schätzungsweise 55 Jahren, beinah überfordert mit der unruhigen Klasse. Dabei hatte sich Blondie aus der letzten Reihe dann doch, wie erwartet, die ganze Aufmerksamkeit der Klasse gesichert und Daniela neben mir murrte Unverständliches unter dem Schirm ihres Caps, was mir viel passender erschien, als der kleinlaute Gehorsam, den sie Frau Klee entgegengebracht hatte. Am Ende der Stunde, als wir früher Schluss hatten, zuckte ich nur darüber mit den Schultern. Ich war zu froh darüber, dass der erste Schultag hinter mir lag, als dass ich mich weiter damit beschäftigen wollte. Eilig klaubte ich meine Sachen zusammen und stopfte sie in meinen Rucksack. "Ash?" Danielas Stimme klang wieder anders. Normal irgendwie, weder feindselig, noch kleinlaut. Eher distanziert und gelangweilt, das passte viel mehr ins Bild. Ich stand schon und so schaute sie von unten zu mir auf. Augenblicklich stellte sich wieder das Unbehagen ein. Was wollte die denn jetzt von mir? "Muss das sein?", erwiderte ich leise. Zögerlich, fast bittend. "Was'n?" Verwundert zog sie die Augenbrauen hoch. "Mein Kontingent für Pokémon-Scherze war nach den ersten zehn Minuten in dieser Klasse, schon aufgebraucht." "Achso! Quatsch, das ist doch der logische Spitzname zu Ashley, oder nicht?" In Danielas grüne Augen hatte sich Leben geschlichen und schon sah ihre Miene so viel freundlicher aus. Tatsächlich hatten sie mich beim Volleyball so genannt, also nickte ich nur und versuchte mich an einem Lächeln. "Best! Dann ist das also geklärt. Darfst mich auch Danni nennen, machen eh alle. Sag mal, darf ich mir eben den Stundenplan von dir abfotografieren?" Hatte sie nicht mitgeschrieben? Ich war doch davon überzeugt gewesen, dass alle das getan hätten. "Klar!" Noch schneller, als er eingepackt war, entleerte ich meinen Eastpack wieder, schlug meinen Ordner auf, auf dessen Innenseite ich den Stundenplan geklebt hatte. "Niedlich", kommentierte Daniela, was sie sah. Ich hatte jedem Fach mit einem anderen Marker eine Farbe gegeben. Deutsch war rot. Sie zog ihr Handy hervor und fotografierte den Plan ab. "Nicht mitgeschrieben?", wollte ich wissen. "Doch schon, aber nicht richtig. Frau Klee hat ihn weggeschmissen, nach der Stunde." Daniela lächelte schief und meine Eingeweide zogen sich bei der Erwähnung dieses Namens zusammen. "Wieso macht die denn sowas?" Betreten, nein, schuldbewusst schaute Daniela zu Boden. "Ach, mein Cap wiederzubekommen war nicht so ganz easy." "Ähm... okay. Dann bis morgen, würde ich sagen." Das war mir eindeutig zu hoch. Machten Lehrer sowas? Das klang ja schon fast nach Mobbing. Wobei das schiefe Lächeln auf Danielas Lippen dazu nun auch wieder nicht passte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)