Momente von Alaiya ([One-Shots und Drabbles]) ================================================================================ Unter Menschen -------------- Ein deutlicher Geruch nach Fett, Reis und anderen Speisen, aber auch nach Alkohol und Schweiß lag in der Luft. Die Menschen drängten sich an die Theke, hinter der ein paar Köche in Akkordarbeit werkten. Niemand schien sie zu beachten, auch wenn sie wohl der einzige Nicht-Asiat im ganzen Laden sein musste. Niemand beachtete sie, doch Elaine fühlte sich noch immer zu sehr den Blicken ausgesetzt. Ihr Begleiter, Samu, der dunkelhäutige Asiat, dessen Arme mit Tattoos übersät waren, rief dem Koch etwas auf Kantonesisch oder Mandarin zu und der Koch sah kurz auf und nickte dann. „Sei nicht so angespannt“, meinte Samu dann auf Englisch zu ihr, wobei sein Englisch denselben abgerundeten Dialekt hatte, den sie so oft bei den Asiaten gehört hatte. Elaine sah sich um. „Ich mag es nicht unter Menschen zu sein.“ Wobei es vielleicht eher so war, dass sie zu viel Zeit auf der Flucht verbracht hatte. Sie wusste gar nicht mehr, wie es war unter Menschen zu sein. Zu viel Zeit hatte sie einsam in Höhlen und Wäldern verbracht, weit, weit von anderen Menschen entfernt und nur begleitet von der Stimme in ihrem Kopf. Maor. Wir sollten hier weg. Ich weiß, dachte sie und sah zu Samu. Sie hatte ihn da draußen im Hingan getroffen. Er hatte ihr geholfen, doch noch immer war sie sich nicht sicher, was sie von ihm halten sollte. Vielleicht war er doch ein Scherge ihres Vaters. Doch er hatte sie mit hierher gebracht. In eine kleine Stadt an der chinesischen Küste, wo sich gefühlt die Hälfte aller Einwohner nun hier in die kleine Kneipe drängten. Nun aber reichte der Koch ihm eine Schüssel gefüllt mit Reis und Auflauf rüber, im Tausch gegen einzelne Münzen. „Wie lange ist es her, dass du nichts ordentliches mehr gegessen hast?“, fragte Samu. Elaine seufzte und schnüffelte an der Schüssel, ehe sie etwas von dem Fleisch aus der Soße herausnahm. „Eine Weile.“ Samu musterte sie und schüttelte den Kopf. „Was hast du da draußen gemacht?“ Trau ihm nicht. Elaine wich seinem Blick aus und sah stattdessen zum Wock des Kochs, der die Speisen darin mit nahezu übermenschlicher Geschwindigkeit anbriet. „Ich...“ Sie zögerte. „Man könnte sagen, ich fliehe vor jemanden.“ Samu lächelte. „Das trifft sich wunderbar. Ich auch.“ Traue ihm nicht! Elaine wich dem Blick des jungen Mannes aus und sah zum Menü, das auf der Rückwand in asiatischen Zeichen, die sie allesamt nicht lesen konnte, auf Holz geschrieben war. „Vor wem fliehst du?“ Sie konnte es nicht lesen und doch verstand sie es. Dank Maor. „Vor meiner Familie“, erwiderte Samu leichthin. „Und du?“ Überrascht sah Elaine zu ihm. Hatte Maor Recht? War es eine Falle? Doch wenn sie ehrlich war, tat es gut, wieder mit jemanden zu reden. Sie hatte schon beinahe vergessen wie es war. Und es tat gut, warmes Essen, das mehr war als eine aufgewärmte Konserve, in den Magen zu bekommen. „Meinem Vater“, antwortete sie dann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)